TSG Hoffenheim 2010/11

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SAISONCHRONIK 2010/11


SAISONCHRONIK 2010/11| head

Dies ist die Chronik der dritten Saison von 1899 Hoffenheim im Oberhaus des deutschen Fußballs – die bisher bewegendste Saison. In den ersten beiden Spielzeiten hatte sich der Verein erfolgreich in der Liga etabliert und in der Abschlusstabelle Platz 7 bzw. Platz 11 eingenommen. Das war zuletzt weniger, als mancher sich angesichts des Potenzials der Mannschaft erhofft hatte, war aber mehr, als Aufsteigern gewöhnlich gelingt. Und wie die Rückrunde der ersten Saison wurde auch die zweite Saison durch etliche Verletzungen und Ausfälle geprägt. Insofern war selbst Platz 11 durchaus positiv zu werten. In dieser dritten Saison wollte man natürlich vieles besser machen und sich trotzdem nicht mit zu großen Erwartungen belasten. Dazu wollte man auf die Tugenden des Vereins zurückgreifen, auf den schnellen, publikumsnahen Fußball mit jungen Talenten. „Wir können, realistisch betrachtet, nicht mehr erreichen, als in der Liga dabei zu sein“, dämpfte jedoch Dietmar Hopp vor der Saison allzu hochfliegende Hoffnungen auf eine Wiederholung des „Wunders von Hoffenheim“, als man zwei Jahre zuvor, gleich nach dem Aufstieg, inoffizieller Herbstmeister geworden war. „Ein Mittelfeldplatz wäre für uns okay“, sagte auch Ernst Tanner, Nachfolger von Jan Schindelmeiser im sportlichen Bereich. Andi Beck, der von Trainer Ralf Rangnick zum neuen Kapitän bestimmt worden war, dem jüngsten der Bundesliga, fasste es so zusammen: „Wir sollten keine Ziele ausgeben. Die vergangene Saison hat bewiesen, dass die Möglichkeit, am internationalen Geschäft zu schnuppern, genauso gegeben ist wie die, in die Abstiegsregion zu rutschen.“

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Insgesamt herrschte beim Start also weitsichtige Bescheidenheit vor, geknüpft an soliden Realismus, und so sah auch die Transferpolitik aus. Als Neuzugänge waren Tom Starke, Peniel Mlapa, Sebastian Rudy und Gylfi Sigurdsson zu begrüßen, während Maicosuel, Nilsson und Hildebrand den Verein endgültig verließen. Wellington wurde nach Düsseldorf, Raitala nach Paderborn und Zucculini nach Genua ausgeliehen. Dass auch Carlos Eduardo abwandern würde, war beim Saisonstart in Rostock noch nicht abzusehen, so wenig wie die etwas ruppige Demission von Demba Ba – oder der Weggang von Luiz Gustavo in der Winterpause zu den Bayern. Dass es im Umfeld dieses zweitteuersten Wechsels der BundesligaGeschichte auch noch zur Trennung von Ralf Rangnick kommen würde, der den Verein von der dritten in die erste Liga gebracht hatte, war vollends nicht abzusehen. Im Januar 2011 ging mit der Trennung von Ralf Rangnick eine regelrechte Hoffenheimer Ära zu Ende, während mit der Verpflichtung von Marco Pezzaiuoli eine Art Zwischenregentschaft installiert wurde, die zum Saisonende bereits auslief. Sein Nachfolger als Chefcoach wurde Holger Stanislawski.


DER KADER Obere Reihe, von links nach rechts: Sejad Salihovic, Chinedu Obasi, Robin Neupert, Marvin Compper, Gylfi Sigurdsson, Prince Tagoe, Vedad Ibisevic, Peniel Mlapa, Josip Simunic, Isaac Vorsah, Demba Ba, Denis Thomalla, Luiz Gustavo, Maskottchen Hoffi Mittlere Reihe, von links nach rechts: Ralf Rangnick (Chef-Trainer), Peter Zeidler (Co-Trainer), Marco Pezzaiuoli (Co-Trainer), Christof Elser (AthletikTrainer), Yannick Obenauer (Athletik-Trainer), César Thier (Torwart-Trainer), Henning Ott (Mannschaftsarzt), Michael Grau-Stenzel (Physiotherapeut), Thomas Schuster (Physiotherapeut), Peter Geigle (Physiotherapeut), Christian Seyfert (Zeugwart und Betreuer), Heinz Seyfert (Zeugwart und Betreuer). Matthias Bauer (Busfahrer) Untere Reihe, von links nach rechts: Andreas Ludwig, Andreas Ibertsberger, Christian Eichner, Boris Vukcevic, Matthias Jaissle, Ramazan Özcan, Jens Grahl, Tom Starke, Daniel Haas, Manuel Gulde, Andreas Beck, Sebastian Rudy, Dominik Kaiser, Tobias Weis Es fehlt: Zsolt Petry (Torwart-Trainer)

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DFB-POKAL 1. RUNDE | Hansa Rostock

14. AUGUST 2010

Hansa Rostock – 1899 Hoffenheim 0:4 Zweimal schon hatte 1899 Hoffenheim es mit Rostock zu tun gehabt – beide Male im Pokal. 2004 war man in der 1. Hauptrunde, damals noch als Regionalligist, dem Bundesligisten zuhause im Dietmar-Hopp-Stadion unter den Augen von 6000 Zuschauern mit 1:2 unterlegen: mit dabei Denis Bindnagel und Kai Herdling. 2008 traf man erst im Achtelfinale aufeinander, Hoffenheim gab gerade sein einjähriges Gastspiel in der 2. Liga, Rostock war immer noch Bundesligist. Diesmal lautete das Ergebnis 2:1, Hoffenheim zog vor wieder 6000 Zuschauern im Dietmar-Hopp-Stadion ins Viertelfinale ein. Die Mannschaft war da schon gut zur Hälfte identisch mit dem Kader von 2010/2011: Ibisevic, Salihovic, Gustavo, Compper, Jaissle, Obasi, Ba, sie alle waren bereits an Bord.

Dass der Pokal seine eigenen Gesetze hat, konnte die Partie im regnerischen August des Jahres 2010 nicht bestätigen. In Rostock, nun in der dritten Liga spielend, hatte man darauf gesetzt, dass der ganztägig kübelweise niederprasselnde Regen samt aufgeweichtem Rasen dem technisch überlegenen Bundesligisten aus Hoffenheim Probleme bereiten würde. Doch die erhoffte Pokalüberraschung blieb aus und war bereits in der ersten Halbzeit Makulatur. Denn Hoffe zog sofort alle Register und zeigte, was im Testspiel gegen den englischen PremierLeague-Club AFC Sunderland eine Woche zuvor allgemein sichtbar geworden war: neuen Mannschaftsgeist. In der letzten Saison hatte es genau daran öfters gefehlt, mancher mögliche Erfolg war darum ausgeblieben. In dieser Saison, das zeigte der Auftakt gegen Rostock, knüpfte die Mannschaft an frühere Zeiten an. Eine interessante Änderung gab es in der Defensive. Compper räumte seinen Platz als Innenverteidiger für

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Vorsah und spielte als linker Außenverteidiger. Schon in der ersten Minute hätte es beinahe die Führung gegeben, als Mlapa, zu Saisonbeginn schon eingespielter Neuzugang von 1860 München, rechts steil aufs Tor geschickt wurde und seine flache Hereingabe vom Rostocker Keeper Hahnel um ein Haar ins eigene Tor gelenkt worden wäre. Anschließend versuchten beide Teams ohne jedes Abtasten, das Spiel an sich zu ziehen, Rostock mit deutlich weniger spielerischen Möglichkeiten. Einen Freistoß von Salihovic konnte Hahnel in der 7. Minute noch parieren, doch als in der 14. Minute Ibisevic einen hohen Ball auf Demba Ba in die Gasse spielte und die Rostocker Hintermannschaft mehr oder weniger tatenlos zusah, war er machtlos. Ba zog von links aufs Tor los und schoss unhaltbar ins lange Eck ein. Nur vier Minuten später sah die Rostocker Abwehr erneut schlecht aus. Ibisevic bekam den Ball an der Strafraumgrenze vom Gegner förmlich aufgelegt und verwandelte das Geschenk eiskalt.


HANSA ROSTOCK Hahnel, Schyrba, Wiemann, Müller, Pelzer, Pannewitz, Gusche, Jänicke, Lartey, Lange (46. Vujanovic), Schied (76. Neitzel)

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Simunic (71. Eichner), Compper, Vorsah, Salihovic, Gustavo, Weis (71. Vukcevic), Ba (46. Eduardo), Ibisevic, Mlapa

ZUSCHAUER 12.611

TORE 0:1 Ba (14.) 0:2 Ibisevic (18.) 0:3 Mlapa (28.) 0:4 Ibisevic (32.)

SCHIEDSRICHTER Patrick Ittrich

Gelbe KarteN Pelzer, Lartey

In der 21. Minute bewies Salihovic bei einem Freistoß aus 30 Metern, wie unkalkulierbar der neue Ball war, der in dieser Saison für alle Spiele in der ersten Liga verbindlich wurde: ein Bruder des eigenwilligen Jabulani-WM-Balls. Die Plastikkugel flog und flatterte, hob und senkte sich nach Gutdünken und zischte nur knapp über die Querlatte.

auf der rechten Seite frei und passte unbedrängt nah ans Rostocker Tor. Ibisevic musste nur noch tun, was einen echten Torjäger ausmacht: den Fuß hinhalten und einlochen. Hoffe ließ darauf einige Minuten lang den hochverdichteten, technisch feinen Spiel-Motor laufen und machte, anders gesagt, mit Rostock, was es wollte. Nur kam es zu keinem Tor mehr bis zur Pause.

Zweimal kam Hansa Rostock nun zur Abwechslung gefährlich vors Hoffenheimer Tor, in dem der aus Duisburg zugewanderte Tom Starke sein Pflichtspieldebüt gab. Aber Hansa spielte auch weiter für Hoffe mit, diesmal in Gestalt des Kapitäns, der in der 28. Minute einen katastrophalen Ball spielte und ihn Ibisevic förmlich vorlegte – der gedankenschnell Mlapa einsetzte – der seinerseits aus vollem Lauf unwiderstehlich einschob.

Das freute die Rostocker. Nur die aus dem Kraichgau mitgereisten Fans hätten gern mehr gesehen, vor allem nach der Pause, als Eduardo für Ba eingewechselt wurde, der sich von seinen Schienbeinproblemen erstaunlich schnell erholt hatte, aber immer noch nicht voll belastbar war. Beinahe die gesamte zweite Halbzeit lang spielte Hoffenheim Rostock förmlich an die Wand, leider zunehmend ohne den ganz großen Tordrang. Zwei-, dreimal ging der Ball trotzdem knapp vorbei oder hielt Hahnel bravourös. Vukcevic für Weis und Eichner für Simunic vermochten daran ebenfalls nichts zu ändern. Q

Natürlich war die Hansa-Kogge damit versenkt. Umgekehrt war Hoffenheims Spiellaune nun erst richtig geweckt. In der 32. Minute spielte sich Ba

Foto linke Seite: Alle drei Torschütezn im Bild vereint: Ibisevic, Mlapa und Ba Foto rechte Seite: Luiz Gustavo in seiner letzten Halbserie für die TSG

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1. SPIELTAG | Werder Bremen

21. AUGUST 2010

1899 Hoffenheim – Werder Bremen 4:1 „Wir haben uns durch den Sieg gegen Sunderland und das Pokalspiel in Rostock Motivation und Selbstvertrauen geholt – jetzt sollte auch der Sieg gegen Bremen gelingen, eine der wenigen Mannschaften, gegen die wir in der Bundesliga noch keinen Dreier eingefahren haben.“ So äußerte sich vor dem ersten Ligaspiel Kapitän Andi Beck und behielt recht. Und das, obwohl Carlos Eduardo nicht auflaufen durfte, nicht mal im Kader stand und das Spiel von der Tribüne herab beobachtete. 6 SAISONCHRONIK 2010/11


1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Simunic, Vorsah, Compper (72. Eichner), Gustavo, Weis, Salihovic, Mlapa (77. Thomalla), Ibisevic, Ba (62. Vukcevic)

WERDER BREMEN Wiese, Fritz, Mertesacker, Prödl, Pasanen, Frings, Bargfrede, Borowski (73. Wagner), Hunt (46. Marin), Pizarro, Almeida (24. Arnautovic)

ZUSCHAUER 30.150 (ausverkauft)

TORE 0:1 Frings (3. Elfmeter) 1:1 Ba (20.) 2:1 Mlapa (37.) 3:1 Ibisevic (41.) 4:1 Salihovic (43.)

SCHIEDSRICHTER Günter Perl (Pullach)

Gelbe KarteN Eichner Borowski, Fritz

Denn Trainer Rangnick hatte vor dem Spiel verkündet, dass der geniale Spielmacher den Verein verlassen würde – zum russischen Meister Rubin Kasan, wie später bekannt wurde. Um ihn keiner Verletzungsgefahr mehr auszusetzen, wurde er geschont: außerdem musste Hoffe ohnehin zusehen, wie es sich ohne Eduardo spielte. Gut, sehr gut sogar, wie sich zeigen sollte: dank einer wieder äußerst geschlossenen Mannschaftsleistung. Spekulationen schossen ins Kraut, welche Neuinvestitionen durch die beträchtlichen Einnahmen nach Eduardos Verkauf getätigt werden könnten. Ein Stürmer und ein Mittelfeldspieler standen noch auf Ralf Rangnicks Wunschzettel, junge Talente zur Verstärkung für eine lange Saison. Währenddessen waren aus der Mann-

schaft andere Töne zu vernehmen. Besonders Ibisevic und Salihovic taten kund, dass sie den Kader für ausreichend stark besetzt hielten, die Saison zu bestehen. Die aktuelle Form gab ihnen jedenfalls recht. Dabei begann das Spiel gegen Werder so, wie man es von der auch vom Pech verfolgten letzten Saison kannte – nach nur zwei Minuten und einer frühen Chance für Hoffenheim kam es zu einem unbeabsichtigten Handspiel von Luiz Gustavo im eigenen Strafraum. Den nicht zwingend zu gebenden Strafstoß verwandelte Frings zur Führung für Werder. Danach war es für einen Moment ganz still in der Rhein-Neckar-Arena. Sollte die letztjährige Heimschwäche, begleitet von einer Aneinanderreihung unglücklicher Aktionen, hier bereits wieder von Neuem beginnen?

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1. SPIELTAG | Werder Bremen

Die Reaktion der Mannschaft beeindruckte jeden im Stadion. Ohne im Geringsten einzubrechen, zog Hoffe das Spiel an sich, kämpfte meist erfolgreich um jeden noch so aussichtslosen Ball, schaltete blitzschnell auf Angriff um und startete einen wahren Sturmlauf auf das Tor von Tim Wiese. Ein paar Mal konnte der Bremer erfolgreich eingreifen, in der 20. Minute war er aber machtlos. Ibisevic hatte auf der rechten Seite ein unwiderstehliches Dribbling hingelegt und scharf in den Strafraum geflankt. Fritz versuchte den Ball vor Wiese zu klären und gab damit Demba Ba unfreiwillig eine ideale Vorlage. Aus drei Metern schob er unbedrängt ins Netz ein. Etwa ab der 30. Minute reduzierte Hoffenheim das Tempo, ohne dass Bremen mit der gewonnen Freiheit etwas anzufangen wusste. Vielmehr

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spielte in der 37. Minute Mertesacker einen ziemlich missglückten Pass Compper genau vor die Füße, der den Ball auf Mlapa weitergab. Und ein paar raumgreifende, ballführende Schritte später schoss Mlapa links am herausstürzenden Wiese flach vorbei das 2:1. Nur drei Minuten später nahm Gustavo Frings tief in der eigenen Hälfte den Ball ab, passte umgehend auf Ibisevic, der weit vorn auf diese Chance gelauert hatte und keine Mühe hatte, den Ball rechts unten im Tor unterzubringen. Mike Diehl hatte gerade noch Zeit, nach der Torhymne den erfolgreichen Schützen vom begeisterten Publikum feiern zu lassen, da klang die Torhymne schon wieder durchs Stadion. Salihovic hatte in der 43. Minute einen Freistoß aus 20 Metern unhaltbar ins rechte obere Eck


Gegen Luiz Gustavo und Andi Beck war an diesem Tag kaum ein Zweikampf zu gewinnen

gesetzt. 4:1 stand es damit zur Pause, die Zuschauer hatten ein Hoffenheimer Feuerwerk aus viel Kampf, viel Tempo und vielen Toren gesehen. Nach der Pause versuchte Werder trotz des deprimierend hohen Rückstands, noch einmal ins Spiel zurückzufinden – vergeblich. 1899 stand hinten sicher und war vorn weiter gefährlich, ohne sich maximal verausgaben zu müssen. In der 60. Minute ging Ba, der noch Schonung brauchte, vom Platz, für ihn kam Vukcevic, später übernahmen Eichner und Thomalla die Postionen von Compper und Mlapa. Für Thomalla war es der Einstand in der 1. Bundesliga. Ein paarmal konnte er sich in Szene setzen, und auch Starke im Hoffenheimer Tor konnte sich noch einige Male auszeichnen.

Insgesamt aber verlief die zweite Halbzeit um einiges beschaulicher als die erste. Werder war gegen die entschlossenen Hoffenheimer, bei der einer für den andern rannte, was die Lungen hergaben, weitgehend machtlos. Und so feierte das Publikum schon etwa ab der 85. Minute lautstark die Mannschaft, sich selbst und den gelungenen Start in die neue Bundesliga-Saison. Dass es auch ohne Carlos Eduardo möglich war, erfolgreichen, über weite Strecken begeisternden Fußball zu spielen, war keine geringe Erkenntnis an diesem sonnigen, sommerlichen Nachmittag in der Rhein-Neckar-Arena. Q

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2. SPIELTAG | FC St. Pauli

28. AUGUST 2010

FC St. Pauli – 1899 Hoffenheim 0:1 Am Millerntor auf St. Pauli zu spielen, ist für jeden Gegner eine Herausforderung. Infernalischer Lärm über 90 Minuten, Fangesänge wie in England, eine aufopferungsvoll kämpfende Truppe, die ihre technischen Defizite durch höchsten Einsatz auf holprigem Rasen wettmacht: so kannte Hoffenheim die Totenkopf-Hamburger. Und erkannte die Szenerie diesmal kaum wieder. Nicht dass die Pauli-Fans an Stimmgewalt eingebüßt hätten, im Gegenteil, nach Fertigstellung der neuen Haupttribüne war die Kulisse noch aufgeheizter. Doch der Rasen war nicht mehr holprig, sondern neu – und auch die technischen Defizite der Mannschaft gab es nicht mehr. Unter Trainer Stanislawski hatte St. Pauli Spielkultur entwickelt. Hoffenheim sah sich darum von Anfang an selbstbewussten Angriffen ausgesetzt, Pauli kombinierte druckvoll und ohne jeden Respekt. Nach nur fünf Minuten verpassten die Hamburger mit einem Kopfball von Boll an die Querlatte und Bolls Nachschuss in Starkes Arme die frühe Führung. Umgekehrt spielten Ibisevic und Ba die Paulianer einige Male schwindlig, kamen aber nicht entscheidend zum Abschluss. Beide Seiten gingen hohes Tempo, hohes Risiko – und brachten die Zuschauer zum Kochen. In der 19. Minute klärte erneut Starke, diesmal vor dem allein auf ihn zustürmenden Naki. In der 28. Minute hielt Hain einen gewaltigen 20-Meter-Schuss von Ba, der Nachschuss von Weis ging ins Leere. Danach verlegte sich 1899 auf abwartende Aktionen – auch um den Angriffen der Gastgeber die leidenschaftliche Spitze zu nehmen. Die Tempoverschleppung war nicht schön anzusehen, aber zielführend: bis zur Pause geschah nichts, das Gefahr vor Starkes Tor brachte. Zurück aus der Kabine nahm Pauli sein gewohntes Spiel wieder auf und kam hier und da ansatzweise zu Torchancen. Wirkungsvoller war jedoch die taktische Neuausrichtung von Hoffenheim, wodurch mehr Druck im Mittelfeld und in der Folge mehr Gefahr im Angriff erzeugt werden konnte.

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In der 52. Minute hatte Ibisevic Pech. Nachdem Demba Ba lang und hoch steil geschickt worden war, stürmte Hain aus dem Tor und köpfte den Ball etwas ungeschickt genau vor Ibisevics Füße. Der Bosnier reagierte sofort und setzte zu einem Heber aus 30 Metern an, der jedoch, statt ins Tor zu gehen, auf der Querlatte landete. Von da an verschoben sich die Spielanteile langsam, aber stetig immer mehr zugunsten von Hoffenheim. Immer wieder hielt St. Pauli dagegen, blieb aber meist schon im Mittelfeld hängen. Selten kam noch ein Ball bis zur Viererkette, die dann souverän klären konnte. 1899 wechselte in der 62. Minute Ba für Tagoe und in der 70. Minute Weis für Vukcevic aus. Kaum drei Minuten später nahm der Youngster einen von Hain nach Freistoß Salihovic fallengelassenen Ball auf und schoss ihn unhaltbar ins Tor. Leider hatte der Linienrichter auf Abseits erkannt. Das war insofern richtig, als zwar Simunic tatsächlich abseits gestanden, aber den Ball nicht berührt hatte. Vukcevic dagegen, der regulär gespielt hatte, bekam den verdienten Treffer nicht zugesprochen. In der Schlussviertelstunde sah es zunehmend nach torlosem Unentschieden aus, die Angriffs-


Dank an die mitgereisten Fans, Mlapa und Ibisevic ‚in action‘

bemühungen wurden beidseitig nicht mehr mit der notwendigen Konsequenz vorgetragen. Erst ganz kurz vor dem Ende war beiden Mannschaften anzumerken, dass sie zuletzt doch noch auf einen Sieg hofften: das Tempo zog wieder an. Das bessere Ende hatte Hoffe nach einer mustergültigen Ecke von Salihovic, dessen Ball sich steil vor dem Fünfer herabsenkte – und von hinten rauschte Vorsah heran, mit weit vorgestrecktem Bein, und beförderte den Ball ins Tor. Statt wie früher des Öfteren in letzter Minute zu verlieren, hatte Hoffenheim in der 87. Minute den Siegtreffer erzielt. Trainer Rangnick fasste das Spielgeschehen so zusammen: „Wir haben uns lange schwer getan und in der ersten Hälfte überhaupt keinen Zugriff bekommen. St. Pauli hat versucht, unserem Pressing aus dem Weg zu gehen, aber wir waren auch bei eigenem Ballbesitz nicht gut. Aufgrund der zweiten Hälfte bin ich jedoch zufrieden, wobei wir natürlich besser spielen können. So ein Spiel geht normalerweise torlos aus, aber wir nehmen die Punkte gerne mit.“ Q

FC ST. PAULI Hain, Rothenbach, Zambrano, Thorandt, Oczipka, Boll, Lehmann, Bruns (64. Bartels), Hennings (71. Sukuta-Pasu), Naki (81. Kruse), Ebbers

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Simunic, Vorsah, Compper, Gustavo, Weis (70. Vukcevic), Salihovic, Mlapa (89. Rudy), Ibisevic, Ba (62. Tagoe)

ZUSCHAUER 24.797 (ausverkauft)

TORE 0:1 Vorsah (87.)

SCHIEDSRICHTER Manuel Gräfe (Berlin)

Gelbe KarteN Bartels, Boll 11


3. SPIELTAG | FC Schalke 04

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10. SEPTEMBER 2010

1899 Hoffenheim – Schalke 04 2:0 In der Partie gegen Pauli war Neuzugang Sebastian Rudy zu einem ersten Kurzeinsatz gekommen, gegen Schalke bekam er gegen Ende etwas mehr Zeit. Gleichfalls zum ersten Einsatz kam der junge Isländer Gylfi Sigurdsson, der ganz kurz vor Ende der Transferperiode hatte verpflichtet werden können. Für Hoffenheim stand da viel auf dem Spiel, Schalke drückte gegen Ende der Partie nochmal aufs Tempo, es stand gerade einmal 1:0 für Hoffenheim, und die großen, neuen Namen bei Schalke vermochten sich mit einer dritten Niederlage hintereinander so gar nicht anzufreunden. Doch die beiden Neulinge schlugen sich gut und passten sich nahtlos ins erfolgreiche Mannschaftsgefüge ein.

Demba Ba auf dem Weg zum Tor – doch die Treffer erzielten Vorsah und Salihovic

Ganz zu Anfang, etwa 20 Minuten lang, hatte Schalke mit den Weltstars Raul und Huntelaar das Spiel noch dominiert. Derart leichtfüßige, wendige Schalker Angriffe war man aus der vergangenen Saison nicht gewöhnt. Immer wieder sahen die Zuschauer in der wie immer vollbesetzten Rhein-Neckar-Arena, wie Schalke ansehnliche Chancen vergab oder nicht entschieden zu Ende spielte. 1899 Hoffenheim agierte anfangs sehr verhalten und schien den Gegner auf Schwachstellen hin zu analysieren. Dann ging ein Ruck durch die Mannschaft, es kam zu einigen sehr guten Tormöglichkeiten, bei denen abwechselnd Ibisevic, Mlapa und Ba scheiterten, teils wegen mangelnder Präzision, teils wegen glänzender Paraden des schier unüberwindlichen Nationaltorhüters Manuel Neuer.

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3. SPIELTAG | FC Schalke 04

Weltstar Raul tat sich schwer mit Luiz Gustavo

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Simunic, Vorsah, Compper, Gustavo, Weis (89. Rudy), Salihovic, Mlapa (68. Vukcevic), Ibisevic, Ba (77. Sigurdsson)

FC SCHALKE 04 Neuer, Metzelder (46. Matip), Höwedes, Plestan, Sarpei, Jones, Moritz, Rakitic (79. Jurado), Raul, Huntelaar, Edu (46. Baumjohann)

ZUSCHAUER 30.150 (ausverkauft)

TORE 1:0 Vorsah (37.) 2:0 Salihovic (90.)

SCHIEDSRICHTER Dr. Felix Brych (München)

Gelbe KarteN Mlapa Jones

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Bis die 37. Minute kam. Schiedsrichter Dr. Felix Brych hatte auf Eckball für Hoffe entschieden, Beck war angetreten, hatte den Ball aber kurz auf Weis gespielt, der ihn zurückschob – und Beck zirkelte den Ball in hohem Bogen in den Strafraum, wo Vorsah aufstieg und mit wuchtigem Kopfstoß seinen zweiten Saisontreffer erzielte. Es hatte mit diesen beiden Toren eine besondere Bewandtnis – wie das ganze Spiel menschlich unter einem besonderen Stern zu stehen schien. Vor der Partie hatte Stadionsprecher Mike Diehl bewegende Minuten lang des bei einem Autounfall kürzlich jung verstorbenen Fans Dominik Schenker gedacht: und bei der Schweigeminute waren auch die zahlreich angereisten Schalker Fans aufgestanden und hatten Dominik applaudiert. So viel menschliche Eintracht stand dem Fußball gut zu Gesicht. Isaac Vorsah dagegen, der zum Stammspieler der Innenverteidigung aufgestiegen war, glänzte nicht nur mit seinem Tor und zuvor dem entscheidenden Tor gegen St. Pauli. Mit Simunic bildete er zunehmend eine regelrechte Wand und spielte herausragend gut. Bei der WM früh verletzt, hatte ihn kurz vor Ende der Sommerpause ein furchtbarer Schicksalsschlag heimgesucht: sein jüngerer Bruder, wie er ein hochbegabter Fußballer und Isaac zum Verwechseln ähnlich, war mit einem vergifteten Getränk ermordet worden. Und seither spielte


Vorsah anders als früher, wie beseelt, man konnte meinen, wie in Gemeinschaft mit dem verlorenen Bruder, erkennbar in anhaltender, tiefer Trauer – und zugleich beflügelt. Auch der Jubel der Mannschaft war, das konnte man fühlen und sehen, davon getragen, dass man Isaac Vorsah mehr als jedem anderen den Torerfolg gönnte. Nach der Pause in diesem bemerkenswerten Fußballspiel versuchte Schalke noch einmal, das Ruder herumzureißen, einen gefährlichen Kopfball von Huntelaar lenkte Starke an die Querlatte. Aber dann hatte Hoffe sich eingespielt, attackierte früh, gab keinen Ball und keinen Zentimeter Boden mehr verloren. Die Schalker Truppe, seit der Pause ohne den verletzten Metzelder, löste sich unter dem anhaltenden Druck zusehends auf. Ein ums andere Mal scheiterten Ba und Ibisevic aber am herausragenden Torhüter Neuer, so dass die Gefahr, durch einen unglücklichen Treffer doch noch den mehr als verdienten Sieg aus der Hand zu geben, beständig wuchs.

Erst in der Nachspielzeit schaffte es Salihovic, das Publikum zu beruhigen – und zu begeistern. Einen Freistoß von halblinks, aus etwa 20 Metern, zog er in schönem Bogen über die Mauer, der Ball flog gegen den rechten Innenpfosten und von da gegen Neuers Brust, von wo er ins Netz sprang. Der Trainer sagte auf der anschließenden Pressekonferenz: „In der ersten Hälfte haben wir nicht so gut gespielt. Wir haben uns zu sehr am Gegenspieler orientiert, dadurch hatte Schalke auch ein optisches Übergewicht. Die zweite Halbzeit war dann aber deutlich besser. Wir hatten mehr Spielanteile und hätten das Spiel früher entscheiden müssen.“ Aus Spielersicht klang das aus dem Mund von Tobi Weis so: „Wir wollen nach vorne verteidigen, das gelingt uns sehr gut. Wir sind nicht unschlagbar, die erste halbe Stunde haben wir uns sehr schwer getan. Aber wenn man zu Hause gegen Schalke zu Null spielt, kann man schon ein bisschen stolz sein.“ Q

Der IbisevicExpress

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4. SPIELTAG | 1. FC Kaiserslautern

18. SEPTEMBER 2010

1. FC Kaiserslautern – 1899 Hoffenheim 2:2 Als Hoffenheim das letzte Mal zu einem Pflichtspiel auf dem Betzenberg angereist war, hatten beide Mannschaften noch in der 2. Liga gastiert. Am Ende der Saison war Hoffenheim durch den Erfolg im letzten Spiel aufgestiegen, Kaiserslautern hatte eben noch so den Klassenerhalt geschafft. Die Partie im Fritz-Walter-Stadion hatte Hoffenheim damals leicht gewinnen können, Kaiserslautern war kein ebenbürtiger Gegner gewesen und die Spieler darum vom Trainer nach dem Abpfiff vor die tosende, wütende Steilwand der Fans geschickt worden, wo sie sich denkwürdige 20 Minuten lang heftigsten Schmähungen zu stellen hatten. finden, obwohl er damit zur Ecke klärte. Klar war indes, dass sich das Stadion bei gegebenem Elfmeter in Minute eins in ein Tollhaus verwandelt hätte.

„Drei Siege sind mir nicht genug“, sagte Issac Vorsah, Hoffenheims neuer Goalgetter, bevor Simunics und sein Einsatz auf dem Spiel standen. Erst im letzten Moment konnten beide sich fit zurückmelden, wie Compper, dessen Einsatz ebenfalls fraglich gewesen war. Dafür fehlte Tom Starke, der sich beim Aufwärmen an der Wade verletzt hatte. Für ihn hütete Daniel Haas das Tor. Eine heiße Partie war im Vorfeld erwartet worden, und das wurde es auch: eine turbulente, heiße Partie, getragen von knapp 45.000 entfesselten Zuschauern, was eventuell Anteil daran hatte, dass Hoffe in der ersten Minute nicht den berechtigten Handelfmeter zugesprochen bekam; jedenfalls schien Schiedsrichter Gagelmann an Kirchs Oberarm am Ball nichts Regelwidriges zu

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Hoffenheim drückte von Beginn an mächtig aufs Tempo, aber Kaiserslautern hielt bald schon kräftig dagegen und hatte in der 7. Minute Pech, als Compper einen Schuss von Jessen abfälschte, der sich knapp über der Latte aufs Netz senkte. Von da an kamen die roten Teufel immer besser ins Spiel, zumal die halb angeschlagene Defensivreihe der Gäste nicht durchweg sattelfest wirkte. Einige Male wurde es sogar richtig gefährlich, ehe Gustavo, der wegen seiner bislang völligen Torlosigkeit in Pflichtspielen von den Kollegen schon aufgezogen worden war, endlich einmal traf: Ibisevic hatte aus der Mitte trickreich links auf Ba abgespielt, der erst noch ein paarmal schaute und dann in den Fünfer passte, wo Gustavo nur noch den Schuh hinhalten musste. Dafür bekam er später telefonische Glückwünsche seines Freundes Carlos Eduardo aus Russland übermittelt. Nach dem Pausengang dauerte es nur verschlafene 52 Hoffenheimer Sekunden lang, bis Lautern den Ausgleich schoss. Zu viel Raum hatte man den Gastgebern gewährt, so dass Hoffer, der selbsternannte Wayne-Rooney-Ösi, eine Flanke per Kopf leicht verwerten konnte. Der Betzenberg


Torschütze Sigurdsson, Torschütze Luiz Gustavo, Kopfballsieger Tobi Weis

stand darauf wie eine Wand hinter der eigenen Mannschaft, die sich immer mehr Feldvorteile erspielte, ohne wirklich zwingend zu werden. In halben Chancen wogte das Spiel mit Übergewicht seitens Lautern etliche Minuten lang unentschieden hin und her, die fast 45.000 stöhnten, ächzten und schrieen – aber noch kam es zu keiner Ergebnisänderung. Das änderte sich erst mit einem Freistoß für die Gastgeber in der 75. Minute, der Hoffenheimer Zuordnungsprobleme offenlegte, wodurch wieder Hoffer einen abgefälschten Ball vor die Füße bekam und aus zwei Metern abstauben konnte. Um den Freudentaumel der Lauterer war es schnell geschehen: nur zwei Minuten darauf bekam auch Hoffenheim einen Freistoß zugesprochen. Trainer Rangnick wechselte unterdessen Sigurdsson für Tobi Weis ein, um den Freistoß sachgerecht ausführen zu lassen – und der junge Isländer lief an und verwandelte mit wunderschönem Bogenschuss ins lange Eck zum Endstand von 2:2.

1. FC KAISERSLAUTERN Sippel, Dick, Amedick, Rodnei, Jessen, Bilek, Kirch, Tiffert, Ilicevic, Lakic, Hoffer

1899 HOFFENHEIM Haas, Beck, Simunic, Vorsah, Compper, Gustavo, Weis (77. Sigurdsson), Salihovic (78. Rudy), Mlapa (78. Vukcevic), Ibisevic, Ba

ZUSCHAUER 44.453

Natürlich wollten beide Mannschaften in den letzten zehn Minuten noch den Sieg holen. Chancen dazu gab es auf beiden Seiten, aber es reichte nicht für ein Tor, nicht zuletzt wegen der bravourösen Paraden von Daniel Haas. Und das war gut, denn es war klar, dass er auch im nächsten Spiel gegen die Bayern den Kasten hüten würde.

TORE 0:1 Luiz Gustavo (39.) 1:1 Hoffer (46.) 2:1 Hoffer (75.) 2:2 Sigurdsson (77.)

SCHIEDSRICHTER Peter Gagelmann (Bremen)

Nach dem Spiel sagte Sigurdsson über sein Tor: „Ein herrliches Gefühl, so etwas hatte ich selbst noch nie erlebt.“ Und über Hoffenheim: „Eigentlich vermisse ich nur das Trinkwasser aus Island. Das ist klarer.“ Q

Gelbe KarteN Ilicevic

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5. SPIELTAG | Bayern München

21. SEPTEMBER 2010

1899 Hoffenheim – Bayern München 1:2 Der Begriff Bayern-Dusel führt auf Google zu 1.320.000 Einträgen, was ohne realen Hintergrund kaum denkbar wäre. Im Vergleich fällt etwa der scheinbar viel realere Begriff Abseitstor mit 24.500 Einträgen weit dahinter zurück. Etliche Online-Enzyklopädien erklären, was es damit auf sich hat, z.B. Wikipedia: „Der Bayern-Dusel (von Dusel, d. h. unverdientes Glück) ist ein in Deutschland verbreiteter Fußballmythos. Er bezieht sich auf den Rekordmeister der deutschen Fußball-Bundesliga, den FC Bayern München, und besagt, dass die Mannschaft in knappen Spielen häufig von besonderem Glück begünstigt werde.“

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Nach zuletzt 270 torlosen Spielminuten lag es nahe, dass der FC Bayern viel sprichwörtlichen Dusel brauchen würde, um in Hoffenheim zu bestehen. Tatsächlich jedoch war das 1:1, das bis zur 90. Minute auf der Anzeigetafel stand, keineswegs glücklich zu nennen. Nein, die Bayern hatten sich ihren Ausgleichstreffer in der 62. Minute redlich verdient, nachdem Hoffenheim nach nur 36 Sekunden bereits die Führung erzielt hatte. Die ausverkaufte Rhein-Neckar-Arena hat-

te ein über 90 Minuten ausgeglichenes Spiel gesehen, zwar mit mehr Feldanteilen der Bayern, aber die hatten ja auch eine geschlagene Stunde lang der Hoffenheimer Führung hinterherlaufen müssen. Als Schiedsrichter Kinhöfer nach absolvierten 90 Minuten noch drei Minuten Nachspielzeit einräumte, schwante Dietmar Hopp Übles. „Die Bayern machen in der Nachspielzeit noch ein Tor,

Ibisevic schießt Hoffenheim in der ersten Spielminute zur Führung – doch in der Nachspielzeit siegen mal wieder die Bayern

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5. SPIELTAG | Bayern München

1899 HOFFENHEIM Haas, Beck, Simunic, Vorsah, Compper (60. Ibertsberger), Gustavo, Weis (46. Vukcevic), Salihovic, Rudy, Ba (77. Mlapa), Ibisevic

FC BAYERN MÜNCHEN so kennt man sie“, sagte er – und behielt zu seinem Leidwesen recht. Während Hoeneß und Rummenigge vor seiner Loge jubelnd von ihren Sitzplätzen aufsprangen, machte er selbst, wie immer am Logengeländer stehend, eine wegwerfende Geste: „Hab ich’s doch gewusst.“ Um dem erwarteten Drang der Bayern nach vorn mehr entgegenzusetzen, hatte Trainer Ralf Rangnick Mlapa auf der Bank gelassen und nur zwei Stürmer aufgestellt. Dafür kam Sebastian Rudy zu seinem ersten vollen Einsatz und wusste zu glänzen. Er war es auch, der Ibisevic die frühe Führung ermöglicht hatte: mit hohem Einsatz erkämpfte er sich rechts den Ball von Contento und passte nach innen. „Er war bester Mann auf dem Platz“, sagte Ernst Tanner später. „Sehr ballsicher, taktisch diszipliniert, robust im Zweikampf, mit vielen Ballgewinnen.“ Das frühe Tor erwies sich aber, wie so oft, als schwere Hypothek. Die Bayern mussten nun kommen, während Hoffenheim sich im Stören und Verteidigen einrichtete, ohne das eigene Spiel richtig entwickelt zu haben. Das brachte die Gäste nach vorn – ohne dass es ihnen gelang, entscheidend druckvoll zu agieren. Zu wenig eigenes Tempo, zu viel Hoffenheimer Spielwitz bei völliger Neutralisierung Ribérys durch Andi Beck ließen die Bayern ins Leere laufen. Und in der 42. Minute hatten sie zum ersten Mal bereits Dusel, als Salihovic einen Freistoß krachend an die Latte setzte. Nach der Pause brachte van Gaal Pranjic und Olic, was die Bayern stärker werden ließ. Vor dem logischen Ausgleichstreffer durch Müller vergab noch der für Weis eingewechselte Vukcevic eine Riesenchance. Steil geschickt, trudelte sein Schuss nur knapp an Butts Gehäuse vorbei. Beim Ausgleichstor verletzte sich Franck Ribéry dann schwer an den Sprunggelenksbändern, ohne dass ein Foul vorangegangen war. Für ihn kam Altintop in die Partie.

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Butt, Lahm, van Buyten, Badstuber, Contento (46. Pranjic), van Bommel, Schweinsteiger, Kroos (46. Olic), Müller, Ribery, (64. Altintop), Klose

ZUSCHAUER 30.150 (ausverkauft)

TORE 1:0 Ibisevic (1.) 1:1 Thomas Müller (63.) 1:2 van Buyten (90.)

SCHIEDSRICHTER Thorsten Kinhöfer (Herne)

Gelbe KarteN Weis Altintop, van Bommel

Die letzte halbe Stunde glich einer Abwehrschlacht Hoffenheims mit zwei eigenen Großchancen. Eine vergab Ibisevic in der 72. Minute, eine pfiff Kinhöfer in der 68. zu Unrecht zurück, als sein Assistent Ibisevic fälschlich im Abseits gesehen hatte. In den letzten zehn Minuten wankte die Hoffenheimer Defensive immer mehr, hielt aber trotz einsetzender Konditionsprobleme stand. Bis zur Nachspielzeit… Da war es Altintop, der einen fragwürdigen Freistoß zu seinen Gunsten hoch in den 16er brachte, von wo der Ball durch Olic per Kopf verlängert wurde und van Buyten im Gewühl vor die Füße fiel. Dass der Verteidiger ihn im Tor unterbrachte, war umso mehr einer jener sprichwörtlichen Fälle von Bayern-Dusel, als er im Abseits stand. Und keiner der Schiedsrichter hatte es gesehen. Q


Oben: Glückwunsch der Mannschaft an Neuzugang Sebastian Rudy, der die Vorlage zum 1:0 gab Unten: Marvin Compper vor der Bayern-Bank – samt Altintop, der später die Vorlage zum Siegtreffer gab

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6. SPIELTAG | 1. FC Köln

24. SEPTEMBER 2010

1. FC Köln – 1899 Hoffenheim 1:1 „Jetzt müssen wir zeigen, dass wir in der Lage sind, so ein Spiel wie das unglückliche 1:2 gegen Bayern wegzustecken“, hatte Ralf Rangnick vor der Partie gesagt. Und: „Ich habe ein gutes Gefühl. Wir wissen, wie man dort spielen muss, wir haben in Köln zweimal gewonnen. Wir müssen dort anfangen, eine neue Serie zu starten.“

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Obwohl Daniel Haas gut gehalten hatte, stand an diesem Freitagabend nach überwundener Wadenverletzung wieder Tom Starke im Tor. Und musste erkennen, dass die rot-weiße Mannschaft, die da pausenlos gegen ihn anstürmte, nicht der 1. FC Köln war, den man nach drei verlorenen von fünf Saisonspielen erwartet hatte. Umgekehrt die Hoffenheimer: vom erwarteten Schwung trotz der wieder auf zwei Stürmer reduzierten Angriffsreihe war in der ersten Halbzeit wenig zu sehen. Köln, auf einigen Positionen umbesetzt, beherrschte das Spiel. Allen voran kämpfte, rannte und ackerte Lukas Podolski, der sich nicht schon wieder in eine schlechte Kölner Saison schicken zu wollen schien. Und so war es kein Wunder, dass Podolski in der 17. Minute auch den Führungstreffer erzielte. Etwas sorglose Hoffenheimer waren einem Einwurf von links nach Eckball für Köln nicht entschieden genug entgegengegangen, so dass

der Ball auf viel zu einfachen Wegen zu Podolski gelangte – der sich mit einem satten Linksschuss („Torpedo“, nannte es Starke später) ins lange Eck bedankte und die Kölner Ränge zum Kochen brachte.

1:1-Situationen in Köln mit Simunic, Podolski und Luiz Gustavo – 1:1 lautete auch der Endstand

Die Karnevalsseligkeit der Kölner wies aber zum wiederholten Mal trübe Flecken auf. Schmähgesänge gegen Dietmar Hopp, in der Domstadt an der Tagesordnung, waren diesmal besonders oft und laut zu vernehmen. Masken mit Dietmar Hopps Konterfei waren verteilt worden. Und im Vorfeld hatte ein Kölner Prominenter auf seiner Homepage die übliche Verunglimpfung distanzlos verschriftet; der Kölner Express hatte darüber berichtet, so dass jeder im Rhein-Energie-Stadion im Bilde war und sich der intendierte Multiplikationseffekt Bahn brechen konnte. Bis zur Pause blieb Hoffenheim schwer unter Druck, kaum ein eigener Angriff kam zustande

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6. SPIELTAG | 1. FC Köln

Fußball ist Kampf und Leidenschaft pur

1. FC KÖLN Mondragon, Brecko, Geromel, Mohamad, Ehret, Petit, Clemens (81. Freis/90. Ionita), Lanig, Matuschyk, Jajalo (81. Yalcin), Podolski

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Simunic (46. Mlapa), Vorsah, Eichner, Weis (46. Sigurdsson), Gustavo, Rudy, Salihovic, Ba, Ibisevic (88. Tagoe)

ZUSCHAUER 45.000

TORE 1:0 Podolski (17.) 1:1 Ba (54.)

SCHIEDSRICHTER Knut Kircher (Rottenburg)

Gelbe KarteN Lanig, Clemens, Freis Simunic

24 SAISONCHRONIK 2010/11

und wurde, falls doch, unkonzentriert zu Ende gebracht. Die Mannschaft wirkte nach dem schweren Bayern-Spiel zunächst müde und ausgelaugt. Doch das sollte sich nach dem Pausengang ändern. Ernst Tanner hatte im Pauseninterview schon orakelt, dass 1899 die zweite Halbzeit anders angehen würde. Und Ralf Rangnick hatte in der Pausenansprache die Spieler entscheidend aufgerüttelt. „So wie in der ersten Halbzeit konnten wir nicht weiterspielen“, gab er im Nachhinein zu Protokoll. Weis und Simunic blieben draußen, Mlapa und Sigurdsson liefen auf. Wie fast immer, wenn Hoffenheim mit drei Spitzen spielte, entwickelte sich mehr Druck nach vorn, als hinten zu berei-


nigen war. Ein Angriff nach dem anderen rollte aufs Kölner Tor, bis in der 54. Minute Eichner, der für den angeschlagenen Compper diesmal links außen verteidigte und stürmte, den Ball sehenswert auf Demba Ba weiterreichte. Der tat auf halblinks noch zwei, drei freie Schritte, stoppte ab, ließ den heranrauschenden, davon überraschten Kölner Verteidiger durchlaufen und zog durch die entstehende Lücke scharf ab – in geradezu magischem Bogen flog die Kugel am staunenden Mondragon im Tor vorbei ins Netz. Nur zwei Minuten später hatte Ibisevic, von Ba freigespielt, den Ball unbedrängt vor dem Kölner Keeper am Fuß und musste nur noch einschießen. Doch statt scharf links ins kurze Eck abzuschließen, versuchte er sich an einem langsamen Seitheber

ins rechte lange Eck: Mondragon bekam die Hand gerade noch an den Ball. Jetzt sah es so aus, als würde die Hoffe-Angriffsmaschine voll auf Touren kommen und das Spiel innerhalb weniger Minuten drehen können. Unverständlicherweise schaltete die Mannschaft aber einen Gang zurück, so dass Köln in der Partie wieder Fuß fassen konnte. Ab der 70. Minute wurde das Spiel bis zum Schluss zu einem Wechselbad der Gefühle: Torchancen auf beiden Seiten, fast im Minutentakt. Am Ende jedoch mussten beide Mannschaften mit dem unterm Strich völlig gerechten Remis vorlieb nehmen. Q

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7. SPIELTAG | FSV Mainz 05

2. OKTOBER 2010

FSV Mainz 05 – 1899 Hoffenheim 4:2 In den Tagen vor dem wichtigen Spiel gegen den Überraschungstabellenführer Mainz hatte es atmosphärische Störungen gegeben. Simunic, der in Köln ungewohnterweise ausgewechselt worden war, beklagte sich über Kommunikationsdefizite: er warte immer noch, dass der Trainer darüber mit ihm rede. Ralf Rangnick ließ jedoch nur verlauten, dass einzelne Spieler Fitness-Probleme aufwiesen, unter anderem eben Simunic. Trotz des Geplänkels stand Simunic in der Startaufstellung.

Für Mainz gab es einen statistischen Rekord zu erjagen. Würden die Domstädter gewinnen, hätten sie sechsmal in Folge gesiegt, was vor ihnen nur Bayern München und Kaiserslautern geschafft hatten. Vom Heimpublikum darum frenetisch angefeuert, eröffnete Mainz druckvoll das Spiel und kam schon in der 2. Minute zum ersten Tor der Partie: Szalai, von Holtby mit einem sehenswerten Pass in Szene gesetzt, ging völlig frei auf Tom Starke zu und gab im richtigen Moment auf Allagui ab, der den Ball nur noch einschieben musste. 1899 Hoffenheim brauchte mehr als 10 Minuten, um sich zu erholen und den ersten eigenen,

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aussichtsreichen Angriff zu starten. Dann übernahm Hoffe zunehmend das Spiel, aber ohne durchschlagende Wirkung zu erzielen. Der Grund dafür lag vor allem im hoch effizienten Pressing der Mainzer – immer zwei oder drei stürzten sich auf den Ballführenden, was manches Mal zu bedenklichen Kontergelegenheiten führte. Kam Hoffenheim doch nach vorn, stand die Mainzer Viererkette abgeklärt und sicher. Hoffenheim schaffte es deshalb bis kurz vor der Pause kaum, die Sturmreihe wirklich gefährlich anzuspielen. In der 39. Minute wurde, nicht zum ersten Mal in dieser Saison, ein klarer Elfmeter nach Foul an Weis verweigert. Aber damit ging ein Ruck durch


die Mannschaft, die vor der Pause noch etwas erreichen wollte. In der 41. Minute war es Luiz Gustavo, der in den letzten Spielen immer mehr Verantwortung übernommen und zunehmend Klasse offenbart hatte, der den Ball Demba Ba genau in den Lauf spielte. Mit einem Drehschuss nach kurzem Dribbling gelang dem Hoffenheimer Stürmer der durchaus verdiente Ausgleich. Die zweite Halbzeit begann wie die erste. Von der Wand der begeisterten Zuschauer nach vorn gedrückt, ging Mainz sofort in die Offensive und kam, wieder nach zwei Minuten, zum erneuten Führungstreffer. Und wieder war es Holtby, der den Ball kunstvoll hoch auf Szalai auflegte. Szalai

schloss diesmal aber selber ab und ließ Starke mit einem seitlichen Flachschuss keine Chance. Der Schreck saß tief bei Hoffe – umso mehr war die Moral zu bewundern, mit der die Mannschaft sich nun zurück ins Spiel kämpfte. Das war in der vergangenen Saison oft anders gewesen.

Mainz am Boden? Der Eindruck täuscht, am Ende stand es 4:2 für die Karnevalisten

Belohnt wurde Hoffenheim dafür nicht, im Gegenteil. In der 59. Minute konnte Holtby, den die Kraichgauer einst selber verpflichten wollten, von der rechten Außenbahn aus flanken – und Gustavos Klärungsversuch fälschte den Ball ab, der unhaltbar an Starke vorbei ins kurze Eck trudelte. Sofort im Anschluss reagierte Ralf Rangnick und wechselte Weis gegen Sigurdsson aus.

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7. SPIELTAG | FSV Mainz 05

Wenige Minuten später trat der junge Isländer, der sich nach eigenen Worten in der Kindheit und Jugend viel von Beckham abgeschaut hatte, zu einem Freistoß an. Und wie schon in Kaiserslautern jagte er den Ball unhaltbar in die Maschen. Eine Doppelauswechslung sollte für noch mehr Druck sorgen, um nun noch den Ausgleich zu besorgen: Vukcevic und Tagoe kamen für Mlapa und Ibisevic. Mit der rein offensiven Auffrischung stieg aber zugleich das Risiko an, durch weitere Konter endgültig in Rückstand zu geraten. Und in der 74. Minute drohte denn auch einer dieser Konter Rangnicks Pläne zu vereiteln. Holtby war am Ende einer sehenswerten Mainzer Ballstaffette im Strafraum zu Fall gekommen – und der Schiedsrichter hatte klar erkannt, dass Simunic ihn als letzter Mann am Trikot gezogen hatte. Die Konsequenzen lagen leider auf der Hand: Elfmeter für Mainz und die Rote Karte für Simunic, der sich später noch für alles, also die Äußerungen unter der Woche und seinen folgenreichen Aussetzer im Spiel, entschuldigen sollte. Schürrle verwandelte den Strafstoß sicher, Hoffenheim war im Prinzip geschlagen. Doch immer noch ergab sich die Mannschaft nicht, auch nicht in Unterzahl, und Tagoe wurde in der 79. Minute mindestens so strafwürdig wie vorher Holtby im Sechzehner gefoult. Aber Schiedsrichter Aytekin hatte an diesem Tag kein Auge für Fouls an Hoffenheimern, vor allem nicht im Strafraum. Und so blieb es zuletzt beim etwas glücklichen 4:2 für Mainz, ein Ergebnis, das auch anders hätte aussehen können. Q

1. FSV MAINZ 05 Wetklo, Zabavnik, Svensson, Noveski, Christian Fuchs, Karhan, Polanski (56. Soto), Holtby (87. Ivanschitz), Schürrle, Allagui (56. Marco Caligiuri), Szalai

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Simunic, Vorsah, Eichner, Gustavo, Weis (60. Sigurdsson), Salihovic, Ba, Ibisevic (68. Tagoe), Mlapa (68. Vukcevic)

ZUSCHAUER 20.300 (ausverkauft)

TORE 1:0 Allagui (2.) 1:1 Ba (41.) 2:1 Szalai (47.) 3:1 Gustavo (60. Eigentor) 3:2 Sigurdsson (64.) 4:2 Schürrle (74. Elfmeter)

SCHIEDSRICHTER Deniz Aytekin (Oberasbach)

Gelbe KarteN Zabavnik Vorsah, Weis, Salihovic, Gustavo, Vukcevic

Rote KARTEN Simunic (72.)

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Ballbeschwörung à la Tom Starke und Vedad Ibisevic

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8. SPIELTAG | Borussia Mönchengladbach 3:2

17. OKTOBER 2010

1899 Hoffenheim – Bor. Mönchengladbach 3:2 In den letzten vier Spielen hatte es neun Gegentore gegeben. Trainer Rangnick gab deshalb vor: „Wir dürfen nicht so tief verteidigen, wir müssen viel weiter vorn angreifen. So wie früher.“ Und Kapitän Beck sagte: „Wir müssen wieder mutiger in die Zweikämpfe gehen, um mehr Ballbesitz zu haben.“ Durch die rote Karte von Simunic rückte Compper wieder in die Innenverteidigung, Ibertsberger verteidigte links außen, im Mittelfeld agierte erneut Rudy in einer grundsätzlich offensiven Startaufstellung mit drei Stürmern. Doch auch Gladbach war nicht angereist, um zu verlieren, und zeigte sich, obwohl tiefer stehend als Hoffenheim, von Beginn an angriffslustig. Die ausverkaufte Rhein-Neckar-Arena sollte darum ein spannendes, interessantes Spiel erleben. Beiden Mannschaften fehlte es anfangs aber noch an Präzision, viele schnelle Pässe gingen ins Leere oder landeten beim Gegner. Nach einigen Schussversuchen auf beiden Seiten, die keinem der Torhüter Rätsel aufgaben, bekam Gladbach in der 12. Minute einen Freistoß in der eigenen Hälfte zugesprochen, der schnell ausgeführt wurde. Und ehe die Hoffenheimer Defensive im Bilde war, stand es 0:1. Bobadilla hatte den weiten, hohen Ball nur noch einzuschieben brauchen, nachdem Reus ihn mustergültig vorgelegt hatte. Hoffenheim versuchte darauf, das Spiel in die Hand zu bekommen, versuchte sich aber meist nur an eher unpräzisen, langen Bällen vorn in die Mitte – was kein geeigneter Hebel war, Gladbach effizient unter Druck zu setzen. Bis zum Strafraum gab es gefällige Aktionen, danach herrschte Ideenlosigkeit vor: 60% Ballbesitz ohne Durchschlagskraft! Das sollte sich nach der Pause ändern. Ibisevic blieb in der Kabine, für ihn kam Vukcevic, der kaum 30 Sekunden nach dem Wiederanpfiff

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Mlapa über die rechte Außenbahn auf die Reise schickte. Der junge Hoffenheimer legte einen dramatischen Spurt mit Ball hin, überlief seinen Gegenspieler und knallte den Ball aus vollem Lauf fast von der Grundlinie in die Mitte – wo Demba Ba mitten im Getümmel zwischen Torhüter Bailly und zwei Gladbacher Verteidigern noch den Fuß an den Ball bekam und den Ausgleich erzielte. Damit war der Knoten geplatzt. Hin und wieder kam Gladbach zwar selber gefährlich nach vorn, aber es stimmte, was die Fans riefen: „Hier-regiert-die-T-S-G!“ Ein sehenswerter Angriff nach dem andern rollte auf Torhüter Bailly zu, der zudem nicht den sichersten Tag zu haben schien. Einen schönen Bogenschuss von Beck lenkte er noch an die Latte, aber in der 67. Minute konnte er einen Kopfball nur noch hinter der Linie klären, den Ba in Zusammenarbeit mit Gladbachs Anderson aufs Tor gebracht hatte. Zu diesem Zeitpunkt gab es nur noch 10 Fohlen auf dem Rasen: Arango hatte in der 62. Minute Salihovic einen frustrierten Tritt zwischen die Beine beigebracht und sich selber die Rote Karte eingehandelt. Durch die Hoffenheimer Dauerüberlegenheit schien das Spiel nun gelaufen: umso mehr, als Salihovic einen Foulelfmeter in der 81. nach Foul an Ba sicher verwandelte. Darum wechselte Ralf Rangnick in der 85. Minute einen Spieler ein, für den sich das gesamte Stadion von den Sitzen erhob: nach über einem Jahr Verletzungspech lief Matthias Jaissle wieder für 1899 Hoffenheim


1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah (85. Jaissle), Compper, Ibertsberger, Gustavo, Rudy, Salihovic, Mlapa (87. Obasi), Ibisevic (46. Vukcevic), Ba

BORUSSIA MÖNCHENGLADBACH Bailly, Levels, Anderson, Daems, Schachten, Bradley, Marx (78. de Camargo), Arango, Idrissou, Bobadilla (78. Kachunga), Reus (85. Wissing)

ZUSCHAUER 30.150 (ausverkauft)

TORE 0:1 Bobadilla (12.) 1:1 Ba (46.) 2:1 Anderson (68. Eigentor) 3:1 Salihovic (82. Elfmeter) 3:2 Idrissou (90.)

SCHIEDSRICHTER Michael Weiner (Giesen)

Gelbe KarteN Salihovic Idrissou, Levels, Reus

Rote KARTEN Arango (62.), Schachten (81.)

auf den Rasen. Und kurz darauf gab es den zweiten Rückkehrer zu begrüßen: Chinedu Obasi. Auch er hatte der Mannschaft lang und schmerzlich gefehlt. Beide waren noch lange nicht wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte, aber soweit fit, dass ein erster Kurzeinsatz möglich wurde. Da war es nur ein kleiner Wermutstropfen, dass Beck und vor allem Jaissle in der Nachspielzeit einen Gladbacher Flankenball falsch einschätzten und Idrissou das Tor zum 3:2-Endstand ermöglichten.

Oben: Matthias Jaissle: endlich konnte er wieder auflaufen! Unten: Salihovic nach verwandeltem Strafstoß

„Beeindruckend, wie die Mannschaft nach der Pause plötzlich anders Fußball spielen konnte. Da wäre ich gern in der Kabine gewesen“, sagte Franzi van Almsick nach dem Spiel, das sie sich in Dietmar Hopps Loge angeschaut hatte. Ralf Rangnick verriet später, dass er seinen Jungs in der Pause einfach die Quer- und Rückpässe verboten und sie beim Gang aus der Kabine ungewöhnlich lautstark angefeuert hatte. Q

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9. SPIELTAG | Borussia Dortmund

Bis an die Grenzen des physisch Mรถglichen: Vorsah und Barrios

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24. OKTOBER 2010

Borussia Dortmund – 1899 Hoffenheim 1:1 Nachdem Simunics Rotsperre vom Spiel gegen Mainz abgesessen war, setzte ihn vor der Partie gegen Dortmund ein Überbein an der Ferse außer Gefecht. Die Hoffenheimer Abwehrsorgen blieben also bestehen. Glücklicherweise konnte Vorsah auflaufen, der gegen Gladbach einige Schläge auf Knöchel und Oberschenkel abbekommen hatte. Mit ihm bildete Compper die Innenverteidigung, während diesmal Luiz Gustavo den linken Außenverteidiger gab, Beck wie immer den rechten. Im Mittelfeld agierten Rudy, Salihovic, Weis und Vukcevic, vorne spielten Ba und Mlapa. Ein klassisches 4:4:2-System. Vor ausverkauftem Tollhaus in Dortmund mit über 80.000 Zuschauern, die Geschäftsführer Watzke unter der Woche wieder durch einschlägige Worte gegen Hoffenheim entsprechend motiviert hatte, schlugen die Gastgeber sofort jenes hohe Tempo an, das sie zuletzt an die Tabellenspitze geführt hatte. Zwei, drei Mal kamen die Schwarz-Gelben gefährlich vor Starkes Tor, bis Mlapa sich in der 9. Minute im Mittelfeld den Ball erkämpfen konnte und auf Gustavo weitergab, der wuchtig-elegant in den Strafraum eindrang und dann auf Demba Ba abspielte. Das alles geschah so überraschend und blitzartig, dass die Dortmunder mehr oder minder zusahen, wie der Hoffenheimer Stürmer den Ball zum 0:1 über die Linie drückte. Die Borussia reagierte merkbar verunsichert – 1899 Hoffenheim hatte die im Vorfeld etwas zur Schau getragene Selbstgewissheit ins Mark getroffen. Üble Sprechchöre durchliefen darauf das riesige Stadion: gegen jeden würde man die eigene Mannschaft lieber verlieren sehen als ausgerechnet gegen Hoffenheim, außer vielleicht

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9. SPIELTAG | Borussia Dortmund

Enttäuschend: Ball weg durch Andi Beck

gegen Schalke… Für das hitzige Publikum gab es gleich weiter Nahrung: nach unabsichtlichem Handspiel von Vorsah gab es Elfmeter für Dortmund, Sahin verwandelte sicher. Doch der Elfer musste wiederholt werden, weil ein Dortmunder eine Idee zu früh in den Strafraum gelaufen war. Sahin lief wieder an – nur ahnte Starke diesmal die Ecke und hielt den Schuss. Danach gab es beim Publikum kein Halten mehr, wenn WMSchiedsrichter Stark etwas gegen Dortmund pfiff. Die Folge der gellenden Pfeifkonzerte waren, übers Spiel verteilt, viel zu viele Gelbe Karten gegen Hoffenheim und entschieden zu wenige gegen die Gastgeber. Bis zum Pausenpfiff tat die Borussia, was sie konnte, aber es war nicht genug. Die meisten schnellen Spielzüge blieben im Ansatz stecken, die Hoffenheimer stabile Abwehr war einfach nicht zu erschüttern. Umgekehrt war 1899 dem 0:2 näher als Dortmund dem Ausgleich. Und nach

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der Pause ergab sich ein ganz ähnliches Bild. Die Borussia rannte sich ohne größere Feldgewinne förmlich die Seele aus dem Leib – immerhin kam es jetzt in Abständen, allerdings auf beiden Seiten, zu ansehnlichen Chancen, die jedoch letztlich ungenutzt blieben. Gegen Ende der Partie stürmte dann nur noch Dortmund, erlahmte zugleich durch den gewaltigen Kräfteverschleiß und sah alle Bemühungen kurz vor dem Strafraum ins Stocken kommen. Hoffenheim stand viel zu sicher und verließ sich, wenn der Ball doch einmal durchkam, auf Torhüter Starke, der bravourös hielt. Bis zur 90. Minute blieb so die Hoffenheimer Führung erhalten, dann gab es gegenstandslose drei Minuten Nachspielzeit. Ralf Rangnick nahm, um Zeit zu gewinnen, Tobi Weis vom Feld und wechselte Obasi für ihn ein – der Beginn einer äußerst unglücklichen Verkettung von Ereignissen. Denn kurz darauf klärte Obasi ohne irreguläre


BORUSSIA DORTMUND Weidenfeller, Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer, Bender (46. Götze), Sahin, Blaszczykowski (74. da Silva), Kagawa, Großkreutz (59. Lewandowski), Barrios

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Gustavo, Rudy, Weis (90.+1 Obasi), Salihovic, Vukcevic, Ba, Mlapa (46. Sigurdsson)

ZUSCHAUER 80.720 (ausverkauft)

TORE 0:1 Ba (9.) 1:1 da Silva (90.+3)

SCHIEDSRICHTER Wolfgang Stark (Ergolding)

Gelbe KarteN Subotic Beck, Gustavo, Vukcevic

gelb-Rote KARTEN Salihovic (90.+4)

Mittel einen Ball nahe am Fuß von da Silva, was für Schiedsrichter Stark und seinen Assistenten wie ein Foul aussah. Was es auch war, aber an Obasi. In völliger Verkehrung der Abläufe entschied der Schiri also auf Freistoß für Dortmund, ganz nah am Sechzehner. Sahin legte sich den Ball zurecht, doch dann lief da Silva an und schoss einen Sonntags-Bogenball über die Hoffenheimer Mauer hinweg ins Netz, unhaltbar für Tom Starke.

me ein unerfreuliches Spiel, was in Dortmund weniger überraschte, als es anderswo der Fall gewesen wäre. Hoffenheims Spieler schlichen mit hängenden Köpfen vom Platz, der späte Treffer nach krasser Fehlentscheidung fühlte sich zunächst noch an wie eine Niederlage. Dabei hatte man beim Tabellenführer immerhin Unentschieden gespielt… Q

Neuzugang Sebastian Rudy fasste sofort Fuß in Hoffenheim

Von den Spielanteilen her gesehen, war das Unentschieden kein wirklich ungerechtes Ergebnis. Vom Geschehnisverlauf her war es eine krude Verdrehung und darum zuletzt eben doch eine hohe Ungerechtigkeit, was Schiedsrichter Stark später auch zugab – immerhin. Leider bekam Salihovic, der ihm nach Spielschluss verständlicherweise noch mitteilte, was er von seiner Leistung hielt, wenn auch nicht in sehr geschickter Art und Weise, dafür die zweite Gelbe, also die Gelb-Rote Karte gezeigt. Es war in der Sum-

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DFB-POKAL 2. RUNDE | FC Ingolstadt

27. OKTOBER 2010

1899 Hoffenheim – FC Ingolstadt 1:0 Das Unglück in Dortmund galt es schnell aus den Köpfen zu bekommen. Mit Ingolstadt trat im Pokal eine Mannschaft aus der Zweiten Bundesliga an, die, gemessen an ihren technischen Möglichkeiten, viel zu weit unten in der Tabelle residierte. Vielleicht hatten deshalb nur knapp mehr als 10.000 Zuschauer den Weg in die Rhein-Neckar-Arena gefunden, die damit seitens der Heimzuschauer zum ersten Mal nicht ausverkauft war. Einige Ausfälle in der Abwehr zwangen Ralf Rangnick zu Umstellungen. Da Vorsah und Simunic fehlten und Ibertsberger verletzt war, bildeten Compper und Luiz Gustavo die Innenverteidigung, während links außen wieder Eichner antreten durfte. Und wie zur Auffrischung kamen Obasi und Sigurdsson von Beginn an zum Einsatz. Aufseiten der Gäste gab es einen alten Bekannten, Sebastian Hofmann, einen Verwandten unseres Präsidenten, der von 2002-2006 das Hoffenheimer Trikot getragen hatte. Ingolstadt erwies sich als genau die spielstarke Mannschaft, die Ralf Rangnick angekündigt hatte. Der Zweitliga-Aufsteiger hielt von Beginn an sehr gut mit und hatte ausgerechnet durch Hofmann in der 13. Minute die erste Chance. Aber Tom Starke parierte den Freistoß aus 25 Metern souverän. Hoffenheim ließ im Folgenden den Gästen ohne Not zu viele Spielanteile, deren Abwehr zudem gut gestaffelt alles abfing, was doch einmal vor ihr Tor gelangte. Ibisevic hätte dennoch in der 23. Minute mit einem Kopfball die Führung erzielen können, der Ball nach Flanke von Salihovic ging jedoch aus sieben Metern am Kasten vorbei. Etwas umständlich, behäbig und langsam war das Spiel von 1899 Hoffenheim. Selten nur gab es Aktionen zu bewundern wie den Distanzschuss in der 33. Minute von Obasi, der leicht abgefälscht

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wurde und den Pfosten streifte. Erst die 39. Minute brachte die Wende, wenn auch auf ziemlich ungewöhnliche Weise. Nach einem vermeintlichen Foul blieb Ibisevic länger liegen, wobei Schiedsrichter Tobias Stieler, der zu ihm gegangen war, feststellte, dass er vorschriftswidrig einen Ring am Finger trug, und ihn aufforderte, den Ring abzulegen. Ibisevic fragte, ob das nicht bis zur Pause Zeit habe, der Ring sei nur schwer und mit Seife vom Finger zu bekommen. Das verneinte der Schiri, worauf Ibisevic, sich abwendend, eine an dieser Stelle nicht wiederzugebende Äußerung tätigte. Der Tatbestand der Schiedsrichterbeleidigung war damit jedoch absolut hinreichend erfüllt, so dass Stieler umgehend die Rote Karte zog. Einen größeren Gefallen hätte er Hoffenheim nicht tun können. Denn nun stand die Mannschaft nur noch mit zehn Mann gegen einen ohnedies nicht schwachen Gegner auf dem Platz – und wusste, was die Uhr geschlagen hatte. Mit der bisherigen Umständlichkeit wäre das Spiel jedenfalls nicht zu gewinnen, soviel war jedem klar. In der Folge kämpften und rannten die Spieler, wie sie es von Beginn an hätten tun sollen. Nach der Pause kam für Obasi zudem Demba Ba ins Spiel, der an diesem Tag eigentlich geschont werden sollte, und von da an lief alles besser. Trotzdem dauerte es noch bis zur 63. Minute, als Mlapa wie schon gegen Gladbach die rechte Außenbahn in halsbrecherischem Tempo herunter stürmte, den Ball immer am Fuß, und wieder einen als flachen Flankenball getarnten Torpedoschuss in die Mitte abfeuerte, den Demba Ba, auch hier in Wiederholung des Gladbachspiels, ins Tor beförderte. Endlich hatte die Partie die entscheidende Wendung genommen, ohne dass Ingolstadt sich schon aufgab.

energische Anfeuerungsgesänge der Südkurve ein stimmungsvoller Ort war. Und auch der Techniker hinter den Kulissen, der bei Toren den Knopf drückt, um die Hoffe-Torhymne einzuspielen, dachte so – und drückte den Knopf. Nur sprang der Ball eben doch nichts ins Tor, sondern kam zurück vor Bas Füße. Die Tormelodie wurde abgebrochen, das Spiel ging weiter – aber nur kurz. Dann war der Arbeitssieg eingefahren und Hoffenheim eine Runde im Pokal weiter. Die Auslosung einen Tag später ergab wieder ein Heimspiel, der Gegner lautete: Borussia Mönchengladbach! Und Ibisevic, der sich gleich nach dem Spiel beim Schiedsrichter und bei der Mannschaft entschuldigt hatte, bekam eine Sperre von drei Pokalspielen aufgebrummt. Q

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Gustavo, Compper, Eichner, Rudy, Sigurdsson (90. Jaissle), Salihovic, Mlapa (75. Weis), Ibisevic, Obasi (46. Ba)

FC Ingolstadt Kirschstein, Görlitz, Pisot, Matip, Fink, Wittek (80. Futacs), Dedola, Buchner (67. Zielinsky), Gerber, Hartmann, Hofmann (67. Wohlfarth)

ZUSCHAUER 10.500

TORE 1:0 Ba (63.)

SCHIEDSRICHTER In Abständen gelang es den Gästen sogar, dem Hoffenheimer Tor gefährlich nah zu kommen. Aber im Strafraum befiel sie eine geradezu rätselhafte Verzagtheit, so dass es zu keiner echten Torszene reichte. Anders auf der Gegenseite in der 87. Minute. Ba war steil nach vorn gegangen, hatte aus spitzem rechtem Winkel den Gästetorwart schon überwunden und den Ball an den Innenpfosten gesetzt, von wo er ins Tor springen musste. Das dachten alle auf dem Platz und im Stadion, das trotz der ungewohnten Leere durch

Tobias Stieler (Obertshausen)

Gelbe KarteN Wittek, Hofmann, Fink

RotE KARTEN Ibisevic (39.)

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10. SPIELTAG | Hannover 96

31. OKTOBER 2010

1899 Hoffenheim – Hannover 96 4:0 Bei einem Sieg in diesem Spiel winkte Platz drei der Tabelle hinter Mainz und Dortmund – doch mit Hannover kam der aktuell Drittplatzierte nach Sinsheim, während Dortmund den Mainzern, die wie sie selbst aus dem Pokal geflogen waren, die erste Saisonniederlage beigebracht hatte. Natürlich war die Rhein-Neckar-Arena wie immer voll besetzt, nur die Gäste hatten ihr Kontingent nicht ganz ausgeschöpft.

Einer für alle, alle für einen - Ball im Anflug...

38 SAISONCHRONIK 2010/11


Vorsah und Compper bildeten wieder die Innenverteidigung, Beck und Gustavo spielten rechts und links neben ihnen, in der Mitte liefen Weis, Rudy und Sigurdsson auf, vorne stürmten Obasi, Ba und Mlapa. Auffällig an dieser Aufstellung waren die starke Offensive und das Mittelfeld, das infolge von Salihovics Gelb-Rot-Sperre notgedrungen etwas grün hinter den Ohren war. Die Unerfahrenheit von Rudy und Sigurdsson machte sich aber nur in der ersten Hälfte bemerkbar, als noch viele Bälle im Zuspiel nach vorne verlorengingen. Dabei konnte Hoffenheim schon ab der 18. Minute mit einem Mann mehr auf dem Platz spielen: Hannovers Schmiedebach hatte nach einem Anlauf von 20 Metern bei einem Kopfball samt Ellenbogen-Einsatz Rudy regelrecht umgehauen. Da er zuvor schon Gelb gesehen hatte, war die Gelb-Rote Karte die logische Folge. Andererseits war Hannover gezwungen, nach dem Verlust von Schmiedebach ständig zu im-

provisieren, was das Hoffenheimer Mittelfeld vor immer neue Aufgaben stellte – die Laufwege und Anspielpositionen variierten permanent. Es dauerte eine Weile, bis Hoffenheim daraus Vorteile zu ziehen verstand. Und es dauerte bis zur 45. Minute, ein Tor zu erzielen. Der Treffer war zu diesem Zeitpunkt vollauf verdient, fiel aber etwas glücklich: Sigurdssons Schuss nach Vorlage von Ba wurde unhaltbar abgefälscht.

Schnelle Wege von hinten nach vorn: oft über Luiz Gusatvo zu Weis und von dort zu Obasi

Nach der Pause sah das Publikum endlich einmal wieder ein rauschendes Hoffe-Fest. Schon nach drei Minuten wurde Obasi im Strafraum eindeutig gelegt, Sigurdsson trat an. Und der blutjunge Spieler verwandelte eiskalt… Nach noch einmal drei Minuten trat Sigurdsson einen Freistoß von der halbrechten Seite, der Ball flog in schöner Ballistik genau auf Bas Kopf, der aus fünf Metern nur noch kurz nicken musste, um das 3:0 zu erzielen. Anschließend wurde Obasi zur Schonung der Kräfte gegen Eichner ausge-

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10. SPIELTAG | Hannover 96

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Gustavo (68. Gulde), Weis, Rudy, Sigurdsson, Obasi (58. Eichner), Ba (81. Tagoe), Mlapa

HAMBURGER SV Fromlowitz, Cherundolo, Haggui, Schulz, Djakpa, Schmiedebach, Pinto (46. Stindl), Stoppelkamp, Rausch (77. Beasley), Ya Konan, Abdellaoue (65. Chahed)

ZUSCHAUER 28.450

TORE 1:0 Sigurdsson (45.) 2:0 Sigurdsson (48. Elfmeter) 3:0 Ba (51.) 4:0 Mlapa (71.)

SCHIEDSRICHTER Manuel Gräfe (Berlin)

Gelbe KarteN Luiz Gustavo Pinto

gelb-Rote KARTEN Schmiedebach (19.)

Doppeltorschütze Sigurdsson soll der Südkurve am Zaun ein Ständchen bringen

40 SAISONCHRONIK 2010/11

wechselt – aber was ein genesender Obasi wert war, hatten alle gesehen. Seine unverwechselbaren, genialen Dribblings waren eine Augenweide. Hannover hatte dem spielerischen Glanz der Hausherren von da an nichts mehr entgegenzusetzen, die Niedersachsen fanden sich beinahe fatalistisch in die Niederlage ein. Es war nur noch die Frage, wie viele Tore sie bis zum Schlusspfiff kassieren würden. Unterdessen sah Gustavo, der sich bei einem seiner Vorstöße ohne Fremdeinwirkung hatte fallen lassen, die Gelbe Karte, weshalb Ralf Rangnick ihn vorsichtshalber vom Platz nahm und nach langer Zeit wieder Gulde


auflaufen ließ. Später kam auch noch Tagoe zum Einsatz, ohne in den verbleibenden zehn Minuten noch Entscheidendes ausrichten zu können. In der 71. Minute konnte Rudy den Ball im Mittelkreis an sich bringen, marschierte damit bis zum Strafraum durch – und spielte dann quer auf den mitgelaufenen Mlapa ab, der flach an Fromlowitz vorbei einschob. Zum vierten Mal erklang an diesem Abend unter Flutlicht die Torhymne für Hoffenheim, den Zuschauern zur Freude, den Spielern zur Belohnung. Spieler des Tages war zweifelsohne Sigurdsson, mit zwei Treffern und einem Assist hatte er seine Aufgabe meisterhaft gelöst. Dass er überhaupt nach Hof-

fenheim gekommen war, musste auslösend Ralf Rangnicks Sohn gedankt werden, der während seiner Schulzeit in England auf den dort in der zweiten Liga spielenden jungen Isländer aufmerksam geworden war. Aber auch Rudy hatte grandios gespielt, und natürlich Demba Ba, der sich zum wichtigsten Torschützen entwickelte – wie überhaupt alle an diesem Tag gut gespielt hatten, mit der Einschränkung einer etwas mühsamen ersten Halbzeit. Aber das war nicht zum ersten Mal so gewesen, die Mannschaft nahm des Öfteren schon eine Halbzeit lang Anlauf, ehe sie den Gegner beherrschte. Q

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11. SPIELTAG | Hamburger SV

6. NOVEMBER 2010

Hamburger SV – 1899 Hoffenheim 2:1 Beim Abschlusstraining hatte sich Tom Starke am Bauchmuskel verletzt: einen ganzen Bündelriss hatte er sich zugezogen, wie später deutlich wurde, und so stand unverhofft wieder Daniel Haas im Tor, wegen der Dauer der Heilung gleich bis zur Winterpause. Als ähnlich langwierig erwies sich Simunics Verletzung, so dass wieder Vorsah und Compper die Innenverteidigung bildeten, während hinten links erneut Luiz Gustavo zum Einsatz kam. Rudy, Weis und Salihovic rotierten als Dreifach-Sechser, Mlapa, Obasi und Ba stürmten. Und Beck als rechter Verteidiger komplettierte bei seinen vielen Ausflügen nach vorn den Sturm. Die Gastgeber wiederum hatten mit Jarolim und Zé Roberto zwei Rückkehrer im ersatzgeschwächten Team und boten Petric von Beginn an auf. Kaum war die Partie angepfiffen, legte der HSV stürmisch los, Hoffenheim hielt leidenschaftlich dagegen. Schon in der 5. Minute kam es darum im Hamburger Strafraum zu einem Rempler von Pitroipa gegen Ba – den nicht einhellig als notwendig angesehenen Strafstoß verwandelte Salihovic eiskalt. Danach war das Spiel von eher schwachen Hamburger Angriffsbemühungen und effi zientem Stören durch Hoffenheim gekennzeichnet. Das frühe Tor spielte dem Team aber nur scheinbar in die Karten. Zwar lauerten die Kraichgauer fortwährend auf Konter, versuchten ihre schnellen Spitzen gewinnbringend einzusetzen, aber es war einfach nicht zu erwarten, dass der HSV, wenn man selber nicht weitere Tore erzielte, über 85 Minuten hinweg völlig erfolglos bleiben würde. Wie engagiert und zugleich verbissen 1899 verteidigte und die Räume eng machte, zeigte sich an den Gelben Karten für die Außenverteidiger Beck und Gustavo schon in der ersten Halbzeit. Immerhin kam Hamburg solange kaum ernsthaft nach vorn und spielte sich, zum Unmut des hanseatischen Publikums, die Bälle allzu oft in der Defensive hin und her. Als jedermann klar zu sein schien, mindestens aufseiten der Gäste, dass die nicht unverdiente knappe Führung mit in die Kabine genommen würde, schlug der HSV 42 SAISONCHRONIK 2010/11

plötzlich zu: ein langer Diagonalball auf die rechte Seite kam passgenau bei Petric an, der ihn umgehend in die Mitte schlug – wo Westermann nur noch den Kopf hinhalten musste, um für den Pausengang ein eher schmeichelhaftes Unentschieden herauszuholen… Nach dem Wiederanpfiff legte Hoffenheim offensiv endlich wieder zu, um den Schreck in der Halbzeit möglichst bald hinter sich zu lassen und demnächst wieder in Führung zu liegen. Der HSV hielt mit viel zu komplizierten Spielzügen dagegen, die immer noch wenig Gefahr versprühten. Trotzdem kam Petric, auffälligster Hamburger Angreifer an diesem Tag, in der 51. Minute gefährlich nah an den Sechzehner und wurde von Compper gelegt – worauf er als dritter Verteidiger die Gelbe Karte bekam, so dass die Viererkette von da an stark rotgefährdet und notwendig verhaltener agierte. Petric führte den Freistoß selber aus und schoss ihn Vorsah mitten ins Gesicht, der eine Weile benommen liegen blieb, aber weiterspielen konnte. Kaum vier Minuten später jagte Ba den Ball nach Freistoß durch Salihovic aus fünf Metern gegen die Latte. Es wäre die Krönung der offensiven Bemühungen nach der Pause gewesen. Aber statt die knapp verpasste Chance in noch


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11. SPIELTAG | Hamburger SV

größeren Torhunger umzumünzen, ließ Hoffenheim, wie vom Lattenpech enttäuscht, ab diesem Moment nach und brachte den HSV dadurch mehr und mehr ins Spiel. Da half es auch nichts, dass ab der 65. Minute Vukcevic für Obasi stürmte – außer dass der Deutsch-Kroate Ba in der 76. Minute steil schickte, der Linienrichter aber fälschlich auf Abseits erkannte. Wäre Ba durchgekommen, hätte das Spiel anders ausgehen und der HSV keinen Druck mehr aufbauen können. So jedoch nahm das Verhängnis seinen Lauf, wie so oft in dieser Hinserie kurz vor Schluss. Diesmal geschah es in der 83. Minute, es war ein Zusammenspiel von Zé Roberto, Trochowski, Guerrero – und des von vier Hoffenheimer zugestellten Petric, der es schaffte, den Ball trotz aller Bedrängnis im Tor unterzubringen. 1899 bot noch Sigurdsson für Mlapa und Ibisevic für Weis auf, doch es war zu spät. Und nicht fair... Ein Unent-

HAMBURGER SV Drobny, Demel, Westermann, Mathijsen, Ze Roberto, Jarolim, Kacar (80. Rincon), Pitroipa (74. Son), Trochowski, Guerrero, Petric

1899 HOFFENHEIM Daniel Haas, Beck, Vorsah, Compper, Gustavo, Weis (85. Ibisevic), Salihovic, Rudy, Obasi (64. Vukcevic), Ba, Mlapa (81. Sigurdsson)

ZUSCHAUER 54.162

TORE 0:1 Salihovic (6. Foulelfmeter) 1:1 Westermann (45.) 2:1 Petric (83.)

SCHIEDSRICHTER Günter Perl

Gelbe KarteN Jarolim Gustavo, Beck, Compper, Mlapa, Eichner

44 SAISONCHRONIK 2010/11

schieden wäre das gerechtere Spielergebnis gewesen. Demba Ba formulierte es später so: „Es war für uns eine sehr unglückliche Niederlage. Aber wir müssen zugeben, dass der HSV in der zweiten Halbzeit viel Druck gemacht hat und den Siegtreffer erzwungen hat. Der erste Gegentreffer ist zu einem ungünstigen Zeitpunkt gefallen. Vielleicht war das auch der Grund, warum wir nicht mehr so ins Spiel gekommen sind.“ Q


Einer der schnellsten St端rmer der Liga: Mlapa Und einer der sichersten Verteidiger: Beck

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12. SPIELTAG | SC Freiburg

14. NOVEMBER 2010

1899 Hoffenheim – SC Freiburg 0:1 Einige Tage vor der Partie wurde es traurige Gewissheit: Chinedu Obasi, eben erst in die Mannschaft zurückgekehrt, litt erneut unter Schmerzen. Die Stressfraktur im Schienbein, die man konservativ ausgeheilt glaubte, war wieder da und musste nun doch operiert werden. Bis ins nächste Frühjahr würde Obasi der Mannschaft fehlen.

Um den Lohn der Mühe gebracht: trotz Überlegenheit am Ende 0:1

In der Presse wurde das badische Derby im Vorfeld zum Duell der beiden angreifenden Dembas hochstilisiert: auf Hoffenheimer Seite Demba Ba, auf Freiburger Seite Papiss Demba Cissé, aus gemeinsamen Spielen in der senegalesischen Nationalmannschaft auch noch miteinander befreundet. Tatsächlich kämpften jedoch zwei Mannschaften gegeneinander, die unterschiedlicher nicht auf- bzw. eingestellt sein konnten. Hier das spielstarke nordbadische Team, das jede Partie kreativ anging und von den eigenen Stärken lebte, dort das listig operierende südbadische Team, das darauf spezialisiert war, von den Schwächen des Gegners zu profitieren. Im Spielverlauf schlug sich der Kontrast über 90 Minuten sichtbar nieder. 1899 Hoffenheim spielte variantenreich, probierte alles Erdenkliche, war ständig um Ideen und Spielaufbau bemüht, während der SC Freiburg außer Cissé alle Mann hinten hielt, die Räume eng machte und sich erfolgreich darum bemühte, bloß kein Tor einzufangen. Dabei hätte es in der temporeichen Begegnung durchaus zu Treffern kommen können: allein Sigurdsson, der zum zweiten Mal in die Startaufstellung gelangt war, brachte bei Schüssen den Ball in der 5. und 16. Minute nicht an Torhüter Baumann vorbei – und als er es in der 21. Minute endlich doch schaffte, sprang der Ball von der Unterkante des Tors zurück ins Spielgeschehen. Im Zusammenspiel mit Sigurdsson tat sich vor allem Vukcevic hervor, der für Obasi aufgelaufen war. Aber auch Mlapa legte bei seinen sensatio-


nellen Flankenläufen immer wieder Bälle auf Ba auf, ohne dass der Ball ins Netz gelangte. Von seinem Freund Cissé auf der anderen Seite war indes nicht viel zu sehen, außer einem Fernschuss in der 22. Minute, der knapp übers Tor strich, und einem Schuss aus rechtem Winkel in der 43., den Haas parierte. Es geschah eben einfach zu selten, dass die Freiburger weit über die Mittellinie vordrangen. Umso systematischer und effizienter spielten sie gegen den Ball und störten die Hoffenheimer Kreativabteilung. In der 31. Minute gab es einen Freistoß, den Sigurdsson als wunderbare Bogenlampe vors Tor brachte. Vukcevic kam freistehend aus elf Metern zum Schuss und veranlasste Torhüter Baumann zu einer erneuten Glanzparade. Nach der Pause nahm die Partie bis zur 65. Minute eine lastende Auszeit: Hoffenheim fand nicht mehr zurück ins begeisternde Spiel, Freiburg mauerte ohne eigene Ambitionen. Dann zog Vukcevic einmal aus 18 Metern ab, Baumann konnte den Gewaltschuss nur noch abklatschen und Demba Ba rutschte knapp am Ball vorbei – wieder nichts. Kurz darauf wurde Vukcevic gegen Salihovic eingewechselt, und für Mlapa lief Ibisevic auf. Gelegentlich kam danach Freiburg wieder vors Hoffenheimer Tor und suchte ausnahmslos Cissé, der einstweilen jedoch gut gedeckt war. Umgekehrt drängte 1899 nun wieder heftiger auf den lang ersehnten Führungstreffer. In der 77. Minute wäre es fast soweit gewesen. Demba Ba, auf der rechten Seite an den Ball gekommen, setzte aus spitzem Winkel einen scharfen Schuss aufs Tor – aber wieder war Baumann mit einer Glanztat zurstelle. Und noch einmal in der 80. Minute, als Ibisevic den Abschluss suchte, statt auf den völlig freistehenden Ba abzulegen.

kurz hintereinander kam Freiburg darum äußerst gefährlich vors Tor, konnte aber anscheinend an sein Glück noch nicht recht glauben – und vergab. Als es in die Nachspielzeit ging, die nur eine Minute dauern sollte, ließen die Hoffenheimer Spieler die Schultern schon hängen: wie sollten sie mit diesem Unentschieden nach so viel fabelhaftem Kampfgeist und so vielen Chancen auch zufrieden sein… Einer jedoch, Freiburgs bester Mann an diesem Abend, Torhüter Baumann, sah darin eine Chance, schlug den Ball lang und weit ab, bis auf den eingewechselten Reisinger, der von den gedanklich schon in der Kabine weilenden Hoffenheimern trotz der Überlegenheit von 5 gegen 2 Mann nicht daran gehindert wurde, den Mondball anzunehmen und auf Cissé weiterzugeben – der auf einmal völlig frei und unbedrängt aufs Tor zulief und ohne zu zögern abschloss. Daniel Haas war nicht der geringste Vorwurf zu machen, als der Ball im Netz zappelte. „Ich dachte, ich bin im falschen Film“, sagte Ralf Rangnick nach dem Spiel. Damit sprach er aus, was jeder in der ausverkauften Rhein-NeckarArena genau so empfand. Q

1899 HOFFENHEIM Haas, Beck, Vorsah, Compper, Ibertsberger (87. Thomalla), Rudy, Gustavo, Vukcevic (66. Ibisevic), Sigurdsson, Mlapa (66. Salihovic), Ba

SC Freiburg Baumann, Mujdza, Barth, Toprak, Bastians, Schuster, Putsila (84. Caligiuri), Makiadi, Rosenthal (81. Reisinger), Abdessadki, Cisse

ZUSCHAUER 30.150 (ausverkauft)

Fast schien es, als hätte Hoffenheim sein Chancenrepertoire damit aufgebraucht. 80 Minuten lang hatte man alles versucht, alles darangesetzt, um in Führung zu gehen und das Spiel zu gewinnen. Und ganz allmählich gewöhnte man sich an den Gedanken, dem Heimpublikum doch nur ein Unentschieden servieren zu können. Was allerdings in den nächsten Minuten geschah, hätte eine Warnung sein müssen. Indem Hoffenheim innerlich die Hoffnung aufgab, ließ gleich auch die Aufmerksamkeit nach: zweimal ganz

TORE 0:1 Cisse (90.)

SCHIEDSRICHTER Felix Zwayer (Berlin)

Gelbe KarteN Makiadi

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13. SPIELTAG | Eintracht Frankfurt

20. NOVEMBER 2010

Eintracht Frankfurt – 1899 Hoffenheim 0:4 Für die Eintracht war die Saison bislang über Erwartung gut gelaufen – vor der Partie gegen Hoffenheim hatten die Hessen allein sieben Mal in Folge nicht verloren. Allerdings hatten sie gegen Hoffenheim in den vergangenen vier Partien auch nie gewinnen können. Diesmal jedoch konnte die Eintracht auf Theofanis Gekas bauen, der nach langjährigem Schwächeln zu seiner einstigen Treffsicherheit zurückgefunden hatte und die aktuelle Torjägerliste der Bundesliga anführte.

EINTRACHT FRANKFURT Nikolov, Jung, Franz, Russ, Tzavellas, Schwegler (64. Steinhöfer), Köhler, Ochs, Caio, Halil Altintop (67. Fenin), Gekas

1899 HOFFENHEIM Haas, Beck, Vorsah, Compper, Ibertsberger, Rudy, Gustavo (87. Weis), Salihovic, Vukcevic, Ibisevic (83. Sigurdsson), Ba (58. Mlapa)

ZUSCHAUER 44.300

TORE 0:1 Vukcevic (31.) 0:2 Ibisevic (69.) 0:3 Ibisevic (71.) 0:4 Mlapa (90.)

SCHIEDSRICHTER Markus Wingenbach (Diez)

Gelbe KarteN Tzavellas, Schwegler, Franz, Ochs Compper, Salihovic, Ibisevic, Mlapa

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Ralf Rangnick wiederum vertraute neben Demba Ba auf Vedad Ibisevic in der Startformation – was sich bald auszahlen sollte. Zunächst aber hatte Gekas in den ersten furiosen Spielminuten zweimal die Chance, sein Torkonto zu erhöhen: einmal verstolperte er, beim zweiten Mal scheiterte er an Daniel Haas. Nach diesen frühen Schrecksekunden fand 1899 souverän ins Spiel, störte den Frankfurter Spielaufbau durch exzellentes Forechecking und erarbeitete sich damit immer mehr Feldüberlegenheit. Doch erst in der 31. Minute entstand daraus Zählbares: Rudy schlug einen Eckball in unwiderstehlicher Flugbahn vors Tor, Vukcevic stieg unbedrängt hoch und köpfte wuchtig ein. Und nur eine Minute später hätte Ibisevic nachlegen können! Ein schöner Flankenlauf von Ba samt Flanke machte den Anfang – der Bosnier köpfte aufs Tor – Nikolov hielt – der Ball sprang zurück an Ibisevics Knie – von da wieder Richtung Tor – und noch einmal hielt Nikolov mit etwas Glück…

1899 ließ für den Rest der ersten Halbzeit den Frankfurtern so wenig Raum, dass sich kaum ein geeigneter Angriff entwickeln konnte. Trotzdem blieb die Partie fair. Nach dem Wiederanpfiff ging es dann allerdings ruppiger zu: Frankfurt versuchte über den Kampf ins Spiel zurückzufinden, und tatsächlich wogte das Spielgeschehen eine Zeitlang hin und her, ohne dass Hoffenheim die gewohnte Feldüberlegenheit wieder aufbauen konnte. Nach etwa einer Stunde jedoch wurde Ba, der im eiskalten Frankfurter Stadtwald wie steifgefroren wirkte, gegen Mlapa ausgewechselt – was zur erwünschten Beschleunigung ganz erheblich beitrug.

Das furiose 0:4 in Frankfurt markierte das Ende des Höhenflugs der Eintracht

Anders gesagt, sah man vom selben Moment an eine andere Partie, mit wieder hoher Hoffenheimer Dominanz, die in der 69. und 70. Minute durch einen Doppelschlag von Ibisevic entschieden wurde. Zunächst verwertete er auf Höhe des Elfmeterpunkts einen Flankenball von Beck, der hinter die Verteidigung geschlagen war, kurz

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13. SPIELTAG | Eintracht Frankfurt

Wenn Adler fliegen und zuletzt doch absteigen...

darauf erspitzelte sich Ibisevic selber den Ball nahe am Strafraum, umkurvte den letzten Verteidiger und schoss unhaltbar ein. Die Eintracht war damit besiegt. Doch noch waren 20 Minuten zu spielen, Hoffes Spiellaune war ungebrochen, und so gab es für die mitgereisten Fans einige wunderschöne Spielzüge zu bewundern, oft unter Beteiligung von Mlapa und Rudy. Letzterer war es dann auch, der in der letzten Spielminute bei einem sehenswerten Dribbling drei Frankfurter stehenließ und uneigennützig auf Mlapa ablegte, der den Ball ohne weitere Gegenwehr einschieben konnte. Am Ende stand es also 0:4, ein schönes, verdientes Ergebnis nach einer packenden, temporeichen Begegnung. Hoffenheim blieb also bis auf Weiteres Frankfurts Angstgegner, und für Ibisevic war es ein besonders schöner Sieg. Endlich hatte er seinen Torinstinkt wieder mannschaftsdienlich einbringen können! Rudy wiederum hatte sich als Dreh- und Angelpunkt des Hoffenheimer Spiels verdient gemacht – feiern durfte aber natürlich die gesamte Mannschaft, die eine besondere Teamleistung abgeliefert hatte. Nach dem Spiel sagte Andi Beck: „Das war eine ganz starke Leistung von uns. Wir hatten in der ersten Hälfte ein klares Chancenplus und hätten auch höher führen können. In der zweiten Hälfte haben wir in den entscheidenden Momenten die Tore gemacht. Dieser Sieg war enorm wichtig.“ Und Vedad Ibisevic: „Wir haben heute ein ganz starkes Spiel gezeigt. Es war wichtig, dass wir in der zweiten Hälfte so gut gestanden und kaum etwas zugelassen haben. Ich persönlich freue mich natürlich über die beiden Tore, aber noch mehr freue ich mich über die drei Punkte.“ Q

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14. SPIELTAG | Bayer Leverkusen

27. NOVEMBER 2010

1899 Hoffenheim – Bayer Leverkusen 2:2 Nicht anders als Hoffenheim für die Frankfurter Eintracht Angstgegner war und blieb, hatte sich Bayer Leverkusen gegenüber den Kraichgauern bislang in der Bundesliga präsentiert. Das sollte sich diesmal endlich ändern, hatte man sich vorgenommen. Vor allem wollte man nicht wie in den letzten Spielen gegen die Werkself gleich wieder unglücklichen Gegentoren hinterherlaufen.

Sebastian Rudy zog im defensiven Mittelfeld souverän die Fäden

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Leider geschah aber genau das. Demba Ba musste sich das Trübsal, ohne eingreifen zu können, zunächst von der Bank aus anschauen: Mlapa und Ibisevic bildeten bei Anpfiff das Sturmduo, unterstützt vom immer souveräner aufspielenden Vukcevic. Aus symbolischen Gründen, also um die Verbindung zum siegreichen Spiel in Frankfurt zu halten, war Hoffenheim diesmal in den weißen Auswärtstrikots aufgelaufen und hatte Leverkusen den blauen Dress überlassen – was vielleicht keine wirklich gute Idee war. Denn in der 8. Minute trieb Sidney Sam auf der rechten Außenbahn einsam den Ball voran, umkurvte Ibertsberger, zog nach innen und ließ einen hohen Bogenball unerreichbar über Daniel Haas zum 0:1 einfliegen. Es fühlte sich nicht gut an: kaum waren knapp zehn Minuten herum, lag man gegen Leverkusen bereits wieder in Rückstand, obwohl man in den

ersten Minuten doch ein richtig gutes, druckvolles Spiel aufgezogen und Leverkusen sichtbar in Bedrängnis gebracht hatte. Doch es sollte noch dicker kommen: nach genau zehn Minuten stand es schon 0:2. Was war geschehen?

Dem Angstgegner ein Unentschieden abgetrotzt

Nach einem etwas leichtfertig verlorenen Ball im Mittelfeld war Vukcevic den konternden Leverkusenern hinterher geeilt, war im Strafraum viel zu energisch gegen Augusto zuwerke gegangen und hatte ihn regelrecht eingeladen, optisch wirkungsvoll zu Fall zu kommen. Der Schiedsrichter übersetzte diese Einladung in eine Elfmeter-Entscheidung, Vidal trat an und schoss halbhoch rechts ein. Die Situation war für 1899 Hoffenheim damit um einiges unlösbarer geworden. Leverkusen, konterstark, musste nur noch darauf warten, bei den nun zu erwartenden, verstärkten Hoffenhei-

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14. SPIELTAG | Bayer Leverkusen

mer Angriffsbemühungen einen weiteren Ball abzufangen und ins gegnerische Tor zu bringen. Es war also Moral gefragt, Mut und Entschlossenheit mussten zum Tragen kommen, wenn man am völlig missratenen Auftakt noch etwas ändern wollte. Und tatsächlich zeigte sich bald, wie kampfstark die diesjährige Bundesligaelf aus dem Kraichgau war – statt der befürchteten Leverkusener Konter bewunderte das Publikum in der ausverkauften Rhein-Neckar-Arena hochklassigen Angriffsfußball der Heimmannschaft, dem in der 21. und 25. Minute jeweils durch Ibisevic nur der glückliche Abschluss verwehrt blieb. In der 38. Minute geschah es aber doch: bei einem torgefährlichen Freistoß durch Salihovic berührte Ibisevic den Ball mit dem Kopf, gab ihm leicht, aber entscheidend eine andere Richtung, Adler stand dadurch auf dem falschen Fuß – so dass es nur noch 1:2 stand. Das ließ hoffen… Leverkusens Pech in dieser Partie bestand in der frühen, glücklichen Führung. So widersinnig das klingt, so spielentscheidend war die Wirkung: Leverkusen wähnte sich zu früh auf der Siegerstraße, schaltete zurück und glaubte sich sicher. Hoffenheim blieben dadurch 80 nahezu ungestörte Minuten, am Rückstand noch etwas zu drehen – was im Profifußball viel Zeit ist. Die zweite Halbzeit begann denn auch, wie die erste geendet hatte, mit Hoffenheimer Angriffen. Ibisevic hatte den Ausgleich schon in der 50. Minute auf dem Stiefel, aber Adler hielt den Schuss aus kurzer Distanz. Bis zum Spielende ergaben sich noch mehrere solcher Chancen, auf Unentschieden zu verkürzen, dreimal vergab allein Demba Ba, der für Mlapa eingewechselt worden war und Belebung ins Spiel gebracht hatte. Je länger das Spiel lief, je mehr verließ sich Leverkusen nun aufs reine Stören und Verzögern. Adler bekam in der 65. Minute die Gelbe Karte wegen zu langen Hinausschiebens eines einfachen Abschlags! Und Hoffenheim fraß sich an der destruktiven Spielweise fest, woran auch Sigurdsson, ab der 74. Minute im Spiel, und Tagoe, in der 87. eingewechselt, nichts zu ändern vermochten. Immerhin gab es vier Minuten Nachspielzeit.

54 SAISONCHRONIK 2010/11

Und da kam es durch den anhaltenden Kampfgeist von Hoffenheim im Strafraum der Leverkusener zu erheblichem Getümmel, bis ein geplanter Gewaltschuss von Compper von Castro unfair geblockt wurde. Der Pfiff des Schiedsrichters samt Armdeuten auf den Elfmeterpunkt ließ die Herzen im Publikum höher schlagen. Aber dann legte sich Sigurdsson, der Jüngste und Unerfahrenste, den Ball zurecht. Als er anlief, wollten viele nicht hinschauen. Und Adler flog in die richtige Richtung… Doch der Ball war derart platziert hoch ins Eck geschossen, dass er nicht an den Ball herankam. Und so stand es am Ende 2:2, mehr als gerecht, was sich wie ein Sieg anfühlte: schließlich hatte man sich den einstigen Angstgegner auf Normalmaß zurechtgekämpft. Q

1899 HOFFENHEIM Haas, Beck, Vorsah, Compper, Ibertsberger, Gustavo, Rudy, Salihovic (74. Sigurdsson), Vukcevic, Ibisevic (87. Tagoe), Mlapa (46. Ba)

BAYER 04 LEVERKUSEN Adler, Schwaab, Manuel Friedrich, Hyypiä, Castro, Vidal (65. Bender), Rolfes (56. Reinartz), Sam, Augusto, Barnetta, Derdiyok (76. Balitsch)

ZUSCHAUER 29.250

TORE 0:1 Sam (8.) 0:2 Vidal (10. Elfmeter) 1:2 Ibisevic (39.) 2:2 Sigurdsson (90.+4 Elfmeter)

SCHIEDSRICHTER Thorsten Kinhöfer (Herne)

Gelbe KarteN Vorsah Vidal, Adler, Castro


Die weißen Auswärtstrikots brachten zuhause zuletzt doch das erhoffte Glück

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15. SPIELTAG | VfB Stuttgart

56 SAISONCHRONIK 2010/11


4. DEZEMBER 2010

VfB Stuttgart – 1899 Hoffenheim 1:1 Vor dem baden-württembergischen Derby war viel in der Presse über Sebastian Rudy zu lesen, den man in Stuttgart, jetzt ganz unten in der Tabelle, nicht mehr gewollt und der in Hoffenheim, oberes Tabellenmittelfeld, zu einer festen Größe geworden war. Natürlich bestritt man seitens des VfB, mit seinem Verkauf einen Fehler gemacht zu haben. In Hoffenheim sah man eher den riesigen Gewinn und konnte bereits über einen weiteren hoffnungsvollen Neuzugang im Winter sprechen: Firmino, junger Brasilianer aus der zweiten dortigen Liga, offensives Mittelfeld, als Nachfolger für Eduardo.

Wie in der letzten Saison herrschten eisige Temperaturen im Gottlieb-Daimler-Stadion. Der VfB, der dringend drei Punkte brauchte, legte entsprechend energisch los, während Hoffenheim, diesmal wieder mit Ba in der Startformation, sich taktisch zurückhielt. In der 11. Minute, als 1899 doch einmal Richtung Stuttgarter Tor marschierte, misslang Gebhart ein klärender Fallrückzieher, so dass Beck nach innen flanken konnte. Salihovic stand bereit und schoss aus zehn Metern unhaltbar ein.

Eisige Temperaturen: für den Österreicher Ibertsberger kein Problem

Hoffenheim setzte sofort nach, drückte aufs Tempo und wollte das zweite Tor, was angesichts des Schockzustands der Schwaben absolut möglich erschien. Doch etwa ab der 20. Minute nahm die Badener Überlegenheit eigenwillige Formen an, produzierte immer wieder leichtsinnige Bälle im Mittelfeld und brachte Stuttgart damit wirkungsvoll zurück ins Spiel. In der Folge gingen die Angriffe eher Richtung Hoffenheimer Tor,

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15. SPIELTAG | VfB Stuttgart ansonsten verbiss sich das Spiel zunehmend im Mittelfeld. Die Konsequenzen ließen nicht lang auf sich warten: in der 34. Minute schaffte es Harnik, einen von Cacau vorgelegten Ball nach einiger Hoffenheimer Abwehrkonfusion aus zehn Metern an Haas vorbei ins Tor zu schießen. Der Ausgleich war inzwischen durchaus verdient – und doch irgendwie glücklich. Denn stattdessen hätte 1899, bei etwas mehr Konzentration, sicher und mit Abstand führen können.

Stuttgarter Winterbilder: viel Kampf und eiskalte Hände

In der 41. Minute arbeitete sich dann der Schiedsrichter in den Fokus: Dr. Drees entschied, dass Issac Vorsahs völlig harmloses Armheben über den ihn behindernden Gentner beim Zurücklaufen eine grobe Tätlichkeit wäre und daher nur mit Rot zu ahnden sei. Damit lag er absolut falsch,

58 SAISONCHRONIK 2010/11

was jeder außer ihm und seinem Seitenläufer im Stadion auch gesehen hatte: aber gezückt war gezückt, ausgerechnet Vorsah musste vom Platz, der, wie Ralf Rangnick später sagte, nicht einmal eine Fliege an der Wand totklatschen konnte. Für ihn ging Defensiv-Allrounder Luiz Gustavo in die Viererkette, nach der Pause kam Weis für Ibisevic zur Auffüllung des Mittelfelds. Die gesamte zweite Halbzeit war jetzt mit einem Mann weniger zu bestreiten – was immerhin Torhüter Haas ausgezeichnete Gelegenheit verschaffte, sein großes Talent zu beweisen. Etliche Bälle hielt er, die zu anderen Zeitpunkten und bei anderen Torhütern durch die Hände gegangen wären, und wurde mit jeder Minute mehr ein ganz starker Rückhalt. Von Zeit zu Zeit gelang es aber auch den zu unrecht dezimierten Badenern, gefährliche Angriffe vorzutragen, so dass es über


lange Zeit immer noch Unentschieden stand. Es war bewundernswert, wie kampfstark Hoffenheim in der zweiten Halbzeit die grobe Benachteiligung durch den Schiri egalisierte. Ralf Rangnick fasste das Geschehen so zusammen: „Wir haben ein extrem spannendes Spiel gesehen, das in keiner Phase langweilig war. Wir haben sehr stark begonnen und frühzeitig attackiert. In der Phase nach dem 1:0 hätte ich mir gewünscht, dass wir so weitermachen. Das haben wir aber nicht, der VfB kam dann besser ins Spiel und folgerichtig fiel der Ausgleich. Nach der Roten Karte ging es in erster Linie darum, mit viel Laufbereitschaft und Leidenschaft zu verteidigen. Das haben wir gut gemacht… Unter dem Strich geht das Unentschieden in Ordnung. Ich bin mit dem Auftritt meiner Mannschaft sehr zufrieden.“ Q

VFB STUTTGART Ulreich, Degen (77. Kuzmanovic), Niedermeier, Delpierre, Boka (58. Molinaro), Bah (61. Pogrebnjak), Gentner, Träsch, Gebhart, Harnik, Cacau

1899 HOFFENHEIM Haas, Beck, Vorsah, Compper, Ibertsberger, Gustavo, Rudy, Salihovic (83. Sigurdsson), Vukcevic, Ibisevic (46. Weis), Ba (73. Mlapa)

ZUSCHAUER 36.800

TORE 0:1 Salihovic (11.) 1:1 Harnik (34.)

SCHIEDSRICHTER Dr. Jochen Drees (Münster-Sarmsheim)

Gelbe KarteN Boka, Harnik, Cacau Salihovic, Weis

Rote KARTEN Vorsah (41. Tätlichkeit)

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16. SPIELTAG | 1. FC Nürnberg

11. DEZEMBER 2010

1899 Hoffenheim – 1. FC Nürnberg 1:1 Zwei Ereignisse bestimmten die Woche vor dem Spiel gegen die Klubberer. Vor dem DFBSchiedsgericht wollte 1899 Hoffenheim erreichen, dass die Sperre von zwei Spielen für Issac Vorsah wegen der unberechtigten roten Karte gegen den VfB Stuttgart aufgehoben würde. Als deutlich wurde, dass bei der anstehenden Verhandlung eine noch längere Sperre ausgesprochen würde, zog Hoffenheim den Einspruch zurück und akzeptierte den widersinnigen Schuldspruch. Das zweite Ereignis war eine schwere Gesichtsverletzung von Torhüter Jens Grahl im Training beim Zusammenprall mit Ibertsberger. Da Tom Starke schon verletzt fehlte, rückte nun „Rambo“ Özcan statt Grahl als zweiter Torhüter ins Team vor. Luiz Gustavo, Hoffenheims Allzweckwaffe, nahm Vorsahs Position in der Innenverteidigung ein – und überzeugte mit klugem Stellungsspiel und sicherer Raumaufteilung. Bis er seine Qualitäten in der Innenverteidigung beweisen musste, sollte es jedoch eine Weile dauern: Hoffenheim

zog das Spiel an sich, dominierte fast die gesamte erste Halbzeit lang und schoss nur leider kein Tor. Demba Ba, der phasenweise etwas lustlos wirkte, hatte mehrmals Gelegenheit einzulochen, fand aber in Torhüter Schäfer ein hellwaches Gegenüber. Zweimal bekam auch Ibisevic seine Chance, ohne mehr daraus zu machen. Vielleicht hinderten auch die winterlichen Temperaturen die Akteure daran, wirkungsvoller ins Spiel zu finden, dachte mancher Besucher der ausverkauften Rhein-Neckar-Arena. Wer genauer hinschaute, sah aber, dass Nürnberg die Hoffenheimer Spielweise zunehmend antizipierte und umso wirkungsvoller neutralisierte. Die Partie wurde davon immer zäher und spannungsärmer, so dass klar war, dass 1899 nach der Pause etwas ändern musste. Tatsächlich belebte nach dem Wiederanpfiff frischer Angriffsmut die 11 Hausherren. Noch verschoss Demba Ba nach großartigem Zuspiel von Salihovic kläglich aus 14 Metern und gab Salihovic selber ein paar Minuten später einen strammen Schuss aufs Tor ab, der zur Ecke geklärt wurde. Doch in der 55. Minute war es endlich soweit: nach einer erneuten Ecke durch Salihovic

60 SAISONCHRONIK 2010/11


1899 HOFFENHEIM Haas, Beck, Gustavo, Compper, Ibertsberger, Rudy, Salihovic, Vukcevic, Sigurdsson, Ibisevic (57. Mlapa), Ba

1. FC NÜRNBERG Schäfer, Judt (77. Eigler), Maroh, Wolf, Plattenhardt, Simons, Hegeler, Ekici, Gündogan (64. Mak), Frantz (46. Cohen), Schieber

ZUSCHAUER 30.150 (ausverkauft)

TORE 1:0 Compper (55.) 1:1 Eigler (87.)

SCHIEDSRICHTER Marc Seemann (Essen)

Gelbe KarteN Vukcevic Judt, Cohen, Plattenhardt

ganz nah an den Fünfmeterraum war Compper zurstelle und nickte ein! Anschließend startete er einen Sprint in Richtung Ersatzbank, wo Torhüter Özcan mit dem hoch erhobenen Trikot des verletzten Jens Grahl auf ihn wartete. Der eigentliche Torjubel fand nun erst an der Seitenlinie statt – was eine schöne, anrührende Geste war, die sicher zur Genesung beitrug. Bald darauf wurden Ibisevic und Gündogan, die beide zum Spiel ihrer Mannschaften nicht viel beizutragen vermochten, ausgewechselt. Für Hoffenheim stürmte nun Mlapa, ohne dass es dadurch zu einer offensiven Steigerung kam – im Gegenteil, die Hausherren verlagerten sich zusehends aufs Kontern. Dabei war es nicht ungefährlich, den knappen Vorsprung für gegeben zu nehmen: zu oft hatte es in dieser Saison schon unangenehme Überraschungen gehagelt. Wie um das böse Omen zu vertreiben, war die Schlussviertelstunde darum erneut von Hoffenheimer Angriffen geprägt, die den Torerfolg auch verdient gehabt hätten.

die Konzentration etwas nach, während die Nürnberger genau darauf nur gewartet hatten. In der 87. Minute, als alles schon klar zu sein schien, spielte Ekici einen blitzsauberen Pass in die Gasse auf Eigler, der in den Strafraum marschierte und eiskalt am herausstürzenden Haas vorbei zum Ausgleich einschob. Es war zum Verzweifeln und wie ein Fluch: wieder zwei Punkte verschenkt. Q

Zum dritten Mal in Folge nur Unentschieden: Hoffenheim begann zu stagnieren

Doch es kam wieder mal anders. Allzu siegessicher vielleicht, konditionell möglicherweise auch ausgereizt, ließ bei 1899 in den letzten Minuten

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17. SPIELTAG | VfL Wolfsburg

18. DEZEMBER 2010

VfL Wolfsburg – 1899 Hoffenheim 2:2 Zwei Tage nach dem erneuten Unentschieden gab Hoffenheim offiziell bekannt, dass Roberto Firminho vom Rückrundenstart an Carlos Eduardo im Mittelfeld ersetzen würde. Der 19-Jährige kam vom brasilianischen Figueirense Futebol Clube und war dort als bester Zweitligaspieler ausgezeichnet worden. Kurz vor der Partie gegen Wolfsburg sorgte indes eine andere Nachricht, einstweilen nur als Gerücht, für Unruhe. Und zwar sollte es seitens der Bayern aus München ein so heißes Interesse an Luiz Gustavo geben, dass dessen Wechsel an die Isar möglicherweise schon im Winter anstand. 62 SAISONCHRONIK 2010/11


Seit Starkes Verletzung ein souveräner Rückhalt: Daniel Haas im Tor der TSG

Einstweilen ging Gustavo aber noch seinem badischen Fußball-Auftrag nach, war auch in der Partie gegen die Wölfe wieder bester Mann auf dem Feld und besorgte in der 34. Minute sogar noch höchstselbst die Führung zum 0:1 – kein Wunder waren die Bayern an einem wie ihm dran! Allerdings hatte Hoffenheim in der ersten Hälfte leichtes Spiel mit den Wölfen, die ihre verpatzte Hinserie durch eher lustloses Agieren 45 Minuten lang förmlich unterstrichen. Ein Gutteil Verunsicherung war sicher auch dabei, wenn Hoffenheim fast nach Belieben schalten und walten konnte und kurz vor der Pause durch Sigurdsson auf 0:2 erhöhte. Aber damit war Wolfsburg noch gut bedient, nach Chancenlage hätte es zur Halbzeit gut und gern 0:4 stehen können. In der 25. Minute hatte Ibisevic einen wunderschönen Pass von der Grundlinie in den Rücken der Verteidigung gezogen, aber Salihovics Schuss wurde geblockt,

Sigurdssons Nachschuss von Benaglio gehalten. Und in der 44. Minute gelangte Ibisevic durch fehlende Abstimmung der Wölfe im Sechzehner an den Ball, setzte sich fein gegen zwei Verteidiger durch und schob den Ball nur Zentimeter am Tor vorbei… Nach der Pause bot Wolfsburg endlich Grafite auf, den das Heimpublikum verschiedene Male lautstark gefordert hatte. Aber auch mit drei Stürmern waren die Hausherren zunächst noch deutlich den Gästen aus dem Kraichgau unterlegen, die nur den Fehler machten, sich mit zwei Toren Abstand etwas zu sicher zu fühlen und nicht nachzulegen. Chancen hätte es gegeben. Eine fatale Auswechslung allerdings nahm Hoffenheim viel vom bis dahin sicheren mannschaftlichen Gerüst. Denn in der 65. Minute musste Gustavo mit muskulären Problemen vom Platz – aber Ralf Rangnick brachte für ihn ausgerechnet den formschwachen, immer lustloseren Demba 63


17. SPIELTAG | VfL Wolfsburg

Ba, der in der Folge wenig rannte und somit den erhofften dritten Treffer für Hoffenheim schuldig blieb. Und so kam es, wie es kommen musste: Wolfsburg wurde schon etwa ab der 60. Minute stärker, probierte noch erfolglos dies und das, kam aber infolge der von Gustavo hinterlassenen Lücke immer besser ins Spiel und hatte in der 75. Minute großes Glück, als ein eigentlich irregulärer Treffer von Diego, bei dessen Schuss Dzeko im Abseits stand und Torhüter Haas in der Sicht behinderte, dennoch anerkannt wurde. Salihovic erregte sich über das anhaltende SchiriPech seiner Mannschaft derart, dass er die fünfte Gelbe Karte einfuhr und darum zum Rückrundenstart fehlen würde.

Immer ein gutes Gefühl: Jaissle bei der Ausübung seines Berufs

Die letzten 15 Minuten zeigten, was torhungrige Wölfe, die ihren Rudelgeist wiedergefunden haben, zu leisten vermögen. Ein ums andere Mal kam Wolfsburg gefährlich vors Hoffenheimer Tor, spielte wie von einem anderen Stern und hatte den Ausgleich längst verdient, der aber erst in der 90. Minute fiel: wieder etwas glücklich, wieder unter diesmal jedoch regelgerechter Beteiligung von Dzeko, der einen Abpraller verwandelte.

Nach der Partie lagen die Nerven bei Hoffe blank. Wieder nur ein Unentschieden, wieder im letzten Augenblick um den Lohn gebracht… da war es naheliegend, wenn auch sinnlos, sich auszurechnen, wie Trainer Rangnick es tat, wo Hoffenheim in der Tabelle stünde, hätte man die späten Tore alle nicht eingefangen. Tatsache war vielmehr, dass 1899 Hoffenheim im Vergleich mit dem Vorjahr in dieser Hinrunde tatsächlich zur Tugend des erfrischenden, schnellen Spiels zurückgefunden hatte und vor allem viel mehr mannschaftliche Geschlossenheit zeigte. Q

VFL WOLFSBURG Benaglio, Riether, Kjaer, Barzagli, Schäfer, Madlung, Hasebe (69. Kahlenberg), Cigerci (46. Grafite), Diego, Mandzukic, Dzeko

1899 HOFFENHEIM Haas, Beck, Jaissle (79. Simunic), Compper, Ibertsberger, Rudy, Gustavo (65. Ba), Vukcevic, Salihovic, Ibisevic (90. Mlapa), Sigurdsson

ZUSCHAUER 24.512

TORE 0:1 Luiz Gustavo (34.) 0:2 Sigurdsson (40.) 1:2 Diego (75.) 2:2 Dzeko (90.+1)

SCHIEDSRICHTER Knut Kircher (Rottenburg)

Gelbe KarteN Madlung, Mandzukic Salihovic

64 SAISONCHRONIK 2010/11


Die Nachspielzeit entwickelte sich zum Trauma – immer wieder verdarben späte Tore die guten Leistungen

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DFB-POKAL 3. HAUPTRUNDE | Borussia Mönchengladbach

21. DEZEMBER 2010

1899 Hoffenheim – Bor. Mönchengladbach 2:0 Kurz vor Weihnachten gab es noch ein Pokalspiel gegen Gladbach zu bestehen, dann konnte man in die verdiente Winterpause gehen und ruhige Tage genießen – zu denen es aber nicht kam, weil sich erhebliches Konfliktpotenzial aufzubauen begann… Für das Publikum war von der entstehenden Unruhe einstweilen nur das Tauziehen um Luiz Gustavo ersichtlich. Während Ralf Rangnick den Wechsel seines besten Spielers schon im Winter kategorisch ausschloss, hielt Mäzen Dietmar Hopp das für prinzipiell nicht ausgeschlossen – falls adäquater Ersatz zu beschaffen wäre. Trotz seiner Verletzung vom letzten Spieltag stand Luiz Gustavo indes in diesem wichtigen Pokalspiel auf dem Platz, das Publikum sah ihn, ohne zu ahnen, was alles noch geschehen würde, zum letzten Mal in den Hoffenheimer Farben. Und auch Demba Ba durfte auflaufen, trotz einer Schleimbeutelentzündung im Knie.

Letztes Spiel von Luiz Gustavo im Trikot der TSG

Während in anderen Stadien wegen des heftigen Winterwetters zwei Pokalspiele abgesagt werden mussten, sah der Rasen der vorweihnachtlich nicht ausverkauften Rhein-Neckar-Arena richtig gut aus – die Pfleger hatten ganze Arbeit geleistet. 1899 Hoffenheim nahm vom Anstoß weg wie gewohnt Tempo auf und hatte 30 Minuten lang klare Feldvorteile, ohne die stark verteidigenden Gladbacher in ernste Gefahr bringen zu können. Die Zuschauer erlebten einen gebremsten Pokalfight, bei dem beide Seiten das letzte Risiko scheuten. In der 26. Minute hielten sie kurz den Atem an, als Rudy in Hochgeschwin-

digkeit drei Gladbacher im Strafraum umspielte und von der Grundlinie aus einen flachen, parallelen Ball nach innen schickte – an dem Ba nur um Zentimeter vorbeirutschte. Sechs Minuten später wurde Ba 20 Meter vor dem Tor gefoult, es gab Freistoß. Sigurdsson, Meister seines Fachs auf der linken Seite, legte sich den Ball zurecht. Über die Mauer hinweg zog die Kugel in ballistischer Eigenart, wie es in dieser Saison mit dem neuen WM-Ball immer wieder vorkam, zweimal leicht die Richtung ändernd aufs Tor zu, wo Keeper Heimeroth in undankbarer Irritation einen Schritt genau dann nach links tat, als der Ball gerade nach rechts wegflatterte und deshalb knapp an ihm vorbei über die Torlinie flog. Vom 1:0 beflügelt, startete Hoffe jetzt einige aussichtsreichere Angriffe und erarbeitete sich einen weiteren Freistoß von Sigurdsson, der sein Ziel nur knapp verfehlte: worauf es zu einem brandgefährlichen Getümmel vor Heimeroths Tor kam, was am Pausenstand aber auch nichts änderte. Danach, soviel war klar, mussten die Fohlen kommen und mehr Risiken eingehen, wenn sie in diesem Pokalspiel noch etwas erreichen woll-

66 SAISONCHRONIK 2010/11


1899 HOFFENHEIM Haas, Beck, Vorsah, Compper, Ibertsberger, Rudy, Gustavo (90.+1 Jaissle), Vukcevic, Sigurdsson (89. Thomalla), Salihovic, Ba (80. Mlapa)

BORUSSIA MÖNCHENGLADBACH Heimeroth, Levels, Callsen-Bracker, Daems, Wissing, Neustädter, Bradley, Marx (46. Herrmann), Reus (89. Bäcker), Arango (67. Matmour), de Camargo

ZUSCHAUER 23.500

TORE 1:0 Sigurdsson (35.) 2:0 Ba (63.)

SCHIEDSRICHTER Felix Brych (München)

Gelbe KarteN Sigurdsson, Rudy, Vorsah

ten. Mit einer offensiven Doppeleinwechslung unterstrich Trainer Frontzeck, dass er nicht wehrlos in die Weihnachtsferien gehen wollte – und tatsächlich kam Gladbach nun besser ins Spiel. Eine Riesenchance musste die Mannschaft vom Niederrhein noch überstehen, als Vukcevic am Strafraum frei zum Schuss kam und Heimeroth nur abklatschen konnte, ohne dass Ba den Ball danach an ihm vorbei brachte. Dann aber brach Gladbachs Viertelstunde an, in der man sehen konnte, dass in der so erfolglosen Mannschaft einiges Potential steckte. Aber wie so oft reichte es nicht zu zählbarem Erfolg, im Gegenteil. Als Hoffenheim in der 63. Minute sich endlich wieder zu eigenem Handeln durchrang, schlenzte Salihovic einen Eckball genau in die Mitte, genau auf Bas Kopf. Drei Gladbacher bemühten sich vergeblich um Ballbesitz, so dass Ba aus wenigen Metern nahezu unbedrängt einköpfen konnte. Danach behielt Gladbach den eingeschlagenen offensiven Weg bei, konnte sich aber zu keinem Zeitpunkt mehr wirklich torgefährlich bemerkbar machen. Hoffenheim spielte die Partie infolgedessen souverän herunter und wechselte kurz vor Ende noch Thomalla für Sigurdsson und dann Jaissle für Gustavo ein. Das DFB Viertelfinale war erreicht! Mancher im Stadion fragte sich, ob dies der letzte Gang von Luiz Gustavo im blauen Trikot war – und noch einmal mehr, als nach dem Abpfiff Gustavo zu den Fans auf den Zaun kletterte und „gib mir ein H…“ ins Mikrofon rief. Noch war nichts entschieden… Q

Weihnachtsgeschenk für die Fans: Sieg im Pokal gegen Gladbach

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18. SPIELTAG | Werder Bremen

15. JANUAR 2011

Werder Bremen – 1899 Hoffenheim 2:1 Nach einer äußerst kurzen Winterpause, die für 1899 Hoffenheim aufgrund der täglich wechselnden, immer dramatischeren Nachrichtenlage mindestens gefühlte zwei Monate zu dauern schien, wurde endlich wieder Fußball gespielt. Aber in wievielfach veränderter Besetzung! Nicht nur war Luiz Gustavo tatsächlich zu den Bayern gewechselt, nachdem man in München einen extrem hohen Preis bezahlt und als Dreingabe den hochtalentierten David Alaba in den Kraichgau geschickt hatte. Ausschlaggebend für den Wechsel war letztlich, dass Luiz Gustavo, vorbildlicher Profi mit erheblichen Verdiensten um 1899, flehentlich darum gebeten hatte, diese Riesen-Chance in seiner jungen Karriere nicht verbaut zu bekommen. Und Dietmar Hopp verwies mit Grund immer wieder darauf, dass der enorme Transfererlös zur Einhaltung der zukünftig geltenden Regeln im europäischen Fußball mehr als notwendig werden könnte. 68 SAISONCHRONIK 2010/11


Kein Einstand nach Maß: Hoffenheim verlor sein erstes Spiel unter Marco Pezzaiuoli

Im Zuge all dessen kam es allerdings zu diversen atmosphärischen Störungen, weil sich Ralf Rangnick, sehr zu unrecht, übergangen fühlte und mehr als gereizt reagierte – so dass man in Hoffenheim beschloss, sich in gegenseitigem Einverständnis von ihm zu trennen und Marco Pezzaiuoli, bislang Assistenztrainer, zum Nachfolger zu berufen. Als wäre das nicht schon Veränderung genug, blieb nach den kurzen, bewegten Ferien Demba Ba dem Trainingslager in La Manga fern, er wollte damit einen Wechsel nach England erzwingen. Weil er Ähnliches schon einmal versucht hatte, erregte sein vertragswidriges Handeln viel Unmut im Kraichgau.

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18. SPIELTAG | Werder Bremen

Isaac Vorsah: nach unberechtigter roter Karte in Stuttgart wieder dabei

Die Frage in Bremen war nun, wie die Mannschaft die vielen Unruhemomente wegstecken würde. Mit Luiz Gustavo fehlte immerhin der beste Spieler der Saison, mit Demba Ba der beste Angreifer – und wegen seiner fünften gelben Karte fehlte ausgerechnet auch noch Salihovic und aufgrund einer Grippe Sigurdsson. Wie sich bald nach dem Anpfiff jedoch herausstellte, agierte die Mannschaft von alldem ziemlich unbeeindruckt und hatte offenbar wenig oder gar keinen Schaden genommen. Da auch Alaba mit von der Partie war, konnten die Zuschauer gleich so etwas wie das neue Hoffe-Gesicht in Augenschein nehmen, wobei klar war, dass für den abtrünnigen Ba noch ein neuer, hochkarätiger Stürmer verpflichtet werden musste. Einstweilen spielten vorne Ibisevic, Mlapa und Vukcevic, in der Mitte Weis, Rudy, Alaba und hinten Beck, Vorsah, Compper und Ibertsberger, während im Tor der wiedergenesene Tom Starke den Vorzug vor Haas erhalten hatte. Eine gute halbe Stunde lang spielte 1899 Hoffenheim mindestens auf Augenhöhe mit. Starkes

70 SAISONCHRONIK 2010/11

Spiel gegen den Ball ließ die Bremer Bemühungen, auf eigenem Platz das Spiel zu machen, ins Leere laufen, eigene Angriffe verbreiteten einige Gefahr. Dabei hatte Ibisevic in der 28. Minute nach einem Eckball die bislang größte Chance, doch sein etwas überhasteter Drehschuss konnte abgewehrt werden. In der 36. Minute machte Pizarro es auf der anderen Seite leider besser, indem er Ibertsberger umkurvte und Starke aus 12 Metern keine Chance ließ. Die Führung, zugleich Pausenstand, war trotz zweier Latten- bzw. Pfostentreffer etwas schmeichelhaft für die Bremer: Hoffenheim hielt durchweg gut mit und hätte selber in Führung gehen können. Nach der Pause musste Hoffe allerdings auch noch auf Ibertsberger verzichten, der muskuläre Probleme hatte. Für ihn kam Jaissle, der in der Winterpause um ein Haar zum HSV gewechselt wäre und schließlich doch mit frohem Herzen in Hoffenheim einen neuen Vertrag unterzeichnet hatte. Beck und Jaissle tauschten aber die Seiten: nochmals eine Veränderung im mannschaftlichen Gefüge.


WERDER BREMEN Wiese, Fritz, Mertesacker, Prödl, Silvestre, Frings, Bargfrede, Kroos (77. Pasanen), Hunt (90.+1 Avdic), Arnautovic (88. Marin), Pizarro

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Ibertsberger (46. Jaissle), Rudy, Weis (79. Tagoe), Alaba, Vukcevic, Ibisevic (88. Simunic), Mlapa

ZUSCHAUER 34.274

TORE 1:0 Pizarro (36.) 1:1 Vukcevic (87.) 2:1 Frings (90.+2)

SCHIEDSRICHTER Felix Zwayer (Berlin)

Gelbe KarteN Hunt, Prödl, Arnautovic Mlapa, Jaissle

Doch wer dachte, dass Hoffenheim nach so vielen Änderungen den Faden verlieren müsste, sah sich getäuscht. Längere Zeit behielt Bremen die Oberhand in dieser zweiten Halbzeit und kam durch Arnautovic sogar fast zum 2:0, aber Starke hielt mit einem großartigen Reflex. Nach einer Weile sammelte Hoffenheim seine Kräfte zu neuem Angriffsgeist und wurde immer gefährlicher. Es dauerte allerdings bis zur 87. Minute, bis Zählbares daraus wurde. Dann schlug Compper einen langen Bogenball über die gesamte Bremer Abwehr, den sich Vukcevic angelte und ins Tor beförderte. Über die Bremer Zuschauer, die in dieser Saison ohnedies wenig Anlass zur Freude hatten, senkte sich eisige Schockstarre.

einer Ballberührung ein Foul erkannt haben wollte, kam es in der Nachspielzeit zu einem Freistoß aus etwa 25 Metern. Alle erwarteten nun eine Freistoßflanke auf die hoch aufgeschossenen Bremer Mannen. Frings verlangte indessen lautstark den Ball, bekam ihn von Marin auch aufgelegt und hämmerte ihn an Freund und Feind vorbei ins Tor… Q

Vukcevic erzielt in der 87. Minute den Ausgleich – in der Nachspielzeit trifft Frings zum Bremer Sieg

Und auch die Bremer Spieler haderten sichtbar mit ihrem Los, wie gelähmt gingen sie die wenigen Minuten bis zum Schlusspfiff an. Doch einer steckte nicht auf, der in der Nationalmannschaft ausgebootet war, für Bremen aber den großen Unterschied machte: Thorsten Frings. Infolge einer fragwürdigen Schiedsrichterleistung, die beim kurz zuvor eingewechselten Simunic statt

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19. SPIELTAG | FC St. Pauli

23. JANUAR 2011

1899 Hoffenheim – St. Pauli 2:2 Kurzfristig sah es so aus, als würde Demba Ba zu Stoke City gehen können, aber dann bestand er den Medizin-Check nicht. Umgekehrt sicherte sich Hoffenheim die Dienste des hoch talentierten, jungen Kevin Volland von 1860 München, beließ ihn jedoch für die nächsten ein, zwei Jahre noch bei seinem Münchener Heimatverein. Außerdem streckte Hoffenheim die Fühler nach Ryan Babel aus, um Demba Ba zu ersetzen. Noch war allerdings ungewiss, ob der flügelstarke Stürmer von Liverpool wirklich weg oder sogar noch lieber nach Amsterdam wechseln wollte. In der ersten Halbzeit schlug St. Pauli den vermeintlich sicheren Weg ein und spielte mehr oder weniger defensiv. Für Hoffenheim erhöhten sich dadurch die Chancen, das eigene Spielsystem aufzuziehen, das unter Pezzaiuoli weniger stürmisch angelegt schien und mehr aus Ballbesitz und Ballkontrolle heraus funktionieren sollte. Außerdem hatte Ibisevic vor dem Spiel die Parole ausgegeben: „Jetzt müssen wir mal klar gewinnen, damit das Theater aufhört!“ Mit dem zurückgekehrten Salihovic ließ sich das Vorhaben zunächst auch gut an. Fast 70% Ballbesitz bis zur 20. Minute dokumentierten klare Hoffenheimer Überlegenheit. Leider sprangen nur keine ebenso klaren Torchancen dabei heraus. Doch wurden in dieser Saison die meisten Tore ohnehin nach Standardsituationen erzielt. Nicht anders am heutigen 19. Spieltag: Rudy zirkelte einen Freistoß in der 28. Minute aus 25 Metern von halblinks hoch vors Tor, wo etliche Paulianer unter dem Ball durch sprangen, so dass Compper nahe am zweiten Pfosten nur noch den Fuß hinzuhalten brauchte. Pauli sah ein, dass mit reiner Defensive an diesem Tag wenig zu gewinnen sein würde, und reagierte umgehend mit gesteigerter Offensive. Nur dass die vehementen, noch nicht koordinierten Vorstöße keine Gefahr brachten, so dass

72 SAISONCHRONIK 2010/11

Hoffenheim die Partie schon nach 10 Minuten wieder fest im Griff hatte. Immer noch ergaben sich aus deutlicher Feldüberlegenheit aber keine gefährlichen Situationen in Strafraumnähe. Nach der Pause musste St. Pauli endgültig mehr nach vorn tun, wenn es hier noch etwas richten wollte. Im stürmischen Versuch, Hoffenheim unter Druck zu setzen, handelten sich die Hanseaten jedoch kurz nach dem Wiederanpfiff zunächst fast ein Eigentor ein. Drei Minuten später, in der 50. Minute, gelang ihnen dann schon der Ausgleich: nach einem langen Pass von Boll auf Asamoah, der von Vorsah behindert wurde, worauf der Ball ungeplant zu Max Kruse gelangte, der aus 18 Metern vollendete. Die Einseitigkeit der Partie in der ersten Halbzeit war damit aufgehoben, von jetzt an ging es munter hin und her. Hoffenheim wollte natürlich wieder in Führung gehen, während die Paulianer spürten, dass an diesem Tag etwas gegen den aktuellen Relegationsplatz zu unternehmen wäre. In der Folge sank der Ballbesitz-Quotient auf nur noch 54 % für Hoffenheim. Um mehr Druck zu erzeugen, wechselte Pezzaiuoli in der 67. Minute Sigurdsson für Rudy ein, worauf St. Pauli sich wieder nur noch aufs Kontern verlegte. In der 75. Minute, als Hoffenheim erneut


einen Angriff startete, kam Pauli aussichtsreicher als zuvor an den Ball. Lehmann gab steil auf Takyi weiter, dessen fulminanter Schuss zum Glück nur an die Latte krachte – ein Warnschuss! Kurz darauf wechselte Hoffe Mlapa für Weis ein, was noch mehr Offensive bedeutete, sich jedoch alsbald rächen sollte. Denn durchs geschwächte Mittelfeld fand Pauli leichter den Weg nach vorn, wo in der 81. Minute eine Flanke von rechts genau auf Asamoahs Fuß landete. Aus 10 Metern hämmerte er den Ball ins Tor. 1899 war geschockt; wieder so ein später Treffer, wieder in Rückstand geraten. So oft war das in dieser Saison schon geschehen, dass man darüber den Glauben an sich selbst zu verlieren drohte. Und auch einige Zuschauer verließen bereits die fast ausverkaufte Rhein-Neckar-Arena. Doch im Leben wie im Fußball kommt es oft anders, als man denkt. Und so zog in der 89. Minute Alaba, der die drohende Niederlage nicht zu akzeptieren schien, einfach aus 20 Metern ab. Der Schuss wurde leicht abgefälscht, Torwart Kessler hatte keine Chance. Wieder war ein Spiel im letzten Moment gekippt. Aber diesmal hatte Hoffenheim den entscheidenden Treffer gesetzt! Q

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Ibertsberger, Rudy (68. Sigurdsson), Weis (79. Mlapa), Salihovic, Vukcevic (90. Thomalla), Alaba, Ibisevic

FC ST. PAULI Kessler, Thorandt, Zambrano, Gunesch, Oczipka, Boll, Lehmann, Kruse (77. Naki), Takyi (87. Sukuta-Pasu), Bartels, Asamoah (84. Hennings)

ZUSCHAUER 29.300

TORE 1:0 Compper (29.) 1:1 Kruse (51.) 1:2 Asamoah (82.) 2:2 Alaba (90.)

SCHIEDSRICHTER Christian Dingert (Lebecksmühle)

Gelbe KarteN Salihovic Thorandt

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DFB-POKAL VIERTELFINALE | Energie Cottbus

26. JANUAR 2011

Energie Cottbus – 1899 Hoffenheim 1:0 Und wieder war im Pokal-Viertelfinale Schluss, wie schon so oft! Diesmal gegen einen vermeintlich viel schwächeren Gegner, den Zweitligisten aus der Oberlausitz, gegen den sich Hoffenheim in der Vergangenheit nie schwer getan hatte. Doch hatte 1899 nicht nur Cottbus, sondern auch sich selbst zum Gegner. Zu viele Erschütterungen in der jüngeren Vergangenheit mussten eben irgendwann auch sportlich Spuren hinterlassen. Dabei hatte es vor der Partie noch so gut ausgesehen. Endlich war Ersatz für Demba Ba eingetroffen, den es nun doch zu West Ham United verschlagen hatte. Die Tinte unter dem Vertrag des neuen Stürmerstars Ryan Babel aus Liverpool war noch nicht ganz trocken, da lief er schon im Hoffe-Trikot in Cottbus auf – auch weil Ibisevic rotgesperrt war. Der Transfer seines holländischen Landsmanns Edson Braafheid vom FC Bayern, weiterer Neuzugang kurz vor Ende der Transferperiode, war dagegen noch nicht abgeschlossen. Im Grunde hätte Hoffenheim gewarnt sein müssen. Mit Freiburg und Wolfsburg hatte Energie Cottbus schon zwei Erstligisten ausgeschaltet, und bei Heimspielen konnte das Publikum wie ein zwölfter Mann hinter dem kampfstarken Zweitligisten stehen. Außerdem waren der Zustand des Rasens und das Wetter schlecht – zwei weitere Gründe, eine spielfreudige Mannschaft wie Hoffe an der Entfaltung der eigenen Möglichkeiten zu hindern. Von Beginn an ließen die Oberlausitzer denn auch keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie auf die kuriosen Gesetze des Pokals vertrauten und ihre Chance nutzen wollten. Schon in der 5. und 7. Spielminute erkämpften sie sich aussichtsreiche Chancen, während Hoffenheim vergeblich versuchte, Ordnung ins technisch aufwendigere Spiel zu bringen. Erst in der 17. Minute gelang es Babel, einen Schuss einen knappen halben Meter neben das Cottbuser Tor zu setzen. An-

74 SAISONCHRONIK 2010/11

sonsten verfing leider nur wenig, besonders im Spielaufbau tat sich Hoffenheim schwer. Meist dauerte es nur wenige Sekunden, dann hatte Cottbus sich den Ball schon zurückerobert. Und so kam es zwischen der 20. und 30. Minute wiederholt zu guten, teils wirklich gefährlichen Cottbuser Spielzügen. In der 34. Minute prüfte allerdings Babel aus 30 Metern Entfernung endlich auch den gegnerischen Torhüter, der für manche zugleich ein guter alter Bekannter war: Thorsten Kirschbaum, ehemals in Diensten von 1899 Hoffenheim. Doch Kirschbaum hatte keine Mühe, den abgefälschten, darum entschärften Schuss zu parieren. Danach fand Hoffe besser ins kampfbetonte Spiel, musste aber kurz vor Ende der ersten Halbzeit noch zwei hochkarätige Chancen der Gastgeber überstehen, während Vukcevic die einzige echte Torchance für die Kraichgauer vergab. Nach der Pause und entsprechender Kabinenansprache zeigte sich Hoffenheim besser auf die unangenehmen Bedingungen eingestellt. Die Gäste nahmen das Cottbuser Kampfspiel auf tiefem Boden jetzt an – und hielten immer besser dagegen. Einmal kam deshalb Babel zu einer großen Chance (50.), einmal Weis (56.), dann Alaba (62.) und Ibertsberger (68.). Das Problem bei den zunehmenden Spielanteilen und Großchancen war nur, dass Hoffenheim damit dem Gegner notgedrungen mehr Platz einräumte – so dass auch Cottbus wiederholt gefährlich vor


Starkes Tor auftauchte. Insgesamt jedoch war 1899 in der zweiten Halbzeit die bessere Mannschaft. Um die 80. Minute herum wurde aus dem unangenehmen, kalten Regen, in dem die Partie bislang stattfand, auch noch Schnee. Cottbus war sichtbar am Ende der Kräfte angelangt, mobilisierte aber unter dem Eindruck des noch lange nicht müden Publikums die letzten Reserven – und markierte in der 84. Minute den Führungstreffer. Reimerink war gegen den Widerstand von drei Hoffenheimern in den Strafraum gelangt und hatte Shao bedient, der ungefähr am Elfmeterpunkt völlig freistand und den Ball mühelos ins Tor beförderte. Direkt danach vergab Sigurdsson eine Riesenchance zum Ausgleich; aus vier Metern brachte er den Ball nicht im Tor unter, weil Kirschbaum in einem grandiosen Reflex die Hände noch an den Ball brachte. In den letzten Minuten schlug Cottbus die Bälle nur noch so weit wie möglich weg und rettete sich ins Halbfinale! Q

ENERGIE COTTBUS

Pokalschreck Cottbus warf bei widrigem Wetter auch die TSG aus dem Pokal

Kirschbaum, Bittroff, Hünemeier, Brzenska, Ziebig, Roger, Kruska, Adlung (66. Shao), Reimerink (89. Kurth), Petersen (88. Sörensen), Jula

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Ibertsberger, Rudy, Weis (88. Salihovic), Alaba, Vukcevic (88. Mlapa), Sigurdsson, Babel

ZUSCHAUER 60.402

TORE 1:0 Shao (84.)

SCHIEDSRICHTER Günter Perl (Pullach)

Gelbe KarteN Adlung Rudy

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20. SPIELTAG | FC Schalke 04

29. JANUAR 2011

FC Schalke 04 – 1899 Hoffenheim 0:1 Schalke hatte, anders als Hoffenheim, wenige Tage zuvor das Pokalhalbfinale erreicht, so dass die Voraussetzungen für die Gastgeber, was das Selbstvertrauen anbelangte, viel besser waren als für die Gäste. Doch gerade nach siegreichen Spielen knickten die Schalker in dieser Krisensaison häufig ein – so auch diesmal. Die groß angekündigte Rückrunden-Aufholjagd von Schalke erhielt damit einen kräftigen Dämpfer.

76 SAISONCHRONIK 2010/11


Felix Magath hatte vor dem Spiel gesagt, dass die 120 Minuten, die von Schalke zum Erreichen des Halbfinales aufgewandt werden mussten, seinen Spielern keinesfalls in den Knochen stecken würden. Und das großartige Heimpublikum würde die Gäste aus dem Kraichgau sicher tief beeindrucken. Das Kalkül ging jedoch gründlich fehl: Hoffenheim brauchte exakt vier Minuten, um den Endstand herzustellen. Vorsah, im Luftraum von Gegenspielern kaum aufzuhalten, köpfte einen grandiosen Eckball von Salihovic aus dem Fünfmeterraum ins Tor.

Die Gastgeber hatten zwar ohne Rakitic auskommen müssen, der kurz zuvor nach Sevilla gewechselt war, aber Hoffenheim hatte in der Winterpause noch viel mehr Veränderungen zu überstehen; das Fehlen von Rakitic konnte den Ausschlag also nicht gegeben haben, zumal Schalke im Sturm über Weltklassespieler wie Raul und Huntelaar verfügte, auch wenn letzterer vor dem Anpfiff schon 644 Minuten kein Tor mehr erzielt hatte.

Seit der Rückrunde dabei: Stürmerstar Ryan Babel, diesmal als Hoffenheimer Oranje

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20. SPIELTAG | FC Schalke 04

Keine Chance gegen Vorsah und darum schon zur Halbzeit ausgewechselt: der Niederländer Huntelaar

FC SCHALKE 04 Neuer, Höwedes, Papadopoulos, Metzelder, Pander, Moritz (62. Edu), Kluge, Farfan, Deac (46. Draxler), Raul, Huntelaar (46. Gavranovic)

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Ibertsberger, Alaba, Rudy (74. Weis), Salihovic, Vukcevic, Ibisevic (84. Sigurdsson), Babel (90.+1 Jaissle)

ZUSCHAUER 60.569

TORE 0:1 Vorsah (4.)

SCHIEDSRICHTER Deniz Aytekin (Oberasbach)

Gelbe KarteN Moritz, Höwedes Babel

78 SAISONCHRONIK 2010/11

In der 7. Minute hätte Huntelaar seine Schießhemmung leicht überwinden können, wäre sein Gegenüber nicht Tom Starke gewesen. Allein vor Hoffenheims Keeper gelang es ihm nicht, am aufmerksamen Starke vorbeizudribbeln. Im unmittelbaren Gegenzug scheiterte Babel dafür an Torhüter Neuer. Es war die erste Begegnung in einem spannenden Duell dieser beiden, das über die gesamte Partie fortdauern sollte. Schalke mühte sich redlich, den frühen Rückstand wettzumachen. Aber Hoffenheim spielte sein neues System à la Pezzaiuoli im Oranje-Dress clever herunter, ließ den Ball in den eigenen Reihen rotieren, band sogar Torhüter Starke ein und agierte gegen die offen stehenden Schalker durchweg souverän. Nur beim Abschluss haperte es, zum Beispiel in der 30. Minute, als Schalke einen Freistoß in Hoffenheims Zwei-Mann-Mauer gesetzt hatte und der schnelle Konter wieder mal bei Neuer endete. Babel und Ibisevic waren nach vorn gestürmt: Babel lief mit dem Ball halbrechts auf Neuer zu und entschied sich, obwohl Ibisevic links von ihm in der Mitte völlig frei war, selber zu schießen. Sein kurzes Zögern nutzte Neuer aus, um erfolgreich dazwischen zu gehen. In der 40. Minute schob Salihovic nach wunderschönen Kombinationen den Ball knapp am langen Pfosten vorbei: Hoffenheim hätte also längst höher führen können. Der Halbzeitpfiff mündete


darum in ein heftiges Schalker Pfeifkonzert. Wenn überhaupt, oblag es mithin den Gastgebern, vom Schalker Publikum nachhaltig beeindruckt zu sein. Nach der Pause ging jedoch alles so weiter, wie man es von der ersten Halbzeit kannte: Ibisevic konnte nur Sekunden nach Wiederanpfiff im Strafraum Salihovic in Szene setzen, der den Ball aber nicht richtig traf! Und in der 49. Minute wurde Babel von Höwedes in höchster Not gestoppt. In der 59. Minute wiederum legte Babel einen bestaunenswerten Sololauf um zwei Gegenspieler herum auf den Rasen, spielte diesmal auch aufmerksam ab in die Mitte – wo sich aber Vukcevic und Ibisevic uneins waren und diese Riesenchance ausließen… In der 75. Minute kam Weis für Rudy, der ein großes Spiel gemacht hatte. In der 83. ging Ibisevic vom Platz, für ihn lief Sigurdsson auf. Und in der 90. wurde Jaissle für Babel eingewechselt,

was nur noch dem Zeitgewinn diente: immer noch war Schalke nicht wirklich gefährlich vors Hoffenheimer Tor gekommen, immer noch stand es seit der 4. Minute 0:1, und alle Hoffenheimer wollten diesen ersten Sieg unter Pezzaiuoli in trockenen Tüchern sehen. Was, bei inzwischen schon stark geleertem Stadion, verdienterweise auch gelang. Nach dem Spiel sagte Marco Pezzaiuoli: „Ich bin mit meiner Mannschaft sehr zufrieden. Wir haben es geschafft, über 90 Minuten zu null zu spielen. Wir haben sehr kompakt gestanden, unser Kombinationsspiel war sehr gut – trotz des schweren Untergrunds. Wir hätten den Sack aber schon in der ersten Halbzeit zumachen müssen.“ Felix Magaths Analyse fiel kürzer, aber nicht weniger prägnant aus: „Hoffenheim hat nichts zugelassen und wir haben nichts versucht. Es war eine enttäuschende Leistung.“ Q

Bis zum Ende der Saison Nachfolger von Ralf Rangnick: Marco Pezzaiuoli

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21. SPIELTAG | 1. FC Kaiserslautern

5. FEBRUAR 2011

1899 Hoffenheim – 1. FC Kaiserslautern 3:2 Wie immer waren die letzten Tage im Januar von hektischer Betriebsamkeit in Sachen Transfers geprägt. Als letzte Bewegung vermeldete Hoffenheim, nachdem schon Christian Eichner Richtung Köln abgewandert war, den Weggang von Prince Tagoe, den es zu Partizan Belgrad zog. Zu guter Letzt unterzeichnete auch noch Marco Pezzaiuoli seinen Cheftrainervertrag mit Hoffenheim. Damit schien nun alles gerichtet, und seit dem Sieg gegen Schalke rückten auch die Europa-Plätze wieder in den Fokus – wenn auch nicht aufseiten des Trainers. Zu oft hatte sich Hoffe zu ehrgeizig nach oben hin orientiert und jedesmal weiter unten eingefunden. Diesmal sollten erst die Punkte eingefahren werden, die gegen einen Abstiegsplatz absichern würden. Für den grippegeschwächten Vukcevic stand diesmal Sigurdsson in der Anfangsformation. Hoffe begann druckvoll, ließ sich aber von den roten Teufeln innerhalb weniger Minuten zurückdrängen und fand bald kein Mittel mehr, den eigenen Spielaufbau voranzutreiben. Was gegen Schalke noch so gut funktioniert hatte, wirkte nun kreativ- und ideenlos: gegen die aggressiv Pressing spielenden Lauterer verfing langes Ballhalten in den eigenen Reihen nicht, und selten erreichten die langen Bälle nach vorn ihr Ziel. So kam es, dass Kaiserslautern das Mittelfeld beherrschte und in den ersten 25 Minuten die spielbestimmende Mannschaft war. In der 27. Minute gelang Hoffenheim aber doch ein erfolgversprechender Konter im eigenen Stadion. Zu viert war man gegen zwei Lauterer Richtung Tor gestartet, dann spielte Rudy den Ball nach links, wo Salihovic abzog und Torhüter Sippel zu einer Abwehr zur Seite hin zwang. Den herrenlosen Ball nahm Sigurdsson auf und schob ihn in die Maschen. Damit überholte er – es war sein siebtes Saisontor – Demba Ba, der bis dahin immer noch als bester Saisonschütze von Hoffenheim firmiert hatte.

80 SAISONCHRONIK 2010/11

Kaiserslautern drängte daraufhin noch mehr nach vorn und riskierte weitere Konter, ohne dass viel dabei heraussprang. Als Lautern nach etwa zehn Minuten wieder ruhiger agierte, stieß Hoffe sofort in die Lücke, bis in der 39. Minute Rudy einen langen Flankenball in die Mitte schlug. Der Ball segelte über Freund und Feind hinweg, wurde eventuell von Ibisevic noch hauchdünn berührt, änderte aber seine Flugbahn wenig bis gar nicht, was Sippel im Tor sichtbar irritierte, der mit Ibisevics Intervention gerechnet hatte, und landete zum 2:0 im Netz! Danach war die Verunsicherung in der gesamten Lauterer Hintermannschaft mit Händen zu greifen. Ein bisschen Glück war dabei, dass es zur Pause kein weiteres Tor für Hoffenheim gab, bspw. durch Babel in der 42. Minute. Und so wechselte Trainer Kurz zur zweiten Halbzeit Hoffer ein, der in der Hinrunde zweimal gegen Hoffe getroffen hatte. Zunächst mussten die Lauterer aber noch zusehen, wie Ibisevic in der 52. Minute eine Riesenchance vergab: aus fünf Metern brachte er einen Kopfball nicht an Sippel vorbei. In der 57. konterte Lautern mit Lakic, der aus knapp 20 Metern den Pfosten traf.


knapp übers Tor schossen. Aber das war es dann auch. 1899 Hoffenheim holte den zweiten Sieg hintereinander, und die Spieler schauten nun noch hoffnungsvoller nach oben – Richtung Europa! Q

Wer zuletzt lacht, lacht am besten: 3:2 gegen Kaiserslautern

1899 HOFFENHEIM Den abprallenden Ball verwertete – natürlich – Hoffer. Und nur zwei Minuten später erzielte Lautern den Ausgleich, indem Starke einen Ball wegzufausten versuchte und Rodnei den Kopf hinhielt. Aber noch einmal zwei Minuten später jubelten wieder die Hoffenheimer – Salihovic und Ibisevic gaben sich die Ehre: Salihovic mit feinem Assist, Ibisevic als Vollstrecker aus 10 Metern Entfernung! Nach diesen furiosen sechs Minuten kehrte erst einmal wieder Ruhe auf dem Rasen ein. Beide Mannschaften versuchten noch ihr Glück, fanden aber kein Rezept, den Gegner zu überwinden, obwohl Hoffenheim im Mittelfeld immer wieder bedenklich wackelte. In der 73. Minute kam darum Braafheid statt Ibisevic zu seinem Debüt und verstärkte mit seiner Übersicht das Hoffenheimer Mittelfeld sehr – allerdings nur sechs Minuten lang, dann war Braafheids Einsatz beendet. Tiffert hatte ihm im Zweikampf ganz und gar nicht fair zugesetzt, im Liegen trat Braafheid leicht nach: Rote Karte. Tiffert sah nur Gelb, hätte aber ebenfalls Rot sehen müssen. In der Folge kämpften 10 Kraichgauer aufopferungsvoll gegen 11 Pfälzer, die mit Lakic auch noch einen Pfostentreffer zu verzeichnen hatten und einmal

Starke, Beck, Vorsah, Compper, Ibertsberger, Alaba, Rudy, Salihovic, Sigurdsson (83. Vukcevic), Ibisevic (73. Braafheid), Babel (90.+2 Jaissle)

1. FC KAISERSLAUTERN Sippel, Dick (46. Hoffer), Abel, Rodnei, Jessen, Tiffert, Petsos (83. Nemec), Kirch (27. Hlousek), Moravek, Ilicevic, Lakic

ZUSCHAUER 30.150 (ausverkauft)

TORE 1:0 Sigurdsson (28.) 2:0 Rudy (40.) 2:1 Hoffer (58.) 2:2 Rodnei (59.) 3:2 Ibisevic (62.)

SCHIEDSRICHTER Sippel (München)

Gelbe KarteN Babel Dick, Tiffert

Rote KARTEN Braafheid

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22. SPIELTAG | Bayern München

Keine Chance gegen Arjen Robben – zwei Tore gegen die TSG

82 SAISONCHRONIK 2010/11


12. FEBRUAR 2011

FC Bayern München – 1899 Hoffenheim 4:0 Edson Braafheid: sechs Minuten gegen die roten Teufel auf dem Platz, eine kleine Unbeherrschtheit samt Roter Karte – und unter der Woche verhängte der DFB eine Sperre von zwei Spielen. Das tat weh, zumal Braafheid im Spiel gegen seinen alten Verein Bayern München eine große Verstärkung gewesen wäre. So konzentrierte sich das allgemeine Interesse auf Luiz Gustavo und Alaba, die ja auch beide die Seiten gewechselt hatten und sofort zu Stammspielern geworden waren.

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22. SPIELTAG | Bayern München

FC BAYERN MÜNCHEN Kraft, Lahm, Timoschtschuk, Badstuber, Gustavo, Schweinsteiger, Pranjic, Robben (84. Hamit Altintop), Müller, Ribery, Gomez

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah (46. Simunic), Compper, Ibertsberger, Alaba, Rudy (20. Weis), Salihovic, Vukcevic (77. Sigurdsson), Ibisevic, Babel

ZUSCHAUER 69.000 (ausverkauft)

TORE Auch keine Chance gegen Bastian Schweinsteiger

Tom Starke ließ sich vor der Partie zu der Aussage hinreißen: „Bei den Bayern läuft es gerade richtig schlecht, die Stimmung ist mies, das müssen wir ausnutzen.“ Und selbst der zurückhaltende Pezzaiuoli ließ sich mit den Worten vernehmen: „Die Bayern sind angeknockt.“ Beide drückten nur aus, was jeder dachte – die Bayern spielten eine vergleichsweise schwache Saison und waren defensiv ziemlich anfällig. Klar, dass man aus Hoffenheimer Sicht nach zwei gewonnenen Spielen und der spektakulären Münchener Auswärtsniederlage in Köln eine Woche zuvor darauf hoffte, die Bayern endlich zu packen. Das Problem war nur, dass nach Ribéry inzwischen auch Robben wieder im Kader der Bayern stand – was nicht zuletzt für Gomez, der nun mit passgenauen Vorlagen von beiden Seiten rechnen konnte, von Vorteil war. Tatsächlich dauerte es gerade einmal zwei Minuten, bis die Falle zuschnappte: Müller spielte nach rechts auf Robben, der nach innen passte und Gomez fand. Und ehe sich Hoffe überhaupt ins Spiel eingefunden hatte, schob Gomez den Ball ins Tor und stand es 1:0 für die Bayern. Das war ein Schock erster Güte, neben dem sogar der Anblick des im Bayern-Trikot aufgelaufenen Gustavo verblasste. Hoffenheim erholte sich nur sehr langsam von diesem frühen Rückstand, unternahm darum wenige Schritte Richtung gegnerisches Tor – und bekam in der 15. Minute das nächste Tor eingeschenkt! Diesmal war Ribéry nach einem Stolperer von Vorsah links durchgebrochen, hatte abgezogen und den von Starke parierten Ball

84 SAISONCHRONIK 2010/11

1:0 Gomez (2.) 2:0 Müller (15.) 3:0 Robben (63.) 4:0 Robben (81.)

SCHIEDSRICHTER Peter Gagelmann (Bremen)

Gelbe KarteN Weis, Simunic, Beck, Salihovic

wieder vor die Füße bekommen. Diesmal schoss er aber nicht selbst, sondern legte zurück auf Müller, der problemlos einnetzen konnte. Das Hoffenheimer Problem lag sichtbar im Mittelfeld. Nahezu kein Zweikampf wurde gewonnen, etliche Bälle gingen hier verloren. Auch wenn es hart war: Pezzaiuoli musste reagieren, nahm darum Sebastian Rudy vom Platz und brachte Tobias Weis, dessen kämpferische Qualität jetzt gebraucht wurde. Wirklich stabilisierte sich das Hoffenheimer Spiel danach, ohne dass vorne allerdings viel an Durchschlagskraft gewonnen wurde. Bei einer der wenigen Gelegenheiten, die sich im Laufe der ersten Halbzeit doch ergaben, wurde Ibisevic ausgerechnet von Gustavo im Strafraum zu Fall gebracht. Schiedsrichter Gagelmann ließ weiterspielen, hätte aber auch gut auf den Elfmeterpunkt zeigen können. Es wäre eine Geschichte aus dem Lehrbuch der Fußball-Emotionen gewesen… Der hohe kämpferische Einsatz von Tobi Weis mündete fast folgerichtig in eine Gelbe Karte nach hartem Einsatz gegen Thomas Müller, was


das Mittelfeld zu noch mehr Vorsicht zwang. Beim anschließenden Freistoß in der 39. Minute durch Robben wäre fast der nächste Münchener Treffer gefallen, aber Starke hielt mit starkem Reflex Müllers Schuss. Bis zur Pause passierte nicht mehr viel, danach musste Vorsah, der angeschlagen ins Spiel gegangen war, für Simunic Platz machen. Weil die Bayern auch gegen Köln 2:0 vorne gelegen hatten, um zuletzt noch 3:2 zu verlieren, war eingangs der zweiten Halbzeit eine gewisse Unsicherheit seitens der Bayern zu spüren. Aber weil Hoffenheim an diesem kalten, grauen Tag einfach nicht ins Spiel fand, war es um diese marginale Chance bald geschehen – die Bayern übernahmen wieder das Kommando, Hoffe verteidigte mit allen Mitteln und handelte sich Gelbe Karten für Simunic und Beck ein. In der 63. Minute kam es dann zum großen Auftritt von Arjen Robben, der von rechts in die Mitte zog und mit einem Flachschuss ins Tor traf. Tom Starke, der manchen anderen Ball der Bayern entschärfen konnte, war machtlos. Danach tönte das für Hoffenheimer Ohren schrille „Tulpen aus Amsterdam“ durchs Rund der Allianz-Arena, anschließend sangen die Bay-

ern-Fans „Oh, wie ist das schön“ – 1899 Hoffenheim hatte einen durch und durch gebrauchten Tag erwischt. Daran vermochte auch Sigurdsson, der in der 77. Minute für Vukcevic kam, nichts mehr zu ändern. Im Gegenteil: Robben gab knapp vier Minuten später seinen zweiten Gala-Auftritt mit anschließender Tulpen-Melodie. Diesmal ließ er Ibertsberger stehen und schoss in geradezu stereotypischer Weise in hohem Bogen ins lange Eck – auch dabei gab es für Tom Starke nichts zu halten. Für die zahlreich angereisten Hoffe-Fans, die unermüdlich durchgehalten, ihre Mannschaft fortwährend angefeuert und vor dem Spiel sogar noch eine kleine Luftballon-Choreographie zum Besten gegeben hatten, war es ein schwerer Nachmittag, an dem 90 Minuten lang einfach gar nichts ging und auch nach drei Stunden vermutlich nichts zu gewinnen gewesen wäre. Ob man die Bayern ohne Robben hätte packen können, stand auf einem anderen Blatt und musste reine Spekulation bleiben. „Das war grottenschlecht“, zog Trainer Pezzaiuoli später darum ehrlich Bilanz. „Ob ohne Ball, ob individuell: Bayern war in allen Bereichen mindestens eine Klasse besser.“ Q

Und gegen Franck Ribéry war ebenfalls kein Kraut gewachsen

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23. SPIELTAG | 1. FC Köln

19. FEBRUAR 2011

1899 Hoffenheim – 1. FC Köln 1:1 Manuel Gulde fehlte der Mannschaft schon seit einigen Wochen, eine schmerzhafte Verletzung verhinderte seine Rückkehr in den Kader. Für Hoffenheim kein Grund, den Vertrag mit dem hochtalentierten Abwehrspieler nicht um zwei Jahre zu verlängern – was vor dem Spiel gegen Köln auch geschah. Isaac Vorsah dagegen hatte seine Blessur aus dem Bayernspiel überwunden und konnte auflaufen. Tobi Weis wiederum hatte sich in München ernsthaft verletzt und würde wochenlang fehlen.

86 SAISONCHRONIK 2010/11


Auf der Gegenseite lief ein Spieler auf, den alle Hoffenheimer kannten und mochten: Christian Eichner, der unter Ralf Rangnick nur selten aufgeboten worden war. In Köln hatte er nach eigenem Bekunden den Spaß am Fußball wiedergefunden und war sofort Stammspieler geworden. Dass die angereisten sog. Kölner Fans in unschöner Tradition heftige Schmährufe gegen Dietmar Hopp skandierten, dürfte ihm allerdings nicht gefallen haben – genauso wenig wie Kölns Trainer Frank Schaefer, der vor der Partie entsprechende, leider ungehörte Appelle an den Kölner Pöbel gerichtet hatte. Der 1. FC Köln lief sportlich mit denkbar breiter Brust in der Rhein-Neckar-Arena auf. Zwei schwere Spiele gegen München und Mainz waren gewonnen worden, die Lust am Spiel war unter Führung von Lukas Podolski wieder erwacht,

während 1899 Hoffenheim die herbe Niederlage gegen die Bayern noch in den Knochen steckte. Trotzdem legte Hoffe gewohnt schwungvoll los und setzte Köln unter Druck. In der 19. Minute wäre aus der zunehmenden Kölner Verwirrung beinahe ein Tor resultiert, als Rensing im Tor der Kölner einen unkonzentrierten Rückpass an Babels Bein schoss. Von dort trudelte der Ball Richtung Torlinie, doch Rensing bekam ihn gerade noch zu fassen.

Ungewohnt: Christian Eichner im Kölner Trikot (Foto linke Seite) Vertraut: Ibisevic auf dem Weg zum Tor (Foto oben)

Immer stärker wurde der Angriffsfußball der Hausherren, bis ca. ab der 30. Minute die Gäste aus Köln effektiver zu stören begannen. Kaum ein offensiver Hoffe-Pass fand nun noch sein Ziel, während Köln immer gefährlichere Situationen schuf. Bis zur Pause blieb das zum Glück ohne Folgen. Nach der Pause stürmte Hoffenheim wie zu Beginn der Partie munter drauflos und kam in

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23. SPIELTAG | 1. FC Köln

Eigentlich ein Kölner Eigentor, trotzdem viel Grund zum Feiern für Marvin Compper

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Ibertsberger, Alaba, Rudy (90. Sigurdsson), Salihovic, Vukcevic (76. Mlapa), Ibisevic, Babel

1. FC KÖLN Rensing, Brecko, Geromel, Mohamad (88. Pezzoni), Eichner, Lanig, Petit, Peszko (73. Freis), Podolski, Clemens (86. Jajalo), Novakovic

ZUSCHAUER 30.000

TORE 1:0 Novakovic (48. Eigentor) 1:1 Mohamad (69.)

SCHIEDSRICHTER Markus Schmidt (Stuttgart)

Gelbe KarteN Alaba, Beck Brecko, Podolski, Petit, Geromel, Rensing

88 SAISONCHRONIK 2010/11

der 47. Minute zum verdienten Führungstreffer. Compper ließ sich feiern, doch im Letzten war es nicht sein Kopf, sondern Novakovic, der den Ball nach einem Freistoß durch Rudy ins Tor beförderte. Egal wie: Hoffenheim lag vorn und drehte noch weiter auf. Zweimal hatte danach Ibisevic die Chance, die Führung auszubauen. Leider vergab er in der 52. und 64. Minute glasklare Chancen. Anders gesagt scheiterte er an Michael Rensing, der nach seinem sportlichen Aus in München bei den Kölnern seine enorme Klasse wieder unter Beweis stellen durfte. Die gewisse Ratlosigkeit


im Sturm, die sich in den Hoffenheimer Reihen allmählich ausbreitete, nutzte Köln in der 68. Minute und erzielte nach Freistoß durch Clemens und Kopfstoß von Mohamad selber ein Tor. Der Ausgleich war schmeichelhaft, aber die fußballlogische Folge etlicher vergebener Chancen. Tom Starke musste kurz darauf seine ganze Klasse beweisen, um den sogar drohenden Führungstreffer der Kölner nach Flanke Podolski und Kopfball Novakovic ins rechte untere Eck zu verhindern. In den Schlussminuten spielte nur noch Hoffenheim nach vorn. Doch nachdem Ibisevic aus fünf Metern wieder mal an Rensing gescheitert

war, schienen auch bei 1899 die Lichter auszugehen. Köln wollte wenigstens den einen Punkt festhalten, Hoffenheim hatte Angst, sich wieder einen Treffer in allerletzter Minute einzuhandeln. Mit der Punkteteilung war ein Mann im Stadion so gar nicht zufrieden. Manager Ernst Tanner sagte – ohne es natürlich wörtlich zu meinen: „In der zweiten Hälfte hätten wir Köln töten müssen.“ Das wäre vermutlich auch gelungen, wenn im Tor der Gäste nicht der in München zuletzt verkannte und durch zu viel Trubel gehemmte Michael Rensing gestanden hätte. Q

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24. SPIELTAG | FSV Mainz 05

26. FEBRUAR 2011

1899 Hoffenheim – FSV Mainz o5 1:2 Tobias Weis, der laut Marco Pezzaiuoli durch seine kämpferische Spielübersicht prädestiniert war, in die vakante Rolle von Luiz Gustavo zu schlüpfen, laborierte an einer langwierigeren Verletzung; eine Knochenabsplitterung am Kahnbein bedurfte operativer Hilfe. Weis hoffte jedoch, mit wöchentlichen Spritzen die vorläufige Heilung so weit voranzutreiben, dass er die OP bis in den Sommer verschieben und sich bei den letzten Saisonspielen noch ins Mannschaftsgefüge einbringen könnte. Einstweilen fehlte er der Mannschaft aber schmerzlich. Und 1899 Hoffenheim trat gegen die konterstarken Mainzer auch noch ohne Isaac Vorsah an, der im Training umgeknickt war. Dafür stand Matthias Jaissle im Aufgebot und bekam gleich jede Menge zu tun, denn die in der Rückrunde bislang recht erfolglosen Mainzer legten stürmisch los. Aber auch Hoffenheim suchte sein Glück in der Offensive – ohne ähnlich gefährlich zu werden wie die Mainzer. Vor 29.000 Besuchern der RheinNeckar-Arena kamen die 05er wiederholt zu guten Chancen, die vorerst in einen Pfostenschuss in der 21. Minute durch Polanski mündeten. Starke, der bis dahin einiges entschärft hatte, wäre diesmal machtlos gewesen.

Schon zwei Minuten später wurde aus der sich andeutenden Mainzer Überlegenheit mehr: Allagui ging über links in den Strafraum, bekam es mit Compper zu tun, legte jedoch gerade noch rechtzeitig für Ivanschitz auf, der aus 12 Metern nur noch ins kurze Eck zielen musste und die Mainzer Führung bewerkstelligte. 1899 hatte sich zu diesem Zeitpunkt noch keine einzige hochkarätige Chance erspielt. In der 29. Minute ergab sich allerdings gleich doppelt Gelegenheit, dem Spielverlauf den Stempel aufzudrücken. Salihovic flankte von links nach innen, Babel kam an den Ball und scheiterte aus spitzem Winkel an Torhüter Müller, worauf Vukcevic den abprallenden Ball aus drei Metern nicht im Tor unterbrachte. Etwas mehr Druck kam nun gegen die gemächlicher, wenn auch grenzwertig körperbetont vorgehenden Mainzer auf. Ein weiblicher 05-Fan kommentierte das mit den Worten, die Gäste bettelten förmlich um den Gegentreffer. Die Hoffenheimer Fans indes nahmen vorwiegend wahr, wie wenig Chancen ihre Mannschaft immer noch kreierte, und forderten lautstark die Einwechslung von Sigurdsson – der nach der Pause denn auch für Vukcevic eingewechselt wurde. Allerdings änderte das am Spielgeschehen wenig, Mainz stand hinten so robust wie sicher, Hoffe mühte sich ohne größere Durchschlagskraft, so dass zunehmend Pfiffe im Arena-Rund hörbar wurden.

90 SAISONCHRONIK 2010/11


1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Jaissle, Compper, Ibertsberger, Alaba, Rudy (75. Firmino), Salihovic, Vukcevic (46. Sigurdsson), Ibisevic (65. Mlapa), Babel

1. FSV MAINZ 05 Müller, Bungert, Kirchhoff, Noveski, Fuchs, Polanski, Fathi, Soto, Ivanschitz (67. Sliskovic), Allagui (52. Risse), Schürrle (90.+2 Heller)

ZUSCHAUER 29.000

TORE 0:1 Ivanschitz (23.) 1:1 Alaba (83.) 1:2 Soto (86.)

SCHIEDSRICHTER Guido Winkmann (Kerken)

Gelbe KarteN Rudy

Obwohl Mainz wenig mehr nach vorn tat, musste Tom Starke zwei, drei Mal beherzt eingreifen, um keinen weiteren Treffer der Gäste zuzulassen, bspw. in der 56. und 57. Minute gegen Polanski und Bungert. In der 65. Minute kam Mlapa für Ibisevic, in der 75. Firmino für Rudy. Und von da an wurde es enger für die Mainzer, das Hoffenheimer Spiel gewann an Dynamik, wurde unvorhersehbarer und darum auch gefährlicher. Endlich begannen sich die ca. 60% Ballbesitz auszuzahlen. Vor allem Firmino glänzte mit Dribblings, schönen Pässen in die Tiefe und viel Spielübersicht. In der 83. Minute kam es darum zum erlösenden Jubelschrei in der Rhein-Neckar-Arena: Sigurdsson hatte einen Freistoß nach innen gezirkelt, der Ball kam von Müller, der nur ungeschickt klären konnte, auf Alaba – aus ganz kurzer Distanz erzielte der junge Österreicher den Ausgleichstreffer. Doch nur winzige drei Minuten später war es um die Freude bei den Fans schon wieder geschehen. Mainz, aus seiner trügerischen Passivität erwacht, hatte nach Einwurf und einem

Flankenlauf von Risse mit halbhoher Flanke auf Soto und dessen Außenrist-Schieber ins lange Eck, umgehend den erneuten Führungstreffer geschossen – Hoffenheim verschlief den Angriff regelrecht. Doch in den folgenden zwei Minuten hätten auch die Gastgeber wieder punkten können, die Schlussphase der Partie gestaltete sich immer aufregender: Firmino und Jaissle vergaben Riesenchancen! Viel zu lang hatte es bis zu diesem Moment gedauert, viel zu wenig Brisanz war erzeugt worden – jetzt wollte der Ball einfach nicht mehr ins Tor, so dass die Partie 1:2 endete.

Trotz Neuzugang Firmino und Matthias Jaissle: wieder eine Niederlage gegen Mainz

„Die vielen Rückpässe haben mir nicht gefallen“, gab Pezzaiuoli später zu bedenken. Babel ergänzte: „Wir haben zu viele hohe Bälle gespielt. Dabei ist das Kurzpass-Spiel doch unsere Stärke!“ Q

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25. SPIELTAG | Borussia Mönchengladbach

5. MÄRZ 2011

Bor. Mönchengladbach – 1899 Hoffenheim 2:0 In einem war man sich nach dem Heimspiel gegen Mainz einig: Europa ade. Zu viele Punkte waren in der jüngeren Vergangenheit liegen gelassen worden, um noch unter die ersten fünf der Abschlusstabelle kommen zu können. Manchem Verantwortlichen kam das gar nicht mal ungelegen. Denn zunehmend setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Erwartungen in Hoffenheim seit der sagenhaften Hinrunde 2008 samt Herbstmeisterschaft einfach zu hoch geschraubt waren. In einer Phase des Umbruchs, wie sie 1899 Hoffenheim nun durchlebte, konnten zu viele Ambitionen auch schädlich sein. Und es gab weitere Konsequenzen aus dem verkorksten Spiel gegen Mainz: Ibisevic musste auf der Bank Platz nehmen, für ihn spielte Sigurdsson, während Simunic nach Trainingsdisputen mit dem Trainer gar für zwei Wochen komplett aus dem Kader gefallen war. Doch auch der Gegner hatte keinen guten Vorlauf. Unter ihrem neuen Trainer Favre wieder erstarkt, hatten die Gladbacher in der Vorwoche gegen Wolfsburg gar nicht gut ausgesehen. Die Hereinnahme von Sigurdsson bewirkte, dass diesmal Babel im Sturmzentrum spielte – ohne dass es zu nennenswerten stürmischen Aktionen kam. Überhaupt begann die Partie ziemlich verhalten, beide Teams wollten möglichst unbeschadet zur eigenen Spielphilosophie finden. Gladbach begriff zuerst, dass reines Abwarten wenig Aussicht auf Punkte bot, und kam nach einem erkämpften, schönen Flankenball von Camargo in der 8. Minute durch Arango fast schon zur Führung. In der 17. Minute erzielte Babel dann ein Abseitstor, das zurecht nicht gegeben wurde, ansonsten klappte immer noch wenig. Und so kam bis zur Pause erneut meist Gladbach zu Chancen, wenn auch ebenfalls nicht auf hohem Niveau. Tom Starke hielt einen Weitschuss von Reus in der 32. Minute und den Schuss von Camargo in der 35. Minute aus kürzester Distanz souverän.

92 SAISONCHRONIK 2010/11

Nach der Pause ging das schwache Spiel beider Mannschaften unverändert weiter, nur dass Gladbach weiterhin mehr nach vorn tat und darum auch vorne mehr Gefahr verbreitete. In der 55. Minute hätte es fast ein Eigentor gegeben, als Starke einen Gladbacher Freistoß nicht optimal zu klären vermochte. Kurz darauf kam Mlapa für Sigurdsson. Und in der 64. Minute gab es Elfmeter für Gladbach nach Foul an Camargo durch Beck und Starke im Strafraum. Philip Daems verwandelte den Strafstoß zur durchaus verdienten Führung der Fohlen-Elf. Noch nie hatte Gladbach ein Punktspiel gegen Hoffe gewinnen können, heute sah es danach aus. Zunächst wechselte Pezzaiuoli zwar noch Firmino für Vukcevic ein, doch schon eine Minute später köpfte Camargo nach Ecke durch Arango völlig freistehend zum Endergebnis ein. Compper, der nach einer frühen Gelben Karte inzwischen massiv rotgefährdet war, machte jetzt für Vorsah Platz, doch auch dieser Wechsel änderte naturgemäß nichts mehr am Spielverlauf. Es war das wohl schwächste Spiel von Hoffenheim in der laufenden Saison – und es war unübersehbar, dass die vielen Umbrüche und Neuerungen Folgen hatten. Das etwas andere Spielsystem von Pezzaiuoli hatte nur gegen Schalke glänzend gegriffen, diesmal tastete sich die Mannschaft eher wie im Nebel durch die Partie.


Tiefpunkt der Saison: die Niederlage in Gladbach

BORUSSIA MÖNCHENGLADBACH Tom Starke sprach nach dem Spiel Klartext: „Wir müssen raus aus der Komfortzone. Uns geht’s hier super, aber keiner kämpft mehr. Hier muss was passieren. Ich bin kein Trainer und kein Psychologe, aber hier muss ein anderer Ton angeschlagen werden.“ Ernst Tanner sagte: „Wir konnten gar nicht so viele Leute auswechseln, wie wir hätten auswechseln müssen. Wir sind zusammengebrochen. So geht’s nicht weiter.“ Marco Pezzaiuoli urteilte nach dem Spiel so: „Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass sich die Mannschaft so präsentieren könnte.“ – Ein paar Tage später sagte er: „Ich verstehe nicht, wieso ich infrage gestellt werde. Der Verein sagte mir, man stehe zu dem neuen Konzept.“ Q

Bailly, Jantschke, Stranzl, Dante (88. Brouwers), Daems, Marx, Fink (90.+2 Schachten), Reus, Neustädter, Arango, de Camargo (90. Idrissou)

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Jaissle, Compper (71. Vorsah), Ibertsberger, Alaba, Rudy, Salihovic, Vukcevic (69. Firmino), Babel, Sigurdsson (59. Mlapa)

ZUSCHAUER 35.350

TORE 1:0 Daems (65., Foulelfmeter) 2:0 de Camargo (70.)

SCHIEDSRICHTER Meyer (Burgdorf)

Gelbe KarteN Dante Compper, Alaba, Starke, Mlapa 93


26. SPIELTAG | Borussia Dortmund

12. MÄRZ 2011

1899 Hoffenheim – Borussia Dortmund 1:0 Nach der äußerst schwachen Partie gegen Gladbach hatten die Spieler am darauffolgenden Rosenmontag nicht frei bekommen, sondern verschärftes Training absolvieren müssen und unter der Woche ein Treffen mit 30 Fanvertretern durchgestanden, bei dem es deutliche Kritik hagelte. Nach Feiern war aber ohnedies niemandem zumute, besonders nicht Andreas Ibertsberger, der sich gegen Gladbach eine Kapselverletzung im linken Schultergelenk zugezogen hatte und zwei Wochen lang fehlen würde. Für ihn lief Edson Braafheid auf. Die erste Halbzeit gestaltete sich für den kommenden Deutschen Meister durchweg anders als vorgestellt. Das so erfolgreiche schnelle Kombinationsspiel kam nicht in die Gänge: geschickt verstellte Hoffe die Räume, griff die ballführenden Spieler früh an und unternahm selber so wenig in Richtung gegnerisches Tor, dass sich Dortmund stets einer verteidigenden Übermacht gegenüber sah. Das war nicht das beherzte, offensive Hoffenheimer Spiel, das man in der Rhein-NeckarArena am liebsten sah. Aber es verhinderte wirksam den frühen Rückstand. Immerhin dauerte es ca. 10 Minuten, bis Hoffe diese wesensfremde Spielweise wirklich umzusetzen verstand, und hatte nicht nur Glück, dass Dortmund keine der frühen Torgelegenheiten nutzte, sondern auch Tom Starke. Dann aber griff der „Catenaccio“ – Dortmund rannte sich meist schon im Mittelfeld fest. Gelegentliche schnelle Angriffe von Hoffenheim taten ein Übriges, die Gäste zu verunsichern, die in der 35. Minute ihre größte Chance durch Lewandowski vergaben.

94 SAISONCHRONIK 2010/11


Heimsieg und bemerkenswerte Bilanz: in der Dortmunder Meistersaison schaffte es nur Hoffenheim, nicht gegen den BVB zu verlieren...

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26. SPIELTAG | Borussia Dortmund

Starke vor Weidenfeller: es half alles nichts. Am Ende siegte die TSG!

Nach der Pause wirkte Hoffe angriffslustiger, während Dortmund weiter vergeblich nach Lücken Ausschau hielt. In der 48. Minute scheiterte Ibisevic noch an Weidenfeller, während Schmelzer in der 54. seinen Meister in Tom Starke fand. Danach kam Dortmund wieder stärker auf, drängte auf die Führung – und lief Ibisevic und Beck ins offene Messer. Es war die 63. Minute: Doppelpass zwischen Beck und Ibisevic, schöne Hereingabe von Beck, so dass Ibisevic den Ball im Rücken seines Gegenspielers annehmen konnte und ihn nur noch über die Linie befördern musste. Dortmund war schockiert. Die meisterlichen Angriffe wollten in Sinsheim einfach nicht gelingen – jetzt lag man gegen die vermeintlich so viel schwächeren Gastgeber auch noch mit 1:0 zurück. Lange Bälle, die bei Hoffenheim keinerlei Schaden

96 SAISONCHRONIK 2010/11

anrichteten, waren danach das Mittel der Wahl, um vielleicht doch noch den Ausgleichstreffer zu erzielen. Hoffenheim kam jetzt jedoch selber zu Chancen, Ibisevic vergab zwei Mal, in der 79. und 87. Minute. Einmal köpfte er aus sechs Metern über das Tor, das andere Mal senkte sich sein 20-Meter-Schuss auf die Querlatte. Weidenfeller hätte beide Male nichts zu halten gehabt. Zuletzt kam es, wie es kommen muss, wenn ein allzu breitschultriger Meisteranwärter auf eine krisengeschüttelte, talentierte Mannschaft trifft: das Spiel ging, aus Dortmunder Sicht, verloren, es war die erste Niederlage im Jahr 2011. In Sinsheim wiederum war die Freude, war die Erleichterung riesengroß. „Ich weiß nicht, warum – aber der BVB liegt mir“, gab Ibisevic danach zu Protokoll. Der Trainer


1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Braafheid, Rudy, Vukcevic, Alaba, Salihovic, Babel (75. Firmino), Ibisevic

BORUSSIA DORTMUND Weidenfeller, Piszczek, Subotic, Santana, Schmelzer, Bender (44. da Silva), Sahin, Götze, Lewandowski (62. Blaszczykowski), Großkreutz (77. Zidan), Barrios

ZUSCHAUER

Edson Braafheid kam im Winter und verstärkte die TSG auf der linken Abwehrseite

30.150 (ausverkauft)

TORE 1:0 Ibisevic (63.)

SCHIEDSRICHTER Dr. Jochen Drees (Münster-Sarmsheim)

Gelbe KarteN Salihovic, Braafheid da Silva

legte dagegen Wert auf Ibisevics Trainingsleistung. „Er hat immer fleißig gearbeitet. Ich freue mich für ihn, dass er wieder getroffen hat“, sagte Pezzaiuoli. Und glaubte nach dem Sieg schon Entwarnung geben zu können in Sachen des von ihm selbst ausgerufenen Abstiegskampfs: „Ich denke, das war’s.“ Jürgen Klopp war indes um zwei Erkenntnisse reicher geworden, denn vor der Partie hatte er seinen in der Rückrunde immer dichter wachsenden Bart abrasiert. Erkenntnis 1: „Man kann sich in der Bundesliga keinen Vollbart stehen lassen. Ich habe es ja probiert…“ Erkenntnis 2: Nach der Rasur setzte es prompt die erste Niederlage. Q

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27. SPIELTAG | Hannover 96

19. MÄRZ 2011

Hannover 96 – 1899 Hoffenheim 2:0 Josip Simunic war unterdessen förmlich begnadigt worden und daher in den Kader zurückgekehrt, doch nun entzog ihm Marco Pezzaiuoli nachträglich noch das Amt des VizeKapitäns. Das las sich so: „Wenn man Vize-Kapitän ist, hat man Pflichten. Man muss Leistung bringen und voll motiviert sein.“ Ähnlich eigensinnig, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen, argumentierte Trainer Slomka auf Seiten des Gegners, als er seinen torgefährlichsten Spieler Ya Konan ärztlichen Befunden zum Trotz für gesund genug erklärte und ihn aufs Feld schickte. Das lädierte Knie hielt tatsächlich durch, obwohl Rudy in der 40. Minute sogar einmal dagegen trat, unabsichtlich zwar, doch mit Gelb geahndet. Sechs der letzten sieben Heimspiele hatte Hannover gewonnen und stand vor – und nach – dieser Partie auf Platz 3 der Bundesliga-Tabelle. Beim Hinspiel im Herbst 2010 hatte Hoffenheim

noch den fast schon gewohnten Sieg gegen Hannover eingefahren, 4:0 hatte Hoffe gewonnen, und war Zweiter gewesen. Auf Platz 9 angekommen, stand man jetzt deutlich schlechter da – ähnlich verzagt gingen die Gäste aus dem Kraichgau denn auch in Hannover ans Werk. Besonders die offensiven Bemühungen blieben eher Stückwerk, doch auch Hannover tat sich schwer, strukturiert nach vorn zu spielen. So ergab sich über weite Strecken der ersten Halbzeit ein nur mäßig interessantes Spiel, in dem es beiderseits schon gehöriges Glück gebraucht hätte, um in Führung zu gehen. Je länger die erste Halbzeit jedoch andauerte, je mehr zeigte sich, dass der Hannoversche Tabellenstand seinen Grund hatte: die Niedersachsen wurden immer dominanter und kombinierten zunehmend freier und selbstbewusster. Als es in der 38. Minute zur ersten richtig großen Chance für Hannover kam, war es folglich um die zu zaghaften Gäste geschehen: ausgerechnet Ya Konan kam nach freiem Dribbling von Schmiedebach über links an den Ball und tunnelte Tom Starke zur nicht unverdienten Hannoveraner Führung. Es war die Taktik aus dem Dortmund-Spiel, das erfolgreiche Stören im Mittelfeld, das Pezzaiuoli seinen Schützlingen offenbar verordnet hatte. Doch statt langer Dortmunder Bälle in die Mitte ging Hannover über die Flügel, entschärfte so die Hoffenheimer Defensiv-Taktik und wurde damit

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Hannover 96 Fromlowitz, Cherundolo, Haggui, Pogatetz, Christian Schulz, Pinto, Schmiedebach, Stindl, Rausch (84. Carlitos), Ya Konan (80. Schlaudraff), Abdellaoue (88. Stoppelkamp)

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Braafheid, Rudy, Vukcevic (65. Sigurdsson), Alaba, Babel (87. Firmino), Salihovic (58. Mlapa), Ibisevic

ZUSCHAUER

Hannover spielte eine herausragende Saison und war diesmal nicht zu bezwingen

47.200

TORE 1:0 Ya Konan (38.) 2:0 Abdellaoue (53.)

SCHIEDSRICHTER Marc Seemann (Essen)

Gelbe KarteN Rudy

in der zweiten Halbzeit immer gefährlicher. Und so dauerte es gerade einmal acht Minuten, bis Hannover den nächsten Treffer erzielte, diesmal durch seinen zweiten Stürmer Abdellaoue, der in Lars Stindls scharfe Flanke grätschen und vom langen Pfosten her das 2:0 markieren konnte. Tom Starke war wegen des langen Wegs des Flankenballs durch den Strafraum nicht rechtzeitig zur Stelle. Mitte der zweiten Halbzeit wechselte Pezzaiuoli erst Mlapa für Salihovic und dann Sigurdsson für Vukcevic ein, beide hatten im Mittelfeld wenig Wirkung erzielt. Danach bekam Hoffenheim etwas mehr Griff aufs Spiel und erzielte durch Ibisevic in der 78. Minute sogar einen Lattentreffer, aber die Partie war im Grunde längst gelaufen – und verloren. Hannover spielte die Führung letztlich souverän bis zum Schlusspfiff herunter und war damit zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte über die Marke von 50 Punkten in einer Saison gekommen. Q

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28. SPIELTAG | Hamburger SV

2. APRIL 2011

1899 Hoffenheim – Hamburger SV 0:0 Eine ganze Reihe von Nachrichten sorgte unter der Woche für Aufregung in Hoffenheim. Zunächst war Ex-Trainer Rangnick zu Schalke gewechselt und hatte Hoffenheims erfolgreichen U-23-Trainer Markus Gisdol dort zu seinem Assistenztrainer berufen. Niemand in Hoffenheim wollte Gisdol bei diesem Karrieresprung Steine in den Weg legen, aber der Zeitpunkt für den Wechsel war alles andere als günstig. Als nächstes wurde bekannt, dass Juventus Turin ein Auge auf Kapitän Andreas Beck geworfen hatte und dass Salihovic im Training wegen einer angedeuteten Kopfnuss gegen Compper zunächst diszipliniert und dann begnadigt worden war – nur dass Salihovic gar nicht spielte, genau wie der ebenfalls begnadigte Simunic, der aber immerhin auf der Bank Platz nehmen durfte. Im Gegenzug suspendierte Trainer Oenning vom HSV seinen Stürmer Guerrero, der in einer heimatlichen Zeitung allzu offenherzig über ein baldiges Ende seines Engagements in der Hansestadt fabuliert hatte. Im Spiel gegen Hamburg zeigte sich wieder einmal das wechselhafte Hoffenheimer Gesicht dieser Saison. Auf schwache Leistungen folgten starke Leistungen – und umgekehrt. Das ließ nach starkem Auftritt gegen Dortmund und schwachem Spiel in Hannover wiederum starke Leistungen gegen Hamburg erwarten. Und so kam es auch, obwohl sich der HSV durch zuletzt wiedererwachte Leidenschaft sogar noch in Schlagweite auf die europäischen Plätze befand. Doch der Lauffreude und Kampfbereitschaft der Hoffenheimer wussten die Hanseaten nichts entgegenzusetzen.

Zum ersten Mal fand sich Firmino in der Startaufstellung wieder. Während Ibisevic sein hundertstes Bundesligaspiel absolvierte, machten Firminos Dribbelkünste und Pass-Übersicht den Gästen ein ums andere Mal zu schaffen. Von Ibisevics Kopfbällen ging immer wieder große Gefahr aus, die er leider öfters selbst neutralisierte: in der 5. Minute freistehend, in der 22. Minute nach Babels Traumpass und in der 27. Minute wieder frei am Fünfmeterraum. Der HSV versuchte vergeblich, gelegentlich auch einmal gefährlich vors Tor zu kommen – in unverständlicher, kläglicher Spielschwäche. Bis zur Halbzeitpause hielt die Malaise an, nur schaffte es Hoffe nicht, entscheidenden Vorteil daraus zu ziehen. Nach der Pause dauerte es nicht lang, bis der beste Hoffenheimer Spieler, Firmino, gegen Vukcevic ausgewechselt wurde. Das war doppeltes Unglück, denn zehn Minuten darauf brach sich Vukcevic bei einem Zweikampf und unglücklichem Sturz das Wadenbein – und wurde durch Sigurdsson ersetzt. Dass die Hoffenheimer Offensive von soviel Ungemach nicht schlagkräftiger wurde, musste nicht verwundern; doch die Hamburger Leistung, beim aktuellen Spielstand immer noch in guter Aussicht auf die europäischen

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Vor vollbesetzten Rängen gab es gegen Hamburg nur ein Spiel „wie Flasche leer“

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Braafheid, Rudy, Ibertsberger, Firmino (54. Vukcevic, 69. Sigurdsson), Alaba, Babel (69. Mlapa), Ibisevic

HAMBURGER SV Rost, Diekmeier, Kacar, Mathijsen (50. Jarolim), Aogo, Westermann, Ben-Hatira, Ze Roberto, Elia, Son (63. Jansen), Petric

ZUSCHAUER 30.150 (ausverkauft)

TORE SCHIEDSRICHTER Tobias Welz (Wiesbaden)

Gelbe KarteN Ibisevic, Rudy Diekmeier

Plätze, verursachte zunehmend Kopfschütteln: Fehlpässe, Stolperbälle und Einzelaktionen prägten das Bild. Auf diese Weise biss sich das Spiel in der zweiten Halbzeit zunehmend fest. Anders gesagt kam es zu überhaupt keinen nennenswerten Aktionen, so dass am Ende ein für Hoffenheim etwas unglückliches, aufgrund eigener TorschussSchwäche aber gerechtes Unentschieden stand. Damit hatte es in den letzten sieben Spielen nur zu einem einzigen Sieg gereicht, was zu Pfiffen des Sinsheimer Publikums gegen den Trainer führte, sogar schon vor der Partie. Unterdessen kamen Gerüchte auf, dass Holger Stanislawski vom FC St. Pauli in der nächsten Saison Cheftrainer von 1899 werden könnte. Einstweilen setzte es dazu natürlich nur Dementis. Q

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29. SPIELTAG | SC Freiburg

9. APRIL 2011

SC Freiburg – 1899 Hoffenheim 3:2 Unter der Woche war es zur viel beachteten und lang erwarteten Entschuldigung von Vedad Ibisevic gegenüber einem 12-jährigen Ballmädchen gekommen, das bei der Heimpleite gegen Mainz beinahe von einer Trinkflasche getroffen worden wäre, die Vedad aus Ärger wegen seiner Auswechslung durch die Gegend gekickt hatte. Ein signiertes Trikot, eine signierte Trinkflasche sowie eine Autogrammstunde mit der Schulklasse des Ballmädchens brachten die Dinge wieder ins Lot. Doch Ibisevic wurde zugleich mit Wechselgerüchten nach Ablauf der Saison in Verbindung gebracht, nicht anders als der begnadigte Salihovic, der gegen Freiburg erneut nicht im Kader stand und der Presse gegenüber bekundet hatte, seine Meinung sei in Hoffenheim offenbar nicht mehr so gefragt.

SC Freiburg Baumann, Mujdza, Krmas, Toprak, Butscher, Schuster, Caligiuri (87. Jendrisek), Flum, Makiadi, Putsila, Cisse (90. Barth)

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Braafheid (64. Sigurdsson), Rudy, Ibertsberger, Alaba Mlapa (81. Firmino), Babel (87. Thomalla), Ibisevic

ZUSCHAUER 24.000 (ausverkauft)

TORE 1:0 Schuster (24.) 1:1 Ibisevic (34. Foulelfmeter) 1:2 Babel (42.) 2:2 Cisse (60. Foulelfmeter) 3:2 Butscher (78.)

SCHIEDSRICHTER Wolfgang Stark (Ergolding)

Gelbe KarteN Cisse Ibisevic, Rudy, Beck, Braafheid, Ibertsberger

Rote KARTEN Krmas (33.)


Mutmaßungen, Freiburgs Superstürmer Cissé könnte verletzt fehlen, erwiesen sich als verfehlt, Freiburg trat in starker Besetzung an. Und so konnte ein Baden-Derby, das den Namen wahrhaft verdiente, an diesem sonnigen Frühjahrstag seinen dramatischen Lauf nehmen. Und da inzwischen bekannt geworden war, dass Trainer Dutt von Freiburg nach Leverkusen wechseln würde, lag auch aus diesem Grund eine eigentümliche Gespanntheit über dem Stadion. Wie würden die Freiburger Fans reagieren? Die Antwort war: in großer Geschlossenheit… Kein einziger Pfiff war zu vernehmen, im Gegenteil waren die Fans Robin Dutt offenbar dankbar für die gemeinsame, erfolgreiche Zeit und eine noch erfolgreichere aktuelle Saison. Der SC Freiburg legte sofort nach dem Anpfiff mächtig los und zwang Starke im Hoffenheimer Tor zur ersten Glanzparade nach einem TorpedoKopfball von Butscher. Im Gegenzug gingen Mlapa und Babel steil nach vorn, scheiterten aber an Freiburgs Torhüter Baumann. Damit war klar, dass hier eine bewegte, offensive Partie um die inoffizielle badische Fußballkrone geführt wurde. Nach fünfzehn Minuten erzielte Cissé sein erstes Tor, stand aber im Abseits. Ibisevic wurde nur eine Minute später im Freiburger Sechzehner regelwidrig zu Fall gebracht, ohne dass Schiedsrichter Stark darauf regelgemäß reagierte. Umso heftiger fielen die Proteste von Ibisevic aus, wofür er dann auch noch die Gelbe Karte bekam. In der 21. Minute konnte Mlapa nach Freistoß den Ball aus sieben Metern nicht an Baumann vorbeibringen – und in der 23. Minute verwandelte Schuster einen Freiburger Eckstoß direkt. Später gab er zu, dass er den Ball in Wahrheit verzogen hatte. Aber drin war drin, es stand 1:0 für Freiburg.

Man musste befürchten, dass 1899 diesen erneuten Rückstand nicht gut verkraften würde, und wirklich spielte in den folgen zehn Minuten nur noch Freiburg konstruktiv Fußball. Dann jedoch wurde Mlapa im steilen Gang auf Baumann im 16-er gelegt: Platzverweis für Krmas, der ihn gefoult hatte, und Strafstoß für Ibisevic, der Baumann verlud und in der Mitte einschoss. Damit hatte sich das Spiel unerwartet gedreht, Hoffenheim spielte von nun an auch noch in Überzahl. So kam es erneut knapp zehn Minuten später zu einem schönen Pass von Ibisevic auf Babel, der einige seiner bekannten Schleifen in der Nähe des Strafraums zog und plötzlich zu einem Schuss ins lange Eck ansetzte – Baumann war chancenlos, es stand 1:2, und das eben noch euphorische Freiburger Publikum war gänzlich still geworden. Die wenigen Minuten bis zur Pause blieben geschehnislos. Doch nach dem Wiederanpfiff nahm die Partie sofort wieder Fahrt auf, zur Freude des Publikums vor allem seitens des Freiburger SC, während sich in den Hoffenheimer Reihen eine gefährliche Passivität ausbreitete, nachdem ein Tor durch Compper wegen Handspiels nicht gegeben wurde und Cissé einen weiteren, wohl regulären Treffer nicht anerkannt bekam. Immer schwungvoller wurden nun die Freiburger Angriffe, bis Braafheid Calliguri im Strafraum foulte und Cissé, der dafür gar nicht vorgesehen war, aber sich den Ball einfach schnappte, in der 60. Minute den Ausgleich erzielte. Freiburg war nicht anzumerken, dass die Mannschaft in Unterzahl spielte, und phasenweise kam auch Hoffenheim wieder in Schwung. Je näher es ans Ende ging, je klarer wurde, dass 1899 sich mit dem Unentschieden zufrieden geben wollte – Freiburg aber nicht. Und das fortgesetzte Bemühen in Unterzahl trug Früchte, zur Freude der Zuschauer traf Butscher in der 78. Minute nach Freistoß mit der Schulter zum 3:2. Erst dann wechselte Pezzaiuoli Firmino für Mlapa ein, der seine Kräfte aufgebraucht hatte. Doch in den letzten zehn Minuten konnte der junge Brasilianer seine kreativen Ideen nicht mehr wirksam umsetzen. Ohne Not ging das Baden-Derby, das für Hoffenheim so gut begonnen hatte, verloren. Q

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30. SPIELTAG | Eintracht Frankfurt

16. APRIL 2011

1899 Hoffenheim – Eintracht Frankfurt 1:0

BILD meldete bereits Vollzug: Holger Stanislawski, genannt Stani, würde nach der Sommerpause neuer Cheftrainer in Hoffenheim werden. Das Engagement von Marco Pezzaiuoli, dem bei aller fachlichen Kompetenz zu wenig Vorzeigbares und zu wenig Zählbares gelang, geriet damit zum Interregnum. Noch war jedoch nichts in trockenen Tüchern, der Verein bestätigte nur, dass Stani Wunschkandidat für den in jedem Fall anstehenden Trainerwechsel sei. Auffällig war, wie weit ein gewisser Zerfall der Mannschaft schon fortgeschritten war: Simunic, inzwischen sogar noch aus dem Mannschaftsrat entfernt, äußerte sich Medien gegenüber sehr kritisch über den Zustand des Teams, Salihovic blieb bis zum Saisonende nahezu aussortiert, der Trainer spekulierte öffentlich über sein Bleiben.

104 SAISONCHRONIK 2010/11


Endlich wieder ein Sieg – durch sein Tor ausschlaggebend daran beteiligt: Roberto Firmino

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30. SPIELTAG | Eintracht Frankfurt

1899 HOFFENHEIM Starke, Ibertsberger, Vorsah, Compper, Braafheid, Weis, Rudy (46. Sigurdsson), Alaba, Mlapa (74. Firmino), Ibisevic, Babel (90. Vestergaard)

EINTRACHT FRANKFURT Fährmann, Jung, Franz (68. Vasoski), Russ, Köhler, Schwegler, Rode (82. Fenin), Ochs, Meier (81. Kittel), Halil Altintop, Gekas

ZUSCHAUER 30.150 (ausverkauft)

TORE 1:0 Firmino (78.)

SCHIEDSRICHTER Michael Weiner (Giesen)

Gelbe KarteN Mlapa, Babel, Firmino Jung, Meier, Franz

Mlapa holte wie im Hinspiel Mike Franz von den Beinen Dass Firminos Tor zum Sieg reichte, war vor allem Tom Starke zu verdanken

Ein souveränes, intaktes Miteinander war das jedenfalls nicht. Was sich in und um Hoffenheim letztlich abspielte, war allerdings nichts anderes, als die Spät- und Hauptfolgen der Rangnick’schen Ära abzuarbeiten. Großen Epochen folgen ausnahmslos immer Verwirbelungen, bis die nächste große Epoche greift! Wegen einer Gelbsperre fehlte nun auch noch Andreas Beck. Frankfurt jedoch konnte Gekas aufbieten, der sich punktgenau gesund zurückgemeldet hatte, und trat unter der Leitung von Cheftrainer Christoph Daum an, den es nach langen Auslandsaufenthalten wieder in die Bundesliga gezogen hatte. Zwei Unentschieden konnte Daum mit der Eintracht bislang erzielen und hoffte jetzt auf den ersten Dreier. Hoffenheims Noch-Trainer setzte dennoch auf 4-3-3 und wollte das Spiel offensiv angehen. Die Kraichgauer legten sich denn auch gleich ins Zeug und spielten schwungvoll nach vorn.

106 SAISONCHRONIK 2010/11

Gute Tormöglichkeiten blieben aber aus, so dass Frankfurt seine Chance gekommen sah und durchaus auch in Führung hätte gehen können. Wäre da nicht Tom Starke im Tor gestanden, wieder einmal verhinderte er, was nur irgend zu verhindern war. In der 13. Minute lenkte er einen scharfen Schuss von Meier gerade noch über die Latte, in der 16. hielt er einen Schuss von Gekas aus kürzester Distanz, in der 21. fischte er dem allein auf ihn zustrebenden Griechen den Ball vom Fuß, in der 31. tankte er rechts unten ins Eck und neutralisierte einen weiteren Versuch von Gekas. Der Hoffenheimer Offensivdrang war inzwischen völlig zum Erliegen gekommen, von den Rängen schallte es: „Wir wollen euch kämpfen sehen.“ Bis zur Pause geschah jedoch weiter wenig, weil auch die Eintracht zunehmend verhalten agierte: bei 4:0 Ecken, mehr als 70% Ballbesitz und weit über 60% gewonnener Zweikämpfe für Frankfurt! Mindestens das Zweikampf-


verhältnis musste nach der Pause besser werden. Dazu ersetzte der Trainer Rudy durch Sigurdsson. Einstweilen sah sich Starke aber noch zu neuerlichen Glanztaten gezwungen: Gekas verzweifelte schier an seiner Klasse. Ab der 60. Minute sah man Firmino sich auf seine Einwechslung vorbereiten. Man notierte allerdings die 74. Minute, als Firmino wirklich auflaufen durfte – bis dahin hatte Mlapa wie schon im Hinspiel Mike Franz von den Beinen geholt und verletzt, hatte Ibisevic eine erste dicke Chance für Hoffenheim vertan und Sigurdsson einen Freistoß nur äußerst knapp am Frankfurter Tor vorbeigezogen. Kaum drei Minuten im Spiel, stand Firmino genau richtig, als Torhüter Fährmann einen Schuss von Babel nur abklatschen konnte, und erzielte seinen ersten Saisontreffer. Es sollte der einzige Treffer des Spiels bleiben. 70 Minuten lang war die Eintracht die gefährlichere Mannschaft gewesen, dann brach sie ein

und hatte wohl auch konditionelle Probleme. Sigurdsson dagegen vergab kurz vor Ende noch eine Riesenchance, als er aus acht Metern allein vor Fährmann am Tor vorbeischoss. Zu oft hatte Hoffenheim in diesem Spiel den Weg durch die Mitte gesucht, während Frankfurt es verstand, dort die Wege eng zu machen. Die von Pezzaiuoli bevorzugte Spielweise, bei Ballbehauptung Übergewichte zu generieren, hatte zum wiederholten Mal kein Glück gebracht und auch kein druckvolles Spiel ermöglicht. Einer, der sich in letzter Zeit regelrecht geopfert hatte und nur unter Schmerzmitteln hatte spielen können, gab nun auf: Tobi Weis hatte auch gegen die Eintracht tatkräftig mitgeholfen, die notwendigen 40 Punkte zu holen, die den zuletzt doch bedrohlich nah gerückten Abstieg sicher verhinderten, und meldete sich zurück in der Krankenabteilung, um sich am lädierten Sprunggelenk endlich operieren lassen zu können. Q

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31. SPIELTAG | Bayer Leverkusen

23. APRIL 2011

Bayer Leverkusen – 1899 Hoffenheim 2:1 „Natürlich fällt nach so langer Zeit ein Abschied aus Hamburg schwer. Ich denke dennoch, dass es für mich Zeit ist, eine neue, spannende Herausforderung anzugehen“, sagte Holger Stanislawski, bislang Trainer des FC St. Pauli, unter der Woche den Medien. „Die Gespräche mit den Verantwortlichen in Hoffenheim haben mich absolut überzeugt.“ Nun war es amtlich, und mancher in der Fußballrepublik rieb sich verwundert die Augen. Ausgerechnet Stani nach Hoffenheim, vom Kiez- und Kultklub Pauli zum angeblichen Retortenverein? Wie passte das zusammen? Dass hier Vorurteile, die sich hartnäckig gehalten hatten, einfach in sich zusammenfielen, dämmerte hoffentlich dem einen oder anderen.

108 SAISONCHRONIK 2010/11


Bei einem Sieg in Leverkusen, so unwahrscheinlich das letztlich schien, wäre Borussia Dortmund vorzeitig Deutscher Meister geworden. Nicht dass 1899 Hoffenheim gern zum Dortmunder Steigbügelhalter geworden wäre, doch nach dem Unentschieden der Hinrunde sah man die Werkself mit etwas anderen Augen. Ihren Nimbus als Angstgegner hatte sie jedenfalls eingebüßt. In den ersten Minuten dominierte noch Bayer Leverkusen das Spiel, angeführt von Michael Ballack. Doch schon bald verstand es Hoffenheim, hinten dicht und eng zu stehen und trotzdem schnell nach vorn zu operieren. Die Werkself tat sich damit einigermaßen schwer, hatte die Partie möglicherweise auch unterschätzt – und kassierte in der 28. Minute ein sehenswertes Tor durch Gylfi Sigurdsson, der die halbe Leverkusener Abwehr umspielt hatte und frei vor Adler zum Schuss kam.

In der Reaktion auf zuviel Agonie im Leverkusener Spiel ließ Trainer Jupp Heynckes jetzt die gesamte Ersatzbank warmlaufen. In den nächsten Minuten kam es dennoch zu weiteren Hoffenheimer Chancen: einmal lief Mlapa in Sprintermanier mit dem Ball bis auf die Grundlinie, verpasste bei der Hereingabe aber Babel nur knapp; dann gab Babel den Vorbereiter und verwirrte mit sehenswertem Sololauf die Leverkusener Abwehr, legte auf Beck ab, der Sigurdsson bediente – dessen Schuss knallte aus 20 Metern ansatzlos gegen den Pfosten. Leider gab es nur eine Minute danach, in der 40., eine Ecke für die Hausherren. Kadlec schraubte sich hoch, kam viel zu frei in der Gegend des Elfmeterpunkts an den Ball und ließ Tom Starke keine Chance. Damit ging es auch in die Pause, mit einem für die Hausherren ziemlich glücklichen Unentschieden, die nach dem Wiederanpfiff und

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31. SPIELTAG | Bayer Leverkusen

BAYER 04 LEVERKUSEN Adler, Vidal, Schwaab, Hyypiä, Kadlec, Rolfes (46. Derdiyok), Bender, Sam (77. Barnetta), Ballack, Augusto, Kießling (86. Balitsch)

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Braafheid, Rudy, Firmino, Sigurdsson, Alaba, Mlapa (78. Ibisevic), Babel

ZUSCHAUER 29.313

TORE 0:1 Sigurdsson (28.) 1:1 Kadlec (40.) 2:1 Vidal (51.)

SCHIEDSRICHTER Florian Meyer (Burgdorf)

Gelbe KarteN Beck Vidal, Adler, Castro

vermutlich energischer Pausenansprache durch ihren Trainer sehr viel druckvoller nach vorn arbeiteten. In der 51. Minute entstand Konfusion im Hoffenheimer Strafraum. Babel klärte einen Leverkusener Angriffsball in den Bauch von Braafheid, so dass Vidal an den Ball kam, der auf Kießling weitergab, von wo die Kugel trotz des energischen

110 SAISONCHRONIK 2010/11

Eingreifens von Compper wieder zu Vidal gelangte, der aus kurzer Entfernung hart einschoss. – Nötig war dieses zweite Tor so wenig wie das erste, die Leverkusener Aktionen waren alles andere als zwingend. Eigentlich spielte die Werkself ja noch um die Meisterschaft mit, ließ sich jedoch bezeichnenderweise gleich nach dem Führungstreffer wieder zurückfallen und tat nur noch das Nötigste.


28. Minute, Sigurdsson trifft zur Führung – am Ende aber siegt Leverkusen

Erst um die 70. Minute herum kam erneut Bewegung in die Begegnung, als Starke zweimal mit Extraklasse vor Kießling und Hyypiä zu retten vermochte. Hoffenheim indes, das nach vorn nicht mehr viel tat, brach in der Defensive zunehmend auseinander. Doch statt sich weiter in feinem Angriffsfußball zu versuchen, spielte Leverkusen die Partie trocken herunter und wahrte sich ein kleines Fünkchen Hoffnung auf die Meisterschaft. Q

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32. SPIELTAG | VfB Stuttgart

112 SAISONCHRONIK 2010/11


30. APRIL 2011

1899 Hoffenheim – VfB Stuttgart 1:2 Unnötig zu erwähnen, dass sowohl Simunic wie auch Salihovic auf dem Spielbogen nicht auftauchten, wie auch gegen Leverkusen. Zudem verdichteten sich die Gerüchte um einen mutmaßlichen Wechsel von Andi Beck zu Juventus Turin, was dem darniederliegenden Leistungsprofil von 1899 Hoffenheim auch nicht eben aufhalf. Zu Gast in der ausverkauften Rhein-NeckarArena war kurz vor Saisonende der VfB Stuttgart, der seit der Verpflichtung von Bruno Labbadia wieder Tritt gefasst hatte, aber noch nicht vor dem drohenden Abstieg gerettet war. Vier, mindestens drei Punkte mussten die Schwaben dafür einfahren.

Trotz Sigurdsson und Alaba: ein Torjubel allein genügte nicht gegen den VfB

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32. SPIELTAG | VfB Stuttgart

Von Beginn an wurde Dynamik auf den Rasen gebracht, es herrschte kampfgefütterte DerbyStimmung. Hoffenheim spielte eleganter, ließ den Ball mehr laufen, verbreitete einstweilen aber keinerlei Torgefahr – und Stuttgart hoffte auf Konter, zu denen es genauso wenig kam. In der 14. Minute ließ Stuttgarts Schlussmann Ulreich eine Rückgabe von Tasci zu weit abtropfen, so dass Mlapa dazwischen gehen und den Ball aus kurzer Entfernung ins Tor bugsieren konnte. Damit war die bewegte Partie förmlich eröffnet: denn von nun an ging es in ICE-Manier den Rasen hinauf und hinab, Stuttgart verzeichnete einen Pfostenschuss, Mlapa einen nicht gegebenen Freistoß, als er kurz vor dem Sechszehner gefoult

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck (79. Ibisevic), Vorsah, Compper, Braafheid, Rudy, Firmino (64. Ibertsberger), Sigurdsson, Alaba, Babel, Mlapa

VFB STUTTGART Ulreich, Boulahrouz, Tasci, Niedermeier, Boka, Träsch, Kuzmanovic, Harnik, Hajnal (84. Gentner), Okazaki (59. Pogrebnjak), Cacau (90. Delpierre)

ZUSCHAUER 30.150 (ausverkauft)

TORE 1:0 Mlapa (14.) 1:1 Cacau (63.) 1:2 Kuzmanovic (68. Foulelfmeter)

SCHIEDSRICHTER Dr. Felix Brych (München)

Gelbe KarteN Beck, Vorsah Hajnal, Cacau

114 SAISONCHRONIK 2010/11

wurde, Starke einen unterlaufenen Eckball, Ulreich eine Glanzparade gegen Sigurdsson. Insgesamt hatte 1899 deutlich mehr vom Spiel, besonders in Strafraumnähe versiegten die Stuttgarter Kräfte. Immerhin musste Issac Vorsah kurz vor der Pause aber einen Ball von Cacau von der Linie schlagen, so dass es nach Chancen Unentschieden stand, nach Spielanteilen die Hoffenheimer Führung gerechtfertigt war. Danach ging alles so weiter wie in den ersten 45 Minuten, Hoffenheim ließ gleich drei sehenswerte Torchancen aus, das Spiel wurde intensiver und auch härter. Es gab Gelbe Karten für Beck, Hajnal und Cacau, später für Vorsah.


Nach einer Stunde Spielzeit schien ein Ruck durch die Gästemannschaft zu gehen, angetrieben am Spielfeldrand von Bruno Labbadia. Um dem Abstieg zu entgehen, durfte der knappe Hoffenheimer Vorsprung nicht bestehen bleiben: Tore mussten her. Und die Tore fielen. Innerhalb von fünf Minuten drehte der VfB das Spiel, einmal durch Cacau, einmal durch Kuzmanovic nach berechtigtem Foulelfmeter. Weitere Stuttgarter Großchancen folgten, in der 77., 78., 89. und 90. Minute, wobei sich Tom Starke immer wieder auszeichnen konnte.

durch den Freistoßspezialisten Sigurdsson gab es zu bewundern, dann war das Spiel aus, Stuttgart so gut wie gerettet – und die Hoffenheimer Fans um eine Heimniederlage ärmer. „Wir werden keine Zusammenarbeit in der kommenden Saison haben“, hatte sich Interimstrainer Pezzaiuoli zwei Tage vor dieser Niederlage vernehmen lassen. Damit reagierte er auf selbstgeschürte Spekulationen, er werde nach dem Ende seiner Zeit als Cheftrainer möglicherweise in seine alte Funktion als Assistenztrainer zurückkehren. Q

Seine Vorderleute hatten wenig mehr zur Partie beizutragen. Einzig ein weiterer Pfostentreffer

Niederlagen tun weh – und wer gewinnt, hat am Ende auch mehr Kraft...

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33. SPIELTAG | 1. FC Nürnberg

7. MAI 2011

1. FC Nürnberg – 1899 Hoffenheim 1:2 Wenige Tage nach dem Derby gegen den VfB unterschrieb ein weiteres großes Talent aus Stuttgart einen Vertrag in Hoffenheim: Sven Schipplock, 22-jähriger Mittelstürmer. In Anbetracht der eher schwachen Torausbeute in dieser Saison aus dem Spiel heraus und überproportional vielen Toren durch Standardsituationen war die Verpflichtung ein weiterer Schritt zurück zu Hoffenheimer Tugenden, dem torgefährlichen, schnellen Spiel nach vorn. Und es gab eine weitere Verpflichtung zu vermelden: zum neuen und alten Assistenzcoach von Stani wurde Andre Trulsen berufen, genannt Truller, der ihm schon auf St. Pauli den Rücken gestärkt hatte. Den umgekehrten Weg, weg von Hoffenheim, schlug Torhüter Özcan ein, genannt Rambo, den es nach Ingolstadt zog, während Tom Starke sein Verbleiben in Hoffenheim bekräftigte und allen Gerüchten, Ralf Rangnick wolle ihn als Ersatz für Neuer zu Schalke holen, einen Riegel vorschob. Der 1. FC Nürnberg hatte eine erstklassige Saison gespielt und sich lange Zeit auf den europäischen Plätzen gehalten. Zuletzt jedoch liefen die Dinge nicht mehr ganz so erfolgreich; bei einem Sieg gegen Hoffenheim war Platz 5 auf der Abschlusstabelle aber immer noch möglich. Für 1899 ging es im Prinzip um gar nichts mehr, höchstens noch um kosmetische Verbesserungen bei der Jahresbilanz. Dennoch spielten die Gäste von Beginn an munter mit, mussten aber schon in der 16. Minute den Führungstreffer der „Clubberer“ hinnehmen. Nach einem Freistoß von Ekici brachte Wollscheid den abgefälschten Ball ins Tor. Ein paar Minuten lang reagierte Hoffenheim mit dem in dieser Saison bei Gegentreffern gewohnten Nachlassen, dann fing sich die Mannschaft wieder und marschierte nach vorn. Einige halbe Gelegenheiten wie ein zu schwacher Distanzschuss von Alaba oder ein Kopfball in Rücklage von Mlapa übers leere Tor verstrichen noch ungenutzt, dann erzielte Firmino in der 40. Minute seinen nächsten Treffer: diesmal mit dem Kopf nach Freistoß von Sigurdsson.

116 SAISONCHRONIK 2010/11


1. FC NÜRNBERG Schäfer, Chandler, Wollscheid, Wolf, Pinola, Simons, Ekici (63. Hegeler), Cohen (63. Mintal), Gündogan (77. Mak), Schieber, Eigler

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Vorsah, Compper, Braafheid, Rudy, Alaba, Sigurdsson, Firmino, Babel (82. Ibisevic), Mlapa (88. Salihovic)

ZUSCHAUER 48.548 (ausverkauft)

TORE 1:0 Wollscheid (16.) 1:1 Firmino (40.) 1:2 Sigurdsson (86.)

SCHIEDSRICHTER

Nürnberg knickte gegen Ende einer famosen Saison etwas ein und vergab gegen Hoffenheim die internationalen Plätze

Peter Gagelmann (Bremen)

Gelbe KarteN Compper, Alaba

Nach der Pause gab die Stadionwand bekannt, dass Schalke gegen Mainz vorne lag, was die Chancen für Nürnberg, nächste Saison auch international zu spielen, einstweilen erhöhte. Die Franken gingen darauf entschiedener zu Werke als zuvor, das Spiel wurde aggressiver – aber knapp sieben Minuten später hatte Mainz ausgeglichen, Nürnberg fiel etwas ab, Hoffenheim kam zurück und gab durch Babel einen schönen Distanzschuss aufs Nürnberger Tor ab, den Schlussmann Schäfer nur abprallen lassen konnte. Leider war niemand zustelle, um den freien Ball zu verwerten. In der 64. Minute wurde für Ekici das Nürnberger Urgestein Mintal zu seinem letzten Heimspiel vor fränkischem Publikum eingewechselt. Das Publikum erhob sich geschlossen zu „standing ovations“. Kurz darauf gab er einen Eckball gefährlich herein, der fast die erneute Nürnberger Führung bedeutet hätte, und hätte zwei Minuten später aus 20 Metern selber das Tor machen können, wenn Tom Starke den kraftvollen Schuss aus vollem Lauf nicht grandios pariert hätte. Danach lagen die Spielanteile wieder verteilt, bis knapp zehn Minuten vor Schluss Ibisevic für Babel auflief und Hoffenheim zur Endoffensive

blies. In der 86. Minute passte Compper den Ball steil nach vorn, Wollscheid misslang der Abwehrversuch – und Sigurdsson ging frei auf Schäfer zu und legte die Kugel rechts unten im Tor ab. Die letzten Minuten vergingen ohne große Ereignisse – erwähnenswert nur, dass Salihovic noch einmal für zwei Minuten aufs Feld kommen durfte. Traurige Nürnberger konstatierten das Ende der Euro-League-Träume und den Abschied von Mintal, Hoffenheim freute sich über einen der raren Siege der Rückrunde. Q

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34. SPIELTAG | VfL Wolfsburg

14. MAI 2011

1899 Hoffenheim – VfL Wolfsburg 1:3 Bei einem Sieg über Wolfsburg hätte 1899 Hoffenheim noch Platz 7 erreichen können. „Damit könnten wir eine durchwachsene Saison noch retten“, sagte Tom Starke vor dem Spiel. Kapitän Beck meinte: „In Nürnberg haben wir erlebt, wie sich Siege anfühlen. Dieses Gefühl wollen wir noch einmal genießen.“ – Unnötig hinzuzufügen, dass auch die Fans in der Rhein-Neckar-Arena gerne noch einmal einen Sieg geschmeckt hätten und die Fernsehgelder dann in der nächsten Saison erheblich höher ausgefallen wären… Hätte… wäre… wenn…

118 SAISONCHRONIK 2010/11


„Konjunktiv“, sagte jedoch Holger Stanislawski bei der vergeblichen Jagd nach dem rettenden Relegationsplatz für St. Pauli, „ist etwas für Verlierer.“ Genau so sollte es kommen, das letzte Schönheitspflästerchen für eine verkorkste, krisenreiche Saison blieb aus, vielleicht auch, weil Wolfsburg dem Abstieg noch nicht entronnen war und einfach mehr zu verlieren hatte. Dabei mussten die Wolfsburger noch den Eklat um ihren Spielmacher Diego verkraften, den Trainer Magath zunächst auf die Bank hatte setzen wollen. Das war dem genialen Mittelfeldmann aber zu wenig, so dass er sich kurzerhand von der Mannschaft absetzte und nach einigem Hin und Her gänzlich aus Wolfsburger Diensten entlassen wurde. Nach dem Anpfiff zeigte sich rasch, wer mehr Handlungsdruck verspürte: Wolfsburg begann engagiert und erspielte sich einige gute Szenen durch Grafite, Madlung und Riether, die aber noch keine ganz große Torgefahr verbreiten konnten.

Anders in der 29. Minute, als Grafite mutterseelenallein auf Tom Starke zuging, aber im souveränen Hoffenheimer Schlussmann seinen Meister fand.

Wolfsburg wäre bei einem Sieg der TSG abgestiegen

Hoffenheim agierte weiter zurückhaltend. Hier und da kam es bei immer stärkerem Regen zwar ansatzweise zu Torgelegenheiten, doch nie zwingend und nicht ausreichend von mannschaftlicher Geschlossenheit getragen. Wolfsburg vermochte davon allerdings nicht zu profitieren, und so ging es torlos in die Kabine. Danach nahm der Druck der TSG zu. Wenige Minuten waren gespielt, als Firmino einen sehenswerten Pass von Rudy genau in die Füße gespielt bekam, den er locker an Benaglio vorbeibrachte. Wolfsburg wäre bei diesem Stand der Dinge (noch schrieb man aber erst die 49. Minute) abgestiegen! In den folgenden zehn Minuten hätte Hoffenheim Magaths Albtraum vollends perfekt machen können, doch es verga-

119


34. SPIELTAG | VfL Wolfsburg

1899 HOFFENHEIM Starke, Beck, Jaissle, Compper, Braafheid (84. Kaiser), Rudy, Alaba, Sigurdsson (84. Obasi), Firmino, Mlapa (76. Ibisevic), Babel

VFL WOLFSBURG Benaglio, Hasebe, Kjaer, Friedrich, Schäfer, Madlung (61. Dejagah), Riether, Josue, Kahlenberg (57. Cicero), Grafite, Mandzukic (88. Johnson)

ZUSCHAUER 30.150 (ausverkauft)

TORE 1:0 Firmino (49.) 1:1 Mandzukic (60.) 1:2 Mandzukic (73.) 1:3 Grafite (78.)

SCHIEDSRICHTER Thorsten Kinhöfer (Herne)

Gelbe KarteN Madlung

ben nacheinander Sigurdsson, Firmino und wieder Sigurdsson durch knapp am Tor vorbeigezogene Schüsse, bis das Publikum in der 60. Minute einen an der Seitenlinie wie entfesselt herumspringenden Felix Magath bewundern durfte: wie aus dem Nichts hatte Wolfsburg den Ausgleich erzielt – und war wieder im Geschäft… Das belebte die Kräfte der Gäste. Ein Angriff nach dem andern rollte auf den Hoffenheimer Strafraum zu, durch die Mitte, über die Seiten, steil, doch immer wieder bekam ein Abwehrspieler gerade noch den Fuß dazwischen oder Tom Starke hielt, was zu halten war. In der 73. Minute klappte das nicht mehr, wie schon beim Ausgleichstreffer war Mandzukic der Torschütze, diesmal mit dem Kopf aus fünf Metern. Und in

120 SAISONCHRONIK 2010/11

der 78. Minute kam auch Grafite noch zu seinem Tor, einem Abpraller von seiner Brust, der ins Gehäuse trudelte, unhaltbar für Starke. Da inzwischen Dortmund, seit einigen Spieltagen schon Deutscher Meister, gegen Frankfurt in Führung gegangen war, stand die Eintracht als zweiter direkter Absteiger neben St. Pauli fest. Gladbach schaffte es noch auf den Relegationsplatz und gewann anschließend beide Duelle gegen Bochum. Wolfsburg hatte sich also im letzten Moment gerettet und den Hals aus der Schlinge gezogen. Darüber war in der RheinNeckar-Arena niemand wirklich verärgert – aber freuen mochte man sich über die erneute Heimniederlage auch wieder nicht.


Einmal jedoch wurde den Fans an diesem grauen, letzten Spieltag einer grauen Saison noch warm ums Herz, und zwar, als kurz vor Schluss Chinedu Obasi eingewechselt wurde. Jeder, der ihn sah, hoffte für die nächste Saison auf bleibende Gesundheit und seine trickreiche, dynamische Spielweise, auf Hoffenheimer Tempofußball à la Obasi und mehr schöne Momente, als sie 2010/2011 geboten wurden. Platz 11 am Ende dieser Saison war einfach zu wenig! Q

Das Ende einer so bewegten wie durchwachsenen Saison – Hoffenheim unterliegt Wolfsburg und bedankt sich bei den treuen Fans

121


STATISTIK | Saison 2009/10

Rückrunde

Ergebnisse im Überblick 0:4

21.08.2010 1899 Hoffenheim – Werder Bremen

4:1

28.08.2010 FC St. Pauli – 1899 Hoffenheim

0:1

10.09.2010 1899 Hoffenheim – Schalke 04

2:0

18.09.2010 1. FC Kaiserslautern – 1899 Hoffenheim

2:2

21.09.2010 1899 Hoffenheim – Bayern München

1:2

24.09.2010 1. FC Köln – 1899 Hoffenheim

1:1

02.10.2010 FSV Mainz 05 – 1899 Hoffenheim

4:2

15.01.2011 Werder Bremen – 1899 Hoffenheim

17.10.2010 1899 Hoffenheim – Bor. Mönchengladbach

3:2

23.01.2011 1899 Hoffenheim – St. Pauli

24.10.2010 Borussia Dortmund – 1899 Hoffenheim

1:1

26.01.2011 Energie Cottbus – 1899 Hoffenheim P

1:0

27.10.2010 1899 Hoffenheim – FC Ingolstadt P

1:0

29.01.2011 FC Schalke 04 – 1899 Hoffenheim

0:1

31.10.2010 1899 Hoffenheim – Hannover 96

4:0

05.02.2011 1899 Hoffenheim – 1. FC Kaiserslautern

3:2

06.11.2010 Hamburger SV – 1899 Hoffenheim

2:1

12.02.2011 FC Bayern München – 1899 Hoffenheim

4:0

14.11.2010 1899 Hoffenheim – SC Freiburg

0:1

19.02.2011 1899 Hoffenheim – 1. FC Köln

1:1

20.11.2010 Eintracht Frankfurt – 1899 Hoffenheim

0:4

26.02.2011 1899 Hoffenheim – FSV Mainz o5

1:2

27.11.2010 1899 Hoffenheim – Bayer Leverkusen

2:2

05.03.2011 Bor. Mönchengladbach – 1899 Hoffenheim

2:0

04.12.2010 VfB Stuttgart – 1899 Hoffenheim

1:1

12.03.2011 1899 Hoffenheim – Borussia Dortmund

1:0

11.12.2010 1899 Hoffenheim – 1. FC Nürnberg

1:1

19.03.2011 Hannover 96 – 1899 Hoffenheim

2:0

18.12.2010 VfL Wolfsburg – 1899 Hoffenheim

2:2

02.04.2011 1899 Hoffenheim – Hamburger SV

0:0

21.12.2010 1899 Hoffenheim – Bor. Mönchengladbach P

2:0

09.04.2011 SC Freiburg – 1899 Hoffenheim

3:2

16.04.2011 1899 Hoffenheim – Eintracht Frankfurt

1:0

23.04.2011 Bayer Leverkusen – 1899 Hoffenheim

2:1

30.04.2011 1899 Hoffenheim – VfB Stuttgart

1:2

07.05.2011 1. FC Nürnberg – 1899 Hoffenheim

1:2

14.05.2011 1899 Hoffenheim – VfL Wolfsburg

1:3

Hinrunde

14.08.2010 Hansa Rostock – 1899 Hoffenheim P

122 SAISONCHRONIK 2010/11

2:1

2:2


Statistik 2010/11 Nr.

TOR VERTEIDIGUNG MITTELFELD ANGRIFF

Verein

SP

G

U

V

T

P

1.

Borussia Dortmund

34

23

6

5

67:22

75

2.

Bayer 04 Leverkusen

34

20

8

6

64:44

68

3.

FC Bayern München

34

19

8

7

81:40

65

4.

Hannover 96

34

19

3

12

49:45

60

5.

1. FSV Mainz 05

34

18

4

12

52:39

58

6.

1. FC Nürnberg

34

13

8

13

47:45

47

7.

1. FC Kaiserslautern

34

13

7

14

48:51

46

8.

Hamburger SV

34

12

9

13

46:52

45

9.

SC Freiburg

34

13

5

16

41:50

44

10.

1. FC Köln

34

13

5

16

47:62

44

11.

1899 Hoffenheim

34

11

10

13

50:50

43

12.

VfB Stuttgart

34

12

6

16

60:59

42

13.

SV Werder Bremen

34

10

11

13

47:61

41

14.

FC Schalke 04

34

11

7

16

38:44

40

15.

VfL Wolfsburg

34

9

11

14

43:48

38

16.

Borussia Mönchengladbach

34

10

6

18

48:65

36

17.

Eintracht Frankfurt

34

9

7

18

31:49

34

18.

FC St. Pauli

34

8

5

21

35:68

29

BL–Einsätze

Spielminuten

Eingew.

Ausgew.

Daniel Haas

9

810

27

Ramazan Özcan

30

Jens Grahl

33

1

Name

P

Tom Starke

25

2250

1

2

Andreas Beck

33

2959

1

7

4

3

Matthias Jaissle

9

395

5

1

1

5

Marvin Compper

32

2814

3

4

3

2

14

Josip Simunic

10

627

3

1

2

1

25

Isaac Vorsah

30

2529

1

2

3

1

3

26

Andreas Ibertsberger

20

1629

2

2

1

28

Edson Braafheid

10

783

1

2

2

1

37

Manuel Gulde

1

23

1

6

Sebastian Rudy

32

2456

3

5

4

6

1

7

Boris Vukcevic

26

1555

10

7

3

2

8

David Alaba

17

1530

2

2

Gylfi Sigurdsson

28

1241

18

3

2

9

11 17

Tobias Weis

17

1123

4

10

4

22

Roberto Firmino

11

468

6

3

1

3

23

Sejad Salihovic

26

2123

2

5

8

1

6

5

10

Ryan Babel

15

1299

8

3

1

15

Peniel Mlapa

29

1634

11

15

6

2

4

19

Vedad Ibisevic

31

2117

6

13

3

2

8

20

Chinedu Obasi

5

131

3

2

34

Denis Thomalla (U23)

4

19

4

123


SAISONCHRONIK 2010/11


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