Yea(h)rbook
Institute for Digital Business
N°
7
Und, Action.
W
Liebe Interessierte und Engagierte
ir schlagen nicht nur ein neues Kapitel auf, sondern starten wie Star Wars, Der Herr der Ringe und Der Pate mit dem vorliegenden Yea(h)rbook eine neue Trilogie. Die letzten drei Ausgaben zeigten sich jeweils im gleichen Format, aber unterschiedlichen Farben. Bei der aktuellen Dreierreihe bleiben wir den Farben treu, spielen aber umso mehr mit den Formaten. Die Zeitung ist das erste Werk – und ich bin selbst gespannt, mit welch wunderbar analogen Spielereien die Trilogie in den nächsten zwei Jahren weitergehen wird. 2022 und das Institute for Digital Business spielt mit analogen Medien – was läuft?
Das Leben. Und das schnell. Es sind nicht einfach nur Technologien, die sich rasant weiterentwickeln. Mit ihnen wandeln sich auch Wirtschaft und Gesellschaft – und damit unser Alltag und Zusammenleben. Wir können und wollen das Digitale nicht losgelöst von allem anderen betrachten. Für eine nachhaltige Zukunft braucht es den Blick fürs Ganze, davon bin ich überzeugt. Eben auch für das ausserhalb der digitalen Welt. Nur so gelingt es uns, die Herausforderungen der Zukunft nachhaltig zu lösen. Darum nähern wir uns auch als Institut bewusst stärker den ganzheitlichen Themen. Wir tun dies zum Beispiel mit neuen Produkten wie dem CAS New Work. Schliesslich sind es die Mitarbeitenden, welche die Unternehmen und Organisationen des Landes weiterbringen und dafür sorgen, dass die Schweiz als Wirtschaftsstandort auch weiterhin vorne mitmischt. Welche Zukunft wollen wir schaffen?
Das ist doch letztlich die Frage, die wir uns jeden Tag stellen – oder unbedingt stellen sollten. Für mich ist klar: Eine Zukunft, in der das Miteinander im Zentrum steht. Diese Trilogie kann und will ich nicht alleine schreiben. Danke, dass so viele Menschen mit ihrem Wirken einen wichtigen Teil dazu beitragen.
HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich
2022
Das Jahr in Zahlen Über den besten Jahrgang, unseren Papierverbrauch, die längste Anreise, Multikulti im Team, neue Speaker-Talente und Liebe im CAS - 14 erstaunliche Zahlen und Fakten aus dem vergangen HWZ Digital-Jahr. Seite 7
„Nerds retten die Welt“ Aus unserer lebhaften Interview-Reihe: Daniel Graf über eine globale Demokratie in virtuellen Räumen und weitere Perspektiven für die Zukunft. Seite 11
Ideen zum Leben erwecken Sarah Nünlist und zwei weitere ehemalige Studierende erzählen in begeisternden Beiträgen von ihrem Weg und ihren Wagnissen. Seite 22
LFG, Manuel P. Nappo
In neuem Kleid Nicht nur unser Yea(h)rbook kommt in einem komplett neuen Look daher. Auch unser Blog hwzdigital.ch und der Newsletter haben einen frischen Anstrich bekommen. Check it out.
“The quality I look for most is optimism: especially optimism in the face of reverses and apparent defeat. Optimism is true moral courage.” Von Ernest Shackleton
Inhalt / Impressum
Yea(h)rbook 2022 Das Yea(h)rbook 2022 des Institute for Digital Business bietet Einblick in die aktuellen Themen der Dozierenden und Studierenden aus dem Digital Education Ecosystem der HWZ. In Form von Fachbeiträgen, Interviews und Erfolgsgeschichten werden in der vorliegenden Publikation topaktuelle Themen der Digitalisierung aufgegriffen.
Impressum
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Herausgeber: Manuel P. Nappo
Framework für eine ethische KI-Strategie
Eigentümer:
Natalie Strutz
Institute for Digital Business HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich Lagerstrasse 5, Postfach, 8021 Zürich hwzdigital.ch
Wieso scheitern Schweizer Tech-Start-ups? Yetvart Artinyan
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Stephanie von Arx 5G – So entsteht eine ausgewogene Diskussion
MAS Digital Business
Von langen Partynächten zum langen Leben
Digitale Gewalt ist Gewalt
Interviews: Jrene Rolli, hellojrene.ch
Jolanda Spiess-Hegglin
Gestaltung: Artdirection: Adrian Hablützel, artdepartment.ch Illustrationen: Adrian Hablützel, artdepartment.ch Fotos: Anne Gabriel-Jürgens, gabriel-juergens.net
Ressortleitung: EMBA Digital Leadership: Sunnie J. Groeneveld, Manuel P. Nappo MAS Digital Business: Manuel P. Nappo
Oliver Flueckiger
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Das grösste Potenzial steckt in den Köpfen des Managements
Künstliche Intelligenz Vertrauen bedingt Verwundbarkeit
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Marisa Tschopp
CAS AI Management: Afke Schouten
21 Civic-Tech
Interviews Blog Know-how Success
Facts & figures des Institute for Digital Business
2021 in Zahlen
Über uns
Autor:innen: Dozierende und Studierende der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich
Initialzündung auf fruchtbarem Boden
Isabel Carbotta
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Gemeinsam gegen Hass
Start-up-Cluster
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Das Institute for Digital Business
Textchefin: Jrene Rolli, hellojrene.ch
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Marc P. Bernegger
Christopher Moll
Chefredaktorin: Marianne Lütolf
Ein digitaler Zwilling von Schaffhausen
Daniel Graf
Vorbei sind die Hiobsbotschaften: „Nerds retten die Welt“
Sandro Scalco
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Change Management in Bezug auf KI: Brücken bauen und Involvement schaffen Cédric Bourquin
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Smart Contracts: Selecta-Automaten im Web Manuel Hofmann
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Dark UX Writing – «Willst du das wirklich verpassen?» Sarah Hefti
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Content & Community Vom Pony-Club zur grossen Liebe Sarah Nünlist
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Agiles Mindset
Nach dem CAS ist vor “The Wolfgang” Silvan Gertsch
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Die MAS Digital Business Absolvent:innen im Überblick
Class of 2021
Kundenfokus erhöhen, ROPO-Effekt reduzieren
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Redaktion:
CAS AI Operations: Afke Schouten CAS Digital Ethics: Cornelia Diethelm CAS Digital Leadership: Sven Ruoss CAS Digital Marketing Pro: Isabel Carbotta, Dominic Stöcklin CAS Digital Masterclass: Manuel P. Nappo CAS Digital Product Lead: Ralph Hutter CAS Disruptive Technologies: Arijana Walcott CAS Legal Tech: Ioannis Martinis CAS New Work: Sarah Genner CAS Platforms & Ecosystems: Ralph Hutter CAS Social Media & Content Marketing: Dominic Stöcklin
Studiengangsbetreuung: EMBA Digital Leadership: Elena Zegg Master-Studiengänge: Jasmin Beutler, Evi Tolis
Beiräte: Bruno Baeriswyl, Marc P. Bernegger, Sarah Genner, Markus Iofcea, Patrizia Laeri, Daniela Landherr, Cyril Meier
Realisation: Marianne Lütolf März, 2022
Urheber- und Nutzungsrechte Die Inhalte des Yea(h)rbook 2022 wurden mit grösstmöglicher Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. Dennoch übernimmt der Herausgeber keine Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben sowie Inhalte. Die in dieser Publikation veröffentlichten Inhalte, Werke und Informationen unterliegen dem schweizerischen Urheberrecht. Jede Art der Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung ausserhalb der Grenzen des Urheberrechts erfordert eine schriftliche Zustimmung des Herausgebers im Voraus.
Cartoon Von
Jill Metzger
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Über uns
Das Institute for Digital Business Über uns
Angebot
Das Institute for Digital Business ist ein schweizweites Kompetenzzentrum für digitale Transformation und neue Disziplinen in Wirtschaft, Recht und Gesellschaft. Es liefert relevante, anwendungsorientierte Inputs in Form von Weiterbildungen, Schulungen, Publikationen, Beratungen und Studien mit dem Ziel, einen positiven Einfluss auf den digitalen Wandel der Schweiz zu haben.
Der EMBA Digital Leadership, MAS Digital Business sowie die zwölf Zertifikatslehrgänge werden vom Institute for Digital Business entwickelt und durchgeführt. Die Studiengänge können dem untenstehenden Digital-Business-Modell der HWZ zugeordnet werden. Die Unterscheidung der drei Bereiche Business, Technology und Culture, die mit der digitalen Entwicklung einhergehen, bildet die konzeptionelle Grundlage für das Modell. Nachstehend findet sich unser Angebot an Studiengängen aus dem Digitalbereich: Vom CAS Legal Tech über Disruptive Technologies bis hin zum CAS New Work. Der letztere und zugleich jüngste Lehrgang startet erstmals im September 2022 und setzt sich mit digitalen Arbeitsprozessen und veränderten Erwartungen von Mitarbeitenden in mobil-flexiblen Arbeitskontexten auseinander.
Mission “Als Institut möchten wir eine positive Wirkung auf die digitale Transformation in der Schweiz haben, indem wir befähigende und inspirierende Studiengänge im Digitalbereich anbieten und relevantes und angewandtes Wissen zur Verfügung stellen.”
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CAS Legal Tech
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Das Institute for Digital Business realisiert zudem massgeschneiderte Kurse und Workshops für Unternehmen, Verbände und Verwaltungen. Die Schulungen werden grundsätzlich nach den individuellen Bedürfnissen der Unternehmen aufgebaut und umgesetzt. So unterstützt das Institut seine Kund:innen beispielsweise bei einer Potenzialanalyse, bei der Entwicklung einer digitalen Vision oder der Implementierung einer Digitalisierungsstrategie. Das Institut stellt zudem kostenlos Wissen in Form von Whitepapers, Checklisten und Booklets zur Verfügung. Im Bereich der angewandten Forschung arbeitet das Institut an Projekten für Auftraggebende aus der Wirtschaft, öffentlichen Verwaltung oder NGOs.
CAS AI Management CAS AI Operations CAS Digital Product Lead CAS Disruptive Technologies
CAS Platforms & Ecosystems
EMBA Digital Leadership
CAS Digital Leadership
CAS Digital Masterclass
CAS New Work
CAS Digital Ethics
CAS Digital Marketing Pro CAS Social Media & Content Marketing Alle Informationen zu unseren Studiengängen findest du auf hwzdigital.ch/digital-courses.
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MAS Digital Business
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Four theses worth reading
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Framework für eine ethische KI-Strategie Natalie Strutz Wieso scheitern Schweizer Tech-Start-ups? Yetvart Artinyan
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Kundenfokus erhöhen, ROPO-Effekt reduzieren Stephanie von Arx 5G – So entsteht eine ausgewogene Diskussion Christopher Moll
Mit grossem Engagement schliessen die Studierenden ihre Weiterbildung jeweils mit einer praxisnahen Master Thesis ab. Die Arbeit ist kein Abbild des gelernten Wissens, sondern zeigt vielmehr ihre daraus entwickelte Kompetenz und wie sie diese gewinnbringend anwenden. Folgende Management Summaries erlauben einen Einblick in vier Arbeiten mit Bestnote.
5
Four theses worth reading
Framework für eine ethische KI-Strategie Von
Natalie Strutz
Beim Einsatz von künstlicher Intelligenz müssen auch ethische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Aus der Arbeit resultiert ein Framework, welches eine ethisch ganzheitliche Betrachtung ermöglicht und Unternehmen als Hilfestellung dient.
«Der Einsatz von künstlicher Intelligenz verändert unsere Welt im Eiltempo. Höchste Zeit darüber nachzudenken, was Maschinen erlaubt sein darf – und was auf gar keinen Fall!»
D
Richard David Precht
ie Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI), insbesondere dem Teilgebiet des maschinellen Ler nens, bietet für Schweizer Unternehmen enormes Potenzial und ermöglicht bspw. eine Effizienzsteigerung, die Automati sierung dedizierter Aufgaben oder auch die Auswertung und Interpretation grosser Datenmengen. Der Einsatz von KI birgt allerdings auch diverse Risiken und führt nicht zuletzt zu Spannungs feldern mit bestehenden ethischen Wertvorstellungen. Entsprechend gilt es ebenso ethische Gesichtspunkte, zusammengefasst in der sogenannten
KI-Ethik, bei der Anwendung von KI zu berücksichtigen. Dies impliziert für Unternehmen die Notwendigkeit der Einführung und Anwendung einer ethischen KI-Strategie. Aktuell fehlt es hier jedoch, nach Ansicht der Autorin, an einem geeigneten, holistischen sowie standardisierten Rahmenwerk, einem sogenannten Framework, welches Schweizer Unternehmen helfen kann, eine entsprechende KI-Strategie abzu leiten und umzusetzen. Die Arbeit setzt sich vertieft mit den theoretischen Grundlagen von künstlicher Intelligenz bzw. dem maschinellen Lernen sowie den entspre chenden ethischen Gesichtspunkten in diesem Zusammenhang auseinander. Ziel ist es, mittels Theorie sowie empiri scher Forschungsmethoden die Frage zu beantworten, wie ein Framework aufgebaut sein sollte, damit Unternehmen in der Schweiz eine ethische KI-Strategie auf Basis eines holistischen Ansatzes ableiten können. Ferner soll aufgezeigt werden, was holistisch in Zusammen hang mit KI bedeutet und warum eine ganzheitliche Betrachtungsweise essenziell ist. Mittels qualitativer Methoden, in Form einer Bestandsanalyse, untersuchte die Autorin zunächst aktuelle, für die Schweiz relevante Initiativen zum Thema ethische KI. Hierzu wurden 37 selektierte Beispiele, basierend auf den im theoretischen Teil erarbeiteten geltenden Wertvorstellungen sowie ethischen Anforderungen an KI-Anwen dungen, mittels Matrix qualitativ bewertet.
Basierend auf der Ermittlung sowie qualitativen Einordnung der aktuellen Ist-Situation führte die Autorin für zwölf dedizierte Massnahmen eine sogenannte SWOT-Analyse durch, um weitere qualitative Erkenntnisse zur Beantwortung der Forschungsfrage herausarbeiten zu können. Das so ge wonnene Verständnis diente der Autorin wiederum als Anhaltspunkt für die Erarbeitung des Frameworks, die Prüfung der aufgestellten Thesen sowie die Ableitung von Schlussfolgerungen, Ausblick und Fazit. Die Auswertungen der qualitativen Analysen haben zum einen gezeigt, dass die Anzahl an Massnahmen zur Förderung ethischer KI in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Deutlich wurde jedoch auch, dass Qualität und Tauglichkeit der einzelnen Formate stark abweichen. Ferner konnte belegt werden, dass nur wenige Initiativen neueren Datums einen Ansatz der Ganzheitlich keit aufgreifen. Als gemeinsame Schwachstelle aller untersuchten Massnahmen konnte die fehlende Hilfestellung hin sichtlich Überführung von Theorie in die Praxis identifiziert werden. Darüber hinaus konnte eine entsprechende Definition des holistischen Ansatzes erarbeitet werden, der neben der reinen Abhängigkeit zwischen Daten, Algorith men und Modellen ebenso den kompletten KI-Lebenszyklus, den Anwendungs kontext der KI-Anwendung, die Kombi nation verschiedener Massnahmen sowie unterschiedliche Akteur:innen mit einbeziehen muss.
Es empfiehlt sich, sofern Schweizer Unternehmen KI anwenden, die Einführung einer ethischen KI-Strategie, welche einen holistischen Ansatz ver folgt. Bei der entsprechenden Umsetzung kann das von der Autorin entworfene Framework Hilfestellung leisten. Die KI-Strategie sollte dabei in den allgemei nen Unternehmenskontext eingebunden werden und nicht dezentral und losgelöst implementiert werden. Ferner ist anzu raten, nicht nur unternehmensinterne Vorkehrungen zu treffen, sondern ebenso unabhängige und externe Parteien zu involvieren.
Natalie Strutz arbeitete mehrere Jahre in Schnitt stellenpositionen zwischen Business und IT im Bankenumfeld, bevor sie 2019 zu Swisscom wechselte. Dort verantwortete sie unter anderem das Change & Release Management des TWINT White Label Services. Seit Februar 2022 arbeitet Natalie bei Swisscom im Process Management, wo sie sich neben Prozessanalyse, -design und -optimierung auch mit den Themen Business Continuity Management, Operational Excellence und Digitalisierung beschäftigt. Sie ist Alumna des MAS Digital Business 2021.
Wieso scheitern Schweizer Tech-Start-ups? Von
Yetvart Artinyan
Ein Grossteil der Start-ups gibt seine Tätigkeiten bereits früh wieder auf. Die Gründe dafür sind vielfältig – jedoch deckt die Arbeit auch Muster auf und leitet basierend darauf eine Methodik-Empfehlung ab.
D
er Trend hin zur Digitali sierung bedeutet, einfache, sich wieder holende Tätigkeiten zu automatisieren, um dem Effizienzstreben und dem steten Wirtschaftswachstum gerecht zu wer den. Dabei heisst Digitalisierung in einer Dienstleistungsgesellschaft – wie es die Schweiz ist – auch, dass die von Men schen getätigte Arbeit immer mehr von Software oder Maschinen durchgeführt wird. Daher muss einerseits das benötig te Humankapital in der Schweiz auf- und ausgebaut, andererseits eine Basis für Innovation geschaffen werden. Ein Tech-Start-up bietet ideale Möglichkeiten, Innovation in kompakter und schneller Weise entstehen zu lassen und dafür zu sorgen, dass die Schweiz von morgen in Sachen implementierte Innovation führend bleibt. Schweizer Start-ups werden von Unternehmer:in nen-Teams gegründet, mit einem hohen Mass anfänglicher Unsicherheit und dem Ehrgeiz, innert kurzer Zeit erste Erfolge zu erzielen. Dabei sind Start-ups in der Startphase eher als temporäre Projekte
zu verstehen, da die Finanzierung meist aus Erspartem geschieht und die Grün der:innen zunächst Lohnverzichte hinnehmen. Der Aufbau eines Start-ups hängt stark mit der intrinsischen Motivation, dem Ehrgeiz und der Kreativität der Gründer:innen zusammen, wie sie mit knappen Ressourcen viel erreichen. Allerdings handelt es sich auch nicht um einen heroischen Prozess, wie teils von Medien dargestellt. Diese Jungunterneh men bestehen typischerweise aus Teams von zwei bis drei Personen und sind weniger in der Presse zu finden. Leider zeigt sich auch, dass viele solche Unterfangen nicht das Ziel errei chen, eine Firma zu gründen, die erste Erfolge hat und skalierbar ist. Das Aus bleiben von Erfolg in Kombination mit dem Aufbrauchen des Gründungskapi tals zwingt den Grossteil dieser Startups dazu, seine Tätigkeit bereits früh wieder aufzugeben. Die Gründe dafür sind vielfältig. Allerdings zeigt sich auch, dass es die gleichen Fehler sind, die neue Gründer:innen immer und immer wieder machen. Die Anwendung von bereits erfolg tem Wissen in Form von Methoden und Tools ist eine junge Wissenschaftsdiszi plin und bedingt noch viel Forschungs arbeit. Das Wissen von Gründer:innen
im Hinblick auf Innovationsschaffung und agile Entwicklung eines Geschäfts modells steht heute bereits weltweit in Form von praxisgerechten, kompakten Formaten wie Design Thinking, Lean Startup u. a. zur Verfügung. Keiner dieser Ansätze erhebt den Anspruch auf Vollständigkeit bzw. darauf, der richtige oder einzige Weg zu sein. In den richti gen Kombinationen beim jeweiligen Start-up angewendet, helfen sie, die gefährliche Zeit des Cash-Burn (Valley of Death) systematisch zu durchlaufen und in kurzer Zeit die Elemente eines Geschäftsmodells zu validieren oder falls nicht, zu pivotieren.
«If plan A doesn’t work, the alphabet has 25 more letters (204 if you’re in Japan!).» Claire Cook Die Arbeit untersucht die Anwen dung dieser Methoden bei Tech-Startups in der Schweiz und versucht wissen schaftlich zu erklären, wie gut dies gelingt und wieso gewisse Fehler immer wieder geschehen. Daraus resultierend folgt die Empfehlung für eine Kombina tion von verschiedenen Methoden in Form des «Get, Set, Go»-Ansatzes, der die positiven Eigenschaften der Einzel methoden kundenzentriert verbindet, die negativen reduziert und dadurch hilft, zielgerichtet auf den Business Model Fit hinzuarbeiten.
Yetvart Artinyan ist Digitalisierungs- und Start-upMensch mit Erfahrung in den Bereichen Innovation, Business Development, strategisches Marketing und Verkauf. Er hat sich spezialisiert auf PlattformGeschäftsmodelle und digitale Ökosysteme in den Themen Internet-of-Things, Logistik, Energie und Elektromobilität. Yetvart Artinyan ist Co-Founder und CEO der Live Track AG. Er hat 2021 den MAS Digital Business an der HWZ abgeschlossen.
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Four theses worth reading
Kundenfokus erhöhen, ROPO-Effekt reduzieren Von
Stephanie von Arx
Online informieren, offline kaufen: Research online purchase offline (ROPO), diesen Effekt beobachten Schweizer Versicherungsunternehmen im Privatkunden geschäft häufig. Die Arbeit untersucht, welche Kunden bedürfnisse die Online-Vertriebskanäle von Versicherern bislang nicht oder zu wenig adressieren und leitet Handlungsempfehlungen ab, um das digitale Kunden erlebnis zu verbessern.
D
ie Versicherungsindustrie sieht sich mit einem bisher nie erlebten Wandel konfrontiert. Die digitale Vernet zung und das Aufbrechen bestehender Strukturen führen zu einer schnellen Weiterentwicklung der Märkte, welche Nährboden für die Entstehung und Etablierung neuer Geschäftsmodelle bietet. Branchengrenzen verschwimmen und öffnen Tür und Tor für branchen fremde Anbieter, die bewährte Geschäftsmodelle hinterfragen und es verstehen, schnell und agil auf veränderte Markt verhältnisse und Kundenanforderungen zu reagieren. Die traditionellen Versicherungs unternehmen müssen jetzt handeln und ihr Geschäftsmodell auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Kund:innen nach einer überdurchschnittlichen Experience in Bezug auf Einfachheit und Bequemlich keit beim Kauf ihrer Versicherungs lösung ausrichten.
Die Arbeit untersucht, welche Ursachen dem ROPO-Effekt in der Nicht-Lebensversicherung für Privat kund:innen zugrunde liegen und welche Kundenbedürfnisse der OnlineVertriebskanal von Versicherungsunter nehmen bislang nicht oder zu wenig adressiert. Mit Fokus auf das Produktund Dienstleistungsangebot sowie die Prozesse werden Handlungsempfeh lungen vorgeschlagen und priorisiert. Die Handlungsempfehlungen sollen das Kundenerlebnis verbessern und damit den ROPO-Effekt minimieren. Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen, einen methodischen sowie einen empirischen Teil. Der theoretische Teil vermittelt die aktuelle Situation auf dem schweizerischen Versicherungs markt der Nicht-Lebensversicherer und informiert über die neue Konkurrenz, welcher sich die traditionellen Versiche rer zu stellen haben. Eine Übersicht illustriert die aktuellen Trends in der Versicherungsindustrie. Die Arbeit legt einen klaren Fokus auf die Kund:innen. Beleuchtet wird deshalb ihr Entschei dungsfindungsprozess im Zusammen hang mit dem Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung anhand des SOR-
Modells, welches sowohl soziodemo grafische Merkmale sowie neurologische Vorgänge im Gehirn adressiert. Als Gegenpol zum Kundenfokus folgt ein kurzer Exkurs ins «Innovator’s Dilemma». Für die Analyse der Ursachen des ROPO-Effektes und der Kundenbedürf nisse an den Online-Vertriebskanal der Versicherer sowie die Falsifizierung der Hypothese nach einem ROPO-Effekt werden die Erkenntnisse aus der im Rahmen der Arbeit durchgeführten schriftlichen Online-Umfrage zu Hilfe gezogen. Die Auswertung der OnlineUmfrage beweist das Vorliegen eines ROPO-Effektes in der Nicht-Lebens versicherung im Privatkundengeschäft. Die Erkenntnisse zeigen unabhängig des Alters und der Versicherungskenntnisse der Umfrageteilnehmer:innen ein homogenes Bild hinsichtlich deren Kundenbedürfnisse. Die Kundenbedürf nisse bilden die Basis für die Entwick lung der Handlungsempfehlungen, welche anhand des Kano-Modells priorisiert werden und zu guter Letzt in einer exemplarischen Ziel-CustomerJourney münden.
Stephanie von Arx führt seit 2015 bei Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) Risikoanalysen und Vertragsverhandlungen zu Spezialversicherungslösungen wie unter anderem Organhaftpflicht- und Cyber-Versiche rungen für internationale Unternehmenskunden durch. Ihr sind Prozesseffizienz und Kundenfokus sehr wichtig, weshalb sie zwischenzeitlich bei der Zürich Versicherung in einem Grossprojekt mitarbeitete, ehe sie wieder zu AGCS wechselte. Sie ist Alumna des MAS Digital Business 2021.
5G – So entsteht eine ausgewogene Diskussion Von
Christopher Moll
Mit der fünften Generation mobiler Netzwerke befassen sich nicht nur Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft, auch in den Medien und der breiten Bevölkerung ist eine teils hitzige Debatte darum entbrannt. Die Arbeit zeigt Zusam menhänge, klärt auf und schafft ein besseres Verständnis für eine ausgewogene und aufgeklärte Diskussion.
D
as Thema 5G und 5G in der Schweiz ist komplex. Auf den ersten Blick scheint die vermeintlich einfache Frage nach möglichen gesundheitlichen Effekten von Mobilfunkstrahlung im Zentrum der Debatte zu stehen. Eine Frage, die sich in der Theorie durch Betrachtung der eingesetzten Techno logie und der Ergebnisse von 20 Jahren Mobilfunkforschung sachlich klären lassen sollte. In der Realität hingegen findet man eine unübersichtliche Situa tion vor, in der eine Reihe von Akteur:in nen mit unterschiedlichen Motivationen und verschieden grossem Einfluss eine Diskussion führen, die von Unsicherheit geprägt ist. Die Arbeit fasst diese mit dem Ziel zusammen, ein besseres Ver ständnis von Zusammenhängen sowie technischen und wissenschaftlichen Fakten zu ermöglichen, um so die Basis für eine ausgewogene und aufgeklärte Diskussion zu schaffen. Im Februar 2019 verkaufte der Bund im Rahmen des Aktionsplans «Digitale Schweiz» Mobilfunkkonzessionen für 5G im Wert von 380 Millionen Franken an die Mobilfunkanbieter. Erstmals seit der 3G-Einführung rückte das Thema Mobilfunk daraufhin erneut in den öffentlichen Fokus.
5G bezeichnet die fünfte Generation mobiler Netzwerke, die durch hundert mal höhere Datenübertragungsraten, kurze Latenzen und die Vernetzung von Millionen von Endgeräten die nächste Revolution des Mobilfunks darstellen soll. Denn sie verspricht – neben dem einfachen Schaffen der Voraussetzungen zur künftigen Bewältigung des weiterhin exponentiell anwachsenden «Daten hungers» der Schweizer Bevölkerung – eine Vielzahl von Bereichen in ein neues Zeitalter zu führen. Neben der Bevölke rung sollen auch Wirtschaft und Industrie massiv profitieren. Öffentliche Einrich tungen und Dienstleistungen sollen durch Effizienzgewinne und Kostenein sparungen modernisiert werden und flexiblere Services anbieten. Das Internet der Dinge und künstliche Intelligenz sollen durch Automatisierung und Digitalisierung Industrieprozesse revolu tionieren. Mobilfunkanbieter könnten durch diversifizierte Angebote eine stärkere, zentralere Rolle einnehmen. Im Sinne des möglichst schnellen 5G-Rollouts argumentieren diese Mobil funkanbieter entsprechend für die Erhöhung von Antennengrenzwerten – die in der Schweiz um den Faktor 10 strenger reguliert sind als im angrenzen den Ausland – um die Vorteile der effizienteren 5G-Antennentechnologie auszunutzen und den zeit- sowie kosten intensiven Ausbau von Antennenstand orten auf ein nötiges Minimum zu reduzieren. Während viele Menschen die breit beworbenen Vorteile von 5G begrüssen,
formte sich 2019 auch unerwartet heftiger Widerstand in Form von gleich fünf gestarteten Volksinitiativen. Den Initiant:innen geht es um Bedenken zu den in ihren Augen nicht absehbaren, gesundheitlichen Auswirkungen gefährlich klingender 5G-Technologien wie «Beamforming» oder «Millimeter wellen», denen sie sich gegen ihren Willen ausgesetzt sehen. Sie fordern deshalb Massnahmen, die von der Haf tung der Anbieter über Verschärfungen der Strahlengrenzwerte bis hin zu einem vollständigen 5G-Moratorium reichen. Durch diese Initiativen und die einhergehende Berichterstattung ver unsicherte Menschen finden im Internet und in sozialen Medien schnell Zugang zu einer Fülle von Informationen und Behauptungen, die scheinbar einfache Antworten auf ein komplexes Thema geben und teils fahrlässig Zusammen hänge herstellen, die jeder wissenschaft lichen Basis entbehren. Technische Erklärungen und Forschungserkenntnis se – die es meist nicht vermögen, binäre, schlagzeilenfreundliche Antworten zu liefern – rücken so in den Hintergrund. Das Thema scheint den Nerv einer Zeit zu treffen, in der «Fake News» und alternative Wahrheiten nicht nur von Randgruppen verbreitet werden, sondern auch öffentliche Figuren das Vertrauen in Fakten und Wissenschaft zunehmend beschädigen. Auch, wenn das Thema 5G im Covid-Jahr 2020 vorläufig an Interesse verloren hat. Durch die unterschätzte öffentliche Reaktion in Verbindung mit den Ver säumnissen von Bund und Anbietern im Vorfeld des Verkaufs neuer Frequenzen nötige Aufklärungsarbeit zu leisten und technische Leitlinien zu schaffen, ist so eine Patt-Situation entstanden, in der einzelne Kantone sich durch Druck aus dem Volk gezwungen sahen, einen Ausbau zunächst zu blockieren. Eine vom Bund eingesetzte Arbeitsgruppe sollte 2019 mit dem für das Eidgenössi sche Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK)
verfassten Bericht «Mobilfunk und Strahlung» die Basis für einen Kompro miss im weiteren Vorgehen in der Causa 5G liefern. Die Ausführungen der Arbeitsgruppe sowie die grundsätzlichen technischen Zusammenhänge von Mobilfunk führen zum Ergebnis, dass die Angst vor der 5G-Technologie als solche – im Rahmen der aktuell relevanten Frequenzen zwischen 700 MHz und 3,5 GHz – im Vergleich zu den bestehenden Mobil funkgenerationen 3G und 4G, mit grosser Sicherheit unbegründet ist. Eine wichtige Erkenntnis zur Strahlungsexposition von Menschen durch Mobilfunk ist zudem, dass 95 Prozent der Emissionen nicht von Mobilfunkantennen stammen, sondern von den eigenen Endgeräten. Massgeblich für die Belastung durch diese körpernahen Quellen ist die Qualität der Verbindung zur Mobilfunkantenne. Weshalb der weitere Netzausbau und Einsatz adaptiver Antennentechnologie, im Sinne einer effizienteren Nutzung grosser Bandbreiten in den verschiedenen Frequenzbändern, für eine bessere Verbindungsqualität und somit niedrigere Strahlenbelastung sorgen kann. Entspre chend hält der Autor den Einsatz und Ausbau von 5G-Antennentechnologie für sinnvoll. Die Einschätzung der Arbeitsgruppe zu möglichen gesundheitlichen Auswir kungen von Mobilfunk ist diffus. Diese kommt zwar zu dem Schluss, dass unter halb der geltenden Grenzwerte bisher keine konsistenten Gesundheitsauswir kungen mit den heute verwendeten Mobilfunkfrequenzen nachgewiesen wurden, relativieren diese Einschätzung jedoch durch Hinweise auf begrenzte oder unzureichende Evidenzlagen. Phy siologische Effekte durch die Exposition des Gehirns hingegen werden als bewiesen angesehen, gesundheitliche Folgen jedoch als unklar eingestuft. So ist die gute Nachricht zwar, dass es für verbreitete Befürchtungen wie etwa ein gesteigertes Krebsrisiko oder Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit und negative physiologische
Effekte in Verbindung mit Mobilfunk bisher keine ausreichende wissenschaft liche Evidenz gibt. Doch damit ist die Gefahr weder bewiesen, noch kann diese wissenschaftlich jemals vollends ausgeschlossen werden. Der Autor kommt zum Schluss, dass 5G in der öffentlichen Debatte zu Mobil funk zu Unrecht im Zentrum steht. In den Worten von Prof. Dr. Röösli, Experte für elektromagnetische Felder (EMF): «5G ist das Symptom und nicht die Ursache». In Bezug auf den Wunsch, die Exposition durch Mobilfunkstrahlung zu reduzieren, scheint es abwegig, Effizienz vorteile einer moderneren Technologie innerhalb bekannter Frequenzen nicht zu nutzen. Gleichzeitig hält der Autor die grundsätzliche Debatte und den resultie renden Druck auf Politik und Anbieter für wünschenswert. Schon heute konnten die Gegner:innen so – neben Aufmerk samkeit für das Thema Mobilfunk – zu begrüssende Massnahmen wie ein EMF-Monitoring und das Schaffen neuer Anlaufstellen und Aufklärungs programme erreichen. Wichtige Werkzeuge für den Start in eine 5G-Ära, die neben effizienteren Antennen viele weitere Neuerungen bringen wird, die wohl auch das Leben 5G-kritischer Menschen bereichern können.
Christopher Moll zog 2008 in die Schweiz, um seine Diplomarbeit in International Business & Management bei der Finanzdienstleisterin GE Capital zu verfassen. Dort betreute er anschliessend internationale Firmen, bevor er 2012 in das MarketingTeam von Cembra wechselte. Sein Studium an der HWZ in Digital Business nutzte er, um technologischen Fortschritt und digitale Ethik im Kontext unserer zunehmend digitalen Gesellschaft kritisch zu betrachten.
Facts & figures des Institute for Digital Business
2021 in Zahlen Alumni/Alumnae 2011-2021:
Den 1000. Abschluss durften wir 2021 zelebrieren. Der Award wurde Nadine Julien im Rahmen der Diplomfeier überreicht.
1‘129
Geo-Koordinaten IDB:
47° 22‘ 37“ N 8° 32‘ 02“ E
Studierende:
325
Frauenanteil Studierende:
Liebespaare in den CAS:
46 %
Study Trips:
≥1
6‘190 km
In anderen Jahren war diese Zahl wesentlich höher mit 74‘904 km.
Gedruckte Foliensätze:
0
Schon vor der Pandemie haben wir keine Foliensätze mehr gedruckt. Wir sind nicht umsonst das Institute for Digital Business.
Jahrgang der/des ältesten Studierenden:
Zoom Sessions:
203
Speakers:
12
Anzahl
“Hört ihr mich alle?” in Zoom Sessions:
462
Weiteste Anreise von allen Studierenden:
1Std.,0Min.
Ungefähr.
Flug (LUX-ZRH)
Nationalitäten Team IDB:
Am häufigsten genutztes Emoji:
Aus Gründen.
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Interviews
Interviews
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Marc P. Bernegger Von langen Partynächten zum langen Leben
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Isabel Carbotta Das grösste Potenzial steckt in den Köpfen des Managements
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Daniel Graf Vorbei sind die Hiobsbotschaften: „Nerds retten die Welt“
Wir kennen nicht alle Antworten. Darum vernetzt sich das Institute for Digital Business seit Beginn mit engagierten Menschen, welche den gesellschaftlichen und digitalen Wandel in unterschiedlichster Form prägen und sich den Fragen von heute und morgen annehmen. In den folgenden Interviews teilen drei Persönlichkeiten aus unserem Ökosystem ihre Sicht auf die Welt und zeigen uns neue Perspektiven.
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Interviews
Von langen Partynächten zum langen Leben Von Jrene Rolli
Noch als Gymnasiast und vor Facebook startete er mit usgang.ch sein erstes Online-Business. Dieses frühe Gespür für Trends enttäuschte ihn auch bei Bitcoins nicht, in die er sehr früh investierte. Aktuell verfolgt Marc P. Bernegger, Beirat des Instituts, Serienunternehmer und Investor, ein neues Thema: Longevity – glücklich und gesund 120 Jahre alt werden. In was hast du deinen ersten Lohn investiert? Mit den ersten Einnahmen von usgang.ch habe ich mein Studium finanziert und ich konnte mir relativ früh Dinge leisten, zum Beispiel eine eigene Wohnung in der Altstadt von Zürich. Wie hat sich deine unternehmerische Art zum ersten Mal gezeigt? Mit sechs Jahren habe ich zusammen mit einem Freund einen Schulkiosk geführt. Wir haben Süssigkeiten gekauft, sie in eine Kartonschachtel gepackt und dann auf dem Pausenplatz wieder verkauft. Und vor usgang.ch haben wir im Gymnasium ein eigenes Sportheftli vertrieben. Was hat dich jeweils dazu angetrieben? Ich hatte schon immer das Bedürfnis, selber Dinge zu machen. Wenn mich etwas interessiert, will ich das nicht nur in Büchern lesen. Ich will selber ausprobieren, was daraus entstehen kann. So war das auch mit usgang.ch. Als einer der Ersten meiner Klasse hatte ich einen Internetanschluss und ich war neugierig, was damit alles möglich ist. Wie überzeugt man dich als Investor, ausser mit Zahlen und der Idee an sich? Die Persönlichkeit interessiert mich viel mehr. Ich will bei der Person die Passion für das Thema spüren. Dass sie aus Überzeugung ein Problem lösen will, zu dem sie idealerweise auch einen persönlichen Bezug hat. Und nicht einfach Unternehmer:in werden will mit etwas, weil das bei anderen so auch bereits funktioniert hat.
Marc P. Bernegger im Artergut: Ein Platz, den er als Oase mitten in der Stadt gerne nutzt – sei es für einen Call oder am Wochenende mit der Familie.
„Longevity zwingt noch viel mehr Menschen dazu, sich stärker damit auseinanderzusetzen, was sie wirklich gerne tun oder tun würden.“
Aktuell beschäftigst du dich mit Longevity. Einige denken dabei an pseudowissenschaftlichen Hokuspokus, der das ewige Leben verspricht. Du investierst grosse Summen in wissenschaftlich fundierte Lösungen für gesundes Altern. Wie begegnest du den Skeptiker:innen? Unsterblichkeit und Langlebigkeit sind zwei unterschiedliche Dinge. Unter Langlebigkeit – oder eben Longevity – verstehen wir, möglichst lange gesund und glücklich zu leben. Unser Benchmark ist aktuell bei 120 Jahren. Dies gelingt beispielsweise mit wissenschaftlich fundierter Nahrungsergänzung, welche altersbedingte Krankheiten reduziert und die Zellverjüngung ermöglicht. Das Leben über die gesamte Dauer gesünder und glücklicher zu verbringen, dagegen hat doch niemand was, oder? Bei Neuem fühlen sich viele zuerst angegriffen, sind skeptisch und wollen die Veränderung nicht wahrhaben. Das bestärkt mich jedoch zusätzlich, dass Longevity eine grosse Bedeutung haben wird. Diese Skepsis erlebte ich nämlich genauso, als ich in das Internet und Bitcoin investierte. Inwiefern sind wir in der Schweiz als Gesellschaft bereit für Longevity? Wir leben bereits jetzt doppelt so lange als noch vor 120 Jahren. Wer heute pensioniert wird, fühlt sich oft noch voll parat und wäre interessiert, auch weiterhin einen aktiven Beitrag in der Arbeitswelt zu leisten und nicht einfach
die letzten 20 Jahre auf einem Kreuzfahrtschiff zu sitzen. Man müsste also das ganze System und unser Zusammenleben überdenken. Vielleicht gibt es ja in Zukunft statt dem Rentenalter einfach regelmässig Sabbaticals, in denen man sich umschulen lassen kann. Es wird auf jeden Fall spannend. Der Nationalrat verfolgt das Thema und die Auswirkungen. Wie stellst du dir einen Tag in deinem Leben vor, wenn du 120 Jahre alt bist? Das ist eine schöne Vorstellung. Ich würde immer noch spannende Ideen um mich herum haben und arbeiten. Ich will gar nicht aufhören, mich mit den Dingen zu beschäftigen, die mich begeistern. Der Sinn des Lebens ist doch, dass wir etwas für uns Sinnvolles aus unserer Zeit machen. Longevity zwingt noch viel mehr Menschen dazu, sich stärker damit auseinanderzusetzen, was sie wirklich gerne tun oder tun würden. Wer sich 40 Stunden pro Woche im Büro langweilt, wird im Alter kaum glücklicher werden. Internet, Bitcoin, Longevity – du hast ein Gespür für Trends. Lagst du auch schon falsch? Rückblickend war der Zeitpunkt nicht immer perfekt. Auch wenn sich alles gut entwickelt hat, war ich meist eher zu früh dran. Mit usgang.ch waren wir 1999 ganze fünf Jahre vor Facebook live. Du bist Fachbeirat des Institute for Digital Business. Welche wichtigen Trends siehst du im Bildungsbereich? Die Konvergenz von Entwicklungen und Themen führt dazu, dass wir viel fachübergreifender denken müssen. Das Angebot der HWZ deckt dies bereits gut ab. Wir haben uns geöffnet, sind viel breiter und ganzheitlicher aufgestellt. Was wünschst du dir, würden deine zwei Kinder bereits in der Schulzeit lernen? Neugierig und offen zu sein gegenüber Entwicklungen und die Fähigkeit, Dinge zu hinterfragen und nicht einfach nur Inhalte aus den Schulbüchern auswendig zu lernen. Und was kannst du von deinen Kindern lernen? Meine Kinder erden mich und ermöglichen mir einen hilfreichen Perspektivenwechsel. Wenn ich sehe, mit was für einfachen Dingen sie sich beschäftigen und mit wie wenig sie zufrieden sind. Ich teile meine Zeit so ein, dass ich mich mit Dingen beschäftigen kann, die einen Impact haben. Aber ich möchte mir auch Freiräume schaffen, um wahrzunehmen, was links und rechts eigentlich alles passiert und zu geniessen. Dabei helfen mir meine Kinder.
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Interviews
Das grösste Potenzial steckt in den Köpfen des Managements Von Jrene Rolli
Lehrerin, Informatikerin, CTO – heute ist Isabel Carbotta als Tech-Advisor in Unternehmen gefragt und macht deutlich, dass die digitale Transformation immer zuerst beim Mensch beginnt. An der HWZ hat sie den ersten digitalen Studiengang mitgestaltet und unterstützt seit Januar 2022 das Institute for Digital Business als Head of Tech. Du liebst Daten. Welche Daten haben dich heute schon erfreut? Ich tracke unglaublich gerne Dinge und plane sehr genau, weil ich ein Kontrollfreak bin. Wenn ein Plan aufgeht, freut mich das riesig. Aber noch mehr, wenn etwas Unerwartetes passiert und ich spontan darauf reagieren muss. Darin bin ich richtig gut und total in meinem Element. Heute wollte ich um 7.50 Uhr im Gym sein, war aber erst um 8.05 Uhr dort. Darum hab ich wortwörtlich minutiös geplant, wie ich schneller dusche, um die verlorene Zeit wieder wettzumachen. Wo siehst du in Schweizer Unternehmen bezüglich Daten am meisten Potenzial, das ungenutzt ist? In den Köpfen des Managements. Viele wollen ihre Entscheidungen gar nicht aufgrund von Daten fällen, sondern stützen sich lieber weiterhin auf alteingesessene Hierarchien. Wenn das oberste Management gar kein Interesse an einer Datenbasis hat, um basierend darauf zu entscheiden, zieht sich das ins Middle Management durch. Du unterstützt verschiedenste Unternehmen bei der Einführung von OKR (Objectives and Key Results). Wie überzeugst du Unternehmen, sich damit auseinanderzusetzen? Es muss nicht OKR sein. Es kann auch ein anderes sinngebendes Framework oder Incentivierungstool sein, das den Mitarbeitenden ermöglicht, autonom zu arbeiten und den Sinn in ihrer Arbeit zu sehen. Aber Unternehmen, welche gar keine autonomen Teams wollen, versuche ich auch nicht davon zu überzeugen. Vielerorts ist das Management nicht bereit, genug loszulassen und die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Wie lange braucht ein Unternehmen, um auf OKR umzustellen? Initial braucht es zwar nur ein bis drei Tage und wenn es läuft pro Quartal einen halben Tag. Jedoch muss man den Mechanismus verstehen und daran arbeiten. Erst nach rund ein bis zwei Jahren ist es auch in der Kultur verankert. Aber nur eines von zehn Unternehmen bleibt auch tatsächlich so lange bei OKR. 90 Prozent krebsen irgendwann auf dem Weg zurück. Wieso ist die Abbruchrate so hoch? Oft fehlen die entsprechenden Rahmenbedingungen, die OKR überhaupt zulassen. Ein Beispiel ist das vielerorts traditionelle Jahresgespräch für Mitarbeitende: Wieso sollen sich Mitarbeitende an OKR orientieren, wenn für eine Lohnerhöhung letztlich doch nur ein Jahresgespräch mit anderen Kriterien entscheidend ist? Welches weitverbreitete Missverständnis rund um OKR möchtest du endlich aus der Welt schaffen? Einerseits messen viele mit Key Results den Output und nicht den Impact. Und andererseits sehe ich immer wieder, dass Mitarbeitende ihre OKR dem Management präsentieren und von diesem genehmigen lassen müssen. So ist das absurd. Dann kann man es gleich lassen.
Als Co-Studiengangsleiterin des CAS Digital Marketing Pro bist du unter anderem für das Modul Technology verantwortlich. Wieso benötigen heute Marketing-Profis technologisches Wissen, das über das Bedienen einer Software hinausgeht? Vielen fehlt der technische Background, um auf Augenhöhe mit IT und Agenturen zu kommunizieren. Oft braucht das Marketing etwas von der IT: eine Schnittstelle, eine Änderung auf der Website, eine SEO-Anpassung. Dann ist ein technisches Grundverständnis nicht nur hilfreich, sondern nötig. Sonst ist man komplett überfordert und wird verarscht. Du bist neu Head of Tech des Institute for Digital Business. Wieso diese neue Rolle und was ist deine Aufgabe und dein Ziel? Ich werde alle digitalen Bedürfnisse des Institute for Digital Business bündeln, überblicken und strategisch sinnvoll ausrichten. Bisher war es eher ein Flickwerk. Und nicht all das, was wir selber in unseren Studiengängen vermitteln, leben wir auch selber. Das soll sich ändern. Unser Ziel ist, dass wir schneller vorwärtskommen und Impact generieren. Einige sagen von dir, du würdest mit deiner fortschrittlichen Denke eigentlich ins Silicon Valley gehören. Was hält dich hier in Zürich? Ich habe hier mehr Lebensqualität. Die Zeit im Silicon Valley war toll und ich würde es auch nochmals für zwei, drei Jahre machen. Aber im Silicon Valley hört der Tag nie auf: Man geht raus und lernt, überall und von allen, von morgens früh bis abends spät. Es ist aber auch eine Bubble, die sich manchmal anfühlt, als lebe man in einer Kolonie auf dem Mars. Was hast du früher ins Freundebuch geschrieben, was du später mal werden willst? «Plättlilegerin», aber nur als Witz. Seit ich denken kann, wollte ich Lehrerin werden. Mich begeistert es, Leute zu entwickeln. Das gibt mir Energie und ist auch der einzige Grund, wieso ich je Chefin wurde. Wenn ich Menschen die Möglichkeit geben kann, sich in eine Richtung zu entwickeln, in die sie wollen, dann finde ich das grossartig. Welche persönlichen Ziele verfolgst du in den nächsten drei Monaten? Ich möchte Dinge bewusster machen, statt immer getrieben zu sein. Mir mehr Zeit nehmen, meine Gedanken fliessen zu lassen. Mehr abschalten, spazieren, wandern oder bouldern gehen. Und all meine Engagements und Mandate so synchronisieren, damit ich nicht zig mal am Tag den Kontext wechseln muss. Schliesslich wurde ich nicht Freelancerin, um mehr Stress zu haben.
Klettern und Bouldern verlangen Fokus, aber auch Kreativität. Beides ist im Job von Isabel Carbotta enorm wichtig.
„Ich sehe immer wieder, dass Mitarbeitende ihre OKR dem Management präsentieren und von diesem genehmigen lassen müssen. So ist das absurd.“
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Interviews
Vorbei sind die Hiobsbotschaften: „Nerds retten die Welt“ Von Jrene Rolli
Der Spruch steht gross auf dem Hoodie, den Social Entrepreneur und Campaigner Daniel Graf trägt. Und tatsächlich träumt der HWZ-Dozent der ersten Stunde von einer globalen Demokratie in virtuellen Räumen. Die digitale Demokratie in der Schweiz hat er mit seinen Kampagnen und Tools bereits geprägt wie niemand anderes. Fertig damit ist er noch längst nicht.
Daniel Graf an einem seiner Lieblingsorte für Meetings in Zürich: Im Gewusel des Innenhofes der Genossenschaft Kalkbreite.
„Der Anspruch, leise, konsensorientiert und rücksichtsvoll über Politik zu debattieren, ist schlicht realitätsfern.“
Wann hast du zum ersten Mal versucht, Menschen für etwas zu mobilisieren? Als 11-Jähriger zeichnete ich an einem Malwettbewerb einen Comic, auf dem Vater und Sohn vor drei Baumstrünken stehen und der Sohn fragt «Papa, wo ist der Wald?». Ich war wohl das einzige Kind, das etwas Politisches eingereicht hat.
voll über Politik zu debattieren, ist schlicht realitätsfern. Grössere Sorgen bereitet mir die Medienvielfalt. Insbesondere grosse Online-Player, die nebst Nachrichten auch noch Daten verkaufen. Und wenn es in einer Demokratie darauf ankommt, dann zählen Titelseiten und Push-Notifications von Newsseiten noch immer mehr als Social Media.
Du bewegst dich im Spannungsfeld von Politik, Technologie und Kommunikation. Wie kam es zu dieser Kombination? Technik und Computer haben mich schon früh fasziniert. In den Herbstferien besuchte ich freiwillig einen Programmierkurs, das haben meine Schulkollegen nie verstanden. Und als Jugendlicher schaltete ich morgens direkt nach dem Aufstehen den Fernseher ein, um CNN zu schauen. Meine Mutter fand das weniger toll, aber immerhin waren es Nachrichten. Als Medienjunkie überlegte ich lange, Journalist zu werden. Aber ich wollte nicht nur über etwas reden, sondern selber etwas machen. Ich habe einen starken «Möglichkeitssinn» und will darum etwas verändern.
Statt dem Abstimmungsbüchlein wünschst du dir eine digitale Bürgerplattform, welche Debatten ermöglicht. Wie würdest du dafür sorgen, dass es nicht ausfallend und inhaltslos wird wie im Kommentarbereich auf Newsportalen? Politische Räume sind per se nicht ruhig. Das wäre doch etwas unheimlich, wenn es harmonisch wäre, nicht? Hinter Politik stehen immer Interessen und dann «räblets» eben auch mal. Demokratie bedeutet auch Auseinandersetzung. Das gehört dazu. Aber das heisst nicht, dass es nicht auch verständnisorientiert ablaufen kann. Dafür braucht es jedoch entsprechende Regeln und Räume. Solche könnte eine digitale Bürgerplattform bieten.
Du hast eine Agenda für die digitale Demokratie geschrieben. Welches Thema sollte die Schweiz prioritär behandeln? Dass Digitalisierung eine Einladung ist, über Demokratie zu diskutieren. Nur wenige Menschen wissen, wie Demokratie hinter den Kulissen funktioniert und was für eine Rolle sie selbst darin spielen können. Wir alle könnten viel mehr Teil dieser Demokratie sein. Wie schaffen wir es, über unsere Demokratie zu reden – so, dass es selbst verständlich wird, dass Demokratie nicht fertig gebaut ist und unter «Heimatschutz» steht? Wir müssen nichts abreissen, aber laufend weiter entwickeln und anbauen.
Du träumst von einer globalen Demokratie. Erzähl doch mal: Die Zeit ist gekommen, nicht mehr nur über Technologie zu sprechen, sondern über ein Upgrade für unser politisches Weltsystem. Das sieht man an der Klimakrise: Das ist etwas Globales, das nicht einzelne Länder allein lösen können. Wir benötigen kein Weltparlament, das in einem riesigen Gebäude tagt und durch die Welt jettet. Wir haben jetzt virtuelle Räume, in welchen zig Menschen zusammenkommen und sich problemlos sprachübergreifend austauschen und verstehen können. Und sich zu verstehen, ist die wichtigste Voraussetzung, um gemeinsam Politik zu machen.
Laut dem Demokratieindex 2020 ist Norwegen das demokratischste Land der Welt. Was können wir bezüglich Demokratie von anderen Ländern lernen? Wir Schweizer:innen fragen uns das ja nie, da wir glauben, Demokratie hätten wir erfunden und sei ein Exportprodukt. In anderen Ländern gibt es etwas Tolles: den Demokratietag am 15. September. In Schulen wird dann die Demokratie nachgespielt, erlernt und zelebriert. In diesen Ländern ist es viel bewusster, dass Demokratie etwas Lebendiges ist, das man erlernen, gestalten und weiterentwickeln muss. Wir in der Schweiz stecken jedoch mehr Geld in die Demokratieförderung im Ausland als innerhalb der Schweiz.
Deine Stärke ist, bei Menschen das Kopfkino zum Laufen zu bringen. Hat es auch Nachteile, so ein Visionär zu sein? Loslassen und geschehen lassen, das fällt mir schwer. Ich will immer einen Schritt voraus sein. Das sind wohl Überbleibsel einer früheren Überlebensstrategie, die ich mir aneignete, als ich zehn Jahre alt war und mein Vater starb. Ich hätte mich am liebsten in die Zukunft gebeamt. Das Interesse für mehr «Mindfulness» kommt bei mir erst jetzt.
Ist die Schweiz durch die Digitalisierung tatsächlich demokratischer geworden? Oder gibt es auch Dinge, die schwieriger wurden? Hier denken viele sofort an die Diskussionen in den Social Media. Darin sehe ich jedoch für die Schweiz aktuell keine grosse Gefahr. Wir müssen einfach lernen, was okay ist und was nicht. Demokratie ist per se laut, lärmig und lebendig – auch offline. Der Anspruch, leise, konsensorientiert und rücksichts-
Für welches Unternehmen würdest du gerne mal eine Kampagne machen? Migros, ganz klar. Schliesslich war ihr Gründer Dutti einer der smartesten und unkonventionellsten Campaigner der Schweiz. Und die Migros hat die Kraft, den Teller der Schweiz zu verändern, was für wirksamen Klimaschutz gerade wichtig wäre. Könntest du alle Plakatwände der Schweiz mit einem einzigen Sujet gestalten: Was wäre darauf zu sehen? Ein Herz und daneben ein «ja». Die Idee dahinter: Wenn wir etwas machen, dann nicht unseretwegen, sondern wegen denjenigen Menschen, die nach uns kommen.
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Blog
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Change Management in Bezug auf KI: Brücken bauen und Involvement schaffen Cédric Bourquin
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Smart Contracts: Selecta-Automaten im Web Manuel Hofmann
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Dark UX Writing – «Willst du das wirklich verpassen?» Sarah Hefti
Wie verarbeiten die Studierenden Gelerntes? Das zeigen sie in einem vertiefenden Fachbeitrag zu einem Wunschthema aus dem Unterricht. Das folgende Kapitel enthält drei Beiträge aus unterschiedlichen Kursen des MAS Digital Business, welche auf unserem Blog hwzdigital.ch veröffentlicht wurden. Die Blogbeiträge wurden für das Yea(h)rbook 2022 leicht angepasst.
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Change Management in Bezug auf KI: Brücken bauen und Involvement schaffen Von
Cédric Bourquin
als Leistungsnachweis für das CAS AI Operations
K
ünstliche Intelligenz (KI) hört sich spannend an – aber bitte nicht im eigenen Unternehmen. Nach wie vor ist der Widerstand bei einigen Mitarbeitenden gross, wenn es um die Einführung von KI geht. Die Lösung: Brücken bauen und alle Kolleg:innen mit an Bord holen. Durch die übertriebene Darstellung in Science-Fiction-Filmen vermittelt Hollywood ein verzerrtes Bild beim Einsatz von künstlicher Intelligenz. Dies löst bei vielen Arbeitnehmenden Angst vor Job- und Kontrollverlust aus, was zu Widerstand führen kann. Zurückzuführen ist dies oft auf mangelndes Wissen über die Funktionalität der Algorithmen und deren Auswirkungen. Genau da muss ein Unternehmen aktiv werden. Es muss Mitarbeitende, die KI skeptisch gegenüberstehen, ernst nehmen und den Dialog mit ihnen suchen. Nur so kann Angst abgebaut und Interesse an KI geweckt werden. Durch Information Hürden abbauen Der Aufbau von Wissen schafft bei den Mitarbeitenden Vertrauen und hilft, ihre Ängste abzubauen. Mit einer KI-Bildungsoffensive kann Mitarbeitenden aufgezeigt werden, wie KI funktioniert, welche Möglichkeiten sie bietet und welche Ziele verfolgt werden. Dies kann zum Beispiel in Form eines Brown-BagLunchs passieren: Bei einem Mittagessen in lockerer Atmosphäre werden die Mitarbeitenden für die Thematik sensibilisiert. Sie lernen mehr über KI und haben Gelegenheit, Fragen zu stellen und sich intern auszutauschen. Involvement schaffen durch involviert werden Wichtig ist, dass betroffene Anspruchsgruppen früh in das Vorhaben involviert werden. Sind der Person das Ziel und der Weg bekannt, kann sie sich aktiv ein-
bringen. Im besten Fall kann die Person durch ihr Wissen und ihre Erfahrungen das Projekt voranbringen. Indem die Person mit an Bord geholt und eingebunden wird, ist sie Teil des Projekts. Das Eingebundensein hilft oft, dass Personen ihre Abwehrhaltung überwinden. Werden zusätzlich Erfolgsmomente geschaffen, wirkt sich dies positiv auf deren Einstellung aus. Mitarbeitende können auch dazu beitragen, dass der Algorithmus keine falschen Entscheidungen trifft; indem sie ihr Know-how in die Entscheidungsstrukturen einfliessen lassen. Dadurch kommt man dem Bedürfnis vermehrter Kontrolle nach und schafft mehr Vertrauen. Sowohl Erfolge wie auch Misserfolge müssen transparent kommuniziert werden. Der Einsatz von KI ist nicht immer von Erfolg gekrönt. Den Mitarbeitenden muss klar sein, dass viele Projekte nicht von Anfang an erfolgreich sind. Damit KI im Unternehmen weiterentwickelt werden kann, muss eine Fehler- und Experimentierkultur aufgebaut werden. Fazit Das Erkennen und Wahrnehmen der Chancen von KI ist nur möglich, wenn Ängste abgebaut werden. Diese Ängste müssen früh erkannt und thematisiert werden. Fehlende Empathie oder eine Abschottung gegenüber skeptischen Mitarbeitenden führt zu noch mehr Widerstand. Es ist wichtig zu vermitteln, dass es sich beim Einsatz von KI um Mensch mit Maschine und nicht Mensch gegen Maschine handelt; und dass die Mitarbeitenden selber einen grossen Anteil zum Erfolg beitragen können. Ziel ist es, die Stärken von Mensch und Maschine so einzusetzen, dass der Prozess möglichst effizient ist. Es sind die repetitiven, standardisierten Arbeiten, welche von der Digitalisierung betroffen sind. Die Verantwortung für Aufgaben, welche Kreativität und zwischenmenschliche Interaktionen erfordern, bleibt beim Menschen. Die Mitarbeitenden müssen animiert werden, Neues zu lernen und auszuprobieren. Ganz nach dem Motto: Scheitern ist okay, einfach nochmals neu versuchen.
Es ist wichtig zu vermitteln, dass es sich beim Einsatz von KI um Mensch mit Maschine und nicht Mensch gegen Maschine handelt.
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Smart Contracts: Selecta-Automaten im Web Von
Manuel Hofmann
als Leistungsnachweis für das CAS Legal Tech
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electa-Automaten werden in der Schweiz oft als anschauliches Beispiel für Smart Contracts (SC) verwendet. Dies ist nur beschränkt richtig. Im folgenden Beitrag wird erläutert, in welchen Aspekten dieser Vergleich stimmt und wo er zu kurz greift. Was ist ein Smart Contract? Gemäss Smart-Contract-Pionier Nick Szabo handelt es sich bei SC um computergestützte Transaktionsprotokolle, welche die Bedingungen eines Vertrags ausführen. Um das konkreter darzustellen, bietet sich der SelectaAutomat an. Wir wählen ein Produkt aus und bezahlen den Betrag. Der Automat gibt das gewählte Produkt aus und gegebenenfalls das Wechselgeld. «Smart» ist der Selecta-Automat insofern, als dass er weiss, wie viel seine Produkte kosten und welcher Index
Wenn wir jedoch wieder von einer einzelnen Person abhängig sind, wieso sollte man dann überhaupt einen Smart Contract einsetzen?
hinterlegt ist. Er kann auch prüfen, ob bei der Auswahl eines Produkts der benötigte Betrag bezahlt wurde. Schlussendlich führt er die entsprechenden Handlungen aus. Ob dieses systematische Vorgehen nun tatsächlich «smart» ist, bleibt dahingestellt.
zum Kauf einer Ware eine Geldsumme. Nach Abwicklung der Transaktion gibt der SC den Betrag den Verkäufer:innen weiter. ●
Was hat Blockchain damit zu tun? Woher kommt jedoch der Hype um SC, der 2015 mit dem Launch der EthereumPlattform begonnen hat? Anders als vorhergehende Blockchain-Anwendungen können auf der Ethereum-Plattform beliebig komplexe Skripte hinterlegt werden. Die Skripte können Ether (eine Kryptowährung) halten und diese gemäss vordefinierten Kriterien verteilen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit halten nicht nur Personen oder Organisationen Geldwerte, sondern auch Code. Da Ether im Gegensatz zu den herkömmlichen nationalen Fiat-Währungen ausschliesslich digital existiert, wird die Hardware obsolet. Das Skript, welches die roten Selecta-Kasten zum Leben erweckte, kann inzwischen losgelöst von seiner physischen Manifestierung im Internet existieren. Nutzer:innen dieser Plattform können analog zum SelectaAutomaten definieren, wer zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Konditionen Ether erhalten soll. Häufige Beispiele sind: ●
Escrow-Dienste: Käufer:innen übergeben dem SC bei Verpflichtung
Versicherungen: Versicherungsnehmer:innen zahlen Prämien auf einen SC ein und bekommen im Schadensfall eine Summe ausbezahlt.
Was sind die Hürden bei einem Smart Contract? SC tun sich schwer bei komplexen Sachverhalten. Während bei einem SelectaAutomaten aufgrund des standardisierten Inputs (erhaltenes Geld) die Erfüllung der Konditionen einfach abgefragt werden kann, sind die zu prüfenden Inputs bei den oben aufgeführten Beispielen weniger eindeutig: ●
●
Die Ware ist angekommen. Was, wenn die Ware beschädigt ist? Oder der Schaden erst nach einem halben Jahr ersichtlich wird? Ein Schadensfall ist eingetreten. Was, wenn Versicherungsnehmer:innen den Schaden selbst erwirkt haben? Welche Schadensposten fliessen in die Berechnung mit ein?
Überdies muss festgelegt werden, woher die externen Inputs kommen: Dürfen Käufer:innen selber angeben, ob die Ware angekommen ist? Kommen die Schadensdaten von den Versicherungsnehmer:innen?
Oft wird man um eine vertrauens würdige Drittperson – ein sogenanntes Orakel – nicht umher kommen. Wenn wir jedoch wieder von einer einzelnen Person abhängig sind, wieso sollte man dann überhaupt einen SC einsetzen? Könnten wir dann nicht den Vertrag ebenso gut mit Escrow-Agent:innen oder einer Versicherung abschliessen? Auch binden SC die Vermögenswerte, die ihnen zugewiesen werden. Der Selecta-Automat hält Produkte zur Ausgabe und Münzen für Wechselgeld. Diese Vermögenswerte können nicht anderweitig eingesetzt werden. Die ist bei Selecta-Automaten überschaubar, aber im Beispiel von Versicherungen kann dies ein grosses Hindernis darstellen. Ist ein Smart Contract ein Vertrag wie beim Selecta-Automaten? Es kommt darauf an, ob a) der SC alle zur Abwicklung des Vertrags benötigten Schritte beinhaltet oder b) nur dafür eingesetzt wird, gewisse Teile des Vertrags durchzusetzen. Im ersten Fall besteht ein Angebot der Betreiber:innen des SC, welches durch konkludentes Verhalten der Gegenseite akzeptiert wird, z. B. wird Geld in den SelectaAutomaten eingeworfen. Durch die Interaktion mit dem SC wird ein im Code repräsentierter Vertrag eingegangen und ausgeführt. Im zweiten Fall besteht bereits ein Vertrag, dessen Durchsetzung
der SC erleichtert. Der SC ist somit kein Vertrag, aber ein Durchsetzungsinstrument – ähnlich einer vertrauenswürdigen Drittperson oder eines Gerichts. Rechtliche Stolpersteine bei Smart Contracts – Memento Selecta-Automat Die Durchsetzung eines Vertrags ist nicht das einzige Thema, welches problematisch sein kann. So kann der SC vom eigentlichen Vertrag zwischen den Parteien abweichen, da sich die Parteien nach Ingangsetzung des SC mündlich über eine Anpassung geeinigt haben oder der Wille der Parteien falsch im Code abgebildet wurde. Auch kann es sein, dass der dem SC zugrundeliegende Vertrag nicht mehr besteht, da ein Formmangel oder ein wesentlicher Irrtum bei Vertragsschluss vorliegt. Einige erinnern sich vielleicht, wie frustrierend es ist, beim Selecta-Automaten Geld einzuwerfen und dann dem Schokoriegel zuzuschauen, wie er auf halbem Weg nach unten stecken bleibt. Technologie ist selten perfekt: Was früher mit dem Schokoriegel geschah, könnte auch bald mit unseren Versicherungsansprüchen passieren.
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Dark UX Writing – «Willst du das wirklich verpassen?» Von
Sarah Hefti
als Leistungsnachweis für das CAS Digital Ethics
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ark UX Writing bewegt Nutzer:innen von Webseiten und Apps zu Entscheidungen, die sie nicht wollen. Wörter werden dabei manipulativ eingesetzt und steuern das Unterbewusstsein. Drei Beispiele, die helfen, diese ethisch fragwürdige Praxis aus der Ecke der Dark Design Patterns zu erkennen. Was ist UX Writing? Apps und Webseiten bestehen aus einer Vielzahl verschiedener Bestandteile. Diese Komponenten sind einerseits visuell ausgestaltet, andererseits benötigen sie Text – viel Text. User Experience (UX) Writing beinhaltet das Benennen und Formulieren der einzelnen Textelemente innerhalb der Benutzer:innenschnittstelle (Interface). Dazu gehören unter anderem Buttons, Erfolgsmeldungen und Notifikationen. Gutes UX Writing fällt nicht auf, mangelhaftes bis fehlendes hingegen schon. Wann wird UX Writing dark? Visuelle und sprachliche Elemente leiten und unterstützen uns während der Nutzung. Dieselben Elemente können uns aber auch manipulieren. Wir führen Handlungen aus, die möglicherweise nicht unseren Absichten entsprechen – getriggert durch gezielt ausgewählte Wörter im Interface. Dark UX Writing ist die Praktik, die hinter diesem manipulativen Einsatz von Sprache steht. Andrea Drugay, Group Manager Copy bei Slack, liefert die passende Definition: «When the words in your product frustrate, shame, or manipulate people into taking actions they wouldn’t otherwise have taken.» Es gibt zahlreiche Beispiele für Dark Patterns, in denen Wörter missbräuchlich eingesetzt werden. Es folgen drei davon. Als Nutzer:innen ist es wichtig, sie zu kennen, um sich weniger oder nicht davon beeinflussen zu lassen. Beispiel 1: Verlust-Frame Wie erkenne ich den Verlust-Frame? Die gewählte Formulierung suggeriert, dass wir gerade im Begriff sind, eine grosse Chance zu verpassen. Warum funktioniert der VerlustFrame? Die Forschung aus der Sozialpsychologie und Verhaltensökonomie zeigt, dass in der menschlichen Wahrnehmung Gewinne nur halb so schwer wiegen wie Verluste. Der Verlust-Frame drängt uns zu einer Entscheidung. Ohne den befürchteten Verlust würde unsere Wahl womöglich anders ausfallen. Das Dark Pattern tangiert aus ethischer Perspektive unser Recht auf Selbst bestimmung. Wir können ausserdem nicht transparent nachvollziehen und überprüfen, ob der behauptete Verlust durch reale Umstände begründet ist. Wo finde ich den Verlust-Frame? Das Paradebeispiel sind Buchungsplattformen. Durch den Einsatz von Sätzen wie «Nur noch 1 Zimmer verfügbar» stellen sie ständig einen möglichen Verlust in Aussicht.
sie bei uns ein schlechtes Gewissen hervorrufen. Sie stellen unser Denken und Handeln infrage, wir fühlen uns attackiert und missverstanden. In der Folge wollen wir das Gegenteil beweisen. Also klicken wir auf den Link und stimmen womöglich etwas zu, das nicht unserer Absicht entspricht. In diesem Zusammenhang wird auch von «Confirmshaming» gesprochen. Aus ethischer Sicht untergräbt dieses Dark Pattern unsere Integrität. Wo finde ich Manipulinks (Bsp. siehe Illustration)? Manipulinks finden wir meistens dann, wenn Anbieter:innen bestimmte Ziele erreichen wollen. Sprich, dass wir uns für einen Newsletter an melden, eine App herunterladen oder Berater:innen anrufen. Beispiel 3: Nagging Wie erkenne ich Nagging? Nutzer:innen werden via Pop-ups so lange Handlungsempfehlungen gemacht, bis wir sie annehmen. Warum funktioniert Nagging? Nur genügend lang nörgeln, dann geben die Nutzer:innen nach. Unter diesem Motto steht Nagging. In der Regel erhalten wir keine Möglichkeit, eine Empfehlung abzulehnen. Entweder weil die technische Option dazu fehlt oder weil wir den Dienst ohne die entsprechende Handlung gar nicht (mehr) nutzen können. Von Freiheit und Fairness kann keine Rede sein. Je nachdem mit welchen Empfehlungen wir «genagged» werden, wird auch unsere Privatsphäre verletzt. Wo finde ich Nagging? Nagging kommt zum Einsatz, um uns stärker an eine App oder Webseite zu binden. Die Social-Media-Plattform Instagram erinnerte früher bei jedem Aufrufen der App daran, Push-Mitteilungen zuzulassen. Eine Option zur Deaktivierung dieser Erinnerungsmitteilung gab es nicht. Auch Google fragt immer wieder nach, sollten wir dem Teilen von Daten in Bezug auf unsere Suchanfragen nicht schon zugestimmt haben. (Selbst-)Verantwortung übernehmen UX Writer:innen bewegen sich zwischen dem, was Anwender:innen von Apps und Webseiten brauchen und dem, was Auftraggeber:innen wirtschaftlich erreichen wollen. Dark Patterns und Dark UX Writing zu unterlassen, funktioniert nicht so einfach. Als Nutzer:innen sind wir Dark UX Writing jedoch nicht hilflos ausgesetzt. Dies dank der eigenen Sensibilisierung gegenüber der potenziellen Macht von Wörtern und dem Bewusstmachen unserer Rechte im digitalen Raum. Wir haben ein Anrecht darauf, dass Werte wie Freiheit, Integrität und Transparenz respektiert werden. Wir entscheiden selbstbestimmt, ob wir ein Angebot annehmen oder ablehnen. Egal, was uns ein Pop-up dazu sagt. Gesetzlich reguliert oder gar verboten sind Dark Patterns in der Schweiz übrigens (noch) nicht. In welche Richtung es gehen könnte, zeigt Kalifornien. Der California Consumer Privacy Act beinhaltet seit März 2021 das Verbot von Dark Patterns.
Beispiel 2: Manipulinks Wie erkenne ich Manipulinks? Manipulinks sind Links, die uns manipulieren. Sie kommen zum Einsatz, wenn wir uns anders verhalten, als es sich die Appoder Webseitenanbieter:innen wünschen. Warum funktionieren Manipulinks? Wir möchten uns gut fühlen. Das ist ein urmenschliches Bedürfnis und gilt auch bei der Nutzung von Webseiten und Apps. Manipulinks funktionieren, weil
Gutes UX Writing fällt nicht auf, mangelhaftes bis fehlendes hingegen schon.
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Know-how
Our experts
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Gemeinsam gegen Hass Digitale Gewalt ist Gewalt Jolanda Spiess-Hegglin
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Start-up-Cluster Initialzündung auf fruchtbarem Boden Oliver Flueckiger
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Künstliche Intelligenz
Vertrauen bedingt Verwundbarkeit Marisa Tschopp
Niemand prägt den MAS Digital Business so stark wie sie: 194 Dozierende aus unterschiedlichsten Fachgebieten, die ihr Expert:innenwissen weitergeben und neue, praxistaugliche Impulse setzen. Drei der Dozierenden ermöglichen in den folgenden Beiträgen einen Einblick in ihr Wirken.
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Our experts
Gemeinsam gegen Hass
Digitale Gewalt ist Gewalt Jolanda Spiess-Hegglin Von
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ber die Existenz von digitaler Gewalt muss ich heute zum Glück nicht mehr diskutieren. Vor drei, vier Jahren war dies noch anders und auch immer wahnsinnig anstrengend. Heute rede ich darüber, was digitale Gewalt bei Betroffenen auslöst. Und das in Endlosschlaufe, bis irgendwann digitale Gewalt einfach Gewalt ist und entsprechend im Gesetz festgeschrieben wird. Aktuell – die Schweiz hat ein «Analog»-Gesetz aus dem letzten Jahrhundert – ist dies aber ein etwas schwieriges Thema. Obwohl wir uns seit 30 Jahren mit dem Internet beschäftigen und viele von uns seit 15 Jahren online vernetzt sind, tun wir bei digitaler Gewalt noch immer so, als sei dieses Internet Neuland und die negativen und bedrohlichen Seiten davon halt naturgegeben. Aber das ist falsch. Analoge Gesetze in einer digitalen Welt Wer online gejagt, blossgestellt und gestalkt wird, kann sich lediglich auf Gesetzesartikel wie «üble Nachrede» oder «Missbrauch einer Fernmelde anlage» berufen. Nein, das ist kein Scherz. Die Artikel heissen wirklich so. Mein bisher absurdestes Erlebnis: #NetzCourage gelang es, die rein digitalen Belästigungen eines Stalkers so akribisch zu dokumentieren, dass das Zürcher Gewaltschutzgesetz zur An wendung kam – zum ersten Mal überhaupt in einem digitalen Fall. Zum Glück wohnt dieser Stalker im Kanton Zürich. Denn in der Schweiz ist es lediglich in Zürich und zwei weiteren Kantonen möglich, sich gegen Stalking von Fremden schnell zu wehren. Nun wurde dieses digitale Stalking also realem Stalking gleichgesetzt – was erfreulich ist – und das Gericht ordnete eine Massnahme an. Jetzt wurde es absurd. Die Massnahme ist vordefiniert und entspricht einem Kontakt- und Rayonverbot, leider jedoch einem rein analogen. Antifeministische Radikalisierung
Immer unter Strom, aber in der Pestalozzi-Bibliothek kommt Jolanda Spiess-Hegglin zur Ruhe. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins #NetzCourage (www.netzcourage.ch), welcher als einzige Organisation in der Schweiz die digitale Gewalt bekämpft und aufarbeitet. Sie ist Dozentin im CAS Digital Ethics.
Die Aggressoren können sich in ihrer Netzgemeinschaft mit ihren Taten grösser und bedeutsamer machen, als sie es in der analogen Welt sind.
Mit #NetzCourage betreten wir noch immer oft Neuland, obwohl dieses Internet doch schon ein paar Jahrzehnte zu unserem Alltag gehört. Was jedoch weitaus anstrengender ist als Gerichtstermine mit Stalkern oder das Suchen passender Gesetzesartikel: die Radikalisierung im Internet. Schon mal den Begriff «Incel» gehört? Incels sind meist junge Männer, welche Frauen hassen. Die Bezeichnung setzt sich aus «involuntary» und «celibate» zusammen und bedeutet: unfreiwillig zölibatär. Es sind Männer, welche keine Sexualpartnerin finden und das nicht nur als Blamage und Kränkung empfinden, sondern als Schicksal, das nach Sühne verlangt. Damit legitimieren sie ihren generalisierten Hass auf alle Frauen. So weit, so beunruhigend. Aber glücklicherweise reden wir von einem Mikroanteil von Männern. Und dennoch: Frauenhasser vernetzen sich online aktuell in hohem Tempo – auch in der Schweiz. Im antifeministischen Kosmos radikalisieren sie sich bis hin zur Gewaltbereitschaft. Glücklicherweise wurde die Schweiz bislang von anti
feministischen Terrorakten verschont. Vergangene Attentate in Toronto, Isla Vista und Hanau wurden von bekennenden Incels begangen. Auch der Täter von Utøya und der Attentäter auf eine Synagoge in Halle waren Incels. Letzterer streamte seine Tat live auf Facebook und hörte währenddessen ein Lied aus der Incel-Szene, welches sich auf die Amokfahrt von Toronto bezieht. Die Täter werden auf Facebook und in Internetforen als Helden gefeiert. Medial wurden diese Männer jedoch als psychisch kranke Einzeltäter oder Rechtsradikale eingeordnet. Was viel zu kurz greift. Wird von Extremismus gesprochen, so stehen religiöse und politische Radikalisierung im Vordergrund, nicht aber die radikale Szene der Frauenhasser. Das Sichtbarmachen dieser Gewalt als geschlechtsspezifischer Extremismus wäre aber für Prävention und Intervention von entscheidender Bedeutung. Mit jedem Tag vergrössert sich der Kosmos der Incels im Netz: eigene Seiten, eigene Sprache, eigene Kultur. In den letzten Jahren häuften sich koordinierte Online-Mobbingkampagnen gegen Frauen. Die Aggressoren können sich in ihrer Netzgemeinschaft mit ihren Taten grösser und bedeutsamer machen, als sie es in der analogen Welt sind. Das Netz verschafft Omnipräsenz. Jede kleinste Handlung wird aufblasbar zu Globalgrösse, und das in Lichtgeschwindigkeit. Je extremer, desto mehr Anerkennung. Digitale Gewalt reduzieren und Betroffene unterstützen Um diese Subkultur sichtbar zu machen, einzuordnen und Lösungswege zu erarbeiten, haben wir, gemeinsam mit dem Verein männer.ch das Projekt #EscapeManosphere geplant. Natürlich wäre solches nicht die Aufgabe von gemeinnützigen Organisationen. Aber wir können viel schneller handeln und uns an Themen wagen, welche Bundesstellen niemals bearbeiten würden. Eine finanzielle Beteiligung des Bundes fragten wir dennoch an. Vor Kurzem kam die Absage mit der Begründung, das Thema habe keine Priorität. Keine Pointe. Das dachten viele auch beim #NetzPigCock. Doch dieser legte einen Raketenstart hin. Mit dem Anzeigetool von #NetzCourage kann man ungefragt erhaltene Penisbilder innerhalb von 60 Sekunden zur Anzeige bringen. Wer solche pornografischen Bilder zugeschickt erhält, kann diese auf www. netzpigcock.ch niederschwellig zur Anzeige bringen. Formular ausfüllen, Foto hochladen, PDF ausdrucken, unterschreiben und ab die Post. #NetzCourage übernimmt das Porto. Allein im ersten Monat von #NetzPigCock wurden 1‘178 Strafanträge generiert – eine schockierende Zahl, welche die Grösse des gesellschaftlichen Problems sichtbar macht. Früher mussten Betroffene mit einem ausgedruckten Bild auf den Polizeiposten und fürs Protokoll rund zwei Stunden einplanen. Für #NetzPigCock erhielt ich im September 2021 den FemBizSwissAward in der Kategorie Innovation. Es war mir eine riesengrosse und unerwartete Ehre. Und die beste Motivation für weitere Innovationen, um die Situation für Betroffene von digitaler Gewalt ein wenig erträglicher zu machen.
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Start-up-Cluster
Initialzündung auf fruchtbarem Boden Von
Oliver Flueckiger
A
are Valley, Crypto Valley, Limmat Valley – viele Regionen haben sich auf die Fahne geschrieben, das nächste Silicon Valley zu werden. Häufig werden solche Initiativen jedoch nur halbherzig umgesetzt und nach ein paar Jahren zeigt sich, dass sich anstatt hochinnovativer Start-ups lediglich ein paar KMU angesiedelt haben. Andere Regionen sind weiter, Stockholm beispielsweise. Auf den ersten Blick haben Schweden und die Schweiz einige Gemeinsamkeiten: Die Population ist ähnlich gross, die Infrastruktur ist bestens ausgebaut, beide Länder haben in der Gründerzeit namhafte Unternehmer hervorgebracht und beide Länder werden gerne miteinander verwechselt. Schweden hat zwar ähnlich viele Start-ups hervorgebracht wie die Schweiz, aber mit 15 Unicorns dreimal so viele mit Milliardenbewertung. Was sind die Gründe, dass in Stockholm so viele innovative, erfolgreiche Start-ups entstehen? Von Generation zu Generation In Schweden hat sich Ericsson in den 90er-Jahren zu einem der führenden Mobilfunkunternehmen entwickelt. Einige ihrer gut ausgebildeten und motivierten Mitarbeitenden wollten früher oder später ein eigenes Start-up gründen. Die eigentliche Initialzündung für das Startup-Ökosystem in Schweden war aber Skype. Skype wurde u. a. vom ehemaligen Tele2-Manager Niklas Zennström entwickelt, basierend auf dem Peer-to-Peer-Prinzip des ebenfalls von ihm gegründeten Kazaa. Nach dem Verkauf von Skype an eBay für USD 2,5 Mrd. im Jahr 2005 hatten dank Mitarbeitenden-Aktien plötzlich zahl reiche Skype-Manager:innen viel Geld, das sie in neue Start-ups in Stockholm reinvestierten. Zennström zum Beispiel gründete Atomico, heute einer der europäischen Top-VCs. So entstand eine zweite Generation an erfolgreichen Start-ups mit Spotify, King, Klarna und weiteren. Deren Gründer:innen investierten wiederum in die dritte Generation mit NaturalCycles, Kry etc. und diese unterstützen bereits die nächsten Start-up-Generationen. Mut zur Mittelmässigkeit Für den Erfolg des schwedischen Clusters gibt es aber noch mehr Gründe als nur die Skype-Initialzündung. Neben guten Hochschulen und einer langen Ingenieurstradition ist in der schwedischen Kultur der Mut zur Mittelmässigkeit stark verankert: Auf Schwedisch gibt es mit «lagom» sogar ein Wort dafür. Anders als wir in der Schweiz mit unserem Hang zur Perfektion releasen schwedische Start-ups gerne auch halb fertige Produkte. So kann viel früher Feedback gesammelt und das Produkt basierend darauf verbessert werden. Was mit dem Lean-StartupFramework erst vor etwa zehn Jahren überall ins Entrepreneurship Einzug hielt, hatten die Schwed:innen bereits verinnerlicht – ein grosser Vorteil für Jungunternehmen. Starke Digitalkompetenz und sehr gute Englischkenntnisse In den 90er-Jahren subventionierte die schwedische Regierung Desktop-PCs für Privathaushalte. Die junge Generation nutzte diese PCs natürlich, um das Internet zu erkunden und Games zu spielen. Viel früher als in anderen
Ländern haben die jungen Menschen in Schweden eine starke Digitalkompetenz entwickelt. Viele davon wollten sich nicht mit der Rolle als Konsument:in zufriedengeben. Sie begannen, selbst Applikationen und Games zu entwickeln. Nicht wenige davon gründeten später erfolgreiche Digitalunternehmen. Die Kommunikation in den meist sehr internationalen Start-ups und auch mit der Kundschaft erfolgt in der Regel auf Englisch. Die sehr guten Englischkenntnisse der schwedischen Bevölkerung haben sicher auch ihren Teil dazu beigetragen, dass die schwedischen Start-ups schneller und erfolgreicher international skalieren. Schlanke und digitale Verwaltung Die Skype-Initialzündung entfachte nicht nur in Schweden das Start-upFeuer, sondern in der ganzen Region. In der nahen, aber deutlich günstigeren estnischen Hauptstadt Tallinn – wo Programmierer:innen den Code für Skype entwickelten – gibt es besonders gute Bedingungen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entschied sich Estland mit gerade mal 1.3 Mio. Einwohner:innen einen schlanken Staat aufzubauen. Als Gegenentwurf zur überbordenden Bürokratie im Kommunismus setzte das Land von Anfang an auf einen transparenten und vor allem digitalen Staat. Sämtliche Behörden gänge können seit Langem online erledigt werden, etwa Grundbucheinträge oder Firmengründungen. Der Staat stellt aber auch eine Plattform zur sicheren Identifikation zur Verfügung. Diese kann genutzt werden, um schnell Bankkonten zu eröffnen oder um eCommerce-Transaktionen zu verifizieren. Perfekte Bedingungen für OnlineStart-ups. Das zeigt sich auch in der Statistik: Mit 865 Start-ups gibt es nirgendwo mehr Start-ups pro 1 Mio. Einwohner:innen als in Estland. Auch hier hat sich ein starkes Ökosystem entwickelt. Die «Estonian Startup Mafia» ist mittlerweile berühmt-berüchtigt: Ein Syndikat extrem erfolgreicher Business Angels, die regelmässig Top-Start-ups hervorbringen wie die Ride-SharingPlattform Bolt, das CRM Pipedrive oder die Peer-to-peer-Geldtransfer-Plattform Wise (ehem. TransferWise). Die Schweiz ist auf dem richtigen Weg In der Schweiz hat sich das Klima für Start-ups in den letzten Jahren deutlich verbessert. Unter anderem dank Initiativen wie «Digital Switzerland» oder BusinessAngel-Vereinigungen wie SICTIC hat sich die Szene stark professionalisiert. Von einer Maturität wie in Stockholm oder Tallinn ist die Schweiz allerdings noch immer entfernt. Das liegt unter anderem daran, dass es in der Schweiz noch keinen Exit in der Grössenordnung von Skype gab. Die Finanzierungsrunden in Schweizer Start-ups sind tendenziell kleiner als im Ausland, die Bewertungen liegen tiefer. Zwar investieren viele Unternehmer:innen als Business Angels nachdem sie ihr Start-up verkauft haben – häufig jedoch in ausländische Startups. Auch die hier ansässigen VCs investieren eher selten in lokale Start-ups, sondern nutzen hauptsächlich die steuerlichen Vorteile für ihre internationalen Aktivitäten. Sobald auch die Schweiz ihren Multimilliarden-Exit feiert, entsteht eine starke «Swiss Mafia» - und dann legt die Startup-Nation Schweiz so richtig los.
Oliver Flueckiger an einem seiner Lieblingsorte in Zürich im Grünen, wo er öfters auch in Joggingschuhen anzutreffen ist. Er ist Tech-Entrepreneur in Berlin und Zürich mit Fokus auf digitale Geschäftsmodelle und zweiseitige Plattformen. Als Startup-Gründer, Verwaltungsrat und Dozent beschäftigt er sich intensiv mit den Themen Entrepreneurship, Start-ups, Technologie, Innovation Management und digitale Ökonomie.
Anders als wir in der Schweiz mit unserem Hang zur Perfektion releasen schwedische Start-ups gerne auch halb fertige Produkte. So kann viel früher Feedback gesammelt und das Produkt basierend darauf verbessert werden.
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Künstliche Intelligenz
Vertrauen bedingt Verwundbarkeit Von
Marisa Tschopp
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ie stark wir Systemen mit künstlicher Intelligenz (KI) vertrauen, beeinflusst, ob wir uns auf diese verlassen und wie wir sie nutzen. Die Einflussfaktoren auf das Vertrauen zu erforschen, stösst auf grosses Interesse, während Verletzlichkeit in der Mensch-Maschine-Interaktion nicht wirklich viel Beachtung findet. Dabei ist Verletzlichkeit das Herzstück der Vertrauenstheorien in menschlichen Interaktionen. Trotzdem ist Verletzlichkeit nicht das Herzstück der Vertrauenstheorien in der Mensch-MaschineInteraktion. Noch nicht. Was ist Verletzlichkeit? Bei Menschen bedeutet Verletzlichkeit, dass sie in einer Interaktion ein gewisses Risiko eingehen, vom Gegenüber enttäuscht zu werden: Sie machen sich verletzlich gegenüber anderen. Erst Vertrauen macht es Menschen möglich, trotz schlechter Vorhersagbarkeit und Unsicherheit den sogenannten Glaubenssprung (leap of faith) in unbekannte Gewässer mit unbekannten Menschen zu wagen. Trustworthy AI: Den Glaubenssprung ermöglichen Derzeit wird viel über vertrauenswürdige KI diskutiert. Diese hat zum Ziel, das Risiko für Menschen verletzt zu werden, zu reduzieren. Um vertrauenswürdige KI zu erreichen, werden Ideale aufgestellt, wie ein KI-System auszusehen hat. KI muss unter anderem technisch robust und sicher sein, die Modelle müssen transparent, erklärbar oder «audit-bar» sein. Diese Leitlinien sind deshalb sinnvoll, weil KI-Systeme Schwachstellen haben. Sie funktionieren nie perfekt, was ein KI-System ebenfalls «verletzbar» macht. Wobei in der IT der Begriff verwundbar besser passt und vor allem in der IT-Security bereits einen festen Platz hat.
Bildlegende damit man das Bild versteht. Bildlegende damit man das Bild versteht. Bildlegende damit man das Bild versteht.
In ihrer Freizeit ist Marisa Tschopp stolze Trainerin von 14 Männern in der 3. Liga beim Volleyball Club Mellingen. Hauptberuflich erforscht sie die Mensch-KI-Interaktion bei der scip AG und am Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen. Als Ambassador und Chief Research Officer der Non-Profit-Organisation Women in AI engagiert sie sich für Diversität und Gleichberechtigung. An der HWZ ist sie Dozentin im CAS AI Operations.
Technische Schwachstellen beschädigen vielleicht eine Maschine, aber verletzt wird am Ende ein Mensch. Die Maschine leidet im eigentlichen Sinn nicht.
Überall sind Schwachstellen Diese Schwachstellen (oder Verwundbarkeiten) sind eine von vielen Ursachen, warum es bei KI-Systemen zu einer Situation geprägt von Unsicherheit kommt. Das ist auch der Grund, warum es überhaupt zu einer Vertrauensbeziehung zwischen Mensch und Maschine kommt. Die Krux ist jedoch, dass am Ende nur Menschen wirklich verletzt werden können. Ein Mensch vertraut einem KI-System, etwas zu tun. Es fehlt an Vorhersagbarkeit, daher ist die Situation von Unsicherheit und eventuell sogar von grossem Risiko geprägt. Der Mensch macht sich verletzlich, wenn er das Risiko eingeht, sich auf die Maschine zu verlassen und danach zu handeln. Das KI-System performt nicht, das Ziel der Mensch-Maschine-Interaktion ist nicht erreicht und der Mensch wird verletzt. Technische Schwachstellen beschädigen vielleicht eine Maschine, aber verletzt wird am Ende ein Mensch. Die Maschine leidet im eigentlichen Sinn nicht. Daraus kann geschlossen werden, dass die Vertrauensbeziehung in der Mensch-Maschine-Interaktion unidirektional ist: Nur der Mensch kann vertrauen, kann Risiken eingehen und verletzt werden. KI-Systeme sind durch technische Schwachstellen verwundbar, leiden jedoch nicht. Nur der Mensch leidet und das vielleicht sogar in doppelter Hinsicht: Ein Nutzer, der sich «verletzt» hat, da ihm geschadet wurde und die Entwicklerin, die sich «verletzt» hat, weil sie sich schuldig
fühlt und sich verantwortlich gemacht hat. Vielleicht ist die Vertrauensbeziehung in der Mensch-Maschine-Inter aktion doch nicht so unidirektional? Zeit für einen Paradigmenwechsel? Während Vertrauen nur bei menschlichen Akteur:innen entsteht, zeigt sich die Verletzlichkeit bei allen Akteur:innen. Und dies in unterschiedlichen Formen, die sich auf noch unbekannte Weise beeinflussen. Bringen wir als Beispiel einen Hacker ins Spiel, der absichtlich versucht, Schwachstellen der Software auszunutzen, um einer Person zu schaden. Oder eine Firma, die böswillig manipulative Designstrategien entwickelt, um Vertrauen zu fördern. Schnell merken wir, wie die Mensch-MaschineInteraktion an Komplexität gewinnt. Einfacher wäre vielleicht die Betrachtung aus Perspektive der Schwachstellen. Dann wirkt das KI-System eigentlich als eine Art notwendiger Zwischenhändler zwischen den menschlichen Akteur:innen. Denn eine Schwachstelle in der Maschine funktioniert am Ende nur zusammen mit der Schwachstelle Mensch. Diese neuartige Idee des Managements, welche sich auf Verwundbarkeiten fokussiert, fusst auf den folgenden Thesen: 1. Der Mensch ist verwundbar, egal auf welcher Seite des KI-Systems er steht. 2. Der Mensch hat Schwächen, die ihn verwundbar machen: z. B. zu viel Vertrauen (overtrust) oder die kognitive Verzerrung, dass Maschinen immer perfekt funktionieren (automation bias). 3. Das KI-System ist verwundbar, weil es entweder schlecht gebaut (vielfältige technische Schwachstellen) und/oder schlecht genutzt wird (bspw. technische Schwachstellen werden ausgenutzt). 4. Die Leidtragenden sind immer die Menschen: negative Konsequenzen, Schuld, Verantwortung etc. Das Ziel von vertrauenswürdiger KI ist, die negativen Konsequenzen zu minimieren. Jedoch ist es das Wagnis wert, einen Paradigmenwechsel vorzuschlagen: Weg vom Fokus auf Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit, hin zum Fokus auf Verwundbarkeit. Daraus könnte eine Sicht auf die KI-Systeme entstehen, die ganzheitlich die Verwundbarkeit von Menschen und Maschinen betrachtet. Denn weder Mensch noch Maschine funktionieren jemals perfekt, auch wenn uns das Hirn oder Werbung manchmal vorgaukeln. Wir müssen ständig wachsam sein und – um im Tech-Jargon zu bleiben – ständig patchen. Das betrifft einerseits die ITSysteme, aber andererseits auch unser menschliches Vertrauensniveau. Die Vision: Ganzheitliches Verwundbarkeits-Management Leitlinien zur Verwundbarkeit zu entwickeln, scheint ein visionäres Unterfangen. Es gibt viel Spielraum bei der Auslegung und vielleicht wären Leitlinien auch zu starr. Das entspricht nämlich nicht der Tatsache, dass die Vertrauensbeziehung zwischen Mensch und Maschine ein dynamischer, kontinuierlicher Prozess ist. Fortlaufend müssen die Stellschrauben der Beziehung überwacht, überdacht, und geflickt werden. Der Fokus auf die Schwachstellen von Mensch und Maschine hat das Potenzial ein besseres Verständnis und bessere Handlungsempfehlungen herauszugeben, damit wir KI-Systeme in Zukunft effektiv, nachhaltig und vor allem sicher nutzen können.
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Success
Success stories
Erfolg bedeutet für alle etwas anderes – auch für die MAS- und CAS-Absolvierenden, welche das Institute for Digital Business jährlich diplomiert. Wie sie mit ihrem Tun auf ganz unterschiedliche Art und Weise die digitale Schweiz erfolgreich mitgestalten, erzählen uns drei von ihnen in den nachfolgenden Beiträgen.
21 Civic-Tech
Ein digitaler Zwilling von Schaffhausen Sandro Scalco
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Content & Community Vom Pony-Club zur grossen Liebe Sarah Nünlist
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Agiles Mindset Nach dem CAS ist vor “The Wolfgang” Silvan Gertsch
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Success stories
Civic-Tech
Ein digitaler Zwilling von Schaffhausen Von
Sandro Scalco
Meine Mission ist klar: Die direkte Demokratie der Schweiz braucht einen digitalen Zwilling, wo Civic-Tech-Anwendungen und eine direkte Technokratie ausprobiert werden können. Die Begeisterung dafür entfachte auf einem Study Trip der HWZ.
E
s einfach einmal versuchen. Dieses Motto begleitet mich schon seit Beginn meiner beruflichen Laufbahn. Dass ich mit dem Beginn einer Pandemie meinen Job kündige, um das erste Civic-Tech-Unternehmen in Schaffhausen zu gründen, mich fortan mit Politik und der Digitalisierung der Gesellschaft auseinandersetze, das hätte ich damals als Informatiklehrling wohl nie gedacht. Angefangen hat ursprünglich alles mit dem Windows 95 Computer meines Vaters. Es faszinierte mich, wie mein Vater diverse DOS-Befehle auf dem schwarzen Bildschirm eintippte. Noch spannender wurde es, als plötzlich das Internet-Modem mit einem schrillen Pfeifen die Verbindung in eine mir neue Welt herstellte. Als ich eine Lehrstelle suchte, erwähnte ein guter Schulfreund, sein älterer Bruder sei Informatiker. Das wollte ich erst mal ausprobieren. Kurz darauf baute ich in einer Schnupperlehre im Dorf fleissig PCs zusammen. Ich fand Gefallen daran. So, dass ich später die Berufslehre mit begleitender Matura in einem EDV-Dienstleistungsbetrieb in Schaffhausen startete. Eine wichtige Person während dieser Zeit war für mich mein Lehrmeister. Er impfte mir das Dienstleistungs-Gen ein und zeigte mir, wie man Fehlern systematisch auf die Schliche kommt. IT-Projekte scheitern selten an der Technologie
Weit weg vom Trubel und der Hektik des Alltags geniesst Sandro Scalco die Ruhe des “Lindli”, der Schaffhauser Flaniermeile direkt am Rhein.
Für mich war klar: Ich möchte möglichst bald E-Resident in Estland werden und mich mit der Digitalisierung der Gesellschaft auseinandersetzen.
Nach meiner Berufslehre war es Zeit, ein neues Projekt anzugehen. Es zog mich nicht nur beruflich über die Kantonsgrenzen hinaus. In Zürich absolvierte ich eine einjährige Ausbildung zum IT Business Solution Consultant und anschliessend studierte ich in Winterthur an der ZHAW im ersten Teilzeit studiengang Informatik. Nach der ein oder anderen kurzen Nacht, bevor es samstags jeweils wieder in die Schule ging, folgten über zehn Jahre SAP Consulting bei verschiedenen Beratungsfirmen. Energie tankte ich in meiner Heimat. In Schaffhausen fand ich immer wieder einen Rückzugsort, konnte Freunde und Familie treffen oder die Zeit im Wald oder am wunderschönen Rhein geniessen. Einige Jahre nach meinem BachelorStudium suchte ich eine neue Heraus forderung. Mit meinem BachelorStudium und der Berufslehre in Informatik hatte ich ein gutes technisches Fundament aufgebaut. Die Jahre in der Beratung gaben mir einen tiefen Einblick in verschiedenste Unternehmen und deren Geschäftsprozesse. Die Probleme mit der Digitalisierung bekam ich in den zahlreichen Projekten zu spüren. Schon dort merkte ich, dass Projekte nicht an der Technologie, sondern an etwas
anderem scheitern. Darum entschloss ich mich für ein Master-Studium an der HWZ. Aha-Erlebnis in Tallinn Der CAS Digital Masterclass ergänzte die mir fehlenden Puzzleteile. Besonders der Study Trip nach Tallinn hat mir die Augen geöffnet und mir eine bisher noch weitgehend unbekannte Welt gezeigt. Die fortschrittliche Einstellung gegenüber der Digitalisierung – von der Bevölkerung über Start-ups bis zum Staat – hat mich beeindruckt. Für mich war klar: Ich möchte möglichst bald E-Resident in Estland werden und mich mit der Digitalisierung der Gesellschaft auseinandersetzen. Passend dazu lancierte der Kanton Schaffhausen seine eigene elektronische Identität. Diese integrierte ich anschliessend in meine Master-Arbeit «Voraussetzungen für die Einführung einer Civic-Tech-Lösung mittels einer elektronischen Identität im Kanton Schaffhausen». Die Zeit an der HWZ hat definitiv etwas in mir ausgelöst. Ich wollte das Erlernte umsetzen und etwas an meine Heimat zurückgeben. Anfang 2020 ergab sich die Chance, meine MasterArbeit in einem Projekt umzusetzen. Also entschloss ich mich meinen Job in der Beratung zu kündigen, um ein eigenes Start-up zu gründen. Digitalisierung, Gesellschaft und Politik Seither beschäftige ich mich bei StartHub nicht mehr nur mit der Digitalisierung von Unternehmen und Prozessen, sondern der Gesellschaft. Das Mindset, welches ich in Tallinn kennengelernt habe, wollte ich mit der Gründung von StartHub auch nach Schaffhausen bringen. Mit StartHub fördern wir eine aktive Gründerszene in Schaffhausen, indem wir unter anderem Veranstaltungen und Workshops organisieren und Start-ups aus der Region eine Plattform bieten und sie coachen. Im Sommer lancierten wir einen Co-Working-Space mitten in der Altstadt. Damit soll der Austausch noch stärker gefördert werden. Auch mit Politik setze ich mich stärker auseinander. Da ich eine kantonale Volksmotion lancierte, mit welcher die gesetzlichen Voraussetzungen für E-Collecting geschaffen werden sollen. Das elektronische Sammeln von Unterschriften für Volksbegehren würde die direkte Demokratie weiterentwickeln. Meine Vision ist aber immer noch ein digitaler 27. Kanton. Sozusagen ein digitaler Zwilling des Kantons Schaffhausen, um die Digitalisierung und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft zu testen.
Meine Funktion: CEO liitu consulting gmbh und Co-Founder StartHub Schaffhausen Meine Weiterbildungen an der HWZ MAS Business Innovation CAS Innovation Management CAS Digital Masterclass CAS Change Management CAS Consulting & Communication CAS General Management Was würde ich meinem 25-jährigen Ich heute raten? Mach weiter so und bleib geduldig.
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Content & Community
Vom Pony-Club zur grossen Liebe Von
Sarah Nünlist
Mein erstes Unternehmen gründete ich mit acht Jahren: ein Pony-Club mit Membership-Modell. Für monatlich 50 Rappen erhielten meine vier Kundinnen einen selbst gebastelten Mitglieder ausweis sowie das hand geschriebene und gezeichnete Clubmagazin. Es folgten eine DetektivAgentur, ein Zirkus und der Ernst des Lebens.
I
ch wuchs mit den traditionellen Werten einer Arbeiterfamilie in der Nähe von Biel auf: Zur Arbeit geht man, um das Leben zu finanzieren. Eine sichere Stelle ist das höchste aller Ziele. Darum war immer klar, dass ich eine Berufslehre machen würde. Nur konnte ich mich nicht im Geringsten für eine der mir dargelegten Optionen erwärmen. Und mir wollte nicht in den Kopf, wieso ich etwas machen sollte, dass mir keine Freude bereitet. Trotz Empfehlung meiner Lehrer:innen und dem prüfungsfreien Übertritt ins Gymnasium, unterstützten meine Eltern meinen Wunsch nach einer weiterführenden Bildung nicht. Der Kompromiss war die Handelsmittelschule mit KV-Abschluss und Berufsmatura. Danach stand ich wieder vor demselben Problem: Beim Gedanken an den Büroalltag überkam mich das Grauen. Also packte ich die Koffer und reiste nach Irland. Der Job in einem kleinen Pub an der wilden Westküste war der erste von vielen, die keinem konventionellen Karriere-Muster folgten. Ich lernte, Guinness zu zapfen und in perfekt irischem Dialekt zu fluchen. Zurück in der Schweiz gründete ich mit 23 Jahren mein erstes richtiges Unternehmen. Als Solo-Selbständige schrieb ich fortan Texte für Unternehmen – hauptsächlich im Event- und Kulturbereich – und organisierte PR-Massnahmen. Eines führte zum anderen und zu einem weiteren Unternehmen: Zwei Jahrzehnte nach dem Pony-Club gab ich wieder ein Magazin heraus. Diesmal gedruckt und in einer Auflage von 275’000 Stück. Der «AusBlick» erschien einmal pro Monat im Eigenverlag und als Beilage der Tageszeitung Blick. Nach drei Jahren verkaufte ich meine Anteile dem Geschäftspartner und ging einen neuen Weg. Social Media, die erste grosse Liebe Mit 30 trat ich meine erste «echte» Stelle bei der Schweizerischen Post an. Kurz nach meinem Start entstand in der Konzernkommunikation ein neuer Bereich: Ein Team aus zwei Personen sollte die Post ins Zeitalter von Facebook führen, das notabene für Mitarbeitende damals noch gesperrt war. Ich wurde die erste Social-Media-Redaktorin der Post. Es war der Start einer Liebesgeschichte. Social Media war mein Ding: Alles war ständig in Bewegung, es gab keine Anleitungen, keine Prozesse, keine Regeln – was heute richtig war, stimmte morgen schon nicht mehr. Nach zwei Jahren übernahm ich die Leitung der Online-Redaktion, später wurde ich
Head of Digital Communication. Das Team wuchs und ich wuchs mit dem Team. Ich war in der Corporate Welt angekommen. Zeit, doch noch einen Hochschulabschluss zu machen. 2012 startete ich den CAS Mobile Business an der HWZ. Die grossen Unternehmen hatten damals gerade ihre ersten Apps lanciert, so auch die Post. Der CAS half mir, ein tieferes Verständnis für diese neue Technologie und ihre Möglichkeiten zu entwickeln. Der Höhepunkt des darauffolgenden CAS Digital Leadership war unumstritten die Studienreise ins Silicon Valley. Was ich damals nicht wusste: Kurz darauf kehrte ich nach Kalifornien zurück. Im Rahmen eines Innovationsprojektes der Post arbeitete ich während fünf Wochen in Palo Alto. Nach dem CAS Multichannel Management schloss ich 2015 als erster Jahrgang mit dem MAS Digital Business ab. Nach drei Jahren direkt am Puls der digitalen Innovationen war mein Unternehmergeist wieder hellwach. Zwei Start-ups und ein Framework Heute führe ich zwei eigene Start-ups zusammen mit zwei Co-Foundern. Mit der SaaS-Plattform «contentfry» ermöglichen wir Unternehmen, User Generated Content auf ihre Website oder auf TV Screens zu bringen. Und «tapwriter» ist eine Plattform für «Engagement Journalism»: Bürger:innen, Journalist:innen, Expert:innen und interessierte Personen können sich rund um aktuelle Themen verbinden und gemeinsam die redaktionelle Berichterstattung gestalten. Beiden Start-ups liegt derselbe Glaube zugrunde: Dass die Macht heute bei den Menschen liegt. Themen entstehen bottom-up. Journalismus und Unternehmen sollten fähig sein, Bewegungen und Communitys zu erkennen, mit den Menschen darin zu kommunizieren und mit ihnen zusammenzuarbeiten – ehrlich und auf Augenhöhe. Um Unternehmen bei dieser Transformation von einer linearen zu einer komplexen Kommunikation zu unterstützen, haben wir das Framework «Emergur» entwickelt. The fire from within Lange wusste ich nicht, was genau ich in meinem Leben machen will. Wie, war aber seit dem Pony-Club klar: Es muss ein Feuer in mir entfachen. So habe ich auf meinem Weg zwar ungewöhnliche Abzweigungen genommen, dabei die Leidenschaft aber immer über Erfolg und Sicherheit gestellt. Heute weiss ich genau, was dieses Feuer in mir entfacht: Eine Idee zum Leben zu erwecken, andere dafür zu begeistern und gemeinsam etwas Neues zu kreieren. Deshalb werden noch weitere Unternehmen folgen – da bin ich mir sicher.
Meine Funktion Co-Founder bei contentfry und tapwriter Meine Weiterbildungen an der HWZ MAS Digital Business CAS Mobile Business CAS Digital Leadership CAS Multichannel Management Das würde ich meinem 25-jährigen Ich heute raten: Trau dich!
Neue Inspiration und einen Ort zum Entspannen und Geniessen findet Sarah Nünlist bei sich zu Hause auf der sonnigen Terrasse mit Blick über die Stadt Zürich.
Beiden Start-ups liegt derselbe Glaube zugrunde: Dass die Macht heute bei den Menschen liegt.
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Agiles Mindset
Nach dem CAS ist vor “The Wolfgang” Von
Silvan Gertsch
Einen Roman verfassen, einen Song im Studio aufnehmen, in einem legendären Club eine Vernissage feiern: 2021 war das Jahr der vielen Premieren. Auch beruflich treiben mich Herausforderungen sowie die Balance aus Beständigem und Neuem an.
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enige Monate nachdem ich im Herbst 2016 das CAS in Digital Leadership abgeschlossen hatte, fing ich an, einen Roman zu schreiben. Nichts da mit «digital» – ein altmodisch gebundenes Print-Produkt war das Ziel. Und Möglichkeiten, die neu erworbenen Leadership-Skills anzuwenden, gab es beim mehrjährigen Schreibprozess vermeintlich auch kaum. «The Wolfgang», wie das Werk heisst, entstand in Zusammenarbeit mit Mick Gurtner, mit dem mich eine langjährige Freundschaft verbindet. Gemeinsam haben wir den Rahmen für das Buch definiert, grob die Handlung skizziert, die beiden Protagonisten im Buch charakterisiert – und ausgelost, wer aus welcher Perspektive schreibt. Und dann spielten wir uns abwechslungsweise, wie in einem intensiven Ping-PongMatch, die Kapitel hin und her. Als wir im Frühling 2021 das Werk erstmals in den Händen hielten, lag ein langer und enorm lehrreicher Weg hinter uns, der mit einem unvergesslichen Live-Auftritt im legendären Club «Mokka» in Thun seinen vorläufigen Höhepunkt fand.
Bildlegende damit man das Bild versteht. Bildlegende damit man das Bild versteht. Bildlegende damit man das Bild versteht.
Zum Gitarrenunterricht - hier im Studio von Adrian Weyermann - reist Silvan Gertsch regelmässig von Thun nach Zürich.
Ein ambitionierter Plan und ein agiles Mindset Mit ein paar Monaten Distanz fällt mir auf, dass in «The Wolfgang» doch eine grosse Portion «Digital Leadership» steckt. Der digitale Teil mit unzähligen Schreibstunden am Laptop, Online-Recherche und der Veröffentlichung als E-Book ist dabei wenig überraschend. Aber der LeadershipAnteil ist tatsächlich nicht zu unterschätzen: Um ein solches Projekt von A bis Z durchzuziehen, braucht es nebst einer grossen Portion Motivation und Durchhaltewillen auch einen ambitionierten Plan. Und während des Schreibprozesses musste ich mich auch immer wieder mit einem agilen Mindset auf neue Entwicklungen einstellen, die mir mein «Schreibpartner in crime» in seinen Kapiteln einbrockte. Das alles sind Haltungen, die mir die Dozierenden an der HWZ, aber auch Vorgesetzte in meinen Jobs, erfolgreich mit auf den Weg gegeben haben. Schnittstelle zwischen IT und Business
Und darum geht’s doch letztlich privat wie beruflich: Neues ausprobieren und Spass dabei haben.
In meinem Job als Leiter Soziale Netzwerke & Plattformen bin ich für die internen und externen Kommunikationskanäle der Mobiliar zuständig: Als Business Owner steuere ich den Intranet-Relaunch, sorge für die Umsetzung der Social-MediaStrategie, lebe und optimiere die Newsroom-Abläufe und stelle die Produktion unserer Magazine für die Kundschaft und Mitarbeitenden sicher. Ich verantworte einen bunten Strauss an Themen. Das setzt nicht nur viel Beständigkeit voraus, sondern ermöglicht mir auch, an der
Schnittstelle zwischen Business und IT tagtäglich neue Themen und Projekte anzupacken. Jüngstes Beispiel: Zusammen mit jungen Mitarbeitenden im Unternehmen haben wir eine Strategie definiert, um auf TikTok aktiv zu werden. Entwickeln und weiterentwickeln Dieser Mix aus Bestehendem und Neuem, die Verbindung von agilen Projekten und langfristig ausgelegten Prozessen sowie die Balance aus traditionellen Kommunikationskanälen und neuen, digitalen Opportunitäten treiben mich an. Das war schon so, als ich 2009 bei der Mobiliar im Online-Marketing eingestiegen bin und während vier Jahren wertvolle Erfahrungen sammeln durfte. Weiter ging es bei der SBB. Zuerst als Verantwortlicher für den IntranetAuftritt des Personenverkehrs und als Product Manager für «SBB Mobile». Später als Leiter interne e-Medien, wo ich die internen Kommunikationskanäle für 30‘000 Mitarbeitende weiterent wickelte und erste Führungserfahrung sammelte. 2016 ging es «back to the roots»: Zur Mobiliar, ein Unternehmen, das sich in einer hochspannenden Transformation befindet, Kundennähe offline wie online lebt und mit einer einzigartigen Kultur besticht. Meine theoretischen Erfahrungen konnte ich seither mit einem internen Mentoring bei unserer heutigen CEO Michèle Rodoni sowie einem internationalen Weiterbildungsprogramm ausbauen. «Dancing with Woody Harrelson» Wie im Beruf brauche ich auch privat immer wieder neue Herausforderungen. Das Schreiben eines Buches ist eine solche. Das Gitarrespielen eine andere. 2018 habe ich mir eine akustische Gitarre gekauft und mich beim Rockmusiker Adi Weyermann zum Unterricht an gemeldet. Im ersten Corona-Sommer stieg ich dann von der akustischen auf eine elektrische Fender-Gitarre um. Und dann erweckte ich mit der kräftigen Unterstützung meines Gitarrenlehrers einen fiktiven Song, der in «The Wolfgang» vorkommt, zum Leben. Selbstverständlich bin ich realistisch und selbstkritisch genug, um zu wissen, dass trotz des Tracks «Dancing with Woody Harrelson» nun keine grosse Rockmusiker-Karriere auf mich wartet. (Leider.) Aber: Ich bin um ein paar spektakuläre Erfahrungen reicher und habe im Aufnahmestudio einen Einblick in eine für mich bis dahin völlig unbekannte Welt erhalten. Und darum geht’s doch letztlich privat wie beruflich: Neues ausprobieren und Spass dabei haben.
Meine Funktion Leiter Soziale Netzwerke & Plattformen, Die Mobiliar Meine Weiterbildung an der HWZ CAS Digital Leadership Das würde ich meinem 25-jährigen Ich heute raten: Kauf dir eine Gitarre!
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Class of 2021
u Congratulations o Y k c to the graduating o r class of 2021
Adrian Allenbach
Adriano Brenca
Alexander Strecker
Andreas Glaus
Benjamin Gabathuler
Christian Anhäuser
Christian Jung
Christian Rufener
Christopher Moll
Corinne Fleury
Daniel Sager
Erik Krumdieck
Fabian Lauener
Giselle Scherrer
Igor Garcia
Jonas Epp
Kristian Kleiber
Lea Bischoff
Marcel Rapold
Martin Blom
Matthias Jauslin
Matthias Pfeifer
Michael Isenring
Michael Kemmer
Michael Sturzenegger
Natalie Strutz
Omar Piras
Pascal Renggli
Peter Merz
René Weber
Ronny Gazik
Sara Etzensperger
Simon Scherrer
Stefan Grauwiler
Stefan Vetter
Stephanie von Arx
Swen Klebik
Toralf Schnell
Tsering Ngorkhangsar
Yetvart Artinyan
Wir gratulieren den 40 Absolventinnen und Absolventen des MAS Digital Business zum erfolgreichen Abschluss. Ihr tragt nun wie 156 weitere Digital Minds in der Schweiz den Titel «Master of Advanced Studies ZFH in Digital Business». Mit eurem Denken und Wirken prägt ihr die digitale Welt massgeblich mit – und das zukünftig noch stärker.