Müder Massenkanal

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Management | 19

handelszeitung | Nr. 15 | 11. April 2013

Müder Massenkanal

Soziale Netzwerke Facebook verliert junge Nutzer – und als Kommunikations- und Werbemittel für Schweizer Firmen an Bedeutung. LAurina Waltersperger

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Lediglich eine Möglichkeit im Web Die Nutzerzahlen auf Facebook sind vor allem bei den Jungen zwischen 20 und 29 Jahren stark zurückgegangen, wie die Kommunikationsagentur Bernet PR in ­ihrem Bericht zum ersten Quartal 2013 schreibt. In den vergangenen drei Monaten verzeichnete Facebook rund 38000 aktive Profile weniger. «Facebook ist bei jungen Nutzern uncool geworden», sagt Kommunikationsexperte Peter Felser. Allerdings erzielte dieser Kanal in den letzten Jahren die grösste Reichweite überhaupt im Sozialen Netz und zählt immer noch über eine Milliarde Mitglieder. Doch wenn der Mainstream kommt, gehen die ersten Mitglieder wieder. Das sind vorwiegend junge Nutzer. Sie haben genug und suchen den nächsten Trend. Die Facebook-Euphorie

Social Web

Tipps für die richtige Strategie Social-Media-Experten wie Peter Metzinger geben Unternehmen ­folgende Ratschläge, um im Internet erfolgreich zu kommunizieren: 1. Eine Bedürfnisanalyse vornehmen. Dabei festlegen, wofür die sozialen Kanäle genutzt werden sollen. 2. Eine Zielgruppenanalyse durchführen. Welche Kundengruppen ­werden angesprochen, und auf ­welchen Sozialen Netzwerken ­erreicht das Unternehmen sie? 3. Kriterien festlegen. Genaue Kriterien definieren und diese in einem Pilotprojekt überprüfen. Mögliche Messgrössen sind Verkaufs-, Nutzerund Interaktionszahlen.

KEYSTONE/DPA/Jens Büttner

it einem Wettbewerb suchte der Schweizer Online-Anbieter Digi­ tec auf Facebook nach dem Gesicht für seinen nächsten TV-Spot. Die Bewerber reichten eifrig Video-Botschaften ein. In früheren Ausschreibungen hatten vorwiegend junge Köpfe mit Kapuzenpullis um die Gunst der Juroren geworben. Nun standen Redner mit einer ruhigeren Rhetorik vor der Kamera. «Während un­ sere aktive Fanbasis auf Facebook früher zwischen 18 und 24 Jahre alt war, ist sie heute auf 25 bis 34 Jahre gealtert», sagt Sprecherin Stefanie Hynek. Das Digitec-Beispiel zeigt, wie sich die Welt im Social Web verändert. Das hat Konsequenzen für Firmen, die bisher auf eine junge Zielgruppe bei Facebook gesetzt haben. Mit dem neuen Nutzerverhalten in Sozialen Netzwerken müssen die Unternehmen ihre Social-Media-Strategie überdenken.

Facebook-Nutzer: Business-Kanäle wie LinkedIn oder Xing bedienen einzelne ­Bedürfnisse besser als der Gigant aus Kalifornien.

sei ohnehin völlig überzeichnet gewesen, findet Felser. Die Medien hätten den Hype angetrieben. Letztlich sei Facebook aber bloss eine Möglichkeit von vielen Kanälen im Web. Mareike Ahlers, Social-Media-­ Expertin an der Universität Basel, stellt nun bei den Jungen eine gewisse Überdrüssigkeit fest. «Viele User haben schlicht genug davon, sich ständig realtime auf ­Facebook auszutauschen.» So sind es bei Digitec jetzt mehr ältere Nutzer, die junge Kommentarschreiber auf der Facebook-Fanseite ablösen und die Timeline füttern. Die Jungen nutzen zunehmend neue Kanäle wie WhatsApp oder Instagram, die gezieltere Interessen bedienen und mobil besser verfügbar sind. «Es findet ein Paradigmawechsel hin zu mehr Mobilität statt», sagt Manuel P. Nappo, Studienleiter für Social Media ­Management an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ). Der Pionier Facebook hinke hinterher. Für Kommunika­ tionsexperte Peter Felser führt das Massen­ frönen auf Facebook zu einer Fragmen­ tierung im Markt. «Business-Kanäle wie LinkedIn oder Xing bedienen einzelne ­Bedürfnisse besser als die Massen-Plattform.» Facebook verliere dadurch klar an Bedeutung. Beim Detailhandels-Riesen Migros hat das Team um Sergio Mare schon früh ­gemerkt, dass zusätzliche Kanäle gefragt sind und als Austausch- und Informa­ tionsplattform dienen. Nachdem das Unternehmen 2009 die erste Facebook-Seite

geschaltet hatte, folgte 2010 die Plattform «Migipedia». Für die Migros war klar, «wenn wir eine starke Community und ein unmittelbares Feedback zu unseren Produkten wollen, dann brauchen wir dafür eine eigene Plattform», sagt Sergio Mare, der für die Migros-Online-Kommunikation zuständig ist. «Migipedia» umfasst 13 000 Migros-Produkte und zählt 35 000 regis­ trierte Nutzer. Bislang haben Kunden über 150 000 Rückmeldungen abgegeben. Gegenüber Facebook sieht Mare klare Vorteile. «Der Community-Gedanke ist auf Migipedia stärker, unsere gewonnenen Erkenntnisse spezifischer.» Damit kann die Migros schneller auf die Kundenwünsche und Anregungen eingehen und ihre Produkte verbessern.

Reichweite reicht nicht Migipedias Erfolg zeigt für Mareike Ahler, dass «spezifische Plattformen für viele Unternehmen oft zielgerichteter als der Massenkanal Facebook sind». Es sei wichtig zu wissen, wen man anspricht und wo sich dieses Zielpublikum befindet. Userund Experten-Foren böten hierzu oft einen reichen Fundus an Daten zu Bedürfnissen, Interessen und neuen Trends: Was will der sportaffine Single, was die ernährungsbewusste Mutter? Gerade für mittelständische Unternehmen und Nischen­ anbieter empfehlen sich diese Kanäle, so Manuel P. Nappo von der HWZ. Wenn das junge Publikum Facebook zunehmend verlässt, sind es gerade auch diese Firmen,

die sich überlegen müssen, ob sie den die Facebook-Aktivitäten eines UnternehKanal überhaupt noch brauchen. «Auf mens sind. «Die wenigsten schöpfen das Facebook haben sie mehr Konkurrenz. Potenzial voll aus.» Einweg-Kommunika­ Die Kosten, um Aufmerksamkeit zu gene- tion präge das Verhalten der meisten auf rieren, sind dementsprechend hoch», sagt Social Media. Der Dialog müsse verstärkt werden, um die Datengewinnung aus den Nappo. Der Online-Anbieter Digitec zählt auf Sozialen Netzwerken zu erhöhen. Darin Facebook knapp 29 000 Fans. Das Reich- liege das weit grössere Potenzial als in howeitenwachstum habe abgenommen, hen Reichweiteraten. «Firmen können stellt Sprecherin Hynek fest. Hingegen fin- diese Daten zur kostenfreien Marktforschung nutzen», erklärt Ahdet bei der Live-Kommenlers. Ein Fundus, welcher tar-Funktion zu den einzel«Facebook ist noch lange nicht erschöpft sei. nen Digitec-Produkten auf bei jungen Dieses Potenzial hat die der firmeneigenen WebseiMigros früh ­erkannt. Auf «Mite ein reger Austausch statt. Nutzern uncool gipedia» fliesst das ProdukteDas sei der ideale Platz für geworden.» Feedback verlässlich. «ProWettbewerbe und AktioPeter Felser dukteverbesserungen können, sagt Hynek. Kommunikationsnen wir so laufend vornehTrotz aller Kritik behält Experte men», sagt Sergio Mare. DaFacebook auch Vorteile für neben sei das «Social-ListeUnternehmen. So verfügt die Migros auf Facebook über 600 000 ning» in Foren, auf Twitter oder Facebook Fans und betreibt mehrere Seiten wie Fa- ein wichtiger Aspekt der Marktforschung: migros, M-Budget oder Generation-M. «Es geht darum, den Puls der Zielgruppen Die Reichweite, die Facebook bietet, sei zu fühlen.» Ob Digitec bei ihrer nächsten Ausbislang ungeschlagen und steige noch, sagt Mare. Obwohl es eine Abwanderung schreibung auf Facebook für einen Werbeder Jungen sowie eine Fragmentierung im spot bald ergraute Mittvierziger zum vir­ Markt gebe – «die Reichweite von Face- tuellen Casting lädt, werden der Trend-­ book kann bis anhin kein anderer Kanal Hunger junger Nutzer und die Entwick­­kations­ex­ lung alternativer Social-Media-Kanäle überbieten», sagt Kom­ muni­ perte Felser. Zum jetzigen Zeitpunkt sei zeigen. Digitec prüft neue Kanäle wie Facebook aus der Social-­Media-Strategie Google+. Die Reichweite sei noch vernicht wegzudenken. gleichsweise klein – «das Wachstum im Für Mareike Ahlers bieten die Verschie- Gegensatz zu Facebook aber deutlich bungen Gelegenheit zu prüfen, wie effektiv sichtbar».

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