Twitter in der Schweiz

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MEDIA & MEDIEN

werbewoche 15 | 24.08.2012

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Follower-Fetisch In der Schweiz gibt es rund 100 000 Twitter-Accounts – doppelt so viele wie vor einem Jahr.

M

achen sich Facebook-Verweigerer verdächtig?», fragte die Berliner Tageszeitung Der Tagesspiegel kürzlich. Denn sowohl der Kino-Attentäter von Denver wie auch der Massenmörder aus Norwegen hatten keine Social-Media-Aktivitäten. Galt bisher die Empfehlung, in sozialen Netzwerken nicht freizügige Bilder und private Nachrichten für jedermann zugänglich zu machen, scheint nun angesichts der weiten Verbreitung von Social Media auch das Gegenteil – die absolute Abstinenz – suspekt. In gewissen, vor allem publikumsorientierten Branchen gilt der Umfang der Social-Media-Gefolgschaft bereits als hartes Beurteilungskriterium. Gemäss dem Tagesspiegel-Artikel erkundigen sich in Deutschland 70 bis 80 Prozent der Personalfachleute nach den Bewerbern im Netz und versuchen so, anrüchigen Vorfällen aus dem Privatleben auf die Spur zu kommen. Dabei werden in der Regel einzig Facebook und Twitter berücksichtigt (und so bleibt unbeachtet, dass der Norweger Anders Breivik auf Myspace und der Kino-Attentäter auf Adultfriendfinder.com Spuren hinterliessen). Mag es für Privatpersonen gute Gründe geben, auf Facebook und Twitter zu verzichten und sich dennoch nicht bei den Psychopathen einreihen zu müssen, kann bei Unternehmen eine Social-Media-Abstinenz leicht negativ auf das Markenimage wirken. Während Facebook weit verbreitet ist und vor allem im privaten Bereich genutzt wird, gewinnt Twitter bei uns ständig an Bedeutung. Gemäss Angaben der ARGUS der Presse AG, die ein Social-MediaMonitoring betreibt, gibt es derzeit rund 100 000 Twitter-User in der Schweiz. Das sind rund doppelt so viele wie noch vor einem Jahr. Angesichts der zunehmenden Verbreitung von Twitter gilt es bei Unternehmen wie bei Personen als erstrebenswert, möglichst viele Followers zu haben. Das deutet direkt auf eine hohe Zustimmung in der Gesellschaft und liefert mindestens eine gute Grundlage, um damit angeben zu können. Wer hingegen nur verhältnismässig wenig Anhang hat, gilt als verstaubt und unzugänglich. (Wir sind diesem Follower-Fetisch ebenfalls gefolgt und haben nach den angesehensten Twitter-Accounts in der Schweizer Kommunikationsbranche gefahndet und sie in der nebenstehenden Tabelle aufgelistet.) Und weil die Follower-Zahl so einfach greifbar ist, wird sie gern als harte Messgrösse herangezogen. Steht die Konkurrenz besser da oder steigen die eigenen Zahlen nur noch langsam, können vor allem

Social-Media-Manager darunter leiden. Wer der Schmach, beim Chef oder im Bekanntenkreis als Versager dastehen zu müssen, entgehen will, kann auf die Dienste einer besonderen Service-Gilde zurückgreifen: Follower-Lieferanten (die nicht mit Social-Media-Marketing-Dienstleistern gleichzusetzen sind). Diese werden mitunter als Teil der Unterwelt-Wirtschaft bezeichnet, sind aber im Netz einfach zu finden. Es genügt nach «twitter followers kaufen» oder «buy twitter followers» zu googeln oder auf eBay nach «twitter followers» zu suchen, um etwa herauszufinden, dass 500 «Qualitäts-Followers vom grössten deutschen Fanvermittler» für 42 Franken zu haben sind. In den USA hat das Sicherheitsberatungsunternehmen Barracude Labs ermittelt, dass der durchschnittliche Preis für 1000 Followers bei 18 Dollar liegt. Es wurden 72 212 Twitter-Accounts untersucht, wobei bei deren 11 283 gefälschte Followers (fake followers) festgestellt wurden. Prominentestes Beispiel ist der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney. An einem einzigen Tag, am 21. Juli 2012, stieg die Zahl seiner Followers um 17 Prozent an. 80 Prozent dieser neuen Follower-Accounts war weniger als drei Monate alt und ein Viertel war gar nur drei Wochen alt. Ein Viertel von ihnen hatte noch nie einen Tweet versandt und 10 Prozent waren von Twitter schon wieder eliminiert worden. (Wer die Mechanismen des amerikanischen Wahlkampfs kennt, kann nur vermuten, dass diese Fake-Followers von der RomneyKampagne oder aber von der Gegenseite gekauft wurden.) Wer abklären will, wie viele der eigenen Twitter-Followers echt sind, kann dies z.B. bei www. twitteraudit.com tun, allerdings handelt es sich dabei lediglich um Annäherungswerte. Das Geschäft mit falschen Freunden ist auch bei Facebook ein zunehmender Trend. Noch im März dieses Jahres schätzte das Unternehmen die Anzahl seiner falschen Profile auf etwa 40 bis 50 Millionen. Im ersten Quartalsbericht nach dem Börsengang wurde Ende Juli diese Zahl nach oben korrigiert: Demnach gibt es sogar 83 Millionen Phantom-Konten, was knapp 9 Prozent aller Facebook-Benutzer ausmacht. Allerdings sind nur 1,5 Prozent als «unerwünschte Konten» eingestuft, die missbräuchlich eingesetzt werden können. Gleich wie bei Twitter gibt es auch hier Anbieter (wer googelt, findet), die künstliche Likers zu Markte tragen. Private Profile sind derweil das Ziel von Spam-Accounts, die möglichst attraktiv daherkommen müssen, damit sie akzep-

FACEBOOK (Fans) Rang

Auftritt

tiert und zu den eigenen Freunden hinzugefügt werden. So erstaunt es denn nicht, dass Barracuda Labs herausgefunden hat, dass solche Accounts fast immer (97 Prozent) eine weibliche Identität haben. Weder Facebook noch Twitter haben Freude an solchen Entwicklungen und bekämpfen falsche Konten. So kann es denn schon passieren, dass, wer Follower-Doping betrieben hat, die Zahl seiner neuen Freunde alsbald wieder im Sinkflug sieht. Mitunter lassen sich solche Entwicklungen in der Swiss Social Media Survey auf WEmad.org (aktuelle TopPerformer siehe unten) beobachten, wobei dafür natürlich auch andere Gründe infrage kommen Christoph J. Walther können. Anzahl Followers Twitter

Name

12 172 7 677 7 572 4 032 3 910 3 628 3 543 3 457 3 241 3 053 3 049 3 002 2 299 2 150 2 083 1 865 1 860 1 807 1 734 1 694 1 659 1 610 1 581 1 564 1 548 1 471 1 466 1 444 1 338 1 309 1 308 1 249 1 242 1 239

Miriam Meckel Peter Hogenkamp Nik Hartmann Marie-Chr. Schindler Tom Brühwiler Roger Hausmann Su Franke David Bauer Bö | Thomas Benkö Mike Schwede Michèle Binswanger Patrik Müller Moritz Adler Mark Balsiger Alexander Sautter Matthias Daum Mathieu Janin Konrad Weber Anic Lautenschlager Franziska von Grünigen Markus Gilli Nick Lüthi Sandro Brotz Thom Nagy Barnaby Skinner Reto Lipp Christof Moser Philippe Wampfler Manuel P. Nappo Marco Metzler TA Politik Vinzenz Wyss Florian Steglich Tom Schäpper

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TWITTER (Followers) Zuwachs

Stand

Rang

Auftritt

Zuwachs

Stand

1.

Schweiz Tourismus

+46 337

273 208

1.

NZZ

+2960

33 313

2.

J.-S.-Bach-Stiftung St. Gallen

+15 269

39 733

2.

20 Minuten

+2620

21 800

3.

Swiss Olympic

+12 283

40 134

3.

Swiss Olympic

+2401

6 541

4.

Migros

+11 697

86 839

4.

Swiss International Air Lines

+2218

32 519

5.

Swisscom

+10 760

127 099

5.

DRS3

+1272

12 201

6.

ABB

+5 888

35 319

6.

SF Sport

+1094

4 389

7.

Swiss International Air Lines

+5 606

125 385

7.

Blick

+1045

11 439

8.

TCS Touring Club Schweiz

+5 418

9 496

8.

BAA

+907

12 867

9.

ok.-

+5 369

112 660

9.

Mammut

+607

7 960

Wallis Tourismus

+4 097

6 990

10.

ABB

+588

7 487

10.

*Periode: 1.7.2012–20.8.2012 Vollständige Übersicht auf: www.WEmad.org samt Gratiseintrag für neue Auftritte.

WER HAT AM MEISTEN FOLLOWER IM GANZEN LAND? Wir haben uns nicht gescheut, ein paar Programmzeilen zu schreiben, um herauszufinden, welche Schweizer Kommunikationsprofis auf Twitter die beliebtesten Accounts haben. Eine längere Fassung finden Sie auf unserer Website.

DIE AKTUELLEN SOCIAL-MEDIAÜBERFLIEGER Wer in der Social-Media-Hitparade auf WEmad.org im Juli/ August* am meisten dazugewonnen hat.


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