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Die „Retro-Bags“
Vom Ausseerland
Georg Eder vom Grundlsee widmet sich seit einigen Jahren der Herstellung eines traditionellen Accessoires, das so manche Kindheitserinnerungen beim Bergsteigen aufleben lässt: Der fast in Vergessenheit geratene „Waidsack“ hat im Ausseerland wieder „Rückenstärkung“ bekommen.
Text: Zivana de Kozierowski
Fotos: Monika Löff
Noch ist etwas Zeit bis zum nächsten Sommer. Noch ist etwas Zeit, bis sich die Gäste hier im Geschäft von Georg Eder direkt am Grundlsee wieder die Türschnalle in die Hand geben. Die Glocke über der Türe wird dann häufiger läuten und es wird wieder öfter nachgefragt werden, was denn das eigentlich sei, ein „Original Ausseer Waidsack“? Schließlich wissen nur die wenigsten Gäste, die hier während der Sommermonate aus nah und fern vorbeikommen, was sich hinter dieser Bezeichnung genau verbirgt.
Diejenigen aber, die den Waidsack noch aus Kindheitstagen kennen, werden bei seinem Anblick direkt ein wenig sentimental, erzählt Georg Eder, der sich ganz der Anfertigung des traditionellen Beutels, den Jäger, Schwammerlsucher oder Wanderer zum Transport von Proviant verwenden, verschrieben und ihn dabei quasi gleich neu erfunden hat.
Ein simples und geniales Patent, das es etwa Taschendieben schwer macht, an den Inhalt des Beutels heranzukommen. Dieses Patent habe sich Eder übrigens vor einigen Jahren schützen lassen, als er die Idee zu dem „Relaunch“ des original Ausseer
Georg Eder
Einfach & genial.
Georg Eder schnappt sich einen der Beutel im Verkaufsraum und demonstriert für uns: „Das Geniale an dem Waidsack ist, dass dieser die Öffnung auf der Innenseite hat. Durch das Befüllen des Beutels zieht das Gewicht des Proviants nach unten und die Öffnung verschließt sich dann von selbst“, schildert der WaidsackMacher begeistert. „Zugriff habe man nur durch diese Öffnung und ausschließlich, wenn der Waidsack vom Träger abgenommen wird.“
Waidsackes hatte. Eder hat in Bad Aussee eine Schneiderin beschäftigt, die unterschiedlichste Ausführungen dieses Klassikers in verschiedenen Designs von Hand fertigt. Exklusiv, versteht sich.
Der Waidsack-Macher sei sozusagen mit diesem Utensil aufgewachsen. Schon als Kind habe er einen solchen besessen. „Damals hatten wir Burschen in der warmen Jahreszeit eine Lederhose an und wenn wir auf die Zimitzalm oder ins Appelhaus im Toten Gebirge hinaufgingen, dann nur mit unserem Waidsack!“ Das sei hierzulande auch nach wie vor so üblich, wie Eder betont. Genauso wie auch Berg- und Forstarbeiter ihren Waidsack mit Proviant und allem Notwendigen stets dabeihaben.
„Ursprünglich“, so Eder, „kommt der Waidsack jedoch aus der Jägerei –deshalb auch der Name: Der Waidsack war der Rucksack des Waidmannes, gefertigt aus mehr oder weniger unver wüstlichen Materialien in schickem Military-Green.“ Schöne Erinnerungen sind für Georg Eder die selbstgenähten Waidsäcke, handgemacht von seinen Eltern. Damals war er selber noch ein kleiner Bub und hatte den Waidsack bei jedem Ausflug in die Berge stets dabei.
Die originalen Waidsäcke vom Ausseerland werden aus unterschiedlichsten wasserdichten Materialien gefertigt.
Nostalgische Wegbegleiter. Früher wurde für die Herstellung der Waidsäcke ausschließlich ein sogenanntes „Gradl“ verwendet. Ein festes Leinen mit eingewebtem Fischgrätmuster, welches immer noch in Oberösterreich erzeugt wird. Damals wie heute ein beliebtes Material zur Herstellung von grober Arbeitskleidung oder großen, reißfesten Säcken. Ein wasserdichtes Material jedenfalls, das man bereits vor über 100 Jahren sehr zu schätzen wusste.
„Früher hatte ich hier ein Geschenkartikelgeschäft mit Holzspielzeug, Textilien und allem Möglichen, was man halt am See so braucht“, erzählt Eder. „Was wir damals vor allem verkauft haben, waren traditionelle Stoffe, die zum Großteil bis heute in Ös- terreich gefertigt werden. Ob Leinen aus dem Mühlviertel oder gewalkte Schafwolle aus der Ramsau vom Lodenwalker: Der ‚Klassiker‘ unter meinen vielen Taschenmodellen ist deshalb vielleicht auch der Anthrazitfarbene aus gewalkter Schafwolle. “
Für Jäger & Sammler.
An der Vorderseite eines jeden Waidsackes befindet sich ein Zopf aus geflochtenen Lederbändern als Zierde und auch ein bis mehrere Lederriemen mit Schlaufe, die sogenannten „Galgen“. Diese Schlaufen sind bei den Jagdmodellen in mehrfacher Ausführung angebracht. Früher haben diese dazu gedient, die erlegten Fasane oder Enten anzuhängen. Für die Jäger kommt zudem ein „Schweißsack“ ins Innere, perfekt geeignet zum Schutz des Wildbrets beim Transport. „Fasane gibt es zwar keine bei uns in der Gegend, aber sehr wohl Auer- oder Birkhähne!“
„Bei den modischeren Modellen sind die Lederschlaufen – pardon ‚Galgen‘ – wohl eher ein modisches Accessoire und dienen dazu, vielleicht eine Jacke anzuhängen, die man beim Wandern ausgezogen hat, oder ein nasses Handtuch, wenn man vom Baden kommt“, erklärt Eder.
„Die ‚Polsterzipf’ am unteren linken und rechten Ende des Sackes werden mit je einer Glasmurmel befüllt, damit sich die ‚ Zipf ’ nicht aus der Lederschlaufe lösen. Früher wurden hierfür Steine verwendet.“ Der Waidsack-Macher zupft dabei ein paar der ausgestellten Taschen zurecht und fügt noch hinzu: „Diese Verbindungselemente in Form von Metallringen wurden früher noch von Hand geschmiedet. Das sind aber die einzigen Unterschiede, ansonsten ist mein Patent sehr authentisch und fast ident mit der Ausführung von damals.“
Sommer wie Winter –Stadt wie Land … „Der Waidsack ist heute sogar noch ein bisserl trendiger als damals“, gibt sich Eder überzeugt. Denn mittlerweile bietet der Ausseer Unternehmer Waidsäcke in den verschiedensten Ausführungen an: ob mit Ausseer Handdruck, gefertigt zum original Ausseer Dirndl oder als modische Accessoires, die auch gerne von Städtern als Mitbringsel gekauft werden. Da alle „Original Ausseer Waidsäcke“ mit Innenfutter versehen sind und wasserfest gefertigt werden, kann man diese rund ums Jahr verwenden, ob zum Langlaufen, Skifahren, Wandern oder Schwimmen.
„Was wir zudem herstellen, ist der ‚Traditionelle Wochensack‘ “, erzählt uns Eder noch abschließend. „Das Original hierzu gibt es im Kammerhofmuseum in Bad Aussee. Dieses war etwas schmäler als der Waidsack in der Ausführung und seitlich zum Umhängen für Holzknechte konzipiert. Der Wochensack wurde zur Hälfte mit Mehl und zur anderen Hälfte mit Fett aufgefüllt: Die Essensration eines Holzknechts für eine ganze Woche Waldarbeit. Aus diesen Zutaten wurden nämlich die traditionellen Holzknecht-Nocken gemacht. Heutzutage wird der Wochensack gerne für Waldarbeit der etwas anderen Art verwendet: Er eignet sich ideal als Umhängetasche zum Kräutersammeln.“