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Marburg lädt ein
Ein warmer Sommertag am unteren Steinweg
Schon Marburgs Lage ist symbolträchtig: im Westen das alte Landgrafenschloss, im Osten die Lahnberge mit dem Uni-Klinikum und dazwischen eine moderne Stadt voller Geschichte. Hier, wo die Deutsche Märchenstraße den geographischen Mittelpunkt der Europäischen Union kreuzt, treffen sich Naturidylle, Tradi- tion und Forschergeist: Moderne Gründerzentren existieren in historischer Bausubstanz, Fachwerk spiegelt sich in Glasfassaden, und eine Grünfläche ist nie weit entfernt. Kein Wunder, dass schon so mancher hier hängengeblieben ist, der eigentlich nur zum Studieren kam …
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1527 gründete Landgraf Philipp in Marburg die erste protestantische Universität, und bis heute ist die „Alma Mater Philippina“ der Faktor, der den Marburger Alltag am stärksten prägt. Jeder vierte Einwohner studiert, überall stößt man auf Fakultäten und Seminare, und einer der meistzitierten Sätze über die Stadt an der Lahn lau-
Der Markt, Mittelpunkt eines einzigartigen Fachwerkensembles
tet: Marburg hat keine Universität, Marburg ist eine Universität. Ganz falsch ist es von daher nicht, wenn gemunkelt wird, man träfe hier eigentlich nur Studenten und Touristen.
Überdurchschnittlich ist dementsprechend das Kultur- und Gastronomieangebot: Theater, elf Kinosäle, mehrere Kulturzentren, Hotels von familiär bis luxuriös und über 200 Gaststätten können sich sehen lassen und laden auch mal zum Kurzurlaub ein. bern richtig Spaß macht – nicht zuletzt weil die gesamte Altstadt verkehrsberuhigt ist. Sportlich weniger ambitionierten Besuchern erleichtern Busse und die beiden Oberstadtaufzüge am Pilgrimstein („Welcome-Hotel“ und Parkhaus) die Erkundungstour. Für die richtig schönen Ecken und Winkel muss man aber schon ein paar Stufen und Steigungen in Kauf nehmen. Zum Glück nur auf knapp halber Höhe liegt der Marktplatz, beherrscht vom 1510 bis 1527 erbauten Rathaus. Das eindrucksvolle Gebäude mit dem charakteristischen Treppengiebel sollte einst das gewachsene Selbstbewusstsein der Marburger Bürgerschaft gegenüber dem Landgrafen zum Ausdruck bringen. Originalität bezeugt bis heute der Schlag der Rathausuhr: Die blechern tönende Trompete des Wächters und der mit seinen Flügeln schlagende Hahn sind unverwechselbare Wahrzeichen der Stadt.
Vor allem ist Marburg eine Stadt zum Bummeln. Im nahezu einmaligen Fachwerkensemble der Oberstadt gibt es keine Kaufhallen, sondern eine Vielzahl von kleinen Geschäften für jeden Geschmack, wo das Stö-
Den Blick vom Schloss sollte man sich nicht entgehen lassen
Ausdruck gestärkten Bürgerstolzes: das Rathaus aus dem Jahre 1527
Wer gerade schon dabei ist, im historischen Ambiente zu schwelgen, sollte sich den herrlichen Blick vom Schloss herab nicht entgehen lassen. Die erste Burganlage auf dem weit ins Lahntal vorspringenden Felsen wurde bereits Ende des neunten Jahrhunderts errichtet. Bis zum Siebenjährigen Krieg hatte die Festung der hessischen Landgrafen militärische Bedeutung, heute dient sie in erster Linie als Museum: Der spätgotische Wilhelmsbau beherbergt das Universitätsmuseum für Kulturgeschichte. Im Landgrafenschloss zerstritten sich 1529 Luther und Zwingli über die rechte Form des Abendmahls. Der Fürstensaal gilt als einer der schönsten hochgotischen Saalbauten Deutschlands. Dort finden heute außerdem Konzerte und Theateraufführungen statt. Und zumindest bei schönem Wetter empfiehlt sich eine Runde durch den Schlosspark hinter der Festungsanlage. Von April bis Oktober werden übrigens jeden Samstag öffentliche Kasematten-Führungen durch die überund unterirdischen Festungsanlagen angeboten.
Einen schönen Blick hat man vom Schlossberg aus auch auf Marburgs bedeutendstes Bauwerk, die Elisabethkirche. Im 13. Jahrhundert zu Ehren der Heiligen Elisabeth von Thüringen erbaut, die von 1227 bis 1231 in Marburg lebte und wirkte, ist sie die älteste gotische Hallenkirche Deutschlands, geweiht im Jahr 1283.
Von weitem zu sehen und nicht zu verkennen: das Landgrafenschloss
Die Elisabethkirche im Zentrum der Nordstadt
Das Bauwerk steht auf dem Boden des von Elisabeth gegründeten Hospitals, in dem sie den Armen und Kranken diente. Der Elisabeth-Schrein, der um 1250 im Auftrag des Deutschen Ordens entstand und bis 1539 die Reliquien der Heiligen barg, gilt als eine der größten und schönsten spätromanischen Goldschmiedearbeiten.
Das Gesicht der Nordstadt zwischen der Elisabethkirche und dem Hauptbahnhof hat sich gewandelt: Während die hier angesiedelten Universitätskliniken auf die Lahnberge ausgelagert wurden, sind ein Behördenzentrum, ein Kongresszentrum, ein Hotel sowie mehrere Kulturzentren entstanden. So laden Bahnhof- und Elisabethstraße sowie der Wehrdaer Weg zum Shoppen ein, während G-Werk und Waggonhalle mit vielseitigen Kulturangeboten locken. Am Alten Botanischen Garten entstanden die neue Universitätsbibliothek und das Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas. Einen Abstecher wert ist auch die ehemalige Brückenvorstadt und Zollstation Weidenhausen am Ostufer der Lahn. Waren noch Anfang der 70erJahre über 60% der gut 100 Fachwerkhäuser an der Weidenhäuser Straße abrissreif, ist das Viertel längst komplett saniert und zu einer wunderschönen Fußgängerzone mit Läden, Straßencafés, eigenem Park und eigenem Flair geworden.
Unibibliothek am Alten Botanischen Garten
Das Südviertel: Blick von der Gutenbergstraße auf Schloss und Lutherische Pfarrkirche
Zwei Fußgängerbrücken über Lahn und Kupfergraben verbinden Weidenhausen mit dem gründerzeitlichen Südviertel, Marburgs wohl begehrtester Wohngegend: Hier finden sich nicht nur Jugendstilvillen, Cafés, das Technolo-
gie- und Tagungs-
zentrum TTZ und sehr viel Grün, sondern auch Marburgs größtes Kaufhaus und ein breit gefächertes Spektrum von Fachgeschäften direkt im Wohnviertel. Sehenswert ist der von Hermann Schwan ab 1530 erbaute Schwanhof, der von 1875 bis in die 1950er-Jahre eine Tabakfabrik beherbergte und seit Jahren zu einem Zentrum für Dienstleister, Gastronomie und Läden umgestaltet wurde.
Zwischen Nord- und Südviertel, Oberstadt und Weidenhausen entstand schließlich in den 1990er-Jahren Marburgs „Neue Mitte“ mit Kongresshotel, Kunsthalle, Multiplexkino, Ladengalerien, Bank- und Bürogebäuden und einer Fußgängerbrücke über die Lahn. Das Erlenringcenter und das Einkaufszentrum Marktdreieck bilden den Ostrand des neuen Zentrums und bieten mit ihren „Parkhäusern mit Autobahnanschluss“ einen idealen Ausgangspunkt zur Stadterkundung.
Das Herz der Stadt schlägt.
Hotel , Ladengalerien, Kunsthalle und Cineplex-Kino prägen Marburgs „Neue Mitte”