scheitern_brosch端re
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 1
GESCHEITER(T)? Tabuthema und Chance Eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem wirtschaftlichen Scheitern
scheitern_brosch端re
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 2
GESCHEITER(T)?
IMPRESSUM: Herausgeber: gruppe1031 Schwarzenbergplatz 4, A-1031 Wien Telefon: 0043 1 711 35 2304 (Doris Hirt) Fax: 0043 1 711 35 2917 email: d.hirt@iv-net.at www.gruppe1031.at F端r den Inhalt verantwortlich und Redaktion: Karin Kreutzer Layout & Grafik: Mag. Caroline Sibitz Grafik U4: Brigitte Knoll Druck: SPV-Druck GesmbH Alle Rechte vorbehalten, auch der auszugsweisen Wiedergabe in Print- und elektronischen Medien.
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 3
GESCHEITER(T)?
INHALTSVERZEICHNIS VORWORTE Dr. Veit Sorger
S 4
Mag. Georg Kapsch
S 4
Der Vorstand der gruppe1031
S 5
ERGEBNIS DER GALLUP-UMFRAGE ZUM THEMA SCHEITERN
S 6
WAS VERSTEHEN WIR UNTER SCHEITERN?
S 10
GESCHEITER(T) – AUS PSYCHOLOGISCHER SI CHT: 13 FALLEN UND WIE MAN SIE VERMEIDET
S 12
GESCHEITER(T) – DER GESETZLI CHE ASPEKT: VON KONKURS BIS SANIERUNG
S 22
GESCHEITER(T) – DER FINANZIELLE ASPEKT: STEUERKNIGGE
S 28
IM GESPRÄCH – ZUSAMMENFASSUNGEN VON D ISKUSSIONEN MIT GÄSTEN DES ARBEITSKREISES Veit Schmid-Schmidsfelden
S 31
Univ. Prof. Dr. Nikolaus Franke
S 32
Dr. Hans-Georg Kantner
S 34
KARL P. IM GESPRÄCH MIT CHRISTIAN STÜGER
S 36
LINKS UND LITERATUR
S 38
MITGLIEDER DES ARBEITSKREISES DER GRUPPE1031
S 39
EXPERTEN UND INTERVIEWPARTNER
S 40
3
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 4
GESCHEITER(T)?
VORWORTE Niemand scheitert gerne, weder im
Der gruppe1031 danke ich für diese Broschüre und
oder er auch heute ist – kann vor einem künfti-
Wirtschafts- noch im Privatleben.
vor allem dafür, dass sie uns Mut macht, das
gen Scheitern gefeit sein. Dies ist kein Aufruf, die
Obwohl sich unsere Gesellschaft
Scheitern als Chance und Möglichkeit zu Neuem
Dinge leicht zu nehmen, denn das eigene Schei-
zunehmend an Leistung orientiert, ist
zu begreifen.
tern zieht meist andere mit sich. Aber es ist sehr
Erfolg, gerade wenn es sich um finanziellen
wohl ein Aufruf, auf Menschen, die Wagnisse –
Erfolg handelt, oft ein Neid- und Tabuthema.
Dr. Veit Sorger e.h.
und Unternehmertum ist ein Wagnis – eingegan-
Mit dem Scheiten ist es ähnlich: Die Insolvenz
Präsident der Industriellenvereinigung
gen und dabei gescheitert sind, nicht hinunterzu-
oder der Ausgleich eines Unternehmens gehen
Wien, im November 2007
schauen, denn manches lässt sich auch mit größ-
nicht nur mit einem Imageverlust der Firma ein-
tem Können und Fleiß nicht vermeiden.
her, sondern belasten auch die handelnden Personen. Ein Neustart wird schwierig, weil es an
Mag. Georg Kapsch e.h.
Optimismus oder Mut fehlt, die Chance neu zu
Jeder Mensch sollte in seinem Leben
Vorsitzender des Vorstandes der Kapsch AG
beginnen bleibt ungenutzt.
zumindest einmal wirtschaftlich
Präsident der gruppe1031, 1988-1992
Diese Broschüre soll helfen, das Scheitern als
gescheitert sein. Warum eigentlich?
Wien, im November 2007
Chance zu verstehen: Nur wer etwas unter-
Nur Menschen, die wissen, was
nimmt, wird zum Unternehmer und nicht zum
Scheitern bedeutet, können andere, die in Notsi-
Unterlasser. Und nur wer etwas unternimmt,
tuationen geraten sind, verstehen und sind auch
kann auch scheitern.
selbst in schwierigen Situationen gefestigter als
Unternehmerisches Scheitern wird im Geschäfts-
Menschen, denen das Glück immer hold war.
leben als unerfreulich wahrgenommen, es darf aber nicht zur gesellschaftlichen Ächtung führen.
Scheitern hat sehr viel mit Mut und Glück zu tun. Nur wer die Möglichkeit des Scheiterns akzep-
In jeder Niederlage steckt die Chance des zukünf-
tiert, wird auch bereit sein, genügend Risiko zu
tigen Erfolges. Die Voraussetzung dafür ist, dass
übernehmen, Großes zu bewegen. Scheitern ist
die richtigen Schlüsse gezogen werden und aus
nichts Unehrenhaftes, es geht nur darum, daraus
dem Scheitern gelernt wird.
etwas zu lernen. Niemand – so erfolgreich sie
4
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 5
GESCHEITER(T)?
Liebe Leserinnen, liebe Leser! Als wir 2006 mit unserem Arbeitskreis „geschei-
und die nicht zerbrechen oder resignieren, wenn
anzunehmen. Erfahrungsgemäß eine der besten
sie einmal scheitern, sondern daraus lernen
Prophylaxen, um mit Misserfolg konstruktiv
können.
umzugehen und vor allem auch, um Scheitern zu
ter(t)?“ begonnen haben, war der Anlass unter
verhindern.
anderem das Ergebnis des „Global Entrepreneur-
Um die eigene Problemlösungskompetenz und
ship Monitor 2005“*. Der GEM-Report für Öster-
Widerstandskraft zu stärken und um für ein
Wir freuen uns auf Rückmeldungen und Diskus-
reich ist eine Untersuchung der FH Joanneum in
„Tabu-Thema“ sensibler und offener zu werden,
sionen und hoffen, mit dieser Broschüre den
Kooperation mit der Karl-Franzens Universität
ist es wichtig, sich mit der Thematik aus unter-
einen oder anderen konstruktiven Gedankenan-
Graz, global koordiniert von der London Business
schiedlichen Blickwinkeln auseinanderzusetzen.
stoß geben zu können.
School und dem Babson College (USA). Er belegt
Diese Broschüre, eine Zusammenfassung unseres
wissenschaftlich, dass es im Gegensatz zum
einjährigen Arbeitskreises, soll dafür eine Unter-
angelsächsischen Raum bei uns keine „Kultur des
stützung bieten.
wirtschaftlichen Scheiterns“ gibt, sondern dass Scheitern vielmehr stigmatisiert und nicht als
Einen Schwerpunkt unserer Arbeit haben wir auf
Lernprozess gesehen wird. So gaben z.B. 46 % der
die psychologische und kommunikative Facette
2.200 befragten Österreicherinnen und Österrei-
des Scheiterns gelegt. Sie ist besonders bedeut-
cher an, dass sie Angst davor haben zu scheitern
sam, um das Thema zu ent-tabuisieren und eine
und deshalb lieber ihre Ideen und Talente für
„Kultur des wirtschaftlichen Scheiterns“ zuzulas-
unternehmerische Aktivität ungenutzt lassen,
sen, denn Misserfolg in anderen Lebensbereichen
Herzlich
bevor sie das Risiko eingehen zu versagen.
gilt bei weitem nicht so als „gescheitert“, wie die
der Vorstand der gruppe 1031
von uns in Auftrag gegebenen Gallup-Umfrage
Wien, im November 2007
Für eine erfolgreiche, innovative Zukunft, für
v.l.n.r.: 1. Reihe: Doris Hirt, Gernot Essl, Astrid Stüger-Hübner, Karin Kreutzer; 2. Reihe: Joachim Zimmel, Dieter Poller, Konstantin Bitzios
ans Tageslicht brachte (Details siehe Seite 6). * Der GEM-Report ist downloadbar unter
wirtschaftliches und unternehmerisches Handeln bedarf es aber Ideen und Talente. Es bedarf
Gäbe es aber eine „Kultur des wirtschaftlichen
Menschen mit Problemlösungskompetenz, Mut
Scheiterns“, dann würde dies zweifellos viel Krea-
und Widerstandskraft, die mit negativen Kräften
tivpotenzial und Umsetzungskraft freisetzen. Es
und Erfahrungen konstruktiv umgehen können
wäre legitimer, um Hilfe zu bitten und sie auch 5
http://www.gemconsortium.org/files.aspx?Ca_ID=183
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 6
GESCHEITER(T)?
GALLUP-UMFRAGE: „GESCHEITERT“ GELTEN MENSCHEN OHNE ARBEIT Schieflage bei Job und Geld bewerten Österrei-
Mit 10 % erst an 6. Stelle verbinden Herr und Frau
cherInnen härter – privates Versagen wird milder
Österreicher mit „gescheitert sein“ Einsamkeit,
gesehen.
kein soziales Netz – wie Familie und Freunde – zu haben.
Mit dem Begriff „gescheitert“ verbindet Österreichs berufstätige Bevölkerung vor allem Arbeitslosigkeit und Arbeitsverlust. Das ist das
Frage 1 Angaben in %
Wann wird Ihrer Meinung nach eine Person als gescheitert angesehen?
Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Gallup-Instituts im Auftrag des Wirtschaftsclubs gruppe1031, durchgeführt im Herbst 2007. 35 % der Befragten antworteten auf die Frage „Wann wird Ihrer Meinung nach eine Person als
0
Vor allem Selbständige und Freiberufler sehen dies zu 52 % so. An zweiter Stelle mit 18 % wird mit gescheitert
Frauen etwas stärker zutrifft (20 %) als für
15
20
25
30
35
35 35 30 18
13
Armut, kein Geld, Schulden
19 16 16 16
(Lebens-)Ziele, Erwartungen, Aufgaben nicht erreicht 13
Obdachlosigkeit
9 7 5
Alkohol- und Drogenprobleme
Krankheit
1
Verbrechen, Straffälligkeit
1 1 1
anderes 1
An dritter Stelle mit 16 % wird „nicht erreichen von Lebenszielen, Aufgaben und Erwartungen“ genannt.
6
3
2 2
Männer (17 %).
17
2
14 14
Gesamt n=590
10 11
bis 30 Jahre n=145
7 7
bis 50 Jahre n=337 8
über 50 Jahre=108
2 2
17
13
9
Einsamkeit, kein soziales Netz (Familie, Freunde)
20
16
10
Selbstaufgabe, mangelnder Lebenssinn, kein Glaube/Hoffnung
„kein Geld aber dafür Schulden haben“ und „generell Armut“ assoziiert. Wobei dies für
10
Arbeitslosigkeit, Arbeitsverlust
gescheitert angesehen?“ mit „wenn sie arbeitslos ist“ bzw. „wenn sie ihre Arbeit verloren hat“.
5
3
40
37
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 7
GESCHEITER(T)?
GEFÜHLE: STARK NEGATIVE EMPFINDUNGEN
Frage 2 Angaben in %
Welche negativen Gefühle und Konsequenzen verbinden Sie persönlich mit der Tatsache, in einer beruflichen / wirtschaftlichen Situation gescheitert zu sein?
MIT WIRTSCHAFTLI CHEM SCHEITERN
0
5
10
15
Traurigkeit, Depression, Frustration
13
Hoffnungslosigkeit, Aussichtslosigkeit, Selbstaufgabe
13
ASSOZIIERT Mit „wirtschaftlich gescheitert“ werden stark
Geldprobleme, finanzielle Sorgen, Armut
negative Gefühle verbunden: 25 % der Befragten
12
nennen Traurigkeit, Depression, Frustration, 14 % geben Hoffnungslosigkeit, Aussichtslosigkeit,
3 8 8 8
Einsamkeit, Ausgeschlossenheit
Selbstaufgabe an und 13 % finanzielle Sorgen. Der Verlust des Ansehens wird vor allem von Menschen zwischen 30 und 50 Jahren mit dem Begriff „wirtschaftlich gescheitert“ assoziiert (10 %).
Wut, Ärger, Aggression Angst
2
Wertlosigkeit, Nutzlosigkeit
2
Obdachlosigkeit
5
3 3 3 4
Krankheit
1 1 1
Mitleid
1 1 1 1
2
9
7
4 3
7
Gesamt n=590 bis 30 Jahre n=145 bis 50 Jahre n=337
3
Verlust des Lebensstandards, kein Luxus mehr
7
4 3
2 2
13
6 6
Drogen- und Alkoholmißbrauch
11
6 6
1
17
10
3 2
14
7
4
Verlust des Ansehens
16 15
12 12 10
Arbeitslosigkeit, Jobverlust
25
11
8
Selbstwertprobleme, sich als Versager fühlen
25
15 14
13
20
16
5
über 50 Jahre=108
30
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 8
GESCHEITER(T)?
80 % DER ÖSTERREI CHER I NNEN HABEN SI CH
Frage 3 Angaben in %
Haben Sie sich schon einmal beruflich / wirtschaftlich gescheitert gefühlt?
NOCH NIE ALS GESCHEITERT GEFÜHLT
ja 0
Sich selbst als beruflich bzw. wirtschaftlich
10
20
30
40
nein 50
60
19
Gesamt n=590
81
gescheitert betrachtet haben sich erst 19 % der österreichischen Bevölkerung – 20 % der Männer und 17 % der Frauen. Der Wert steigt leicht mit
bis 30 Jahre n=145
8
92
dem Alter, aber insgesamt rund 80 % der ÖsterreicherInnen geben an, dass sie noch nie das Gefühl
bis 50 Jahre n=337
22
78
über 50 Jahre=108
23
77
hatten, beruflich bzw. wirtschaftlich gescheitert zu sein.
Männer n=333
Frauen n=256
8
20
17
80
83
70
80
90
100
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 9
GESCHEITER(T)?
RETTUNGSANKER: FAMILIE UND SELBSTHILFE
Frage 4 Angaben in %
Wie bzw. mit wessen Hilfe konnten Sie diese Situation meistern? 0
10
20
30
40
50
Jene, die sich aber schon einmal gescheitert gefühlt haben oder gescheitert sind, konnten ihre
60
50 55 55
Hilfe der Familie, Eltern etc.
33
Situation vor allem mit Hilfe der Familie meistern. Dies sieht die Hälfte der unter 50jährigen so.
38
Anders ist das für Menschen über 50 Jahren – hier
27
Selbsthilfe
38 45
geben nur mehr 33 % die Familie als Stütze an. 38 % der Befragten konnten aus eigener Kraft
8 AMS
wieder Oberwasser gewinnen – für Menschen
11 4
über 50 Jahren trifft dies sogar zu 45 % zu. Staatliche Institutionen oder offizielle Einrich-
Gesamt n=111 bis 30 Jahre n=12
3 Schuldenberatung
tungen scheinen hingegen laut dieser Umfrage als
bis 50 Jahre n=74
1 8
Stütze wenig populär, um aus der gescheiterten
über 50 Jahre =25
6
Lage herauszukommen.
anderes
9 4 9
9
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 10
GESCHEITER(T)?
WAS VERSTEHEN WIR UNTER SCHEITERN? GEDANKEN, MEINUNGEN
Martin Beste: „Im Unternehmersinn kann Schei-
Dietmar Müller: „Fehler, aus denen man lernt, kön-
tern als ‚Nichtfunktionieren eines Geschäftsmo-
nen zum Erfolg beitragen. Wiederholte Fehler, aus
UND DISKUSSIONSBEI-
dells’ betrachtet werden und sowohl in einer
denen man nichts lernt, führen dagegen zum
Eigentümersituation als auch in einer Manage-
Scheitern. Wobei ich Misserfolg und Scheitern als
TRÄGE ZU EINEM
mentaufgabe passieren. Es kann aus meiner Sicht
einen Lebensbestandteil aller Menschen sehe – es
auch ein teilweises Scheitern geben – z.B. eine
macht uns menschlich, wir sind nun mal keine
TABUTHEMA
Markterschließung klappt nicht oder ein Projekt
Götter. Absolute Fehlerfreiheit ist eine unsinnige
misslingt.“
Erwartungshaltung, die nur zu Niedergeschla-
Scheitern hängt sehr stark von persönlichen
genheit führt.“
Erwartungen ab, sind sich die Diskussionsteil-
Alexander Zerkowitz: „Scheitern wird meist perso-
nehmer der gruppe1031 im Arbeitskreis
nifiziert. Dabei sind es oft die Rahmenbedingun-
Gernot Essl: „Scheitern im Allgemeinen heißt für
„gescheiter(t)“ erstaunlich rasch einig. Trotzdem
gen, die eine Person im Kontext nicht erfolgreich
mich, gesetzte Ziele dermaßen zu verfehlen, dass
gibt es abweichende, aber auch sich ergänzende
sein lassen oder gar zum Scheitern bringen. Eben-
eine spätere Erreichung praktisch unmöglich
Sichtweisen.
so wie es oft die Rahmenbedingungen sind, die
wird. Im Wirtschaftsleben wiederum bedeutet
jemanden erfolgreich machen. Nicht umsonst
scheitern den Verlust der Existenzfähigkeit des
sagt man: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Unternehmens verbunden mit massivem persön-
Dennoch nimmt die Umwelt meist keine Rück-
lichem Vermögensschaden.“
STATEMENTS AUS DER D ISKUSSION
Christoph Heimerl: „Ob man sich als gescheitert
sicht auf die Rahmenbedingungen – umso mehr
sieht, hängt stark davon ab, was man denkt, dass
gilt für den Einzelnen, seine innere Balance zu finden.“
Joachim Zimmel: „Im wirtschaftlichen Sinn verbinde ich mit Scheitern die Insolvenz – im
die anderen von einem erwarten. Aber meines Erachtens gilt jedenfalls das altbekannte Sprich-
Karin Kreutzer: „Gemachte und in Angriff genom-
schlimmsten Fall mit persönlicher Haftung des
wort: Hinfallen ist keine Schande – das Aufstehen
mene Pläne und Wünsche treten nicht so ein wie
Unternehmers, des Geschäftsführers. Im weiteren
ist wichtig!“
angepeilt, sie haben noch dazu stark negative
Sinn steht Scheitern für aufgeben.“
Auswirkungen. Was wann als gescheitert angese-
Johanna Schwetz-Würth: „Scheitern ist das absolute
hen wird, hängt auch oft von den Werten, Prinzi-
Ines Paska: „Also ich verbinde mit scheitern kei-
Ende. Misserfolg ist nicht so absolut, da kann es
pien und Lebensvorstellungen des Betrachters,
neswegs nur negative Assoziationen, sondern
durchaus weitergehen.“
des Beurteilers ab.“
vielmehr die Möglichkeit eines neuen Anfangs.
10
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 11
GESCHEITER(T)?
Die Möglichkeit, einen völlig neuen Weg einzuschlagen, eine Kehrtwende zu machen und Neues zu probieren. Gerade durch das Scheitern bekommen meiner Erfahrung und Beobachtung nach viele Menschen erst Mut und Kraft, um alles bzw. vieles im Leben, an ihrer Arbeitsweise positiv zu ändern, da es von diesem Scheidepunkt aus nur mehr aufwärts gehen kann.“
Romana Wieser: „Mein Zugang ist sehr ähnlich. Auch ich denke, dass Scheitern die Erkenntnis ist, dass ein persönlich gestecktes Ziel nicht erreichbar ist und eine Neuorientierung notwendig wird. Damit erhält man die Chance, gewohnte Muster abzulegen und ganz neue Wege einzuschlagen.“
„Es gibt mehr Leute, die kapitulieren, als solche, die scheitern.“
Henry Ford, amerikanischer Industrieller (Ford Motor Company)
11
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 12
GESCHEITER(T)?
GESCHEITER(T) – AUS PSYCHOLOGISCHER SICHT 13 FALLEN UND WIE MAN
ums Thema kurz und prägnant in Form von 13
das böse Erwachen, dass alles doppelt so lange
„Fallen“ darstellen. Wer sie kennt und sich ihre
dauert und um einiges mehr kostet als erwartet.
SIE VERMEIDET
versteckte Verführungskraft eingesteht, ist nicht vor jeglichem Scheitern geschützt, wird aber mit
D IE KONSEQUENZ
VON JOHANNA SCHWETZ-WÜRTH
Sicherheit adäquater mit „scheiterverdächtigen“
Ähnlich wie bei der Wahrnehmungsfalle führt
UND GERNOT ESSL*
Situationen und Einstellungen bei sich selbst und
übertriebener Optimismus zu unrealistischen
bei anderen umgehen können.
Einschätzungen der persönlichen unternehmeri-
Wirtschaftliches Scheitern wird von den meisten BeraterInnen, AutorInnen und Betroffenen viel-
MINDESTFALLEN
fach als etwas höchst Rationales, auf klar
schen Situation. Vor lauter Optimismus werden Warnsignale schwächer wahrgenommen oder einfach bei Seite geschoben. Marktsegmente,
benennbare äußere Umstände oder Entscheidun-
GRUNDEINSTELLUNGEN, DIE IM HINTERGRUND
Marktanteile und Umsatzprognosen werden zu
gen zurückführbar, beschrieben und behandelt.
LAUERN KÖNNEN
rosig eingeschätzt, Kosten werden dagegen in zu
Dabei ist scheitern an sich schon eine in höch-
1. D IE OPT I M I SMUSFALLE
stem Maße subjektive Bewertung einer Situation,
„Alles läuft bestens, die Zukunft gehört mir!“
geringem Ausmaß geplant oder einzelne Positio-
eigentlich ein Gefühl, auf keinen Fall aber eine an
nen überhaupt vergessen. LÖSUNGSANSÄTZE
klaren Kriterien unzweifelhaft festzumachende
DAS PROBLEM
Nachdenken, überdenken, reflektieren und mit
Tatsache. Unsere Psyche hat – ob wir es wahrha-
Positiv denken ist die treibende Kraft für einen
andern diskutieren lautet der nahe liegende
ben wollen oder nicht – in allen Lebensbereichen
Entrepreneur. Optimismus ist die Grundlage,
Lösungsansatz, um die „Erdung“ wieder herzu-
einen kaum zu unterschätzenden Einfluss. Die
Geschäftschancen zu erkennen und zu verfolgen.
stellen. Dies ist leichter gesagt als getan, da die
Rationalität folgt immer erst ein bis zwei Schritte
Übertriebener Optimismus kann zur Gefahr wer-
Umwelt oft neuen unternehmerischen Plänen
später. Ganz besonders, wenn es um dieses The-
den. Die Zeichen der Zeit werden zu spät erkannt.
gegenüber skeptisch eingestellt ist und damit
ma geht.
Spätestens dann, wenn keine Zweifel mehr beste-
den persönlichen Optimismus gehörig herausfor-
hen und mit dem Erfolg praktisch 100%ig gerech-
dert. Die beste Balance liegt vermutlich darin,
Dies soll keine trockene Abhandlung über psy-
net wird, lauert die Gefahr der (Selbst-)Überschät-
einen optimistischen Realismus anzustreben und
chologische Faktoren des Scheiterns sein, sondern
zung. Eine Vielzahl von Geschäftsplänen ist über-
gelegentlich auch auf kritischen Rat zu horchen.
die wichtigsten psychologischen Aspekte rund
optimistisch angelegt. Bei der Umsetzung folgt
Trotz allem sollte UnternehmerInnen und unter-
12
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 13
GESCHEITER(T)?
nehmerisch denkenden Menschen der Optimis-
LÖSUNGSANSÄTZE
3. D IE KOMPETENZFALLE
mus und die Freude am eigenen Schaffen nie
Das Unternehmertum ist meistens nichts für
„Feedback? Ich weiß, was der Markt braucht!“
abhanden kommen.
chronische PessimistInnen, welche das Leben als Gefahr und die Umwelt im Zweifel immer als
DAS PROBLEM
2. D IE PESSI M I SMUSFALLE
Bedrohung wahrnehmen. Ein gesunder Pessimis-
Wichtigste Voraussetzung, um ein neues Projekt
„Das funktioniert nie und kann nur schief gehen....“
mus schützt andererseits vor unnötigem Risiko
zu starten, ein neues Produkt zu launchen, neue
und stellt gewissermaßen ein Sicherheitsnetz
KundInnen anzusprechen, scheint oft das
DAS PROBLEM
dar. Er sollte zum Anlass genommen werden, das
„richtige Image“ zu sein. Zu diesem „richtigen
Das andere Extrem stellt die grundsätzliche und
eigene Vorhaben nochmals in Ruhe zu überden-
Image“ tragen vor allem unbezweifelbare Kom-
prinzipielle Negativeinstellung dar. Übertriebene
ken, um auch die positiven Aspekte der Situation
petenz, Fachwissen, Erfahrung und ein untrügli-
Kritik an sich selbst und der Umwelt gepaart mit
zu erkennen. Dieser Charakterzug kann vor allem
ches Gespür für den Markt bei, meinen manche.
Schwarzmalerei ist nicht der Nährboden, auf dem
dann in eine Stärke umgewandelt werden, wenn
Wer professionell dastehen will, zeigt davon so
Erfolge gedeihen. Durch überkritische Wahrneh-
es darum geht, Aufgaben zu erfüllen, bei denen
viel wie möglich – je mehr, je besser.
mung der Möglichkeiten werden diese grund-
gerade das Erkennen von Risiken und Gefahren
sätzlich bloß als Risiken erkannt. Das Glas ist
auf dem Programm steht. Das Entdecken von
Nun geht es aber bei Innovationen um etwas
immer nur halbleer.
neuen Geschäftschancen wird wohl nicht zum
Neues, etwas, das in dieser Form noch nicht
Tätigkeitsbereich pessimistischer Persönlichkei-
gemacht wurde, wo es also keine oder nur wenig
ten gehören.
Erfahrung und Kompetenz geben kann. Auch
D IE KONSEQUENZ Jegliche Idee wird rasch im Keim erstickt – es
hatte der Markt noch keine Möglichkeit, auf die
können sich keine kreativen Gedankenketten ent-
neue Idee zu antworten. Allzu oft meint man das
wickeln. Eine negative Grundeinstellung führt
– vor anderen aber auch vor sich selbst – verber-
dazu, dass der nächste Schritt doch keinen Sinn
gen zu müssen. Unsicherheiten passen scheinbar
macht und daher auch nicht weitergegangen
nicht zum „richtigen Image“.
wird. Furcht und Unsicherheit nehmen überhand und der pessimistische Mensch leidet bald darauf unter ängstlichen Zuständen und Unbehagen.
13
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 14
GESCHEITER(T)?
D IE KONSEQUENZ
und anpassen? Wie sieht ein Worst Case-Szenario
D IE KONSEQUENZ
Dieses vermeintlich notwendige Image der pro-
aus? Ja, genau – auch darüber sollte man sich von
Wie in einer „Self-fulfilling prophecy“ wird der
fessionellen Kompetenz verführt zu einer „Ich
Anfang an Gedanken machen!
Mensch, der überall Gefahr und Betrug wittert,
weiß das alles selbst ganz genau“-Haltung. Wer
auch ständig Beweise dafür finden (siehe Wahr-
schon alles weiß, muss nichts mehr erfragen oder
4. D IE M I SSTR AUENSFALLE
nehmungsfalle). Die Folge daraus ist ein
überprüfen. Und so besteht die eigentliche Falle
„Ich lass mir doch nicht in die Karten schauen!“
Beschneiden der eigenen Ressourcen: Zum einen
darin, dass eigene Annahmen und Überlegungen
ist ein Teil der Energie durch das Misstrauen
für unumstößliche Wahrheiten gehalten und als
DAS PROBLEM
gebunden und kann nicht zielgerichtet für die
solche präsentiert und verteidigt werden. Die
In der Geschäftswelt kann man fast täglich von
Geschäftsidee eingesetzt werden. Zum anderen
Folge daraus ist ein Mangel an aktiv eingeholten
hintergangenen ManagerInnen, Ideenklau,
schneidet man sich von möglicherweise nützli-
Feedbacks, Außensichten und Überprüfungs-
Betriebsspionage oder Ähnlichem lesen und
chen UnterstützerInnen, MentorInnen oder
schleifen durch kritische Profis sowie an realisti-
hören. Wer selbst bereits Erfahrungen mit miss-
potentiellen PartnerInnen ab. Denn vernetzen
scher Planung.
brauchtem Vertrauen oder gar Betrug machen
heißt Vertrauen schenken.
musste oder Geschädigte kennt, der lässt sich LÖSUNGSANSÄTZE
daher gerne vom Misstrauen leiten.
Eine differenzierte Einschätzung der eigenen
LÖSUNGSANSÄTZE Wir tendieren dazu, uns Negatives (egal ob selbst
Schwächen, eine rationale Planung und das ak-
Gegen eine gesunde Zurückhaltung ist sicher
oder von anderen erlebt) lange im Gedächtnis zu
tive Einholen von Rückmeldungen durch poten-
nichts zu sagen. Zur Falle wird sie, wenn die
bewahren, positive Erfahrungen aber kaum zu
tielle KundInnen, LieferantInnen und Profis aus
Angst davor, dass Ideen geklaut und Business-
registrieren bzw. rasch wieder zu vergessen. Ein
verwandten Bereichen sind hier Schlüsselbe-
pläne abgeschrieben werden oder man von Part-
Ausweg aus der Misstrauensfalle ist daher das
griffe, um aus der Falle eine Chance zu machen.
nerInnen hintergangen wird, überhand nimmt
bewusste Erinnern an Erlebnisse (eigene oder
und einen großen Teil des Handelns bestimmt.
von anderen), wo sich Vertrauen bezahlt gemacht
Was an meinem „richtigen Image“ entspricht der
und Mehrwert geschaffen hat.
Realität – und zwar auch in den Augen meiner schärfsten KritikerInnen? Wie kann ich die
Netzwerke sind in der heutigen Wirtschaft ein
Annahmen, auf denen ich meine Unternehmung
nicht mehr weg zu denkender Erfolgsfaktor – vor
aufbaue, immer wieder kritisch in Frage stellen
allem für GründerInnen. Das gegenseitige Geben 14
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 15
GESCHEITER(T)?
und Nehmen braucht aber kritisches Vertrauen.
Gegenwart in Abgleich gebracht werden. Das
LÖSUNGSANSÄTZE
Und nicht umsonst steht hier mein Geben an
Ausmaß des Erfolges oder Scheiterns wird in den
Im Bewusstsein, dass Erwartungen sehr wahr-
erster Stelle und ist das Nehmen eine Antwort
meisten Fällen in Relation zu den ursprünglichen
scheinlich über Erfolg oder Misserfolg entschei-
darauf. Eine Win-Win-Einstellung – ich gewinne
Erwartungen zu setzen sein: sind diese gering, so
den, ist es richtig, sich hierüber in aller Ruhe
und meine PartnerInnen gewinnen – ist ein
wird ein Misserfolg auch verschmerzbar sein,
Gedanken zu machen. Was will ich wirklich? Was
Grundstein für eine erfolgreiche Unternehmung.
werden (zu!) hohe Ziele gesteckt und diese ver-
erwarte ich von meinem Vorhaben und wie
fehlt, so sieht die Sache schon anders aus.
unterscheiden sich womöglich meine Erwartun-
STARTFALLEN
gen von jenen, welche meine Umwelt an mich
STOLPERSTEINE DER PLANUNGS- UND
D IE KONSEQUENZ
hat? In diesem Bereich sollte man sich selbst
GRÜNDUNGSPHASE
Sich selbst und seiner Organisation Ziele zu
nicht unter Druck setzen. Trotzdem ist es wichtig,
geben, ist sicherlich eine der Kernaufgaben jedes
persönliche Erwartungen und Ziele hoch zu set-
5. D IE ERWARTUNGSFALLE
unternehmerisch agierenden Menschen. Ent-
zen, um Antrieb und Kraft für das eigene Vorha-
„...und morgen bin ich Millionär!“
scheidend sind jedoch die konkreten Ausprägun-
ben zu schaffen. Große Ambitionen teilt man am
gen der Vorstellungen über die Zukunft. Ziele und
besten nur mit jenen Leuten, die einerseits zur
DAS PROBLEM
Erwartungen müssen in Einklang gebracht wer-
Realisierbarkeit beitragen und andererseits mit
Erwartungen – Vorstellungen über einen zukünf-
den. Überhöhte und oftmals unrealistische
konstruktiver Kritik helfen können. Ansonsten ist
tigen Zustand – sind eine treibende Kraft im
Erwartungen können bei Nichterreichen der Ziele
es von Vorteil, seine Pläne nicht allzu laut hinaus
Schaffen von unternehmerisch denkenden Men-
zu Enttäuschung, Frustration, ja sogar totaler
zu posaunen. So spart man sich Erklärungsbedarf,
schen. Erwartungen kann man an sich selbst stel-
Resignation führen. Aus zu geringen Erwartun-
wenn sich Dinge anders entwickeln als gedacht.
len, aber auch die Umwelt, Familie, FreundInnen,
gen wird man andererseits nicht ausreichend
GeschäftspartnerInnen haben Erwartungen an
Kraft und Antrieb schöpfen, um Erfolge zu
uns. Manchmal ist es nicht immer leicht, diesen
erlangen. Das Auseinandersetzen mit Erwartun-
Erwartungen zu entsprechen.
gen und die Ableitung von Zielen ist daher kein einfaches Unterfangen.
Erwartungen an den eigenen Erfolg legen die Latte auf ein hohes Niveau. Die Vorstellung der Zukunft wird letztendlich mit dem Erreichten der 15
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 16
GESCHEITER(T)?
6. D IE WAHRNEHMUNGSFALLE
LÖSUNGSANSÄTZE
D IE KONSEQUENZ
„Meine Einschätzung ist objektiv und die einzig
Gegen die Wahrnehmungsfalle gibt es kein
Keiner ist vor dieser Falle gefeit. Aber gerade in
richtige.“
Patentrezept. Lediglich das Bewusstsein, dass Ent-
der Anfangsphase einer unternehmerischen
scheiden immer in Abhängigkeit von Informati-
Tätigkeit und beim ersten „Erfolgslüftchen“
DAS PROBLEM
on steht, hilft etwas weiter. Einerseits sollte also
besteht die größte Gefahr, in die Statusfalle zu
Unternehmerische Entscheidungen zu treffen,
möglichst viel Information über den Markt, die
tappen. Passiert ist dies beispielsweise vielen
basiert immer auf einem gewissen Maß der Unsi-
Konkurrenz, zukünftige Technologien und Metho-
New Economy GründerInnen, welche bereits in
cherheit. Keiner kennt sämtliche Informationen,
den mit besonderer Gründlichkeit in Erfahrung
den ersten von massiven Verlusten geprägten
vor allem dann nicht, wenn es um noch nicht
gebracht werden, andererseits führt ein laufen-
Anlaufjahren schnellen Autos, teuren Uhren und
entdeckte Geschäftsmöglichkeiten geht. Nichts
der Gedankenaustausch mit berufenen Personen
auch sonst einem großzügigen Lebensstil verfal-
ist daher leichter, als sich selbst ein X für ein U
dazu, dass eine objektivierte und ausgeglichene
len sind. Abgesehen von den Kosten macht man
vorzumachen und die Umwelt so wahrzuneh-
Sicht der Dinge gefunden wird.
sich mit überdurchschnittlich zur Schau getrage-
men, wie man sie eben am liebsten sehen
nen Statussymbolen wohl keine wirklichen
möchte. Die Wahrnehmungsfalle führt dazu, dass
7. D IE STATUSFALLE
FreundInnen oder KundInnen, sondern erweckt
Informationen zu einseitig, zu selektiv aufgenom-
„Um den richtigen Eindruck zu machen, brauche ich
eher nur NeiderInnen, von welchen man als
men und daraus nachteilige Schlüsse gezogen
unbedingt...“
erfolgreiche UnternehmerIn ohnehin bald genug
werden.
haben wird. DAS PROBLEM
D IE KONSEQUENZ
Es geht vielen Menschen im Leben nicht nur da-
LÖSUNGSANSÄTZE
Die Folgen daraus sind falsche Entscheidungs-
rum, selbst zufrieden zu sein und FreundInnen zu
Ein verbindliches und vertrauenswürdiges Auf-
grundlagen. Wird zum Beispiel die Ausgangslage
haben, sondern vor allem darum, wie sie von
treten ist wohl der beste Eindruck, den man
zu rosig wahrgenommen, so baut ein unterneh-
anderen wahrgenommen werden. Weite Teile der
machen kann. Begeisterungsfähigkeit, inhaltliche
merisches Projekt auf Sand und ist voraussicht-
Konsumgüterindustrie leben von diesem Phäno-
Kompetenz und Interesse am Gegenüber sind in Wirk-
lich zum Scheitern verurteilt. Übertriebener Pessi-
men. Der häufig durch Statussymbole dargestell-
lichkeit die erfolgsrelevanten Bestandteile unternehmeri-
mismus auf der anderen Seite führt jedoch dazu,
te Imageunterschied zwischen erfolgreichen und
scher Beziehungen.Erfahrene und selbst erfolgreiche
dass immer ein Grund gefunden wird, warum ein
erfolglosen UnternehmerInnen in unseren Brei-
GeschäftspartnerInnen lassen sich im Übrigen von Sta-
Geschäftskonzept nicht funktionieren kann,
ten könnte größer nicht sein.
tussymbolen ohnehin nur selten beeindrucken,sondern
wenngleich es grundsätzlich Potenzial hätte.
werden Verlässlichkeitund Bonität anders ergründen. 16
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 17
GESCHEITER(T)?
8. D IE GRÖSSENFALLE
der Praxis nicht in diesem Umfang oder im
Strich immer wichtiger sind als der Umsatz.
„Mit dem Businessplan setzte ich in einem Jahr sicher
besten Fall zeitverzögert eintreten. Ausgehend
Nichtsdestotrotz sollten Alternativszenarien mit-
eine Million ab – mindestens!“
von falschen Annahmen wird die Kostenseite
berücksichtigt werden, z.B. wie ein überraschen-
nicht mehr in Einklang mit den Umsätzen
der Auftragszuwachs verarbeitet werden kann.
DAS PROBLEM
stehen, was unweigerlich zu wirtschaftlichen
Die Frage nach dem zukünftigen Umfang eines
Misserfolgen führt.
Unternehmens ist sehr schwierig zu beantworten
KRISENFALLEN MÖGLICHE FEHLER, WENN DIE KRISE
und wohl die entscheidende Kernfrage in jedem
Wird hingegen das Unternehmen zu klein
Businessplan. Wie viele Produkt- oder Dienstlei-
dimensioniert und kommt die Geschäftsidee
stungseinheiten in welchen Zeiträumen letztend-
besser an als gedacht, so müssen womöglich
9. D IE ERSTARRUNGSFALLE
lich abgesetzt werden können, determiniert prak-
attraktive „Großaufträge“ mangels Kapazität
„Ich schau gar nicht hin...“
tisch alle anderen Bestandteile einer unterneh-
abgelehnt werden. Das Unternehmen kommt mit
merischen Aktivität. Legt man einmal die Absatz-
dem Markt nicht mit und verpasst interessante
DAS PROBLEM
menge fest, so ist der Rest der Planung nicht
Chancen. Das Dilemma hat somit zwei Seiten.
Misserfolge, enttäuschte Erwartungen oder miss-
AUFGETRETEN IST
glückte Aufträge können – wenn sie zur selben
mehr sehr kompliziert, da von ersterem alle anderen Einsatzfaktoren ganz brauchbar abgeleitet
LÖSUNGSANSÄTZE
Zeit geballt auftreten – zu einem tatsächlichen
werden können. Gerade weil die Vorhersage der
„Small can be successful, large can be beautiful,
psychischen Schockzustand führen. Man erlebt
Mengen aber so schwierig ist, wird diesem Punkt
dimensions matter.“ Um die Größenfalle zu ver-
die Situation als Katastrophe, fühlt überwältigen-
zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und man
meiden, ist es einerseits empfehlenswert, sich
de Angst, Orientierungslosigkeit, Fassungslosig-
tappt leicht in die Größenfalle – sprich definiert
mit dieser kritischen Frage ausreichend ausein-
keit und weiß nicht, was man jetzt tun kann –
am Papier Entwicklungen, welche nicht zu
ander zu setzen und andererseits auf die Skalier-
man erstarrt buchstäblich. Der Körper versucht
schaffen sind.
barkeit des Unternehmens bzw. der Organisation
die Realität als erste Schnellhilfe mit einem „Tod-
zu achten. Fixkosten sollten zu Beginn – wenn
stellreflex“ abzuwehren. Eine solche Identitätskri-
D IE KONSEQUENZ
möglich – gering gehalten werden. Die Planung
se kann ausgelöst werden, wenn wesentliche
Die Mehrheit der Businesspläne weist überaus
sollte mit einem gewissen Schuss Bescheidenheit
Faktoren der eigenen Selbstdefinition wegfallen,
optimistische Planmengen aus, welche zwar mit
und Zurückhaltung vorgenommen werden, in
man gezwungen ist, eine neue Identität zu fin-
Marktdaten übereinstimmen mögen, jedoch in
dem Bewusstsein, dass Ergebnisse unter dem
den. Man ist fassungslos.
17
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 18
GESCHEITER(T)?
D IE KONSEQUENZ
aus. Je nach Persönlichkeit regen sich Enttäu-
unangenehmen – Gefühle weg zu schieben oder
Vor lauter Schreck, dass „es“ passiert ist, tut man
schung, Wut, Trauer, Verzweiflung, Angst, ein
sich selbst gar nicht zuzugestehen. Nicht bearbei-
gar nichts mehr und kommt weder ins Handeln
Gefühl von Ausweglosigkeit oder Scham. Aber die
tete Gefühle tendieren dazu, stärker zu werden,
noch ins Planen, sondern bleibt in der eigenen
dürfen nicht sein. Nicht vor sich selbst und schon
was wiederum den Wunsch erhöht, sie zu unter-
Lähmung gefangen.
gar nicht vor anderen. Was würden die denn den-
drücken. Ein bekannter Teufelskreis, in den sich
ken?! Das ausgegebene Kommando an sich selbst
in weiterer Folge körperliche Symptome (z.B.
LÖSUNGSANSÄTZE
und nach außen lautet: „Alles halb so wild, das
Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Magenbe-
Gerade bei dieser kaum bewusst steuerbaren
stecke ich locker weg, das ist kein wirkliches
schwerden) einmischen können. Man kann auch
inneren Reaktion, die per se zumindest für eine
Problem für mich, das hab ich voll im Griff,...“ –
mit immer massiveren Abwehrbestrebungen rea-
Zeit die eigene Handlungs- und Entscheidungsfä-
die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
gieren. Das kann – je nach Persönlichkeit und
higkeit stark einschränkt, ist eine Außenperspek-
Konstitution – von übertriebenem Arbeitseinsatz
tive nötig: Einerseits, um gespiegelt zu bekom-
D IE KONSEQUENZ
über extremen Sport bis zu exzessivem Nachtle-
men, was und wie man gerade tut – denn allzu
Leider kann auch das überzeugendste Auftreten
ben reichen, in Ausnahmefällen auch begleitet
oft bemerkt man die eigene Erstarrung nur unzu-
die Gefühle, die im Inneren brodeln, nicht zum
von Substanzmissbrauch. Finden Gefühle kein
reichend; andererseits, um augenblicklich anste-
Verschwinden bringen. Da nur rund zehn Prozent
adäquates Ventil, drücken sie sich über den
hende Aktivitäten, die eventuell einen noch
der Kommunikation zwischen Menschen über
Körper aus und machen krank.
größeren Misserfolg abwehren können, zu dele-
Worte vermittelt werden und der Rest, also neun-
gieren.
zig Prozent, über Stimme und Körpersprache,
LÖSUNGSANSÄTZE
können GesprächspartnerInnen rasch spüren,
Das Leugnen der eigenen Gefühle führt in einen
10. D IE GEFÜHLSFALLE
wie optimistisch und locker der/die Betroffene
so genannten „Stuck State“. Man steckt buchstäb-
„Ach, das stecke ich doch locker weg!“
wirklich ist, und haben auch bald zumindest eine
lich fest, etwas Neues kann nicht entstehen.
Ahnung davon, was sich hinter der Fassade
Denn dafür ist es notwendig, die Trauer, die Wut,
DAS PROBLEM
abspielen könnte. Der Effekt: Man wirkt nicht
die Verzweiflung, die Ohnmacht, die Scham zuzu-
So, jetzt ist es klar: Es geht bergab! Alle Versuche
mehr authentisch und bringt sich so um eine
lassen. Ja, mehr noch: sie als für die Situation
gegenzusteuern haben nicht den gewünschten
der Grundlagen guter (geschäftlicher) Kommuni-
adäquate Gefühle zu akzeptieren in dem Wissen,
Erfolg gezeigt. Äußerlich versucht man Fassung
kation. Aber auch für das Innenleben kann es
dass sie für einige Zeit ständige Begleiter bleiben
zu bewahren, aber innerlich sieht es ganz anders
schwerwiegende Folgen haben, die – zugegeben
werden. Wohlmeinende Aufmunterungen ande-
18
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 19
GESCHEITER(T)?
rer – wie „Du musst das positiv sehen!“, „Jetzt reiß
D IE KONSEQUENZ
Auf der Seite der Softfacts muss man schon in der
dich halt zusammen!“, „Ist doch alles nicht so
Die Falle besteht darin, den Ausstieg zu verpas-
Planungsphase die Kraft aufbringen, bei aller
schlimm!“ – sind hier eher kontraproduktiv. Viel
sen: Wie ein/e SpielerIn im Kasino bei einer Pech-
Anfangsbegeisterung auch die pessimistische
unterstützender ist ein schlichtes „Ja, das ist
strähne setzt man nochmals und nochmals, um
Brille aufzusetzen und einen möglichen Ausstieg
wirklich schlimm!“.
seine Verluste wieder hereinzuholen und vergrö-
klar und detailreich auszudefinieren. In der Situa-
ßert sie so jedes Mal, bis nichts mehr geht. Im
tion selbst bedarf es der inneren Größe, rechtzei-
11 . D IE JETZT-ERST-RECHT-FALLE
unternehmerischen Leben kann das heißen: noch
tig vom „Spieltisch aufzustehen“, wenn das eige-
„Es kann nicht sein, dass es mir nicht gelingt – jetzt
mehr ins Marketing investieren, einen neuen
ne Limit erreicht und noch nicht überschritten
ein letztes Mal investiert und gewagt, dann wird das
Kredit aufnehmen, trotz Verlusten bzw. ausblei-
ist, und bewusst der Versuchung des „nur noch
Projekt abheben!“
bender Erfolge weitermachen in der Hoffnung,
ein Mal“ zu widerstehen.
dass „im nächsten Monat sicher der große Kunde DAS PROBLEM
anbeißt“. Und nach diesem Monat die Deadline
Alleine kann das besonders schwer sein, hier sind
Nach dem Überwinden des ersten Schocks kann
eben wieder aufs nächste Monat verschieben,
wohlwollende BeraterInnen und MentorInnen
es leicht zu einer Gegenreaktion kommen: Man
denn „dann wird es ganz sicher klappen“. Auf die-
von großer Hilfe. Sie sollten den definierten
ist zutiefst von seiner Geschäftsidee, seinem Pro-
se Art schafft man nie den glimpflichen
Punkt kennen und die Möglichkeit haben, recht-
dukt, seiner Dienstleistung überzeugt, aber das
Absprung, der es ermöglichen könnte, mit den
zeitig ans Aussteigen zu erinnern.
eigene Feuer springt nicht auf potentielle Kun-
noch verbleibenden Ressourcen und der Lerner-
dInnen, LieferantInnen oder GeldgeberInnen
fahrung etwas Neues zu starten.
über. Die eigene Begeisterung kann dann blind
12. D IE SPR ACHLOSIGKEI TSFALLE
„Ähhh, na ja, wissen Sie...“
machen. Man möchte es einfach nicht glauben,
LÖSUNGSANSÄTZE
dass der Plan, auf den man so stolz ist, die Idee,
Auf der Seite der Hardfacts braucht es von
DAS PROBLEM
die man für unwiderstehlich hielt, nicht wie
Anfang an ein ganz klares Limit – schriftlich fest-
Es ist Schadensbegrenzung angesagt. KundInnen
erwartet aufgeht.
gelegt -, bis zu dem man bereit ist, zu investieren
möchte man halten, GeschäftspartnerInnen nicht
und sich zu engagieren. Also die genaue Definiti-
enttäuschen und das eigene Image als erfolgrei-
on des Ausstiegszeitpunkts, an dem man die
cher Mensch unter allen Umständen wahren.
Geschäftsidee in dieser Form begräbt.
Eine natürliche Reaktion ist, das eigene Scheitern so gut wie möglich zu verbergen oder zu tarnen
19
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 20
GESCHEITER(T)?
in der Hoffnung, dass es von relevanten KundIn-
Innen in der schwierigen Situation formuliert
D IE KONSEQUENZ
nen, LieferantInnen oder GeldgeberInnen nicht
werden. So fühlen sich die PartnerInnen als sol-
Ist der/die UnternehmerIn aber unschuldiges
bemerkt oder zumindest nicht so kritisch bewer-
che ernst genommen, erhalten den Eindruck
Opfer, heißt das, dass er/sie selbst alles richtig
tet wird.
einer gefestigten Persönlichkeit, die adäquat mit
gemacht hat und kaum Einfluss auf das haben
Schwierigkeiten umgeht und eigene Fehler ein-
konnte, was da passiert ist. Die klare und für die
D IE KONSEQUENZ
gesteht, Vertrauen wird gefördert und die Chance
Zukunft verhängnisvolle Konsequenz dieser
Auf Schwierigkeiten angesprochen, verhält man
auf eine Weiterführung einer geschäftlichen
Überzeugung ist, dass man die vielleicht einzig
sich reaktiv, verbergend, präsentiert Ausreden.
Beziehung erhöht.
positive Chance des Scheiterns vergibt: das per-
Die Grenze zwischen Wahrheit und Schönfärbe-
sönliche Lernen und Wachsen. Wer sich zum
rei verschwimmt zusehends. Ständig muss man
13. D IE OPFERFALLE
Opfer macht, behält seine eigene (fehlerhafte,
fürchten, ertappt zu werden. Rasch wird – oft
„Also bei dem Verfall der Marktpreise hatte ich keine
vielleicht falsche) Strategie bei – mit der Gefahr,
ganz intuitiv – für das Gegenüber klar, dass da
Chance!“
beim nächsten Projekt Ähnliches zu erleben.
sicht schleichen sich ein, die Geschäftsbeziehung
DAS PROBLEM
LÖSUNGSANSÄTZE
ist in Gefahr.
Das Schwierigste am Misserfolg ist es, den per-
Sich nicht als „Opfer“ sondern als „TäterIn“ des
sönlichen Beitrag daran zu realisieren. Viele von
eigenen Misslingens zu betrachten, mag anfäng-
LÖSUNGSANSÄTZE
uns sind wahre Meister darin, auf „die anderen“
lich irritierend und schmerzhaft sein. Doch nur
„Alle Fehler, die wir machen, sind leichter zu ver-
zu zeigen, die scheinbar an der Misere schuld
auf diese Weise kann es gelingen, „blinde
zeihen als unsere Versuche, sie zu verbergen.“
sind: der Mitbewerb, der zurückgezogene Auftrag,
Flecken“ zu erhellen und aus dem Scheitern letzt-
Offenheit, Klarheit, Selbstbewusstsein, Selbstkri-
der unverlässliche Lieferant, der abgesprungene
lich eine Stärke und bereichernde Erfahrung zu
tik und klare Botschaften an die Gesprächspart-
Mitarbeiter, der verwehrte Kredit oder der
machen. Es gilt also, klar und ungeschönt den
nerInnen sind die Strategie der Wahl. Es gilt, eine
schlechte Berater. Zugegeben, es kann ungemein
gegangenen Weg samt allen Entscheidungen und
mutige und glasklare Kommunikationsstrategie
entlastend wirken, „die wirklichen Schuldigen“ zu
deren Konsequenzen zu analysieren, aber auch
gerade im Scheitern zu entwickeln und zu verfol-
kennen und auch zu benennen. So kann man sich
besonders genau hinzuschauen, welche persönli-
gen. Klar sollen alle relevanten Fakten und deren
selbst als „unschuldiges“ Opfer eben dieser ande-
chen Muster und Überzeugungen zu eben die-
Konsequenzen offen gelegt und ebenso klar die
ren fühlen und darstellen.
sem Vorgehen verleitet haben, in welche „Fallen“
„irgendwas nicht stimmt“. Misstrauen und Vor-
eigenen Erwartungen an die jeweiligen Partner-
man warum getappt ist und was nötig wäre, um 20
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 21
GESCHEITER(T)?
beim nächsten Mal anders handeln zu können. Um diese Analyse in der nötigen Tiefe und Konsequenz durchführen zu können, braucht es wie so oft eine kritische Außenperspektive, z.B. durch einen Coach oder eine/n MentorIn, um Schwachstellen aufzuzeigen und bearbeitbar zu machen. Es gibt keine todsicheren Rezepte, die vor jedem Scheitern bewahren werden. Niemand ist davor gefeit, in die eine oder andere Falle zu tappen, auch nicht wenn man sie theoretisch kennt. Leider. Die größte und gefährlichste Falle von allen bleibt die Überzeugung, dass mir das niemals passieren kann. Denn diese Überzeugung ist mit Sicherheit falsch.
* Johanna Schwetz-Würth ist selbständige Unternehmerin und Coach. Gernot Essl ist Vorstandsmitglied der Palmers Immobilien Gruppe.
21
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 22
GESCHEITER(T)?
GESCHEITER(T) – DER GESETZLICHE ASPEKT VON KONKURS BIS
ist insbesondere bei einer vorausschauend fest-
Reorganisationsmaßnahmen) nur sehr einge-
stellbaren wesentlichen und nachhaltigen Ver-
schränkt angefochten werden, weiters unterlie-
SANIERUNG
schlechterung der Eigenmittelquote anzuneh-
gen Reorganisationsmaßnahmen nicht den
men (§ 1 Abs 3 URG). Eine Vermutung des Reorga-
Regeln des Eigenkapitalrechts (§ 20 URG).
VON ROMANA WIESER, RI CHTERIN
nisationsbedarfs besteht bei einer Eigenmittelquote von weniger als 8 % und einer fiktiven
Schließlich haften die Organe prüfpflichtiger juri-
In juristischer Hinsicht wird „Scheitern“ primär
Schuldentilgungsdauer von mehr als 15 Jahren
stischer Personen und bestimmter Personenge-
mit „Insolvenz“ und „Konkurs“ assoziiert. Über
(§ 22ff URG). Das Gericht bestellt einen Reorgani-
sellschaften im Konkursfall, wenn ein Bericht des
diese Begriffe sowie über einige weitergehende
sationsprüfer, und vom Schuldner ist ein Reorga-
Abschlussprüfers in den letzten zwei Jahren
Aspekte von „Scheitern im juristischen Sinne“ soll
nisationsplan vorzulegen, welcher insbesondere
Kennzahlen enthält, die zur Vermutung eines
dieses Kapitel Aufklärung bringen.
die geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der
Reorganisationsbedarfs führen (siehe oben).
Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage sowie erforWenngleich in einer freien Wirtschaftsordnung
derliche Zustimmungserklärungen von betroffe-
Die praktische Bedeutung des beschriebenen Ver-
das Auftreten von Insolvenzen unvermeidlich ist
nen Schuldnern, Arbeitnehmern u.dgl. enthalten
fahrens ist allerdings – wohl im Hinblick auf die
und im Sinne einer Bereinigungswirkung auch
muss – ein Überstimmen von Gläubigern ist
nicht unbeträchtlichen Kosten und die zweifel-
notwendig sein kann, gibt es zunehmend – auch
nicht möglich. Der Durchführungszeitraum soll
hafte Praktikabilität des Verfahrens – gering.
von Seiten der Gesetzgebung – Bemühungen in
zwei Jahre nicht übersteigen. Der Reorganisati-
Richtung Früherkennung von Unternehmenskri-
onsprüfer hat ein Gutachten über die Zweckmä-
Eine andere – in der Praxis gängigere – Maßnah-
sen, Insolvenzprophylaxe und Sanierung.
ßigkeit und die Erfolgsaussichten des Planes vor-
me zur Insolvenzvermeidung ist der außergericht-
zulegen und unter Umständen die Durchführung
liche Ausgleich. Eine gesetzliche Regelung hierfür
So wurde mit dem Unternehmensreorganisa-
zu überwachen. Eine Publizität des Verfahrens
besteht nicht, einzig und allein § 183 Abs 2 KO
tionsgesetz (URG) im Jahr 1997 für Unternehmen
besteht nicht.
sieht für das Schuldenregulierungsverfahren natürlicher Personen vor, dass ein Schuldner, der
die Möglichkeit eines Reorganisationsverfahrens geschaffen. Der Schuldner (also der Unterneh-
Zentraler Anreiz für die Einleitung eines solchen
kein Unternehmen betreibt, bescheinigen muss,
mer) kann ein solches gerichtliches Verfahren
Verfahrens sind die materiellrechtlichen Wirkun-
dass ein außergerichtlicher Ausgleich gescheitert
beantragen, wenn er noch nicht insolvent ist,
gen: So können im Reorganisationsverfahren
ist – der Versuch eines solchen Ausgleichs ist
jedoch Reorganisationsbedarf besteht. Letzterer
gesetzte Rechtshandlungen (Überbrückungs- und
demnach Voraussetzung für eine Konkurseröffnung.
22
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 23
GESCHEITER(T)?
Ein außergerichtlicher Ausgleich ist ein Vergleich
auch „stiller Ausgleich“ genannt) und flexible
Mediators, die Offenlegung aller Interessen aller
im zivilrechtlichen Sinne (vgl. § 1380ff ABGB). Der
Sanierungsmaßnahme dar. Allerdings muss eine
Beteiligten, die Einbeziehung aller Konfliktpartei-
Schuldner schließt demnach mit jedem einzelnen
Übereinkunft mit sämtlichen Gläubigern erzielt
en, die Vertraulichkeit der Mediation, die Verein-
Gläubiger eine Vereinbarung über einen teilwei-
werden. In der Praxis sind vor allem Sozialversi-
barungen über die Kommunikation zwischen den
sen Verzicht auf eine Forderung, über die Stun-
cherungen kaum bereit, einem außergerichtli-
Parteien, die Selbstverantwortung der Parteien,
dung von Zahlungen oder über Ratenzahlungen.
chen Ausgleich zuzustimmen, was folglich zum
die Erweiterung des Entscheidungsspielraums
Jeder betroffene Gläubiger muss zustimmen. Eine
Scheitern führt.
durch die Erweiterung des Blickfeldes, koopera-
solche Zustimmung wird nur erreichbar sein,
tive Lösungsversuche statt Konfrontation sowie
wenn die Gläubiger annehmen, einen größeren
Zu beachten ist, dass auch während der Verhand-
der Abschluss durch verbindliche Vereinbarung
Anteil zu erhalten als bei einem drohenden Kon-
lungen über einen solchen Ausgleich die 60-
(Werner Steinacher: „"Mediation in der Unterneh-
kurs. Bei Erzielung eines Ausgleichs wird der
Tages-Frist des § 69 Abs 2 KO weiterläuft, binnen
menskrise und Insolvenz", S 477 ff, Krisenmanage-
Schuldner mit Erfüllung der vereinbarten Quote
welcher eine Konkurseröffnung beantragt wer-
ment, 2007, siehe Links und Literatur).
von der restlichen Schuld befreit.
den muss, eine Fristenhemmung findet nicht Die konkrete Ausgestaltung einer Mediation ist –
statt.
abhängig von der Ausgangssituation – vielfältig,
Grundsätzlich können die Gläubiger sogar verschiedene Quoten angeboten bekommen, es
Nicht unerwähnt bleiben soll als Krisenbewälti-
dasselbe gilt für die Zielsetzung. Es handelt sich
müssen auch nicht alle Gläubiger am Ausgleich
gungsinstrument die Möglichkeit einer Wirt-
um ein überaus flexibles und anpassungsfähiges
teilnehmen. Allerdings ist eine solche Ungleich-
schaftsmediation. Mediation ist „eine auf Freiwil-
Instrument, das zu konsens- und zukunftsorien-
behandlung allen Gläubigern gegenüber offenzu-
ligkeit der Parteien beruhende Tätigkeit, bei der
tierten Lösungen führen soll.
legen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Zah-
ein fachlich ausgebildeter, neutraler Vermittler
lungen, die einzelne Gläubiger begünstigen (d.h.
(Mediator) mit anerkannten Methoden die Kom-
Als letzter Ausweg bleibt schließlich das Insol-
wenn einzelne Gläubiger in höherem Ausmaß
munikation zwischen den Parteien systematisch
venzverfahren, welches entweder als Konkurs oder
befriedigt werden als andere), angefochten
mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst
Ausgleich geführt werden kann.
werden.
verantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen“ (§ 1 Zivilrechts-Mediations-Gesetz).
Voraussetzung ist der Eintritt der Zahlungsunfä-
Dieses Instrument des außergerichtlichen Aus-
Wichtige Merkmale sind die Freiwilligkeit der
higkeit (= die Unfähigkeit des Schuldners, man-
gleichs stellt eine kostengünstige, diskrete (daher
Teilnahme, die Neutralität/Allparteilichkeit des
gels flüssiger Mittel binnen angemessener Frist
23
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 24
GESCHEITER(T)?
und bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung alle
Die Konkurseröffnung wird samt wichtiger Daten
Anfechtungsmöglichkeiten und verteilt nach der
seine fälligen (!) Verbindlichkeiten zu begleichen)
in der Ediktsdatei (www.edikte.justiz.gv.at) veröf-
Verwertung den Erlös. Solange ein Unternehmen
oder der Überschuldung. Dieser für juristische
fentlicht, damit treten die Konkurswirkungen ein.
fortgeführt wird, kann es nur als Ganzes veräu-
Personen maßgebliche Konkursgrund liegt vor,
ßert werden; bei Schließung des Unternehmens
wenn das Aktivvermögen (bei Bedachtnahme auf
Prinzip eines Konkurses ist, dass das gesamte Ver-
(was zu erfolgen hat, wenn anders eine Erhöhung
etwaige stille Reserven) nicht die Verbindlichkei-
mögen des Schuldners („Gemeinschuldner“) für
des Ausfalls nicht zu vermeiden wäre bzw. wenn
ten deckt und ergänzend eine negative Fortbeste-
eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger
binnen eines Jahres kein Zwangsausgleich ange-
hensprognose besteht.
herangezogen wird. Unabhängig vom Zeitpunkt
nommen wird) hat die günstigste Art der Verwer-
der Forderungsanmeldung bekommt also jeder
tung zu erfolgen – die Zerschlagung des Unter-
Nach § 69 Abs 2 KO hat der Schuldner (also der
die gleiche Quote, und abgesehen von bestimm-
nehmens soll dabei letztes Mittel sein. Liegen-
persönlich haftende Gesellschafter von Personen-
ten „konkursfreien“ Vermögensteilen wird das
schaften und andere massezugehörige Sachen
gesellschaften oder der organschaftliche Vertre-
gesamte Vermögen vom gerichtlich bestellten
werden entweder freihändig veräußert oder
ter juristischer Personen, d.i. der Geschäftsführer
Masseverwalter verwertet. Um dies zu ermögli-
gerichtlich kridamäßig versteigert. Für bestimm-
einer GmbH oder der Vorstand einer AG) die
chen, besteht ab Konkurseröffnung eine Prozess-
te Handlungen muss der Masseverwalter die kon-
Pflicht, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens 60
und Exekutionssperre, die Rechtsverfolgung
kursgerichtliche Genehmigung einholen, er
Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen
durch einzelne Gläubiger ist damit nicht möglich.
unterliegt der Kontrolle des Gerichts. Der
Konkurs oder Ausgleichsantrag zu stellen.
Weiters verliert der Schuldner die Verwaltungs-
Gemeinschuldner ist verpflichtet, dem Massever-
Antragsberechtigt ist aber auch jeder Gläubiger,
und Verfügungsbefugnis über das massezugehö-
walter die erforderlichen Informationen zu
der eine Konkursforderung glaubhaft macht.
rige Vermögen, diese geht auf den Masseverwal-
erteilen.
ter über. Es wird eine Postsperre verhängt. Dem Weitere Eröffnungsvoraussetzung ist das Vorlie-
Gemeinschuldner ist lediglich zu überlassen, was
Konkursforderungen sind alle Ansprüche, die
gen eines kostendeckenden Vermögens. Darunter
„zu einer bescheidenen Lebensführung unerläss-
dem Gläubiger zum Zeitpunkt der Konkurseröff-
sind die Anlaufkosten des Konkursverfahrens zu
lich ist“; Sachen von unbedeutendem Wert kön-
nung gegen den Gemeinschuldner zustehen; sie
verstehen – es ist von rund 4.000 € auszugehen,
nen ausgeschieden und ihm ebenso überlassen
müssen im Verfahren angemeldet werden (wobei
die vom Antragsteller (Gläubiger oder Schuldner)
werden.
ein Gläubiger, der die Anmeldung vorwerfbar
vorschussweise zu erlegen sind, falls ein kosten-
Der Masseverwalter nimmt das Konkursvermö-
erst nach Ablauf der gesetzten Frist vornimmt,
deckendes Vermögen fehlt.
gen in Besitz, prüft die wirtschaftliche Lage sowie
grundsätzlich die Kosten einer eigens anzuberau-
24
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 25
GESCHEITER(T)?
menden Prüfungstagsatzung zu tragen hat). Die
und Ansprüche aus den vom Masseverwalter
zu haften. Weiters besteht für den Kostenvor-
Feststellung als Konkursforderung durch Aner-
abgeschlossenen bzw. genehmigten Rechtsge-
schuss zur Deckung der Anlaufkosten eine per-
kennung des Masseverwalters in der Prüfungs-
schäften.
sönliche Haftung. Für Pflichtverletzungen gegen-
tagsatzung bewirkt die Teilnahme am Konkurs,
Im Übrigen bestehen weitreichende Auswirkun-
über dem gemeinschuldnerischen Unternehmen
also die Berücksichtigung der Forderung bei der
gen des Konkurses auf bestehende Verträge, ins-
kann das vertretungsbefugte Organ ebenso
quotenmäßigen Befriedigung. Bei Bestreitung ist
besondere Arbeitsverträge, Mietverhältnisse, Auf-
ersatzpflichtig werden, besteht doch die Pflicht,
über das Bestehen der Forderung in einem
rechnungsmöglichkeiten, die in § 19ff KO nachzu-
die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen
gerichtlichen Verfahren („Prüfungsprozess“) zu
lesen sind.
Geschäftsmannes zu führen (vgl. § 25 GmbHG).
entscheiden.
Bei Verletzung dieser Pflichten kann der MasseIn § 27ff KO sind mehrere Anfechtungstatbestän-
verwalter namens der Konkursmasse Forderun-
Nicht anmeldepflichtig sind jedoch Aussonde-
de geregelt. Demnach können bestimmte Rechts-
gen gegen den Geschäftsführer, Vorstand, persön-
rungsrechte (d.i. vor allem das Eigentumsrecht,
handlungen, die vor der Konkurseröffnung
lich haftenden Gesellschafter geltend machen.
z.B. wenn sich ein Gläubiger Eigentumsvorbehalt
gesetzt wurden und die den Haftungsfonds der
Für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge
ausbedungen hat) und Absonderungsrechte (d.i.
Gläubiger zu Gunsten eines bevorzugten Gläubi-
sowie Abgabenverbindlichkeiten haftet das
vor allem das Pfandrecht), diese bleiben mit eini-
gers schmälern, angefochten und somit für
Organ bei Verschulden, sofern der Betrag nicht
gen Ausnahmen bestehen.
unwirksam erklärt werden.
beim Unternehmen einbringlich gemacht wer-
Ebenso müssen Masseforderungen nicht ange-
Hinzuweisen ist auf das Haftungsrisiko der
ten Organe, die gleichzeitig Dienstnehmer sind,
meldet werden. Es handelt sich dabei um Ansprü-
organschaftlichen Vertreter eines Unternehmens:
keinen Anspruch auf Insolvenzausfallgeld nach
che gegen die Konkursmasse, die nach Konkurser-
Den persönlich haftenden Gesellschafter, den
dem IESG, rückständige Bezüge werden demnach
öffnung entstehen, sie müssen vorweg (also vor
Geschäftsführer und den Vorstand trifft bei Ver-
nur mit der Quote befriedigt.
den Konkursforderungen und zur Gänze) befrie-
letzung der Antragspflicht nach § 69 Abs 2 KO
digt werden. Masseforderungen sind im Wesent-
gegenüber den Konkursgläubigern eine (persönli-
Im Jahr 2000 erfolgte im Zuge einer Strafrechts-
lichen die Kosten des Konkursverfahrens, nach
che!) Haftung für den „Quotenschaden“, d.i. ein
novelle eine deutliche Entschärfung des Krida-
der Konkurseröffnung entstandene Steuern, SV-
durch eine spätere Konkurseröffnung entstande-
strafrechts. § 159 StGB normiert bei fahrlässigem
Beiträge und andere öffentliche Abgaben, Forde-
ner höherer Forderungsausfall. Auch für andere
Handeln die Straftatbestände, für die der Schuld-
rungen der Arbeitnehmer auf laufendes Gehalt
aus der Verspätung resultierende Schäden hat er
ner, der Geschäftsführer, das Vorstandsmitglied,
den kann. Weiters haben die vertretungsbefug-
25
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 26
GESCHEITER(T)?
der Prokurist oder der leitende Angestellte mit
„Umtriebe“ während eines Ausgleichs- oder Kon-
Einbringlichmachung vorzunehmen.
maßgeblichem Einfluss auf die Geschäftsführung
kursverfahrens unter Strafe.
Eine Schuldbefreiung kann im Rahmen des Kon-
zur Verantwortung gezogen wird. Voraussetzung
kursverfahrens durch einen Zwangsausgleich
ist ein „kridaträchtiges Handeln“, worunter (im
Eine strafrechtliche Verurteilung wegen
erreicht werden. Die Konkursgläubiger müssen
Gesetz definierte) grobe Verstöße gegen die
bestimmter Kridadelikte ist ein Gewerbeaus-
dabei binnen zwei Jahren mindestens 20 % ihrer
Grundsätze ordentlichen Wirtschaftens zu verste-
schlussgrund, dasselbe gilt für die Dauer von drei
Forderungen erhalten. Der Gemeinschuldner hat
hen sind (z.B. das Nichterstellen der Jahresab-
Jahren für die Abweisung des Konkursantrags
über die konkreten Konditionen einen Zwangs-
schlüsse, das Unterlassen der Führung von ord-
mangels kostendeckenden Vermögens (§ 13
ausgleichsantrag zu stellen, notwendig ist die
nungsgemäßen Geschäftsbüchern, das Treiben
GewO). Es kann weder von der betroffenen juri-
Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der
eines übermäßigen Aufwandes, der in auffallen-
stischen Person noch von natürlichen Personen,
Gläubiger: Mehr als die Hälfte der bei der
dem Missverhältnis zur wirtschaftlichen Lei-
die einen maßgeblichen Einfluss auf solch ein
Zwangsausgleichstagsatzung anwesenden Gläu-
stungsfähigkeit steht u.dgl.). Wird wegen solcher
Unternehmen hatten, ein Gewerbe ausgeübt
biger, die mindestens 75 % der Gesamtsumme der
kridaträchtiger Handlungen grob fahrlässig die
werden. Das Erwirken einer Nachsicht ist jedoch
Forderungen innehaben, müssen zustimmen. Bei
Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt oder grob
möglich (§ 26 GewO).
Erfüllung der Zwangsausgleichsleistungen sind die Schulden vollständig getilgt und die Entschul-
fahrlässig die Befriedigung der Gläubiger in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zah-
Schlussendlich wird das Konkursverfahren durch
dung ist erreicht, bei qualifiziertem Verzug tritt
lungsunfähigkeit vereitelt, besteht ein strafbares
die Verteilung beendet, wobei die Konkursgläubi-
ein Wiederaufleben ein.
Verhalten. Strafbarkeit besteht unter diesen Vor-
ger entsprechend ihrer festgestellten Konkursfor-
aussetzungen auch, wenn die Zahlungsunfähig-
derung quotenmäßig befriedigt werden und der
Als Variante steht natürlichen Personen (also
keit nur durch einen helfenden Eingriff der
Konkurs in der Folge aufgehoben wird. Damit
nicht Unternehmen) ein Zahlungsplan (= Zwangs-
öffentlichen Hand vermieden wurde.
geht die Verwaltung- und Verfügungsbefugnis
ausgleich ohne Mindestquote) oder ein Abschöp-
wieder auf den Gemeinschuldner über. Der die
fungsverfahren offen, dessen Ziel die Restschuldbe-
Gemäß § 153c StGB ist weiters das Nichtabführen
Quote übersteigende Teil der Forderung bleibt
freiung ist (vgl. §§ 181ff KO).
von einbehaltenen Dienstnehmerbeiträgen an
jedoch bestehen, eine Restschuldbefreiung erfolgt
die Sozialversicherungsanstalt strafbar. Betrügeri-
nicht. Nach Beendigung des Konkurses steht es
Alternativ zum Konkursverfahren kann der insol-
sche (also vorsätzliche) Krida ist weiterhin straf-
somit jedem Gläubiger frei, gegen den Schuldner
vente Schuldner einen Ausgleich beantragen. Dies
bar (§ 156 StGB). § 160 StGB stellt bestimmte
Exekution zu führen und weitere Versuche der
ist ein Sanierungsverfahren, hat also den Erhalt
26
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 27
GESCHEITER(T)?
und nicht die Liquidation des Schuldnervermö-
Bei Erfüllung des Ausgleichs kommt es wiederum
gens zum Inhalt. Vom Gericht ist ein Ausgleichs-
zur Restschuldbefreiung, bei Säumnis leben die
verwalter einzusetzen, der den Schuldner und
Forderungen wieder auf.
dessen Geschäftsführung kontrolliert, in bestimmten Angelegenheiten zustimmen muss,
Wurde ein Ausgleich binnen 90 Tagen nicht
die angemeldeten Forderungen prüft und allen-
angenommen, ist das Verfahren einzustellen, es
falls im fortgesetzten Verfahren überwacht. Die
kann zum „Anschlusskonkurs“ kommen.
Geschäftsfähigkeit des Schuldners unterliegt daher gewissen Beschränkungen (z.B. bei Dispositionen über Liegenschaften oder außergewöhnlichen Rechtshandlungen). Der vom Schuldner zu stellende Ausgleichsantrag muss die gesetzliche Mindestquote von 40 % enthalten, zahlbar binnen zwei Jahren ab Annahme des Ausgleichs. Wie beim Zwangsausgleich müssen eine absolute Kopfmehrheit und eine Summenmehrheit von mindestens 75 % der anwesenden Gläubiger dem Antrag zustimmen, damit ein Ausgleich als angenommen gilt.
27
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 28
GESCHEITER(T)?
GESCHEITER(T) – DER FINANZIELLE ASPEKT STEUERKNIGGE – NÜTZ-
geln, die den Rahmen des eigenen wirtschaftli-
tungskapitals bzw. Festlegung vereinbarer
chen Handelns bestimmen. Durch diese
Parameter: Bestimmen, ab wann das Haf-
LICHE WIRTSCHAFTLICHE
„Rahmenfunktion“ (wie bei einem Bilderrahmen)
tungskapital wieder zurückgeführt wird, z.B.
wird erst die Möglichkeit geschaffen, das „Bild
wann ist keine Simultanhypothek mehr erfor-
VERHALTENSWEISEN AUS
des eigenen Wirtschaftens“ zu gestalten.
derlich, ab wann trägt sich die finanzierte
DER SICHT DER STEUER-
Speziell für den finanziellen Aspekt sollten dabei folgende „Rahmen“-Bedingungen festgelegt
ermittlung und Liquiditätsplanung): Eine
BERATUNG
werden:
Hauptfunktion von Businessplänen ist die
VON CHRISTOPH J. HEIMERL , STEUERBERATER
!
Immobilie selbst? !
Erstellung von Businessplänen (für die Erfolgs-
Reduktion der Komplexität des wirtschaftTrennung der Finanzen in eine Berufssphäre
lichen Handelns und das Konkretisieren und
und eine Privatsphäre: z.B. getrennte Konten
Ausformulieren des Geschäftsmodells.
Der Zugang des Gesetzgebers zum Thema „Schei-
lassen keine Vermischung dieser beiden
tern“ hat sich in den letzten Jahren verändert
Bereiche zu.
nikation begegnen, vor allem gegenüber Geld-
Definieren des Geschäftsmodells für das wirt-
gebern: Agieren statt Reagieren!
und wird nun differenzierter betrachtet als vor
!
!
Schwierigen Situationen mit offener Kommu-
Fristenkongruenz bei der Finanzierung: Lang-
einigen Jahren. Dies zeigt sich u.a. darin, dass ein
schaftliche Handeln: Umsatz, variable Kosten,
„redliches Scheitern“ gegenüber dem „grob fahr-
Fixkosten, Deckungsbeitrag; womit erwirt-
fristige Investitionen sollen ebenfalls lang-
lässigen Handeln“ straffrei gestellt wurde. Ein
schafte ich einen Gewinn? Grundsätzlich lässt
fristig finanziert werden.
ähnlicher Weg wurde auch im Steuerrecht
sich jedes Geschäftsmodell über wenige Para-
beschritten.
meter steuern.
tisch beleuchten: Die Zeit der Einzelkämpfer ist
!
!
Eigenkapitalausstattung festlegen bzw. kri-
Definition eines Ausstiegsszenarios bzw. eines
vorbei – Kooperationen sind oft sinnvoll.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jeder
-zeitpunkts, wann das bestehende Geschäfts-
Andere am Erfolg zu beteiligen, kann viele Vor-
Wirtschaftstreibende darauf achtet, ein wirt-
modell bzw. der -plan aufgegeben wird.
teile haben, u.a. die Mithilfe, gesteckte Ziele zu
Beschränkung des eingesetzten Kapitals: Bis zu
erreichen.
!
schaftliches Scheitern zu vermeiden und das
!
Unternehmerrisiko zu minimieren.
welcher Höhe kann ich Kapital einsetzen bzw.
Basis dafür sind eine fundierte Standortbestim-
aufbringen?
mung und das Festlegen spezifischer Grundre-
!
Beschränkung auch des eingesetzten Haf28
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 29
GESCHEITER(T)?
STRAFRECHTLI CHE ASPEKTE DER INSOLVENZ Bei aller Lockerung durch den Gesetzgeber: Die
und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger
Geltendmachung von nicht bestehenden For-
oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder
derungen, in der Absicht, einen nicht zuste-
schmälert ...“)
henden Einfluss im Insolvenzverfahren zu erlangen)
Sanktionen bzw. die Berührungspunkte der straf-
!
Schädigung fremder Gläubiger
rechtlichen Verfolgung des „wirtschaftlichen
!
Begünstigung eines Gläubigers
!
Vollstreckungsvereitelung
Scheiterns“ hinterlassen eine stigmatisierende
!
Grob fahrlässige Beeinträchtigung von
!
§ 153c StGB: Ein Dienstgeber macht sich straf-
Wirkung bei den Betroffenen bzw. in unserer
Gläubigerinteressen
bar, wenn er die Beiträge eines Dienstnehmers
Gesellschaft.
Dazu zählen auch kridaträchtiges Handeln,
(Dienstnehmeranteil der Sozialversicherung -
d.h. Handlungen gegen Grundsätze ordentli-
jener Anteil, welcher vom Bruttogehalt des
chen Wirtschaftens wie etwa
Dienstnehmers einbehalten wird) nicht an den
das Unterlassen von Führen von Geschäfts-
berechtigten Versicherungsträger abführt.
Unter strafrechtlichen Aspekten im Zuge der Insolvenz sind hauptsächlich die Gläubiger-
!
schutzdelikte der § 156 bis 163 StGB zu verstehen.
büchern oder geschäftlichen Aufzeichnungen
Daneben können natürlich auch noch andere
oder wenn man diese „ ...so führt, dass ein zeit-
Durch die Novellierung des § 159 StGB im Jahr
Straftatbestände verwirklicht werden, wie bei-
naher Überblick über seine wahre Vermögens-,
2000 wurde das „redliche Scheitern“ straffrei und
spielsweise Betrug (§ 146 StGB), Veruntreuung
Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert
nur mehr das „grob fahrlässige Handeln“ unter Strafe
(§ 133 StGB) oder Untreue (§ 153 StGB).
wird, oder sonstige geeignete und erforder-
gestellt.
liche Kontrollmaßnahmen, die ihm einen Betroffene werden meistens mit folgenden straf-
solchen Überblick verschaffen, unterlässt ...“
rechtlichen Aspekten in Krisensituationen kon-
oder
frontiert: !
!
ERTRAGSSTEUERLI CHE ASPEKTE
„ ... Jahresabschlüsse, zu deren Erstellung er
Durch das Abgabenänderungsgesetz 2005 wurde
verpflichtet ist, zu erstellen unterlässt oder auf
mit Wirkung ab der Veranlagung 2006 die
Betrügerische Krida gemäß § 156 Abs 1 StGB
eine solche Weise oder so spät erstellt, dass ein
Besteuerung des Schuldenerlasses in einem Insol-
(„ ...wer einen Bestandteil seines Vermögens
zeitnaher Überblick über seine wahre Vermö-
venzverfahren neu geregelt.
verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder
gens-, Finanz- und Ertragslage erheblich
beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert
!
erschwert wird...“
Beim gerichtlichen Ausgleich, Zwangsausgleich
„Umtriebe“ während einer Geschäftsaufsicht
und im Zahlungsplanverfahren oder durch Ertei-
im Ausgleichs- oder Konkursverfahren (z.B.
lung einer Restschuldbefreiung nach Durchfüh-
29
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 30
GESCHEITER(T)?
rung eines Abschöpfungsverfahrens (siehe dazu
AUSGEWÄHLTE ABGABENRECHTLI CHE
Beitrag „Der gesetzliche Aspekte: Von Konkurs bis
HAFTUNGEN
Sanierung“) hat bei Schuldennachlässen eine Steuerfestsetzung in Höhe der auf die nachgelas-
Aus der Fülle von Haftungen, die das Abgaben-
sene Quote entfallenden Einkommenssteuer zu
recht festlegt, wird nachfolgend auf jene einge-
unterbleiben. Es ist nicht mehr erforderlich, dass
gangen, die vermehrt Berührungspunkte zu
der Schuldennachlass die Merkmale eines Sanie-
Krisensituationen aufweisen.
rungsgewinnes erfüllen muss. !
Haftung bei Zession:
Im Rahmen eines außergerichtlichen Ausgleiches
Bei einer Mantel- oder Globalzession von For-
wurde die Abgabenbehörde befugt, in gleicher
derungen sollte vereinbart werden, dass die
Weise von einer Abgabenfestsetzung wie beim
Zession nicht die Umsatzsteuer erfassen darf,
gerichtlichen Insolvenzverfahren Abstand zu
da anderenfalls der Geschäftsführer für die
nehmen. Bei diesem Verfahren ist jedoch darauf
nicht entrichtete Umsatzsteuer haftet.
Bedacht zu nehmen, inwieweit die wirtschaftli-
!
Treuhändig abzuführende Abgaben:
che Situation auf unangemessen hohe Entnah-
Äquivalent zu den treuhändig einbehaltenen
men zurückzuführen ist oder ob die zum Schul-
Sozialversicherungsbeiträgen haftet der Unter-
dennachlass Anlass gebenden Verluste sich
nehmer auch für die treuhändig einbehaltene
bereits steuerlich ausgewirkt haben.
Lohnsteuer. Gleiches gilt für die Kapitalertragssteuer bei Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften und die Abzugssteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen.
30
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 31
GESCHEITER(T)?
VEIT SCHMID-SCHMIDSFELDEN, RUPERT FERTINGER GMBH „STERBEN UND WERDEN“
Dieser Zugang ist im angelsächsischen Raum –
Kommunikation. Einen Wertemaßstab als „Navi-
und allen voran in den USA – seit langem schon
gator“ für sein Agieren zu haben und einzuset-
– DAS IST GANZ
üblich, bei uns steckt er leider noch in den Kin-
zen, ist jedenfalls weder Zeitverschwendung noch
derschuhen.
„altmodischer“ Luxus, sondern eine wichtige Ori-
NATÜRLICH UND KEIN SCHEITERN
entierungshilfe, die einem auch über schwierige Meine Familie ist seit 1710 unternehmerisch tätig.
Zeiten helfen kann.
Da gab es sehr unterschiedliche Zeiten. Sehr reiche und sehr krisengeschüttelte Phasen. Auch
Dialog halte ich generell für etwas ganz Wichti-
mein eigener Einstieg in das Unternehmertum
ges. Dinge auszusprechen und allgemein ver-
Ein Unternehmen ist für mich gescheitert, wenn
war in einer krisenvollen Zeit und es gab Phasen,
ständlich darüber zu diskutieren – das stärkt und
es Konkurs anmelden muss. Keineswegs aber,
in der wir Mitarbeiterabbau, Schließungen und
gibt vor allem auch viel Kraft in Krisenzeiten. Das
wenn der Unternehmer erkennt, dass die Zeit für
Konsolidierungen durchführen mussten. Ich war
bedeutet ständige Kommunikation nicht nur im
diese Art von Unternehmen, für diese Art von
und bin mir immer einer breiten Verantwortung
beruflichen Bereich, sondern auch innerhalb der
Produkten und Leistungen vorbei ist. Liquidie-
bewusst gewesen und überzeugt, dass Verläss-
Familie. So gibt man Werte weiter, so macht man
rung ist kein Scheitern. Glücklich und klug ist der-
lichkeit, Nachvollziehbarkeit und Berechenbarkeit
Entscheidungen greifbar und rüstet sich, und
jenige, der rechtzeitig entdeckt, wenn es für ihn
für einen Unternehmer wichtige Eigenschaften
auch seine Partner und Kinder, gegen potenzielle
und seine Firma keinen (Markt-)Platz mehr gibt.
sind.
Angreifer, die einem Neid und Schadenfreude
Eine frühzeitige, realistische und mutige Einsicht
entgegenbringen oder als gescheitert sehen wol-
dahingehend könnte sicher so manches Scheitern
Als „gescheitert“ habe ich mich in keiner noch so
len. Ich persönlich habe mich von solchen Men-
verhindern.
schwierigen Phase gefühlt – ich denke, weil ich
schen nie irritieren lassen – nicht in guten und
immer aktiv war, nach vorne geschaut und unter-
nicht in schlechteren Zeiten –, denn solche Men-
Aber scheitern kann ja nicht nur ein Unterneh-
nehmerische Möglichkeiten gefunden habe. Ein
schen finden immer etwas, worüber sie negativ
mer, das kann jeder. Für mich ist ein Mensch
Zugang, der mir von meiner Familie mitgegeben
reden können bzw. wollen.
dann gescheitert, wenn er seine Begabungen sein
wurde – ganz natürlich im Alltag. Das macht
ganzes Leben lang nicht sinnvoll einsetzen konn-
sicher vieles einfacher. Aber ich bin überzeugt,
te. Ein Unternehmer, der aus einer Krise gestärkt
dass man seine Werte auch selbst entwickeln
herauskommt, ist hingegen nicht gescheitert.
kann – durch Zuhören, Reflektieren und durch 31
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 32
GESCHEITER(T)?
UNIV.-PROF. DR. NIKOLAUS FRANKE, WIRTSCHAFTSUNIVERSITÄT WIEN – LEHRSTUHL FÜR ENTREPRENEURSHIP SCHEITERN IST IN INNO-
Kultur, der Religion zu tun. Wir sind noch immer
stellten gelebt werden kann und sollte. Natürlich
stark vom feudalistischen System geprägt. Auch
bedarf es dafür auch in den Unternehmen ent-
VATIVEN PROZESSEN
wird vielfach in der Dimension „alle sollen gleich
sprechender Strukturen. Der Gründungsakt als
sein und gleich behandelt werden“ gedacht statt
solcher ist nicht unbedingt relevant. Das sieht
UNUMGÄNGLICH
„leistungsgerechte Unterschiede sind o.k.“. Und
man beispielsweise in den oftmals publizierten,
das Neidpotenzial ist in Österreich auch ziemlich
stark steigenden Selbständigenquoten. Es ist
groß – geht oftmals bis zur Häme – und ist sicher
erfreulich, dass sie steigen und sicherlich spie-
Unternehmerisch tätig sein bedeutet, sich perma-
ein Einfluss, der die Angst, als gescheitert zu gel-
geln sie auch einen positiven Trend wieder. Aber
nent mit Veränderungen zu beschäftigen bzw.
ten, verstärkt. Ein Einfluss, der auch die unterneh-
wenn man ehrlich ist, muss man sagen, dass von
diese auch selbst zu initiieren. Wer unternehme-
merische Dynamik behindert. Aber ich bemerke
den jährlichen 30.000 Neugründungen vermut-
risch handelt, ist daher unweigerlich mit Wider-
einen Wandel. Unis sind ja oft Frühindikatoren
lich 95 % wenig volkswirtschaftliche Relevanz
ständen und oftmals auch mit Niederlagen kon-
von gesellschaftlichen Entwicklungen. So hat
haben, weil sie nicht innovativ und wachstums-
frontiert. Wobei ja Niederlagen generell zum
zum Beispiel eine Umfrage des Instituts ergeben,
orientiert sind. Als relevantere Zahl sehe ich die
Leben gehören – nicht nur zum Arbeitsleben.
dass 61 % der Studenten als größten Makel in
Anzahl jener Unternehmer, die Neues entwickeln
Aber vor allem als unternehmerischer Mensch
ihrem Lebenslauf eine Vorstrafe wegen Trunken-
und umsetzen wollen. Sich in technologienahen
muss man den Gedanken, dass man scheitern
heit am Steuer sehen, aber nur 8 % eine geschei-
Bereichen selbständig zu machen, ist aber nach
kann, ertragen und mit Rückschlägen umgehen
terte Unternehmerkarriere. Die Antworten wären
wie vor nicht besonders populär in Österreich,
können. Deshalb üben wir mit unseren Studen-
vor wenigen Jahren sicherlich noch anders aus-
und speziell bei den Wirtschaftswissenschaftern
ten in Praxisprojekten solche Situationen und
gefallen. In einer repräsentativen Befragung
gibt es viele Berührungsängste. Ressentiments
laden neben erfolgreichen Unternehmern auch
haben wir ermittelt, dass respektable 36 % der
zwischen den Disziplinen müssen abgebaut wer-
ganz bewusst Gastreferenten ein, die mit einem
WU-Studenten das Ziel haben, sich selbständig
den, denn in der Vernetzung und in der Kombina-
Unternehmen oder einem Projekt gescheitert
zu machen. Pragmatisierter Beamter nach dem
tion von unterschiedlichen Wissensbereichen
sind. Es ist wichtig zu hören, wie sich diese Perso-
Studienabschluss zu werden, lag in diesem Ran-
und Talenten liegt ein enorm großes Erfolgspo-
nen wieder motiviert und was sie aus der Situati-
king als Zielwunsch an letzter Stelle.
tenzial, das die Wahrscheinlichkeit zu scheitern
on gelernt haben.
verringert, wie empirische Untersuchungen
Die Stigmatisierung von Scheitern hat in unseren
Mir ist wichtig zu betonen, dass Unternehmer-
immer wieder belegen. Deshalb initiiere und
Breiten sicher sehr viel mit der Geschichte, der
tum eine Geisteshaltung ist und auch von Ange-
unterstütze ich die diversen Kooperationen der
32
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 33
GESCHEITER(T)?
WU mit technischen und naturwissenschaftli-
aber vor allem neue Ansätze und Unterrichtsfor-
chen Universitäten, allen voran das gemeinsame
men im Bildungssystem. Weg vom Auswendig-
Entrepreneurship Center mit der TU, wo wir
lernen hin zum Ausprobieren! Und das bereits ab
sogar schon einen gemeinsamen MBA zu Entre-
dem Kindergarten und nicht erst im Studium.
preneurship und Innovation haben. Gemeinsa-
Nicht die Wissenden sind die Erfolgreichsten,
mes Arbeiten schafft Verständnis und Anerken-
sondern jene mit hoher Problemlösungsfähigkeit.
nung.
An US-Schulen wird kreatives Problemlösen bereits als Unterrichtsfach angeboten – es auch
PROBLEMLÖSUNGSFÄHIGKEIT IST SCHLÜSSEL-
an Österreichs Schulen einzuführen, hielte ich für
QUALIFIKATION
sehr wichtig.
Es sollte nicht das Ziel sein, Scheitern um jeden Preis zu verhindern. Was nicht passend für den Markt ist, sollte nicht durchgetragen, sondern beendet werden, und die Energie sollte besser für andere bzw. neue Aktivitäten verwendet werden. Die Austrian School of Economics hat dafür das Schlagwort vom „Markt als Entdeckungsverfahren“ geprägt. Dafür ist es natürlich auch notwendig, das Scheitern zu entstigmatisieren. Was brauchen wir dafür? Öffentlichkeit, Diskussion, Vorbilder – hier sind sicher auch die Medien und Journalisten gefordert. Wir brauchen neue Finanzierungsformen, wir brauchen weniger juristische Regeln – Liberalisierung macht in diesem Bereich Sinn, denn der Geist „Unternehmer zu zügeln“ ist schon noch vielfach erkennbar. Wir brauchen 33
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 34
GESCHEITER(T)?
DR. HANS-GEORG KANTNER, KSV GEGEN KONKURS GIBT ES
Nebel kommt: Eine Vollbremsung ist wegen der
Bis vor recht kurzer Zeit wurden Unternehmer,
nachfolgenden Fahrzeuge sehr gefährlich, aber
die in Konkurs gegangen sind, von der Gewerbe-
KEINE IMPFUNG
mit ungebremster Geschwindigkeit weiter zu
ordnung (§ 13 GewO) mit Betrügern, Schmugglern
fahren ebenso. Wichtig ist in solchen Momenten:
und Steuerhinterziehern in einem Satz genannt
Nerven behalten, Geschwindigkeit reduzieren,
und somit gewissermaßen gleichgestellt. Da
Fleißig und anständig zu sein, reicht in der heuti-
aber mit voller Aufmerksamkeit weiterfahren.
bleibt selbst noch Jahre nach Aufhebung dieser
gen Zeit nicht mehr aus, um auf lange Sicht ein
Zumindest so weit, um in geregelter Form und
gesetzlichen Regelung (die Änderung erfolgte im
erfolgreicher Unternehmer zu sein. Man muss
bewusst an der passenden Stelle anzuhalten.
Jahr 2000) das Vorurteil in den Köpfen: „Der ist in
ständig zumindest zur besseren Hälfte der Bran-
Konkurs gegangen? Das kann kein Guter sein!“.
che gehören, um nicht abzurutschen; man muss
Und das gilt auch für ein Unternehmen, das sich
Dabei sind unter den Unternehmern, die in Kon-
innovativ sein. Aber Innovation birgt natürlich
in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Der
kurs gehen, nur rund 5 % betrügerisch unterwegs.
auch Risiko. So braucht man für Innovationen
Unternehmer muss sich also fragen: Wie lange ist
Leider hat diese geringe Anzahl aber extrem
häufig viel Geld. Geld, das im Unternehmen oft
es noch vertretbar weiterzumachen?
schlechte Auswirkungen auf das Image der über-
nicht vorhanden ist. Kredite bekommen aber
wiegenden Mehrheit von 95 % „redlicher“ Kon-
erfahrungsgemäß am leichtesten jene, die frem-
Man muss für den Erfolg als Unternehmer heute
kurse. Solange die schwarzen Schafe von den
des Geld scheinbar gar nicht brauchen. Also prä-
sicher mehr Risiko eingehen als früher. Aber
weißen nicht getrennt worden sind, erscheinen
sentieren sich viele Unternehmer so, als ginge es
dafür fehlt in der Gesellschaft oft das Verständnis
alle irgendwie grau. Diese 5 % zu finden und zu
ihnen finanziell ohnedies prächtig. Oft so lange,
und auch der Mut. Das hat mit unserer eigenen
bestrafen, halte ich deshalb für ganz wichtig.
bis sie es selbst glauben, auch wenn es dem
Geschichte zu tun. Österreich hat ja keine wirkli-
Unternehmen finanziell ganz und gar nicht
che Vergangenheit als „kapitalistischer Markt“ -
KONKURS NI CHT KRIMINALISIEREN – RECHTS-
(mehr) gut geht.
unsere Tradition bestand bis in die jüngere Ver-
BEWUSSTSEIN GENERELL ABER SCHÄRFEN
gangenheit zu einem großen Teil aus BauernEs stellt sich daher die Frage: Wie lange darf ein
und Beamtentum. Beides keine Tätigkeitsfelder,
Gleichzeitig ist es aus meiner Sicht unbedingt
Unternehmer diesen Schein der Normalität auf-
in denen viel mit Risiko gearbeitet werden muss.
notwendig, das Rechtsbewusstsein in Österreich
rechterhalten, um das Unternehmen und den
Und was man nicht kennt, macht einem Angst.
zu stärken. Noch allzu oft erlebe ich einen sehr
Glauben daran zu erhalten? Ich vergleiche das
Das ist in allen Bereichen so – gerade auch hin-
lockeren, selektiven Umgang mit der Rechtsord-
gerne mit einem Autofahrer, der plötzlich in den
sichtlich kapitalistischer Zugänge.
nung. Vieles gilt unter der Bevölkerung als Kava-
34
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 35
GESCHEITER(T)?
liersdelikt und gar nicht als Rechtsbruch – wich-
chen oder zumindest entschuldet werden. Das ist
tig wäre es hier meines Erachtens, sensibler mit
eine Quote, die ich in keinem anderen Land der
der Wahrheit umgehen.
Welt beobachtet habe. Das unternehmerische Scheitern wird also von der Rechtsordnung
Dann könnten wir im Wirtschaftsleben generell
wesentlich weniger stigmatisiert, als von den
leichter vertrauen. Und es würde einem Unter-
Köpfen und Herzen der Bevölkerung.
nehmer auch leichter das „redliche Scheitern“ geglaubt – und nicht sofort unterstellt, er habe „sich’s gerichtet“ –, wenn die Leute nicht mehr vom möglicherweise eigenen sehr freizügigen Umgang mit dem Gesetz auf andere schließen. ZWANGSAUSGLEI CH POPULÄRER MACHEN Wichtig ist mir zu betonen, dass der Konkurs nicht automatisch der Tod eines Unternehmens sein muss. Gegen Konkurs gibt es keine Impfung, er ist ja auch keine Krankheit. Aber kein Unternehmer ist wirklich davor gefeit. Es gilt: Keine Furcht, sondern positiver Blick nach vorne. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist ein Stopp von Verlustproduktion sicher früher als später sinnvoll bzw. auch ein Zwangsausgleich, der eine sehr hilfreiche Sache sein kann, aber offenbar immer noch zu wenig bekannt ist. Über einen Zwangsausgleich können derzeit bereits ca. 33 % der in Konkurs gegangenen Unternehmen weiterma35
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 36
GESCHEITER(T)?
GESCHEITERT! GESCHEITER!! DIE GESCHICHTE
WIE IST ES IHNEN NACH DEM RAUSSCHMISS
WIE HAT IHRE UMWELT AUF DEN RAUS-
GEGANGEN?
SCHMISS REAGIERT?
Es ging mir mit meiner Situation unmittelbar
Die Situation hat sich nach dem Rausschmiss erst
GESCHEITERT IST UND
nach dem Rausschmiss gar nicht schlecht, weil
richtig zugespitzt. Ich habe mich noch mehr
ich nicht unglücklich darüber war, einen Job zu
gehen lassen und war vor dem totalen Absturz.
DARAUS GELERNT HAT.
verlieren, der mir ohnedies nicht gefiel. Und
Irgendwann bin ich an dem Punkt angekommen,
heute kann ich sagen: Das Ganze hatte wirklich
an dem ich mein noch intaktes Umfeld an mich
DAS GESPRÄCH FÜHRTE CHRISTIAN
nur Positives zur Folge, denn ich wurde zu einem
herangelassen habe. Ich konnte und wollte nicht
STÜGER, SAP BUSINESS SCHOOL VIENNA,
Neustart gezwungen! Das heißt, der Rausschmiss
noch mehr aufs Spiel setzen und habe erstmals
PRÄSIDENT DER GRUPPE1031 , 2003-200 7
hat es mir ermöglicht, mein Drogenproblem
fremde Hilfe zugelassen und bin mit eisernem
ernsthaft anzugehen. Im Job hätte ich aus Zeit-
Willen mein Drogenproblem angegangen. Ich
Karl P. war vor zehn Jahren für ein weltweites
und Erklärungsnotstand keine Möglichkeit
hatte erkannt, dass es meine Orientierungslosig-
Speditionsunternehmen tätig und drauf und
gehabt, an meinem Problem zu arbeiten.
keit war, die mich in die Sucht getrieben hatte.
EINES MANNES, DER
dran Karriere zu machen. Er hatte allerdings ein
Ich habe mich auf die Suche nach mir selbst
massives Drogenproblem und wurde deswegen
WIE WÜRDEN SIE DAHER AUS IHRER EIGENEN
begeben und habe mir mein eigenes Ich geschaf-
gekündigt. Dieser Rausschmiss kam einem beruf-
HISTORIE HERAUS „GESCHEITERT SEIN“
fen und Fremdbilder nicht mehr unkritisch zu
lichen, gesellschaftlichen, sozialen und somit
DEFINIEREN?
Eigenbildern gemacht.
auch privaten Scheitern gleich.
Gescheitert ist man dann, wenn man ein Ziel, das man unbedingt erreichen will, verfehlt UND dar-
Seit zehn Jahren ist Karl P. nun erfolgreich von
an innerlich zerbricht! Sofern man aus Fehlern
den Drogen weg und als Geschäftsführer eines
lernt, ist man nicht gescheitert – ganz im Gegen-
eigenen Speditionsunternehmens mit etlichen
teil, man ist gescheiter!
Mitarbeitern und guten wirtschaftlichen Ergebnissen auch geschäftlich erfolgreich.
36
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 37
GESCHEITER(T)?
WAS HABEN SIE DAMALS BESONDERS NEGATIV WAHRGENOMMEN? Mein Umfeld hat mir zaghaft positiv Mut zugesprochen, aber eigentlich haben damals alle schwarz für mich gesehen. Leider konnte mir keiner die Wahrheit ins Gesicht sagen, aber etliche haben es mich spüren lassen, mich abgeschrieben und sich abgewandt. WAS HAT SI CH FÜR SIE DURCH D IESES ERLEBNIS VERÄNDERT? Man muss Scheitern als Chance sehen. Jeder hat eine neue Chance verdient – ich würde über niemanden voreilig den Stab brechen. Auch sogenannte gescheiterte Existenzen finden in meinem Unternehmen grundsätzlich einen Platz. Sicher müssen sie gute Arbeit leisten, sonst sind sie draußen, denn eine geschützte Werkstätte bin auch ich nicht.
37
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 38
GESCHEITER(T)?
LINKS UND LITERATUR WEBSITES ZUM THEMENKOMPLEX „SCHEITERN“: www.unternehmer-in-not.at www.scheitern.de www.krisennavigator.de www.p olitik-p oker.de/was-kostet-das-stigma-des-s cheiterns.php www.restrukturierung.at
LITERATUR ZUM THEMENKOMPLEX „SCHEITERN“: FRÜHERKENNUNG VON UNTERNEHMENSKRISEN UND INSOLVENZGEFAHR
Dr. Guido Leidig/Dr. André Jordan/Joachim Merzbach Verleger-Ausschuss; Börsenverein des Deutschen Buchhandels D IE 2. CHANCE – LEITFADEN FÜR RESTARTER
Gesellschaft für Innovative Beschäftigungsförderung mbH ANGST VOR FEHLERN? SCHWERER FEHLER!
Karin Kreutzer, Leykam KRISENMANAGEMENT
Birgit Feldbauer-Durstmüller, Josef Schlager (Hrsg.), Linde Verlag
38
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 39
GESCHEITER(T)?
MITGLIEDER DES ARBEITSKREISES „GESCHEITER(T)?“ DER GRUPPE1031 KARIN KREUTZER
konzept pr (Arbeitskreis-Leitung)
MARTIN BESTE
Intern. Versicherungsmakler Kiefhaber GmbH
GERNOT ESSL
Palmers Immobilien Gruppe
CHRISTOPH HEIMERL
HS-Steuerberatung
DORIS HIRT
Industriellenvereinigung
DIETMAR MÜLLER
Berndorf Hueck GmbH
INES C.M. PASKA
Austria Wirtschaftsservice GmbH
JOHANNA SCHWETZ-WÜRTH
blaufeuer - Beratungsagentur für Führungskompetenz
CHRISTIAN STÜGER
SAP Business School Vienna
ROMANA WIESER
Bezirksgericht Liesing
ALEXANDER ZERKOWITZ
Raiffeisen-Landesbank Steiermark AG
JOACHIM ZIMMEL
RHI AG
Die gruppe1031 ist ein österreichisches Netzwerk junger Unternehmer und Führungskräfte und versteht sich als Plattform und Diskussionsforum für wirtschafts- und gesellschaftspolitische Fragestellungen. Die gruppe1031 ist Mitglied der YES – Young Entrepreneurs for Europe, der größten europäischen Dachorganisation junger Unternehmer. www.grupp e1031 .at
39
scheitern_broschüre
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 40
EXPERTEN UND INTERVIEWPARTNER UNIV.-PROF. DR. NIKOLAUS FRANKE
Wirtschaftsuniversität Wien, Vorstand des Instituts für Entrepreneurship und Innovation Gast in der Arbeitskreis-Sitzung vom 17.4.2007
DR. HANS-GEORG KANTNER
KSV - Kreditschutzverband von 1870, Leiter KSV Insolvenz Gast in der Arbeitskreis-Sitzung vom 15.5.2007
VEIT SCHMID-SCHMIDSFELDEN
Rupert Fertinger GmbH, Geschäftsführer Präsident der gruppe1031, 1992-1996 Gast in der Arbeitskreis-Sitzung vom 30.1.2007
40
scheitern_brosch端re
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 41
GESCHEITER(T)?
NOTIZEN
41
scheitern_brosch端re
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 42
GESCHEITER(T)?
NOTIZEN
42
scheitern_brosch端re
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 43
scheitern_brosch端re
10.12.2007
12:45 Uhr
Seite 44
DER MUT ZU SCHEI TERN