2/22/12
Humboldt - Aktuelles Thema - Themen - Rhetorik der Krise!-!Goethe-Institut
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ÜBER HUMBOLDT Humboldt ist eine Kulturzeitschrift, die den kulturellen Austausch zwischen Deutschland und Lateinamerika sowie Spanien und Portugal fördert und mitgestaltet. Autoren aus dem iberischen und deutschen Sprachraum kommen neben anderen internationalen Stimmen zu Wort. Humboldt greift aktuelle Diskussionen zu Themen des geistigen und kulturellen Lebens auf beiden Seiten des Atlantiks auf.
Rhetorik der Krise Kunstvermittlung
Aneignung
Rhetorik der Krise
Eine neue Lesart der Stadt richtet ihr Augenmerk auf Prozesse der Reorganisation des urbanen Raums. Das Microplanning ist dabei ein Ausgangspunkt neuer Initiativen und Strategien, die einen kreativen Umgang mit kritischen Situationen des städtischen Lebens ermöglichen. Marcos L. Rosa versucht, Möglichkeiten der Rekodifizierung der Alltagsräume in São Paulo aufzuzeigen. Eine Kartografie urbaner Praktiken – vorangetrieben von einer Gruppe aus Architekten, Künstlern und anderen sozial engagierten Personen – entsteht und eröffnet neue Wege des Zusammenlebens.
Die Kunst der Unabhängigkeit ... und einige Überlegungen zum Heldentum Kultur der Übersetzung – Übersetzung der Kultur Und nach mir die Sintflut? Natur – Kultur: Kunst Freundschaft – Physiognomien einer komplexen Beziehung Verschwinden 68er-Revolten… und vierzig Jahre danach Die Tropen in uns Aneignungen der Stadt Wirklichkeit? Welten zwischen Welten Religion Fußball Barockes Territorium Essen und gefressen werden Suchen
Wollen wir das Architektonische als einen Raum verstehen, der sich offen für Interventionen zeigt, und wollen wir den Architekt selbst als jemanden verstehen, der innerhalb und für sein Umfeld handelt, so deuten wir direkt auf die Möglichkeit einer neuen Form der Hinterfragung der Stadt als solcher und einer Neukonzeption des urbanen Miteinanders hin. Wir akzeptieren die reale Stadt als ein Ergebnis politischer Entscheidungen und gemeinschaftlicher wie individueller Projekte und Zielsetzungen und sind davon überzeugt, dass diese Stadt über ein enormes Potenzial für die Neuordnung, Neubenennung und -artikulierung des öffentlichen Raums verfügt. Wir machen es uns zur Aufgabe, die Stellen zu identifizieren, an denen sich derlei Phänomene der Umstrukturierung beobachten lassen, und Räume zu orten, die über genügend Offenheit und Kapazitäten verfügen, neue Objekte in sich aufzunehmen und sich somit auch mit anderen zu vernetzen. Schließlich verweisen wir auf die Notwendigkeit, die zu dem vorhandenen Potenzial und den identifizierten Bereichen passenden Strategien zu begreifen und entsprechende Vorschläge auszuarbeiten. Dies nennen wir Microplanning.
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Urban Creative Practices: São Paulo Stadtteilgärten setzen grüne Tupfer in die Backsteinlandschaft im östlichen Randgebiet der Stadt; ein kleiner Park und ein Kulturzentrum bilden das Zentrum einer in sich dicht verschachtelten Favela; die unter einer Eisenbahnbrücke gelegene Boxschule und ein Fitnessstudio bieten Gelegenheit zu sportlicher Betätigung auf den täglich zurückgelegten Wegen; ein junger Künstler propagiert vor Ort die gemeinsame Benutzung des öffentlichen Raums in verschiedenen
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Humboldt - Aktuelles Thema - Themen - Rhetorik der Krise!-!Goethe-Institut Armenvierteln; ein Freilichtkino auf einer ungenutzten Fläche wird zum kulturellen Anziehungspunkt einer von solcherlei Attraktionen bislang abgeschnittenen Wohngegend; Bootstouren und Kunstprojekte lenken die Aufmerksamkeit auf einen verseuchten Fluss; eine Recyclinginitiative schafft Gemeinschaftssinn in einer in prekären Verhältnissen lebenden Nachbarschaft; und eine unter einem Baum aufgestellte Bank wird zum Treffpunkt am Ufer eines kleinen Flusses. Diese Formen der Intervention sind unsichtbar und unbekannt, weil bislang noch keine umfassende Auflistung vorgenommen wurde. Wir verweisen auf das enorme Potenzial dieser Projekte, die auf lokaler Ebene die städtischen Taktiken widerspiegeln, so wie der französische Historiker und Kulturphilosoph Michel de Certeau sie definiert hat, und eine (andere) Art, die Stadt zu denken, repräsentieren. Deshalb streben wir die Errichtung eines Netzwerks an, zur Sichtbarmachung von Formen innovativer räumlicher Organisation und zur Weitergabe dieser Information an andere Akteure, die sich mit der Planung und dem Bau der Stadt befassen. Microplanning. Urban Creative Practices ist das Ergebnis einer Feldforschung, die nach alternativen Planungsmöglichkeiten und neuen architektonischen Ansätzen suchte und diese in Initiativen fand, die sich der gemeinschaftlichen Verantwortlichkeit für den urbanen Raum verschrieben haben und Treffpunkte organisieren – Räume der Auseinandersetzung und gemeinschaftlichen Erfahrung. Die hier angetroffenen und analysierten gemeinschaftlichen Handlungsstrategien eröffnen neue Wege, mit diesen entstehenden urbanen Wirklichkeiten umgehen zu können. Die reale Stadt – als ein Experimentierfeld gedacht – ist ein Laboratorium, eine Projektionsfläche zukünftiger lokaler Handlungen. Wir wollen eine Plattform für urbane Kreativpraktiken schaffen, die Denkformen auf der städtischen Mikroskala zeigt. Das Projekt begann 2008, ausgehend von einer Plattform des „Deutsche Bank Urban Age Award“ (DBUAA). Der DBUAA wird an partnerschaftliche und kooperative Projekte vergeben, die das Ziel verfolgen, das städtische Zusammenleben zu verbessern. Wir bekamen somit die Chance, die Projekte und Initiativen, die in São Paulo auf lokaler Ebene die städtische Lebensqualität zu verbessern und den städtischen Lebensraum entsprechend zu gestalten versuchen, zu sichten und zusammenzutragen. Es entstand ein Katalog von Projekten verschiedenster Art und Ausrichtung, welche allesamt Wege der kreativen Auseinandersetzung mit dem urbanen Raum suchen und finden. Als Räume des Experimentierens und Artikulierens fordern sie eine soziokulturelle Lebendigkeit, wie die Architektin und Städteplanerin Sophie Wolfrum es in ihrem Aufsatz „Raum artikulieren“ (2006) entwickelt. Wir suchten Orte, die Formen der Restrukturierung auf lokaler Ebene zeigen und eine neue Sichtweise in Bezug auf das Zusammenleben im urbanen Raum reflektieren: die Aneignung des Raums durch seine Bewohner mittels einer (pro)aktiven Reaktion, einer Vorschlags- und Handlungssituation im Verhältnis 1 zu 1 im Sinne des französischen Kurators Nicolas Bourriauds – im Widerspruch zu einer nur passiv verharrenden Kritik, die auf Veränderung lediglich hofft. Damit wollen wir mögliche Handlungsfelder für São Paulo aufzeigen. In der Millionenstadt São Paulo erscheint dieses Phänomen mit einer Dringlichkeit, die ein vorheriges Ausprobieren der Möglichkeiten überflüssig macht. Die sich in den Projekten manifestierende Selbstorganisation – die Beteiligung der Bewohner, welche die urbanen Kreativpraktiken auszeichnet – wird durch den Mangel an Räumen des Zusammenlebens – Resultat des Verstädterungsprozesses im Großraum São Paulo – noch verstärkt. Interessanterweise hat dieser Verstädterungsprozess auch das Entstehen von urbanen Leerstellen gefördert, Räume, die ungenutzt brachliegen, die aber durchaus eine Umdeutung hin zu Orten kreativer Handlungen erfahren und somit Möglichkeiten zur Umstrukturierung des urbanen Raums mit lokalem und sozialem Bezug aufzeigen können. Die Stadt zeigt sich in diesem Sinne offen für das Experimentieren und spielerische Hinterfragen ihrer selbst, für das gemeinsame Handeln im und Nutzen des Raums – kurz, für eine Neuinterpretation des gebauten Szenariums. Architektonische Kollektivität: kulturell geformte Räume
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Vernetzter Städtebau oder strategisch verknüpfte Mikrointerventionen? Die von uns untersuchten Fälle zeigen ein Netzwerk von einer das gesamte Stadtgebiet umfassenden Reichweite auf: Wege des Widerstands gegen die Stadt als solche, die die Diskussion um die Spezifizierungen des urbanen Raumes neu entfachen. Wir haben Mikroarchitekturen gefunden, die moderne, monofunktionelle Strukturen überlagern bzw. neue, das Zusammenleben in der Stadt verbessernde Qualitäten an sie anlagern. Wir haben uns vorgenommen, die meist als vereinzelt und kaum effektiv wahrgenommenen Projekte, die auf der Prämisse der gemeinsamen Verantwortlichkeit für den öffentlichen Raum fußen, in ihrer jeweiligen Struktur und Strategie zu betrachten. Dies setzt die Existenz einer Reihe spezifischer Handlungsfelder und -strategien voraus, die sich miteinander verbinden und ein Netzwerk kreativer urbaner Praktiken entstehen lassen. Über Architektur zu sprechen bedeutet im Hinblick auf die hier zur Debatte stehenden Projekte, die Lernfähigkeit dieser Disziplin infrage zu stellen. Ein neuer Blick und eine neue Definition von Architektur werden notwendig, wenn von einem kulturell konstruierten Raum die Rede ist. So ist es uns um einen umfassenden Begriff von Architektur zu tun, um den des Architektonischen zu verstehen. Der konkrete Raum, der unseren Alltag bestimmt, wäre nichts ohne das ihn Belebende; er erschafft sich allein durch die Lebenspraxis, wie der Soziologe Henri Lefebvre in Kritik des Alltagslebens (1961) bemerkt. Das Architektonische unterscheidet sich von der Architektur, indem es die Abweichungen von der Disziplin auf die sich im Raum abzeichnenden Beziehungen, die in der vorausgehenden Planungsphase nicht ganz vorhergesehen werden können, als solche akzeptiert. Somit kann die Architektur – gemäß der Definition des deutschen Architekturkritikers Alban Janson und Sophie Wolfrum – als ein von sozialen und kulturellen Handlungen konstruierter und konstituierter Raum verstanden werden. Es handelt sich also um einen Raum, der nicht nur für spezifische Absichten zur Verfügung gestellt wird, sondern vielmehr sich in weitaus komplexere lebensweltliche Prozesse einschreiben kann. Der brasilianische Künstler Hélio Oiticica (1937–1980) definierte den Künstler als jemanden, der aktiv ist – also jedwede handlungsfähige und in ihrem Kontext zum Handeln bereite Person. Diese sehr großzügige Auslegung erlaubt es jedem Menschen, innerhalb des städtischen Raumes wirksame Funktionen zu übernehmen. Aus Sicht der Kunstkritikerin und Kuratorin Lisette Lagnado (Como viver junto, São Paulo 2006) sind Kunstschaffende diejenigen, die im Verbund mit anderen und für das Gelingen des Zusammenlebens arbeiten. „Partizipation heißt, ein gegebenes Vorhaben zu Ende zu führen“, stellt Nicolas Bourriaud (2002) fest. Für uns ist Partizipation der Schlüsselbegriff für das Erfassen und Verstehen des urbanen Raums (im Gegensatz zu einem Verständnis, das Senden und Empfangen als zwei getrennt voneinander verlaufene Prozesse betrachtet). Gemeinschaft – das Zusammenleben in der Stadt – dient als Basis für eine Reflexion sozialer Fragen im urbanistischen Sinne. Julia Maier und Matthias Rick drücken dies in ihrem Buch acting in public (2008) so aus: „Die Stadt ist unsere Möglichkeit; wir selbst sind ihre Macher!“ Es geht uns nicht darum, Armut und Benachteiligung angesichts einer Krisensituation zu romantisieren. Ebenso wenig wollen wir auch ein ästhetisches Muster vorschreiben. Ganz im Gegenteil sind wir uns des Potenzials bewusst, das den von uns untersuchten Initiativen innewohnt. Wir haben Herangehensweisen vorgefunden, die in der Lage sind, Alltagsräume zu verändern und ihnen eine neue Bedeutung zu geben. Die Annäherung an diese lokale Mikroebene lässt ein urbanes Netzwerk sichtbar werden, das für ein neues Zusammenleben im urbanen Raum als eine neue mögliche Strategie von enormer Wichtigkeit ist.
Marcos L. Rosa (1980) ist ein brasilianischer Architekt und Städteplaner. Zur Zeit übt er eine Dozentur an der ETH Zürich aus. Er war Koordinator des “Deutsche Bank Urban Age Award” São Paulo, nahm am Forschungsprojekt “Urban Age South America” teil und gehörte zur Redaktion des São
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Links zum Thema Urban Age LSE Cities SÃO PAULO ARCHITECTURE EXPERIMENT (PDF)
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