Worten

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Lebendige Seelsorge Heft 6/2015 Text-Klang-Raum Die kath. Liturgiewissenschaft steckt zur Zeit in einer Krise. Sie ist in meinen Augen die Neuscholastik nach dem II. Vaticanum, wiederholt

vatikanische

Mantras

(participatio

actuosa

u.a.),

archäologisiert liturgische Entwicklungen und verliert dabei die gottesdienstliche Wirklichkeit aus dem Auge. Deshalb soll bei der evangelischen

prakt.

Theologie/Liturgik

nachgefragt

werden,

welche Impulse sie bereit hält und welche Fragestellungen sie umtreibt. Bei der Perikopenrevision ist ein neuer Begriff in den gewidmet unseren lektoren und mitgliedern des liturgiekreises

Mittelpunkt gerückt: Klangraum. Wie kann das Evangelium heute neu zum Klingen gebracht werden – in den vielfältigsten Formen.

ohne die liturgie und text

THEMA

nicht möglich wären

Alexander Deeg, Klangraum als ästhetischer und liturgiewissenschaftlicher Begriff Christian Grethlein, Paradigma Perikopenrevision. Zur Problematik der Begriffe „Textklangraum“ und „Traditionsbezug“ Replik Deeg Replik Grethlein Andreas Bieringer, Biblische Texte und liturgische Räume. Literatur als Klangraum


PROJEKT Michael Meyer-Blanck, Qualität von Gottesdiensten. Ein evangelisches Projekt INTERVIEW Gespräch mit Andreas Odenthal: Was beschäftigt die kath. Liturgiewissenschaft? Kritische Nachfragen PRAXIS Wie kommt Gottes Wort in unseren Kirchen zum Klingen? Brigitte Schwarz, St. Moritz Augsburg Peter Reinl OSA, Augustinerkirche Würzburg Markus Krauth, Maria Geburt Aschaffenburg Thomas Vogl, Basilika Waldsassen Siri Fuhrmann, Texte-Klänge-Räume. Was sind nachhaltige Gottesdienste? Gotthard Fuchs, Kirchliche Hochfeste als Gesamtkunstwerk. Das Beispiel Burg Rothenfels


WORTEN Worte können greifen. Sie sind noch näher an den Dingen. Begriffe

stehend, sitzend, kniend, liegend oder auch mal tanzend. Wer sich

sind anders, abstrakter. Sie brauchen Griffe, die wir nehmen, um

von ganz unterschiedlichen Feiersituationen in unserem Kirchenraum

einen Sachverhalt greifen, bestenfalls be-greifen zu können. Doch

ein Bild machen möchte, kann sich auf unserer Homepage

Begriffe greifen nicht wie nur Worte es können. Sie greifen. Im

www.maria-geburt.de umschauen.

Glücksfall ergreifen sie uns. Liturgie ist wesentlich die Kunst lustvollen Wortens.

Markus Krauth

Oder auch in dem Buch unserer Gemeinde Maria Geburt blättern mit dem Titel „laetitia vacui – nichts als freude“, in dem sie schreibt und

RAUM

zeigt, was seit der Neugestaltung ihres Kirchenraumes 1999

Der Raum, um den es sich bei diesem Text handelt, ist eine

geschieht. Hier ist zu sehen, welches Potential Liturgie freisetzen

neugotische Kirche in Aschaffenburg, die 1895 erbaut und 1999 von

kann, wenn Feste und Feiern ebenso auf das Wesentliche reduziert

dem Wiener Künstler Leo Zogmayer in radikal minimalistischer Weise

und zugleich mit allen Sinnen, mit Leib und Seele bewusst gefeiert

neu gestaltet wurde. Ein Gotteshaus, das dem Eintretenden ein

werden. Leere wird hier nicht durch anscheinend reizvolle Völle

überraschendes Gottes“Bild“ ohne Bild vor Augen führt - erstaunlich

kompensiert, wie es öfter in unserem Alltag passiert. Die Leere des

wie Gott bildlos sein kann - vielmehr besser ist. Ein besonderes

Raumes lockt in die Fülle. Menschen, sobald sie sich auf die

Merkmal dieses Weite und Helle ausstrahlenden Raumes

Atmosphäre des Raumes und der gefeierten Liturgie einlassen

kennzeichnen die mobilen, nur leicht mit Zwischenbrettern

können, gehen nicht leer aus der Leere heraus, sie können durch

verbundenen Stühle der Feiernden.

Fülle und Erfüllung sich beschenkt und bestärkt erfahren.

Sie ergeben die kreative Möglichkeit, unterschiedlichste Raumfiguren

HÖRENDES WORT

zu bilden: Verschiedene Sitzblöcke, ein Tau, ein Karree, ein U, eine

Soll es zu einem spirituellen TextKlangRaum kommen, braucht es

Straße, ein Oval, ein Kreis oder auch mal in freien Formen je nach

zunächst den Text, der sich im einlassenden Lesen aus der Fläche

Anlass oder liturgischem Festinhalt. Die Gemeinde erfährt sich dabei

der schwarz bedruckten Buchseite seinen Innenraum öffnet.

als lebendigen (Raum)Körper im Raum, jeder in unterschiedlichsten

Das geschieht, indem der Leser die Oberfläche seines Alltagsbewußt-

Positionen, wechselnden Perspektiven und Wegen - gehend,

seins durchschreitet, so dass auch sein Innenraum sich auftun kann.


Der Raum seiner momentanen Erfahrung und Befindlichkeit, sein

Lesende ohne Worte die Hörer ein, in „seinen“ entdeckten Hörraum

mitgehender biographisch-spiritueller Erfahrungsraum mit allem, was

des Textes mit hinein zu gehen.

ihm bisher widerfahren ist, wird eins mit dem vorliegenden Textraum. Die Worte wecken eigene Erfahrungen und regen sein Denken und

Es bildet sich ein neuer Text-Hör-Sprecher-Gemeinde-Raum.

Fühlen an. Es geht um mich. Der Text ist die Matrix (vgl. mater),

Aus dem Text entsteht ein Klangraum, der durch den Sprecher

die den Sprecher lesend gebiert.

gegangen – existentiell energetisiert - und nun in der Versammlung zum Ausdruck, zum Klingen kommt. Aus dem Berührt-sein vom Text

Beim Vortrag des Evangeliums beginnt der Klangraum bereits bevor

kommt es im besten Fall zum Berühren der Anwesenden durch

der Text ins Spiel kommt. Licht- und Weihrauchträger nähern sich

Stimme, Klang und Wort, die den Hörern unter die Haut gehen kann.

dem Priestersitz, von dem aus Weihrauch in das Rauchfass eingelegt wird. Geräusche sind unvermeidlich und kündigen schon akustisch

Dabei ist darauf zu achten, die Leerstellen des Textes nicht zu

an, dass da etwas kommt. Danach erhebt sich der Dienst von den

übersehen und zu überlesen. Oft sind sie gerade das Wichtigste.

Plätzen, während die Orgel das Halleluja zum Evangelium intoniert.

In ihnen kann durch interpassives Hören das Meiste geschehen.

Die Evangelienprozession setzt sich in Bewegung. Im Gehen wird

Es kommt zu einem Nachklingen lassen und zugleich kann das

das Halleluja vom Zelebranten angestimmt. Während die Gemeinde

Gesagte sich ins Unsagbare weiten.

den Ruf erwidert, wird das aufgeschlagene Lektionar beräuchert mit mehrfachem rhythmischen, deutlich hörbaren Anschlagen der

Soll der Hörer in dem gemeinsamen Raum mitkommen, verlangt die

Trageketten an das Rauchfass.

Stille von ihm, hellwach Leerstellen in sich zu nutzen, Erfahrungen oder Assoziationen kommen zu lassen. Dazu braucht er je nach Text

Vor dem Lesen des Evangelientextes wird der TextKlangRaum

Zeit, der ihm nicht genommen werden darf, sonst kann er nicht

dialogisch eröffnet. Die Präsenz des „Herrn“ wird in den Texten und

(auf)lesen, was ihm vorgelesen wird. Er kann nicht mitgehen,

Hörern aufgerufen.

in Klang und Text hineingehen. Ich hole in verbal rein und lasse ihn

Es geht in erster Linie darum, den inspirierenden Autor durch den

nonverbal draußen vor.

Text hindurch zu hören. Wird der Text nun der Gemeinde zu Gehör gebracht, kommt es zu einer Raumerweiterung. Lesend lädt der

Um das Reinkommen zu erleichtern, eignet sich eine angemessene, abwechselnde Lesegeschwindigkeit. Vor allem Momente der Stille,


die keine Pausen sind. In ihnen hört der Hörprozess nicht einfach auf.

draußen, um sie zu verscheuchen. Doch weit und breit ist niemand zu

Die Stille gibt zu hören, führt in die Tiefe. Die rundherum

sehen. Er kommt wieder in den TextKlangRaum des Kirchenraumes

wahrgenommene Hörbereitschaft schafft einen dichten Hörraum,

zurück, den er soeben verlassen hatte. Getäuscht hatte er sich:

der nochmals das innere Hören, das Hineinkommen in das

Der Lärm kommt aus einem größeren CD-Player in der Apsis.

Gesprochene stärkt.

Eingespielt zu dem Lesungstext wird auf einer CD eine Hommage an

Endet der Textraum, so noch lange nicht der TextKlangRaum.

den Komponisten John Cage. Ein Freund von ihm legte sich mit

Er braucht atmosphärisch Zeit zum Nachklingen. Angeklungenes

Aufnahmegerät unter einen englischen Sportwagenmotor, der einen

möchte nachklingen und nachwirken können. Läuft der Lektor gleich

satten Sound verbreitet. Er spielt seine Improvisation lediglich mit

davon, zerstört sein Verhalten diesen so zentralen Raum

einer Taste, dem Gaspedal.

konzentrierter Stille. Es treffen zusammen eine kaum wahrnehmbare Poesie der biblischen KONFRONTIERENDES WORT

Geschichte mit der ungewohnten Poesie von mehr oder weniger

Die Schöpfungsgeschichte der Osternacht – oszillierend zwischen

aufbrausenden, ja aufheulenden und wieder abflachenden

poetischem Anreiz und zur Routine drängender Langeweile hat es

Geräuschen eines Technikproduktes menschlicher Ingenieureskunst.

nicht leicht, obwohl hier siebenfach das performative Sprachwunder

Die Möglichkeit tut sich auf, die Anfangsgeschichte der Bibel als

geschieht: „Gott sprach... und es ward!“

einen tönenden Klangraum des Schöpfers zusammen mit von

In der Osternacht vor ein paar Jahren bekommt der Anfang der UR-

menschlicher Technik komponierten durchaus auch klingenden

Geschichte Konkurrenz. Zum Lauten der Lesungsworte schiebt sich

Geräuschraum gleichzeitig zu hören. Wortklang und Motorgeräusch,

akustisch mitlaufend ein zweiter wortfreier Klangraum hinzu, der im

Schöpfung und Technik, Gott und Mensch in einem Text-Klang-

Grunde keiner ist. Empfunden wird er als Hintergrundrauschen,

Geräusch-Raum. Herausfordernde Mystik für neue Ohren und neue

als störendes Geräusch, das das Verstehen des Textes um einiges

Herzen.

erschwert. UNVERSTÄNDLICHES WORT Ein 60-jähriger Gottesdienstteilnehmer mit Hörgerät denkt,

Zum TextKlangRaum in der Liturgie gehört wesentlich der Atem.

der Lärm kommt von draußen. Er vermutet Motorradfahrer, die den

Ohne Atem kommt kein Text in den Raum, ans Ohr. Er ist basal,

Gottesdienst stören wollen und geht schnellen Schrittes nach

erhält das Sprechen und den Sprecher am Leben.


Zu Beginn des Pfingstfestgottesdienstes wird die Lungenbewegung

Das Kosten des Wortes braucht Zeit. Dadurch kann der Text im

beim Ein- und Ausatmen mit einem 8 x 6 m roten Tuch von zwölf

Wechsel von Klang und Stille im Einzelnen wie in der Gruppe Raum

Liturgen durch Auf- und Abwärtsbewegungen über das mittig im

greifen, seine Präsenz steigern. Wir achten darauf, wo der Text uns

Raum stehende mit Wasser gefüllte Taufbecken zum Schwingen

anspricht und berührt, was er in uns auslöst.

gebracht. Die entstehenden Luftwogen lassen auf der Gesichtshaut gut wahrnehmbare Luft- und Druckklangwellen entstehen.

Mit einem kleinen Impuls verwandelt sich der Textklangraum in den

Zur Lesung finden unterschiedliche Sprachen – vietnamesisch,

Gesprächsklangraum der Gruppe. Jeder Teilnehmer geht mit und

französisch, spanisch – teils versetzt, teils gleichzeitig zusammen,

durch den Text seinen ganz persönlichen inneren Weg. Im Äußern von

so dass der Klangraum das Verstehen nahezu verunmöglicht...

verschiedenen Gedankengängen, Gefühlen. Erkenntnissen und

ein akustisch-mentales Wirrwarr. Jeder weiß natürlich durch kleine

Einsichten kommt Inneres durch viele Stimmen polyphon nach Außen.

deutsche Sprachfetzen, um welches Ereignis es sich handelt. Und genau dieses nichtverstehbare Ereignis erzeugt besondere

Innenräume weiten kraft des eigenen Berührt-seins sprachlich und

Aufmerksamkeit im liturgischen Hier und Jetzt der versammelten

energetisch die Hörer ebenso wie den gemeinsamen Textgruppen-

Gemeinde. Nicht zu begreifen. Die Hörer lassen sich intensiv von

raum. Die Gruppe sieht mehr als der Einzelne und die Einzelnen

diesem Klangraum ergreifen. Ergriffen ist weit mehr als bloß begriffen.

zusammen.

SPRECHENDES WORT

Wenn ein Wort so trifft, dass Außen und Innen zusammenfallen,

Im wöchentlichen Abendgottesdienst, gestaltet als Gesprächsgottes-

wird das Wort von Außen, vom anderen gesprochen wie aus dem

dienst, lesen wir in der Wortfeier als „lectio continua“ ein gemeinsam

Inneren gehört. Es verschwinden Außen- und Innenraum. Wort und

gewähltes Buch aus der Bibel oder - wie geschehen – gleich zwei mal

der Einzelne sind ein. Es hat ihn getroffen. „Sprich nur ein Wort...“!

hintereinander fünf Jahre lang Vers für Vers das Thomasevangelium.

Innenklang und Aussenklang stärken im Hören die Dichte des

Der sehr knapp gehaltene Text für das Gespräch im Stuhlkreis wird

Gesprächsprozesses.

dreimal mit unterschiedlichen Stimmen in die Runde gesprochen. Dazwischen lassen wir eine kürzere und eine längere Stille.

Was am Ausgesprochenen berührt, kann sich im Alltag eines Menschen irgendwann wieder rühren. Plötzlich ist das Gehörte oder


Gesprochene wieder da. Es nimmt Einfluss auf den Moment, in dem

ERGREIFENDES WORT

jemand sich gerade befindet, auf sein Denken und sein Fühlen.

Die Liturgie bietet sich als idealer Ort an, an dem sich

Es kann ihn aus seinem gewohnten Muster heraus rufen und ihm

unterschiedliche TextKlangRäume aufbauen und intensive spirituelle

Handlungsalternativen eröffnen. Nimmt er den Anstoß auf und lässt

Erfahrungen wecken können.

sich davon leiten, kann sein Tag an einer entscheidenden Stelle für ihn zufriedenstellender verlaufen.

Das eröffnet Wahrnehmungsräume, die wesentlich über ein rein rationales Verstehen von Texten hinaus gehen. Klang ist für uns

Ertönt zum zweiten Mal die Klangschale, erheben wir uns gemeinsam

Menschen ein ganzkörperliches Ereignis. Er kann durch und durch

und nehmen langsam, bewusst schreitend in einer Unendlich-Schleife

gehen, wie das Wort als Geist durch und durch gehen kann und das

(die liegende Acht) das Gehörte und Gesprochene mit zum Altartisch

Innerstes durchdringt. Das Ausgesprochene geht durch die Poren der

und bilden dort einen rituellen Raum. In ihm entsteht ein neuer

Haut und weitet im Adressaten seinen Hörraum und so seinen inneren

TextKlangRaum durch das meditativ gesprochene Hochgebet und

Lebensraum. Wir hören weit mehr als wir verstehen.

den teils mehrstimmig gesungenen Antworten (Deinen Tod, o Herr,

Und wir sehen weit mehr als wir sehen.

verkünden wir... Amen, Sanctus, Vater Unser). Dann schiebt sich das gut hörbare Knacken beim Brechen der großen Brothostie in die

In der Feier der Liturgie geht es nicht in erster Linie um ein Begreifen

spontan dazu gesprochene „relecture“ der Wortfeier, gewonnen aus

wollen. Wer den Leib Christi lediglich begreift, hat ihn noch längst

der Frage: Wo berührt sich das vorher ergangene Wort mit dem

nicht „begriffen“. Denn wenn WORT GOTT ist, wie der Evangelist

Gestus des Brechens, um mit dem Wort den Ritus tiefer zu

Johannes uns ins Herz einschreibt, dann will es natürlich nicht nur ein

erschließen und umgekehrt den Ritus durch das Wort?

Werkzeug, unseren Verstand, ansprechen. Alle Sinne kommen ins Spiel, Körper und Psyche, unser Herz, unser Geist, in denen letztlich

Das gehörte, gesprochene und über Brot und Wein gebetete und so

Wort, Raum und Klang sich im Wort-losen auflösen, schweigend

in Leib und Blut Christi inkarnierend verwandelnde Wort wird nun

immer wieder schwinden.

geteilt und miteinander kommuniziert. Intensives Hören z. B. auch mit dem Tastsinn kann einen Teilnehmer so weit bringen, dass es ihm die Sprache verschlägt und damit Klang und Raum. Ihm verschlägt `s die Sprache, so dass kein Laut mehr aus


ihm raus kommt. Verstummt - keine Worte dafür - wortloses Wirken -

Gemeinde entspringende Sprechen Wirkung freisetzt. Die Gemeinde

ergriffen, ohne begreifen zu können - Höchstform von Wortgeschehen

fühlt sich in den Entstehungsprozess der Predigt durch ihre

– Wort GOTTES - Liturgie als Höhepunkt und Quelle von Gemeinde,

Aufmerksamkeit mit hineingenommen. Wenn so das Wort wirken und

die sich aus dem Geist immer wieder neu gebären lässt.

Ohren und Herzen öffnen kann, kommt es immer wieder mal zu der Äußerung von Hörern, die hinterher sagen: „Sie haben mir aus der

Es geht also – so wichtig es auch ist und sein mag - primär nicht ums

Seele gesprochen!“ Natürlich ist es nicht der Prediger, der solches zu

Verstehen und Begreifen - (si comprehendis, non est deus / non est

bewirken im Stande wäre. Es muss vielmehr aus (seiner) Seele

verbum dei!), sondern um die Kunst und die Gnade, sich vom

gesprochen sein, um Seele zu berühren zu können. Jedenfalls

Gehörten be-rühren, er-greifen zu lassen. Nicht ich greife und

geschieht etwas Wunderbares, wenn eine Seele durch das Wort von

begreife. Er greift mich.

außen in sich zu sprechen beginnt. Keine Fremdheit mehr. Keine Entfernung. Außen ist innen. Innen ist außen. Ganz bei Sich – EIN.

Liturgie kann und darf das nicht machen. Sie braucht das auch nicht. Es geht um ein nicht handelndes Handeln der Zelebranten und

Der TextKlangRaum der Predigt ermöglicht eine Wortkommunion,

Konzelebranten, das nur so weit reichen kann, dass geschehen kann,

eine Kommunion von Seele und Seele – seelenverwandt. Die höchste

was durch das WORT geschehen will. Dazu gibt es keine Strategie.

Form von Communio. Von der Wortkommuni(kati)on zur wortlosen

Doch wenn es zu einem Ergriffen-sein von Einzelnen oder der

Communio. EIN - schweigend. Still.

Gemeinde kommt, zeigt dies, dass TextKlangRäume das Vermögen in sich bergen, solch spirituelle Erfahrungen im kultischen Rahmen

RITUELLES WORT

einer Gemeindeversammlung zu ermöglichen.

Der Segen ist ein durch sich zuwendende Gebärde, Gesten und Worte (aaronitisch) - ohne sichtbaren Text - erzeugter dialogischer

Das geschieht auch beim freien Predigen. Das freie Wort mit freier

EnergieKlangRaum. Segnen ist ein Geschehen, das alle Vernunft,

Mimik und Geste wird im Moment oft intuitiv geboren. Der Sprechakt

Wissenschaft und Empirie übersteigt. Was letztlich mit jedem

wird nicht mehr von einer textlichen Vorlage ausgelöst. Ein Ablesen ist

Einzelnen und der Gemeinde insgesamt geschieht, ist im wahrsten

nicht möglich. Der Text webt sich erst im sprechenden Prozess mit

Sinne des Wortes unbeschreiblich und unsagbar. Es geht nicht um

voller geistiger und körperlicher Wachheit. Keine Frage, dass dieses

ein bloßes Verständnis, sondern ein synchrones Sagen und Zeigen,

lebendigere aus der Situation im nonverbalen Dialog mit der


das seine performative Kraft im gemeinsamen rituellen Vollzug

Es geschieht, keiner weiß genau wie... Für die Wissenschaft, die sich

entwickelt.

rational dünkt, muss es Magie sein, unbegreiflich und deswegen irrational. Ja, genau darum geht es in der Liturgie: Über das

Priester und Gemeinde bilden ein gemeinsames Energiefeld, in das

Sichtbare, Hörbare, Verstehbare und Begreifbare durch alle Sinne

jeder eingebunden ist. Beide sind hineingenommen in einen

hindurch zu gehen zu dem, was nicht mehr sichtbar, hörbar, tastbar,

spirituellen Raum des Segnens, in dem das je neu geschieht und

verstehbar, sagbar ist. Theologisch reden wir dann davon, was Gott,

jeder persönlich erfahren darf, was wahr und gültig ist: Du bist immer

Geist oder Liebe wirken. Es ist nicht von dieser Welt, was uns

schon - unabhängig von deiner Verfasstheit, deines Tuns, deiner

allerdings bestens nicht nur in dieser Welt leben und bestehen lässt.

körperlichen oder psychischen Gesundheit - gesegnet (bene-deit). TANZENDES WORT Lässt sich der Einzelne darauf ein, spürt er, wie es wirkt, wie Gott in

An Festen, die laut deutscher Sprache begangen werden, kommt es

und durch ihn wirkt. Diesen Wirken will nicht enden, es will vielmehr

zu einer noch viel komplexeren liturgischen Raumerfahrung.

weiter strömen im persönlichen Denken, Reden und Tun. So kann

Das liturgische Ensemble betet still in Orantenhaltung – wie immer

sich jeder sagen: Ja, es ist ein Segen, als Gesegneter ein Segen für

vorgesehen mit dem Priester - um den Altar stehend die Präfation.

andere sein zu dürfen. Denn alles – Klang, Worte, Gesten und

Danach stimmt die Gemeinde unter Orgelklang z.B. in das Lied

Gebärde - kommt darauf an, dass dieser performative Akt wieder klar

„Hagios o Theos“ ein. Dabei beginnen die Zelebranten, in der

macht, was der Mitfeiernde in erster Line ist – vor(!) allem, was er

Orantenhaltung bleibend, sich um die eigene Achse zu drehen.

denkt, erfährt oder tut: Ein Segen. Geschieht dieser Akt bewusst

Zugleich bewegen sie sich vom Altar weg in das Innere der zu einem

rituell, gewinnt der Segen für den Einzelnen kraft der Wiederholung

großen Oval geformten Stuhlordnung.

Dauer und Beständigkeit. Es entsteht ein TextKlangBewegungsRaum von eigener Art, in den Das wird zwischen Zelebrant und Gemeinde je neu körperlich,

sich die liturgischen Körper sich frei bewegend singend - drehend –

psychisch und geistig durchgespielt, um die Grundlage christlicher

tanzend einschreiben. Der Klang der gesungenen Worte durch die

Existenz nicht zu vergessen.

Gemeinde, der spielende Klang der Orgel, die Gebärden und Schritte der Liturgen und der durchtanzte, durchsungene Raum bilden eine wahre Symphonie, einen stimmigen Zusammenklang.


Trinken des WORTES – ER gibt sich im Wort, das sich inkarniert - „ Zum Hochfest des Heiligen Geistes öffnet sich die den Kirchenraum

Das ist mein Leib. Das ist mein Blut.“ - in die Gottesgaben Brot und

überwölbende Decke in der Schnittstelle der sich kreuzenden Rippen.

Wein – er gibt sich im gesamten Kosmos und in seinem sich ebenso

Zu Gesang, Tanz und Orgelspiel fallen plötzlich aus dem Loch im

bis zum äußersten gebenden Sohn.

Mittelpunkt der gesamten Kirchendecke fast handgroße rote

Nach dem Hochgebet in der Feier der Eucharistie antworten wir nicht:

Papierstreifen „wie von Feuerzungen“ herunter. Dieses Farbspiel

Ja, verstanden! Worte kommen erst dann wirklich an, wenn sie im

korreliert mit dem ähnlich gestalteten Pfingstgewand des Zelebranten

Inneren klar geworden sind. Ja, genau so ist es. Die Liturgie legt uns

aus beiger Seide mit roten, gleichgroßen aufgenähten Textilstreifen.

dazu das entsprechende UR-Wort auf die Zunge: AMEN - so ist es! -

Die Zungen schwirren, drehen, stürzen, kreisen, tanzen schwirren und

im Indikativ, nicht wie meist übersetzt wird: So möge es sein.

durchwirbeln den festlichen Klangraum und landen nach einiger Zeit mitten in der Gemeinde an unzähligen Orten am Boden, auf Stühlen

Im Essspruch vor dem Kommunionempfang verdichtet sich, was sich

oder sonst wo. Was man mit Texten alles machen kann, wenn man

als Essenz aus dem bisherigen gewonnenen kommunikativen Prozess

ihnen ihr unergründliches Potential nicht von vornherein abspricht

inhaltlich ergibt. Sprich nur EIN WORT..., meist ist es ein Satz – das

oder gar nicht in Blick nimmt, ist grandios.

die um den Altar Stehenden nochmals innerlich aufruft, um Leib und Blut Christi zu genießen und sich daran inhaltlich zu nähren. Dadurch

Wie sich hier im kultischen Vollzug des Pfingstereignisses nicht nur

dass Gott sich gibt, hört die Grenze -„ungetrennt und unvermischt“-

Brot und Wein und die Feiernden wandeln, kann man daran ablesen:

zwischen ihm und dem Menschen auf - nahtlos. Die Essenz in Wort,

Nach dem Festgottesdienst nehmen sich eine ganze Reihe Leute eine

Brot und Wein kann näher gehen als ein Mensch sich nahe ist.

rote, kultisch aufgeladene Feuerzunge mit nach Hause, die nun mehr

Es durchdringt ihn. Es braucht nicht mehr. Wir können schweigen.

als bloß ein kleiner roter Papierstreifen ist. Der Raum weitet sich von

Das Verbundensein mit Gott, miteinander und allem, was ist,

selbst vom Kirchenraum in den Raum des Alltags.

wirkt kraft des Geistes im rituellen Essen und Trinken.

WORTLOSES WORT

Markus Krauth, 25 Jahre Pfarrer in Maria Geburt, Aschaffenburg

Der Glücksfall von Kommunikation ist Kommunion – das

5 Jahre koordinierender Pfarrer in der Pfarreiengemeinschaft Maria

Übereinstimmen, das Einsein mit dem Kommunizierten und den

Frieden, Aschaffenburg

Kommunizierenden. Der liturgische Testfall dafür ist das Essen und


Homepage www.maria-geburt.de Buch Arbes Edeltraud (Hg.), laetitia vacui – nichts als freude, Lindenberg im Allgäu 2010 E-Paper http://issuu.com/markuskrauth/docs/pub_zu_mg http://issuu.com/markuskrauth/docs/publikationen_maria_geburt Youtube www.youtube.com/watch?v=q9anuLQtUNs


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