Urbane Soziale Bewegungen: Über Perspektiven und Herausforderungen urbaner Bewegungen

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Bachelor-Thesis

Urbane Soziale Bewegungen Über Perspektiven und Herausforderungen urbaner Bewegungen

Istanbul

Neoliberalismus

Unternehmerische Stadt

Hamburg Gängeviertel Innenbehörde Städtischen Räume

Bezirk-Mitte

The Right to the City

Migration

Globaler Wettkampf

urbanen soziale Bewegungen Besetzung

Kulturbehörde Kunst

Protest

Soziales Kapital

Polizei und Ordnungsamt

Lampedusa in Hamburg

Sao Paulo



Bachelor-Thesis

Urbane Soziale Bewegungen 체ber Perspektiven und Herausforderungen urbaner Bewegungen

Von: Matrikelnummer: Abgabedatum:

Michael Dieminger 90842 30.09.2013

Erstbetreuuer: Zweitbetreuer:

Prof. Dr. Frank Eckardt (Bauhaus Universit채t) Prof. Dr. Manfred Russo (Universit채t Wien)

Bauhaus-Universit채t Weimar Bachelor of Science Urbanistik Professur Sozialwissenschaftliche Stadtforschung


Inhalt a. b. c.

Einleitung 03 Abkürzungsverzeichnis 06 Abbildungsverzeichnis 07

1.

Die Stadt im Neoliberalismus 08 1. 1. Die geschichtliche Einführung zum Neoliberalismus 08 Proto-Neoliberalismus 09 Der Roll-back Neoliberalismus 09 Der Roll-Out Liberalismus 10 Der neoliberale Aufschwung in Deutschland 10 Heute und jetzt? Post-Neoliberalismus? 11

1.

2. Neoliberale und städtische Räume

12

Globaler Wettkampf der Städte Die Stadt als Unternehmen

12 13 Unternehmerische Verwaltung 14 Beispiele aus der Stadtentwicklung 14

2.

Gegenströmungen: Urbane soziale Bewegungen 2. 1. Die Neuen Sozialen Bewegungen

16 16

Wissenschaftlichen Betrachtung 17 Die Rolle von “Sozialem Kapital” 19 „The Right to the City“ in aller Munde. 20

2. 2. Entwicklung der urbanen Bewegungslandschaft im Zeitalter des Neoiberalismus? 22

Die Krise des Fordismus - Die politisierte Opposition (1970er) 22 „Roll-back“ Neoliberalismus - „From Protest to Programm“ (1980er) 23 Der “Roll-out” Neoliberalismus - Mosaik der Bewegungslandschaft (1990er) 24 Krise des Neoliberalismus - Höhepunkt der Bewgungen (2000er) 25

3.

Entwicklungen in Hamburg und die Veränderungen im urbanen Protest

26

1. Freie Hansestadt Hamburg

27

3.

Leitbilder der Stadtentwicklung 27 Entwicklung der Leitbilder 28

3. 2. Übernahme von Taktiken aus den urbanen sozialen Bewegungen in die Stadtentwicklung 31

3. 3. Wohin der Wind die Bewegungen treibt: Einblicke aus Hamburg

33


4.

Fallbeispiel „Lampedusa in Hamburg“ 1.

35

3.4.

Chronologische Fallbeschreibung

36

3.4. 2. Akteure, Interessen, Strategien

40

Akteure von „Lampedusa in Hamburg“ 40 Der Hamburger Senat, die Innenbehörde, und das Ordnungsamt 42 Die Medien 45

5.

4. 2. Zusammenfassende Bewertung

46

Fallbeispiel „Komm in die Gänge“

49

5.

1.

Chronologische Fallbeschreibung

49

5. 2.

Akteure, Interessen, Strategien

53

Die Aktivisten von „Komm in die Gänge“

53 Der Hamburger Senat, der Bezirk-Mitte, und die Kulturbehörde 57 Die Meiden 59

6.

5. 3.

60

Vergleichende Gegenüberstellung 63

7.

Zusammenfassende Bewertung

Kontext: Stadt und Politik Kontext: Aufbau, Struktur und Forderungen

63 65

Ausblick 68

Kultur vs. Politik 69

Perspektiven und Herausforderungen 70

d. e. f. g.

Literaturverzeichnis 72 Fußnotenverzeichnis 75 Medienübersicht und Anhang 78 Eidesstaatliche Erklärung 80


a.

Einleitung A

ls ich mich entschloss, meine Arbeit über urbane soziale Bewegungen zu schreiben, schien es, als würde zeitgleich auf der ganzen Welt eine Welle des Protests aufkommen. Die Proteste um den Taksim-Platz in Istanbul und die Demonstrationen gegen die Fahrpreiserhöhung des öffentlichen Nahverkehr in Rio de Janeiro und Sao Paulo, entwickelten eine ungeahnte Dynamik mit einer Wirkungskraft weit über die Stadtgrenzen hinaus. Eine Multitude formierte sich und zeigte, wie groß der Unmut über die bestehenden Zustände in den Städten ist. Den Vorsatz, jeden Protest bzw. jede Demonstration und Ausschreitung während meiner Bachelor-Thesis zu dokumentieren, verwarf ich bereits nach der zweiten Woche, da die ungeheure Menge mir keine Zeit mehr für meine eigentliches Forschungsfrage gelassen hätte. Dennoch schärfte sich mein Sinn für urbanen Aktivismus und offenbarte mir an jeder Straßenecke eine neue Erkenntnis. Die globalen Entwicklungen schlagen sich auf lokale Ebene nieder und prägen die Städte ebenso sehr wie die Urbanen Sozialen Bewegungen die Städte formen. Dabei werden Forderungen nach Veränderungen in der Stadt laut, welche sich ebenso sehr an die Instanzen vor Ort richten wie sie auch auf die nationale und internationale Ebene abzielen. Urbanen Sozialen Bewegungen verfügen über ein wesentlich weitreichenderes Spektrum von Aktivitäten als öffentlich wahrgenommen wird. Nach der Abkehr von dem „keynesianischen Wohlfahrtsstaat“ wurden viele Bereiche den Kräften des Marktes ausgesetzt und unter das Diktat einer profitablen Verwertung gesetzt. In diesem Zusammenhang übernehmen die Städte eine Schlüsselrolle, da sie nicht nur der geographische Ort sind, an denen sich die Auswirkungen wie soziale Ungleichheit verschärft niederschlagen, sondern da sie gleichzeitig auch die politischen und ökonomischen Zentren darstellen, welche die Entwicklungen überhaupt vorantreiben. Diese Entwicklungen studierend, beschrieb David Harvey schon 1989 die Umgestaltung der Stadtpolitik gemäß marktwirtschaftlicher Anforderungen und prägte den Begriff der „unternehmerischen Stadt“. Unter anderem in Anlehnung an Harveys Studie, richtet die hier vorliegende Untersuchung ihren Fokus auf urbanen Aktivismus in der Stadt Hamburg, welche bereits 1985 ein Leitbild mit dem Namen „Unternehmen Hamburg“ vorstellte mit dem Ziel, ihre Stadtpolitik an globale ökonomische Maßstäbe anzupassen.

Aufbau der Arbeit In dieser Arbeit soll der Versuch gewagt werden, zwei verschiedene Formen aktueller urbaner sozialer Bewegungen genauer zu betrachten. Daran sollen die Unterschiede genauso wie die Gemeinsamkeiten aufgezeigt werden und geprüft werden, inwieweit sich die Formen des urbanen Aktivismus in die Stadtpolitik integrieren lassen. Die übergeordnete Zielstellung der Arbeit umfasst einen generellen Ausblick, der neue mögliche Perspektiven auf die Thematik der Urbanen Sozialen Bewegungen eröffnen soll und die zukünftigen Möglichkeiten eines urbanen Aktivismus bewerten wird. Dazu wird zuerst die Wirtschaftsform des Neoliberalismus umrissen und seine Auswirkungen auf die Stadtpolitik aufgezeigt. Anschließend werden die urbanen sozialen Bewegungen definiert und ihre Entwicklung im Neoliberalismus dargelegt. Anhand dieses Wissens sollen anschließend konkrete Dynamiken der Stadtpolitik und des urbanen Aktivismus für den Fall der Stadt Hamburg näher betrachtet

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werden, bevor sich die Arbeit den zwei Fallbeispiele zuwenden wird. Dabei werden zum einen die Bewegung „Lampedusa in Hamburg“, eine Gruppierung aus Flüchtlingen und solidarischen Aktivisten, näher erklärt und zum anderen die „Komm in die Gänge“ Bewegung, eine aus der so genannten „Kreativen Klasse“ stammende Bewegung. Beide Bewegungen haben ihr Aktionsfeld in Hamburg und setzen sich mit den Konsequenzen der neoliberalen Umstrukturierungen auseinander. Dies vollzieht sich jedoch, wie noch zu sehen sein wird, unter hochgradig differenten Bedingungen und mit gänzlich anderen Zielvorstellungen. Um sich ein Bild über die Bewegungen verschaffen zu können, wird ihr Konfliktverlauf in einer handlungs- und akteurszentrierten Beschreibung dargestellt. Die gewonnenen Informationen werden in einer vergleichenden Gegenüberstellung verarbeitet und sollen zum Schluss der Arbeit in einem kleinen Ausblick münden.

Theoretische Bezüge und Forschungsstand Für die vorliegende Arbeit war es notwendig, unterschiedliche Forschungsfelder, die jedoch sehr eng miteinander verbunden sind, in die Betrachtung einzubeziehen. Deswegen befasst sich das erste Kapitel mit den Umstrukturierungsprozessen des Neoliberalismus. Dafür schien eine theoretische Revision der kritischen Stadtforschung äußerst sinnvoll, um die wechselseitigen Beziehungen zwischen den lokalen und globalen Politikebenen zu verdeutlichen. Im zweiten Kapitel werden die Ergebnisse der allgemeinen Bewegungsforschung sowie die Analysen der Stadtforschung zu Urbanen Sozialen Bewegungen herangezogen, was den Stand der aktuellen Forschung zusammenführend darlegen soll. Die Relevanz einer wissenschaftlichen Betrachtung dieser Art verdeutlichen Nicholls und Beaumont, indem sie eine Forschungslücke hervorheben, die im Schnittfeld von neoliberaler Stadtpolitik und Urbanen Sozialen Bewegungen steht: „The relative lack of spatial awareness undervalues attention to the urban arena as a site for contentious politics“ (Nicholls und Beaumont 2004: 107).

Auswahl der Fallbeispiele und Forschungsfrage(n) Die Entscheidung für zwei Fallbeispiele aus der gleichen Stadt ist zunächst damit zu begründen, dass somit ein eingehender Vergleich der jeweiligen Reaktionen seitens der Hamburger Stadtpolitik auf die unterschiedlichen Auseinandersetzungen vorgenommen werden kann, der andernfalls nicht durchführbar wäre. Außerdem muss eine minimale inhaltliche Nähe zwischen den Bewegungen gegeben sein, denn im Fall von zwei Konfliktgeschehen am jeweils anderen Ende des stadtpolitischen Spektrums würde sich eine vergleichende Gegenüberstellung als wenig aussagekräftig erweist. Überdies sollten die Fallstudien der Definition von Urbanen Sozialen Bewegungen genügen, welche sowohl die Ausrichtung

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auf einen stadtpolitischen Kontext als auch eine gewisse Kontinuität voraussetzt. Die Forschungsfragen befassen sich mit den Möglichkeiten eines urbanen Aktivismus, wobei im Speziellen hinterfragt werden soll, inwieweit sich urbaner Aktivismus mit den Vorstellungen der Stadtpolitik vereinbaren lässt und bis zu welchem Grad die Stadtpolitik Einfluss auf den Aktivismus nimmt. Dabei ist es notwendig, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der zwei Fallbeispiele hinsichtlich ihres Aufbaus, ihrer Struktur, Motivation und Forderungen zu verdeutlichen. Abschließend soll ein Ausblick über die Perspektiven und Herausforderungen einen urbanen Aktivismus gegeben werden.

Vorbemerkungen zur Methodologie Für die Empirie war es notwendig, ein interdisziplinäres und gegenstandsorientiertes Vorgehen zu wählen. Wie anhand der theoretischen Bezüge ersichtlich wird, wurden dabei verschiedene sozialwissenschaftliche Disziplinen berücksichtigt. Als die angewandte Methode der Arbeit lässt sich der von Cris Shore und Susan Wright aufgestellte Ansatz des „Studying through“ definieren. Dabei wurden neben wissenschaftlicher Literatur und statistischen Daten auch graue Literatur, Zeitungsartikel, Flugblätter und Internetseiten verwendet. Diese Art der Betrachtung ermöglicht es, einen breit gefächerten Ansatz zu verfolgen, um die unterschiedlichen Dimensionen erschließen und verstehen zu können. Hierzu gilt es anzumerken, dass sich der Geltungsanspruch der Arbeit aufgrund seiner lokalen Eingrenzung eingeschränkt präsentiert. Dabei gestalten sich aber gerade die Unterschiede in den Bewegungen als interessant und befürworten ein Vorgehen dieser Art.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Rahmen dieser Arbeit bei Personenbezeichnungen in der Regel das Maskulinum verwendet. In solchen Fällen sind Frauen und Männer gemeint.

05


b.

Abk端rzungsverzeichnis

Mont Pelerin Society MPS Cross Border Leasing

CBL

General Agreement on Tariffs and Trade

GATT

Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit

SOS

Neuen Sozialen Bewegungen

NSB

Recht auf Stadt

RaS

Right to the City

RttC

Non-Governmental Organization

NGO

Freie Hansestadt Hamburg

FHH

B端rgerliches Gesetzbuch BGB

06

Beh旦rde f端r Stadtentwicklung und Umwelt

BSU

Statderneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft

Steg

Integriertes Entwicklungskonzept

IEK


c.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: http://uzdortmund.blogsport.de/images/ rechtaufstadtaccessallareasflyerfront.jpg download am 25.08.2013 Abb. 2: http://einestages.spiegel.de/external/ShowAuthorAlbumBackgroundXXL/ a3909/l12/l0/F.html download am 12.08 Abb. 3: http://einestages.spiegel.de/static/entry/_mit_dem_schlagstock_ sozialisiert/75361/wohnungsnot_in_west_berlin.html?o=positionASCENDING&s=14&r=1&a=18743&c=1 download am 09.08.2013 Abb. 4: http://bi-krefeld.de/wp-content/uploads/2011/09/ueber_uns.jpg download am 25.08.2013 Abb. 5: http://blogs.telegraph.co.uk/news/files/2010/10/g20protests1_1374148a.jpg download am 12.08 Abb. 6: http://www.hamburg.de/wappen/ download am 12.08.2013 Abb. 7: http://www.gruenanteil.net/wp-content/uploads/2012/08/dsc_0788_ web.jpg download am 03.09.2013 Abb. 8: http://urbanshit.de/?p=11889 download am 25.08.2013

Abb. 14: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hamburg073110.JPG download am 25.08.2013 Abb. 15: http://www.euro-scene.de/v2/de/festivals/2006/programm/media/ bewegungsmelder.jpg download am 25.08.2013 Abb. 16: http://www.hamburg.de/image/2543220/obdachlose-bettler-1500x980. jpg?width=690&height=518&keepRatio=true download am 05.09.2013 Abb. 17: http://lampedusa-in-hh.bplaced.net/wordpress/page/3/ download am 27.08 Abb. 18: http://lampedusa-in-hh.bplaced.net/wordpress/wp-content/ uploads/2013/05/lampedusainhamburg_unterschrift.pdf download am 02.09.2013 Abb. 19: http://www.flickr.com/photos/98466105@N06/9312293449/sizes/l/in/ photostream/ download am 27.08.2013 Abb. 20: http://images.telvi.de/portales/87/news/article/2013/33/1/ f5cdd1a6152c1e7697ae077c62931062.jpg download am 27.08.2013 Abb. 21: https://fbcdn-sphotos-f-a.akamaihd.net/hphotos-ak-ash3/p480x480/1150 949_556324907736114_1401683616_n.jpg download am 03.09.2013 Abb. 22: Textauszug §23 aus dem Bßrgerlichen Gesetzbuch I., Seite 162

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Abb. 9: http://www.hinzundkunzt.de/wp-content/uploads/2010/04/201-Flora.png Abb. 23: download am 03.09.2013 http://www.altona.info/2013/06/13/altonaer-lokalpolitik-beschliesstmoratorium-fr-flchtlinge/ Abb. 10: download am 03.09.2013 http://www.vulgare.net/wp-content/uploads/palm_fiction_park.jpg download am 03.09.2013 Abb. 24: http://www.spiegel.de/fotostrecke/ein-jahr-gaenge-besetzung-wir-hattenAbb. 11: ganz-schoen-herzklopfen-fotostrecke-58293.html http://www.geo.de/GEO/reisen/reiseziele/deutschland-hamburgs-neuesdownload am 05.09.2013 zentrum-die-hafencity-50431.html?t=img&p=3#content download am 25.08 Abb. 25: http://img.abendblatt.de/img/hamburg/crop105578424/1930691600Abb. 12: ci3x2l-h307/boateng-HA-Wirtschaft-Hamburg.jpg http://odernicht.files.wordpress.com/2012/02/archi3.jpg 13.09.2013 download am 25.08.2013 Abb. 26: Abb. 13: http://das-gaengeviertel.info/typo3temp/pics/b8f743ff4f.jpg http://joobili.com/hamburg_harley_days_hamburg_11863/ 13.09.2013 download am 11.09.2013


1. Die Stadt im Neoliberalismus D

ie urbanen sozialen Bewegungen können in der aktuellen Debatte nicht ohne eine Kritik am Neoliberalismus existieren. Dabei baut die Sichtweise auf einer neomarxistischen Kritik und regulationstheoretischen Analyse auf. Beschäftigt man sich mit urbanen sozialen Bewegungen erscheint es deswegen auch als sinnvoll oder gar notwendig den Neoliberalismus ansatzweise näher zu betrachten, vor allem unter dem Aspekt , dass sich die Bewegungen an einer Kritik am Neoliberalismus bedienen und die Konsequenzen einer neoliberalen Handlungsweise oftmals der ausschlaggebende Grund des Protestes ist. Dabei entsteht ein Bild der übermächtigen Dominanz des Finanzkapitals das den unschuldigen Aktivsten gegenüber steht. Ein ganz so einfaches Bild, kann aber nicht die Realität darstellen, den einen heterogenen Neoliberalismus gibt es nicht, wie in „Actually Existing Neoliberalism (Brenner und Theodor 2002: S. 36) erläutert wird, deswegen muss für ein Verständnis über den Neoliberalismus die Betrachtung mit aufgenommen werden, dass sich je nach zeit-räumlichen und gesellschaftlichen Kontext unterschiedliche Formen entwickeln, die mal mehr und mal weniger dominant sein können. In diesem Abschnitt wird ein kleiner Überblick über das Aufkommen des Neoliberalismus und seine Auswirkungen auf die Stadt erstellt, dabei wird darauf eingegangen wie die neoliberale Logik die Stadtpolitik und Verwaltung und somit auch die Ausgestaltung der Städte beeinflusst. Dies dient als Grundlage für die weitere Auseinandersetzung mit den urbanen sozialen Bewegungen. Die zwei Fallbeispiel, aus Hamburg, soll später in dieser Arbeit unter diesen Gesichtspunkten mit betrachtet werden. In diesem Abschnitt orientiert sich der Aufbau an der Epocheneinteilung von Jamie Peck und Adam Tickell (Peck und Tickel 2000), da sie einen leichten Überblick der verschiedenen Phasen und Implementierungen ermöglicht.

1.

1.

Die geschichtliche Einführung zum Neoliberalismus Der Neoliberalismus ist -in einer stark vereinfachten Formulierung- ein marktorientiertes System, welches eine Kommodifizierung möglichst aller Lebensbereiche zum Ziel hat und mit spekulativen Finanzinstrumenten eine Öffnung zu neuen Dimension einer Profitmobilisierung erreichen konnte. Von zentraler Bedeutung ist hierbei, dass es dabei zu einer Konvergenz zwischen den politischen Interessen einerseits und den wirtschaftlichen Interessen andererseits kommt. Deswegen ist der Neoliberalismus ein politisches Projekt, denn er bedient sich politischer Mittel, um eine

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komplette Unterordnung unter die marktwirtschaftliche Orientierung zu erreichen (Peck 2010: 108).Der politische Prozess zur Umsetzung einer neoliberalen Logik hat sich über die Sphäre der Ökonomie hinaus ausgebreitet und unter der allgemein geltenden Wirtschaftlichkeit den Druck auf öffentliche Institutionen, soziale Einrichtungen und auf Individuen übertragen. Aber die neoliberale Implementierung ist nicht nur eine Folge dieser von oben herab beschriebenen Prozesse, sondern besteht auch in den komplexen Wechselwirkungen auf unterschiedlichen politischen


Skalen, wie Neil Brenner hervorhebt (Brenner 1999). In dem politischen Aushandlungsprozess stellt die Stadt, als Ort der sozialen und politischen Interaktion, die Bühne der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen dar, somit ist die Stadt nicht nur von der Implementierung betroffen, sondern auch der zentrale Ort der Produktion und stetigen Modifikation. Der Neoliberalismus geht aus dem britischen Liberalismus aus dem 19. Jahrhundert hervor und basiert auf dem Glauben an eine freie Marktwirtschaft. Die theoretische Ausarbeitung, stellt dabei auf, dass der freie Markt als bestes Mittel zur Allokation von Gütern darstellt (Mullis 2012).

Proto-Neoliberalismus Durch die große Depression in den 1920/30er Jahren und während der beiden Weltkriege gewann der Neoliberalismus zum ersten mal an Bedeutung. Vor allem die USA trieb, nach dem gewonnen zweiten Weltkrieg, mit dem Drang einer Vernetzung der einzelnen nationalen Märkte die neoliberalistische Idee voran. Durch die damals herrschenden machtpolitischen Konflikte des Kalten Krieges wurde jedoch vorerst an einem keynesianischen Modell, bestehend aus sozialpartnerschaftlichem Korporatismus und einer Politik der Vollbeschäftigung, festgehalten. Die Mitglieder der Mont Pelerin Society (kurz: MPS), eröffneten die Debatte zum Neoliberalismus und kritisierten am Keynesianismus, dass der Staat zu sehr in den Markt eingreift und dadurch eine Staatsverschuldung vorantreibt sowie marktverzerrende Maßnahmen hervorbringt die das wirtschaftliche Gefüge ernsthaft bedroht.

Der Roll-back Neoliberalismus Die bist dato, rein theoretisch existierende Ebene des Neoliberalismus erlebte in den 1970/80er Jahren einen Paradigmenwechsel. Der in der Nachkriegsphase entstandene Prozess des Aufholens, schwächte in den 60er Jahren wieder ab und es begann sich eine primär aus einer Überproduktion

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hervorgerufenen Krise zu verbreiten. Vor allem waren davon die USA, Europa und Japan betroffen, welche mit sinkenden Profitraten und der gestiegenen Macht der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter zu kämpfen hatten. Daher trieben westliche Industriestaaten die neoliberale Ideologie voran. Einhergehend mit der Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte waren auch die Untergrabung des Einflusses der Gewerkschaften, der Sozialabbau und die Verlagerung der Produktionsstandorte in sogenannte Niedriglohnländer. Dadurch konnten die Unternehmen die bestehenden Machtverhältnissen und hohen Produktionskosten umgehen und neue Absatzmärkte öffnen (Mullis 2012: 17) Diese Phase der Implementierung wird als „Roll-back“ Neoliberalismus bezeichnet und wurde vor allem von Ronald Reagan in den USA und Margaret Thatcher in Großbritannien implementiert. Vorrangig war hierbei der Rückbau (Roll-back) des Wohlfahrtsstaates und die Übertragung von Befugnissen auf supranationale Ebenen. Vor allem ökonomische Leitlinien wurden zunehmend aus der nationalstaatlichen Verantwortung herausgelöst und neu gegründeten Organisationen wie z.B. der G7/8, der WTO und dem IWF oder der EU übertragen. Diese Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf supranationale Ebene band die Nationalstaaten an deregulierende, marktorientierte und internationale Netzwerke. Mit den Verweisen auf bestehende Verträge und den daraus resultierenden Marktzwängen, diente dies zur Durchsetzung und Legitimierung der liberalisierenden Gesetze. Konsequenzen zeigte dies durch Einsparungen beim Wohlfahrtsstaat, der Privatisierung von „Commons“ und der Deregulierung der staatlichen Einflüsse (Brenner 1999: 438). Parallel dazu setzte ein Herunterschrauben („down-scaling“) von Verantwortung ein. Im Zusammenhang mit der Verringerung der finanziellen Unterstützung durch Steuergelder sahen sich Städte und Kommunen zunehmend gezwungen eigenständige, wirtschaftlich orientierte „Unternehmen“ zu werden.


Der Roll-Out Liberalismus Aufgrund inhärenten Krisentendenzen, welche in Form von sozialen Verschlechterungen und Letitimationsdefiziten der Befürworter ihren Ausdruck fanden vollzog sich in den 1990er Jarhen ein Wandel hin zum „Roll-out“ Liberalismus (Mullis 2012: 18). Dieser wurde stärke als zuvor von den damaligen meist sozialdemokratischen Regierungen in Europa und der demokratischen Regierung in den USA vorangetrieben. So entstand ein staatlich organisiertes und institutionalisiertes Gefüge, welches vor dem Zugriff demokratischer Kontrolle befreit wurde (Peck und Tickell 2002, 389ff ). Zusätzlich wurden zwar soziale Ausgleichsmaßnahmen ergriffen, jedoch zeigten diese letztendlich eine Verstärkung des repressiven Charakters der Staatlichkeit, der sich primär auf die schon marginalisierten Bevölkerungsgruppen auswirkte (ebd. 389). Der Staat dient als Grundlage für den freien Markt und soll, durch sein Monopol auf die Gesetzgebung, die Bedingungen erhalten. (Hayek 2005: 305; zitiert nach Mullis 2012: 18)

Der neoliberale Aufschwung in Deutschland Deutschland gehört nicht gerade zum Standardrepertoire in der Darstellung gesellschaftlicher Neoliberalisierungsprozesse, ist aber dennoch von Interesse, da es seine eigenen Besonderheiten zeigt und dadurch auch die sozialen Bewegungen auf eine andere Ausprägung des Neoliberalismus reagieren. Während in den 1980er Jahren in Großbritannien und in den USA die „Roll-out“ Phase ihren Höhepunkt erlebte, wurde in Deutschland mit der christilichen-liberalen Regierung unter Helmut Kohl kein vergleichbarer wirtschaftspolitischer Kurswechsel angestrebt. Dies änderte sich erst mit der Politik der rot-grünen Koalition. Unter Gerhard Schröder wurde der verspätete Einzug des Neoliberalismus in Deutschland möglich. Galt Deutschland zu dieser Zeit als Europas wirtschaftliches „Sorgenkind“, zeigte die rot-grüne Regierung einen deutliche Ambitionen zu neoliberalen

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Reformen. Während in den 1990er Jahren in Deutschland mit der Wiedervereinigung eine besondere wirtschaftliche Situation eingetreten ist und durch eine erneute Verschuldung die Finanzierung der Überführungskosten der ostdeutschen Bevölkerung in den westdeutsche Sozialsystem von statten ging, konnte die Situation genutzt werden, um Reformwillen zu generieren. Der Finanzminsiter Hans Eichel stellte die Weichen hin zur verstärkten neoliberalen Orientierung, indem er eine Haushaltskonsolidierung anstrebte und die dafür notwendigen Einsparungen in den sozialen Bereich lenkte. Die Kürzungen zeigten, aufgrund der Krisen durch die New-Economy-Blase und der einsetzenden US-Rezession nach dem 11.September 2001, keine ausreichende Wirkung. Bewirkten aber eine Entflechtung des rheinischen Kapitalismus, der durch seine enge Verbindungen zwischen Banken, Versicherungen und der Industrie als eine Alternative zum finanzmarktorientierten Shareholder Value gehandelt wurde, da durch die engen Verbindungen die Banken und Unternehmen eher dazu neigen langfristige Strategien den kurzfristigen Gewinnen zu bevorzugen. Die Entflechtung wurde durch die Steuerreformen mit Kürzungen im Einkommensteuerspitzensatz, der Körperschaftssteuer auf Gewinne von Kapitalgesellschaften und der zeitweisen Abschaffung der Steuer auf Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften erreicht. Bereits gegen Ende der 1990er Jahren begann mit der Veräußerung von ehemaliger Betriebe aus der DDR durch die Treuhandanstalt der Ausverkauf von staatlichem Eigentum an private Unternehmen. Dieser Trend setzte sich auf der Bundes- genauso wie auf Kommunalerebenen durch. Hier kamen von öffentlichen Infrastrukturunternehmen, (z.B. Wohnungsversorgung, Wasserversorgung, Müllabfuhr) viele ehemals kommunale Kernfunktionen in privatwirtschaftliche Hände. Als letztes wichtiges Politikfeld der rot-grünen Koalition steht die Agenda 2010. Unter dem offiziellen Titel „Mut zum Frieden und zur Veränderung“ verkündete am 14. März 2003 Gerhard Schröder die neue Form der Arbeitsmarktpolitik. Die Agenda 2010 und Hartz IV stehen unter dem Zeichen der in den USA und Großbritannien eingeführten „workfare“Reform, welches ein „Fördern durch Fordern“ vorsieht und eine verstärkte Verantwortungsübertragung auf arbeitslose


Personen beinhaltet. Neue Verpflichtungen wie den Wohnort für eine zumutbare Arbeit zu wechseln, Leistungskürzungen und die Ausweitung der Zeitarbeitssegmentes verschlechterten die finanzielle und psychische Situation für viele der Ausgeschlossenen vom Arbeitsmarkt. Diese Umstrukturierung zielt auf eine Flexibilisierung der Arbeitskräfte ab und fördert vorranging geringfügige Beschäftigungen (Mini-Jobs, Ich-AGs). Die Reform verstärkte eine Akzeptanz der Marktlogik und stellt individuelle Verantwortung den Verantwortungspflichten der Gemeinschaft gegenüber. Der verspätete Beginn in Deutschland ermöglichte es, dass etablierte Muster der Wirtschafts- und Sozialpolitik aufzubrechen (Roll-Back) und zur gleichen Zeit die Beschwörung von Gemeinwohl, sozialer Verantwortung und bürgerschaftliches Engagement voran zu treiben (Roll-Out) (Biebricher 2012: 149).

Heuteundjetzt?Post-Neoliberalismus? Durch die 2008 ausgebrochene Wirtschaftskrise befindet sich der Neoliberalismus erneut in einer Phase der Umorientierung. Zwar wurden regulative Eingriffe in das Bankenwesen gefordert und zu Teilen auch umgesetzt, jedoch retteten viele Staaten mit erheblichen finanziellen Mitteln das Bankenwesen vor einem Zusammenbruch und betätigten dafür erhebliche Einsparungen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Chancengleichheit. Die Konsequenzen der Krise können vom heutigen Standpunkt aus noch gar nicht erahnt werden. Mullis nimmt hierzu den 35. Deutschen Städtetag als Ausblick und beschreibt wie zwar eine Einsicht und ein starker Bruch mit dem Neoliberalismus besteht, die Forderungen oder Konsequenzen, die daraus gezogen werden orientieren sich jedoch wieder an neoliberalistischen Praktiken (Mullis 2012: 19). Im europäischen Kontext spielt die Eurokrise eine weitere ausschlaggebende Rolle, die unterschiedlichen Formen der Eurokrise, beinhalten diverse Faktoren die nicht einer unwirtschaftlichen Haushaltsführung einiger europäischer Länder vorgeworfen werden kann. Dabei kommt Deutschland eine wichtige Rolle zu, durch ihre Ausrichtung auf Exporte und dem damit notwendigen niedrigen Lohnkosten in Deutschland, wurden die Wirtschaft andere Länder der EU stark geschwächt. Zur folge hat dies, dass weiter Länder

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ähnliche drastische Sparmaßnahemn vornehmen müssen und somit eine Prekarisierung vorantreiben. Dennoch scheint dem Neoliberalismus vorerst kein Ende bestimmt, passend beschreibt Jamie Peck (2010) ihn als „Untoten“ in „Zombie neoliberalism and the ambidextrous state“.


1.

2.

Neoliberale und städtische Räume D

er Neoliberalismus stellt nicht die monokausale Ursache für die Entwicklung in den heutigen Städten dar, dennoch trägt er eine herausragende Bedeutung, als Mittel der Legitimation und als Wegbereiter für bestehende Entwicklungen in sich. Auf kommunaler Ebene entwickeln sich aufgrund der verschiedenartigen Bedingungen vor Ort stets unterschiedliche sozioökonomische Restrukturierungsprozesse. Damit ist gemeint, dass die Vielzahl lokaler Politikern die unterschiedlich ausgeprägten Formen des Neoliberalismus forcieren. Auch wenn an jedem Ort unterschiedliche Vorbedingungen und Entwicklungen auszumachen sind, so gibt die neoliberalisitische Logik dennoch eine gemeinsame Stoßrichtung in der Stadtentwicklungspolitik vor. Als Gemeinsamkeiten sind hier z.B. die Umstrukturierung von Verwaltungsabläufen und die markt- und wettbewerbsbedingten Neuorientierung zu nennen. Zudem zeigen sich auch in der Form der Stadtentwicklungsprojekte starke Ähnlichkeiten, wie die Kommodifizierung von Stadträumen, worunter „die Umwandlung eines öffentlichen Gutes zur handelbaren und kommerziell nutzbaren Ware“ gemeint ist (Mullis 2012: 21). Städte geraten durch den Umstrukturierungsprozess in eine weltweite Konkurrenzsituation, die sich auf lokale Bedingungen niederschlagen und die stadtpolitische Akteure handeln zwingen.

Globaler Wettkampf der Städte Städte ermöglichen einen effizienten Ablauf ökonomischer Interaktion in Raum und Zeit, binden dabei Kapital in materieller Form und sind die zentralen Orte wirtschaftlicher Tätigkeiten. Dieser Einfluss hat mit dem Aufkommen des Neoliberalismus zugenommen und so haben sich die Städte, im Vergleich zu früheren kapitalistischen Phasen, verstärkt zu einem Motor des globalisierten Wettbewerbs transformiert. Urbane Räume bilden einen Investitionsrahmen und absorbieren das renditeorientierte Überschusskapital in die gebaute Umwelt und in die Ökonomisierung der Stadt. Ein anschauliches Beispiel für die Entwicklung des Finanzsektors bietet das Platzen der New-Economy-Blase um die Jahrtausendwende. Dabei wurden große Mengen

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an Kapital freigesetzt, welches eine neue Art der Investition suchte. Der Bausektor übernahm große Mengen dieses Überschusses und nutzte dies als Basis für die kreditfinanzierte Kapitalakkumulation, aus der wiederum Investoren einen stark kreditfinanzierten Häusermarkt generierten der schlussendlich in der Subprime-Krise sein Ende fand. Die Geschichte der Urbanisierung ist jedoch schon seit ihrem Beginn eng mit kapitalistischen Akkumulationsprozessen verbunden und bringt dadurch ein engmaschiges Netz aus struktureller, materieller und ideeller Verbundenheit hervor. An das in der Stadt investierte Kapital wird eine Renditeerwartung geknüpft, von daher bleibt das Kapital nur so lange in der Stadt, derweil auch akzeptable Renditen zu erwarten sind (vgl. Heeg 2010). Städte sehen sich deshalb in einem permanenten Wettkampf, möglichst viel Kapital


an die Stadt zu binden. Erreicht wird dies, indem immer behalten dabei ein gewisses Maß an Steuerungskompetenz, mehr Möglichkeiten und “Freiräume” für Investoren geboten jedoch überwiegen meist die Interessen der Investoren. werden, um Kapital in der Stadt anzulegen. Die Machtkonstellation, die sich daraus ergibt, beinhaltet überwiegend, dass öffentliche Träger meist von den Gewinnen ausgeschlossen werden, dafür können die Verluste sozialisiert werden. Ein weiteres Modell der Privatisierung stellt das Cross Border Leasing (kurz: CBL) Die Wandlung der Stadt mit der Abkehr von sozialstaatdar, welches weitaus größeren Zuspruch in Deutschland lichen Aufgaben und der Hinwendung zu einem betriebsfand. CBLs sind transnationale Leasingverträge privater wirtschaftlichen Management wird von Daniel Mullis als „die Investoren mit kommunalen Einrichtungen. Über eine begriffliche Verschiebung von Goverment zu Governance“ Laufzeit zwischen 24 – 30 Jahren behält die Kommune ein (Mullis 2012: 20) beschrieben. Worunter die Verschiebung Rückkaufrecht, danach wird das Objekt gänzlich Eigentum der politischen Devise weg von der Regierung (Goverment) des Investors. Für die Kommunen bedeutet die Veräußerung hin zu interessenbedingten Koalitionen (Governance) zu die Möglichkeit, in kürzester Zeit eine große Menge an verstehen ist. Dabei muss Governance, meist bestehend Kapital verfügbar zu machen und für die Investoren1 eine aus den Koalitionen von Stakeholdern, Behörden und der Möglichkeit Steuererleichterungen zu erhalten. Die Art der Politik, als eine Form des Regierens betrachtet werden, die Risikoaufteilung zwischen den privaten und öffentlichen durch die Kooperationen öffentlicher und privater Partner Vertragspartnern führte bei vielen Kommunen zu Verlusten. ihren Ausdruck findet (ebd.). Oftmals sind die Kauferlöse nur unscheinbar höher als die Der globale Konkurrenzdruck bringt ein weiteres zentra- Kosten für die Instandhaltung, sodass langfristig gesehen les Element in der unternehmerischen Stadtpolitik hervor: kein Gewinn davon getragen werden kann. Der Verkauf die ständige Suche um neue Investitionen, hochqualifizierte von öffentlichem Eigentum bedeutet einen Verlust an Arbeitskräfte, Kulturschaffende und „Kreative“ sowie auch demokratischer Entscheidungskompetenz, da sich positive den Drang finanzielle, administrative und informationelle Ergebnisse meist nur zu Gunsten von Personenkreisen mit Kontroll- bzw. Befehlsfunktionen bestmöglich zu posi- einer starken Lobby auswirken. Wirtschaftlich schwache tionieren, um daraus mittels weicher Standortfaktoren Personen sind daher nur von einem geringen Interesse für private Kapitalakkumulation zu stimulieren(Heeg und den Abschluss des Vertrages und für die Profitinteressen Rosol 2007: 493). Als Resultat dieser Elemente stehen die der Investoren.

Die Stadt als Unternehmen

Veräußerungen städtischer Infrastruktur, die Auslagerungen öffentlicher Dienstleistungen an private Anbieter und der breite Prozess der Kommodifizierung. Betroffen sind davon nicht nur die städtischen Dienstleistungen und öffentliche Räume, sondern auch die Kulturbetriebe und Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, die allesamt dem Ziel einer Profitmaximierung unterworfen werden. Neben der kompletten Veräußerung an privaten Unternehmen, finden sich auch Modelle wie das Public-PrivatePartnership, welche jedoch in Deutschland, verhältnismäßig zu anderen westlichen Ländern, wenig zum Einsatz kamen. Hierbei werden öffentlich finanzierte Aufträge an private Unternehmen übergeben. Die öffentlichen Institutionen

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1 Es handelt sich hierbei fast nur um US-amerikanische Investoren, da die USA hohe Steuererleichterungen für Investitionen in anderen Staaten gewährte. Bis zum März 2004 als der US-Senat dies als missbräuchliche Steuererleichterung sanktionierte, deshalb werden seit 2004 keine neuen Verträge mehr abgeschlossen, die bestehenden behalten jedoch ihre Gültigkeit.


Unternehmerische Verwaltung BeispieleausderStadtentwicklung Die Unterordnung an eine marktwirtschaftliche Logik beinhaltet eine Umstrukturierung und Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen der Politik und der Verwaltung. Dies vollzog sich nach den Vorgaben des New Public Management und führt zu einer Verschiebung von Kompetenzen zu Gunsten der Verwaltung mit dem Anspruch an eine betriebswirtschaftliche Effizienzmaxime. Durch das Auferlegen von Gesetzten und Regelungen sieht sich die Kommune gezwungen, eine Ökonomisierung der öffentlichen Institutionen voranzutreiben. Dabei schützt sie die Privatisierungsstrategien vor Eingriffen, selbst gegen Maßnahmen aus der Politik. Henrik Lebuhn beschreibt dies folgendermaßen: „Eine neoliberal konfigurierte Bürokratie schließt Privatisierungspolitik „hermetisch“ ab; sie gibt sich tendenziell unpolitisch, interessen- und subjektlos. Sie konstruiert einen Privatisierungszwang und vertieft die bestehenden Konkurrenzen [...]. So wird der neoliberale Umbau der Stadt gegen jede Form von Kritik, Protest und Diskussionen immunisiert und gegen die Interventionen außerparlamentarischer Akteure und progressiver Lokalpolitiker abgedichtet.“ Lebuhn (2007: 544) Ebenso geht von den General Agreement on Tariffs and Trade (kurz: GATT) eine verpflichtende Wirkung aus. Bei GATTs handelt es sich um vertragliche Vereinbarungen auf bi- und multilateraler Ebene, deren Auswirkungen den Handlungsspielraum auf der lokalen Ebenen beeinflussen und damit im städtischen Raum eine zentrale Rolle einnehmen. Die Implementierung von Abkommen dieser Art in die nationalstaatlichen Gesetze, zieht auch die Kommunen in die Veranwortung sich an die Verträge mit marktorientierten Handlungsschemata zu halten. Die erwähnten Einbindungen in nationale und supranationale Gesetze, sowie die politische Umorientierung der Verwaltung in ein markt- und effizienzorientiertes Gefüge führten dazu, dass die Belange einer Stadt unter einer unternehmerischen Logik betrachtet werden und Probleme nach marktwirtschaftlichen Handlungsweisen gelöst werden.

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Dies halt Folgen für die Stadt und deren Entwicklung, dementsprechend sieht sich die Stadt mit dem ständigen Risiko einer Kapitalabwanderung konfrontiert, infolgedessen die Absicherung ihrer Position auf dem Markt gefährdet wird und ihre Wettbewerbsfähigkeit sinkt. Das am meisten genutzte Mittel für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und dem Generieren lukrativer Absatzmöglichkeiten ist die systematische Aufwertung von Stadtteilen, mit dem Ziel eine normativ gesetzte qualitative Verbesserung des Raumes zu erreichen. Das betrifft immaterielle Aspekte wie das Image einer Stadt oder eines Viertels. Mit teuren und aufwendigen Werbekampagnen werden z.B. gezielt alternative Szenen in einer Stadt vermarktet. Ein anderes Imagemittel und zugleich auch Werkzeug der Machtausübung ist die propagierte Garantie von Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit (kurz: SOS). Dabei wird ein Bild generiert von einer Stadt ohne Armut und Probleme, um zahlungskräftige Personen und Investoren eine attraktive Grundlage zu schaffen. Indes wird nicht nur virtuell das Image von SOS produziert, sondern auch unerwünschte Personengruppen, wie z.B. Jugendliche, Migranten oder Obdachlose aus den meist innenstadtnahen Bereichen verdrängt. Die gezielte Aufwertung von Stadtteilen sowie privater und öffentlicher Infrastruktur zielt auf eine größeren Maßstab ab. Dabei werden ganze Stadtviertel sozial umstrukturiert, um höhere Kapitalströme zu ermöglichen. Ein Grund für eine „Aufwertung“ kann anhand der ökonomisch orientierten „Rent Gap” Theorie (Neil Smith) dargestellt werden. Diese tritt auf, sobald die Bausubstanz relativ zum Wert des Standortes zu tief liegt. Zur Vermeidung eines möglichen Wertverlustes der Immobilien und eines fiskalischen real Risikos sowie dem damit verbundenen Absinken des sozialen Status eines Stadtteils, werden deshalb häufig ganze Quartiere einer grundlegenden Aufwertung unterzogen. Oftmals wird dafür die Begründung der „sozialen Durchmischung“ mit angeführt. Dies ist jedoch stark zu bezweifeln, findet diese Begründung doch nur Anwendung, sofern es sich um Viertel mit Armen, Ausländern oder Arbeitslosen handelt und zum Zweiten, die „sozialen Durchmischung“ dagegen in einer „sozialen Aufwertung“, besser gesagt


in einer Verdrängung endet. Diese Entwicklungen, die auch als Gentrifizierung beschrieben werden, können als Folge einer anhaltenden systematischen Aufwertung gedeutet werden, welche eine Polarisierung der sozialen Schichten innerhalb einer Stadt provoziert. Diese bringt zum einen Stadtteile in äußerst prekären Umständen hervorbringen und zum anderen isolierte Zitadellen der reichen Bevölkerungsschicht. Margit Mayer bezeichnet dies als eine „Third Worldization“ in den westlichen Städten. Die öffentliche Hand trägt hierbei eine maßgebliche Verantwortung mit sich, indem sie durch die Einflussnahme von Primärinvestitionen und dem Aufstellen von Stadtentwicklungskonzepten eine derartige Entwicklung begünstigt. Der Prozess der Gentrifizierung spielt hierbei, parallel zu den neoliberalen Konfigurationen seit den 1980er Jahren, eine entscheidende Rolle in der Ausgestaltung der Städte.

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2. Gegenströmungen: Urbane soziale Bewegungen D

ie Auswirkungen, forciert durch einen Neoliberalismus, rufen Gegenstimmen aus der Stadtgesellschaft hervor. Dabei formieren sich unterschiedliche betroffene Personen und äußern ihren Unmut, zeigen Alternativen auf oder legen Ungerechtigkeiten zu Tage. Der Lebensraum in der Stadt, ist wie im vorherigen Kapitel beschrieben, stark von ökonomischen Bedingungen definiert, die Auswirkungen auf die sozialen Verhältnisse haben. In diesem Abschnitt soll zuerst auf wissenschaftlichen Definitionen zu sozialen Bewegungen eingegangen werden und die Relevanz von Bewegungen anhand von dem „Sozialen Kapital“ und „Recht auf Stadt“ beleuchtet werden um anschließend die Entwicklungen in der urbanen Bewegungslandschaft mit den Phasen des Neoliberalismus vergleichend gegenübersetzten um die prägende Ausgestaltungskraft von Neoliberalismus und von den urbanen sozialen Bewegungen zu verdeutlichen.

2.

1.

Die Neuen Sozialen Bewegungen Soziale Bewegungen versuchen Einfluss auf die Gestaltung eines sozialen Wandels zu nehmen. Frauen kämpften im 19. Jahrhundert für ihr Wahlrecht oder demonstrieren heute für den Einzug einer feministischen Kritik als Grundlage für Wissenschaft und Planung (vgl. Eckhoff 1998). Dieser Drang nach sozialem Wandel in Form von fördernden, bremsenden oder revolutionären Aktionen unterscheidet soziale Bewegungen von spontanen Protesten, Modeerscheinungen oder Zufallskonstellationen (Raschke 1985 und Rucht 1994a zitiert nach Roth und Rucht 2008: 13). Die Richtung der Einflussnahme gestaltet sich je nach Bewegung individuell und kann wie z.B. bei rechtsextremen Gruppierungen auch radikale Positionen einnehmen. Mit dem Aufkommen der Neuen Sozialen Bewegungen (kurz: NSB) kann jedoch behauptet werden, dass soziale Bewegungen weitgehend eine progressive Grundströmung verfolgen. Die Demokratisierung ist, innerhalb der sozialen Bewegungen, ein übergreifendes

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Thema. Dabei lassen sich Unterschiede in den Formen des Aktionismus und der Artikulation der Ziele erkennen. Das Potential auf gesellschaftlichen Wandel, hervorgerufen durch soziale Bewegungen, wurde zu Beginn sozialwissenschaftlichen Forschung nicht weiter anerkannt, dementsprechend ergab sich, dass Bewegungen und Protest als ein “weitgehend unbewusste[r] Prozess der Ansteckung” (Roth und Rucht 2008: 13) betrachtet wurden. Erst später, durch die Bewegungsforschung der 1960er und 1970er Jahre, kam die Erkenntnis, dass ein “zielgerichtete[s] kollektive[s] Handeln mit eigenen Gesetzmäßigkeiten und Chancen” (ebd. 13.) von den Bewegungen hervorgeht. Das Engagement der Aktivisten, beinhaltet ein disziplinarisches Instrument und eine Herausforderung für die Demokratie, weil es auf Probleme aufmerksam macht und Reformen einfordert. Nach Roland Roth ergibt sich die funktionalistische Definition:


Soziale Bewegungen stellen ein „Netzwerk von Gruppen und Organisationen, gestützt auf eine kollektive Identität, eine gewisse Kontinuität [...] mit dem Anspruch auf Gestaltung des gesellschaftlichen Wandels [...]“ dar Roth und Rucht, (Hg.) 2008: 13 Somit setzen sich soziale Bewegungen aus verschiedenen Akteuren mit gleichen Interessen zusammen, sie stellen einen gemeinsamen Handlungszusammenhang her und äußern sich durch kollektive Aktionen, die zu Solidaritätsbeziehungen innerhalb der Gruppe führen (Melucci 1989 und Tarrow 1994 zitiert nach Ruggiero 2001: 45). Als weitere wichtige Merkmale von NSB lassen sich folgende Punkte definieren:

Die Politisierung des Alltäglichen Das erzeugen von Veränderungen durch alternative Lebensstile und Werte.

• Ablehnung hierarchischer Strukturen • Konflikthafte Ausrichtung (auf den

Prinzipien der Legitimation basierend)

Selbstreflexion der Wertvorstellungen (innerhalb und außerhalb der Gruppierung)

starkes persönliches Engagement der Akteure (teilweise oder dauerhaft engagiert)

vgl. Melucci: 1984, S. 85; zitiert nach Ruggiero 2001: S. 43

urbane soziale Bewegungen besitzen starke Überschneidungen im Auftreten und im Aktionsfeld und zählen daher zu Neuen Sozialen Bewegungen. Durch die starke Heterogenität der sozialen Bewegungen wird jedoch eine eindeutige Unterscheidung zu weiteren Akteuren, wie Verbänden oder Parteien, erschwert.

Die sozialwissenschaftliche Literatur erwähnte urbane Bewegungen zum ersten Mal in den 1960er Jahren. Der Terminus der “urbanen sozialen Bewegung”1 wurde als erstes von Manuel Castells in seinen Arbeiten während der 60er und 70er Jahre aufgegriffen. Castells gilt als Vorreiter auf diesem Gebiet. In seinen Werken „La Question Urbaine“ und „Luttes urbaines et pouvoir politique“ (deutscher Titel lautet.: “Kampf in den Städten”) untersuchte er Bewegungen in Frankreich, Chile, USA und Canada. Seine Analyse gestaltete Castells unter den veränderten Bedingungen der Produktion und des Konsums. Dadurch eröffnete er Einblicke in das Verhältnis der strukturellen Dynamik und den Wirkungen urbanen Bewegungen. Castells lässt in seinem Werk erkennen, dass Urbanen Sozialen Bewegungen nicht nur die Rolle zukommt auf strukturelle Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft zu reagieren, sondern vor allem auch die Fähigkeit mit der Hilfe von Gewerkschaften und politischen Parteien einen Machtwandel in Staat und Gesellschaft herbeizuführen(Mayer 2008: 294). Die Definition von Manuel Castells wurde von vielen Wissenschaftlern als Grundlage verwendet und gewann besonders in der Stadtforschung an Bedeutung. Weiteren bedeutenden Einfluss in der theoretischen Diskussion nahmen die Arbeiten von Henri Lefebvre („The production of space“) und David Harvey („social Justice and the City“). Bei allen spielt dabei primär die politische Dimension auf die Veränderung von gesellschaftlichen Zuständen eine zentrale Rolle (Lebuhn 2008: 19) „The basic dimension in urban change is the conflictive debate between social classes and historical actors over the meaning of urban, the significance of spatial forms in the social structure, and the content, hierarchy, and destiny of cities in relationship to the entire social structure“ Castells, Manuel (1983: 302)

Eine neue Definition war spätestens während der 1980er Jahre notwendig, als sich der Aktivismus zu städtischen Konflikte stark verbreitete und in Form von HausbesetzunDie Stadt als Ort der Akkumulation von Protesten trägt gen, Stadtteilgruppen und Bürgerinitiativen eine weniger eine lange Geschichte in sich. Schon immer war die Stadt 1 Es findet sich auch die Bezeichnung städtischer sozialer Bewegungen, geprägt von gesellschaftlichen Aufruhr und städtische in dieser Arbeit wird aber an urbanen sozialen Bewegungen festgehalten, da sich diese Bezeichnung auf die aktuellen Zustände der Urbanisierung Themen hatten starken Einfluss auf das Wohlbefinden. bezieht.

wissenschaftlichen Betrachtung

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deterministische Sichtweise aufzeigte. Derweil trägt die Definition von Castells kritikwürdige Punkte in sich. So formuliert er, dass städtische Bewegungen nur als solche bezeichnet werden können, wenn sie Kämpfe um kollektivem Konsum mit denen der politischen Selbstverwaltung verbinden (Castells 1983; vgl. Schmid 2012). Anstatt auf den Ursachen der Entstehung und die Organisationsformen von Bewegungen liegt das Augenmerk dieser Definition auf der Funktionen und Wirkungen der Bewegungen. Durch diese, auf den Umbrüchen des Fordismus konstruierte, Definitionen werden viele Typen von Bewegungen ausgeblendet. Eine weitere Analyse zu Bewegungen unternahm Henri Lefebvre in seinen Arbeiten zur Kritik des Alltagslebens und zur Stadt. Hierbei beruht sein Konzept einerseits auf, “dem Ort des Widerstands gegen Entfremdung“ und andererseits auf der permanente Kolonisierung der Lebenswelt durch die Warenform. Die Kommodifizierung sämtlicher Lebensbereiche wird durch die “verstädterte Gesellschaft”, das heißt durch den „globalen Prozess der Verstädterung, weltweit vorangetrieben”. Lefebvre sieht die Unordnung als Notwendigkeit für das schaffen von Ordnung an. Dabei betrachtet er die “Revolution” sowohl als eine von “oben betriebene technokratische, neoliberale Eroberung der Welt” als auch eine „utopische Kritik der städtischen Gesellschaft“ (Lefebvre 1974: 23 zitiert nach Mayer 2008: 294). Im nordamerikanischen Raum untersuchten zeitgleich Wissenschaftler das urbane Bewegungsmilieu von Minoritäten im Kontext lokaler politischer Strukturen (siehe Fainstein, N. und Fainstein S. (Hg.)1974). Während in Südamerika die Forschung von Escobar und Alvarez (Escobar und Alvarez (Hg.) 1992) sich vermehrt mit den lokalen politischen Widerständen befasste, zeigte sich die Wissenschaft in Westeuropa stark an der französischen Debatte und an marxistischen Traditionen verhaftet. Erst später begann die Forschung, sich mit den Auswirkungen staatlicher Strategien auf städtische Bewegungen zu beschäftigen (Kern 2008: 11). In den USA dagegen waren marxistische Traditionen weniger dominant und so erfuhr der Schwerpunkt der Forschung auf die Fragen der Mobilisierung, Organisation und dem “Empowerment” diskriminierter Gruppen früher Aufmerksamkeit als in Europa. Diese breitere Betrachtung der amerikanischen Forschung ermöglichte es, die Definition über sozialer

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Bewegungen zu erweitern. Vor diesem Hintergrund, werden urbane soziale Bewegungen “als kollektive Akteure mobilisierend in den Prozess sozialen bzw. politischen Wandels eingreifen[d], und als urban, wenn ihre Ziele und ihre Aktionsbasis auf die Stadt und dort relevante Entscheidungsprozesse bezogen sind” definiert (Mayer 2008: 295). Obwohl die Stadtforschung diese Definition verwendet, erkennt die Bewegungforschung keine Analogie zu den Neuen Sozialen Bewegungen, da die Definition auf den räumlichen Bezug keine klare inhaltliche Abgrenzung darstellt, wie z.B. aus den Lesben- und Schwulenbewegungen hervor geht. Dennoch konnte sich die Definition, durch ein verstärktes Interessen von Bewegungen an urbanen Themen, etablieren. Walter Nicholls und Justin Beaumont ergänzen die Definition der urbane soziale Bewegungen mit den Punkten:

Konflikte auf die USB reagieren haben ihren Anlass auf der Ebene der Stadtpolitik

USB sind infrastrukturell in ihrem urbanen Umfeld verankert die Stadt wird als strategisches Aktionsfeld wahrgenommen Es besteht eine starke geographische Nähe (face-to-face contacts)

• •

Nicholls; Beaumont 2004 und Nicholls 2008

Nicholls betont dabei vor allem die erweiterten Fähigkeiten einer strategischen Planung, durch die engen Verbindungen (face-to-face contacts) als eine markante Stärke der USB. Dadurch wurde eine weitaus größere Mobilisierung und eine verbesserte Koordination von informellen Taktiken möglich (Nicholls 2008). In der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion rückt die Heterogenität der Bewegungen vermehrt in den Mittelpunkt. Die Weiterentwicklung der Bewegungen lässt diese heute als “widerständige wie pragmatische, progressive wie reaktionäre, kleinräumig organisierte wie stadtweit bzw. auch überregional vernetzte Bewegungen in einer völlig veränderten politischen wie sozialen Landschaft” (Mayer 2008; 296) erscheinen. Eine Folge davon ist, dass ein einheitliches Bewegungsmuster verschwindet und konzeptionellen


Deutungsmuster nicht mehr existieren. Während sich ein Großteil der wissenschaftlichen Arbeiten auf westliche Theorien bezieht, versuchen Wissenschaftler vermehrt die Bedeutung von urbanen sozialen Bewegungen in den wachsenden Städten in Asien, Afrika und Lateinamerika in die Forschung zu integrieren. Die aktuellen Transformationsprozesse spielen dabei eine gewichtige Rolle. Dabei rückt die Frage in den Mittelpunkt, welche Bedeutung lokalem Protest und Urbanen Sozialen Bewegungen in einer globalisierten Einbettung zukommt (Lebuhn 2008; 20).

Die Rolle von “Sozialem Kapital” Das Milieu der städtischen kollektiven Aktionen ist viel breiter als öffentlich wahrgenommen wird. Viele Aktivitäten bleiben verborgen und oft werden die Aktionen im Kontext von Selbsthilfe oder Dritter-Sektor-Gruppierungen dargestellt. Die Tatsache, dass sie Bewegungs-Aspekte haben bleibt meistens unerkannt (Roth 2000). Veränderungen und Entwicklungsprozesse in den Städten können nicht betrachtet werden, ohne die Projekte und Aktivitäten der urbanen sozialen Bewegungen zu berücksichtigen. Mit den USB bezeichnet man eine komplexe Bewegungs- und Organisationslandschaft aus Stadtteil-, Wohnungs-, Umweltund Beschäftigungsaktivitäten auf städtischem Territorium, die sowohl mit kommunalen Behörden kooperieren, als auch als Oppositionen oder im Protest auftreten und deren Interesse und Inhalte sich auf die Stadt und die Gesellschaft richten (vgl. Mayer 1998). Ein wichtiger Bestandteil ist die lokale Verortung der Aktionen und die Nutzung des städtischen Raums zum Aufbau von Vertrauensbeziehungen. So wird die Stadt als strategischer Raum angesehen um Forderungen zu generieren und zu artikulieren. Diese Formen des Aktivismus, wie sie z.B. Stadtteilorganisationen oder Initiativen betreiben, erzeugen einen Mehrwert, der in Form von “Sozialem Kapital” dargestellt wird. Für die Stadtpolitik stellt Engagement ein willkommenes Mittel dar, um politische Partizipationen zu fördern und um in benachteiligten Stadtteilen die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen positiv beeinflussen zu können. Diese Betrachtung von Aktivismus erbrachte den Bewegungen

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eine neuartige Bewertung ihrer Bedeutung und begünstigte einen Aufschwung im Bewegungssektor. Netzwerke, wie sie in sozialen Bewegungen anzutreffen sind, basieren auf einem reziprokem Vertrauen. Auf einer horizontalen Ebene werden Ressourcen für die individuellen und kollektiven Bedürfnisse hervorgebracht, die das Erreichen von bestimmter Ziele fördern (vgl. Mayer 2003). Auf politischer und akademischer Ebene erreichte der Diskurs um das “Soziale Kapital” eine hohe Aufmerksamkeit. Von „Sozialem Kapital“ geht eine Anziehungskraft aus, welche offenbar das Versprechen in sich trägt Lösung für eine Vielzahl von aktuellen Problemen zu sein. Dies kann daran liegen, dass die Begriffe „Sozial“ und „Kapital“ die Vermutung aufkommen lassen, es gäbe neben den gängigen Kapitalformen wie z.B. Finanzkapital, materiales Kapital und „Human Kapital“ eine weitere Form von Kapital, die durch soziale Interaktionen hervorgerufen wird. Jedoch wurde die genaue Definition über die Bedeutung von “Sozialem Kapital” in unterschiedliche Interpretationen aufgeteilt. Während für Coleman (1988; 1990; zitiert nach Mayer 2003) die ökonomische Definition dominant war, versteht Putnam eine normative Kategorie, in der durch Anwesenheit oder Abwesenheit von „Sozial Kapital“ das Wohl von Individuen, der Gemeinschaft, Städten, Regionen und Ländern abhängt(vgl. Mayer 2003). Damit wird dem „Sozial Kapital“ positiven Verbindungen zu wirtschaftlichen Faktoren genauso angerechnet, wie auf soziale Entwicklungen. Dabei wird genannte, dass durch das „Sozial Kapital“ ein gegenseitiges Vertrauen, Unterstützung und Zusammenhalt aufgebaut wird. Es ergeben sich institutionelle Effekte, die zur Verbesserungen von öffentlichen Gütern wie der Bildung und dem Gesundheitswesen führen können. Außerdem begünstigen sie beruflichen Erfolg wie auch Toleranz und Demokratisierung und damit auch Wirtschaftswachstum und Wohlstand für die Gesellschaft (vgl. Punam 2001 und Mayer 2003). Die krisenhaften Erschütterungen in der Wirtschaft und Politik ermöglichten den verstärkten Zuspruch an “Sozialem Kapital”. Dabei wird das „Soziale Kapital“ mit Hoffnungen aufgeladen, die hinkende Wirtschaft mit Impulsen, aus sozialer Interaktion hervorgerufen, zu verbinden und dadurch neue Wege für die Politik bereit zu stellen, mit deren Hilfe ein Erstarken der wirtschaftlichen Kräfte,


vereint mit kulturell gewachsenem Vertrauen, möglich ist. Mit dieser Interpretation können USB in der Stadtpolitik, eine wichtige Rolle zur sozialen Kohäsion in der urbanen Landschaft zugestanden werden.

„The Right to the City“ in aller Munde.

The right to the city is like a cry and a demand . . . a transformed and renewed right to urban life Lefebvre (1996: 158) Die These „Recht auf Stadt“ („Le droit à la ville“) wurde von dem französischen Philosophen Henri Lefebvre erstmals 1968, dem Jahr des „Pariser Mai“ formuliert. Für Lefebvre steht das Urbane für eine zukünftige Gesellschaftsform, losgelöst vom Alltagsleben der Moderne, dafür selbstbestimmt und durch Unterschiede geprägt. Eine tiefgreifende Revolution währe von daher auch nur möglich, wenn diese es schaffen würde, das Alltagsleben komplett umzustülpen und dadurch die kapitalistischen Verhältnisse zu überwinden und einen neuen Raum zu schaffen ( Vogelpohl 2012). “A social transformation, to be truly revolutionary in character, must manifest a creative capacity in its effects on daily life, on language and on space” Lefebvre, (1991: 51 zitiert nach: Vogelpohl 2012)

Abb. 1: Plakat für den „Recht auf Stadt“ Kongress in Hamburg

Weiterhin lässt sich auch ein reges Interesse an der theoretischen Debatte um den Slogan “Recht auf Stadt” (kurz: RaS / engl. Right to the City; kurz: RttC) verzeichnen. Dabei wurde das „Recht auf Stadt“ sogar in die Gesetzte vom Ministério das Cidades (Ministerium der Städte) in Brasilien oder dem UN-Habitat aufgenommen. Auch viele urbane soziale Bewegungen berufen sich auf diesen Slogan. Demonstrationen werden unter dem Motto „Recht auf Stadt“ organisiert und viele Bewegungen benennen sich danach. So existieren „Recht auf Stadt“-Netzwerke in Hamburg und weiteren deutschen Städten. Ebenso in den USA und Europa, in Afrikanischen Townships oder den Favelas von Südamerika finden sich Bewegungen die sich auf ein „Recht auf Stadt“ beziehen. “Recht auf Stadt” hat demnach eine wichtige Bedeutung für die urbanen Bewegungen aus.

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Dass die Interpretationen des Slogans weit auseinander gehen kann gut anhand der differenzierten Sichtweisen unterschiedlicher Akteure aufgezeigt werden. Viele der NGOs oder Stadtentwicklungsämter legen die Interpretation meist als einen Anspruch auf bezahlbaren Wohnraum und gut funktionierende Infrastruktur aus. Dazu hebt Mehmet Baris Kuymulu in seinem Artikel „The Vortex of Rights: ‘Right to the City’ at a Crossroads“ hervor, dass die Gefahr einer Instrumentalisierung und Banalisierung der Thesen von Lefebvre für marktwirtschaftliche Zwecke beseht (Kuymulu 2013). Der philosophische und theoretische Diskurs der meist marxistisch geprägten Autoren, betonen dagegen den utopischen Anspruch an eine “soziale Gerechtigkeit”. David Harvey befasste sich intensiv mit den Thesen von Lefebvre und sieht das “Recht auf Stadt”, ähnlich wie Manuel Castells, als eine Verbindung zwischen Arbeiterkämpfen und den sozialen Bewegungen (Harvey 2013 und Bareis; et al., 2010; 801). Dabei wir die Stadt als Fabrik dargestellte in der sich eine neue Arbeiterklasse formiert die ihre Rechte klassenübergreifend und global einfordern muss (Harvey 2013; 226f ) Aber auch eine Vielzahl von weiterer Autoren widmete sich dem Thema und erstellte eine nahezu unerschöpfliche theoretische Abhandlung. Wichtige Werke dazu


finden sich, unter anderen, von Mitchell (2003), Harvey (2008), Brenner, et al. (2009), Uitermark, et al. (2012 ). Bezugspunkt und gemeinsame Linie der Argumentation bietet die Kritik am Neoliberalismus und der Kampf für mehr Gerechtigkeit in den Städten. Die vorgeschlagenen Lösungen erscheinen auf den ersten Blick ziemlich radikal, zieht man aber die konkreten Ratschläge in Betracht, wirken diese meist zurückhaltend. Der oftmals eingegangene Kompromiss, die Forderung nach Veränderung, bezieht sich auf eine “Bändigung” des Kapitalismus (z.B. durch die TobinSteuer), eine einheitliche Ablehnung des Neoliberalismus und Protektionismus (stattdessen solidarisch-alternative orientierte Wirtschaft) und den Anspruch, globale ökonomische Belange in Einklang zu bringen (nachhaltige und ökologisch verträgliche Wirtschaft). Marcelo Lopes de Souza beklagt an den formulierten Ansätzen, dass zwar eine Ablehnungen der bestehenden Verhältnisse besteht, jedoch die kritische Auseinandersetzungen sich nicht an einer grundlegend veränderndten Umstellung orientiert und stellt die kritische Frage, ob dies das “Recht auf Stadt” darstellt (Souza 2010: 316f )?

Dies erscheint als eine überaus wichtige Frage in Bezug auf die Bedeutung von Urbanen Sozialen Bewegungen und ihrem Anspruch auf Veränderung, doch kann diese Frage im Rahmen dieser Arbeit nicht ausreichend beantwortet werden. Die Verbindung der Kämpfe gegen Gentrifizierung, den Erhalt von erschwinglichem Wohnraum und das Recht auf Partizipation mögen erstmal nicht dem hohen Anspruch auf ein “Recht auf Stadt” entsprechen. Existiert doch auch ein extremer Kontrast zwischen den Urbanen Sozialen Bewegungen des globalen Südens. In denen wachsenden Städten lebt ein Großteil der Bevölkerung in Slums, Favelas und Townships. Deshalb unterscheiden sich die Forderungen stark von denen in Europa oder Nordamerika und bringen den luxuriösen Charakter der Forderungen der USB aus dem globalen Norden zum Vorschein. Dabei zeigt dieser Vergleich zumindest die Diskrepanz zwischen den urbanen sozialen Bewegungen auf unserer Welt. Auch wenn de Souza und Kuymulu von einer Trivialisierung der These sprechen und sicher auch Recht besitzen, bringt das “Recht auf Stadt” dennoch einen gemeinsamen Nenner hervor, der

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ein Verständnis wachsen lässt und gegenseitiges Interesse weckt. Das legt den Grundstein für eine Intensivierung der Zusammenarbeit auf lokaler wie auch auf globaler Ebene. Deswegen ist es auch nicht unverständlich, wenn urbane soziale Bewegungen sich dem aktuellen Diskurs anschließen und den Slogan verwenden, um ihre Organisation oder ihrem Netzwerk eine Berechtigung und einen gemeinsamen Halt innerhalb der unterschiedlichen Aktivisten zu geben. Als ein Beispiel kann das „Recht auf Stadt“ Netzwerk aus Hamburg gelten. Innerhalb von drei Jahren konnte sich dieses ein großflächiges und heterogenes Akteursspektrum ausbauen. Heute finden sich unter dem Dach des Netzwerkes linken Aktivisten (u.a. auch Autonome, Anarchisten und alternative Gruppen), disparate Gruppierungen (die unter prekären Umständen leben müssen), Aktivsten aus der Mittelklasse, Studenten, Künstler und weitere kreativ Schaffende. Das Netzwerk umfasst heute 58 verschiedene Initiativen. Von Kleingärten-Initiativen bis hin zu Gentrifizierungsgegenern, finden sich disparate Gruppierungen zusammen, die von der derzeitigen Enteignung und Entfremdung in der Stadt betroffen sind. Das “Recht auf Stadt” verbindet viele Bewegungen innerhalb der Städte, national und zunehmend auch international. So sahen sich die Occupy-Bewegungen von den Protesten in Spanien inspiriert. Dabei ergeben sich, wenn auch vorerst nur ideologische, Verbindungen zwischen dem sogenannten globalen Norden und Süden (Uitermark 2012: 10). Die Proteste in Istanbul (2013) und Rio de Janeiro (2013) wurden, trotz unterschiedlicher Forderungen und Bedingungen, in Verbindung gesetzt und Sympathien ausgesprochen. Protest wird immer mehr als eine Einheit gesehen und nicht als spontane unabhängige Unruhen. Vielleicht ist es genau das, was das “Recht auf Stadt” hervorzubringen vermag: ein Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Bewegungen und gesellschaftlichen Zuständen, national wie auch global.


2.

2.

EntwicklungderurbanenBewegungslandschaftimZeitalterdesNeoliberalismus?

I

n diesem Abschnitt wird die Entwicklung der urbanen sozialen Bewegungen im Zusammenhang mit dem Neoliberalismus betrachten, um den derzeitigen Aktivismus von Stadtbewohnern verstehen zu können. Dabei werden die Reaktionen aus Teilen der Gesellschaft heraus in den Mittelpunkt gestellt, um daran Veränderungen zu erkennen, die nicht nur den Unterschieden in den frühen Phasen der kapitalistischen urbanen Entwicklung zuzuordnen sind, sondern auch unter welchen Bedingungen und durch welche Hindernisse sich urbane soziale Bewegungen verändert haben. Zur leichteren Orientierung stützt sich auch hier der Text auf das Phasenmodell von Jamie Peck und Adam Tickell (siehe Kapitel I.) und orientiert sich inhaltlich an der Analyse von Margit Mayer aus „The “Right to the City“ in Urban Social Movements“ (Mayer 2012).

Die Krise des Fordismus die politisierte Opposition (1970er) Die erste Welle großer Mobilisierungen fand während der Fordismuskrise statt. Es wurde um die Wohnungsversorgung, den Zustand der Wohnungen, die Höhe der Mieten und gegen die drastischen Sanierungsmaßnahmen gekämpft, mit denen eine Vielzahl der meist armen Bewohner umgesiedelt wurden. Eine andere Strömung unter den damaligen Bewegungen stellten die vielen Anti-Kriegs und Anti-Kernkraft Bewegungen dar. In ihnen organisierten sich meist linke Aktivisten und Studierende. Dagegen waren in den Kämpfen um den Wohnraum meist ansässige Bewohner aus ärmeren Schichten aktiv und betroffen. (Roth 1990)

Abb. 2: erste Ausgabe „die Tageszeitung“ als Alternative in der Medienlandschaft

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Anders als in den USA, wo sich die Demonstrationsteilnehmer zu einem Großteil aus unterdrückten Afro-Amerikaner formierte, kamen die Aktivisten in Europa vermehrt aus den Reihen der Studierenden und Migranten. Allen Bewegungen in den westlichen Städten gemeinsam war, war der Kampf


„Roll-Back“ Neoliberalismus “from protest to program”(1980er) um die „reproduktive Sphäre“ (“reproductive sphere”) und den „kollektiven Konsum“ (“collective consumption”) (Mayer 2012: S. 66). Neu an diesen zentralen Punkten ist, dass die Kämpfe und Proteste aus den Fabriken herausgeholt wurden und sich in den Stadtraum verlagerten. Der Klassenkampf orientierte sich von nun an nicht mehr an den Arbeitern, sondern an den Bürgern einer Stadt. Zu den neuen Forderungen und Konfliktbereichen zählten der Zustand der öffentlichen Infrastruktur und Dienstleistungen, ein berechtigtes Verlangen an Partizipation und die Möglichkeit auf “Freiräume” für alternative Ideen. Aus dieser Phase des Protests ging eine Vielzahl von Jugend- und Sozialeinrichtungen hervor, alternative und feministische Gruppierungen etablierten sich in der Gesellschaft und erste unabhängige Medien (siehe Abb. 2) sowie weitere “self-made” Projekte veränderten die Stadt. Was über allen Bewegungen stand war der Konflikt mit dem keynesianischen Wohlfahrtsstaat. Der keynesianisch geprägten Stadt, als den Ort des Protests. Durch die Übernahme der Versorgung und sozialen Reproduktion durch den Staat führte dies zu einer direkten Verbindung städtischer Entwicklungen und sozialer Reproduktion. Forscher wie Manuel Castells interpretierten das “urbane” an diesen Bewegungen, als der Kampf um den “kollektiven Konsum” (vgl. Castells 1975). Rückblickend hinterlässt die fordistisch geprägte Stadt zwei Bilder. Aus dem einen generierten sich die Spaltung der Städte, die Zonierungen unterschiedlicher Bereiche der Stadt und das Aufkommen des suburbanen Raumes. Auf der anderen Seite liess sich eine Öffnung des politischen Systems und die Positionierung des Protests im städtischen Raum erkennen. Auch wenn die Bewegungen der 70er Jahre eine beeindruckende Dynamik und große Mobilisierungen hervorbrachten, konnte kein gesamtgesellschaftlicher Diskurs erreicht werden. Vorrangig waren Studenten aktiv, eine Einbindung diskriminierter und marginalisierter Bewohnern der Stadt wurde jedoch nicht erreicht.

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Abb. 3: Um gegen befürchtete Räumungen besetzter Häuser zu mobilisieren, riefen die Hausbesetzer mit diesem Plakat zu einer Demonstration am 10. Oktober 1980 auf. Es erschienen rund 2000 Personen.

Die zweite Phase der USB wurde durch die politischen Umwälzungen in den 1980er Jahren eingeleitet, mit dem großen Sprung hin zu einer neoliberalen Logik. Während dieser Phase rückten wieder vermehrt „alten“ Themen, wie steigende Arbeitslosigkeit, Armut, eine erneute Wohnungsnot in den Vordergrund. Besonders die Aufstände um die Eigentumsverhältnisse und die vielen Hausbesetzungen, veränderten die Ausprägung und das Erscheinungsbild der USB nachhaltig. Der Staat sah sich in dieser Zeit mit vermehrten Einsparungen konfrontiert, die sich hauptsächlich im sozialen Bereichen niederschlugen. Als eine Reaktion darauf kann der Versuch gesehen werden, Mobilisierungen zu erzeugen und als ein institutionalisiertes Objekt Aufgaben des Staates zu übertragen. Diese Maßnahme führte zu einer veränderten Beziehung zwischen den USB und dem Staat. Bestand zuvor eine antagonistische Beziehung, transformierte sich diese hin zu einem kooperativen Verhältnis, indem sich immer mehr Bewegungen in Revitalisierungsprogrammen engagierten. Margit Mayer bezeichnete diesen Schritt bereits 1987 als “from protest to program” (Mayer 1987: S. 15). Diese


Entwicklung erschien vorerst nicht als negativ, in der Folge jedoch ergab sich daraus eine Spaltung innerhalb der Bewegungsströmungen. Die professionalisierten Bewegungen etablierten sich mehr als die weniger gut organisierten. Daraus resultierte eine Verstärkung der Disparität zwischen „kulturell Entfremdeten“ und den „besitzlosen Ausgeschlossenen“ unter den Aktivisten (Mayer 2012). In dieser Phase zeigte sich ein verstärktes Aufkommen von Bewegungen aus der Mittelschicht, die nun meist Eigeninteressen vertretend um die Sorge des Erhalts ihrer Nachbarschaft motiviert, die Bewegungslandschaft neu definierten. Diese Art der Bewegungen orientierte sich an ökologischen und progressiven Belangen, entfaltete aber, unter anderem auch verteidigende oder gar xenophobe Züge. Ergebnis dieser erneuten Transformation des Bewegungsmilieus war eine vermehrte Fragmentierung in zielorientierte Komponenten. In diesem Zustand, erschwerte sich zunehmend eine übergreifende Kooperaton zwischen den Bewegungen (Mayer 2012).

Der “Roll-out” Neoliberalismus -mosaik der bewegungslandschaft (1990er)

Abb. 4: Werbeplakat einer Bürgerinitiative für ihr Stadtquartier

Der Widerspruch, hervorgerufen aus den Einsparungsmaßnahmen und der Öffnung des städtischen Raums für den Markt, führte in den 1990er Jahren erneut zu einer Umorientierung der Bewegungen. Der Staat versuchte durch flankierende Maßnahmen die drastischen

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Verschlechterungen der Lebensumstände auszugleichen. Dazu setzte er auf die verstärkte Übernahme von Verantwortung an die lokale Politik und Wirtschaft. Dieser Prozess begann die soziale Infrastrukturen, politische, kulturelle und ökologische Organisationen als Hauptträger in einer Stadt direkt anzusprechen und ihnen die Verantwortung für das Gelingen oder Scheitern zu übertragen. Im “aktivierenden Staat” spielen nachbarschaftsbasierte Programme eine wichtige Rolle. Durch sie sollen die drastischen Kürzungen im sozialen Bereich mit Hilfe von “sozialem Kapital” ausgeglichen werden (Mayer 2003). Hierzu konstruierten sich vermehrt neue Formen der Zusammenarbeit zwischen privaten und staatlichen Trägern. Das bekannteste Programm stellen die Privat-Public-Partnerships dar. Auf diese Art und Weise wurde die geäußerte Kritik der Bewegungen am keynesianischen Wohlfahrtsstaat wahrgenommen und umgesetzt. Hinter der geforderten „Autonomie“ verbirgt sich jedoch ein Prozess der Veräußerung von öffentlichem Eigentum im Sinne einer Kommodifizierung. Die Vorgehensweise kann man als eine Adaption des Vokabulars der USB interpretieren, mit dem Versuch, die Bewegungen in das System der neoliberalen Transformation zu integrieren. Wenn die neuartigen Instrumente der Stadtentwicklung die Verantwortung an Dritte abgeben und vermehrt Entscheidungen an private Akteure übertragen, bedeutet dies als Konsequenz eine starke Einschränkung der sozialen Rechte. Als Folge für die Bewegungslandschaft ergab sich eine weitere Fragmentierung: auf der einen Seite entstanden neue, defensiv orientierte Bewegungen mit dem Ziel, sich und ihre Umgebung zu verteidigen, um ihre Privilegien erhalten zu können. Auf der anderen Seite wurde die Frage: “Wem gehört die Stadt?” politisiert und sie bestimmte den Diskurs unterschiedlicher Aktivisten. Ein eindeutiges Indiz für die auch heute noch bestehende Aktualität der Frage zeigen die unzähligen Anti-Gentrifizierungs-Netzwerke in New York, London, Amsterdam und Berlin. Der „Recht auf Stadt“ Slogan verbreitete sich beständig. Das zeigen auch die zahlreichen Neubildungen von „Recht auf Stadt“Bewegungen in Istanbul und in Zagreb. Neue Slogans und Forderungen verdeutlichen den Erwartungshorizont: “Reclaim the Streets” oder “Another city is possible” (Mayer 2008 und 2012).


Krise des Neoliberalismus höhepunktderbewegungen(2000er)

Abb. 5: Demonstranten gegen die Bankenrettung der Regierung in London

Das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 führte zu einer erneuten Krise des Neoliberalismus und damit zum Einsetzten der vierte Phase. Urbanisierung ist nicht länger ein fassbares Phänomen. Durch den globalen Neoliberalismus und der Öffnung der Finanzmärkte konnte sich der Prozess der Urbanisierung mit rasender Geschwindigkeit auf der ganzen Welt ausbreiten. Das Einwirken von Fremdkapital in die Urbanisierung veränderte zunehmend den Wirkungsrahmen staatlicher Kontrolle und prägte weltweit städtische Landschaften (vgl. Heeg 2010). Während das Wirtschaftswachstums stagnierte und keine neue Arbeitsplätze entstanden, verschärfte sich die soziale Polarisierung, die sich zu einem drastischen Problem in vielen Städten entwickelte. Die Umstellung des Systems von “welfare” zu “workfare” dramatisierte die Situation zusätzlich. Der Arbeitsmarkt reagierte auf die ökonomischen Veränderungen, indem er flexible und unsichere Arbeitsplätze hervorbrachte. So wurden zwar viele Arbeitslose wieder in ein Beschäftigungsverhältnis gerückt, ihre Arbeitsbedingungen, Besoldungen und vor allem Kündigungssicherheiten wurden allerdings drastisch beschnitten. Vor allem traf diese Entwicklung auf Migranten und Frauen zu, die vermehrt in den neuen Dienstleistungsund Serviceberufen beschäftigt wurden. Die Prekarisierung des Arbeitsmarktes und ihre Auswirkungen veranlassten die Bewegungen darauf zu reagieren und prägte auch die Möglichkeiten des Aktivismus. Viele Aktivisten hatten nun nicht mehr die Möglichkeit sich stark zu engagieren und

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wurden aufgrund ihrer sinkenden finanziellen Möglichkeiten auch in ihrem Aktivismus eingeschränkt. Viele Bewegungen übernahmen aber auch lokale und soziale Funktionen, starteten alternative Arbeitsbeschaffungsprogramme oder engagierten sich in Aufgaben der nachbarschaftlichen Entwicklung, mit der Motivation, der anhaltenden sozialen Exklusion Einhalt zu gebieten. Die Auswirkungen der Finanzkrise von 2008 verstärkten viele der genannten Tendenzen. Regierungen reagierten auf die Krise mit weiteren Einsparungen im sozialen Sektor und förderten dadurch das Voranschreitten der Privatisierung. Vor allem Kommunen waren vermehrt von Ertragsausfällen betroffen und musste deswegen weitere Kürzungen vornehmen. Es wurden zunehmen Gegenreaktionen erkennbar und immer größere Demonstrationen prangerten das Vorgehen der Regierungen unter ihrem neoliberalen Einfluss an. Rufe wie “We won´t pay for their crisis!” erhallten in vielen Städten Europas, vor allem in Spanien, Portugal und Griechenland. Der Aufruhr läutete ein weiteres Kapitel des Protests und urbanen Aktivismus ein. Dabei haben diese Entwicklungen den Raum für soziale Anfechtungen in vielen Fällen stark verengt. Bewegungen operieren nun nicht mehr gegen das Modell der “keynesianische Stadt” und für den Erhalt einer kollektiven Infrastruktur. Stattdessen sehen sich die Bewegungen heute mit den neuesten Ausprägungen der “neoliberalen Stadt” konfrontiert. Welche Entwicklungen prägend für den derzeitigen Aktivismus sind und was dies für die urbanen sozialen Bewegungen bedeutet, soll im folgenden, anhand von Beispielen aus der Stadt Hamburg, erläutert werden.


3. Entwicklungen in Hamburg und die Veränderungen im urbanen Protest

Abb. 6: Stadtwappen, mit verschlossenem Tor von der freien Hansestadt Hamburg

„Hamburg currently functions as a focal lens of sorts, one in which the conflicts of the coming decades are already recognizable.“ Oehmke 2010

D

ie Entwicklungen des Neoliberalismus und die der urbanen sozialen Bewegungen zeigen auf, wie stark sich ökonomische Veränderungen auf die sozialen Gegebenheiten auswirken. Dabei spielen die urbanen sozialen Bewegungen eine zweideutige Rolle. Zum einen stellen sie eine Opposition dar, die auf negative Entwicklungen reagiert und alternative Konzepte entwirft. Hierbei kommt dem Drang nach gesamtgesellschaftlichen Veränderung eine starke Gewichtung zu. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Bewegungen die eine verteidigende Position einnehmen, ihren Anspruch nicht auf Veränderungen legen welche der Gesamtheit zu gute kommen, sonder ihren Aktivismus dahin richten, ihre Bedingungen zu erhalten oder verbessern. Dabei lässt sich auch eine Fragemtierung in Bewegungen mit einer guten Infrastruktur aus der Mittelschicht und dagegen Bewegungen der Armen, Ausländer und Ausgeschlossenen aufzeigen, die aufgrund ihrer Situation, nicht die gleichen Möglichkeiten des Aktivismus besitzen. Im folgenden Abschnitt werden die Stadtleitbilder der freien Hansestadt Hamburg aufgezeigt und anhand dessen, parallelen zu neoliberalen Entwicklungen gesucht. Mit diesem Stand wird die Vorgehensweise der Stadtpolitik aus Hamburg präsentiert und Beispiele gezeigt wie sich die Stadt einer Übernahme von Taktiken der urbanen sozialen Bewegungen bedient. Das kann als Beweis dafür gelten, welche gewichtige Rolle der ehrenamtliche Aktivismus in der Stadt eingestanden wird, birgt aber auch die Gefahr einer Instrumentalisierung für ökonomische Zwecke. Die neoliberal geprägte Stadtpolitik zeigt kooptierende Handlungen von urbanen Aktivismus und bringt auch neue Handlung felder für die urbanen soziale Bewegungen hervor.

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3.

1.

Freie Hansestadt Hamburg. Die Freie Hansestadt Hamburg (kurz: FHH) ist ein Stadtstaat und mit 1.718.187 Einwohnern1 die zweitgrößte Stadt Deutschlands. In der gesamten Metropolregion beläuft sich die Einwohnerzahl auf 5.088.745 Einwohner.2 Der Anteil an ausländischen Bewohnern liegt bei 14.0 % und der Anteil der Bürger mit Migrationshintergrund bei 29.2 %.3 Große wirtschaftliche Bedeutung haben der Hafen -der zweitgrößter Europas- und die ansässige Medienindustrie. Weitere wichtige Wirtschaftszweige sind u.a. die Logistik, Luftfahrtindustrie, maritime Wirtschaft und Konsumgüterindustrie, dazu spielen Tourismus, Medizin und Biotechnologie eine immer wichtigere Rolle. Das Bruttoinlandsprodukt beläuft sich auf 95,8 Mrd. Euro und macht damit 3,6 % des gesamten Bruttoinlandsprodukt in Deutschland aus (zum Vergleich Thüringen hat 1,9%).4 Hamburg zählt zu den wohlhabendsten Städten in Europa, mit der drittstärksten Kaufkraft pro Kopf nach London und Luxemburg5. Daneben wird aber auch eine zunehmende Spaltung zwischen Arm und Reich verzeichnet. 2011 waren 18% der Bewohner von Armut bedroht, Tendenz steigend (Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2013).

Leitbilder der Stadtentwicklung

in der Stadt Hamburg Leitbilder als strategische Mittel der Stadtentwicklung. Zur Jahrtausendwende verfügten bereits über 70% aller Städte in Deutschland über ein Leitbild (Spiekermann 2000). Die Themenschwerpunkte in Hamburg lassen sich den Kategorien “Wachstum”, “Nachhaltigkeit”, “Wissen und “Kreativität” zuordnen. Viele Leitbilder, wie das der “wettbewerbsfähigen Stadt”, werden dem Ziel des Wirtschaftswachstums untergeordnet. Als positive Effekte stehen hierfür weiche Standortfaktoren, aber vor allem imagefördernde Bauprojekte wie z.B. die “Elbphilharmonie”. Dazu muss viel finanzielles Kapital mobilisiert werden, mit der Intention, durch ein Leuchtturmprojekt, internationales Ansehen und wirtschaftlichen Aufschwung zu erreichen. Negative soziologische und ökologische Effekte werden dafür meist in Kauf genommen. Dabei wird der globale Städtewettkampf als Grund für die Umstrukturierungen angeben, dabei spielt mehr der Versuch sich als eine „Global City“ zu positionieren eine Rolle. Der Drang Teil eines Netzes aus Städten zu werden, in welche die führende Finanz- und Dienstleistungsunternehmen ihre globale Produktionszusammenhänge managen und dadurch finanzkräftige Investitionen und eine gehobenen Einkommensschicht anziehen. Denn eine Stadt die im internationalen Wettbewerb mitspielen will, muss sich an den Bedürfnissen der urbanen Eliten aus dem Finanz- und Dienstleistungssektor orientieren.

Leitbilder erscheinen als notwendige Reaktion auf den gesteigerten Wettbewerbsdruck, den die Städte durch die Die “Creative City” ist eine der bedeutendsten Globalisierung zu spüren bekommen. So findet man auch imagebildenden Marketingkampagnen in der derzeitigen

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Stadtentwicklung und spielt bei der Entwicklung von Leitbildern eine zentrale Rolle. Jamie Peck bezeichnet dies als den „creative turn“ (Peck 2005)der Stadtentwicklung. Dabei wird die “Kreative Klasse” als ein ausschlaggebender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg der „Global Cities“ betrachtet. Erstmals wurde der Begriff von Landry Charles im Jahr 2000 in seinem Buch “The Creative City: A toolkit for Urban Innovators” in die Diskussion gebracht. Eine größere Bekanntheit erlangte das Konzept durch den Ökonomen und “Professor of Buisness and Creativity” Richard Florida und dessen Büchern “The Rise of the Creative Class” (aus dem Jahr 2002) und den Folgewerken “The Flight of the Creative Class” und “Cities and the Creative Class” (von 2005). Seine Theorie besagt, dass Städte unter den heutigen Bedingungen nur noch einen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren können, wenn sie einen hohen Anteil an “Kreativen” zu verbuchen hat. Zwar bringen “Kreative” nicht automatisch Innovationen mit sich, jedoch ist ein Kontingent an hochqualifizierten Fachkräften für die Standortentscheidung von Unternehmen von Bedeutung. Aus einer stadtökonomischen Betrachtung heraus, stellen Arbeitskräfte einen stark immobilen Faktor dar, der an Standorte gebunden ist. Folglich ergibt sich die logische Schlussfolgerung von Boschma und Fritsch: “Jobs will follow people, instead of people following jobs”. (Boschma; Fritsch 2007: 1) Ein Konzept, das hochqualifizierte zu einem Umzug in eine andere Stadt bewegen soll, muss dennoch ein Angebot bereitstellen, laut Richard Florida, wird die Möglichkeit auf einen Zuzug von “Kreativen” dadurch gesteigert, indem ein positives städtisches Klima erzeugt wird. Wichtige Punkte, die eine Stadt mit diesem positiven Klima auszeichnen, müssen “openness, diversity and tolerance” (Florida 2005: 38) sowie “low barriers to entry” (ebd.: 353) enthalten. Des weiteren werden Technologie, Talent und Toleranz (ebd.: 37) als ausschlaggebende Faktoren genannte, die eine Stadt für ein wirtschaftliches Wachstum besitzen muss oder aus dem Wachstum hervorgehen kann. In der These werden die “Kreativen” in drei Kategorien unterteilt: die erste Kategorie ist von den “Creative Core”, den Hochkreativen (z.B. Wissenschaftler, Ingenieure etc.) besetzt, die zweite von den “Creative Professionals” (Fachkräfte) und die dritte von den “Bohemiens” (z.B. Schriftsteller und Künstler)(Florida 2005: 8f ). Die zuletzt genannte Gruppe

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soll die Rolle eines Vorreiters einnehmen und, laut Florida, die hochqualifizierten Arbeitskräfte “anlocken”. Kritiker bezweifeln die Belegbarkeit der These und verweisen auf die deskriptive Herangehensweise (vgl. Boschma; Fritsch 2007: 1), die These baut auf fragwürdige Untersuchungen auf, wie der Gay-Index, anhand dessen die Toleranz als Kernmerkmal für Kreativität gemessen werden soll. Dabei lässt sich eine Vermischung der Begriffe Humankapital mit Kreativität feststellen und als ein Synonym für ein günstiges Wettbewerbsklima präsentiert und instrumentalisiert. Jamie Peck sieht daher ein eindeutiges neoliberales Handlungsschema und hebt hervor, dass eine “Mittel- und Oberschicht” als kreativ deklariert wird, während niedrig bezahlte Personen aus der These komplett ausgeblendet werden. “No less significantly, though, they also work quietly with the grain of extant ‘neoliberal’ development agendas, framed around interurban competition, gentrification, middle-class consumption and placemarketing...” Jamie Peck (2005: 740)

Entwicklung der Leitbilder Die freie Hansestadt Hamburg hat ihr erstes Leitbild “Unternehmen Hamburg” bereits 1983 vorgestellt. Das Leitbild wurde in einer Rede des damaligen Bürgermeister Klaus v. Dohnanyi im Überseeclub, einem Treffpunkt der wirtschaftliche Elite aus Hamburg, vorgestellt. Für die kritischen Stadtsoziologen läutete dies eine neue Ära der Stadtentwicklungspolitik ein, da soziale Spaltung zu Gunsten wirtschaftlicher Erfolge in Kauf genommen wird und versinnbildlichte den Vorstoß einer neoliberalen Stadtpolitik in Deutschland (Hauer und Peddinghaus 1998: 106). Während der 1990er Jahre entstanden unterschiedliche Leitbilder in Hamburg, wie die“solidarische Stadt” und die “grüne Metropole”. An den Zielvorstellungen einer wettbewerbsorientieren Stadt wurde weiterhin festgehalten (Klaage 2006). Während dieser Zeit wurden vermehrt Stadtteile mit einem hohen Anteil an Armen, Arbeitslosen und Ausländern als „Gefährdete Stadtteile“ ausgeschrieben und im Rahmen der „behutsamen Stadterneuerung“ wurde


versucht „junge deutsche Familien“ für die Stadtteile zu gewinnen (Dangschat 1995; 35; zitiert nach Hauer und Peddinghaus 1998: 107). Als Resultat, sahen sich viele Ausländische und arme Familien aus den Stadtteilen verdrängt, auch wenn der ersehnte Zuzug der gewünschten Schicht, nicht den Erwartungen entsprach, dabei gilt es auch anzumerken, dass die Logik einer solchen Strategie dagegen in anderen Stadtteilen eine Konzentration von Armen, Arbeitslosen und Ausländern befördern und damit ein zuspitzen der Situation vorantreiben. Des Weiteren verfolgt das „Unternehmen Hamburg“ seit dem Bürgerschaftswahlkampf 1997 eine „zero tolerance“ Politik, indem die Polizei bereits gegen kleinste Verstöße harte Strafmaßnahmen vollzieht, dabei wurden auch vermehrt öffentliche Räume an private Sicherheitsdienste übergeben. Ein Bündnis aus Unternehmer finanziert die sogenannten „City Cops“ (ebd.: 108) und trieben eine Unsichtbarmachung von Armut, aus den Innenstadtbereichen, voran. Im Jahr 2002 stellte der Senat das Leitbild “Wachsende Stadt” vor. Unter der exakten Bezeichnung “Metropole Hamburg - Wachsende Stadt” wurde eine “langfristig angelegte strategische Vision für die Entwicklung der Stadt” erarbeitet (Freie Hansestadt Hamburg 2007). Das Leitbild beinhaltet als Zielsetzung eine Steigerung des Bekanntheitsgrades der Stadt und soll Unternehmen und die notwendigen qualifizierten Arbeitskräfte in die Stadt bringen. Als Leitprojekte für die Vision stehen “Metropole des Wissens”, mit dem Ziel, den Bildungs- und Forschungsstandort auszubauen, “Kulturmetropole Hamburg”, was auf eine Förderung des kulturellen Bereich abzielt und Hamburg als eine kulturelles Zentrum stärken soll und “Welcome to Hamburg” mit der Intention die Hürden für eine Zuwanderung von gewünschten Zielgruppen abzubauen. Es zeigt sich, dass die Leitbilder und -projekte eine starke Ausrichtung am “Creative City”-Ansatz haben. Dies verdeutlicht sich, indem sie wirtschaftlichen Aufschwung durch Begünstigungen der “Kreativen” stark fördern. Um das Konzept erfolgreich zu etablieren, wurde eine eigene Marketing GmbH der Stadt Hamburg gegründet, die der Aufgabe nachkommt, Hamburg international zu vermarkten und ein ansprechendes Auftreten in Form von Logos etc. zu erstellen. Den starken Einfluss auf die Hamburger Leitbilder durch Richard Florida, bestätigt die Aussage des ehemaligen Senatssprechers Lutz Mohaupt,

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indem das „Creative City“ Konzept „zu den Überlegungen des Senats von der „Talentstadt“ beigetragen hat“6 „Hamburg Talentstadt“ stellt ein weiteres Leitbild der Stadtentwicklung, das im Auftrag der Stadt von einer Unternehmensberatung erstellt wurde. Seit 2007 fanden die Vorbereitungen für die Internationale Bauausstellung (kurz: IBA) statt, die im März 2013 ihre Eröffnung hatte. Durch die IBA wurden mehrere Großprojekte gefördert, so auch das Vorhaben “Sprung über die Elbe”, mit dem die “Entwicklungspotentiale” der Elbinsel ausgeschöpft werden sollen. Ein wichtiger Bestandteil davon ist die Ansiedlung von Künstlern in dem Gebiet, weswegen hohe Versprechungen an die Kulturbetriebe gemacht werden (Novy; Colomb 2012: 8). Frühzeitig haben sich Bewegungen und Initiativen gefunden, welche die Gefahr einer Gentrifizierung erkennen. Das Projekt “HafenCity” ist das Aushängeschild der Stadt Hamburg und derzeit europaweit das größte innerstädtebauliche Stadtentwicklungsprojekt. Der Masterplan sieht die Konstruktion qualitativ hochwertiger Wohngebäude und Bürokomplexe vor. Kritik gab es vor allem bei der Vergabe der Baugrundstücke, da zu sehr auf wirtschaftliche als auf qualitative Faktoren geachtet wurde. Zudem wurde auch die Anzahl der Baugrundstücke während des Planungsprozesses erhöht. Die geplanten Bauprojekte verdeutlichen, dass die anvisierte Zielgruppe eindeutig eine einkommensstarke Schicht darstellt. So gibt es, laut Zahlen des Jahres 2007, keinen einzigen sozialen Wohnungsbau in dem Gebiet, und das obwohl insgesamt Wohnraum für 12.000 Menschen geschaffen werden soll. Ein weiters Indiz stellt die Arbeitslosenstatistik des Quartiers dar. Der Anteil der Arbeitslosen liegt in der “HafenCity” mit 1,4% weit unter dem der Gesamtstadt, der sich auf 6,8% beläuft (Hamburger Stadtteil-Profile 2007). Um das Projekt bei der Bevölkerung als eine Bereicherung zu vermarkten, ging der Hamburger Senat neue Wege hin zur „Image-City“, währen die Planung im verborgenen von Managern und Behördenmitarbeitern durchgeführt wurde und sich dabei stark an dem „Urban Renaissanche-Programm“ der Docklands von London orientierte. Wurde die „Gesellschaft für Hafen- und Standortentwicklungs GmbnH“ gegründet, die der Aufgabe nachkam, das Hafenareal unter den Investoren aufzuteilen. Dabei ging dem ganzen Planungsprozess eine Vermeidung


der Einbeziehung der Bürger von Hamburg einher. Stattdessen wurde mit einer konsequenten Kommuniktaionsstrategie, der Schein aufrecht gehalten, es entstehe keine lobbygesteuerte Investorenstadt (Twickel 2010). Aktuell wird das “Leitbild Hamburg: Wachsen mit Weitsicht” verfolgt, laut Senat soll Hamburg “international Maßstäbe setzen als eine wachsende Metropole der Talente, der Nachhaltigkeit und der Verantwortungsbereitschaft“ (FHH 2009). Die Hansestadt will sich „als internationale Metropole mit hoher Dynamik und Innovationskraft sowie kultureller Vielfalt fortentwickeln“ (ebd.). An der Grundlinie der vorherigen Leitbilder wurde festgehalten und um das Leitprojekte „Hamburg Heimathafen” ergänzt, welches eine Stärkung der Zivilgesellschaft und Verbundenheit mit der Stadt Hamburg bewirken soll. Inhaltlich wurde das Leitbild durch die Schlagwörter “Nachhaltiges Hamburg” und “Kreatives Hamburg” erweitert. Während des Planungsprozesses der unterschiedlichen Leitbilder hat sich die Konstellation der beteiligten Akteure dahingehend gewandelt, dass immer mehr private Akteure wichtige Planungsaufgaben übernahmen und neue Behörden, die auf das jeweilige Leitbild spezialisiert sind, gegründet wurden. Klaage stellt dazu fest, dass “Ideen und Vorstellungen [an] weniger Akteure[n] orientiert [sind]. Soziale und ökologische Belange werden dabei ökonomischen und finanzpolitischen Zielen untergeordnet” (Klaage 2006: 40). Die Leitbilder geben an welcher Werdegang in Hamburg angestrebt wird. Dabei zeigen sich kontroverse Entwicklungen. Die starke Ausrichtung an den Prinzipien des „Creative City“-Konzepts, zeigt eine Bevorzugung bestimmter gesellschaftlicher Kreise, wie sehr Hamburgs Tore, im Sinne einer toleranten Gesellschaft, offen stehen wird sich entscheiden.

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3.

2.

Übernahme von Taktiken aus den Urbanen Sozialen Bewegungen in die Stadtentwicklung

I

n Hamburg transformierte sich, durch das post-industrielle Zeitalter, die Stadtgesellschaft fundamental. Hervor ging eine Gesellschaft von wenigen hochbezahlten Fachkräften und einer Vielzahl von prekarisierten Angestellten des Dienstleistungssektors. Die ausufernde Gentrifizierung und der Wettkampf um Touristen und Künstler treibt viele alternative künstlerische Milieus in den kritischen Aktivismus. Aber es ist auch ein Anwachsen der Integration neoliberaler Praktiken zu erkennen. Kommunen haben

erkannt, dass eine kulturelle Revitalisierung mit der Kultur- und Kunstwirtschaft nützlich oder gar Voraussetzung darstellen, um die “Eigenmarke Stadt“ lokal und global zu manifestieren. Richard Floridas Aufruf zu “Creative City” bringt die Städte dazu, sich an einem breiten Spektrum des kreativen Aktivismus zu bedienen. Die Auflistung zeigt einige Beispiele aus Hamburg, in denen sich ein derartiger Prozess abzeichnet.

Abb. 7: Urbanes Kunstfestival auf der Reeperbahn

Abb. 10: Stadtteilgarten in Hamm

Kommunen bedienen sich vermehrt auch an Projekten des “Guerilla Gardening” und präsentieren sich als alternative ökologische Stadt, indem sie Projekte kopieren und als “Best-Practice” Beispiele vorstellen. Dabei werden auch Gärten die aus Eigeninitiative entstanden sind, im Nachhinein zu Stadtentwicklungsprojekten umgewandelt.

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Als Alleinstellungsmerkmal für den globalen Wettkampf wirden die Dynamik (sub)kultureller Produzenten für die ortsspezifische Vermarktung genutzt. Die Milieus, meist aus der Musik- und StreetartSzene, die alternativen und “Underground” Clubs und Bars, werden hierzu für offizielle Stadtmarketingzwecke genutzt (vgl. Bader; Scharenberg 2009). In Hamburg wird mit der Reeperbahn als eine einzigartige Erlebnismeile geworben. Aber auch Underground und Gay-Clubs dienen mittlerweile der Stadt für ihr Marketing.


Abb. 8: Der „Park Fiction“ in Altona ging aus einer Bürgerinitiative hervor

Abb. 9: Autonomes Kulturzentrum „Rote Flora“ im Schanzenviertel

Nicht nur das offensichtlich kulturelle Milieu wird bevorzugt involviert, sondern auch weitaus autonomere Gruppierungen, wie die Aktivisten der Häuserbesetzungen und selbst-organisierten Zentren. Ihnen wurde eine neue Rolle in der Stadt zugeteilt und ihre Arbeit als wichtiger Faktor für eine lebendige Stadt anerkannt. Die „Szene“ übernimmt dabei eine Pionierrolle, sie etabliert alternative und kreative Räume, welche darauf das Interesse der Investoren wecken. So werden die “Freiräume” nach und nach kommerzialisiert und leben von dem Geist des “kreativen Ortes” der vorhergegangenen Zeit. Dazu kann das Schanzenviertel gezählt werden. Oder der Stadtteil St. Pauli hat sich von einem der ärmsten Stadtteile mit einer lebendigen Kreativszene zu einem der teuersten Viertel in ganz Hamburg gewandelt.

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Städtische Programme, in denen Künstlern und Personen aus dem kreativen Milieu die Möglichkeit geboten wird, Räume für ihre Projekte zwischenzeitlich zu nutzen, häufen sich. Für die Stadtverwaltung ergeben sich daraus die Vorteile, unattraktive Räume neu zu bespielen und die Aufmerksamkeit für Investoren auf diesen Bereich zu lenken. Indem diese, meist in der Innenstadt gelegenen Räume nur den Künstlern zugesprochen werden, verringern sich die Nutzungsmöglichkeiten für andere. Beachtliche Teile der Gesellschaft werden von vornherein mit einer Systematik aus diesen Räumen ausgeschlossen. Zu Beginn durch die Bevorzugung von Künstlern oder danach durch die kommerziellen Transformation. Ein gutes Beispiel für ein ähnliches vorgehen stell der „Park Fiction“ in Altona dar, auf einer ehemaligen Brache wurde, nach Vorstellungen der Anwohner, ein Park der anderen Art gestaltet, der heute eine über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Grünfläche darstellt. Zwar konnte eine Veräußerung vermieden werden, jedoch nur aufgrund von Protesten


3.

3.

Wohin der Wind die Bewegungen treibt: Einblicke aus Hamburg

D

ie urbanen sozialen Bewegungen äußern ihren Protest gegen Entwicklungen, die der Neoliberalismus mit seinen Auswirkungen auf die Stadt über die letzen 40 Jahre stufenweise etablierte und dadurch fundamental die Lebensumstände und das Regieren in der Stadt geprägt hat. So richten sich viele der Proteste gegen die heute bestehenden Zustände. Im folgenden sollen einige

konkrete Entwicklungen mit Konfliktpotential aufgezeigt werden, um das Spektrum des Protestes der urbanen sozialen Bewegungen zu verdeutlichen. Die Beispiele sollten allgemeine Gültigkeit besitzen, in der Arbeit wird jedoch ein direkter Bezug zu Hamburg gesucht, um Beispiel am Untersuchungsort aufzuzeigen.

Abb. 13: Werbelogo für ein Festival eines bekannten Motorradherstellers

Abb. 11: Abbildung aus einem Prospekt für hochwertigen Wohnraum in der „HafenCity“

Anstatt regulierender Maßnahmen der fordistischen Stadt, existiert heute eine deregulierte Wohnungsmarktsituation. Die Verantwortung für die Planung und das Bauen von Gebäuden und ganzen Stadtteilen unterliegt nahezu ausschließlich privaten Immobilienfirmen. In Europas größter Baustelle, dem „HafenCity“ Projekt, werden Wohnungen im von Wohnungsnot betroffenen Hamburg, für bis zu 12.000 Personen geschaffen. Keine davon ist für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen.

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Abb. 12: Rendering eines Bürogebäudes in der „HafenCity“

Eine tragende Rolle für die Bereitstellung von Kapital kommt heute von internationalen Investoren, die nach ihren Vorstellungen die urbane Umgebung gestalten. Das „HafenCity“ Projekt wirbt stark um zahlungskräftige Investoren. Dafür wurden Grundstücke mit Premiumlage in der Innenstadt im Höchstbieterverfahren an Investoren veräußert.

Um im internationalen Wettkampf der Städte um Investoren, Kreative und auch Touristen mithalten zu können, haben die Städte ein komplexes Marketingsystem entwickelt und Stadtteile oder ganze Städte unter Leitbildern wie der “kreativen Stadt”, “Event Städte” oder “kulturelle Städte” gebrandmarkt. Die Festivalisierung der Stadt und die Übernahme von Eigenschaften aus dem kulturellen und kreativen Bereich benötigen eine grundlegende Veränderung in der Ausgestaltung der Städte.


Abb. 15: Überwachungskamera im öffentlichen Raum

Abb. 14: Die Innenstadt von Hamburg übernimmt die Funtion eines „Central Business Districts“

Die Stadtzentren mit den “Central Business Districts”(kurz: CDB) wurden einer Umgestaltung in Form einer Aufwertung oder “Gentrifizierung” unterzogen. Mit der Umgestaltung von Stadtteilen in eine “gemischte Nutzung” sahen sich viele arme und marginalisierte Bewohner verdrängt. Hamburg ist Vorreiter in Deutschland im Bereich der CDB und der Business Improvement Districts. Bei den CDBs wird an ansässige Eigentümer die Aufgabe der Quartiersaufwertung übergeben.

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Die stetige Zunahme von privatisiertem Raum und Infrastruktur in Form von öffentlichem Verkehr und Wohnungsgenossenschaften prägen die Bewegungsfreiheit in den Städten auf mehreren Ebenen. Zum einen sind bestimmte Teile für arme Bewohner nicht mehr attraktiv oder sogar nicht mehr zugänglich und zum anderen setzen die privatisierten Räume eine intensive Überwachung und private Sicherheitsunternehmen voraus, sodass schon bei kleinen Normabweichungen vom privaten Hausrecht Gebrauch gemacht wird. Der Hamburger Senat gab bekannt, dass in der freien Hansestadt über 10.000 Überwachungskameras in Betrieb sind. Allein die Kosten für die Kameras für die IBA belaufen sich auf über 19.000 €.7

Abb. 16: Obdachloser im öffentlichen Raum

Die Notwendigkeit von Programmen wie das der “sozialen Stadt” zeigt, dass die Entwicklungen eine steigende Polarisierung der Gesellschaft in den Städten provozieren. 2340 verschiedene Programme der „Sozialen Stadt“ sind in Hamburg vorhanden8. Die soziale Polarisierung nimmt auch in Hamburg zu. Bereits jetzt gibt es Stadtteile in denen 30% der Anwohner von Sozialleistungen abhängig sind. In andere Stadtteile liegt der Prozentsatz dagegen bei nahezu 0% (Statistisches Amt für Hamburg und SchleswigHolstein 2010).


4. Fallbeispiel:

„Lampedusa in Hamburg“ S

eit Anfang 2013 sitzen 300 Flüchtlinge, aus dem Bürgerkrieg in Libyen, in Hamburg auf der Straße. Mit einem Schengen-Visa konnten sie legal nach Deutschland einreisen, haben aber keinen Anspruch auf Unterstützung vom Staat und dürfen auch keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Afrikaner betraten Europa als erstes über die Insel Lampedusa, daher auch der Name der Bewegung „Lampedusa in Hamburg“. Die Insel ist schon seit längerem für die unmenschlichen Zustände im dortigen Erstaufnahmelager bekannt. Im Jahr 2011 kam es zu dramatischen Ausschreitungen, Anwohner der Insel warfen Steine auf die Flüchtlinge, woraufhin die Flüchtlinge das Lager in Brand setzten. Nur durch den Einsatz von massiver Gewalt gegen die Flüchtlinge durch die Polizei konnte die Lage wieder unter „Kontrolle“ gebracht werden. An der prekären Situation hat sich jedoch nichts verändert. Lampedusa steht symbolisch für die verfehlte Asylpolitk Europas. Die Flüchtlinge in Hamburg kämpfen nun dafür, in der Stadt leben und arbeiten zu dürfen. Ein aussichtsloser Kampf, wie der Senat der Stadt Hamburg mitteilt.

Den Protest der Flüchtlinge “Lampedusa in Hamburg” besser verstehen zu können oder einen Anfang zu datieren, erscheint nur dann als sinnvoll, wenn auch der Grund für die Flucht nach Europa mit berücksichtigt wird. Dies macht es, angesichts der weitreichenden Auswirkungen, nicht leichter einen Anfangspunkt zu setzen. Eine Flucht unternimmt man aus schwerwiegenden Gründen, es geht um das Wohlergehen des eigenen Lebens, weil gegen eine Religion, (Stammes-) Rasse, Nationalität oder Gesinnung gehetzt wird oder weil in einem Land ein (Bürger-)Krieg herrscht. Daneben gibt es die Flucht vor Naturkatastrophen und Hungersnöten oder aufgrund einer aussichtslosen wirtschaftlichen Lage oder den Auswirkungen des Klimawandels im eigenen Land. Einige Punkte lassen sich einfacher abgrenzen als andere. So verursacht eine Naturkatastrophe einen dramatischen Einschnitt, der als Startpunkt für eine Fluchtbewegung genommen werden kann. Bezieht man sich jedoch auf politisch motivierte Auseinandersetzungen spielen hierbei meist weitreichendere Faktoren eine Rolle

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und die Ursachen liegen oft auch gar nicht im eigenen Land. Helmut Dietrich (2012) gab in einem Artikel zur Kampagne Boats4People den Aufständen in Nordafrika eine Geschichte, indem er die Befreiungskämpfe seit den 1950er Jahren von den europäischen Kolonialherren, den Strukturanpassungsprogrammen der IWF und Weltbank und deren Auswirkungen auf die Bevölkerung in einen Zusammenhang setzte. Die sozialen Proteste lassen sich nicht auf das repressive Vorgehen der nordafrikansichen Staaten verkürzen, sonder umfassen auch die Grenzschutzabkommen und die militärische Abgrenzung durch die EU. Dabei reiht sich Flucht in eine lange Kausalkette ein, ist Teil davon und noch lange nicht das Ende. Die Aktivisten aus “Lampedusa in Hamburg” wurden auf dem afrikanischen Kontinent geboren, sind nun im Norden von Deutschland und kämpfen für ihre Rechte. Wo lässt man die Geschichte anfangen? Ab wann spielt es für die Untersuchung eine Rolle? Seitdem die Flüchtlinge in Hamburg anzutreffen sind? Oder doch schon viel früher? „Lampedusa in Hamburg“


ist eine, im Moment aktive Bewegung, die Tag für Tag Die Flüchtlinge der „Lampedusa in Hamburg“ sind in um ihre Forderungen kämpft. Folgend werden anhand einen Bürgerkrieg geraten, der mehr als 30.000 Opfer einer chronologischen Fallbeschreibung die Aktionen und forderte, und sahen sich gezwungen Libyen zu verlassen. Forderungen beschrieben. Während des Krieges bewaffneten sich große Teile der Bevölkerung. Das Diktator-Regime, genauso wie die Opposition, verübten Vergeltungsmaßnahmen und Folter an der Zivilgesellschaft. Libyens Wirtschaft war auf billige Gastarbeiter angewiesen, deswegen lebten zu diesem Zeitpunkt ca. 300.000 offizielle Gastarbeiter im Land. Nach anderen Angaben gab es sogar 1.5 bis 2 Millionen Die Flüchtlinge von “Lampedusa in Hamburg” gaben Arbeitsimmigranten (ca. 20% der Bevölkerung) die ohne an, dass sie angesichts des Bürgerkriegs in Libyen im rechtlichen Schutz in Libyen einer Arbeit nachgingen.3/4 Jahr 2011 fliehen mussten. Die Personen stammen unter Bereits im Jahr 2000 kam es zu Ausschreitungen zwischen anderem aus Ghana, Togo, Nigeria, Niger, Mali und der libyschen Arbeitslosen und den afrikanischen Gastarbeitern. Elfenbeinküste.1 Einige mussten ihr Heimatland bereits Zu heftigeren Pogromen kam es während des Bürgerkriegs, aufgrund von Konflikten, Bürgerkriegen oder einer sehr dies verstärkte sich vor allem dadurch, dass Gaddafi nachschlechten wirtschaftlichen Situation verlassen und kamen weislich Söldner aus afrikanischen Staaten angeheuert nach Libyen , um dort einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.2 hat. Deswegen waren spätestens seit dem Bürgerkrieg Libyen ist, nach dem Human Development Index der schwarze Afrikaner in Libyen starken Repressionen und UN, das höchstentwickeltste Land mit dem geringsten Verfolgungen ausgesetzt, da sie unter den Generalverdacht Wohlstandsgefälle auf dem afrikanischen Kontinent. gestellt wurden, Söldner für Gaddafi zu sein.5 Laut des UNObwohl das nordafrikanische Land seit 1969 unter der Flüchtlingskommissariats UNHCR berichteten Asylsuchende Herrschaft des Diktators Muammar al-Gaddafi stand, gab von großen Unsicherheiten in Libyen, die Spannweite es während dieser Zeit wirtschaftliche und diplomatische reichte von Plünderungen bis zu Vergewaltigungen und Zusammenarbeit mit mehreren westlichen Ländern. Mord gegen Menschen aus den Subsahara-Staaten. Der Nach der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags, Zeitung “jungewelt” berichtete ein Flüchtling: “Wir konnten nahmen Frankreich, Großbritannien und die USA wieder in Libyen unsere Wohnungen nicht verlassen, weil wir sonst diplomatische Beziehungen auf und es kam zu intensiven verschleppt oder ermordet worden wären. [...] “Sie brachten Partnerschaften im Kampf gegen den Terrorismus und uns in die Wüste und feuerten Schüsse neben uns ab. Dann illegaler Einwanderer, dafür wurde das Waffenembargo wurden wir zusammengeschlagen und ausgesetzt.”6, 7

4.

1.

chronologische Fallbeschreibung

gegen Libyen aufgehoben. Im Februar 2011, im Zuge des Arabischen Frühlings, ereigneten sich öffentliche Proteste gegen das Diktatorregime. Sicherheitskräfte schlugen die Demonstrationen nieder, die Proteste nahmen aber an Fahrt auf und verbreiteten sich in kürzester Zeit über das ganze Land, bis sie schlussendlich in einen Bürgerkrieg umschlugen. Die Opposition konnte mit Hilfe militärische Interventionen durch die NATO und einige arabische Länder, das Regime unter Muammar al-Gaddafi stürzen. Ein Übergangsrat übernahm die Regierung und übergab im August 2012 die Macht an den Nationalkongress, welcher aus der Wahl vom 7. Juli 2012 hervorgegangen ist.

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Flüchtlinge berichteten, dass sie in ein winziges Boot gezwungen wurden, ohne Trinkwasser und ohne Pass, getrennt von ihren Familien, die sie nie wieder zu sehen bekamen. Aber dennoch war die Flucht mit dem Boot zur Insel Lampedusa der einzige Ausweg für die Menschen. Diejenigen, die Glück hatten und von der italienischen Küstenwache aufgesammelt wurden, kamen vorerst in das, meist überbelegte, Erstaufnahmelager auf der Insel. Durch ein von der EU gefördertes Notprogramm kamen viele der Flüchtlinge in Notunterkünften, in ganz Italien unter. Am 28. Februar 2013 wurden die Aufnahmenzentren per Regierungsdekret geschlossen, da keine weiteren Fördermittel


zur Verfügung standen. Die italienische Regierung wies den Flüchtlingen einen zeitlich begrenzten humanitären Schutzstatus zu und gab ihnen 500 Euro Rückkehrprämie sowie eine Arbeitserlaubnis für Italien. Mit dem Geld machten sich die Flüchtlinge auf den Weg, nach Deutschland. Dem Land, dass für seine starke Wirtschaft in Europa bekannt ist. Loredana Leo, Juristin und Mitglied bei der Vereinigung für juristische Migrationsforschung in Rom, beschreibt in einem Interview die Zustände für Migranten in Italien als sehr prekär. “In Italien ist die Situation selbst für anerkannte Flüchtlinge nicht zumutbar. Sie werden vollständig sich selbst überlassen. Es gibt überhaupt keine soziale Inklusion, keine Sozialleistungen, kein Versorgung, gar nichts. Wenn sie zurück (nach Italien – Anm. des Autors) kommen, müssen sie auf der Straße leben wie zuvor - oder in besetzte Häuser ziehen. Auch ökonomisch gibt es keinerlei Perspektive für sie.”8 Durch die Anerkennung als Schutzbedürftige erhielten die Flüchtlinge ein Schengen-Visa, das es ihnen erlaubt innerhalb der EU zu reisen, jedoch nicht sich in einem anderen europäischen Land nieder zu lassen oder Sozialleistungen zu beziehen. Nach Aussage der Flüchtlinge wurde ihnen geraten, ihr Glück in Nordeuropa zu suchen. Eine Person hat sogar ein Zugticket nach München erhalten.9 Die Aussage wurde nie offiziell von italienischer Seite bestätigt, jedoch vermutet Loredana Leo, dass es nicht unwahrscheinlich ist, die Empfehlung erhalten zu haben.10

Abb. 17: Polizei bei der Beschlagnahmung des Protestcamp

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Inhalt der Pedition: “Wir, die Unterzeichnenden, schließen uns den Forderungen der Flüchtlinge aus Libyen an. Die militärische Aggression der NATO Staaten hat ihre Flucht und ihre Vertreibung ausgelöst. Die Betroffenen hatten nicht das Interesse nach Europa zu kommen. Sie sicherten ihre Existenz in Libyen bis zum Beginn der Intervention der westlichen Staaten. Die Europäischen Union trägt die Verantwortung für die Kriegsfolgen. Dies gilt insbesondere für die Flüchtlinge, deren Existenz vernichtet wurde und die heute ohne Rechte und völlig mittellos unter „humanitärem Schutz“ in der Europäischen Union auf der Straße leben. Die unmittelbare Forderung ist die vollständige Anerkennung ihrer Rechte: - Wohnung - freier Zugang zum Arbeitsmarkt - freier Zugang zu Bildung - freier Zugang zu medizinischer und sozialer Versorgung - freie Wahl des Aufenthaltsortes bzw. Wohnortes innerhalb der EU Weitere Ansprüche aufgrund der Kriegsfolgen können geltend gemacht werden.” Abb. 18: Text zur Pedition der „Lampedusa in Hamburg“

Ankunft in Hamburg Seit März 2013 sind nun ca. 300 der Flüchtlinge (genaue Zahlen sind nicht bekannt) in Hamburg. Während der kalten Jahreszeit kamen viele der obdachlosen Flüchtlinge zuerst in einer Winternotunterkunft unter. Am 15. April 2013 wurde die Obdachlosenunterkunft “Pik As” von der Stadt Hamburg geschlossen und die Flüchtlinge wurden mit Bussen in die Stadt gefahren.11 Am 21. Mai versuchten die Aktivisten ein Protestcamp in Hamburg-Mitte zu errichten, jedoch gab es vom Bezirksamt-Mitte keine Erlaubnis mit der Begründung, dass Grünflächen für eine Veranstaltung dieser Art nicht geeignet seinen. Als Demonstranten trotz des Verbots versuchten, ein Camp zu errichten, wurde dies umgehend von der Polizei unterbunden. Das Zelt wurde beschlagnahmt und die anschließende Spontan-Demonstration unterbunden.


Abb. 19: Protestcamp mit Informationstafeln am Steindamm 2

Am darauf folgenden Tag (22. Mai 2013) versammelten sich 60 der Geflüchteten zu einer Mahnwache vor dem Rathaus, um ihre Forderungen gegenüber der Vertreter der Stadt zu äußern. Im öffentlichen Bereich des Rathauses wurde ein Transparent mit der Aufschrift “Wir haben nicht den Krieg in Libyen überlebt um auf Hamburgs Straßen zu sterben!” ausgerollt. Die Flüchtlinge forderten eine öffentliche Erklärung, sowie einen Gesprächstermin mit dem Bürgermeister. Die Büroleitung des Bürgermeisters drohte mit einer polizeilichen Räumung. Anschließend kam es erneut zu einer Spontan-Demonstration durch die Innenstadt. Erste Erkrankungen aufgrund des schlechten Wetters und der mangelhaften Unterbringung der Aktivisten traten am 23. Mai auf. Einige der Aktivisten hatten einen Unterschlupf in Autos auf einem Schrottplatz gefunden, diese wurden jedoch am Tag darauf entsorgt. Anwälte überprüften ob, die Stadt wegen”Körperverletzung durch Unterlassen” strafrechtlich belangt werden kann. Die Flüchtlinge sind ab dem 27. Mai die siebte Woche in Obdachlosigkeit und die dritte Woche im Protest. Die Stadt Hamburg, vertreten durch den Innensenator Neumann und den Sozialdezernent Scheele beriet, unter Ausschluss der Betroffenen, mit der vermittelnden Nordkirche. Derweil wurde ein Protestzelt am Steindam 2 in der Nähe des Hauptbahnhofs genehmigt. Die Bewegung erreichte immer mehr Personen, die sich solidarisch zeigten die Petition (siehe Abb. 18) unterschreiben und temporäre Notschlafplätze organisierten. Am 27. Mai versammelten sich erneut die Aktivisten vor dem Rathaus. Kurz danach erschienen zum ersten Mal eine Vertreterin der Sozialbehörde und ein Vertreter des Flüchtlingszentrums

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Hamburg (ein Zusammenschluss der Arbeiterwohlfahrt, des Caritas-Verbandes und des Deutschen Roten Kreuzes) am Protestzelt. Obwohl zu dem Zeitpunkt die Verhandlungen über eine Notunterbringung zwischen der Stadt und der Nordkirche bereits seit zwei Wochen liefen, gab noch keine konkreten Ergebnisse. Das Angebot wurde zudem an Bedingungen geknüpft, nach denen eine Unterbringung für maximal sechs Wochen möglich wäre, sofern die Flüchtlinge bereit sind, anschließend nach Italien zurück zu gehen. Anlässlich einer SPD-Wahlkampfveranstaltung organisierten die Aktivisten am 31. Mai 2013 eine Solidaritätskundgebung mit 250 Teilnehmern. Bei der Demonstration gelang es einem Flüchtling, für drei Minuten dem Publikum seine Situation zu erklären. Nach Ablauf der Zeit wurde ihm das Mikrofon abgestellt und der Bürgermeister versicherte den Teilnehmern, dass die Stadt dabei ist, die Flüchtlinge mit dem Nötigsten zu versorgen. Die Aktivsten beschreiben derweil die Realität ganz anders: Unterstützung bekämen sie nur von der Bevölkerung, der Senat lehnte sogar eine Anfrage nach Zelten zum Übernachten ab. Nachdem das Ordnungsamt, immer mehr Flüchtlingen die Möglichkeit entzogen hat im öffentlichen Raum zu übernachten, gab der Pfarrer Sieghard Wilm am 2. Juni achtzig der Flüchtlinge eine Notunterkunft in der St. Pauli Kirche. Hilfsorganisationen errichteten in den darauf folgenden Tagen Zelte und sanitäre Anlagen auf dem Grundstück der Kirche. Am 08. Juni fand erneut eine Demonstration mit anschließendem Solidaritätsfest statt. Mittlerweile nahmen bereits 1500 Menschen an der Demonstration teil. Solidarische Aktivisten unterstützten die Flüchtlinge und der Fußballverein Fc. St. Pauli spendete Trikots, Trainings- und Winterjacken und stellte unbegrenzt Trinkwasser aus dem Projekt “Viva Qon Aqua” bereit. Mittlerweile hat sich die Bewegung um die 300 Flüchtlinge in ein dynamisches Netzwerk verwandelt. Vor allem antirassistische, linke und kirchliche Gruppierungen unterstützen die Bewegung. Am 18. Juni organisierten sie eine Demonstration, mit 120 Teilnehmern, zu dem in Hamburg ansässigen französischen Generalkonsulat. Unter dem Namen „Opération Harmattan“ unternahm das französische Militär Luftschläge zum Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen. Die Aktivisten legten dar, welche Rolle Frankreich in Libyen ein genommen hat und betonten, dass sie ein Teil dieser Zivilbevölkerung aus Libyen


seien. Auf allen Demonstrationen waren Parolen wie “We are here, TO STAY” und “Kein Mensch ist illegal” zu lesen un zu hören. Mit der Kampagne “§23” (Paragraph 23 des Aufenthaltsgesetzes) sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass rein rechtlich die Möglichkeit bestehe, den Flüchtlingen eine Aufenthaltsgenehmigung und die Anerkennung ihres Flüchtlingsstatus auszusprechen. Um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, wurden ein Briefund Faxkampagne gestartet und erneut Unterschriften gesammelt. Am 18. Juli gab es eine erneute Demonstration vor dem Hamburger Rathaus. Mittlerweile bekamen zwölf Flüchtlinge eine Notunterkunft in der Glinder Moschee, einige anderen wurden in Privatwohnungen untergebracht. „Lampedusa in Hamburg“ schickte Aktivisten aus der Bewegung als eine Art „Delegation“ nach Brüssel zur Europäischen Kommission und erreichte ein Gespräch mit dem EU-Abgeordneten der Linkspartei Jürgen Klute. Der Abgeordnete gab den Fall an eine EU-Kommissarin weiter, die sich entsetzt über die Auslegung des europäischen Flüchtlingsrechts zeigte. Der von der SPD geführte Senat in Hamburg berief sich derweil auf das Dublin-II-Abkommen, indem die Regelungen des Asylverfahrens zwischen europäischen Staaten verankert sind und betonte dabei, dass die Entscheidung nur von höherer Ebene geregelt werden könne. Ein Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes zeigte sich solidarisch und unterstützte die Bewegung bei einer Solidaritäsveranstaltung. Die Mehrheit der Flüchtlinge trat trotz Widerstand der Landesleitungen der Gewerkschaft Ver.di bei. Der Ver.di-Vertreter für Frauen und Migranten begrüßte dagegen diesen Schritt, die Gewerkschaft Ver. di erklärte sich offiziell für solidarisch und mobilisierte Teilnehmer für Demonstrationen sowie den Petitionen.12

der Protest seit drei Monate an und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kündigte ihr Teilnahme an der Demonstration “Lampedusa in Hamburg - Wir kämpfen für unser Recht!” an. Am 6. August kam es, nach Verhandlungen mit der Diakonie Hamburg, erstmals zu Gesprächen zwischen den Vertretern der Innenbehörde und der Bewegung “Lampedusa in Hamburg”. In den Gesprächen blieb die Stadt Hamburg ihrer Linie treu und begründete ihre Stellung dadurch, dass “die Situation in Italien für sich alleine aus ihrer Sicht keinen Anlass [...] [gebe], allen Mitgliedern der Gruppe ein Aufenthaltsrecht zu gewähren; es gebe keine Gründe, von einem Versagen des europäischen Flüchtlingsschutzes in Italien auszugehen und ein Aufenthaltsrecht nur in besonderen Einzelfällen, so z.B. für Schwangere, Kranke oder Minderjährige in Betracht kommt.”14 Damit verfestigte sich die Entscheidung der Stadt, dass bis auf wenige Ausnahmen keine Anträge auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Obwohl den Betroffenen die Möglichkeit einer Klage über den Rechtsweg offensteht, verdeutlichte die Stadt, dass sie den Entschluss über die Abschiebung nicht bis zur endgültigen Entscheidung durch ein Gericht aussetzen wird. Die Anwältin Daniela Hödl bewertete die Stellungsnahme des Senats folgendermaßen: “Die vom Senat versprochene Einzelfallprüfung ist damit letztlich nur ein Instrument zur Abschiebung der Betroffenen. Das einzige Angebot, das die Vertreter der Innenbehörde im Gepäck hatten, war die Bereitschaft, die üblicherweise bei einer freiwilligen Ausreise geleistete finanzielle Rückkehrhilfe für die Flüchtlinge der Gruppe Lampedusa in Hamburg zu erhöhen. Was Hamburg anbietet, ist damit nichts anders als das, was Italien getan hat: man gibt den Flüchtlingen Geld und vertreibt sie aus dem Land.”15 Zur Demonstration am 17. August versammelten sich über 2500 Menschen, zeitgleich fand auch in Berlin eine Solidaritätskundgebung mit 300 Teilnehmer statt. Über den restlichen August und den September wurden vereinzelt Veranstaltungen wie Kino-Abende oder Konzerte durchgeführt.

Nach einer Anfrage an den Bundestag durch die Partei “die Linke” nahm die Bundesregierung in einer Stellungnahme Bezug zum Protest in Hamburg. Es wurde darauf hingewiesen, dass gegen die Behauptung von Olaf Schloz, die letzte Entscheidung nicht bei der Bundesregierung, sondern auf Länderebene liege. Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, nahm Stellung: Am 10. September gab die Bewegung bekannt, dass “Die Zivilgesellschaft hat gezeigt, wie man humanitäre von nun an wöchentliche Demonstrationen vor dem Hilfe leistet - jetzt muss Bürgermeister Olaf Scholz ein Protestzelt abgehalten würden. Zu ersten Demonstration humanitäres Bleiberecht gewähren”.13 Mittlerweile dauerte erschienen 150 Teilnehmer. Zusätzlich wurde ein neue

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Pressemitteilung veröffentlicht, in der sich die Bewegung für die rege Unterstützung durch die Hamburger Zivilgesellschaft bedankt und die Weiterführung ihres Protestes bekannt gibt. Zudem wurden, mit der Hilfe von Anwälten, einzelne Anträge auf humanitären Aufenthalt gestellt. Für den kommenden Winter (2013/14)werden von der St. Pauli Kirche Gelder gesammelt, um auf mehreren kirchlichen Grundstücken Container als Unterkünfte aufstellen zu können. Olaf Scholz zieht eine erste Konsequenz und fordert eine Reform im Asylverfahren, bleibt aber dabei, dass es für die „Lampedusa“ Flüchtlinge in Hamburg keine Perspektive gibt. Derweil schaltete sich die Bundesregierung in den Konflikt ein. Der Menschenrechtsbeauftragte stattete der Bewegung am 12. September einen Besuch ab und forderte den Innensenator Michael Neumann auf, sein Vorgehen zu begründen. Er verwies auf das 2012 abgeschlossenen Abkommen, nach dem pro Jahr 900 Flüchtlinge aus Drittstaaten in Deutschland aufgenommen werden sollen. Der Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning kündigte bei seinem Besuch in der St. Pauli Kirche an, eine grundlegende Reform des Asylrechts vorzunehmen. Weitere Solidaritätsbekundungen kamen von dem ThaliaTheater und der Literatur-Nobelpreisträgerin Efriede Jelinek.

4.

2.

Akteure,Interessen,Strategien Aus der chronologischen Fallbeschreibung werden drei Hauptakteure ersichtlich. Die 300 Flüchtlinge stellen den Kern der Bewegung dar. Da sie jedoch in sehr prekären Zuständen leben müssen ist ihr Aktivismuspotential begrenzt. Deswegen haben sich ihnen Aktivisten aus antirassistischen und linken Vereinigungen ihnen angeschlossen und ihr breites Netzwerk für die Flüchtlinge geöffnet. Eine weitere wichtige Rolle nehmen die St. Pauli Kirche, die Gewerkschaften Ver.di und GEW sowie mehrere Vereine und die Bürger Hamburgs ein. Die heterogene Gruppierung wird unter dem Namen “Lampedusa in Hamburg” zusammengefasst. Der Hamburger Senat und seine Verwaltungsapparate

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Abb. 20: Flüchtlinge mit Zelt auf einer öffentlichen Grünfläche

stellen den zweiten wichtigen Akteur dar. Als Medium, um an die Öffentlichkeit heranzutreten, kommt auch der Medien als drittem Akteur eine bedeutende Funktion zu. Dabei beziehen die einzelnen Medien unterschiedliche Positionen, die für den Verlauf des Protests mit entscheidend sind. Für die weitere Abhandlung sind folgende Fragen von Bedeutung: a) Wer sind die Akteure und wie organisieren sie sich? b) Welche Interessen verfolgen die Akteure? c) Welche Strategien werden genutzt um ihre Interessen durchzusetzen?

“Lampedusa in Hamburg” Die Bewegung erscheint als ein sehr heterogenes und kaum institutionalisiertes Netzwerk, das sich aus unterschiedlich motivierten Aktivisten zusammensetzt. Die Konstellation ist überaus Komplex, so finden sich die Flüchtlinge als Hauptaktivisten, politisch orientierte Gruppen und Netzwerke, Vereinen, Kirchen, Moscheen und Anwohnern Hamburgs zusammen. Jede dieser Gruppierungen besitzt ihre eigenen Möglichkeiten des Aktivismus. Bei den Flüchtlingen stellt ihr derzeitiger Lebensumstand den Grund für den Konflikt dar. Sie sind also aktiv Tag für Tag mit dem Konflikt konfrontiert, verfügen über keinen rechtlichen Schutz, eine sehr gering ausgeprägte Infrastruktur, wenige soziale Kontakte (face to face contacts) und kaum über Möglichkeiten, einen Protest zu formulieren und organisieren. So stehen ihnen keine Räumlichkeiten für Versammlungen zur Verfügung, sie verfügen über keine finanzielle Mittel, um Plakate, Flyer etc. zu drucken und sind zudem nicht mit den Strukturen vertraut, wissen also nicht an wen sie ihre Forderungen richten müssen. Dazu kommt, wie


bereits erwähnt, dass ihr Alltag daraus besteht, auf den Straßen Hamburgs zu überleben. Die Suche nach Essen und Schlafplätze stellt die fundamentalen Aufgaben der Flüchtlinge dar. Die Fähigkeitm sich auf deutsch mit Verantwortlichen oder Bürgern zu unterhalten, ist nicht vorhanden. Sie sind darauf angewiesen, dass die Gegenseite auf englisch, französisch oder in ihrer Muttersprache mit ihnen kommuniziert. Obwohl viele Flüchtlinge einen akademischen Grad besitzen, kann dieses Potential, durch Abb. 21: die drastischen Defizite in den oben erwähnten Punkten, Demonstration am 16.08.2013 nur sehr gering genutzt werden. Darüber hinaus darf die psychische Verfassung durch die traumatisierenden Diese Form des Aktivismus spielt in der prekären Lage Erfahrungen aus dem Bürgerkrieg, den Verfolgungen und der Hauptaktivisten eine entscheidende Rolle. Zum einen werden hier Grundbedürfnisse und hygienische Standards der Flucht nicht vergessen werden. befriedigt und eingehalten. Zum anderen erreicht die Eine weiterere sehr wichtiger Aktivistenkonstellation Bewegung dadurch einen erhöhten Bekanntheitsgrad in stellen die Personen aus antirassistischen und linken der Bevölkerung, vor allem durch die Unterstützungen Gruppierungen dar. Sie zeigten als erstes Solidarität und deutschlandweit bekannter Vereine wie dem Fußballclub führen einen Großteil der Proteste aus. Durch sie gelang St. Pauli. Die humanitäre Hilfe der Hamburger Bewohner es den Flüchtlingen, Zugang zu einem aktiven Netzwerk ist dabei eine öffentlich wirksame Aktion, die vor allem die zu erhalten. Erst dadurch wurde die Grundlage für einen Verweigerung von Hilfe durch den Senat Hamburg kritisiert. Protest geschaffen. Sie verfügen über das notwendige Die Kirche übernimmt eine verantwortungsbewusste Rolle Wissen über die Organisation von Demonstrationen, die durch den Pfarrer Sieghard Wilm, der sich als erster, neben rechtlichen Möglichkeiten und die Ansprechpartner ihrer den antirassistischen Aktivisten, engagiert zeigte und sich Forderungen. Dazu steht den Aktivsten ein lebendiges in der Öffentlichkeit um ein positives Bild kümmert. Auch Netzwerk zur Verfügung, durch welches schnell weitere wenn die Kirche (von den Aktivisten „Embassy of Hope“ Unterstützer gefunden werden können. Vor allem bei den genannt) keinen rechtsfreier Raum darstellt, bietet sie den politischen Aktivsten treten weitere Motivationen auf, Flüchtlingen Schutz vor rassistisch motivierten Übergriffen so steht hinter den Forderungen der Flüchtlinge auch oder Maßnahmen der Polizei. Auch kann behauptet werden, eine Kritik am bestehenden Gesellschaftssystem, dem dass das Engagement der oben beschriebenen Hamburger Kapitalismus und dem Imperialismus. Der Kreis der wirklich Anwohner erst möglich wurde, da die Kirche eine Anlaufsteldauerhaft Aktiven ist jedoch klein und die Aktivisten können le anbot. Die Kirche und Helfer stellen Räumlichkeiten zur sich nur ehrenamtlich und in ihre Freizeit für die Bewegung Verfügung, veranstalten Spendenaktionen, verteilen an die engagieren. Aus Gesprächen mit den Aktivisten wurde Flüchtlinge Kleidung und organisieren Deutschunterricht. Es ersichtlich, dass sie ihre Möglichkeiten auf das Äußerste soll hierbei auch nicht das Engagement der Glinder-Moschee ausreizen und nahe an einer Überforderung stehen. Als vergessen werden, die mit eigenen finanziellen Mitteln wichtige und notwendige Unterstützung treten engagierten weitere Flüchtlinge unterstützt und beherbergt. Die Aufgabe Vereine und Bürger auf den Plan. Nur durch ihre Hilfe ist es und das Interesse der Bewegung teilt sich in zwei Felder: überhaupt möglich, dass den Flüchtlingen ein einigermaßen das erste dient dazu den Flüchtlingen einen humanitären humanitärer Status gewährt wird. Dadurch können Nah- Status zu gewähren und diesen zu erhalten. Hierzu hat rungsmittel und Trinkwasser zur Verfügung gestellt werden, sich ein loses Netzwerk aus Aktivsten gebildet, die mit ganz sind sanitäre Einrichtungen vorhanden oder, für einige unterschiedlichen Aktionen Hilfe leisten. Die andere Seite der Flüchtlinge, Decken und ein überdachter Schlafplatz. stellt den politischen Aktivismus dar. Hier formiert sich ein

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kleiner aber gut organisierter Kern aus antirassistischen Aktivisten. Zu ihrer Aufgabe zählt es, die Forderungen zu formulieren und durchzusetzen. Die duale Formierung ermöglicht einen offenen Aktivismus. So wird es möglich, auf der einen Seite leicht Hilfestellungen für die Flüchtlinge zu leisten und auf der anderen Seite das Erreichen der Forderungen zu verfolgen. Aufgrund des Netzwerkcharakters der Bewegung ist es möglich, ohne feste organisatorische Strukturen, für Interessierte offen zu sein, ohne sich mit anderen Personen abstimmen zu müssen. Betrachtet man, wie die Bewegung ihre Forderungen durchsetzen will, stößt man auf eine vielfältige Palette an außerparlamentarischen Mitteln: das dauerhafte Protestcamp, die Demonstrationen und Mahnwachen, Solidaritätsveranstaltungen, Flugblätter und Plakate, Presseerklärungen sowie Öffentlichkeitsarbeit und offene Briefe an die Politik auf Landesebene bis hin zu EU-Vertretern. Die Verwendung radikaler Aktionen wie z.B. Hungerstreiks oder Hausbesetzungen finden keine Verwendung, da sie das Bild der Bewegung und damit die Gunst der Unterstützer schnell verschlechtern würden. Obwohl ein offenes Netzwerk die Bewegung kennzeichnet, zeigt sie dennoch eine einheitliche Strategie. Interessant ist, dass sich zu den Unterstützern auch politische Großorganisationen zählen lassen. Die Gewerkschaften Ver.di und GEW und der Deutsche Gewerkschaftsbund, sowie Wohlfahrtsverbände wie die Caritas und das Deutsche Rote Kreuz engagieren sich für “Lampedusa in Hamburg”. Weitere Solidaritätsbekundungen kamen von dem “Recht auf Stadt Netzwerk”, dem Rat der islamischen Gemeinschaft in Hamburg e.V., dem Flüchtlingsrat Hamburg, dem Förderverein Karawane e.V., von “Kein Mensch ist illegal Hamburg”, dem Netzwerk “Plenum of Action against Isolation and Deportation” in Bielefeld, dem Arbeitskreis Umstrukturierung Wilhelmsburg, der Organisation für Verteidigung der Menschenrechte im Irak und dem Auschwitz-Komitee der Bundesrepublik Deutschland e.V..

Asylpolitik verankert. Die Kritik richtet sich vor allem daran, dass durch die militärische Intervention der NATO und der Teilnahme europäischer Nationen, die Verantwortung für die Flucht gegeben wird.

Der Hamburger Senat, dieInnenbehörde,unddasOrdnungsamt

Die zweite Akteurskonstellation formiert sich aus dem Senat der Stadt Hamburg, der Innenbehörde, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie der Polizei und dem Ordnungsamt. Sie werden als ein Hauptakteur zusammengefasst, da ihnen arbeitsteilig die Verfügungsgewalt zukommt und sie daher die Instanzen darstellen, an die sich die Forderungen von “Lampedusa in Hamburg” richten. Auch was die politischen und rechtlichen Möglichkeiten angeht und die Frage, wie mit den Flüchtlingen in Hamburg verfahren wird, ist die Regierung und Verwaltung der Stadt Hamburg verantwortlich. Die am exponiertesten Personen im Protest sind der Bürgermeister Olaf Scholz von der SPD, der Innensenator Michael Neumann und der Sozialdezernent Detlef Scheele. Die Freie Hansestadt Hamburg ist zugleich Land und Einheitsgemeinde. Sie teilt sich in sieben Verwaltungseinheiten für jeweils ein Bezirksamt auf. Die Bezirksverwaltungen sind für Sozial-, Gesundheits-, Bau-, Melde-, Wohnungs- und Liegenschaftswesen verantwortlich. Da sich die Forderungen nicht an einen expliziten Stadtteil richten, sind keine politischen Vertretungen auf der Bezirksebene als Verantwortliche zu definieren, obwohl diese Möglichkeiten hätten, Einfluss auf das Geschehen zu nehmen und den Verlauf erträglicher zu gestalten. So könnte das Bezirksamt Mitte, unter der Leitung von Andy Grote, Flächen, wenn auch nur temporär, für Notunterkünfte im Bezirk zur Verfügung stellen. Das Bezirksamt Altona Ihre Forderungen richten sich an die Stadtebene. zeigte sich im Verlauf des Protests verhandlungsbereit und Dabei wird auch die Stadt als der strategische Raum fungierte als Vermittler, wie später noch näher erläutert wird. wahrgenommen, obwohl die Forderungen jedoch ein Wie aus der Fallbeschreibung ersichtlich, bezog der weitaus höheren Instanzen Wirkungen erzielen wollen. Hamburger Senat für lange Zeit keine Stellung bezüglich So spielen die Bundesrepublik und die Europäische Union eine wichtige Rolle. Da sich dort die Gesetzgebung und der Forderungen der Bewegung. Erste Kontakte mit der

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Stadt Hamburg ereigneten sich durch die Schließung der Obdachlosenunterkunft “Pik As” sowie durch Maßnahmen des Ordnungsamtes gegen die auf öffentlichen Grünflächen schlafenden Flüchtlinge. Die Maßnahmen des Ordnungsamtes erschwerten den Betroffenen einen Aufenthalt im öffentlichen Raum. Schlafen, längeres Sitzen und das Auslegen von Teppichen als Kälteschutz wurden mit Ordnungsstrafen oder mit Platzverweise geahndet. Die Anfrage der Flüchtlinge nach Zelten zum Übernachten wurde vom

Hamburger Sozialsenator abgelehnt. Auch der Antrag für das Platzieren eines Protestcamps wurde vom Bezirksamt Hamburg Mitte abgelehnt, mit der Begründung, dass “es gelte das Gras zu schützen, auf Grünflächen würde keine Genehmigung erteilt”.16 Als Aktivsten dennoch versuchten ein Zelt aufzubauen, wurde dies umgehend von der Polizei, unter Androhung von Gewalt, verhindert und das Zelt beschlagnahmt. Auch das Platzieren eines Protestcamps am Steindamm wurde vorerst untersagt. Durch das Hanseatische Oberverwaltungsgericht, welches das von der Hamburger Versammlungsbehörde ausgesprochene Verbot § 23 Aufenthaltsgewährung durch die obersten zur Errichtung eines symbolischen Flüchtlingscamps außer Landesbehörden; Aufnahme bei besonders gelagerten politischen Kraft setzte, konnte das Protestcamp errichtet werden.17 Als Interessen der öffentliche Druck auf die politischen Verantwortlichen größer wurde, äußerte der Senat eine erste Stellungnahme. (1) Die oberste Landesbehörde kann aus In dieser wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund der völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Dublin-II-Regulation die Stadt Hamburg nicht in der Pflicht Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass sei, Verantwortung für die Flüchtlinge zu übernehmen und, Ausländern aus bestimmten Staaten oder in dass die Forderungen der Bewegungn über die Befugnisse sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. des Senates hinausreichten. Das Dublin-Verfahren dient Die Anordnung kann unter der Maßgabe dazu festzustellen welches europäische Land für die Prüerfolgen, dass eine Verpflichtungserklärung fung eines Asylantrags zuständig ist. Zudem soll dadurch nach § 68 abgegeben wird. Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des sichergestellt werden, dass Flüchtlinge nicht in mehreren Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Staaten Asylanträge stellen. Wird erkannt, dass bereits in Innern. einem anderen europäischen Land (sowie Norwegen, Island und die Schweiz) ein Verfahren stattfand, kann mit einem (2) Das Bundesministerium des Innern kann zur Wahrung besonders gelagerter politischer sogenannten Übernahmeersuch der betreffende MitgliedInteressen der Bundesrepublik Deutschland im staat aufgefordert werden, die Flüchtlinge aufzunehmen. Benehmen mit den obersten Landesbehörden Anschließend werden die Modalitäten der Überstellung anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten vereinbart und innerhalb von sechs Monaten durchgeführt. Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Das Verfahren trat am 18.02.2003 in Kraft und löste das Ausländergruppen eine Aufnahmezusage Dubliner Übereinkommen ab (Bundesamt für Migration erteilt. Ein Vorverfahren nach § 68 der und Flüchtlinge 2012). Verwaltungsgerichtsordnung findet nicht statt. Den betroffenen Ausländern ist entsprechend der Aufnahmezusage eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Die Niederlassungserlaubnis kann mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage versehen werden. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

Als Demonstranten eine Wahlveranstaltung, der regierenden Partei SPD, störten wurde einem Flüchtling die Erlaubnis zur Stellungnahme über drei Minuten erteilt, schalten die Die Verantwortlichen schalteten nach Ablauf der drei Minuten das Mikrofon ab und der Bürgermeister Olaf Scholz (3) Die Anordnung kann vorsehen, dass § 24 ganz erklärte anschließend den Anwesenden, dass die Stadt oder teilweise entsprechende Anwendung findet. bereits bemüht sei, den humanitären Status der Flüchtlinge zu wahren. In einigen öffentlichen Medien stoß dies auf Abb. 22: Kritik, da der Senat sich der Leistung von Hilfe entzog. Textauszug aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch I., Seite 162

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Durch den Ende Mai immer größer werdenden öffentlichen Druck, fanden mehrere Treffen mit der Nordkirche statt. Hier wurde ein gemeinschaftliches Vorgehen beratschlagt, während die Bewegung “Lampedusa in Hamburg” von den Verhandlungen ausgeschlossen wurde. Ziel war die Organisation von Notunterkünften für die Flüchtlinge. Dazu gab der Senat bekannt, die Flüchtlinge vorübergehend in einer Schulturnhalle im Stadtteil Langehorn unterzubringen. Das Angebot wurde jedoch an Voraussetzungen an die Flüchtlinge geknüpft: zum einen müssten sie sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterziehen und zum anderen einwilligen, die Rückreise nach Italien anzutreten. Die Nordkirche stieg damit aus den Verhandlungen aus, mit der Begründung, dass der erarbeitete Vorschlag dem Zweck diene, eine Sammelabschiebung nach Italien zu ermöglichen.18 Auch die Flüchtlinge weigerten sich, ihre Personalien bekannt zugeben. Andere Vertretungen der Parteien in Hamburg nahmen Stellung zum Konflikt um die Hamburger Moratorium In Hamburg lebt zurzeit eine Gruppe von Menschen, die vor dem Krieg in Libyen nach Italien geflüchtet waren. Sie nennen ihre Gruppe selbst „Lampedusa in Hamburg“. Italien erhielt von der EU finanzielle Mittel, um die kriegsbedingte Einreise von vielen tausend Menschen kurzfristig bewältigen zu können. Damit wurde unter anderem deren Unterbringung in „temporären Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen“ ermöglicht. Die Zahlungen der EU endeten Anfang 2013 und die „temporären Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen“ wurden geschlossen. Betroffen waren 5.700 Personen, die berechtigt sind, sich in Italien aufzuhalten und dort zu arbeiten. Italien ist EU-Mitglied und damit haben die Menschen auch das Recht, sich in anderen Mitgliedstaaten der EU zu bewegen und so sind ca. 300 von ihnen zu uns gekommen. Hamburg soll und will hier helfen: - Daher akzeptiert die Stadt die Anwesenheit der Gruppe, die sich selbst „Lampedusa in Hamburg“ nennt und gewährt ihr ein Bleiberecht im Rahmen eines „Hamburger Moratoriums“ für mindestens sechs Monate;

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- Die Zeit des Moratoriums soll genutzt werden, um auf Ebene der Innenministerkonferenz die Situation vorzutragen und gemeinsam für alle Bundesländer eine Lösung zu erarbeiten, die der spezifischen Not- und Fluchtsituation der Gruppe angemessen Rechnung trägt und dabei die Ausgangsfluchtsituation in Libyen mit berücksichtigt; - Auf EU-Ebene sollen Möglichkeiten beraten werden, um die Gleichbehandlungsrechte zu daueraufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen in Bezug auf den Arbeitsmarktzugang und die soziale Sicherung zu gewähren; - Jedem Mitglied der Gruppe soll verbindlich die Möglichkeit einer unabhängigen und individuellen Verfahrensberatung eingeräumt werden. Die Bezirksversammlung Altona unterstützt die Initiative „Hamburger Moratorium“ und fordert den Hamburger Senat auf, sich der akuten Notsituation der Flüchtlinge anzunehmen und sich für eine humanitäre Lösung der Problematik einzusetzen. Die Dringlichkeit des Antrages ergibt sich, aus der akuten Notsituation der Flüchtlinge. Abb. 23: Textauszug aus dem Monatorium

Flüchtlinge, die Partei “Bündnis 90/Die Grünen”, “die Linke” und “die Piratenpartei” äußerten Kritik am Umgang mit den Flüchtlingen und zeigten sich solidarisch zu der Bewegung. Die Fraktion der Piraten hat in einem Hauptausschuss am 03. Juni 2013 einen Eilantrag zur Situation der Kriegsflüchtlinge im Senat gestellt. Der Antrag wurde mit einer Mehrheit durch die SPD, CDU, FDP und der Grünen abgelehnt. Auf der Internetseite der Piratenpartei vom Bezirk Mitte geht hervor, dass die SPD auf die internationale Ebene verwies, CDU und FDP enthielten sich einer offiziellen Stellungnahme, die Grünen betonten die Notwendigkeit


von Unterkünfte, wiesen jedoch auf die Bedingung hin.19 Wie in der chronologischen Beschreibung ersichtlich, kam es von Seite der Bundesregierung zu einer offiziellen Stellungnahme bezüglich der Entscheidungsgewalt. Engegen der Behauptung der SPD, wurde klargestellt, dass letztendlich die Entscheidung beim Hamburger Senat liegt. Hierfür würde der von der Bewegung in der Kampagne geforderte Paragraph 23 zum Einsatz kommen. Der “§ 23 Aufenthaltsgewährung durch die oberste Landesbehörden” (siehe Abb. 22) besagt, dass die oberste Landesbehörde aus humanitären Gründen und zur Wahrung politischer Interessen, Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen kann. Dazu komm die Möglichkeit durch dein 2012 abgeschlossenes Abkommen, das vertraglich die Übernahme von 900 Flüchtlingen aus Drittstaaten regelt. Die Fraktionen der Bezirksversammlung Altona wagten unterdessen einen Vorstoß in den Verhandlungen und machten sich für das “Hamburger Moratorium” stark (siehe Abb. 23). Dieses beinhaltet, unter anderem ein Bleiberecht für mindestens sechs Monate und einer individuelle Verfahrensberatung. CDU, LINKE, FDP und die GRÜNE folgten dem Antrag, die SPD lehnte diesen ab.20 Der Senat bleibt während des ganzen Konfliktes seiner Linie treu und kritisierte unterdessen, dass den Flüchtlingen Hoffnungen gemacht würden, die am Schluss nicht eingehalten werden könnten. So sagt Ksenija Bekeris, Fachsprecherin Soziales der SPD: „Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir hier von Hamburg aus innerhalb von sechs Monaten die geltende Gesetzgebung im Bund und der EU mal eben so reformieren könnten“ und „ihnen etwas anderes in Aussicht zu stellen, ist Augenwischerei und nicht ehrlich.“21 Der Hamburger Senat steht vor einer schwierigen Entscheidung, denn der Konflikt hat deutschlandweit für Aufmerksamkeit gesorgt und eine Entscheidung kann eine neue Richtung in der Asylpolitik, vor allem der Städte, einläuten. Eine Ausnahmegenehmigung würde die zukünftige Asylpolitik der Stadt Hamburg maßgeblich prägen. Die Bundesregierung vertritt derweil eine moderate Haltung und fordert die Stadt Hamburg auf, schnellst möglich eine

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humanitäre Lösung zu finden.

Die Medien Die Medien zählt insofern als Akteur, als vor allem regionale Medien eine bedeutende Rolle für die Ausprägung eines öffentlichen Meindungsbildes haben. Auf nationaler Ebene fand das Thema bei großen Zeitungen ebenfalls Zuspruch, so fanden sich Artikel dazu in der “Süddeutschen Zeitung”, der “taz”, der “Zeit” und der “Bild”. Auch viele regionale und ausländische Zeitungen berichteten über die Situation in Hamburg. Die Medienaufmerksamkeit blieb unter den Aktivisten nicht unbemerkt und sie betonten in ihrem Protest, dass nun die ganze Welt nach Hamburg schaue. In der Tat gab es Artikel dazu in afrikanischen und amerikanischen Zeitungen. Dass Zeitungen zu bestimmten Themen Stellung beziehen ist bekannt und so konnte man auch im Fall “Lampedusa in Hamburg” unterschiedliche Interpretationen feststellen. Zeigten die links-orientierte Zeitungen wie “Neues Deutschland” und “JungeWelt” volles Verständnis für die Flüchtlinge und betonten das unmenschliche Vorgehen des Hamburger Senats. Damit bedienten sie vor allem ein globalisierungskritisches Milieu. Dagegen äußerten sich Zeitungen des Springer-Verlags, wie das Hamburger “Abendblatt” und die “Bild” stets kritisch und betonten die rechtliche Zwangslage. Während ein Teil der Medien vermehrt auf die Rechte der Flüchtlinge eingeht und die globale Veranwortung, die in einer stark vernetzten Welt notwendig ist, betont. Hebt der andere Teil vielmehr, die Gefahr einer “Überschwemmung” durch Migranten und versucht damit Ängste zu schürren. Vor allem das “Abendblatt” geriet unter den Verdacht, sich bewusst gegen die Flüchtlinge und die linken Aktivisten zu stellen, indem es ihnen eine Instrumentalisierung der Flüchtlinge für eigene Zwecke vorwarf.22 Als am Hauptbahnhof ein Afrikaner, mit Messer bewaffnet und einem Koran in der Jackentasche, von der Polizei aufgegriffen wurde, lies die Zeitung sofort verlauten, dass es sich hierbei um einen gewaltbereiten radikalisierten Flüchtlinge von “Lampedusa in Hamburg” halte. Wie sich jedoch herausstellte, war der Täter der Polizei schon weit


aus länger bekannt, als die Flüchtlinge in Hamburg sind. Auch die Behauptung des “Abendblattes” die Person hätte den gleichen Ausweis wie die Flüchtlinge der Bewegung mit sich, stellte sich als falsch heraus. Presse und Polizei ließen die Behauptung jedoch zunächst im Raum stehen. Auf Seiten der Unterstützer der Bewegung und der nahe stehenden Medien kam es zu keiner Stellungnahme und man konnte keine Anmerkungen dazu finden. Eine weitere falsche Behauptung verbreitete das „Abendblatt“ am 16 Juli, mit der Meldung, dass die Flüchtlinge nun illegal in Hamburg seien. Dabei können solche Informationen gar nicht existieren, so die Innenbehörde, da ihnen keine Daten vorliegen. Vertreter der Glinder-Moschee äußerten sich dazu und gaben bekannt, dass einige der Flüchtlinge Aufenthaltsgenehmigungen bis Januar 2014 haben. Die unterschiedlichen Zeitungen transportieren ein divergentes Bild des Protestes. Die Medien hinter den Flüchtlingen beschreibt den Prozess des Konfliktes, hebt das bürgerliche Engagement hervor und übt selbstverständlich auch Kritik an den globalisierten Verhältnissen. Auf der anderen Seite lässt sich das Thema auch gut unter einer kritischen Sichtweise betrachten. So werden die Rechtmäßigkeit der Forderungen angezweifelt (z.B. „weitere Ansprüche aufgrund der Kriegsfolgen können geltend gemacht werden”)23 ebenso das Ausmaß, inwieweit die Flüchtlinge als Söldner in den Libyenkonflikt involviert waren, dabei vertritt das “Abendblatt” die Haltung des Hamburger Senats. Besonders regional wirksame Medien beziehen in dem Konflikt Stellung, wohingegen überregionale Zeitungen eine weit aus neutralere Haltung und objektivere Beurteilung an den Tag legen. Für die Entscheidung um die Frage der “Lampedusa in Hamburg” werden die Medien eine bedeutende Rolle einnehmen. Für den Erfolg der Bewegung ist ein starker Rückhalt aus der Hamburger Zivilgesellschaft notwendig, um die Entscheidung des Senates beeinflussen zu können.

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4.

3.

Zusammenfassende Bewertung Bis zum Abschluss dieser Arbeit konnten sich die Parteien noch auf keine Lösung einigen, sodass der Konflikt um die „Lampedusa in Hamburg“ noch nicht abgeschlossen ist. Deswegen kann keine abschließende Bewertung erstellt werden, jedoch sollen der Verlauf und die Äußerungen des Protestgeschehens interpretiert werden, die sich aus der Struktur und den Forderungen ergeben. Der endgültige Ausgang kann nicht vorhergesehen werden, jedoch ermöglicht eine genau Betrachtung des Ablaufs und der Reaktionen bereits jetzt eine Bewertung. Es handelt sich bei der Bewegung um ein loses Bündnis, das jedoch in gut organisierten Untergruppen unterteilt ist. Dies ermöglicht einen flexiblen Aktivismus, indessen Rahmen jede Gruppe ihre spezifischen Stärken zum Einsatz bringen kann. Die Untergruppierungen können, ohne notwendige Absprachen mit anderen Gruppen, Aktionen planen und durchführen. Die Bewegung hat ihre Hauptforderungen -das gemeinsame Ziel- während die einzelnen Aktivsten ihr Anliegen und ihren Beitrag auch unabhängig dazu leisten können. Dazu zählt der Anspruch, den Flüchtlingen humanitäre Hilfe zu gewährleisten, ihnen Zugang zum Wohnungs-, Arbeitsmarkt, dem Gesundheitssystem und zur Erziehung zu ermöglichen und ihnen einen Rechtsstatus zu verschaffen. Die Bewegung knüpft an unterschiedliche Ansätze an, die so verschieden sind, dass sie, je nach Situation, einen komplett anderen Aktivismus erfordern. Die Asylpolitik, so kann behauptet werden, speilt dabei die wichtigste und übergeordnete Rolle. Dazu sind aber auch zivilgesellschaftliches Engagement, eine Identitätsbildung in der Stadt und Aufklärungsarbeit gegen Xenophobie von Bedeutung. Die Punkte sprechen einen Kontext an, der in den global vernetzten Städten immer öfters zu Tage tritt. Schlagwörter wie „Diversity“ und „Multikulturalität“ treten häufig auf und gelten als Merkmal für eine flurierende Stadt. Dabei erzeugt der Umgang mit Fremden auch oft Ängste. Es liegt in der Natur der Städte, sich von Unbekannten durch Barrieren und Mauern zu schützen. Die heutigen Städte zeigen unsichtbare aber existierende Barrieren, die Personengruppen innerhalb der Stadt separieren. Das Phänomen wird dadurch verursacht,


dass sich ähnliche Gruppierungen zusammenschließen und ihren Zusammenhalt intensivieren, mit der Folge, dass sie sich dadurch verstärkt von anderen Gruppen abschotten oder verteidigende Positionen einnehmen. Als Ergebnis können sichtliche Barrieren aufgebaut werden, z.B. durch Überwachung und Sicherheitskontrollen. Aber auch die Stigmatisierung bestimmter Stadtteilen führt zu trennenden Unterschieden zwischen wohlhabenden und armen Vierteln, indem der „Andere“ als fremd und gefährlich erscheint. Bewegungen entstehen dadurch, dass sich eine Gruppierung mit gemeinsamen Idealen und dem Drang nach Veränderung zusammenschließt. Dies kann leichter verwirklicht werden, wenn sich die Personen kennen. Bewegungen sind demnach für genau solche Zusammenschlüsse von Bedeutung. Der Unterschied zu den oben beschriebenen verteidigenden Gruppierungen ist dabei der Drang, nach außen für Veränderungen in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext zu sorgen. Deswegen ist es ein wichtiges Anliegen der „Lampedusa in Hamburg“ ein Zusammenleben dahingehenden zu verändern, dass sich unbekannte Personen und unterschiedliche Kulturen kennen und unterstützen lernen. Ersichtlich wird dies in der Betrachtung der unterschiedlichen Akteure. Es engagieren sich diverse Teile der Gesellschaft in der Bewegung, von den Flüchtlingen über Personen mit Migrationshintergrund, über linke Aktivisten bis hin zu religiösen Personen und Angehörigen der Mittelschicht und Studenten. Der Kontext des Protests lässt sich noch erweitern. Die Flüchtlinge sind ein gutes Beispiel, um die Auswirkungen globaler, wirtschaftlicher und politischer Verflechtungen zu verdeutlichen. Der Protest hebt hervor, wie der internationale Wettkampf nicht nur Gewinner hervorbringt und verdeutlicht, wie sich globales Handeln lokal niederschlägt. Zuwanderung spielte schon immer eine wichtige Rolle in den Städten. Die “glokale” Entwicklungen verstärkte die städtische Migration, die über Landesgrenzen hinausgeht, und neue Herausforderungen für die Städte darstellt. Saskia Sassen deutet diesbezüglich an, dass den “Global Cities” die Rolle als Austragungsort “post-kolonialer Kämpfe” zukommt. Die wachsende Bedeutung von Migranten für die Dienstleistungsökonomie und die demographische Verschiebunge wird in Zukunft die herrschenden Eliten herausfordern (Sassen 2000; vgl. Bareis et al. 2010: 800)

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Und in der Tat zeigt sich derzeit in Deutschland eine neue Art des Protests durch Flüchtlinge: von Bustouren durch ganz Deutschland, Protestcamps in Berlin und München und zahlreichen Demonstrationen bis hin zu Hungerstreiks. Proteste von Flüchtlingen finden vermehrt Einzug in die Bewegungsstruktur. Die Stadt Hamburg und der Hamburger Senat sehen sich, durch den Protest, mit den oben beschriebenen Herausforderungen konfrontiert. Es wird klar ersichtlich, dass die Stadt in ihren Leitbildern “solidarische Stadt”, “Welcome to Hamburg” und “Heimathafen Hamburg” sich als weltoffene, verantwortungsbewusste Metropole darstellen will. Damit wird der Bedeutung von Zuwanderung für die Entwicklung der Stadt eine herausragende Rolle zugestanden. Leitbilder versinnbildlichen einen, von der Stadtpolitik gewünschten Zustand und geben nicht die Realität wieder. Die Bemühungen zeigen jedoch auf, in wieweit sich die Stadt und Gesellschaft verändern müssen oder sollen. An dem Beispiel von „Lampedusa in Hamburg“ wird ersichtlich, wie Leitbilder nicht gezwungenermaßen alle Personen mit beziehen. Zwar wird für einen erleichterten Zugang ausländischer Personen geworben und eine solidarische Grundhaltung in der Stadt propagiert, jedoch werden diese Ideale auch an Effekte geknüpft. Erfüllen die Personen diese Anforderung nicht, besteht auch kein Bezug für die Stadt, hier das propagierte Leitbild umzusetzen. Obwohl die Stadt, rein rechtlich, mit dem Paragraph 23, die Möglichkeiten hätte, auf die Bewegung einzugehen, meidet der Hamburger Senat diesen Schritt. Das kann damit begründet werden, dass der Konflikt um “Lampedusa in Hamburg” eine stellvertretende Funktion einnimmt und den Verlauf von weiterer Flüchtlingsprotesten mit beeinflussen wird. Der Umgang mit Zuzügen wird für die Stadt eine immer wichtigere Stellung einnehmen. Deswegen erscheint ein voreiliges Handeln, bei einer Frage dieser Größenordnung, auch als unangemessen, aber auch als kühl und unmenschlich. Somit kann das Zögern als ein Zeitgewinnen betrachtet werden, indem versucht wird, viele mögliche Optionen mit einzubeziehen. Die nicht Beachtung der humanitäre Situation der Flüchtlinge und die Aussagen


Ob sich die Bewegung “Lampedusa in Hamburg” gegen die politischen Ziele der Stadt durchsetzen vermag, kann hier nicht geklärt werden. Was jedoch jetzt schon ersichtlich wird ist, dass der Protest die Notwendigkeit aufzeigt, die erzeugten Leitbilder kritisch zu reflektieren und vor allem dem Thema Migration eine größere Rolle in der Stadtentwicklung zugeschrieben werden muss. Dabei dürfen Leitsprüche wie „Welcome to Hamburg“ nicht nur Phrasen sein, sondern die Stadt muss sich der Verantwortung stellen, Menschen aufzunehmen und ihnen eine Lebensgrundlage zu bieten, Zudem erscheint auch der städtische Handlungsspielraum egal welchen wirtschaftlichen Mehrwert sie mitbringen. des Hamuberger Senats eingeengt. Die Suche nach Unterkünften gestaltet sich für die Stadt als schwierig, da im Zuge der Privatisierungen von staatlichen Eigentum, der Stadt nun dringend notwendiger Wohnraum abhanden gekommen ist. Dies spielt nicht nur in Bezug auf die Flüchtlinge der Lampedusa-Bewegung eine Rolle, sondern auch auf den Mangel an allgemeinen Unterkünften für Asylsuchende. So muss die Stadt bereits Container aufbauen lassen, da die Asylunterkünfte überfüllt sind. Der Verkauf von Wohnraum zwingt nun den Senat in Verhandlungen mit privaten Unternehmen. Eine Folge davon ist die verstärkte Unterordnung von sozialer Bedürfnisse an wirtschaftliche Belange. Die Wirkungskraft der Ausstrahlung der Stadt Hamburg und der Imagekampagnen zeigen jedoch einen positiven Erfolg. Hamburg hat von 1970 an bis heute ein stetiges Bevölkerungswachstum zu verzeichnen. Die Anziehungskraft zeigt nicht nur auf die Wohlhabenden Wirkung, sondern auch arme Teile der Bevölkerung und Flüchtlinge wollen sich in der wirtschaftlich gut gestellten Stadt niederlassen. Leitbilder und Imagekampagnen sind leicht aufgestellt, ihre Wirkung dagegen kann eigene Wege gehen. Die Flüchtigkeit solcher Leitbilder zeigt sich daran, wie sie von Situation zu Situation umgeformt oder gar abgeworfen werden. Hamburg muss sich diesbezüglich neu positionieren, um seine gewünschte Vorbildrolle nicht zu verspielen. bezüglich einer schnellen Abschiebung zeigen, dass das Problem den Handlungsspielraum der Stadtpolitik zu Teilen übersteigt und deswegen eine Lösung schwer zu vereinbaren ist. In der aktuellen Situation deutet alles darauf hin, dass die Stadt Hamburg eine einfache aber drastische Lösung bevorzugen wird. Dabei wird der rechtliche Rahmen mit dem Paragraph 23 nicht ausgeschöpft sonder nach der Dublin-II Verordnung verfahren und die Flüchtlinge nach Iatlien abgeschoben.

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5.

Fallbeispiel:

„Komm in die Gänge“ D

er rote Punkt mit der weißen Aufschrift: “Komm in die Gänge” gehört wohl zu den berühmtesten Markenzeichen einer sozialen Bewegung in Deutschland. Die Bewegung wurde durch eine spektakuläre Besetzung und die damit verbundene mediale Aufmerksamkeit bekannt. Für die Forschung ist das Gängeviertel genauso interessant wie für die Medien, so existieren bereits 35 wissenschaftliche Arbeiten (Stand 2012) darüber und auch in dieser Arbeit wird das Viertel untersucht (Gängeviertel e.V. (Hg.) 2012: 331). Mittlerweile ist die Bewegung nun schon seit vier Jahren aktiv, hat Erfolge gefeiert und sich über die Zeit verändert. Grund für die Besetzung war die prekäre Lage um bezahlbare Wohn- und Arbeitsräume, vor allem in den innerstädtischen Gebieten Hamburgs. Künstler werden, oftmals über Zwischennutzungen, dafür instrumentalisiert, Stadtteile attraktiver zu gestalten. Viele der aktiven Künstler mussten bereits mehrmals ihre Arbeitsräume wieder verlassen, um den Aufwertungsmaßnahmen Platz zu machen. Das hat sie dazu motiviert, sich in einer Initiative zusammenzuschließen und dagegen zu protestieren.

5.

1.

Chronologische Fallbeschreibung

Abb. 24: Das Logo der Bewegung im Gängeviertel

Das Gängeviertel1 ist ein historisches Arbeiterviertel in der Hamburger Altstadt, was aus zwölf Gebäuden besteht. Unter dem damaligen Senat, bestehend aus der Koalition zwischen CDU und der rechtspopulitistischen Partei Rechtsstaatlicher Offensive (oft auch nur Schill-Partei nach dem Gründer Ronald Schill genannt) wurde das besagte Grundstück Anfang 2003 im Höchstbieterverfahren verkauft. Der hohe Kaufpreis bewirkte einen starken Renditedruck, sodass der erste Käufer es als ein Spekulationsobjekt verfallen ließ. Auch der zweite Investor, der niederländische Immobilienfond Hanzevast, ließ das Grundstück zwei Jahre lang unberührt. Um den Zerfall des denkmalgeschützten Komplexes zu beschleunigen, ließ die Wohnungsbaugesellschaft SAGA 1In Hamburg wird ein sehr eng bebautes Wohnquartier als Gängeviertel bezeichnet, die bauliche Dichte mit ihren engen Gassen ist der Grund für die Namensgebung / In der Arbeit wird die Bezeichnung Gängeviertel als Name für die Bewegung verstanden.

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(Die SAGA verwalten für die Stadt Hamburg die Gebäude), die Objekte, bewusst weiter zerfallen (Twickel 2010: 76). Ziel war es, die Gebäude soweit marode werden zu lassen, damit ein Abriss die einzige Alternative darstellt und so neue Gebäude errichtet werden können, die den hohen Renditeerwartungen enstprechen. Durch die Finanzkrise von 2009 konnte die Hanzevast nicht mehr das benötigte Kapital, für ihr Bauvorhaben, aufbringen und gab bei der Stadt bekannt, dass sie einen Partner für die Investition brauchen. Ihren Anfang fand die Initiative in der “Kaschemme”, einem kleinen Raum im Keller des Gängeviertels, in dem man sich immer Freitagabend traf. Hier entstanden die ersten Ideen zur Besetzung, die Teilnehmer waren zu einem Großteil angehende Künstler, nur wenige, der noch im Gängeviertel Wohnenden, interessierten sich für das, was in der “Kaschemme” passierte. Der Raum zur nächtlichen Unterhaltung verwandelt sich in die “Zelle”, von da an wurde bei Tageslicht an der Umsetzung der ersten Ideen gearbeitet. Künstler, Architekten, Stadtplaner, “Denkmalfreunde” und politische Aktivsten trafen sich, um ein Konzept für die Gebäude zu entwerfen. In einer losen Gruppierung, die sich aus ca. 15 Personen formierte, arbeitete man an dem Ziel, einen offenen Raum für sozialen, politischen und kulturellen Austausch zu schaffen. Die legal genutzten Räume wurden schnell mit einer Bar, Ausstellungen und einer selbstorganisierten Küche ( Volksküche) belegt. Zur “Die Stadt gehört allen!” Demonstration, vom „Recht auf Stadt“-Netzwerk organisiert, zeigt sich die Bewegung zum ersten Mal, unter dem Namen “Netzwerk: Gängeviertel soll nicht gehen!” einer breiten Öffentlichkeit (Gängeviertel e.V. (Hg.) 2012: 41). Mit Solidaritätsveranstaltungen wurden erste finanzielle Mittel beschafft und Informationen über das Gängeviertel weitergegeben. Dies mündete schließlich am 22. August 2009 in den großen Tag der Hausbesetzung. Die Besetzung unterschied sich in einigen wichtigen Punkten von anderen Besetzungen. Zum einen wurden prominente Unterstützer, wie der deutschlandweit bekannte Künstler Peter Richter und der Filmemacher Mehdi Fakhim Zadeh, im Vorfeld als Unterstützer gewonnen. Zum anderen kam es nicht zu einer militant geprägten Besetzung, sondern man strebte eine „Instandbesetzung“ an, indem durch ein

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künstlerisches Hoffest mehr als 3000 Besucher (un-)bewusst in die Besetzung mit einbezogen wurden. Eine akribische Vorbereitung ging dem voraus. Es wurden Demonstrationen und Großveranstaltungen überprüft, um festzustellen, an welche Orte die Polizei gebunden war und vor allem, um zu vermeiden, dass ein Großaufgebot der Bereitschaftspolizei aus anderen Bundesländern - wie bei Fußballspielen oder Großveranstaltungen oft der Fall - an diesem Tag in der Stadt ist. Zur Besetzung standen Sanitäter genauso wie Anwälte bereit, um im Falle einer Räumung Hilfe leisten zu können. Zusätzlich wurden Politiker zum Hoffest eingeladen. Es ging zwar keiner dieser Einladung nach, jedoch wurde die politische Ebene von Anfang an in die Besetzung mit einbezogen. Um ein freundliches Aussehen zu wahren, wurden Müll und leere Flaschen regelmäßig weggeräumt. Auch sollte nicht der Verdacht aufkommen, es handle sich um eine Aktion der linkskradikalen Szene, da dann die Gefahr einer Räumung durch die Polizei potentiell höher liegt. (Gängeviertel e.V. (Hg.) 2012: 50). Die Besetzung, war ein Erfolg, es kam zu keinem Einschreiten der Polizei, was durchaus eine Besonderheit darstellt. Seit der sogenannten “Berliner Linie” von 1981 galt es, jedes besetzte Gebäude innerhalb von 24 Stunden zu räumen. Nach der friedlichen Besetzung durch die Initiative Gängeviertel kam es zu acht weiteren Besetzungen in Hamburg, die nach dem “alten” Schema wieder innerhalb eines Tages von der Polizei geräumt wurden. Ein Grund für die Ausnahme im Gängeviertel war, dass die Besetzung, die niemals so genannt wurde, von den Medien eine positive Resonanz bekam. Sogar das Abendblatt, das zur konservativen Springer-Presse gehört, berichtete unerwartet positiv darüber und die Kultursenatorin Karin von Welck äußerte Verständnis für

Abb. 25: Die Gebäude des „Gängeviertel“


die Aktion. Aber auch, der Gebrauch des Leitbilds der “kreativen Stadt” durch die Künstler stellte einen wichtigen Punkt dar. Eine Räumung mit Einsatz von Gewalt hätte dem Ansehen der Stadt einen erheblichen Imageschaden gebracht. Bereits kurz nach der Inbesitznahme wurden zwei der insgesamt zwölf Häuser wieder geräumt und von der SAGA verschlossen. Die Bewegung leistete hierbei keinen Widerstand und richtete stattdessen den Appell an den Hamburger Senat, nun verantwortungsbewusst mit dem historischen Bestand und den Belangen der Künstler umzugehen.

Verhandlungen mit der Stadt Hamburg Anschließend wurde das Gespräch mit der Stadt gesucht. Die Rahmenbedingungen erschienen als günstig, so konnten mit der Forderung auf den Erhalt historisch wertvoller Bausubstanz auch konservative Personen motiviert werden. Außerdem passte die Forderung nach Freiräumen für Künstler zum Leitbild der “kreativen Stadt”. Nahezu zeitgleich formierte sich in Hamburg das Netzwerk “Recht auf Stadt”, das bei Demonstrationen und Veranstaltungen mehr als 4000 Personen, die ihren Unmut über die „unternehmerische Stadtentwicklung äußerten, mobilisieren konnte. Eine entscheidende Grundlage für die Verhandlung gestaltete sich dadurch, dass die Aktivsten neben den Verhandlungen eine sorgfältige Pressearbeit leisteten, verschiedene Programme aufstellten und erste Renovierungsmaßnahmen unternahmen. Dies führte dazu, dass das Viertel in der Öffentlichkeit in Hamburg als ein offener Ort in der Stadt wahrgenommen wurde. Für die Verhandlungen formierten sich eine Gruppe, die aus Teilnehmern der ersten Stunde und Personen mit Fachwissen besetzt wurde. Die Gruppe übernahm für die Bewegung die Verhandlungen und erarbeitete Konzepte und Strategien. Die Ergebnisse wurden in zahlreichen Vollversammlungen abgesprochen. “Die Prämissen der Verhandlungsarbeit waren: Argumente stärken und aufbauen, Übersetzungs-

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und Verständnisarbeit leisten, Überzeugung und “der Stadt immer einen Schritt voraus sein”, dabei aber verlässlich bleiben, Verantwortung tragen und Prozesse transparent kommunizieren” Gängeviertel e.V. (Hg.) (2012: 94)

Der Bezirk Mitte erteilte dem Investor Hanzevast Anfang September eine Baugenehmigung, führte aber auch gleichzeitig Gespräche mit der Bewegung, woraus sich eine Nutzungsvereinbarung ergab. Als hilfreich für die Argumentation der Bewegung während der Verhandlungen erwies sich eine von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (kurz: BSU) beauftragte Studie, die bei dem Studio „Urban Catalyst”, zum Thema “Kreative Milieus und offenen Räume in Hamburg” in Auftrag gegeben wurde. Die Untersuchung diente dem Zweck, die Bestrebungen der Stadt Hamburg einer gezielten Wirtschaftsförderung der Kultur- und Kreativwirtschaft zu verbessern. Ziel der Studie war es, “die wirtschaftliche Perspektive um eine stadträumliche Dimension zu ergänzen” (Studio UC 2010: 6). Die Ergebnisse konnten gut für die Zwecke der Bewegung genutzt werden. Während der ganzen Verhandlungen unternahmen die Aktivisten weitere Solidaritätsveranstaltungen, um die Anwohner Hamburgs auf dem Laufenden zu halten und sich den Rückhalt der Öffentlichkeit zu sichern. Parallel zu den Verhandlungen wurden mehr als 1000 Veranstaltungen (Ausstellungen, Lesungen, Theater- und Filmvorführungen etc.) im Gängeviertel abgehalten, die von ca. 70.0000 Besucher (Stand 2012) besucht wurden. Das „Gängeviertel“ etablierte sich innerhalb kurzer Zeit zu einem angesehenen kulturellen Produzenten. Um eine rechtliche Grundlage zu schaffen wurde im Herbst 2009 der Gängeviertel e.V. als ein institutioneller Verhandlungspartner gegründet und ein Mediationsverfahren bei der Öffentlichen Rechtsauskunftund Vergleichsstelle Hamburg, als ein Angebot von Seiten der Stadt, eingeleitet. Die Stadt Hamburg unterzeichnete am 16. Dezember 2009 den Rückabwicklungsvertrag mit dem Investor und zahlte für die Rückführungskosten 2,8 Millionen Euro. Kurze Zeit später, am 21 Januar 2010, unterzeichnete die Stadt mit der Bewegung eine erste Rahmenvereinbarung. Außerdem wurde auf der Grundlage der Nutzungsstudie der Bewegung ein Integriertes Entwicklungskonzept (kurz: IEK) erstellt. Im April 2010 wurde ein Zukunftskonzept1


öffentlich vorgestellt, mit dem Ziel, das Konzept nachhaltig zu gestalten und die nächsten Schritte zu planen. Aus einem öffentlichen Workshop ging die “PRIO Gruppe 1” hervor, die aus einer Verhandlungsgruppe und neu gegründeten Arbeitsgruppen zu den Themen Konzeption, Strategie und Selbstverwaltung bestand. Von April bis September kam es zu keinen offiziellen Verhandlungen mit dem Senat, jedoch wurden in Gesprächen mit der BSU die Zuständigkeiten der einzelnen Parteien bestimmt. Als die Bauprüfung am 17. August Teile des Geländes sperren ließ, gab es eine öffentlichkeitswirksame Gegenreatkion der Bewegung, indem sie mit Veranstaltungen auf den öffentlichen Raum auswichen. Die wichtigste Gruppe, die aus der „PRIO Gruppe 1“ hervor ging, stellte die “AG Trägerschaft” dar, “eine zuschauerlose Casting-Show für Unternehmensformen” (Gängeviertel e.V. (Hg.) 2012: 111). Ein bedeutendes Ergebnis dieser Gruppe war die Abkehr von einer Suche nach einem Investor, da die Sorge bestand, dass dabei Profitinteressen negative Auswirkungen auf das bevorzugte Konzept des Gängeviertels nehmen würden. Deswegen nahm man auch Abstand von den Modellen einer Aktiengesellschaft oder GmbH, denn dadurch würde sich die Struktur und die Machtverteilung anhand der Höhe der finanziellen Beteiligung festlegen und somit die Gefahr von Interessensbildungen und internen Konflikten steigern. Auch die Idee des Mietshäusersyndikats wurde wieder fallengelassen, denn durch die Größe des Projekts und den hohen finanziellen Aufwand, würde das Miethäusersyndikat seine anderen Projekte in Gefahr bringen. Aus den gleichen Gründen scheiterten die Vorhaben zur Gründung einer Stiftung, gegen die es auch politische Vorbehalte innerhalb der Bewegung gab. Eine maßgebende Vorgabe war es, trotz einer Institutionalisierung, den basisdemokratischen Charakter bewahren zu können. Dies wurde damit begründet, dass die “Genossinnen und Genossen [..] durch ihre Mitbestimmung Selbstverantwortung [übernehmen]. Sie warten nicht auf Lösungen von “oben”, sondern kümmern sich selbst” (Gängeviertel e.V. (Hg.) 2012: 112). Aus den oben genannten Abwägungen und Überlegungen entschloss sich die Bewegung dafür, eine Genossenschaft zu gründen, damit die Gewinne in neue Projekte reinvestiert werden und die Mitbestimmung nicht nach den finanziellen Anteilen zugeordnet wird. Dabei bietet eine Genossenschaft die rechtliche Grundlage soziale

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und kulturelle Aktivitäten zu fördern und die Gebäude und Wohnungen in Stand zu setzen und zu verwalten. Mit der Gründung einer Genossenschaft am 15. November 2010 konnten Ansprechpartner für die Verhandlungen mit der Stadt bestimmt und dem Verein die wirtschaftlichen Aktivitäten abgenommen werden. Die ersten Mitglieder der Genossenschaft waren 35 Personen, die den Grundstein für die Projektentwicklungsgenossenschaft legten und über den Zeitraum der Sanierung die Übernahme des Viertels als ein selbstverwaltendes Projekt organisieren. Die Genossenschaft nimmt der Initiative und dem Verein vor allem Verwaltungstätigkeiten ab und kümmert sich um die Finanz- und Rechtsgeschäfte. Der Kern der Aktivisten besteht aus ca. 120 Personen. Wichtige Positionen wie das Amt des Pressesprechers und des Vorstandsvorsitzenden wurden ebenfalls besetzt.2 Von Bedeutung sind außerdem die Unterstützung durch Anwälte, Politiker und Kulturschaffende, die externes Fachwissen in die Planung mit einbringen können. Am 8. September 2011 wurde ein Kooperationsvertrag mit der Stadt unterzeichnet und das Viertel als Sanierungsgebiet ausgeschrieben. Als Grundlage diente das 2010 entwickelte IEK (von 2010). Darüber hinaus wurde ein Treuhandeigentümer eingesetzt3. Für eine weitere Öffentlichkeitsarbeit wurde eine Promotionskampagne mit Plakaten, Flugblättern und Online-Aktionen gestartet. Ziel dieser Kampagne ist eine finanzielle Rücklage für die Sanierung sicherzustellen. Von den geplanten Einnahmen in Höhe von 2 Millionen Euro sind zum Juni 2013 ca. 369.000 Euro eingegangen. Die Bewegung setzt dabei vor allem auf die Unterstützung durch prominente Personen, um sich für die Verhandlungen mit der Stadt nach der Sanierung eine gute Verhandlungsposition zu sichern. Der Bezirk Mitte übernimmt die Gesamtverantwortung für die Sanierung, für die ein Kostenaufwand von 20 Millionen Euro veranschlagt wurde. Die „Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG“ verfügt dabei über keine Planungssicherheit was die Höhe der 21 Gewerbemieten nach der Sanierung betrifft. Der Mietpreis der 79 Wohnungseinheiten ist dagegen rechtlich abgesichert, da diese dem sozialen Wohnungsbau zugeordnet werden.4 Zum heutigen Stand werden die Verhandlungen vom Verein, der Genossenschaft und einer Baukommission geführt. Ziel ist es, einen Erbbaurechtsvertrag zur langfristigen Selbstverwaltung der Gebäude durch die Genossenschaft


zu erreichen. “In Schlagworten lässt sich unsere Verhandlungsarbeit wie folgt beschreiben: Witzig; professionell im Inhalt, kreativ in der Form; Transparenz & Offenheit; Verlässlichkeit; Druck ausüben; Kompromissbereitschaft; Heterogenität & verschiedene Fachkompetenzen; eigene Lösungsvorschläge; Einbindung der Öffentlichkeit; gesellschaftlicher Mehrwert statt Privatinteressen; ehrenamtliches Engagement & Eigenleistungen; professionelle Pressearbeit & Kommunikation; Netzwerke; Beratung durch Externe; Verortung und vor allem unbeirrtes Festhalten an den Zielen.” Gängeviertel e.V. (Hg.) (2012: 95)

Der Investor spielt dagegen in dem Konflikt keine ausschlaggebende Rolle. Zwar war er zur Zeit der Besetzung der Eigentümer und versuchte die Verhandlungen zwischen der Stadt Hamburg und der Bewegung zu unterbinden, verkaufte aber der Stadt das Grundstück zurück. Für die weitere Abhandlung sind folgende Fragen, wie auch schon bei “Lampedusa in Hamburg”, von Bedeutung: a) Wer sind die Akteure und wie organisieren sie sich? b) Welche Interessen verfolgen die Akteure? c) Welche Strategien werden genutzt, um ihre Interessen durchzusetzen?

DieAktivistenvon„KommindieGänge“

Die Initiative Gängeviertel und ihre institutionalisierten Erweiterungen (Gängeviertel e.V. und Gängeviertel 2010 eG) zeigen sich als eine gut organisierte Bewegung. In den Medien wurde die Initiative oft als “die Künstler aus dem Gängeviertel” bezeichnet, was die Vorstellung einer homogenen geschlossenen Gruppe erzeugt. Dagegen Wie aus der Fallbeschreibung deutlich wird, sind drei wird in der Selbstbeschreibung eine weitaus heterogenere zentrale Akteure (bzw. Akteursgruppen) an der Bewegung Zusammensetzung betont: beteiligt. Die Bewegung um das Gängeviertel setzt sich “Wir sind die Initiative „Komm aus den Aktivisten der ersten Stunde und denjenigen, die in die Gänge”. Wir sind Maler, Stadtplaner, Grafiker, Illustratoren, sich über den Zeitraum von drei Jahren ins Gängeviertel Köche, Designer, Sozialarbeiter, Goldeingefunden haben und den vielen Externen, die ihr und Silberschmiede, Hilfsarbeiter, Fachwissen miteinbringen, zusammen. Hierbei gibt es Fotografen, Architekten, Webdesigner, Elfenbeinschnitzer, Polsterer, Tischler, Aktivsten, die zum Teil ihren Beruf aufgaben oder ihr Gärtner, Dichter, Hartz IV-Empfänger, Studium unterbrachen, um sich voll und ganz für die Projektentwickler, Altenpfleger, Geiger, Bewegung einsetzen zu können. Neben organisatorischen Lehrer, Eventmanager, Wissenschaftler, Aufgaben, der Durchführung von Veranstaltungen und der Regisseure, Restauratoren, Autoren, Psychologen, Gas-Wasser-Installateure, Öffentlichkeitsarbeit, sind eine Vielzahl handwerklicher Kameraleute, Installations-, Performance-, Tätigkeiten wie die Reparatur eines undichten Daches oder Konzept- und Lebenskünstler, andere Sanierungsmaßnahmen zu erledigen, dazu kommen Heilpädagogen, DJs, Streetartists, Bühnenbildner, Glasbläser, Musiker, die Verhandlungen mit der Stadt. Ein weiterer Akteur ist die Programmierer, Holz-, Stein- und Stadt Hamburg, als Verwalter, Verkäufer und anschließend Metallbildhauer, Beleuchter, Masseure, wieder Eigentümer des Grundstücks. Zur Stadt Hamburg mit Dramaturgen, Pädagogen, Licht- und Nichtkünstler, Sattler, Schriftsteller, ihrer offiziellen Vertretung, dem Hamburger Senat, zählen Medienkünstler, Studierende, auch das Bezirksamt-Mitte und die Kulturbehörde. Von Messebauer, Sinologen, Buchbinder, ihnen werden die Entscheidungen über die Vorgehensweise Stipendiaten, Einzelhandelskaufleute, mit dem Gängeviertel abgewogen und getroffen. Wie bei der Modedesigner, Sänger, Kindergärtner und Biogemüsehändler.” “Lampedusa in Hamburg” erscheint auch hier die Medien Gängeviertel e.V. (Hg.) (2010: 7) wieder als ein wichtiger Akteur im Protest

5.

2.

Akteure, Interessen, Strategien

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Diese Beschreibung lässt zwar eine große Vielfalt an unterschiedlichen Berufen erkennen, es wird jedoch nicht deutlich, wie homogen oder heterogen die Gruppierung in ihren politischen Einstellungen ist, dagegen kann behauptet werden, dass sich die Gruppe aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen zusammensetzt. Die Bewegung um das Gängeviertel hat sich über die Zeit gewandelt, viele Aktivisten sind neu dazugekommen, einige haben die Bewegung auch wieder verlassen. Zudem gibt es neben der ursprünglichen Initiative einen Verein und eine Genossenschaft. So existieren zum einen Mitglieder, die einen finanziellen Beitrag leisten, aber nicht aktiv am Geschehen teilnehmen und zum anderen Aktivisten, die ihren Beitrag in Form von ehrenamtlichem Engagement leisten. Nicht zuletzt gibt es auch solche, die die Bewegung aktiv unterstützen und darüber hinaus finanzielle Mittel beisteuern. Um sich für die Analyse festlegen zu können, werden die einzelnen Institutionen und Aktivisten näher erläutert. Die Initiative „Komm in die Gänge“ stellt den ersten Zusammenschluss der Bewegung dar. Die Aktivisten konnte man damals noch nicht als Kollektiv deuten, da sie sich zunächst aus unterschiedlichen Motivationen heraus zusammen kamen. Die ersten Zusammenschlüsse und Ideenfindungen fanden in der “Kaschemme” statt. Dabei wurden Wünsche und Belange geäußert und es wurde versucht gemeinsame Kriterien zu formulieren. So entstanden die ersten Ideen bereits im Frühjahr 2009, ohne den eigentliche Ort, an dem die Forderungen ihren Ausdruck finden sollten, zu kennen. Als mit dem Gängeviertel ein Ort gefunden wurde, bestand die Aufgabe darin, kollektives Wissen aus politischen Auseinandersetzungen, anderen Besetzungen und kulturellen Zentren zusammenzutragen, um daraus ein eigenes Konzept zu formen. Als Vorbilder dienten damals unter anderem die Rote Flora, die Falkenrieder-Terrassen und die “Christiania” in Kopenhagen. (Gängeviertel e.V. (Hg.) 2012: 105). Dabei wurden bekannte Modelle untersucht, theoretisch erprobt und anschließend bestimmte Aspekte herausgestellt. Bereits die ersten Schritte der Bewegung zeigen einen hohen Grad an Professionalität. Diese ergab sich aus der Suche nach „Best Practice“ Beispielen, der Analyse von Erfahrungen

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Abb. 26: Hoffest im „Gängeviertel“

und der Identifikation nützlicher Aspekte für das eigene Vorhaben. Auch während des “Hoffests” wurden, von der Öffentlichkeit unbemerkt, gut organisierte Konzepte umgesetzt. Die bewusste Tarnung der Besetzung, die Wahl des Tages für die Aktion und die durchgeführten Aktivitäten waren sehr gut vorbereitet und das Ergebnis einer dreimonatigen Planungsphase. Für die Aktivisten kam der Erfolg der Besetzung überraschend, sodass ihre ersten Zielstellungen sich damit begnügten, kritisch darauf aufmerksam zu machen, was die Stadtentwicklungspolitik in Hamburg verursacht. Als die Besetzung jedoch erfolgreich war, mussten die Aktivisten unter Zeitdruck die hohen Erwartungen erfüllen und ein Konzept aufstellen. Dabei gab es zum damaligen Zeitpunkt noch keine Arbeitsstrukturen. An einigen Punkten wurde allerdings festgehalten. So sollte es keine starke Hierarchie innerhalb der Bewegung geben und die Beschlüsse sollen immer im Konsens gefällt werden. Was indessen an Beschlüssen auf sie zukommen könnte stand damals noch nicht fest. Ziel war es, einen Ort zu schaffen, an dem die Konsumisierung keinen Zugang finden soll, soziale wie auch künstlerische Ausgrenzungen nicht vorhanden sind und mit dem ein öffentlich zugänglicher Raum geschaffen wird. Die Größe des Projektes verlangte schnell nach bestimmten Strukturen und so wurde die Vollversammlung als Organ der Entscheidungsfindung bestimmt, da hierbei eine flache Hierarchie beibehalten werden konnte und die Ideenfindung und das Fällen von Entscheidungen im Mehrheitsprinzip möglich war. Die Vollversammlung ist


das wichtigste Gremium des Gängeviertels. Dabei nehmen einmal wöchentlich im Regelfall 25 bis 50 Personen teil, bei gewichtigen Entscheidungen kann es auch passieren, dass bis zu 100 Personen teilnehmen. Die Versammlungen finden in der Regel öffentlich statt, nur bei “besonders brisanten Themen” (Gängeviertel e.V. (Hg.) 2012: 109) werden die Versammlungen hinter verschlossenen Türen abgehalten. Ein anderes, seit Beginn der Besetzung bestehendes Strukturelement sind die “Hauspaten”. Das heißt, dass für jedes Haus eine verantwortliche Person bestimmt wird. Die Treffen der Hauspaten wurden in der Anfangszeit auch als “Familientreffen” bezeichnet. Die Häuser können unabhängig voneinander die Gestaltung der Aktivitäten oder das Erscheinungsbild bestimmen, sind dabei aber auch für den Erfolg und die Öffentlichkeitsarbeit ihrer Projekte verantwortlich. Für Themen, die mehrere oder alle Häuser betreffen, gibt es Arbeitsgruppen, wie z.B. die Baugruppe, die Kommunikations- und Pressegruppe oder die Kuratorengruppe. Die Arbeitsgruppen treffen sich ebenfalls regelmäßig und stellen eine entscheidende Arbeitsstruktur der Bewegung dar. Durch die erfolgreichen Verhandlungen mit der Stadt Hamburg, der Ausschreibung eines Sanierungsgebietes und Nutzungsverträgen über das Viertel, was vertragliche Verpflichtungen mit sich brachte, wurde es notwendig, eine juristische Grundlage auf der Basis eines institutionalisierten Rahmen zu erstellen. Aus diesem Grund wurde am 26. Oktober 2009 der Verein Gängeviertel e.V. gegründet. Ziel war es, die Verantwortung gegenüber den vertraglichen Verpflichtungen auf mehrere Personen zu verteilen. In der Satzung des Vereins lautet der Zweck für den Verein “die Förderung der Kunst und Kultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sowie die Förderung von Aufgaben im Bildungsbereich”.5 Die 150 Mitglieder setzen sich aus Aktivisten im Viertel und Förderern zusammen. Der Verein verhält sich Entscheidungen gegenüber passiv. Eine Ausnahme bildet der Vereinsvorstand, der die Aufgaben der Ausarbeitung und Unterzeichnung von Verträgen, sowie die finanziellen Abwicklungen übernimmt. Dabei ist der Vorstand, bestehend aus zwei Vorsitzenden, einem Schriftführer und einem Kassenwart, an informelle Weisungen der Vollversammlungen gebunden. Er übernimmt dazu

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aber auch die Verantwortung gegenüber der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen. Als letztes organisatorisches Instrument entstand die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG, welche mit der organisatorischen Selbstverwaltung der Gebäude durch die Nutzer beauftragt wurde. Grund für diesen Schritt stellte wieder eine Verfestigung der Verhandlungsposition gegenüber der Stadt Hamburg dar. Auch hier wurde darauf geachtet, die basisdemokratische Entscheidungsfindung beizubehalten. So verfügt jedes Mitglied über eine Stimme, egal wie hoch sein finanzieller Beitrag ist. Die Genossenschaft wird von drei bis fünf Personen geführt. Der Aufsichtsrat wird in der Vollversammlung gewählt. Zusätzlich werden alle zwei Jahre durch einen externen Prüfer die Einhaltung der Wirtschaftlichkeit sowie die ordnungsgemäße Geschäftsführung überprüft. Ein Ziel der Genossenschaft ist es, nach der Sanierung einen Erbpachtvertrag mit der Stadt abzuschließen. Dafür ist ein bestimmter Betrag von Eigenkapital eine Voraussetzung. Die Art des Vorhabens und die Größe des Projektes haben innerhalb von kürzester Zeit eine aufwendige Organisationsstruktur hervorgerufen. Die Bewegung besteht heute aus mehreren unterschiedlichen institutionellen Organisationen, die ihre speziellen Aufgabenbereiche erfüllen. Die Grundidee der basisdemokratischen Abstimmung wurde als ein wichtiger Punkt in der Vision der Bewegung durchweg beibehalten. Die meisten Aktivisten besitzen einen hohen Bildungsgrad, unterscheiden sich jedoch stark in ihrer politischen Orientierung. So gibt es Aktivisten, die eine starke linke Orientierung haben aber auch solche, die gänzlich unpolitisch sind. In den Forderungen lassen sich sowohl politische und gesellschaftsverändernde Inhalte erkennen, aber auch Interessen, die dem Eigenzweck dienen. Dabei wurden in den Anfängen der zivile Ungehorsam und kontrollierte Rechtsverletzungen als legitime Mittel erachtet, sogar als erforderlich gesehen, um Druck gegenüber den politisch Verantwortlichen aufzubauen. Eine andere Form des Protestes stellt die Veröffentlichung regulativer Konzepte und Aufforderungen, bezogen aus stadtpolitischen Belange, dar. Die Bewegung ist mit für das Manifest “Not in Our Name, Marke Hamburg!” verantwortlich, eine kritische


Stellungnahme zu der neoliberalen Stadtentwicklungspolitik und der Vereinnahmung von Künstlern in Gentrifizierungsprozessen, in Hamburg (Not in Our Name 2010).6 Einzelne Aktionen der Bewegung finden in Kooperation mit anderen Bewegungen statt und sind in ein starkes lokales Netzwerk eingebunden. Dazu zählt das „Recht aus Stadt“ Netzwerk, in dem sich eine breite Palette Hamburger Aktivisten, Kleingärtenvereine und bürgerliche Initiativen organisieren. Die gemeinschaftlichen Forderungen richten sich gegen eine unternehmerische Stadtpolitik, die soziale Spaltung in Hamburg und eine partizipative Stadtentwicklung. Die Zielstellung der Gängeviertel Aktivisten war jedoch nicht von Anfang an klar definiert und wurde, meist von linken Aktivsten, als Eigeninteressen ohne größeren gesellschaftlichen Mehrwert beanstandet. Dabei wurde auch kritisiert, dass gerade diesen Personen das Recht auf einen innerstädtischen Arbeitsraum zusteht, wie der Autor Oehmke folgend formulierte:

Geschenk.« Derartige Sätze fielen auffallend häufig während der Power-Point-Präsentation der Initiative »Komm in die Gänge«. In schönster Marketingsprache stellten Vertreter und Vertreterinnen der Initiative am Samstag ihr Nutzungskonzept [...] vor.”8

Die Kritik richtet sich gegen die Verwendung von Marketing Konzepten mit der die Bewegung die hohe mediale Aufmerksamkeit erreichen konnte. Von Seiten linker Aktivisten wurde oftmals der Umgang mit den Medien, vor allem mit dem Springer-Verlag, kritisiert. Dabei stellt dies einen ausschlaggebenden Faktor für den Erfolg der Bewegung dar. Anstelle eines provozierenden Anprangerns und einer direkten Konfrontation, wie so oft im linken Aktivismus der Fall ist, nutzten die Aktivisten ihre Kenntnisse im Umgang mit den Medien um sich einen breiten Rückhalt in der Öffentlichkeit zu sichern. Dabei wird auf die Art der Formulierung ihrer Forderungen beachtet. Diese werden immer für die Hamburger Bürger verfasst und bestärken damit deren Zuspruch, da die Aktivisten nicht für sich den Freiraum erkämpfen sondern für die Hamburger.

“Some might ask what exactly gives the artist the right to demand studios more or less for free in a prime downtown location. After all, those who care about social issues - and that describes the core of the anti-gentrification movement - might also „Es geht um mehr: Es wird für viele Hamburger argue that the buildings could be put to better use immer schwerer, bezahlbare Räume zu finden.“9 accommodating other, needier people than middle class artist for whom squatting is more than a lifestyle choice.”7 Die Gängeviertel Aktivsten haben damit eine neue Form Oehmke 2010 des Protests in Deutschland etabliert, indem sie alte Protestkonzepte zu medienwirksamen Interventionen umgeform haben. Diese Technik verhalf ihnen, sich in der Protestszene Kritisch wurde auch die Forderung der Aktivisten nach neu zu positionieren. Die Bewegung zeigt einen vielfältigen einem Mitbestimmungsrecht bei der Vergabe der Belegung und neuartigen Umgang mit Protest. Inwiefern sie ihren des Wohnraums betrachtet. Dabei kam schnell die Sorge auf, Erfolg dafür nutzen werden, eine sozialere Stadtpolitik dass die Aktivisten gerne unter sich bleiben würden. Die gerecht zu werden ist noch offen. Dennoch lassen die Kritik ist nicht unverständlich, dennoch zeigt die Bewegung Erfolge einer positiven Entwicklung erahnen. Durch die durch ihre öffentliche Aushandlung den Willen, eine sozial Einflußnahme auf die Instrumentalisierung von Kreativgerechte Verteilung des Wohnraums zu ermöglichen. In schaffenden haben sie die Stadtpolitik herausgefordert und der linken Zeitung “Jungle World” beurteilt eine Autorin eine Vorbildfunktion für weiteren Aktivismus übernommen. die Vorgehensweise der Bewegung: Die Aktivisten bringen einen professionellen Aktivismus zu Tage, der Wirkungen hervorrufen vermag, die über eigen “»Synergien nutzen« – »Ehrenamtliche Arbeit Interessen hinaus können. als Kostenersparnis« – »Wir bieten der Stadt ein

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DerHamburgerSenat,derBezirk-Mitte und die Kulturbehörde Wie auch bei der “Lampedusa in Hamburg” ist die “öffentliche Hand” der zweite wichtige Akteur im Protest um das Gängeviertel. Er setzen sich aus dem Hamburger Senat, den Regierung des Bezirks-Mitte, der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt und der Kulturbehörde zusammen. Im Rahmen der chronologischen Aufarbeitung und auch an dieser Stelle werden sie als eine Verfügungsgewalt zusammengefasst. Zudem sin sie für die Verwaltung des Gängeviertel verantwortlich und stellen die Instanz dar, an die sich die Forderungen der Gängeviertel Aktivisten richtet. Für die finanzpolitischen Entscheidungen sowie auch die Erstellung des ISEK und der Ausschreibung eines Sanierungsgebiets ist ebenfalls die Instanz der öffentlichen Hand verantwortlich. Die Freie Hansestadt Hamburg ist seit längerem bemüht sich als eine attraktive Stadt für Kreativschaffende zu vermarkten. Wie im Abschnitt 3.1. beschrieben verfolgt die Stadt ein Leitbild, dass dem „Creative City“ Konzept entspricht. Das Leitbild “Talentstadt Hamburg”, das von einer Unternehmensberatung erstellt wurde, dient beispielsweise der gezielten Anwerbung von „Kreativen“. Der ehemalige Wissenschaftsminister Jörg Dräger sagte dazu: „We didn‘t simply want to follow him [Richard Florida, - Anm. des Autors] blindly, but his ideas were the basis for the subsequent development of our strategy for the city...“10‘ Die Hamburg Marketing GmbH wurde gegründet um ein attraktives Bild von der Stadt zu erzeugen, mit der Hoffnung, dass damit Kreativschaffende angezogen werden. Als erste europäische Metropole gab Hamburg eine empirische Studie (“Was macht Hamburg attraktiv? - Analyse des Erfolgsmusters der Marke Hamburg”) über das Potential der Kreativwirtschaft in der Stadt in Auftrag. Die Agentur McKinsey wurde dazu beauftragt ein Stadtentwicklungskonzept zu erstellen und eine Studie zu “Kreative Miliues, Offene Räume” bei dem Studio “Urban Catalyst angefordert. In Marketingkampagnen wird „die vielfältige, lebendige

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Kultur- und Subkulturszene der pulsierenden Metropole” hingewiesen die “ein anregendes Umfeld und beste Chancen für Kulturschaffende aller Couleur” bietet.11 Dabei zeigt “das Tor zur Welt” (wie sich Hamburg gern selbst bezeichnet), einen ambivalenten Umgang mit Kreativen. Vor allem Künstlern in prekären Lebenssituationen, die auf billigen Arbeits- und Wohnraum angewiesen sind, werden für Stadtentwicklungskonzepte instrumentalisiert. Denn einerseits wird die Bohéme dazu genutzt in sozial schwachen Vierteln einen Aufschwung, durch einen Anstieg an kulturellem Angebot, zu erzeugen. Ein beliebtes stadtplanerisches Mittel dafür sind Zwischennutzungsvereinbarungen. Durch die kulturelle Aktivitäten der Künstler, werden dadurch unattraktive Viertel aufgewertet, sodass sich zahlungskräftige Investoren finden lassen. Auf der anderen Seite verschwinden damit schrittweise billige Wohn- und Arbeitsräume. Drastische Auswirkungen hat dies vor allem auf sozial Schwache wie Migranten und Arbeitslose, aber auch auf die Lebenssituation der Künstler. Für die IBA stellte die Schaffung von Kreativen Räumen ein zentraler Aspekt dar. Dabei wurde mit hohem finanziellen Aufwand verschiedene Projekte gefördert die eine Anziehungskraft auf das kreatives Milieu bewirken sollen. Durch die Besetzung der „Komm in die Gänge“ Initiative sah sich die Stadt mit einem Protest der gewünschten Kreativen konfrontiert. Unter diesen Aspekten erscheint die zustimmende Haltung verständlich. Obwohl es zu einer unrechtmäßigen Aneignung von Wohnraum kam, kaufte die Stadt die Gebäude zurück und erarbeitet zusammen mit der Bewegung ein Konzept. Für die Stadt bedeute diese Form des Aktivismus einen Mehrwert, so konnte ehrenamtliche erstellte Konzepte übernommen werden, die Attraktivität für Künstler wurde gesteigert indem neue Räume geschaffen wurden und die Stadt konnte sich als offene Metropole präsentieren. Die neoliberale Stadtpolitik von Hamburg wendet sich von ihren sozialen Pflichten ab. Mit einer Konzentration auf Kultur, Erlebniskonsum und Megaevents ist eine Vernachlässigung sozialer Einrichtung, die nicht mit der Logik einer Kulturalisierung kompatibel sind, verbunden. Aktivitäten von Mieterorganisationen und Stadtteilinitiativen mit Forderungen sozialer und politischer Verantwortung haben an Gehör verloren. Als jedoch eine künstlerisch geprägte


Initiative die Entwicklungen beanstandet und öffentlich den Zustand der künstlerischen Szene reklamiert, sah sich die Stadt mit einer neuen Situation konfrontiert. Eine polizeiliche Räumung oder das Ignorieren der Forderungen hätten dem unter hohem finanziellen Aufwand aufgebauten Stadtentwicklungskonzept erheblichen Schaden zugefügt. Dadurch hat sich eine positive Haltung begünstigt. Der ehemalige Bezirksamtsleiter von Hamburg Mitte, Markus Schreiber lobte sogar die Besetzung: “Es sind die rechtstreuesten Besetzer, die man sich vorstellen kann, sie machen alles sauber und sorgen ab 22 Uhr für Ruhe.”12 Aus mehreren politischen Kreisen kam Zuspruch für die Besetzung, so äußerte auch die damalige Kultursenatorin Karin von Welck großes Verständnis und die Bereitschaft zur Findung von “konstruktiven Lösungen”12 und die ehemalige Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk stellte außerdem klar, dass das Gängeviertel als “lebendiger Teil der Hamburger Innenstadt erhalten”12 bleiben soll und lobte auch das Fachwissen der Aktivisten bei den Verhandlungen mit den Worten: “da kennen Sie (die Aktivsten, - Anm. des Autors) unsere Studie besser als meine Mitarbeiter” (Gängeviertel e.V. (Hg.) 2012: 94). Die zustimmende Haltung von wichtigen Politikern legte den Grundstein für eine offene Haltung gegenüber den Forderungen der Bewegung. Dabei rief auch die Bürgerschaftswahlen im Jahr 2011 ein zustimmende Haltung hervor. Eine konflikthafte Auseinandersetzung mit den Aktivisten hätten, durch die damaligen Umstände, dem Senat einen Imageschaden zugefügt. Für die Parteien war eine Konfliktlösung daher unumgänglich, auch unter dem immer stärker werdenden Protest zahlreicher Bürger in dem “Recht auf Stadt” Netzwerk. Die Bewegung bot der Stadt ein vorzeige Projekt an und dass für ein Objekt, dessen ursprünglicher Investor durch die Finanzkrise in eine finanzielle Schieflage geraten ist. So ergab sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Umstände ein positives Verhandlungsklima zwischen der Stadt und den Aktivisten. Dies wird durch die rasche Abfolge an Verhandlungen und Kooperationen ersichtlich. Bereits kurz nach der Besetzung suchte die Stadt Hamburg das Gespräch mit der Bewegung. Vier Tage nach der Besetzung kam es zu

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den ersten Nutzungsvereinbarungen. Nachdem die Verhandlungen mit der Hanzevast als endgültig gescheiter erklärt wurden, schloss der Senat einen Rückabwicklungsvertrag mit dem holländischen Investor ab. Durch ein, von der Stadt initiiertes, Mediationsverfahren konnte man sich auf bestimmte Forderungen einigen: Denkmalschutz, Künstlernutzung und Wirtschaftlichkeit. Diese Punkte sollten ein tragfähige Lösung, in einer Kooperation zwischen Stadt und Aktivisten, für das Gängeviertel ermöglichen. Für die Planung des Sanierungsvorhaben wurden die Verantwortlichkeiten bestimmt: BSU , Kulturbehörde, Wohnungsverwaltungen SAGA und Sprinkenhof AG, Berzirksamt Mitte und die Initiative „Komm in die Gänge“. Die Zusammenarbeit gestaltete sich konstruktiv, bis auf wenige Diskrepanzen konnten in den meisten Punkten eine Einigung gefunden werden. Die Sperrung zweier Gebäude durch die Bauprüfungsabteilung des Bezirks Mitte und die Verhandlungen zu einer Beteiligung der Steg Hamburg mbH sorgten unter anderem für Meinungsverschiedenheiten, denen jedoch stets mit Kompromissbereitschaft begegnet wurde. Nach dem Ende der Regierungskoalition aus SPD und GAL (seit August 2012 Bündnis90/die Grünen), ging auch der Bewegung eine wichtige Partnerin (Anja Hajduk) verloren. Die Verhandlungen wurden bis nach den Wahlen unterbrochen. Die neue, von der SPD geführte Regierung mit Jutta Blankau als Leiterin der BSU und Barbara Kisseler als Senatorin der Kulturbehörde wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen und die vorhergegangenen Vereinbarungen beibehalten. Obwohl die Parteien sich gegenseitig in den Senatssitzungen die Schuld an den Missständen in der Stadtentwicklung zuschoben, war man sich darüber einig, das Gängeviertel zu retten und die Forderungen der Aktivisten ernst zu nehmen. Für die Ausarbeitung des ISEK und Sanierungskonzepte konnte sich die BSU auf die ehrenamtlich ausgearbeiteten Konzepte der Aktivsten zurückgreifen. Eigeninitiative durch die Aktivsten konnten der Stadt die fehlende Kreativität an alternativen Projekten abnehmen. Für die Stadt bedeutet das eine Kostenersparnis durch die Vorleistungen der Bewegung, zudem muss mit keinem Widerstand gegenüber den Sanierungsvorhaben gerechnet werden, da das Gängeviertel ein hohes Ansehen in der Bevölkerung genießt. Für die Sanierung wurden die Steg Hamburg mbH als Hauptträger und der Verein


Gängeviertel e.V. als Hauptverantwortliche bestimmt, die zusammen in einem kooperativen Arbeitsprozess mit Beteiligung der BSU und der Kulturbehörde die Erstellung von Konzepten und Durchführung der Sanierungsmaßnahmen übernehmen. Eine direkte Einbeziehung einer Bewegung in Stadtentwicklungsmaßnahmen stellte eine Neuerung in der Hamburger Stadtpolitik dar und wurde von dem Senat damit begründet, dass die Entstehungsgeschichte des Projektes auf die Initiative der Bewegung zurückgeht. In wenigen Punkten berharrte der Hamburger Senat auf seine Bedingungen. So soll während der Sanierungsarbeiten das Gängeviertel im öffentlichen Besitz bleiben. Im Anschluss können die Verhandlungen für die „Selbstverwaltung“ durch die Bewegung diskutiert werden. Die hohen Kosten der Sanierungsarbeiten wurden dabei als Grund angegeben. Darüber hinaus wird auch die Forderung der Bewegung abgelehnt, die Vergabe der Sozialwohnungen den Aktivisten zu überlassen.

unter Berücksichtigung der Konzepte von der Bewegung. Jedoch wurde während des Aushandlungsprozess eine Diskussion über die steigende soziale Spaltung vermieden. Zusammenfassend kann die Strategie als eine Übernahme der öffentlichkeitswirksamen Kampagne der Bewegung verstanden werden. Eine nachhaltige Wirkung für eine solidarischere Stadtentwicklung von Seiten der Stadtpolitik ist jedoch derzeit nicht ersichtlich.

Für die Stadt Hamburg hat sich aus der Besetzung die Möglichkeit ergeben, ein zu den verfolgten Leibildern passendes, neues Leitprojekt zu präsentieren. Heute wirbt die Stadt offiziell mit dem Projekt, hebt dabei die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum (21 Jahre Mietpreis- und Belegungsbindung) hervor und den kulturellen Mehrwert der sich dadurch ergibt.13 Der Bezirksamtsleiter Andy Grote lobte bei der ersten Sitzung des „Sanierungsbeirats Gängeviertel“ am 20. März 2013 das ehrenamtliche Engagement der Initative “Komm in die Gänge” und betonte, dass sich der Bezirk für das Gelingen des Sanierungsverfahrens verantwortlich fühle.14

Neben den Protesten zu Stuttgart 21 bekam wohl kein anderer deutscher städtischer Konflikt in den letzten Jahrzehnten soviel mediale Aufmerksamkeit wie die Initiative „Komm in die Gänge“. Zu Beginn der Bewegung gab es täglich Pressemeldungen dazu. Auf der Homepage der Bewegung befinden sich im Pressespiegel indem über 500 verschiedenen Zeitungsartikel aufgelistet sind. Mit Hilfe von privaten Kontakten, konnte auch der kritischer Artikel („Stadt der Tiefgaragen“) in der Süddeutschen Zeitung initiiert werden. Dabei nahm der Autor bezug zur Stadtentwicklung und prangerte den Verfall von historischer Bausubstanz an. Ein Großteil der erschienen Artikel stammt von regionalen Medien. Überraschend gestaltete sich vor allem die unerwartete Positionierungen der konservativen Medien. Ein Großteil der Nachrichten beschrieb die Aktion und Intention der Bewegung als positiv. Dabei wurde die Initiative der Besetzer gelobt und die Fehlentwicklungen in der Stadtpolitik und Denkmalpflege kritisiert. Die Frankfurter Rundschau schrieb dazu:

Für die Stadt Hamburg ergab sich aus der Besetzung die Möglichkeit, eine offene Haltung gegenüber kreativen Konzepten unter eine großen Aufmerksamkeit zu präsentieren. Wobei dies nicht eine Abkehr von den ursprünglichen Stadtentwicklungskonzepten und einer weiteren Konzentration auf die Kreativwirtschaft, mit den beschriebenen negativen sozialen Effekte, zu bedeuten hat. Vielmehr konnte das Gängeviertel gut in das bestehende Leitbild integriert werden. Die involvierten Behörden signalisierten eine hohe Verhandlungsbereitschaft und verdeutlichten dies durch die Bereitschaft der Zustimmung zu den Sanierungsverfahren

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Die Medien “Die aktuellen Geschehnisse im Gängeviertel sind fast zu schön, um wahr zu sein.“15 Hamburger Abendblatt

“Gängeviertel, zwischen Street-Art und Unrat. Das hier ist keine Hausbesetzung, eher eine Instandbesetzung - hier werden keine Steine geworfen. Höchstens Steine des Anstoßes. Denn was könnte auf diesem kleinen Fleck Hamburg nicht


alles entstehen: bezahlbare Ateliers für Künstler. Ein Treffpunkt für die Anwohner oder ein kulturelles Zentrum. Etwas, das für alle da ist.”16 Inhaltlich nahmen die Pressemitteilungen zwei Kategorien unterschiedliche Positionen ein. Die erste stellt die Künstler und ihren Einsatz für die Denkmalpflege in den Vordergrund. Dabei wurde vor allem das Engagement der Künstler gelobt und in einen gesamtgesellschaftlichen Mehrwert gesetzt. Insbesondere unterstützten konservative Medien diese Herangehensweise. Angesichts der Anzahl kritischer Stadtentwicklungsprojekte und dem steigenden Unmut in der Bevölkerung konnte dadurch eine große Anzahl an Hamburgern positiv beinflusst werden. Auf der anderen Seite berichteten links orientierte Zeitungen zu Beginn nicht negativ über das Gängeviertel, ließen jedoch ihre Zweifel an der politischen Standhaftigkeit der Bewegung nicht im Verborgenen. Dabei wurden der Mehrwert der Aktion kritisch hinterfragt, sowohl als auch die Berechtigung der Besetzung und der zustimmenden Haltung des Senats. Besonders kritische Medien stellten die Behauptung auf, dass hier Eigeninteressen als Wohltat getarnt würden. Über die vier Jahre hinweg blieb das mediale Interesse an der Bewegung bestehen und es wird nach wie vor regelmäßig über Veranstaltungen oder Veränderungen in der Bewegung berichtet. Wie auch schon im Zusammenhang mit „Lampedusa in Hamburg“ angemerkt wurde, ist die Reaktion der Medien ein entscheidendes Kriterium für den Erfolg oder Misserfolg einer Bewegung. Im Konflikt um das Gängeviertel hatte die Bewegung die entscheidende Medien auf ihrer Seite und konnte daher durch sicher sein, dass ihren Forderungen in der Stadt Hamburg Gehör geschenkt würde.

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5.

3.

Zusammenfassende Bewertung Die Bewegung „Komm in die Gänge“ besteht aus unterschiedlichen Gruppen von Aktivsten, die sich seit Anfang 2009 an diversen Aktivitäten beteiligen. Dabei sind nicht politische Interessen ausschlaggebend, sondern kulturelle Aspekte und damit einhergehende Forderungen. Kunst und Kultur sind das verbindende Element der Bewegung, das Engagement der Aktivisten ist jedoch ganz unterschiedlich motiviert. Gründe sind dabei die Förderung kreativen Schaffens und kultureller Werte, das Interesse an stadtplanerischem und partizipativem Aktivismus, das Äußern politischer und antikapitalistischer Forderungen wie auch der Einsatz handwerklicher Fähigkeiten und die organisatorische Unterstützung von Veranstaltungen. Die Initiative besitzt die typischen Kennzeichen einer sozialen Bewegung: flache Hierarchie, basisdemorkatische Entscheidungsfindung und eine weitgehende Distanz zu politischen Parteien. Der Aktivismus ist sehr Vielfältig, erscheint aber von außen betrachtet recht einheitlich. Das Spektrum der Strategien ist weitreichend und konzentriert sich weniger auf bekannte Formen des Aktivismus, wie Demonstrationen oder Mahnwachen, sondern zeichnet sich durch einen Aktivismus in Form von Interventionen aus. Damit ist gemeint, dass die Bewegung gezielt geplante und unter einer guten Vermarktung propagierte, punktuelle Aktionen verübt. Dieses Mittel stellt in der freien Kunst, aber auch in der Politik und vor allem in militärischen Konflikten den Zeitgeist des Handelns dar. Beispielhaft kann dazu die künstlerische Hausbesetzung gezählt werden oder die Protestkonzerte in der Hamburger U-Bahn. Die zahlreichen Ausstellungen, Konzerte und andere Veranstaltungen bilden dabei das Grundgerüst des Aktivismus der Bewegung und verfestigen ihren kulturellen Mehrwert. Damit begründet sich die Bewegung nicht durch ihre Forderungen, sondern durch die Art der Nutzung des gewonnenen Raums und der gewonnen Aufmerksamkeit nach ihren Prinzipien. Die Veranstaltungen finanzieren sich durch Spenden verfolgen keinen kommerziellen Nutzen und sind von daher für breite Teile der Gesellschaft zugänglich. Der


geringe Antrieb, sich für eine exakte politische Stellung zu positionieren, erschwert einen direkten Bezug zu andere Bewegungen, Initiativen und Parteien und fördert unter bestimmten Umständen, wie das zur Anfangszeit mit dem linken Aktivsten zu sehen war, eine Diskrepanz oder zurückhaltende Haltung. Die dezente politische Positionierung ist aber auch ein Vorteil und besonderes Merkmal der Bewegung. Der Vorteil liegt daran, dass dadurch eine flexible Ausrichtungen der Forderungen möglich bleibt und nicht wie der Aktivismus der autonomen Gruppierungen auf eine direkte Konfrontation gestimmt ist. Was eine direkte Positionierung in der politischen Landschaft notwendig macht und alternative Lösungen verbaut. Die Aktivitäten um den Erhalt der Gebäude des Gängeviertels stellen einen bedeutenden Rahmen dar, um weitere Forderungen zu formulieren und räumlich zu manifestieren. Unter diesem Dach lassen sich dann Forderungen die von ökologischen, sozialgerechten, weltverbesserischen Ansprüchen bis hin zu Eigeninteressen reichen können. Viele der Aktivisten besitzen einen Hochschulabschluss und gehen kreativen und anspruchsvollen Tätigkeiten nach. Die Aktivisten kommen vorwiegend aus der Mittelschicht. Obwohl eine flache Hierarchie auch hier von hoher Bedeutung ist, zeigt die Bewegung unterschiedlich stark institutionalisierte Fragmente und verfügt über eindeutige Zuständigkeitsbereiche. Durch ihre Funktion als Verhandlungspartner und dem Ziel einer selbstverwalteten Genossenschaft sind rechtliche Absicherungen und Zuständigkeiten um den Verlauf nicht weiter zu erschweren, unvermeidbar. Die Zugänglichkeit in den Aktivistenkreis stellt sich daher auch als schwierig heraus. Hierzu sollen die unterschiedlichen Phasen der Bewegung als Anhaltspunkte herangezogen werden. Noch vor der Besetzung bestand die Bewegung aus wenigen Aktivsten, die ihre Ziele und Forderungen nicht weiter thematisierten. Primär hat die gemeinschaftliche Suche nach billigem Arbeits- und Wohnraum den ersten Zusammenhalt hervorgerufen und die Basis zur Arbeit an weiteren Ideen gebracht. Während dieser Phase bestand ein relativ schwache Schwelle um sich zu engagieren. Dagegen ist die Bewegung im derzeitigen Zustand nicht mehr auf eine Vielzahl von Aktivsten angewiesen. Sonder konzentriert ihre Bemühungen dahingehend finanzielle

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Unterstützung zu erhalten. Die Aktivisten legten einen sehr hohen Grad an Professionalität, bei Vorbereitungen und die anschließende Besetzung, zu Tage. Dabei ist zu bemerken, dass die Bewegung aus dem lokal vorhandenen Netzwerk, von einem Fachwissen für ihren Aktivismus gebrauch machen konnten. Ein weiterer entscheidender Faktor ist die bewusste Integration künstlerischer Fähigkeiten Damit können zwei wichtige Merkmale der Bewegung gleichzeitig verfolgt werden. Die Künstler, unter den Aktivisten, können das Potential ihrer starken öffentlichen Präsenz und Kommunikationsfähigkeit dafür nutzen, um ihren Aktivismus und ihre Forderungen weit mehr als nur dem typischen Publikum zu präsentieren. Speziell die strategische Vermarktung ihrer Aktionen waren entscheidend für die Bekanntheit und den Erfolg der Bewegung. Dazu zählt auch der routinierte und bewusst gesuchte Umgang mit den Medien. Hier wurde absichtlich auch die Kommunikation mit konservativen Medien gesucht, um eine noch breiteres Publikum zu erreichen. Die positive Resonanz der Medien, die gute Bewertung durch das konservative „Abendblatt“ und der „Bild“ Zeitung hat einem sonst kritisches Publikum, bezüglich eines derartigen Aktivismus, zu einer zustimmenden Haltung motiviert. Mit einem breiten Rückhalt der Hamburger Anwohner und dass kurz nach der Besetzung, Wahlen anstanden, wollte keine Partei sich öffentlich gegen den Aktivismus positionieren, stattdessen aktiv ihren Nutzen aus der Bewegung schlagen. Insbesondere die Einbeziehung des „Creative City“ Konzeptes und Forschungsergebnisse zu den kreativen Mileu, während der Verhandlungen, gestaltete sich als ein geschickter Zug heraus, der dem Senat bei der Hausbesetzung zu einer zurückhaltenden Position zwang. Es wirkt als währe die Stadt vom Aktivismus der umworbenen Künstler überrascht gewesen. Der Aspekt, dass sich Proteste vermehrt aus der Gruppe der Kreativschaffenden zusammensetzt, bringt die Stadt dazu ihre Strategie neu zu überdenken. Denn es lassen sich aus den Protesten auch nützliche Aspekte aufgreifen, die in einer neoliberalen Logik der Instrumentalisierung von Kreativität für ökonomische und stadtentwicklungs Maßnahmen als sinnvoll erscheint. Eine ablehnende Haltung hätte der Stadt die Chance verspielt ein auf ehrenamtlichen Arbeitsstunden beruhendes, weitgehend akzeptiertes Vorzeigeprojekt für die Eigenwerbung der


Stadt zu nutzen. Dem Leitbild der „Creative City“ folgend, stellen die Aktivitäten der Kreativschaffenden ein wichtiges Element dar, um die Attraktivität der kulturellen Vielfalt der Stadt zu stärken. Richard Florida äußerte sich positiv zu dem Vorgehen der Stadt Hamburg und sieht eine Innovation geschaffen die wirtschaftliches Wachstum hervorbringen kann. Dabei ist der Hamburger Senat mit großen Schritten auf die Aktivsten zugegangen, konnte, vielleicht auch genau deswegen und aufgrund der geringen politischen Positionierung der Bewegung wurde eine Auseinandersetzung mit den sozialen Problemen vermieden und der Besetzung positive Aspekte abgewonnen. Für den Aktivismus in Hamburg stellte der Erfolg der Besetzung eine Stärkung des Protest-Netzwerkes dar, das sich durch den Erfolg beflügelt sah und seinen Wirkungskreis weiter ausbauen konnte. Das bestärkte auch die Aktivsten der „Komm in die Gänge“, denen das Gängeviertel als eine räumliche Schnittstelle und Grundlage für weiteren Aktivismus dient und dazu auch anderen Bewegungen eine Basis bietet, wie am Zusammenschluss „Not in our Name“, oder der Kampagne gegen Wohnungsleerstand17 ersichtlich wurde. Dadurch konnten auch politische Themen von überregionaler Bedeutung, wie z.B. Sozialpolitik, Bildungspolitik und der Umgang mit Privatisierung von öffentlichen Gütern, vermehrt Zuspruch erhalten.

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6. VERGLEICHENDE GEGENÜBERSTELLUNG I

m Zuge der Darstellung der beiden Fallstudien ist deutlich geworden, dass sich die beiden Konflikte unter sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen abspielen. Worin sich die Bewegungen unterscheiden und worin ihre Potentiale und Schwachstellen liegen, soll im Folgenden anhand einer vergleichenden Gegenüberstellung analysiert werden. Dabei gilt es zu beachten, dass eine Fallanalyse Auskunft über einen konkreten Gegenstand gibt und deshalb nur exemplarisch für sich gelten kann, während Verallgemeinerungen in diesem Kontext mit äußerster Vorsicht zu betrachten sind. Bestimmte Strukturen entstehen aber durch die allgemein gegebene Zusammensetzung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Realität, weswegen hier der Versuch gewagt werden soll, Eigenschaften zu erkennen, die über die konkreten Fallbeispiele hinaus gehen und als Anhaltspunkte für eine generelle Betrachtung dienen können. Die Wahl der Vergleichsaspekte ergibt sich dabei zum einen aus den Ergebnissen der vorangegangenen Untersuchungen und aus der übergreifenden Fragestellung. Untersucht wurden: die Wirkungen des Neoliberalismus auf die Stadtpolitik, wie daraufhin Protest formuliert wird und inwiefern die sozialen Widerstände von der Stadtpolitik aufgenommen werden. Die zu beantwortenden Fragen sind: Welche Möglichkeiten ergeben sich für unterschiedliche Bewegungen an Einflussnahme auf die Stadtpolitik? Was sind die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten der untersuchten urbanen sozialen Bewegungen? (In Aufbau, Struktur, Motivation und Forderungen und deren Formulierung). Zum Schluss der Arbeit soll noch ein kleiner Ausblick auf: Perspektiven und Herausforderungen der urbanen sozialen Bewegungen, anhand der hier gewonnenen Erkenntnisse, gegeben werden.

Kontext: STADT und POLITIK Hamburg nimmt unter den deutschen Städten eine besondere Rolle ein, da sie in den Kategorien, Bevölkerung, Wirtschaft, Kultur und Lebensqualität zu den attraktivsten Städten in Deutschland zählt. Wie alle deutschen Städte verfügt Hamburg über einen gewachsenen lokalen Sozialstaat, der sich aber seit der Umstellung auf neoliberale Konzepte

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im Ab- und Umbau befindet, sodass ein vermehrtes Auftreten von “governanance” zu verzeichnen ist. Dennoch oder genau deswegen besitzt Hamburg eine starke Verwaltung und komplex organisierte politische Institutionen. Die beiden untersuchten Bewegungen konnten ein gewachsenes Netzwerk für soziale Widerstände in Hamburg vorfinden. Die


Bewegungen reihen sich in eine aktive Szene des sozialen Widerstandes ein, wozu in Hamburg militante Hausbesetzungen wie in der Hafenstraße, autonome kulturelle Zentren wie das der “Roten Flora” und das “Centro Social”, eine Vielzahl von Bürgerinitiativen und Stadtteilorganisationen und auch künstlerische Bewegungen wie das Aktionsnetzwerk gegen Gentrifizierung “Es regnet Kaviar” gehören. Hamburg musste über die letzten drei Jahrzehnte starke Deindustrialisierungsprozesse und eine fundamentale Umstellung der Hafenwirtschaft bewerkstelligen. Direkte Auswirkungen zeigten sich in dem erheblichen Verlust an Arbeitsplätzen: im Jahr 1980 konnte das produzierende Gewerbe noch 168.055.000 Arbeitsplätze bereitstellen, im Jahr 2011 dagegen nur noch die Hälfte von 83.058.000 (Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2013). Das gleichzeitige Anwachsen des Dienstleistungssektor und die Neuorientierung des Hafenbetriebes auf eine Containerwirtschaft konnten den Verlust an Anstellungen nicht ausgleichen. Mit dem Aufschwung des Dienstleistungssektors ging eine verstärkte Spaltung des Arbeitsmarktes einher, in welcher entweder Arbeitsplätze im niedrig bezahlten Arbeitssegment (z.B. Reinigungsbetriebe, Sicherheitsdienstleister) oder im hoch bezahlten Segment (z.B. Banken, Technologieunternehmen) entstanden. Die Deindustrialisierung, der massive Wegfall von Arbeitsplätzen, die Spaltung des Arbeitsmarktes und die Kürzungen der Subventionen veranlassten die Stadtpolitik in Hamburg, eine gezielte Förderung von wirtschaftlich starken Bereichen zu betreiben. Dazu setzt die Stadtentwicklung auf Leuchtturmprojekte, eine verstärkte Anwerbung von hochspezialisierten Fachkräften und auf eine globale Ausrichtung ihres Handlungsraums sowie auf internationales Kapital. Die wirtschaftliche Handlungsrationalität in der Stadtentwicklung bewirkt, dass den ökonomischen Rahmenbedingungen der Vorzug gelassen wird, sodass Forderungen für den sozialen Sektor eine nachgestellte Bedeutung einnehmen. Dennoch soll hier nicht behauptet werden, dass Politiker bedingungslos einer wirtschaftlichen Handlungsrationalität unterliegen und keine selbstbestimmte Politik mehr betreiben können. Wie auch am Rückkauf des „Gängeviertels“ ersichtlich wurde, geht auch vom Widerstand gegen rein wirtschaftsrationale Entscheidungen ein deutlicher Druck aus. Dies hat

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drastische Auswirkungen auf das Leben in der Stadt und den sozialen Widerstand und ist besonders zu berücksichtigen, wenn man das Handeln der Stadt Hamburg im Kontext der Fallbeispiele verstehen will. Um dem Anspruch einer “Global City” gerecht zu werden und im internationalen Städtewettkampf zu bestehen, sind fundamentale Veränderungen für die Stadt und ihre Bewohner unausweichlich. So nehmen vor allem, durch eine Internationalisierung der Ökonomie, die Migrationsbewegungen in die Städte zu, was sowohl Arbeitskräfte für den hoch bezahlten als auch für den Niedriglohnsektor anzieht. Dabei spielt die Migration und ihre kulturellen Auswirkungen in den Städten mit ausgeprägter internationaler Vernetzung eine immer wichtigere Rolle. Die zwei Fallbeispiele stellen ihre Forderungen innerhalb des oben beschriebenen Kontextes. Für “Komm in die Gänge” sind die Zunahme der Privatisierung von öffentlichem Gut und die steigende Polarisierung in der Stadt ein wichtiger Punkt ihrer Kritik. Die Bewegung “Lampedusa in Hamburg” ist dagegen ein Beispiel für die Auswirkungen globalen Handelns und der Anziehungskraft von “Global Cities” (Hamburg ist nach dem GaWC-Ranking in der Kategorie Beta+ zu finden). Dabei unterscheiden sich die zwei Bewegungen darin, dass in der „Komm in die Gänge“ Bewegung zu einem großen Teil Personen aus dem kreativen Bereich aktiv sind, denen in den Leitbildern der Stadt eine bedeutende Rolle zugestanden wird, wobei dagegen den Flüchtlingen im allgemeinen Diskurs eher negative Aspekte anhaften: eine Gefahr für die Sicherheit, politische und kulturelle Vorurteile und potentielle Belastung für die Ökonomie und Sozialprogramme. Seit Anfang der 1950er Jahre ist Hamburg, Deutschland allgemein, ein beliebtes Ziel für Zuwanderung, was während des wirtschaftlichen Aufschwungs sogar explizit erwünscht war, doch konnte durch die deutsche Integrationspolitik nie ein gleichgestelltes Niveau von Deutschen und Migranten erreicht werden. Die gezielte deutsche “Gastarbeiterpolitik” (Lebuhn 2008: 207) hat Migranten bis heute als “Ausländer” stigmatisiert und ihnen eine gleichberechtigte Lebenssituation erschwert. Dabei spielt der Faktor mit, dass ein „Gast“ nicht auf Dauer im Land bleiben soll und somit eine intensive Auseinandersetzung mit ihm auch nicht notwendig sei. Wenn es doch zu


einer Diskussion über die Migration in Deutschland kommt, wird vor allem die Andersartigkeit der Ausländer betont, womit sich die Meinung von unüberbrückbaren kulturellen Unterschieden verfestigt. Darüber hinaus wird auch in zwei Lagern unterschieden, denn Migrationspolitik bedeutet auch Standortpolitik, sodass Einwanderer nur geschätzt und willkommen geheißen werden, wenn sie nützliches „Humankaptial“ mitbringen. Flüchtlingen generell und Migranten, die nicht in dieses Schema passen, wird dagegen die Position in Deutschland erschwert. Dies führt dazu, dass die Flüchtlinge der “Lampedusa in Hamburg” Bewegung eher im Sinne einer möglichen Mehrbelastung als ein Mehrwert betrachtet werden. Die steigenden Migrationsströme in die Städte lassen die Stadtpolitik und die Presse eine zurückhaltende bis verteidigende Haltung einnehmen. Die Situation für die Künstler aus dem “Gängeviertel” sieht dagegen ganz anders aus, denn sie zählen zu einer gewünschten, wenn auch nicht hoch bezahlten Schicht in der Stadtgesellschaft. Ihnen wird, nach dem Konzept von Richard Florida, ein Potential für Innovationen nachgesagt, was für einen wirtschaftlichen Wachstum sorgen soll. Die zwei Bewegungen sind also durch sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen geprägt, welche sich für “Komm in die Gänge” als sehr nützlich erwiesen, für “Lampedusa in Hamburg” dagegen die Umstände erschwerten. Diese Betrachtung ist wichtig, um die Forderungen, ihre Aktionen und ihre Rolle in der Stadtpolitik besser verstehen zu können.

Kontext: AUFBAU, STRUKTUR und FORDERUNGEN Sowohl bei der „Lampedusa in Hamburg“ als auch bei der „Komm in die Gänge“ Bewegung ist die organisatorische Infrastruktur auf dem lokalen städtischen Gebiet angesiedelt. Die Stadt Hamburg stellt für beide einen strategischen Ort dar, um ihre Forderungen zu platzieren und Unterstützer zu mobilisieren. Ihre Forderungen zielen dabei auf die stadtpolitische Ebene ab. Unterschiede lassen sich darin

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erkennen, wie die jeweilige Bewegung das städtische Terrain nutzt. Im Fall von „Lampedusa in Hamburg” wurden durch die Bewegung viele verschiedene Menschen mobilisiert , wobei sich vermehrt politisch motivierte Sympathisanten fanden, wie auch vor allem Personen aus dem linken und antirassistischen Milieu die Bewegung unterstützen. Aber auch Personen aus dem bürgerlichen Milieu und Studenten gehören zu den wichtigsten Aktivisten. Beachtlich ist die hohe Beteiligung von Vereinen, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften in den Aktivitäten der Bewegung. Die ehemals starken Gewerkschaften, als eine Vertretung der Arbeitergesellschaft, sind mit dem Ende des Industriezeitalters von einem starken Rückgang an Mitgliedern und von einem Schwund ihres politischen Einflusses betroffen. Die steigende Anzahl an Migranten, Flüchtlingen und den Prekarisierten aus dem Dienstleistungssektor eröffnet dabei ein neues Handlungsfeld für die Gewerkschaften. Die „Lampedusa” Bewegung hat in dem Zeitraum der Untersuchung zehn Demonstrationen abgehalten, dazu kommen noch mehrere Mahnwachen und die seit September wöchentlich stattfindenden Demonstrationen hinzu, für die Teilnehmerzahlen von ca. 60 - 2.500 Personen mobilisiert werden konnten. Mit einer in Hamburg und Berlin gleichzeitig abgehaltenen Demonstration hat die „Lampedusa in Hamburg“ Bewegung einen dezentralen Aktivismus gezeigt und die rege Verwendung von Petitionen verweisen auf einen zeitgemäße Bewegungsform. Die Telefon- und Faxkampagnen verdeutlichen dagegen eine veraltete Form des Aktivismus. Die Bewegung zum ”Gängeviertel” konzentrierte sich dagegen weniger auf die klassische Art des Aktivismus wie Demonstrationen, wenn dann im Zusammenhang mit dem “Recht aus Stadt”-Netzwerk, bei denen sogar Mobilisierungen von ca. 4.000 Personen erreicht wurden. Durch Veranstaltungen wie Ausstellungen etc. konnte die „Komm in die Gänge“ Bewegung weit aus mehr Menschen erreichen: insgesamt 70.000 Personen (Stand 2012). Die Zusammensetzung der „Komm in die Gänge” Bewegung zeigt sich weniger heterogen und obwohl sehr viele Anwohner in Hamburg mit den Aktionen der Bewegung sympathisieren, werden die Personen jedoch nicht direkt im Protest aktiv. Die Teilnahme an Ausstellungen begünstigt zwar eine öffentlich wirksame Präsenz und bietet eine Art Schutz vor polizeilichen


Übergriffen oder staatlichen Repressionen, fördert jedoch kaum den aktiven sozialen Widerstand. Die Beteiligung von gewerkschaftlichen oder betriebsnahen Gruppierungen ist dagegen gar nicht vorhanden, stattdessen konnten Personen der Öffentlichkeit als Unterstützer motiviert werden. Der Kreis der Hauptaktivisten der „Komm in die Gänge” Bewegung besteht aus Personen mit einem sehr hohen Bildungsniveau, die sich den “Kreativen” zuschreiben lassen. Mit der Besetzung will die Bewegung auf negative Entwicklungen der neoliberalen Stadtpolitik aufmerksam machen und fordert einen kulturellen, nicht kommerzialisierten und zentral gelegenen Raum in der Stadt. Dabei wird auch der Zweck bedient, dass die Aktivisten das Privileg genießen können, einen billigen Arbeits- und Wohnraum in der Innenstadt in Anspruch zu nehmen. In ihren Forderungen betont die Bewegung aber, dass diese geographische Verortung in der Stadt durch seine kulturellen Mehrwert als Anfangspunkt für eine gesamtgesellschaftliche Veränderung dienen soll. Die Forderungen werden von der „Komm in die Gänge“ Bewegung im Wir-Kontext gestellt und als „Wir“ wird dabei die Hamburger Zivilgesellschaft gemeint, womit die Forderungen, rein formell, den Zug eines gesamtgesellschaftlichen Anspruchs erhalten. Dagegen ist bei der Formulierung der „Lampedusa in Hamburg“ Bewegung zu bemerken, dass sie sehr klare und konfliktuelle Formulierungen verwendet: „Es ist die Schuld der NATO und der Europäischen Union, dass wir hier sind.“1 “Lampedusa in Hamburg” kämpft für existenzielle Rechte (Wohnung, Arbeit, Bildung, Gesundheit) und fordert diese auch “nur” für die 300 Flüchtlinge; stellt ihre Forderungen also nicht direkt im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Veränderung. Doch vor allem die politischen Aktivsten, die sich mit „Lampedusa in Hamburg“ solidarisiert haben fordern auch die Stärkung der Menschenrechte sowie die Veränderung des Asylrechts und eine “No-Border”-Vision. Zwar sind die konkreten Forderungen sehr zielgerichtet gestellt, doch während ihren Demonstrationen prangern sie auch gesamtgesellschaftliche Missstände an und leisten einen Beitrag in Form von Informationsarbeit über die Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Deutschland. Beide Bewegungen besitzen also zielgerichtete Forderungen und zudem ein kulturelles Zentrum in der Stadt. Die Forderungen unterscheiden sich dadurch, dass die „Komm in die Gänge” sich für den Erhalt

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eines Lebensstandards einsetzt, während die „Lampedusa in Hamburg” Bewegung für Grundrechte kämpft, die ihnen eine Existenz in der Stadt ermöglichen sollen. Die Struktur der Bewegungen zeichnet sich bei beiden Bewegungen durch einen starken Netzwerkcharakter mit einer flachen Hierarchie aus und es lassen sich dezentrale Formen des Aktivismus erkennen, wobei die zwei Bewegungen hauptsächlich moderne Kommunikationsmedien verwenden. Dazu gehört der Gebrauch von Internetmedien via Homepages, Blogs und Newsletter, die Verwendung von Promotionsvideos und auch die Kommunikation über die lokale und nationale Presse. Die „Komm in die Gänge“ Bewegung kann dabei ihr Fachwissen mit einbringen und dadurch ihr Einzugsgebiet stark erweitern, aber auch bei der „Lampedusa in Hamburg“ Bewegung ist der Gebrauch von Kommunikationsmitteln ausschlaggebend, auch wenn ihr Auftritt nicht mit dem gleichen Grad an Professionalität abläuft. Dabei zeigt sich ein weiterer Unterschied darin, wie die Medien die unterschiedlichen Bewegungen bewerteten. Während die „Komm in die Gänge“ Bewegung tendenziell eher in der Gunst der konservativen Medien steht, zeigt sich bei der „Lampedusa in Hamburg“ ein entgegengesetztes Bild. Die „Komm in die Gänge“ Bewegung kann sich an einem gut ausgeprägten lokalen Akteursnetzwerk bedienen, in dem Unterstützung vor allem die Teilnahme an Veranstaltungen bedeutet, aber auch in Form eines hohen Wissenstransfers stattfindet. Die Flüchtlinge der „Lampedusa in Hamburg“ Bewegung sind sozial nicht so ausgeprägt verankert in Hamburg, als dass sie von solchen sozialen Netzwerken im gleichen Maß profitieren könnten. Dabei spielt auch die sprachliche Barriere eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dennoch konnten sie mit der Unterstützung antirassistischer Aktivisten und kirchlicher Einrichtungen auf ein bestehendes Netzwerk zugreifen, wenn auch nicht so intensiv und weitreichend wie das der „Komm in die Gänge“ Aktivisten. Der fortgeschrittene Stand der „Komm in die Gänge“ Bewegung mit ihren institutionalisierten Ablegern des Gängeviertel e.V. und der Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG. verdeutlichen den hohen Grand an Professionalisierung, die notwendig


ist, um als Verhandlungspartner in der Politik und Wirtschaft auftreten zu können. Dabei verliert die Bewegung auch an Zugänglichkeit für neuen Aktivismus. Die Phase, in der Aktivsten zur aktiven Teilnahme an Aktionen gesucht wurden, steht heute weniger im Vordergrund und stattdessen werden jetzt vermehrt Mitglieder gesucht, die der Bewegung finanzielle Mittel bereitstellen. Dabei verliert die Bewegung ihren offenen Charakter, konnte aber durch ihr Prinzip der Vollversammlungen die Entscheidungsfindung im Konsens beibehalten, sodass den entstandenen Hierarchien wenig Entscheidungsgewalt zugestanden wird und diese nur die Funktion einer juristischen Vertretung übernehmen. Bei der „Lampedusa in Hamburg“ Bewegung ist die Struktur weitaus schwächer ausgeprägt. Die Bewegung formiert sich um die 300 Flüchtlinge und der Zusammenhalt bleibt vermutlich nur so lange bestehen, wie die Forderungen im Raum stehen. Bei Erfolg oder Misserfolg existiert die Gefahr, dass die Bewegung wieder in ihre Einzelgruppierung en zerfällt und sich das bestehende Netzwerk auflöst. Die „Komm in die Gänge” Bewegung verfügt durch die Besetzung der Gebäude über einen geographischen Raum und erlangt dadurch eine Verortung in der Stadt, die als Anlaufstelle dient oder als ein ständiger Protest im Stadtraum verstanden werden kann. Dabei dient der Bewegung der materielle Raum zur Umsetzung von weiteren Projekten. Die besetzten Gebäude bieten der „Komm in die Gänge” Bewegung einen Begegnungsraum zwischen Aktivisten und der Öffentlichkeit, was eine starke öffentliche Auseinandersetzung begünstigt. Die Bewegung „Lampedusa in Hamburg” stellt ihre Forderung nach dem Anspruch auf einen Zugang zum städtischen Raum. Das Protestcamp dient ähnlichen Zwecken wie die Besetzung, wird aber von der Öffentlichkeit weniger repräsentativ wahrgenommen und kann auch zu einer abgeneigten Haltung führen, wie bei den gewalttätigen Übergriffen auf die Protestcamps von Ayslbewerbern in Berlin am Oranienplatz und den rassistischen Beschimpfungen in München am Rindermarkt ersichtlich wurde. Zudem kann auch die St. Pauli Kirche nicht die gleichen Möglichkeiten wie die besetzten Häuser der „Komm in die Gänge” Bewegung bieten, wobei ihr Vorteil wiederum darin liegt, einen quasi rechtsfreien Raum zu besitzen, indem die Flüchtlinge vor

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staatlicher Repressionen geschützt sind. Die Besetzung zeigt einen weiteren Unterschied der beiden Bewegungen auf: während die „Lampedusa in Hamburg” Bewegung Grenzüberschreitungen vermeidet, um der Stadt keinen Angriffspunkt für eine Ablehnung ihrer Forderungen zu ermöglichen und um ihre rechtlich unsichere Situation nicht weiter zu gefährden, zielt die „Komm in die Gänge” Bewegung bewusst darauf ab, durch die Überschreitung von Gesetzen, einer kontrollierten Rechtsverletzung, ihre Forderungen durchzusetzen. Dass es dabei nicht zu einer polizeilichen Repression kam, liegt an einem Zusammenspiel bereits genannter Gründe, was zum einen die Unterstützung durch Personen der Öffentlichkeit und durch die zahlreichen Teilnehmer am Hoffest sowie der Bedeutung von „Kreativen“ in den Stadtentwicklungsleitbildern umfasst, zum anderen dem geschuldet ist, dass die Bewegung sich in bewusster Abgrenzung zum politisch linken Milieu präsentiert und die Politik von Beginn an in den Protest integrierte, wofür sie sogar zustimmende Äußerungen von Politiker bekamen.


7. AUSBLICK F

ür eine Ausblick über die Potentiale und Herausforderungen von urbanen sozialen Bewegungen ist vorerst ein Rückblick über die hier abgehandelten Themen notwendig. Dem Aufkommen des Neoliberalismus als wirtschaftliches Entwicklungsmodell und politisches Konzept wird ein großer Einfluss auf die Ausgestaltung der heutigen Städte zugeschrieben. Der keynesianische Interventionstaat war geprägt von regulierenden Eingriffen, an dem sich der Widerstand der Gesellschaft bündelte. Das Aufkommen des Neoliberalismus hat den Markt den ungezügelten Kräften von Angebot und Nachfrage geöffnet und eine freie Marktwirtschaft etabliert. Freiheit wird in diesem Zusammenhang auch „frei“ von planenden und regulierenden Eingriffen des Staates gedeutet. Die aufgestellte Behauptung, dass sich die lokale Politik einer komplette Unterordnung an marktwirtschaftliche Zwänge und internationale Verpflichtungen unterwerfen muss, konnte an dem Beispiel Hamburg nicht bestätigt werden. Die Politik in Hamburg verfügt noch über die Fähigkeit, Entscheidungen nach ihren Maßstäben zu beurteilen und ist keineswegs „machtlos“. Dennoch kann die These der Wirkungskraft einer neoliberalen Logik auch nicht als unwahr abgestempelt werden, da sich auch genügend Beispiel finden lassen, in denen zugunsten einer marktwirtschaftlichen Handlungsweise entschieden wurde. Hamburg orientiert sich an einer neoliberalen Logik, gemäß welcher marktwirtschaftlichen Überlegungen als Maßstab für Stadtpolitik und Stadtentwicklungskonzepte eine gewichtige Bedeutung zugestanden wird und die Verwaltung an unternehmerische Strukturen anpasst wird. Dabei wird die Verwaltung grundlegenden Umgestaltungen unterworfen, die ein wirtschaftliches Handeln begünstigen. Ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung von marktwirtschaftlichen Anforderungen, wie am Beispiel Hamburg ersichtlich wurde, ist die Verwendung von Leitbildern wie das der „Creative City“. Dabei konzentriert sich die

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Stadtentwicklung auf die Förderung von bestimmten, für den Markt günstigen Voraussetzungen und gewichtet ihre Prioritäten nach diesem Anspruch. Als eine Folge lässt sich die untergeordnete Rolle von sozialen Maßnahmen erkennen und eine Umwandlung von sozialen Programmen, indem vermehrt auf Eigenverantwortung gesetzt wird. Die zwei untersuchten Fallbeispiele lassen sich in diesem Kontext einordnen. Die „Komm in die Gänge“ Bewegung konstruiert sich aus Aktivsten, die einer für marktwirtschaftliche Zwecke profitablen gesellschaftlichen Gruppierung angehören. Die „Lampedusa in Hamburg“ Bewegung stellt dagegen eine Gruppe dar, der keine besonderen Fähigkeiten für den Markt zugesprochen werden. Die Internationalisierung und der globale Wettbewerb der Städte lässt lokale und nationale Grenzen verschwinden und internationale Bedingungen gewinnen an Bedeutung. Aus diesem Grund orientiert sich eine Stadt wie Hamburg an globalen Maßstäben und wirbt international für Fachkräfte und Kapital. Dabei entstehen auch Effekte, die einen Zustrom von Migranten und Flüchtlingen begünstigen, denn da einzelne Städte eine internationale Bedeutung einnehmen, geraten genau diese vermehrt in den Fokus von Personen, die aus ihren wirtschaftlich prekären Situationen entkommen wollen. Städte mit internationaler Ausstrahlungskraft wie Hamburg zeigen deswegen disparate Entwicklungen auf. Dabei lassen sich zum einen eine hohe Dichte an Fachkräften auffinden und zum anderen jedoch auch eine steigende Anzahl von Personen, die keinen Zugang zum Arbeitsmarkt finden. Diese Situation verstärkt sich, indem der veränderte Arbeitsmarkt, vornehmlich die wachsende Dienstleistungsbranche, wenig hoch bezahlte und dafür viele niedrig bezahlte Arbeitsplätze hervorbringt. Diese Entwicklungen begünstigen eine Polarisierung in den Städten. Margit Mayer merkt diesbezüglich an, dass sich die Zustände nicht auf einen Antagonismus zwischen dem „bösen“ übermächtigen Finanzmärkten und „guten“ lokal en Betroffenen reduzieren lässt (Mayer, 1998). Dennoch


kommen den Konflikten der marginalisierten Teile der Gesellschaft in Städten wie Hamburg eine bedeutende Gewichtung zu. Saskia Sassen schreibt in „Whose city is it?“ dazu: „[The] marginalized people have found their voice and are making claims on the city as well“ (zitiert nach Lebuhn 2008: 192). Diese Behauptung lässt sich, besonders unter dem verstärkten Auftreten von Protest von Asylsuchenden in Deutschland, bestätigen. Demonstrationen, Hungerstreiks und räumliche Aneignungen durch Protestcamps und Besetzungen, wie z.B. die Besetzung von Räumen des Deutschen Gewerkschaftbunds in München durch Asylsuchende, zeigen ein verstärktes Aufkommen von urbanen sozialen Bewegungen aus dem Milieu der Asylsuchenden und Migranten auf. Dabei tritt auch der Aspekt der selbstständigen Organisation immer weiter in der Vordergrund und etabliert ein selbstbewusstes Protestmilieu. Die veränderten Bedingungen und die krisenhaften Erschütterungen der Wirtschaft haben indes das Interesse der Stadtpolitik an sozialem Aktivismus gestärkt. Im gesellschaftlichen Engagement wird ein nützlicher „Gebrauchswert“ erkannt, der durch die Verwendung von ehrenamtlich erstellen Ideen und Konzepten auch der Stadtpolitik einen Nutzen am „Sozialen Kapital“ verschafft. Aktivismus bekommt damit einen „Tauschwert“ zugestanden, sofern der Aktivismus sich nicht komplett gegen eine marktwirtschaftliche Logik richtet. Auch scheinbar unwirtschaftliche Projekte können das Image einer erfolgreichen Stadt vermitteln und damit positive Effekte auf die wirtschaftliche Anziehungskraft ausüben. Dabei zeigt die Stadtpolitik auch eine Übernahme von „Best-Practice“ Beispielen der urbanen sozialen Bewegungen. In Hamburg wird vermehrt mit Projekten von ehrenamtlich organisierten Gruppierungen geworben und unter bestimmten Bedingungen wird Aktivismus sogar gefördert, sofern positive wirtschaftliche Effekte oder soziale Ausgleichsmaßnahmen davon zu erhoffen sind. Dies hat zur Folge, dass sich das Milieu der Bewegungen spaltet, indem zwischen einem Aktivismus zur Begünstigung von ökonomischen Auswirkungen und konträren, auf Konfrontation ausgelegten Bewegungen, unterschieden wird. Eine Hinwendung zum städtischen Politikfeld bringt

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auch einen erhöhten realpolitischen Anpassungsruck mit sich, der Bewegungen an einen konformen Aktivismus bindet, da ansonsten z.B. Fördermittel gestrichen werden. Bewegungen wie „Komm in die Gänge“ sehen sich deswegen der Gefahr ausgesetzt, ihren Ansatz eines sozialen Widerstandes zu verlieren und sich in marktwirtschaftliche Zwänge und zu Marketingzwecken instrumentalisieren zu lassen oder dass sich ihre Forderungen nur noch auf den Erhalt ihrer Stellung beziehen. Dagegen kann aber auch die Behauptung aufgestellt werden, dass durch eine zustimmende Haltung der Politik bestimmte Projekte von Bewegungen auf geringen Widerstand stoßen und auch positive Effekte fern ab von neoliberalistischen Idealen erzeugen können. Die Bewegung „Lampedusa in Hamburg“ passt zum derzeitigen Standpunkt in keines der angesprochenen begünstigten Felder der Stadtpolitik. Ihren Forderungen wird eine soziale Belastung angerechnet, obwohl viele der Aktivisten wohlfahrtsstaatliche Aufgaben umsetzen, indem sie die Verantwortung für 300 Flüchtlinge übernehmen. Dabei spielt die Migration eine wichtige Rolle in der Positionierung der heutigen Städte und deswegen könnten sich auch aus diesem Aktivismus positive Effekte erhoffen lassen. Dennoch lässt sich erkennen, dass die Stadt gegenüber dieser Bewegung eine verteidigende Position einnimmt und sich ein Aktivismus für die Bewegung unter erschwerten Bedingungen durchsetzten muss. Bewegungen, die sich für die Rechte von marginalisierten Bewohnern einer Stadt einsetzten, wird auch nur ein geringer „Tauschwert“ zugestanden, obwohl ihr „Gebrauchswert“, im Sinne einer gerechteren Gesellschaft, ungemein höher sein müsste.

KULTUR vs. POLITIK Die beiden Fallbeispiele zeigen Unterschiede in der Art ihrer Forderungen. Tritt die „Lampedusa in Hamburg“ Bewegung als politische Opposition auf, lässt sich die „Komm in die Gänge“ Bewegung als kultureller Aktivismus interpretieren. In der Untersuchung wurde ersichtlich, dass sich eine Orientierung auf die Kultur als vorteilhaft erweist, da sie nicht auf direkte Konfrontationen ausgelegt ist und


der Stadtpolitik nicht konträr gegenüber steht. Politischer Aktivismus zieht hingegen eine direkte Auseinandersetzung und Konsequenzen nach sich. Ein kultureller Aktivismus zwingt dagegen nicht zur einer Auseinandersetzung oder einer Stellungnahme. Diese Haltung ermöglicht einen breiteren Rückhalt von Politik und der Gesellschaft, da ein eindeutige Entscheidung nicht notwendig ist. Die „Komm in die Gänge“ Bewegung verdankt ihren Erfolg einer zurückhaltenderen Positionierung von politischen Forderungen. Obwohl ihre Besetzung eine Kritik an der unternehmerischen Stadtpolitik darstellt, forderten sie nicht eine Abkehr von der Politik, sondern einen kulturellen Freiraum. Diedrich Diedrichsen formuliert den Unterschied zwischen Politik und Kultur anschaulich an einem Beispiel aus der linken Szene: „ „Punk“ aber ist der kulturelle Name, „Autonome“ der politische. Auf der kulturellen Ebenen kann man verhandeln, auf der Ebenen der politischen Konsequenz symbolischer Dissidenz nicht. Genau auf dieser Ebenen reagiert dann später die offizielle Politik auf die Fragen der Migration: als Kultur verhandelbar, als poltische Subjekte nicht.“ Diedrichsen (1995: 128)

Berücksichtigt man diese Überlegung, rückt der Protest der Flüchtlinge in ein neues Licht: ihre Forderungen und vor allem die Konsequenzen ihrer Forderungen stellen schwerwiegende politische Entscheidungen dar, die nachhaltige Auswirkungen mit sich bringen. Deswegen gestaltet sich ein Protest, der auf Konfrontation und direkte Veränderungen ausgelegt ist, schwieriger als ein Protest, der nur einen Möglichkeitsraum für Veränderungen einfordert. Inwieweit jedoch eine kultureller Aktivismus eine ernsthafte Auseinandersetzung mit politischen und sozialen Missständen bewirken kann, ist fraglich.

PERSPEKTIVEN und HERAUSFORDERUNGEN Urbane soziale Bewegungen reagieren auf gesellschaftliche Umstände, wie bei der Entwicklung der urbanen Bewegungen ersichtlich wurde. Dabei zeichnen sich Bewegungen auch dadurch aus, dass sie sich wandlungfähig zeigen und sich an veränderte Bedingungen anpassen können. Deswegen unterscheidet sich der heutige Aktivmus von dem um „kollektiven Konsum“ wie Manuel Castells ihn in den 1960/70er beschrieben hat. Aber der Aktivismus unterscheidet sich auch gegenüber dem aus den 1990er Jahren und erlebte in den 2000er Jahren einen erneuten Aufschwung, wie in den Protesten in Athen, Istanbul oder Sao Paulo mit mehreren zehntausend Demonstranten und tagelanger gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen militanten Aktivisten und hochgerüsteten Spezialkräften der Polizei zu sehen war. Natürlich stellt dies ein anders Extrem dar, als wir in der Untersuchung in Hamburg erleben konnte, dennoch wird daraus deutlich, wie weit der Protest als Hoffnung auf Veränderung einerseits und auf der Gegenseite als Gefahr andererseits wahrgenommen wird und rückt die urbanen sozialen Bewegungen insgesamt in das Licht der Aufmerksamkeit. Bewegungen können durch breite heterogene Zusammenschlüsse bestehende Herrschaftsstrukturen unter Druck setzen, dafür ist es aber notwendig, dass ein großflächiger Zusammenhalt generiert wird und der Aktivismus vor Ort wie auch auf globaler Ebene in einen Zusammenhang gesetzt wird. Solange jede urbane soziale Bewegung für sich alleine kämpfen muss, können Proteste und Forderungen leicht verweigert werden und das Potential auf Veränderung und der Unmut der vielen Aktivisten verliert seine Relevanz. Die Fallbeispiele aus Hamburg ordnen sich in ein anderes Handlungsmuster der urbanen sozialen Bewegungen ein und generieren Aufmerksamkeit durch eine neue Form des Aktivismus. Sie machen dabei auch ersichtlich, dass urbane soziale Bewegungen auf der stadtpolitischen Ebenen eine enorme Kraft entfalten können, sofern es ihnen gelingt, eine große und heterogene Masse an Menschen zu mobilisieren.

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Dabei konnte jede der Bewegungen an unterschiedliche Motivationen der Teilnehmer anknüpfen. Die Vielfalt und Offenheit in den Themen ermöglichen es urbanen sozialen Bewegungen, unterschiedliche Interessen in Einklang zu bringen. Von wichtiger Bedeutung erscheint dabei die Bildung von starken Netzwerken, in denen sich Protestwissen sammeln kann, personelle wie auch organisatorische Ressourcen gebündelt werden können und durch neue Mittel der Kommunikation nutzbar werden. Daraus entsteht eine neue progressive und effektive Form des Aktivismus. Als ausschlaggebend gestalteten sich auch die face-to-face Kontakte, die in ein wichtiges Kennzeichen von urbanem Aktivismus sind. Diese Kontakte zeigen sich als effektive Formen, um Ideen direkt zu vermitteln und stärken die Bindung in den Netzwerken. Dabei bergen große Netzwerke aber auch die Gefahr in sich, einen geringen Gruppenzusammenhalt zu konstruieren, der keiner dauerhaften Konstante unterliegt. Dies macht deutlich, dass ein Zusammenhalt nicht nur rein idealistisch funktionieren kann. Als nützlich für eine kollektive Identität erwies sich ein physischer Ort, an dem Solidarität und gegenseitiger Austausch erfahrbar werden. Mit diesen Voraussetzungen besteht die Möglichkeit, dass eine urbane soziale Bewegung eine intensive Dynamik als Netzwerke formieren kann und sich wandlungsfähig im Sinne unterschiedlicher Formen des Protests erweisen kann. In diesem Fall erscheint der „Recht aus Stadt“ Slogan als nützlich, unter dem sich unterschiedliche gesellschaftliche Gruppierungen zusammenfinden und gegenseitig unterstützen. Verloren geht dabei der Antagonismus, der durch eine Instrumentalisierung bestimmter Bewegungen der Politik entsteht, da Erfolge von einzelnen Gruppen positive Auswirkungen für das ganze Netzwerk haben können.

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Fußnotenverzeichnis

Stadtentwicklungen in Hamburg und die Veränderungen im urbanen Protest 1

S. 25 - 33

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2 http://metropolregion.hamburg.de/statistikportal-tabelle-bevoelkerung/ zugriff 16.08.2013 3

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4

Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein März 2013)

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Fallbeispiel: „Lampedusa in Hamburg“ 1 http://lampedusa-in-hh.bplaced.net/wordpress/page/2/ zugriff am 18.08.2013 2 http://www.neues-deutschland.de/artikel/824578.am-tag-als-gott-die-ernuechterung-erschuf.html zugriff am 18.08.2013 3

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4

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http://thecaravan.org/files/caravan/Lampedusa%20in%20Hamburg%20II_de.pdf zugriff am 26.08)

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http://koptisch.wordpress.com/2013/06/04/brauner-lob-kirche-humaner-als-spd-senat/ zugriff am 27.08.2013

19 http://hamburg-mitte.bezirkspiraten.de/2013/06/eilantrag-der-piraten-abgelehnt-refugeeproteste-gehen-weiter/ zugriff am 27.08.2013 20 https://www.openpetition.de/petition/online/aufschub-fuer-libyen-fluechtlinge-hamburger-moratorium-jetzt-spd-muss-humanitaere-loesung zulassen zugriff am 27.08.2013 l 21 http://www.hinzundkunzt.de/senat-halt-an-abschiebung-fest/ zugriff am 27.08.2013 22

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23

http://lampedusa-in-hh.bplaced.net/wordpress/page/2/ zugriff am 28.08.2013

Fallbeispiel: „Komm in die Gänge“

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Vergleichende Gegen端berstellung und Ausblick

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1

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zugriff am 13.09.2013

S. 63 - 71


f Medien端bersicht und Anhang

CD

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Eidesstaatliche Erkl채rung Hiermit versichere ich, die vorliegende Arbeit selbstst채ndig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen, Hilfsmittel und Berater hinzugezogen zu haben.

Weimar, 30.09.2013 ________________________ Michael Dieminger

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Bachelor-Thesis von: Michael Dieminger michael.p.dieminger@gmail.com 82


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