Der Verein Dampffreunde der Rhätischen Bahn

Page 1

Der Verein Dampffreunde RhB Christian Mueller und Dani Hunziker

Foto 1

Ausflug auf den Berninapass. Nr. 1 am Lago Bianco, August 1995


Inhaltsverzeichnis 1

Dampffahrten heute

3

2

Der Verein Dampffreunde der Rhätischen Bahn

3

2.1

Mitgliedschaft

5

3

Die Rhätische Bahn und der Dampfbetrieb

6

3.1

Etwas zur Geschichte

6

3.2

Die Lokomotiven

8

3.2.1 Lok Nr. 1 «Rhätia»

9

3.2.2 Die Loks 107/108

11

Die Wagen

18

3.3

3.3.1 Das «Rätia-Stübli» D 4052

18

3.4

Betrieb gestern und heute

20

4

Kontakte, Termine, Adressen

23

Impressum Idee und Text: Konzept und Layout: Scans und Bildbearbeitung: Druck:

Christian Mueller, Davos Dani Hunziker, Zürich Rita Hachen, Zürich Daniel Friedrich, Oberengstringen

Bildnachweis 9, 15, 16, 18, 20 1, 2, 4, 8, 12, 13, 14, 17, 19, 21, 22, 23 3 5, 6, 7, 10, 11

2

Hansjörg Konrad, Zug Heinrich Zuberbühler, St. Gallen Hans Günter Schneider, Geldern Christian Mueller, Davos


1

Dampffahrten heute

Es ist noch kalt heute morgen. Tau hat sich auf den Grashalmen und am Boden angesammelt. Mehr Leute als sonst warten auf dem Bahnsteig in Landquart. Die Kinder sind freudig erregt, tänzeln um ihre Eltern und zerren an ihren Jacken. Plötzlich unterbricht ein Pfiff das fröhliche Geplänkel: Die Dampflok kommt! Aus allen Rohren rauchend, dampfend und zischend fährt sie majestätisch an den Leuten vorbei und bringt die kleinen grünen Wagen an der genau richtigen Stelle vor der staunenden Menge zum stehen. «Alles einsteigen!» Die heimeligen Holzsitze in den alten Wagen sind bald besetzt und schon beginnt die Fahrt. Ein Tag voller Eindrücke und Erlebnisse erwartet die Fahrgäste. Regelmässig bietet die RhB auf ihrem Netz Dampffahrten an. Ohne die tatkräftige Mithilfe von den Freiwilligen der Dampffreunde der Rhätischen Bahn wären diese Fahrten jedoch kaum möglich.

2

Der Verein Dampffreunde der Rhätischen Bahn

Der Verein «Dampffreunde der Rhätischen Bahn» wurde 1977 gegründet. Die Gründungsmitglieder waren der Meinung, dass die RhB in ihren Bemühungen, den Dampfbetrieb zu erhalten, unterstützt werden sollte. Im Rahmen seiner Möglichkeiten

Foto 2

Doppeltraktion nach Davos. 107 und 108 mit langem Zug in Landquart, ca. 1985

3


will der Verein mithelfen, die noch vorhandenen Dampflokomotiven G 4/5 107 und 108 sowie die G 3/4 Nr. 1 «Rhätia» für den Fahrbetrieb zu erhalten. Mit dem Verkauf verschiedener Souvenirartikel (Kleber, Postkarten, T-Shirts, Gläser, Wein, etc) in den Dampfzügen werden einerseits den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein Andenken an diese schöne und erlebnisreiche Fahrt mitgegeben, anderseits fliessen so immer wieder Gelder in die Vereinskasse. Dieses Geld ist dazu bestimmt, in Situationen, in welchen die RhB Arbeiten an Dampfloks und historischen Wagen nicht mehr bezahlen kann oder darf, mit einem finanziellen Beitrag einzuspringen. Der Verein möchte, dass auch unsere Nachkommen noch lange mit Dampf auf der RhB fahren können. Der Verein hat sich im Jahr 1998 mit über 50 000 Franken an der Restaurierung verschiedener historischer Wagen beteiligt. 40 000 Franken bei der Aktion «Rettet die Salonwagen», 20 000 Franken für die Restaurierung des X 9034, neu C 2012, und 3000 Franken als Zuschuss für die Dampfheizung im D 4052, dem Rätia-Stübli. Der Verein organisiert darüber hinaus selbst öffentliche Dampfzüge, welche allen Interessierten zugänglich sind. Am Muttertag 1998 nahmen über 300 Personen Platz im Zug, welcher unter dem Motto «Muttertag mit Dampf und Ländler» stand. An verschiedenen Orten spielte die Bündner Ländlerkapelle GRISCHUNA zur Freude der Teilnehmer auf. Am 5. Dezember 1998 wurde eine weitere öffentliche Dampffahrt durchgeführt. Dieser Zug führte Gross und Klein zum Nikolaus, welcher die Reisegäste in der Rheinschlucht erwartete. Der Verein legt grossen Wert auf die Kameradschaft. Jährlich wird für die Mitglieder eine Reise organisiert. Ausserdem treffen sich die Vereinsmitglieder auf den Dampffahrten der RhB das ganze Jahr hindurch. Der Verein freut sich immer, neue Mitglieder und Foto 3 Kurze Pause für die Crew. Solis, Juni 1999 Gönner begrüssen zu können. 4


Foto 4

Hochbetrieb in Disentis. 107 und 222 teilen sich die Drehscheibe, 100-Jahrfeier 1989

2.1

Mitgliedschaft

Der Verein Dampffreunde der Rhätischen Bahn hat zurzeit ungefähr 250 Mitglieder. Diese kommen vorwiegend aus der Schweiz und Deutschland. Die europäischen Länder Österreich, Frankreich, Luxemburg und die Niederlande sind jedoch in den Reihen der Mitglieder ebenfalls vertreten. Mitglied sein beim Verein Dampffreunde heisst: ������ Laufend informiert sein über die Aktivitäten

im Bereich Dampffahrten auf der Rhätischen Bahn

������ Geselliges Beisammensein unter Gleichgesinnten

auf den Dampffahrten der Rhätischen Bahn und des Vereins

������ Den Dampfbetrieb auf der Rhätischen Bahn unterstützen ������ Die Erhaltung von historischen Eisenbahnfahrzeugen

der Rhätischen Bahn unterstützen

������ Weitere Mitglieder für den Verein werben ������ Den Jahresbeitrag bezahlen (muss halt auch sein)

Mitgliederbeiträge: Kategorie

Voraussetzungen

Jahresbeitrag

Aktivmitglied Juniormitglied Kollektivmitglied Gönnermitglied

Keine 14. – 18. Altersjahr Für Ehepaare, Gruppen, Firmen Jährlicher Betrag

60.– 30.– 100.– Frei wählbar

5


3

Die Rhätische Bahn und der Dampfbetrieb

3.1

Etwas zur Geschichte

Bereits in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts kamen in Graubünden die ersten Bahnprojekte auf, die jedoch immer an der Finanzierung oder an der Zerstrittenheit der betreffenden Interessengruppen scheiterten. Als dann 1882 die Gotthardbahn gebaut wurde, floss der Warenverkehr ins Urnerland ab und die Pläne für eine alpenquerende Transitbahn mussten endgültig begraben werden. Erst 1886 wurde der Wert eines internen Schienennetzes erkannt, da die 1858 eröffnete Bahnlinie von Sargans bis Chur nicht verlängert werden sollte. Es ist dem Holländer Willem Jan Holsboer zu verdanken, dass in Graubünden die ersten Schiene auf schmaler Spur gelegt wurden. In mühsamer Kleinarbeit vermochte er die Gemeinden des Prättigaus von den Vorteilen einer Bahn nach Davos zu überzeugen. Schliesslich wurde der Bau der Linie Landquart – Davos im Mai 1888 in Angriff genommen und am 9. Oktober 1889 bis Klosters und am 21. Juli 1890 bis Davos eröffnet. Ursprünglich war eine Fortsetzung der Bahnlinie über den Scaletta ins Engadin und weiter nach Chiavenna geplant gewesen. Das zweite Projekt einer «Centralbahn»

Foto 5

6

Das Lehrgerüst steht und der erste Bogen ist gemauert. Solisviadukt, 1902


Foto 6

Fr端he Betriebsaufnahme auf der Albulabahn. Ruine Campi, 1903

7


über Thusis und Filisur ins Engadin spaltete die Interessen des Kantons und ein Stillstand der Bautätigkeiten war die Folge. Zwar wurden die Tallinien bis Chur und Thusis nach einer Bauzeit von zwei Jahren 1896 eröffnet, danach wurde während zwei Jahren keine weitere Strecke mehr in Angriff genommen. Erst als sich Holsboer von seinem Scalettaprojekt freiwillig zurückzog, konnten die Kräfte gebündelt und mit dem Bau der beiden Prioritätslinien ins Engadin und nach Ilanz begonnen werden. Beide wurden 1903 dem Betrieb übergeben. Damit war aber mit dem Ausbau des Bündner Bahnnetzes noch nicht Schluss. 1908 wurde die Strecke nach Pontresina eröffnet, 1909 die Strecke Davos – Filisur und 1912 die Linie von Ilanz nach Disentis in Betrieb genommen. Die letzte Linie des Stammnetzes war die Unterengadiner Linie, welche 1913 ihren Betrieb aufnahm. Gleichzeitig mit dem Bau des Stammnetzes wurden weitere private Bahnlinien gebaut. Die bekannteste war wohl die Berninabahn, welche 1908 eröffnet wurde. Sie verbindet das Oberengadin mit dem Puschlav und dem Veltlin. Weiter zu erwähnen ist die Chur-Arosa-Bahn, die 1914, und die inzwischen stillgelegte Bellinzona-Mesocco-Bahn, welche 1907 eröffnet wurde. Die RhB gehört zu den spektakulärsten und schönsten Gebirgsbahnen der Welt. In geographisch anspruchsvollem Terrain wurden für die Streckenführung optimale Lösungen gefunden und ideal in die Landschaft integriert. Dass die damalige Infrastruktur heute mit ungleich dichterem Verkehr immer noch zu genügen vermag, zeugt von der Voraussicht und Fähigkeiten der Erbauer. Für weitere Details und Informationen sind im Anhang weitere Quellen angegeben.

3.2

Die Lokomotiven

Von den ursprünglich 57 Dampflokomotiven sind heute noch drei bei der RhB. Eine weitere in betriebsfähigem Zustand befindet sich bei der Appenzeller Bahn, eine weitere aber nicht mehr fahrfähige noch bei der Berner Oberland Bahn, des weiteren sind zwei weitere Loks in Thailand als Denkmal aufgestellt. Die erste Serie Loks für die Landquart-Davos-Bahn waren fünf kleine dreigekuppelte Tenderloks mit 250 PS Leistung. Bald kam jedoch das Bedürfnis nach stärkeren Loks für den Bergdienst auf, da der Verkehr alle Annahmen übertraf. 1891 wurden zwei Malletlokomotiven mit 430 PS geliefert. Mit diesen sieben Loks wurde bis zum weiteren Ausbau des Netzes der Betrieb geführt. Mit dem Ausbau der Tallinien wurden weitere Loks benötigt. Es wurden drei weitere Tenderloks und zwei Malletmaschinen bestellt. Um die Jahrhundertwende nahm der Ausbau einen grossen Umfang an und so wurden in der Folge bis 1908 acht Tenderloks und acht Malletmaschinen bestellt. Bei jeder Serie wurden Verstärkungen und Vergrösserungen vorgenommen, sowie technische Neuerungen laufend eingebaut. Eine neue Epoche begann 1902, als zwei für die Äthiopischen Staatsbahnen gebaut Schlepptenderlokomotiven zur Erprobung zur RhB kamen. Diese Loks begeisterten Verantwortlichen sofort und es wurde beschlossen eigene Loks zu bestellen. Eine erste Versuchsserie von vier Maschinen wurde 1904 abgeliefert. Die Ergebnisse waren zufriedenstellend, so dass weitere vier Loks bestellt wurden. Mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges war die Kohlezufuhr aus dem Ausland zum Teil ganz eingestellt. Auf Verordnung des Bundes durften zudem wegen der herrschenden Kohlenknappheit an Sonntagen keine Dampfzüge geführt werden. Zusätzlich musste eine dreifache Preiserhöhung der Kohlen in Kauf genommen werden. Diese Umstände bewogen die RhB von 1918 bis 1922 alle Linien nach und nach zu elektrifizieren. 8


Besass die RhB 1916 noch 57 Dampflokomotiven und 2 Dampfschneeschleudern, so waren 10 Jahre später bereits 46 Lokomotiven veräussert worden. Die zum Teil noch fast neuen Lokomotiven wurden in aller Herren Länder verkauft. Auf dem ganzen Netz der RhB waren nun die elektrischen Lokomotiven vorherrschend. Trotzdem wurden einige Dampflokomotiven in Reserve gehalten; vorgesehen für Einsätze im Rangierdienst, vor Bauzügen oder im Winter bei allfälligen Stromunterbrüchen. Die offizielle Dampf-Ära ging mit dem Kauf von Diesellokomotiven Ende der siebziger Jahre endgültig zu Ende. Bis auf die drei verbliebenen Dampflokomotiven G 3/4 1, G 4/5 107 und 108 sowie der Dampfschneeschleuder Xrotd 6/6 9213 wurden sämtliche Dampfveteranen verkauft oder verschrottet. 3.2.1 Lok Nr. 1 «Rhätia» Am 9. Oktober 1889 hat die Landquart-Davos-Bahn (LD), Vorgängerin der RhB, den Betrieb auf der Strecke Landquart – Klosters und am 21. Juli 1890 bis Davos Platz aufgenommen. Der Bahngesellschaft standen damals 5 Dampflokomotiven G 3/4 Nr. 1 – 5 mit der Achsfolge 1’C Typ «Mogul» zur Verfugung. Die 5 Lokomotiven hatten die Namen «Rhätia», «Prättigau», «Davos», «Flüela» und ,,Engadin». Der damalige Preis pro Lokomotive betrug 54 211 Franken. Die 5 Lokomotiven wurden in den Jahren

Foto 7

Das neue Rollmaterial für die Albulabahn. Thusis, 1903

9


Foto 8

Nach über 70 Jahren wieder unter Dampf auf der RhB. Probefahrt der Nr.1 am 26.1.1989.

1917 – 1928 bei der RhB ausrangiert. Die Nummern 3 – 5 gelangten nach Luxemburg und wurden 1954 abgebrochen. Nr. 2 wurde schon 1925 abgebrochen und Nr. 1 im Jahr 1928 ausrangiert. Die «Rhätia» blieb einstweilen bei der RhB, wurde aber 1947 von der RhB für ein «Schweizerisches Verkehrsmuseum» zur Verfügung gestellt. Die Gründung des «Verkehrsmuseums» (späteres Verkehrshaus der Schweiz in Luzern) liess auf sich warten. Nach der Eröffnung des Verkehrshauses in Luzern war einstweilen kein Platz für die RhB-Dampflokomotive Nr. 1 vorhanden. Sie fristete deshalb ein verborgenes Dasein unter Obhut der SBB als Teil des Sammelgutes des Verkehrshauses in verschiedenen Remisen in der Schweiz, während längerer Zeit auch in Vallorbe. 1970 gelangte die RhB-Lokomotive Nr. 1 als Leihgabe an die Museumsbahn Blonay – Chamby (B-C). Dort wurde die Maschine wieder in fahrtüchtigen Zustand versetzt, sehr gut gepflegt und öfters eingesetzt. Im Hinblick auf die Hundertjahrfeier der RhB hat die Verwalterin des Ausstellungsgutes, die SBB, auf Veranlassung der RhB den Leihvertrag mit der B-C auf 1988 gekündigt. Offiziell bleiben die Bahnen Eigentümer der Ausstellungsfahrzeuge des Verkehrshauses, der ausgestellten und der nicht ausgestellten. Die RhB war also immer noch Eigentümerin der Lokomotive «Rhätia». Am 22. November 1988 ist die Lok Nr. 1 nach 41 Jahren Abwesenheit zur RhB zurückgekehrt. Sie wurde im Winter 1988/89 in der RhB-Hauptwerkstätte in Landquart einer Revision unterzogen und einer «Kosmetik-Prozedur» unterzogen. Die hundert10


Foto 9

Die Nummer 108 mit grossem Schneepflug in Scuol. 26. 1. 1995

jährige Lokomotive war nun wieder einsatzfähig und für die Jubiläumsaktivitäten bereit, wobei altersbedingt eher «sanfte Betriebseinsätze» vorgesehen wurden. Seit dieser Zeit zieht die Lokomotive «Rhätia» auf den flacheren Strecken des Stammnetzes 2-achsige Wagen, erfreut viele Hochzeitsgesellschaften und wird auch hie und da vor einen Extrazug des Vereins «Dampffreunde der Rhätischen Bahn» gespannt. 3.2.2 Die Loks 107/108 Bereits während des Baus der Albulalinie sah sich die Direktion der RhB gezwungen nach neuen Lokomotiven Ausschau zu halten und neue Loktypen auszuprobieren. Im Jahre 1901 bestellte die RhB bei der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik SLM in Winterthur die Mogullokomotiven G 3/4 Nr. 9 – 14 für die Tallinien und die Malletmaschinen G 2/3+2/2 Nr. 25 – 32 für die Bergstrecken. Aufgrund der geringen Wasser- und Kohlevorräte und der harten Laufeigenschaften der Malletmaschinen war der RhB jedoch klar, dass eine neue Schnellzugslokomotive für den Albula benötigt wurde. Im Jahre 1902 baute die SLM für die Companie Imperiale des Chemins de Fer Éthiopiens zwei Lokomotiven der Bauart G 4/5 mit festem Rahmen und vierachsigem Tender. Es wurde mit der SLM vereinbart, Testfahrten auf dem damaligen Netz der RhB durchzuführen. Da diese sehr erfolgreich verliefen, bestellte die RhB vorerst vier Maschinen des gleichen Typs, die den Verhältnissen der RhB angepasst werden sollten. 11


Die Lokomotiven 101 – 104 wurden vom Juni bis August 1904 an die RhB abgeliefert. Es waren Zweizylinder-Compound-Lokomotiven mit je einem Hoch- und einem Niederdruckzylinder. Diese vier Einheiten hatten aber noch keine elektrische Beleuchtung. Bereits im Jahre 1905 befasste sich die RhB mit dem damals noch neuen Prinzip des Heissdampfes. Überhitzter Dampf hat im Gegensatz zum Nassdampf den Vorteil, dass er trockener und energiereicher ist und daher mehr zu leisten vermag. Als es um eine Nachbestellung der erfolgreichen G 4/5 ging, entschied man sich zwei der vier Maschinen mit dem Rauchröhren Überhitzer Bauart Schmidt auszurüsten. Das Prinzip ist recht einfach. Der Nassdampf wird noch einmal durch Rohrschlangen geleitet (Überhitzerrohre), die in die Rauchrohre eingelegt sind, und dort durch die Rauchgase erhitzt. Die zwei anderen Maschinen Nummer 105 und 106 sollten wie bis anhin mit dem Zweizylinder Compound System ausgerüstet sein. Die neuen Heissdampfmaschinen sollten die Nummern 107 und 108 tragen. Alle vier Maschinen wurden in verstärkter Ausführung gebaut, da man die Achslast noch erhöhen konnte. Im April 1906 war es dann soweit. Die Loks 105 und 106 wurden an die RhB geliefert, am 16. Mai folgte die 107 und am 7. Juni die 108. Sofort zeigten sich die Vorteile des Heissdampfes, so dass weitere 21 Lokomotiven des gleichen Typs bestellt wurden. Sie wurden von 1907 bis 1915 abgeliefert und waren jeweils auf dem technisch neuesten Stand. Eine wichtige Änderung der neuen Serie war der vergrösserte Zylinderdurchmesser, was eine noch bessere Ausnützung des Dampfes ermöglichte. Die Nr. 129 hatte sogar einen Speisewasservorwärmer.

Foto 10

12

Albulabahnschnellzug auf der Rheinbrücke. Bei Thusis, 1905


Foto 11

Zug aus der Ursprungszeit der Landquart-Davos-Bahn. In der Klus, 1891

13


Foto 12

Auf dem Weg durchs sonnige Prättigau. Bei Schiers, Mai 1991

Die Lokomotiven bewährten sich sehr gut. Der Engadin-Express brauchte für die Strecke Chur – St. Moritz mit einem Zwischenhalt in Thusis 2 Stunden und 38 Minuten. Die Leistung entsprach 800 PS, das heisst die Loks waren imstande einen Zug von 95 Tonnen Gewicht auf der Albularampe von 35 %o mit einer Geschwindigkeit von 32 km/h zu ziehen. Als die neuen Dampfloks ab 1904 an die RhB abgeliefert wurden, hatten diese sofort einen grossen Erfolg. Während die erste Serie noch 13,5 kg Kohle pro Lokkilometer benötigte, reduzierte sich der Verbrauch bei den letzten Loks auf 10,8 Kilogramm, was einer Ersparnis von rund 30 % gleichkam. Auch bei den Besatzungen waren die Loks sehr beliebt, verfügten sie doch über genügend Wasser- und Kohlevorräte, einen grossen übersichtlichen Führerstand und ein einfach zu schmierendes Fahrwerk. Die Loks waren im Gegensatz zu heute völlig schwarz gespritzt und hatten im Winter einen grossen Schneepflug montiert. Während der Zeit des Dampfbetriebes wurden die Lokomotiven fest den Besatzungen zugeteilt. Dieses Titularsystem erforderte auch, dass die Besatzungen bei Revisionen mithalfen und so ihre Maschine immer begleiteten. Dass die Besatzungen ein eingespieltes Team waren zeigt die Tatsache, dass das Wasserfassen, das Abdrehen der Lok und das Umfahren des Zuges im damaligen Kopfbahnhof von Klosters nur acht Minuten benötigte. Damals zählte die Rangordnung noch einiges und so teilten sich nur zehn 14


Foto 13

Durch die Klus ins Pr채ttigau. Nummer 107 vor Seewis, August 1990

15


Teams die mit Prestige behafteten Schnellzugstouren. Die Zuteilung der Loks hatte auch den Effekt, dass diese immer sauber geputzt waren. Die Besatzung war stolz auf «ihre Maschinen». Gegen Ende des ersten Weltkrieges mussten die Dampfloks infolge Kohlemangels mit Holz gefeuert werden. Dazu wurde ein Aufsatz auf den Tender aufgebaut um eine grössere Menge Holz mitnehmen zu können. In Landquart wurde eine Holzspalteinrichtung installiert, um das benötigte Holz zerkleinern zu können. Die erhöhte Funkengefahr brachte es mit sich, dass die Züge nur am Tage verkehren durften. Dannzumal wurden die Böschungen noch gemäht und die Tannen gestutzt. Ja die Bahnwärter stritten sich geradezu einen Abschnitt zu erhalten, man konnte mit den Heu ja die eigenen Ziegen oder Schafe füttern. Doppeltraktionen waren damals an der Tagesordnung, dennoch war die Leistung oft fast nicht ausreichend, um die schweren Züge zu befördern. Besonders die Kehrtunnel auf der Albularampe gaben den Besatzungen Anlass zur Sorge. Auf der zweiten Maschine musste die Besatzung immer nasse Putzfäden vor das Gesicht halten, um noch einigermassen atmen zu können. Der Rauch verunmöglichte es manchmal auch die Fahrtrichtung des Zuges festzustellen. So wurde jeweils ein Besen an die Tunnelwand gehalten, um herauszufinden, ob man noch vorwärts fahre. Als jedoch die Betriebsergebnisse auf der Unterengadiner Linie mit elektrischen Lokomotiven sehr positiv ausfielen, beschloss die RhB das ganze heutige Stammnetz zu

Foto 14

16

Der imposante Val Tuoi Viadukt. Nr. 108 bei Guarda, Mitte 80er Jahre


elektrifizieren. Im Jahre 1922 war die Elektrifizierung abgeschlossen und mit Beginn der Ablieferung der Krokodilloks wurden die Dampfmaschinen nicht mehr benötigt. Die Gründe, warum die RhB alle neuen Loks verkaufte, waren unter anderem, dass sie einen grösseren Erlös ergaben. Weiter wollte man die Malletloks los werden. So erklärt es sich, dass die Nassdampf G 4/5 bis 1950 bei der RhB blieben und dann schliesslich nach Spanien zur La Robla Bahn gingen. Dort waren sie bis 1970 im Einsatz. Die übrigen Loks leisteten als Dampfreserve und im Rangierdienst bis zum Umbau der Ge 2/4 211 – 213 noch wertvolle Dienste Bis in die fünfziger Jahre waren die grossen Loks noch regelmässig vor Güterzügen ins untere Prättigau und ins Oberland anzutreffen. Anfang der sechziger Jahre mit Ankunft der Ge 6/6 II wurde es aber ruhig um die Dampfloks. Die Bernina Zweikraftloks Gem 4/4 801 und 802 bildeten jetzt die fahrdrahtunabhängige Reserve und die Dampfloks wurden eigentlich nicht mehr benötigt. Die 108 verstaubte im Depot Samedan und wurde erst Ende der sechziger Jahre wieder benutzt. Seit dieser Zeit standen die Lokomotiven wieder in mehr oder weniger regelmässigem Einsatz vor Extrazügen. Die G 3/4 wurden 1972 und 1977 zur Appenzellerbahn und den Berner-Oberland-Bahnen abgegeben In den siebziger Jahren stellte sich dann allmählich das Problem, dass das Fachwissen um die Dampfloks verloren ging. Die Dampfmaschine musste zum Beispiel jedesmal neu eingestellt werden, wenn neue Bandagen installiert wurden. Als der Kessel der

Foto 15

Nummer 222 auf der Vereinsreise unterhalb Cavadürli. 16. September 1996

17


Foto 16

Spezialfahrt nach Filisur. Nr. 1 bei Trimmis, April 1999

107 nach Knittelfeld in Österreich zu einer kompletten Revision geschickt wurde, füllte man auf der Rückfahrt den Kessel nicht mit Wasser, so dass durch die Erschütterungen der Kessel undicht wurde und in Landquart noch einmal geflickt werden musste. Seither erledigt die RhB sämtliche Reparaturen selbst. So haben also beide Loks vor dem Jubiläum 1989 eine Kesselrevision erhalten

3.3

Die Wagen

Die Wagen der Dampfzüge stammt zum Teil noch aus der Ursprungszeit der RhB. Die zweiachsigen Wagen wurden 1903 und 1908 gebaut, der Barwagen stammt noch von 1897. Die grossen vierachsigen Wagen wurden allerdings erst nach dem Ende des Dampfbetriebes von der Werkstätte in Landquart 1928 – 32 erbaut. Der älteste Wagen ist der C 2012, der vom Club 1889 in langjähriger Fronarbeit wieder aufgebaut wurde. Noch sind zahlreiche aus der Dampfzeit stammende Dienstwagen auf allen Strecken der RhB anzutreffen. Es ist aber eine Frage der Finanzierung, weitere Wagen für den Personenbetrieb wieder herzurichten 3.3.1 Das «Rätia-Stübli» D 4052 Der Wagen gehört zu den historischen Wagen der Rhätischen Bahn und hat für die Dampffreunde eine ganz besondere Bedeutung. Er bildet den Treffpunkt, ist mit einer Bar versehen und dient unter anderem dem Verein als Verkaufspunkt für Getränke, Snacks und Souvenirs. Hier wird der Austausch von Geschichten, das Pläneschmieden und das fröhliche Beisammensein gepflegt. 18


Foto 17

1897 1899 1925 1928 1964 1973 1989

1997 1998 12.1998 03.1999

Unterstützung für die Dampflok. 222 in Ilanz, Juli 1995

Hier seine Geschichte: Erbaut durch die Schweizerische Industrie Gesellschaft SIG in Neuhausen am Rheinfall. Fabrik-Nr. 8270 als Personenwagen 1. Klasse Bezeichnung As 6 Umzeichnung in A 21 ausrangiert Auf dem Untergestell des abgebrochenen A 21 wird ein neuer Gepäckwagen aufgebaut, welcher die Bezeichnung F 4052 erhält Kasten erneuert und Bleche nahtlos verschweisst. Einteilige Achslager durch Kugellager ersetzt. Neue Bezeichnung: D2 4052 Einbau der Bar für Einsatz in Dampfzügen Anbringen von Routentafeln-Haltern auf Vorschlag des Vereins Dampffreunde RhB. Seitdem wird der Barwagen jeweils als Rätia-Stübli gekennzeichnet, wenn der Verein Dampffreunde RhB die Bar betreibt Einbau der Dampfheizung, damit der Wagen auch im Winter betrieben werden kann. Der Verein Dampffreunde RhB beteiligt sich mit Fr. 3000.– am Einbau Beschädigung der Wagens bei Manöver in Grüsch. Provisorisch dient der (rote) D2 4054 als Ersatz-Barwagen. Entscheid der RhB: Xk 9028 (früher D 4043 der Berninabahn, Baujahr 1913) wird als neuer Barwagen umgebaut. Neuer D 4052 ist betriebsbereit. Erster Einsatz am 5. und 6. März 1999. 19


3.4

Betrieb gestern und heute

Am 9. Oktober wurde die erste Linie mit einem Personalbestand von 124 Mann in Betrieb genommen. Drei Zugspaare genügten dem damaligen Verkehrsaufkommen. Die Kinderjahre waren allerdings auch für die LD nicht einfach. So gab es des öfteren Verspätungen, weil das Zugpersonal auf den langen Rampen nicht viel Erfahrung hatte. Als dann die Linie eröffnet wurde, übertraf das Verkehrsaufkommen die kühnsten Erwartungen bei weitem. Es musste sogar eine Dampflok der Appenzellerbahn angemietet werden, um die grossen Lasten zum Wolfgang hinauf zu befördern. Im Jahre 1891 wurden dann die ersten Malletlok abgeliefert und der Lokengpass entschärft. Mit dem Ausbau der Linien nahm auch der Verkehr stetig zu. Vor allem die Albulabahn zeigte ganz aussergewöhnliche Frequenzen. Nach der Jahrhundertwende kam der Wintertourismus immer mehr auf und ermöglichte es der RhB bis 1913 regelmässig einen Überschuss zu präsentieren. Der erste Weltkrieg zeigte jedoch die Abhän-

Foto 18

20

Spezialfahrt im Unterengadin. 108 oberhalb Zernez, September 1994


Foto 19

Zeuge vergangener Zeiten. Hippsche Wendescheibe

21


Foto 20

Salondampffahrt für die Dampffreunde. Trimmis, Februar 1999

gigkeit der RhB von Gästen und Reisenden aus fremden Ländern auf, und so konnte bis zum Ende des Dampfbetriebes keine Dividende mehr ausgeschüttet werden. Trotz der frühen Elektrifizierung soll die unbeschreibliche Eisenbahn-Romantik in Graubünden weiterleben. Die verbliebenen Dampfveteranen lassen sich weiterhin unter Dampf setzen, wenn es darum geht historische Zugskompositionen zu ziehen – mit urtümlicher Kraft, durch ursprüngliche Landschaften. Jedes Jahr werden durch die Rhätische Bahn, verschiedene ein- oder mehrtägigen Reisen für begeisterte Bahnfreunde organisiert. Beliebt ist speziell bei Hochzeitsfahrten die kleine Lok G 3/4 Nr. 1 «Rätia». Die grossen Dampfmaschinen G 4/5 107 und 108 sind in der Lage einen längeren Zug zu ziehen; bei Bergstrecken (zum Beispiel Küblis – Klosters – Davos) und langen Zügen brauchen sie jedoch oft Verstärkung. Die Verstärkungslokomotive kann elektrisch sein, oft wird die legendäre Krokodil-Lokomotive Ge 6/6 dafür eingesetzt. Im Winter wird hie und da im Engadin oder auf der Berninastrecke auch die oben erwähnte Dampfschneeschleuder Xrot 6/6 9213 wieder unter Dampf gesetzt. Mächtig wirft sie den Schnee vom Gleis weg, ein Schauspiel, welches viele Fans begeistert. Auch diese Sonderfahrten werden durch die Rhätische Bahn organisiert. 22


Foto 21

Öffentliche Dampffahrt der RhB mit Aussichtswagen. Bei Zernez, August 1996

4

Kontakte, Termine, Adressen

Die Dampffreunde RhB sind fest davon überzeugt dass möglichst viele Personen diese eindrucksvollen Fahrten erleben sollten und dass es den Aufwand bei weitem wert ist, diese historischen Fahrzeuge zu unterstützen und zu erhalten. So hat der Verein eine Homepage eingerichtet und die Mitglieder des Vorstandes stehen für Infos gerne zur Verfügung. Die Kontaktadresse für Informationen ist die Geschäftsstelle in Zizers. Die Adresse lautet: Verein Dampffreunde RhB Kantonstrasse 74 CH-7205 Zizers Telefon: 079 - 610 46 72 Fax: 081 - 354 09 90 Email: dampfvereinrhb@bluewin.ch Termine für Dampffahrten und weitere Veranstaltungen können auf der Dampffreunde Homepage (www.kschur.migros.ch/dampfvereinrhb) abgerufen werden, des weiteren gibt es bei allen Stationen der RhB Prospekte mit dem aktuellen Programm der Dampffahrten. 23


Foto 22

Mit Volldampf in die Vorderrheinschlucht. Versum, Juli 1995

Foto 23

Extrazug mit Krokodillok. Wiesen, September 1995


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.