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Zu schmuck
ZUM EINSCHMELZEN!
Die Kunsthistorikerin und Juristin Dr. Kristina Riedl hat sich ganz der Rettung von altem Gold- und Silberschmuck verschrieben. Dieser wird leider allzu oft für die Herstellung von Bruchgold und -silber eingeschmolzen. Wie die „Rettungsaktion“ konkret aussieht und was mit den edlen Stücken passiert, hat uns die begeisterte Sammlerin in ihrem Store in Gmunden erzählt …
Text: Zivana de Kozierowski
Fotos: Monika Löff
Der Blick bleibt an einer kleinen Kostbarkeit in der Auslage hängen: eine besonders schöne, handgeschmiedete Silberbrosche mit einem großen Edelstein. Ein Meisterwerk aus der Zeit um 1900, wie sich herausstellt. Schwer vorstellbar, dass dieses Schmuckstück, das vor etwas mehr als 100 Jahren in stundenlanger, aufwendiger Handarbeit hergestellt wurde, in einem Schmelzofen hätte landen sollen – gemeinsam mit anderen alten Stücken, die heutzutage so manches Sammlerherz höherschlagen lassen.
„Einige meiner ‚Schätze’, wie diese Silberbrosche, sind aus der Epoche des Fin de Siècle, das heißt aus der Zeit um die Jahrhundertwende, also eigentlich Jugendstil“, erzählt die Kunsthistorikerin und Geschäftsführerin von „Accade“. „Die ältesten dieser ‚Fundstücke’, die ich vor dem Einschmelzen retten konnte, sind so- gar noch ‚betagter‘, sie kommen aus der Barockzeit.“ Derzeit besonders im Trend ist aber jüngerer Schmuck, aus dem Mid-Century etwa, also aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Cocktailringe mit großen Steinen seien derzeit der große Renner, so die Schmuckhändlerin begeistert.
Zufällige Fundstücke.
Das Wort „accade“ bedeutet im Italienischen übrigens so viel wie „etwas ereignet sich zufällig“. Es sind also „Zufälle“, die hier gehandelt werden: So zufällig wie die Unikate bei Riedl „landen“, so zufällig finden sie auch wieder neue Besitzer. Denn der Schmuck wird von der Unternehmerin als „Kiloware“ von sogenannten „Einschmelzern“, sprich Goldhändlern, gekauft, ohne dass sie selbst weiß, welche „Zufallsfunde“ die Gold- oder Silberlieferung beinhaltet. Das Recyclingkonzept von „Accade“ gilt zudem als besonders fair und nachhaltig, denn bei der Gewinnung von Edelmetallen seien nicht nur katastrophale Arbeitsbedingungen, sondern vor allem auch ein hoher Grad an Umweltzerstörung an der Tagesordnung, meint Kristina Riedl.
„Rund um den Globus werden Ökosysteme durch den Abbau von Gold, Silber und Edelsteinen in riesigem
Ausmaß zerstört und die Menschen dabei oft massiv ausgebeutet. In vielen Fällen sind es Kinder, die unter unvorstellbaren Bedingungen in den Minen arbeiten müssen, obwohl sie eigentlich zur Schule gehen sollten. Mit dem Profit aus diesem schmutzigen Geschäft werden Kriege finanziert und Diktaturen unterstützt. Mit meinem Geschäft leiste ich zumindest einen kleinen Beitrag zu mehr Fairness und Nachhaltigkeit in der Schmuckbranche“, ist Riedl überzeugt.
Vom Sammeln zum Beruf. Gesammelt hat die gebürtige Gmundnerin schon als Kind alles Mögliche, und sie erzählt, wie ihr Zimmer damals fast aus allen Nähten platzte: bis zum Plafond hinauf mit Bildern behängt und mit allen möglichen alten Dingen angeräumt, die ihre Familie eigentlich wegwerfen wollte. „Einiges davon hat sich als wirklich wertvoll herausgestellt, wie eine Kette von meiner Urgroßtante“, er- innert sich die Kunsthistorikerin. „Unglaublich, dass man die Kette damals weggeben wollte, heute ist das ein schönes, antikes Stück!“
Auf die Frage, welche Epoche sie selbst am liebsten habe, zeigt die Expertin auf eben jene Kette, die sie um den Hals trägt, und schwärmt: „Für mich ist die Zeit des Art déco traumhaft schön! Diese Schlichtheit und diese Eleganz, die im Design der Dreißigerjahre geherrscht hat, dieser Minimalismus gefällt mir wahnsinnig gut!“ Das Stück, das sie selber stets trägt, ist aus Onyxund Silberstäben gefertigt und wurde von der Kunsthistorikerin „bearbeitet“: „Jetzt hängt meine Goldschmiede-Lupe an dieser Kette. Sollte eine Kundin oder ein Kunde zum Beispiel mit einem Platinring, der vielleicht einen kleinen, gelben Saphir trägt, zu mir kommen, dann kann ich dieses Schmuckstück gleich begutachten, also genauer ‚unter die Lupe nehmen‘ ...“
Recht und Kunst.
Kristina Riedl hat in Salzburg neben Kunstgeschichte auch Jus studiert. Für sie sei das damals schon die perfekte Kombination gewesen, da Kunst, also „das Schöne“, eine ideale Ergänzung zur Rechtswissenschaft sei. „Die juristische Ausbildung kommt mir heute insofern sehr zugute, da ich von Notaren als Gutachterin, d.h. als Expertin eingesetzt werde, um alten Schmuck zu bewerten. Nach 15 Jahren in Mödling, wo ich meine Familie gegründet habe, sind wir vor zwei Jahren wieder in meine Heimatstadt Gmunden zurückgekehrt.“
Die Gutachten, die Riedl erstellt, dienen bei Verlassenschaften als Grundlage, um die jeweiligen Anteile der Erben zu errechnen. Zudem erstellt sie auch Gut- achten für Privatpersonen. Das reicht von Zufallsfunden, etwa den „Schmuck aus der Schublade schätzen“, bis hin zu aufwendigeren Gutachten für Versicherungsfälle. Aber auch Bilder, Möbel und andere Wertgegenstände werden von ihr geschätzt. Und in Kürze wird die Juristin und Kunsthistorikerin eine umfangreiche Edelsteinprüfung ablegen, um auch auf diesem Gebiet über noch mehr Expertise und Know-how zu verfügen.
Auf die Idee, schönen antiquarischen Schmuck vor dem Einschmelzen zu retten und zu verkaufen, sei Kristina Riedl schon vor einigen Jahren in Mödling gekommen. Mit knapp 40 Jahren hat die Mutter von drei Kindern damals für einen Antiquitätenhändler gearbeitet. „Ich habe begonnen, in seinem Geschäft auszuhelfen“, erzählt sie. „Dieser Händler war spezialisiert auf besonders edlen Schmuck, da wurde die Liebe zu den schönen alten Dingen bei mir sozusagen ‚wiederbelebt‘ (lacht). In dieser Zeit habe ich wirklich besonders viel gelernt, vor allem das handwerkliche Gespür für alte Schmuckstücke.“
Schmücken, nicht schmelzen. Besagter Händler habe den Ankauf von Gold und Silber als „Bruchware“ betrieben. Dabei konnte die Kunsthistorikerin zusehen, wie die „alten Dinge“ für den Bruch, also die Weiterverarbeitung des Schmucks durch die Schmuckindustrie, vorbereitet wurden. „Da wurden mit einer Zange die Steine von den Edelmetallen getrennt, das Gold oder Silber kam in eine Kiste, um es nach dem Einschmelzen zu Bruchgold- oder Bruchsilberpreisen an die Industrie weiterzugeben. Wertvolle Teile wurden da oft einfach weggeworfen, keiner hat genauer hingeschaut“, erinnert sich Riedl. „Da ist mir klar geworden, welches Wissen um die traditionelle Handwerkskunst dadurch verloren geht. Denn handwerkliche Kunstfertigkeit wie bei diesen ‚antiken’ Stücken, wird heute ja kaum mehr ausgeführt!“
Um das Einschmelzen von altem Schmuck zu verhindern, hat Kristina Riedl schließlich im Jahr 2010 in Mödling ein kleines Geschäft gegründet, das sie über zehn Jahre betrieben hat. „Dann hatte ich jedoch immer mehr den
Wunsch, wieder in meine Heimatstadt Gmunden zurückzukehren“, erzählt sie. „Das Geschäft in Mödling habe ich meiner Nachfolgerin übergeben und mir seit Oktober 2022 ein neues Geschäft in der Innenstadt von Gmunden aufgebaut. Dieser Pop-up-Store ist eine tolle Möglichkeit der Stadtgemeinde, eine neue Geschäftsidee auszuprobieren.“
Derzeit ist die Gmundner Unternehmerin auf der Suche nach einem passenden, kleinen Geschäftslokal für ihr Start-up. „Die Reaktionen sind durchwegs sehr wertschätzend und ich bin guter Dinge“, so Riedl. „Auch in Mödling ist meine Geschäftsidee auf große Resonanz gestoßen. Das Konzept, alten Schmuck aus den Schubladen herauszuholen, zu neuem Glanz zu verhelfen und ihn auch wieder zu tragen, das bringt wirklich Freude! Diese Idee kommt gut an. Der Kreislauf beginnt hier in der Traunseestadt sozusagen wieder von vorne und wie der Name ‚Accade‘ schon sagt: „Das alles passiert eigentlich rein zufällig.“
Nähere Infos unter: www.accade.at
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