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„Es braucht ein Umdenken“
Das Finden und Halten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird für Unternehmen immer schwieriger, stellt auch die assoziierte Universitätsprofessorin Dr. Barbara MüllerChristensen fest. Im Interview zeigt sie auf, worauf es beim „Kampf um Talente“ ankommt und wie Frauen den Wandel für sich nutzen.
Dr. Barbara Müller-Christensen (43) ist in Oberösterreich am Institut für Personalführung und Veränderungsmanagement an der JKU und an der LIMAK Austrian Business School tätig. Sie beschäftigt sich vor allem damit, wie es uns gelingen kann, den aktuellen Herausforderungen in der Arbeitswelt zu begegnen. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Führungskräfteentwicklung und neue Arbeitsformen, das gemeinsame Denken von Organisationsentwicklung und Personalentwicklung. Weil die Arbeitswelt im Wandel begriffen sei, wäre gerade jetzt das Potenzial für Frauen groß, konstatiert die gebürtige Kärntnerin. Als assoziierte Universitätsprofessorin und Lehrende arbeitet sie daran mit, zu enge und oft männlich geprägte Bilder aufzubrechen, Frauen zu stärken, Optionen anzubieten und im Rahmen ihrer Möglichkeiten, Veränderung nicht nur zu lehren, sondern zu implementieren.
Frau Dr. Müller-Christensen, für Unternehmen wird es immer schwieriger, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Inwiefern können Sie diese Aussage bestätigen?
Schlagworte wie Fachkräftemangel sind ja durchaus schon länger Thema, aber jetzt spüren Unternehmen diesen unmittelbar, nämlich insofern, dass das Finden und Halten von Talenten bzw. Mitarbeitern immer schwieriger wird. Momentan ist es ja so, dass sich Arbeitnehmer aussuchen können, wo sie arbeiten, und beispielsweise in der IT werden auch die Gehaltsvorstellungen immer höher angesiedelt. Ein Druck am Arbeitsmarkt und in den HR-Abteilungen (Anm. d. Red.: Human Resources) ist definitiv spürbar. Das ist, was sich verändert hat. Es wird nicht nur davon gesprochen, sondern man merkt, dass sich der Fachkräftemangel bzw. generell ein Arbeitskräftemangel aktuell in den Unternehmen auswirkt.
DR. BARBARA MÜLLER-CHRISTENSEN ist am Institut für Personalführung und Veränderungsmanagement an der JKU, Vortragende an der LIMAK Austrian Business School und wissenschaftliche Leiterin des MBA „Management und Leadership für Frauen“ der JKU und VHS Linz
Worauf kommt es beim „Kampf um Talente“ an?
Auch wenn sich Unternehmen mit Angeboten wie „4-Tage/30h-Woche“ vielleicht noch einen kurzfristigen Vorteil schaffen können, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, so muss auch bewusst sein, dass dies allein nicht automatisch zu höherer Motivation und damit höherer Bindung beitragen wird. Zentral ist es, Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Sich „ehrlich“ als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Das erfordert die Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und Zielsetzungen, aber auch jenen der Mitarbeiter. Themen wie Diversität, aber vor allem auch Füh- zung mit den Rahmenbedingungen ihrer Umsetzung. Das ist auch eine Frage der Kultur, beispielsweise wenn es darum geht, wann und wie Meetings stattfinden, aber auch welche Entwicklungsmöglichkeiten es gibt. Hilfreich ist auch die Unterstützung durch Betreuungsangebote, wie beispielsweise Betriebskindergärten. rungskräfteentwicklung, werden relevant. Einzelne HR-Prozesse wie Recruiting oder Personalentwicklung müssen bedarfsspezifischer und gleichzeitig integrativer und auf strategischer Ebene gedacht werden. Ein grundlegendes Umdenken ist nötig. Auch sehe ich einen Paradigmenwechsel insofern, dass wir uns an Komplexität und Mehrdeutigkeit gewöhnen müssen, Stichwort VUCAWelt. Es gibt nicht auf alles einfache und klare Antworten.
In Zeiten des Fachkräftemangels werden gerade Frauen dringend am Arbeitsmarkt gebraucht. In welchen Bereichen haben sie die besten Chancen – beispielsweise Human Resources?
Sie beschäftigen sich in ihrer Forschung viel mit Organisationsentwicklung und Veränderungsmanagement. Welche Veränderungen braucht es, vor allem in Hinblick auf Frauen?
Um das Potenzial am Arbeitsmarkt nutzen und vor allem Frauen in ihrer Erwerbstätigkeit unterstützen zu können, braucht es ein breiteres, flexibleres und bedarfsgerechteres Angebot von Arbeitsformen und die Auseinanderset-
Grundsätzlich sollten sie in allen Bereichen Chancen haben; leider gibt es nach wie vor Bereiche, in denen Frauen besonders unterrepräsentiert sind, während „klassisch weibliche“ Bereiche, wie auch der von Ihnen angeführte HR-Bereich, typischerweise eher von Frauen besetzt sind, in denen sie auch größere Chancen haben, sich zu etablieren. Um hier Chancengleichheit zu schaffen, braucht es noch viele Maßnahmen – hier kann der Druck, dem Unternehmen aktuell ausgesetzt sind, helfen. Besonders viel Potenzial für Frauen gibt es in den Führungspositionen. Es gibt also viel zu tun, auch für uns. Spezifische Frauenförderprogramme, wie beispielsweise der Executive MBA „Management und Leadership für Frauen“ der JKU in Kooperation mit der Stadt Linz, können hier unterstützen, um Frauen für und in Führungspositionen mit einem akademischen Abschluss für genau jene Positionen gezielt zu qualifizieren, weiterzu- bilden und vor allem zu stärken. Aber auch akademische Kurzprogramme mit thematischen Schwerpunktsetzungen, wie der Universitätslehrgang „Strategic People Management and New Work“ an der LIMAK, widmet sich der Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, mit denen Unternehmen im Rahmen der aktuellen Veränderungen in der Arbeitswelt konfrontiert sind.
Wie weit sind wir beim „Umdenken“ und beim Aufbrechen männlich dominierter Rollenbilder schon gekommen?
Die Denke ändert sich langsam, wie ich aus meinen Lehrveranstaltungen erfahre, aber wir hinken noch weit hinterher. Das vorherrschende Bild sind immer noch vollzeitarbeitende Männer. Das Führungsverständnis muss sich ändern und neue Modelle gedacht werden, z. B. Führung in Teilzeit, Shared Leadership etc. Zumindest starten Unternehmen, sich damit zu beschäftigen, in der Umsetzung gibt es aber noch viel Potenzial. Die Verantwortung wird oft auf Frauen abgeschoben, mit Verweis auf die Mehrfachbelastung. Oder die Frauen selbst haben Respekt davor, mit Familie eine verantwortungsvolle Position zu übernehmen. Da geht es aus meiner Sicht darum, Frauen zu stärken und zu unterstützen. Dazu müssen wir neue Strukturen und Rahmenbedingungen schaffen, unser Führungsverständnis ändern, zu enge Bilder aufbrechen und verschiedene Role-Models zeigen. Darin sehe ich eine unternehmerische und gesellschaftliche Verantwortung.