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NICHT SO SCHNELL

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WORDRAP

WORDRAP

TINA

GANZ NAH

Ein bisschen aufgeregt, aber mit strahlenden Augen steht sie auf der Bühne. Sie beginnt zu singen, Gänsehaut kitzelt den Nacken. Nach dem Applaus kommt das Urteil der Jury; da ist Schönes dabei, aber auch Kommentare, die durch Mark und Bein fahren. 15 Jahre jung ist Tina Naderer in diesem You-

Tube-Video. Das erste Schnuppern ins

TV-Showgeschäft war härter, als es sein hätte müssen, philosophieren wir im Interview mehr als zehn

Jahre später.

Von der Musik ließ sich Tina aber nie abbringen; 2017 nimmt die ProSieben- und Sat1-Castingshow „The Voice of Germany“ die junge Niederösterreicherin mit

Handkuss. Gestärkt durch die Erfahrung landet sie 2019 mit „Bleibst du bei mir“ den ersten Hit. Vor

Kurzem veröffentlicht Tina Naderer die

Single „Nicht so schnell“ – und gibt im

Dezember drei Konzerte, die nicht ohne

Grund in eine neue Richtung weisen. „Jeder Song ist wie ein Baby. Das ist das intimste, das ich bisher hatte“, sagt sie.

NIEDERÖSTERREICHERIN: Du bist quasi im Gasthaus deiner Eltern in

Ebergassing aufgewachsen. Viele meinen, die Gastronomie sei die beste Vorbereitung aufs Leben als Künstlerin. Ist es so?

Tina Naderer: Auf jeden Fall! Egal, wie du drauf bist, du musst nett sein, der Gast ist schließlich König. Das heißt nicht, dass man sich alles gefallen lassen muss, da hat sich schon einiges verändert. Seit ich drei war, habe ich Teller und Häferl abgeräumt, und ich arbeite bis heute gerne mit. Ich habe von den Pensionisten Bauernschnapsen gelernt, viel gesehen und erlebt. Das hat mir gutgetan, ich bin kein scheuer Mensch, das hilft mir in der Musikbranche. Du hattest schon mit 13 eine eigene

Musik hält die Band …

Menschen Ich hatte eine tolle Gitarrenlehrerin, sie zusammen. Sie war sehr dahinter, dass ich singe. Den kann den Moment Mädels im Chor war in allen Krisen ich zu laut, da habe ich mit meiner Freunschöner machen. din und meinem Freund eine Band ge-

Tina Naderer, Singer-Songwriterin gründet. Es war für mich kein Problem, auf die Bühne zu gehen. Da bin ich heute nervöser (lacht). Zu „The Voice of Germany” hat dich deine Mama angemeldet. Wieso? Weil sie findet, dass mir immer der letzte Funken an Selbstvertrauen fehlt, dass ich zu selbstkritisch bin. Schließlich war es das Schönste, mit so vielen Leuten an einem Platz zu sein, die für die Musik leben. Ich bin auch relativ weit gekommen und war nicht traurig, weil ich nicht gewonnen habe – das war gar nie mein Ziel –, sondern weil die Zeit vorbei war. Was auf der Strecke bleibt, wenn alles gleichzeitig passiert, beschreibt Singer-Songwriterin Tina Naderer im neuen Song „Nicht so schnell“. Das Interview zum neuen Lebenskapitel.

Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Martin Krachler, Privat, Tina Naderer x Maschalina

KURZ NOTIERT

Tina Naderer wurde 1996 geboren und wuchs in Ebergassing auf. 2017 nahm sie bei der ProSieben- und Sat1-Castingshow „The Voice of Germany“ teil, danach arbeitete sie in der Ö3-Touchpoint-Redaktion. Parallel dazu veröffentlichte sie 2019 ihre erste Single „Bleibst du bei mir“, 2021 kam das Debütalbum „Ohne Filter“ heraus. „Nicht so schnell“ und weitere neue Songs spielt sie jetzt bei ihrer Akustik-Tour: 2. Dezember, Kulturfabrik Kufstein 9. Dezember, Theater Akzent Wien 10. Dezember, K.U.L.T. Salzburg

STARKE BINDUNG TROTZ FERNBEZIEHUNG. Seit 2021 sind Tina Naderer und der Profihandballer Sebastian Frimmel – er kommt aus Perchtoldsdorf – ein Paar. Er spielt im Nationalteam und für das ungarische Team Pick Szeged.

Wie hat dich diese Reise geprägt?

Ich habe gelernt, dass das Konkurrenzdenken unnötig ist, dass einem das viel mehr von außen eingeimpft wird. Klar, wir haben quasi gegeneinander gekämpft, dafür mussten wir für die paar Minuten unserer Auftritte jeweils unser Bestes geben, um besser zu gefallen. Aber den Rest der Zeit waren wir Freundinnen und Freunde, die miteinander viel Musik gemacht haben.

Danach bist du nach Österreich zurück, hast an deiner Musik gearbeitet und parallel beim Radiosender Ö3 gestartet. Wie ging das?

Ich habe Publizistik studiert und dann Regie bei verschiedenen Radiosendungen gemacht, weil mich das auch sehr interessiert und ich außerdem nicht von meinen Eltern abhängig sein wollte. Oft war es dann so, dass mein Dienst um 6 Uhr angefangen hat, danach bin ich bis nachts ins Studio, um an meinen Songs zu arbeiten. Das habe ich zwei Jahre durchgezogen. Mein Papa sagt oft, ich kann ein richtiges „Hacklerviech“ sein (lacht). 2019 habe ich dann meine erste Single veröffentlicht, meinen bis heute erfolgreichsten Song „Bleibst du bei mir“.

… und dann kam Corona und hat dir ordentlich reingepfuscht, oder?

Sehr. Ich war gerade am Weg nach oben – und auf einmal war es vorbei, es konnten keine Konzerte mehr gespielt werden. Das Schwierigste für mich ist, zu erkennen, dass ich seit dem ersten Song 13 weitere veröffentlicht habe, die definitiv nicht schlechter sind, aber bei keinem ist das passiert, was beim ersten passiert ist. Es ist ein schmaler Grat: Einerseits möchtest du im Radio laufen, das braucht für die breite Masse vor allem eine catchy Melodie, andererseits willst du selbst als Künstlerin wahrgenommen werden. Tina Naderer ist nicht nur mein Künstlername, das bin ich. Die Single „Nicht so schnell“ ist jetzt auch ein Neuanfang.

Inwiefern?

Meine Themen sind reifer, noch mehr „ohne Filter“. „Nicht so schnell“ zu veröffentlichen kostete mich eine Riesenüberwindung, weil ich durch die Blume sage, was mir nicht guttut. Ich möchte Songs schreiben, die mir gefallen, die ich veröffentlichen will und nicht weil irgendwer sagt, der Song könnte ein Hit werden. Einige sind schon für das neue Album entstanden: In einem geht es um meine Eltern, in einem anderen darum, wie man mit einer Fernbeziehung umgeht (privat ist Tina seit 2021 happy liiert mit dem Profihandballer Sebastian Frimmel, Anm.).

Es gibt auch einen Song, bei dem ich mir noch nicht sicher bin, ob ich ihn veröffentlichen werde, aber ich singe ihn bei den Konzerten im Dezember. Ich weiß, dass es da draußen viele nette Menschen gibt, gerade viele junge Frauen, die sehr mit sich selbst kämpfen. Ich wünsche mir mit dem Song, dass das Tabu verschwindet, sich Hilfe zu holen, wenn es einem psychisch nicht gut geht.

Du wirst bei der Tour also einige neue Lieder präsentieren?

Die Klassiker muss ich spielen, sonst gibt’s ein Bahö (lacht), aber es sind mehrere neue Songs dabei – und zwar mit einem Akustik-Set-up und auch einem Flügel auf der Bühne. Letztes Jahr gab es die große Tour mit viel Karacho, auch das mag ich, aber jetzt wollte ich etwas Neues, gerade für die Vorweihnachtszeit.

Wie erlebst du deine Konzerte?

Ich bin davor sehr nervös, aber wenn ich dann die erste Strophe geschafft habe, weiß ich: Jetzt bin ich wieder zu Hause. Es bedeutet mir viel, wenn ich die Leute mitsingen höre oder sie mir nachher sagen, dass ich sie abgeholt habe. Der Moment des Auftritts ist wie verliebt zu sein, selbst an schlechten Tagen ist es auf der Bühne schön.

Was raubt dir die meiste Energie?

Die Unsicherheit, dass du nie sagen kannst, ob es gut ankommt, die Tatsache, dass man gefallen muss, um Geld verdienen zu können, Auftritte zu bekommen und im Radio gespielt zu werden.

Ich habe ein sehr nettes Management, da höre ich manchmal, dass es Mädels gibt, für die ich ein Vorbild bin. – Okay, wenn das so ist, muss ich ehrlich sein und zugeben, dass auch ich schlechte Tage habe und nicht immer alles super ist. Deswegen habe ich den Song veröffentlicht, weil ich mitbekommen habe, wie vielen gerade alles zu schnell geht.

HERZENSSONG. „Nicht so schnell“ ist ein Appell gegen das rasante Tempo unserer Gesellschaft und ein Liebesgeständnis an die Musik.

Siehst du dich als Feministin?

Im Herzen auf jeden Fall, auch wenn ich nicht jeden zweiten Tag einen Post dazu mache. Tatsächlich läuft noch viel schief, alleine wenn man sich Line-ups von Festivals anschaut, wo oft 90 Prozent Männer auftreten. Das liegt nicht nur an den Labels, nicht nur am Publikum, nicht nur an den Radiostationen, es müssen sich alle an einen Tisch setzen und darüber reden: Wie kann es sein, dass wir so viele super Künstlerinnen in Österreich haben und nicht einmal ein Drittel von ihnen werden gespielt oder kriegen eine Bühne?

Krieg, Krisen, Corona. Wie gehst du mit all dem um?

Ich habe im Sommer den Song „Alles so leicht“ veröffentlicht, wir haben davor lange darüber gesprochen, ob das sein darf. Aber die Musik ist ein Medium, das die Menschen zusammenhält. Man darf als Künstlerin nie aufhören, Musik zu machen; Musik kann den Moment in allen Krisen schöner machen.

Feines fürs Ohr

Sunshine Hoops: Designerin und Sängerin machen gemeinsame Sache.

Kein Tag ohne Schmuck, kein Tag ohne Ohrringe: Die vielseitige Tina Naderer wagt sich als Kreolen-Liebhaberin über eine schöne Kollaboration mit dem Wiener Atelier „MASCHALINA“. Gemeinsam mit der Designerin Mascha Lina Borodin präsentiert sie die „Sunshine Hoops“: an genähten Steckern baumelnde goldene Kreolen mit je einer herabhängenden Süßwasserperle. MASCHALINAs Schmuckstücke werden in Österreich handgefertigt.

Die „Sunshine Hoops“ sind ab Dezember um jeweils 59 Euro via Online-Shop von Universal Music erhältlich.

shop.universalmusic.at maschalina.com

GLÄNZENDE KOLLABORATION. Tina Naderer, Mascha Lina Borodin

VERTRAUEN IST GUT, KONTROLLE IST INDRA

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