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CARTOONS Kerstin Feirer pöbelt
„Ich liebe es zu pöbeln“
In erster Linie will die Cartoonistin Kerstin Feirer unterhalten. Das bedeutet in ihrer Welt: zum Denken anregen, emotional und intellektuell bewegen. Der Ton darf dabei manchmal auch
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etwas rauer werden. Von Claudia Taucher
„Unterhaltung muss zum Denken anregen, Neues zeigen. Unterhaltung ist bewegend: emotional und intellektuell. Und bestenfalls geht ein Licht auf.“
Künstlerinnen und Künstler, die mit bissigem Humor gesegnet sind, erleben in Zeiten wie diesen einen Zustrom, durchleiden zuweilen aber auch eine veritable Sinnkrise. Das konstatierte unter anderen der österreichische Kabarettist Klaus Eckel im Corona-Podcast des Globe-Theaters. Denn angesichts der letzten Monate mit Donald Trump und unzähliger Aluhutträger könne man in Wahrheit ja nichts mehr zuspitzen. Messerscharf beobachtet mit einer Träne im Knopfloch. Während das Kabarett in leeren Veranstaltungshallen stattfand und über die Schirme flimmerte, zog sich die bildende Kunst in Webshops zurück und fand oft auf SocialMedia-Plattformen ihr Publikum. So stellt auch die Gleisdorfer Cartoonistin Kerstin Feirer fest: „Ich bin eine Krisengewinnerin, definitiv. Das liegt daran, dass mein Leben davor ziemlich krisenhaft war – ich hab also Erfahrung, von der ich jetzt profitiere. Und natürlich ist der Dilettantismus im Umgang mit der Pandemie eine Goldgrube für
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Kerstin Feirer Die Cartoonistin arbeitet als Künstlerin autodidaktisch und betreibt gemeinsam mit „Lotalife” und „Schätzchen” den Concept Store „wosnei x” mitten in Gleisdorf in der Oststeiermark. An diesem Treffpunkt für Kunstschaffende arbeitet sie auch an ihren Zeichnungen und lädt zu künstlerischen Events ein.
wosneix.at facebook/cartoonskerstinfeirer kerstin-feirer.com
Fotos: Karin Müller-Griessenauer, Fotostudio Eigenart
„Ich zeichne Menschen und nicht jemanden.“
Kerstin Feirer
Künstlerinnen wie mich. Das kann man sich gar nicht ausdenken. “
„Absurde Machtstrukturen“ Kerstin Feirer hat keinen klassischen künstlerischen Background, sondern beschäftigte sich nach der Matura in Gleisdorf erst mal mit Wirtschaft. Dann Abbruch des VWLStudiums und Großkundenbetreuung in einer Bank. „Dort habe ich erst verstanden, was ‚Wirtschaft‘ ist. Nämlich oftmals absurd“, stellt Feirer fest. Eine Station als Unternehmensberaterin führte Feirer dann schließlich zum eigenen Concept Store, den sie gemeinsam mit einer Freundin eröffnete. Dieses „Labor für den ultimativen stationären Handelsbetrieb der Zukunft“ wuchs dann schnell zum Treffpunkt für die Kunstwelt, Konzerte fanden auf engstem Raum statt und kreative Unternehmerinnen kamen zu Wort. Mit den neuen Popup-Stores entstand dann auch „wosnei X“ in einer Passage mitten in Gleisdorf. Hier arbeitet heute Kerstin Feirer – und verkauft neben Designer- und Vintagemode nun seit vier Jahren auch ihre Cartoons.
Am Anfang war ... alles zu viel „Gezeichnet und veröffentlicht habe ich meine Bilder schon früher, ab 2013. Da habe ich es nicht mehr ausgehalten: Ich musste was sagen. “ Den künstlerischen Ausdruck habe sie nie als Selbstzweck gesehen, sondern immer als Botschaften an Adressaten: „Für mich tu ich das nicht. Ich will jemanden anschreien! Oder streicheln. Mut zusprechen, anregen ... Ich will eine Reaktion verursachen.“
Also bastelte die frischgebackene Künstlerin an der Form: „Am Anfang war alles zu viel.“ Das, was sie sagen wollte, sollte verstanden werden, also mussten alle Schnörkel weg. „Farbe? Irrelevant. Räumliche Darstellung? Irrelevant. Gesicht? Irrelevant!“ Denn jeder sollte sich in der Menschendarstellung wiederfinden können und „genug Abstand haben, um das Nachdenken zulassen zu können“. Der Mensch aus schwarzen Edding-Strichen, das FeirerStrichmännchen, war geboren. Und dazu gesellte sich der Fink – ein Vogel, der über den menschlichen Dingen (und vor allem Abgründen) steht; der aus der Metaebene der Vogelperspektive kommentiert.
Das pralle Leben Kunst für alle – nicht für irgendeine elitäre Kunstgemeinde – hat Feirer immer schon fasziniert: Das „schonungslos kluge“ (Feirer) Satiremagazin MAD, die Kinder-Wimmelbücher von Ali Mitgutsch, die das pralle Leben in seiner Vielfalt und Gleichzeitigkeit zeigen. Und der New Yorker Maler und Zeichner Jean-Michel Basquiat, der aufgrund seiner Botschaften auf New Yorker Häuserwänden gegen seinen Willen in die Riege der Graffitikünstler eingereiht wurde. „Seine Art, an die Dinge heranzugehen, hat mir die Welt der bildenden Kunst eröffnet.“ AufKunst-EtikettenverzichtetKerstinFeirer mit Nachdruck. Eine Galerie, bei der sie vorstellig wurde, fand die Preise ihrer Bilder zu niedrig, als dass da noch jemand dran verdienen könnte. Der Künstlerin war aber immer wichtig(er), dass ihre Kunst möglichst viele Menschen erreicht. Ein höherer Preis für ihre kleinformatigen Bilder stand und steht also nicht zur Debatte. Zu dieser absolut zeitgemäßen Haltung passt auch, dass sie ihre täglich neuen Cartoons via Facebook verbreitet. Meist mit sehr persönlichen Kommentaren verbunden, immer verbindlich und menschlich, meist kritisch, manchmal Trost spendend, philosophisch. Und zuweilen wird auch gepöbelt: „Ich liebe es zu pöbeln. Ich leg mich aber nie mit Schwächeren an!“ Lieber reibt sie sich an Machthabern. Mit ihren oft tagesaktuellen Cartoons, die sie pünktlich um 7.30 Uhr morgens auf Facebook veröffentlicht („Ich zeichne jeden Tag. Um 3.30 Uhr. Ein Bild. Und schreibe den Text.“), hat sie sich viele Freunde und Fans gemacht – aber nicht nur. Während in den Kommentaren meist Zuspruch zu finden ist, sehen ihre Privatnachrichten „oft anders aus. Da wird schon mal gedroht und wüst beschimpft. Das gehört leider dazu, wenn man selbst die Klappe weit aufreißt“, zeigt sich Feirer als eine, die nicht nur austeilen, sondern eben auch einstecken kann.
Evergreens und Image Mit den kritischen, für manche provokanten Cartoons greift die kreative Oststeirerin aktuelle Themen auf und bleibt gleichzeitig selbst im Gespräch. Mit den Cartoons, die Beziehungsthemen und
Kerstin Feirer
Philosophisches aufgreifen, verdient sie ihr Geld. „Beides brauche ich, um als Künstlerin zu überleben.“ Um glücklich zu sein ... Die Lieblingscartoons der Künstlerin? Da gibt es zwei. „Um glücklich zu sein, brauchst du nicht mehr, sondern genug. “ Weil es genauso wahr sei wie auch das Bild, auf dem der Standspiegel dem davor stehenden Menschen sagt: „hab dich lieb“. Der Standspiegel steht in den Feirer-Cartoons immer für die intrapersonelle Ebene. Der Mensch mit sich selbst, Selbstreflexion also! – „Dieses Spiegelbild kann man auf zwei Arten lesen. Als Aufforderung und als Bestätigung. Und wenn man es als Aufforderung liest, bekommt man gleich das, was man braucht ... Nämlich die Bestätigung, dass man sich lieb hat.“ Wenn schon keine Galerienpräsenz, was wünscht sich die Künstlerin Kerstin Feirer für die Zukunft? „Ich würde gerne (Bilder-) Bücher machen. Mein erstes ist ja schon fertig, nur hat sich bislang noch kein Verlag gefunden, der diesen genialen Wahnsinn veröffentlichen will.“ Und wie alle bildenden Künstler freut sich Feirer auf baldiges Ausstellen: „Vorzugsweise wieder in Toiletten. Das sind die stillen Orte, wo man gezwungenermaßen die Zeit hat, um über sich und die Welt nachzudenken. “ ... Und wo ein bisschen pöbeln noch niemanden gestört hat.
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