material+technik möbel Ausgabe 02|2017

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FAC H M AG A Z I N F Ü R D I E K A S T E N – , K Ü C H E N – , B Ü R O – U N D S I T Z M Ö B E L – F E R T I G U N G S OW I E D E N I N N E N AU S B AU · W W W. M AT E R I A L-T E C H N I K . D E · 3 0 8 3 5 M_mt0217_Titel_Weinig.indd 1

Ligna:

EuroShop:

Texprocess:

Mehr Übersicht und Fläche durch Neugliederung

Mehr emotionale Shopping-Erlebnisse mit innovativen Materialien

Mehr Automatisierung sichert Fertigung in Deutschland

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Fokus

Ligna 2017:

Der Innovationsgipfel der Holzbranche Der Pflichttermin für die Holz be- und -verarbeitende Industrie startet mit einem neuen Flächenkonzept: Wenn sich vom 22. bis zum 26. Mai 2017 wieder alle wichtigen Unternehmen und Fachverbände der Forst- und Holzin­dustrie auf der Ligna in Hannover treffen, wird sich die Messe in neue Ausstellungsbereiche gliedern.

In diesem Jahr gehen die Veranstalter Deutsche Messe und VDMA Holzbearbeitungsmaschinen mit einem neuen Flächenkonzept an den Start: Die Forsttechnik rückt zum einen in die direkte Nachbarschaft zur Sägewerktechnik, Energie aus Holz und zur Holzwerkstoffherstellung. Außerdem gibt es einen neuen Angebotsschwerpunkt Werkzeuge, Maschinen und Anlagen für die Einzel- und Serienfertigung, der vornehmlich Anbieter aus der Massivholzverarbeitung beherbergt. Die Messe gliedert sich nun in die Ausstellungsbereiche Werkzeuge, Maschinen und Anlagen für die Einzel- und Serienfertigung, Oberflächentechnik, Holzwerkstoff­ herstellung, Sägewerkstechnik, Energie aus Holz, Maschinenkomponenten und Automatisierungstechnik sowie Forsttechnik. An Themenständen wird es die Brennholzlinie, den KWF-Unternehmerpavillon, die RFID-Factory und den Gemeinschaftsstand Oberfläche geben. Damit soll die Voraussetzung für einen erfolgreichen Weg in die Industrie-4.0-Welt geschaffen werden. Effizientere Wege „Wir werden der Forsttechnik auf der LIGNA ein neues Gesicht geben. Gemeinsam mit den Ausstellern haben wir die Flächenstruktur angepasst und schaffen damit für den Besucher effizientere Wege“, ­­­6

begründet Christian Pfeiffer, Leitung LIGNA bei der Deutschen Messe AG die Neuerung. „Mit dem neuen Flächenkonzept haben wir der Entwicklung Rechnung getragen, dass sich in der Holzbearbeitung die eingesetzten Techno­ logien zunehmend den Abläufen und Arbeitsweisen der Industrie anpassen. Technologien und Verfahren wachsen zusammen. Die Ligna macht den innovativen Schub dieser Entwicklung erleb-

bar, denn die neue Struktur des Geländes sorgt für eine optimale Orientierung“, ergänzt Andreas Gruchow, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Messe AG. Konzepte für vernetzte Fertigung Im Mittelpunkt der Ligna stehen intelligente Konzepte für die vernetzte Fertigung über einzelne Prozessschritte hinweg. „Die gezeigten Lösungen versprechen

LIGNA ▪ 22. – 26. Mai 2017 Ausstellungsprogramm Werkzeuge, Maschinen und Anlagen für die Einzel- und Serienfertigung (Hallen 11 – 15, 27) Themenstände: LIGNA Trainings (P11); Forschung & Lehre (Halle 11); RFID-Factory (Halle 11); Connected Factory (Halle 11); Tischler Schreiner Deutschland TSD (Halle 12); Deutscher Holzbaupreis (Halle 13); PPC-Processing of Plastics & Composites (Halle 27)

Eingang Entrance

Haus der Nationen House of Nations

Informations-Centrum Information Center

Presse-Centrum Press Center

Convention Center

Freigelände Open-air site

Oberflächentechnik (Hallen 16, 17) Holzwerkstoffherstellung (Halle 26) Sägewerkstechnik (Halle 25) Energie aus Holz (Hallen 25, 26, Freigelände/FG, Pavillons 32, 33, 35) Themenstand: Wood Industry Summit (Halle 26)

Maschinenkomponenten und Automatisierungstechnik (Hallen 15, 16) Forsttechnik (Freigelände/FG, Pavillons 32, 33, 35) Themenstände: Wood Industry Summit (Halle 26); Forsttechnik und Energie aus Holz (FG, Pavillons 32, 33, 35); Forst-Vorführgelände (FG)

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Fokus

Wachstum und Effizienz und zeigen nächste Schritte auf, um zum einen das Geschäft unabhängig von der Unternehmensgröße weiterzuentwickeln und zum anderen auch die im Markt zunehmend gefragte Losgröße eins schnellstmöglich zu realisieren,“ sagt Gruchow. Der neue Angebotsbereich „Maschinen, Anlagen und Werkzeuge für die Serien- und Einzelfertigung“ umfasst Maschinen für die Massivholzverarbeitung, Maschinen und Anlagen für die industrielle Herstellung von Möbeln und Maschinen und Handgeräte In diesem Jahr geht die Ligna mit einem neuen Flächenkonzept an den Start. This year, the Ligna will go to the starting point with a new concept. Photos: Deutsche Messe AG

für die Einzelfertigung von Holz und Holzwerkstoffen. Dort präsentieren die Hersteller den Fachbesuchern auf kurzen Wegen ein umfassendes Technologie-Spektrum über alle Leistungsklassen hinweg. Der Oberflächenbereich wird ebenfalls ein eigenständiger Ausstellungsbereich, was der zunehmenden Bedeutung innerhalb der Ligna gerecht wird. Komponenten jetzt eigenständig Ein weiterer Bereich wird zur Ligna aufgrund seiner Bedeutung und Größe eigenständig – und zwar Maschinenkomponenten und Automatisierungstechnik, die ein höheres Tempo und bessere Präzision sowie verkürzte Zykluszeiten in der Produktion und einen größeren Aktionsradius versprechen. Dabei sind die vernetzte Fertigung

und Automatisierung der treibende Faktor. Maschinen sind immer häufiger miteinander verbunden, der Einsatz von Robotern hat Einzug gehalten. Industrie 4.0 und die vernetzte Fertigung sind eine große Chance für alle Nischenanbieter und ihre Produkte, die für einen vernetzten Gesamtprozess notwendig sind. Automatisierung beschränkt sich nicht nur auf große Unternehmen, sondern ist auch für das Holzhandwerk interessant. Weltweit wächst der Bedarf an vernetzten und verketteten Lösungen. Vor allem im CNC-Segment ist ein starker Zuwachs in der Robotertechnik zu erwarten. RFID-Factory macht Industrie 4.0 erlebbar Zum zweiten Mal präsentiert sich in diesem Jahr die RFID-Factory auf rund 600 Quadratmetern. RFID

Vom 22. bis 26. Mai trifft sich die Holz verarbeitende Industrie wieder in Hannover. From 22 to 26 May, the woodworking industry will once again meet in Hanover. steht für Radio-Frequency IDentification und bezeichnet SenderEmpfänger-Systeme zum berührungslosen Identifizieren und Lokalisieren von Objekten mithilfe von Radiowellen. Damit schafft RFID die Grundlage für eine effiziente Erfassung des Produktionsfortschritts entlang der Wertschöpfungskette. „Mit der RFID-Factory zeigen wir, wie intelligente Vernetzung in der Holz- und Möbelindustrie umgesetzt wird. Auch der Mittelstand findet hier Lösungsansätze für sein Geschäft. RFID ist die Basis für Industrie 4.0, denn sie stellt ei­m aterial+technik möbel 02|17 ­­­7

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Macher & Märkte

„Werkzeuge werden zum zentralen Informationsträger“ Industrie 4.0 ist nicht erst seit der Ligna 2015 in aller Munde. Die Vernetzung der Produktionsschritte wird in der Holzbearbeitungsmaschinenindustrie künftig maßgeblich zur Sicherung des Produktionsstandorts Deutschland beitragen. Dabei reklamieren zum einen die Maschinenhersteller, hierbei eine wichtige Rolle zu spielen, zum anderen sind aber auch die Werkzeughersteller der Überzeugung, dass erst „intelligente“ Fräser und Sägeblätter die Umsetzung von Industrie 4.0 möglich machen. material+technik möbel wollte von Leitz-CEO Jürgen Köppel und Vertriebschef Edmund Mahler wissen, wie intelligent Werkzeuge schon sind. m+t: Herr Köppel, wie intelligent sind schon heute die Werkzeuge in der Holzbearbeitungsmaschinenindustrie? Köppel: Auf jeden Fall weiter als es den Anschein hat. Zumindest bestehen technisch die Möglichkeiten, den Werkzeugen Informationen mit auf den Weg zu geben, die automatisierte Produktionsprozesse möglich machen. Leitz war an dem Thema bereits früh dran, vielleicht zu früh. Bislang nutzen dies einige Türen- und Bodenbelaghersteller und leider noch nicht Möbelhersteller. Das Werkzeug wird in unseren Augen jedoch künftig zu einem zentralen Informationsträger zur effizienten Steuerung der einzelnen Prozessschritte. m+t: Was bedeutet dies konkret? Mahler: Leitz befasst sich mit dem Thema seit vielen Jahren. 1993 haben wir bereits die Mög-

lichkeit vorgestellt, in unsere Fräswerkzeuge RFID-Chips zu integrieren und seit 1995 gibt es auch erste Produkte im Einsatz. Durch verschiedene Leuchtturmprojekte in Europa, aber auch in Nordamerika, konnten auf diesem Gebiet wichtige Erfahrungen gesammelt werden. m+t: Sie sprachen gerade von einzelnen „Leuchtturmprojekten“. Wieso hat sich diese Möglichkeit nicht flächendeckend durchgesetzt? Köppel: Sicherlich liegt das darin begründet, dass die Werkzeugindustrie das Thema nicht ausreichend gepuscht hat. Auch war der Aufwand für die Unternehmen noch relativ hoch. Denn bevor Industrie 4.0 in aller Munde war, mussten die Anwender ein Stück weit die Abstimmung zwischen Maschinen-, Werkzeug- und Soft-

Exklusiv vor Ort Exclusive on the spot

warelieferant selbst leisten. Das hat wohl kleinere und mittelständische Betriebe abgeschreckt. Sie haben anscheinend auch nicht den Nutzen gesehen und wir haben diesen offenbar nicht offensiv und gut genug kommuniziert. Mahler: An dem Problem hat sich auch heute nicht viel geändert, was mit den Schnittstellen zusammenhängt. Denn zunächst muss erst einmal die Möglichkeit geschaffen werden, dass sich die Werkzeuge auch mit den Steuerungen der Maschinen verstehen. Das ist auch heute leider noch ohne großen Programmieraufwand nicht möglich, da es keine standardisierten Schnittstellen gibt. Das wollen wir ändern und haben aus diesem Grund für unsere F & EAbteilung ein CNC-Bearbeitungszentrum von Homag mit einer offenen Steuerung angeschafft. Unsere Techniker und Programmierer arbeiten an einer Lösung, die eine Kommunikation zwischen den Werkzeugen und der Maschine ermöglicht. Wir haben daher zusammen mit den Werkzeug- und Maschinenherstellern im VDMA eine Initiative gestartet, ein einheitli„Mit ,intelligenten‘ Werkzeugen können künftig Simulationen der Arbeitsschritte vorgenommen werden“. “With ‘intelligent’ tools, simulations of individual operations can be carried out in the future.”

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ches Datenformat auf Basis von XML zu kreieren, damit unsere Werkzeuge künftig mit den Maschinen aller Hersteller kommunizieren können. „RFID-Chips vermeiden Fehlbedienungen.“ m+t: Welche Möglichkeiten sind denn heute schon möglich? Mahler: Mit Hilfe von RFID-Chips erhalten unsere Kunden aus dem Türen- und Bodenbelagbereich wesentliche Informationen über das Werkzeug und minimieren dadurch die Rüstzeiten. Fehlerhafte Werkzeugbestückung kann dadurch vermieden werden. Die Praxis hat nämlich gezeigt, dass die Maschinenbediener selten in die Anleitungen schauen und dadurch die Werkzeuge nicht im optimalen Bereich betrieben werden. Das Problem hierbei ist, dass die Informationen bislang nur in eine Richtung flossen und von der Maschine keinerlei Rückmeldungen kamen. Korrekturwerte sind aber für eine effiziente Produktion wichtig. Rückmeldungen der Maschine würden es ermöglichen, die Standzeiten und kritische Betriebszustände zu erfassen und die Produktion dadurch weiter zu optimieren. Köppel: Ich sehe darin auch eine große Chance für die europäischen Hersteller, sich gegenüber Wettbewerbern durch entsprechende Innovationen auf diesem Gebiet zu differenzieren. m+t: Welche weiteren Informationen wären wünschenswert? Köppel: Um eine Vernetzung der

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Produktionsprozesse im Sinne von Industrie 4.0 realisieren zu können, sind Informationen über die Standzeit der Werkzeuge sowie über die erforderlichen Serviceintervalle erforderlich. In der Praxis ist es doch so, dass die Werkzeuge erst dann gewechselt bzw. nachgeschliffen werden, wenn über einen gewissen Zeitraum die Produkte nicht mehr dem gesetzten Qualitätsanspruch genügen. Das ist eindeutig zu spät und hat spätere Reklamationen der Kunden zur Folge. Ein Werkzeug, das auf das anstehende Wartungsintervall rechtzeitig hinweist, würde die Fehlerquote senken, Ausschuss verhindern und letztlich auch die Produktionskosten senken. Denn schlechte Qualität kann sich kein Unternehmen heute mehr leisten. „Wir wollen den monetären Vorteil besser kommunizieren.“ m+t: Die Ligna steht vor der Tür. Wird Leitz auf diesem Gebiet Neuerungen präsentieren? Mahler: Wir hatten das Thema in den vergangenen Jahren immer wieder gespielt und den Kunden vorgestellt. Auf der letzten Ligna haben wir beispielsweise unsere beiden Lösungen – QR-Code und RFID-Chip – präsentiert und damit gezeigt, dass wir je nach Investitionsbereitschaft beide Möglich­

keiten bieten können. Auf der kommenden Ligna wollen wir den monetären Vorteil besser kommunizieren. m+t: Scheitert es möglicherweise daran, dass die Mehrkosten zu hoch sind? Köppel: Leitz bietet wie gesagt unterschiedliche Lösungen. Der QR-Code ist bereits serienmäßig auf rund einem Drittel unserer Werkzeuge aufgebracht. Per Handy oder Tablet kann der Bediener die Bedienungsanleitung sowie Informationen über die Drehzahl und werkzeugspezifische Daten ab­ rufen. Einen noch weiter gehenden Mehrwert liefert unser maschinenlesbarer, elektronischer Speicherchip. Dieser wird auf Kundenwunsch im Flanschbereich einer Säge oder im Spannsystem so integriert, dass er durch Späneflug nicht beschädigt werden kann. Er wird mit den geometrie- und sicherheitsrelevanten Daten beschrieben und von der Maschine berührungslos identifiziert und ausgelesen. m+t: Welche weiteren Informationen für den Produktionsprozess können solche intelligenten Werkzeuge liefern? Mahler: Wünschenswert für den Bediener ist die Optimierung der Werkzeugstandzeiten in Hinblick auf die unterschiedlichen Materiali-

en. Die Vielfalt der zu bearbeitenden Werkstoffe und die Komplexität der Arbeitsprozesse nimmt stetig zu. Intelligente Werkzeuge unterstützen hier den Maschinenbediener, die richtigen Prozessparameter einzustellen, um Lernaufwand und Qualitätsprobleme zu verringern.

(V.l.n.r.) Edmund Mahler und Jürgen Köppel sprechen mit Richard Barth über die Rolle der Werkzeuge bei Industrie 4.0. (Left to right) Edmund Mahler and Jürgen Köppel talk to Richard Barth about the role of tools in Industry 4.0. Photos: Leitz

m+t: Wie sieht es denn nach dem Schärfen des Werkzeuges aus, müssen die Chips nicht neu programmiert werden? Köppel: Nach dem Schärfen des Werkzeuges müssen die Korrekturwerte mit der geeigneten Software auf den Chip übertragen werden. Das geht am besten durch unsere qualifizierten Techniker, weshalb wir stetig unser Servicenetz und die entsprechenden Dienstleistungen erweitern und so über weltweit 140 Schärfstellen verfügen. Wir sind damit nahezu überall auf der Welt in unmittelbarer Nähe unserer Kunden.

sind z. B. Geometriedaten, Maximaldrehzahl, Drehrichtung, Einstellmaße, Vorschubwerte in Kombination mit Drehzahl, Korrekturdaten usw. Sicherlich wird es auch möglich sein, vorab Simulationen der Arbeitsschritte vornehmen zu können.

„Werkzeuge werden künftig immer intelligenter.“ m+t: Welche Entwicklungen sehen Sie mittelfristig? Köppel: Ich bin davon überzeugt, dass die Werkzeuge in den kommenden Jahren immer intelligenter werden und dem Bediener wesentlich mehr Informationen liefern werden. Solche Informationen

m+t: Bedeutet dies, dass letztendlich das Werkzeug prozessrelevant ist? Köppel: Ich bin fest davon überzeugt, dass das Werkzeug maßgeblich für die Qualität des Endproduktes ist. Wenn die Anwender ein schlechtes Werkzeug auf einer Hightech-Maschine haben, dann kann das Endprodukt nicht gut sein. Umgekehrt sorgt ein gutes Werkzeug selbst auf einer nicht perfekten Maschine für eine gute Qualität. Letztendlich liefert aber das perfekte Zusammenspiel und eine abgestimmte Lösung die besten Ergebnisse. m+t: Wie könnte ein Szenario eines künftigen Produktionspro­m aterial+technik möbel 02|17 ­­­27

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Nürnberger Expertenrunde:

„Wir müssen das Thema Nachhaltigkeit noch besser ausspielen“ Klimaschutz, Nachhaltigkeit sowie neue Technologien wie der Digitaldruck zählen zu den Themen, mit denen sich die Einrichtungsbranche derzeit und verstärkt in der Zukunft auseinandersetzen muss. Daher standen diese Herausforderungen im Fokus der fünften Nürnberger Expertenrunde, die material+technik möbel zusammen mit dem Verband der Deutschen Holzwerkstoffindustrie (VHI) veranstaltete. Unter dem Titel „Digitaldruck, Nachhaltigkeit und Klimawandel – Hemmschuh oder Chance für die europäische Einrichtungswirtschaft?“ diskutierten unter der Leitung von Richard Barth (Chefredakteur material+technik möbel) sowie Dr. Peter Sauerwein (VHI) mit Claus Seemann (Pfleiderer), Beritt Meyer und Kay-Henrik von der Heide (beide Westag & Getalit), Steffen Reim (Dauphin-Gruppe), Jochen Winning (DGM) sowie Dr. Peter Sauerwein (VHI) sechs hochkarätige Experten aus der gesamten Prozesskette über die Anforderungen und noch erforderliche Maßnahmen. ­­­34

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Macher & Märkte

Die Teilnehmer der fünften Nürnberger Expertenrunde: (v.l.n.r.) Steffen Reim, Richard Barth, Kay-Henrik von der Heide, Beritt Meyer, Claus Seemann, Jochen Winning und Dr. Peter Sauerwein. The participants in the fifth Nuremberg Roundtable (from left): Claus Seemann, Dr. Peter Sauerwein, Kay-Henrik von der Heide, Beritt Meyer and Steffen Reim discussed the future challenges for the furnishing industry. Photos: Richter chen einsetzt. In Baden-Württemberg werden bereits beschlossene Flächenstilllegungen überdacht.

Sauerwein: „Die stoffliche Verwendung von Holz ist aktiver Klimaschutz.“ m+t: Könnten Sie den positiven

m+t: Zu den ganz großen Herausforderungen für die Einrichtungsindustrie zählt heute und künftig der Umweltschutz. Herr Dr. Sauerwein, mit der Vorlage des Klimaschutzplans 2050 hat die Bundesregierung unlängst klare Zeichen gesetzt. Inwieweit ist hier die Holzwirtschaft tangiert? Sauerwein: Vom Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung ist die Holzwirtschaft sogar im hohen Maße gefordert. Darin wird das Ziel formuliert, bis 2030 bereits 55 Prozent weniger Treibhausgase zu erzeugen und den Gebäudebestand bis 2050 klimaneutral zu machen. Das Klimapaket ist ein Leitfaden für die Politik, aus der sich Handlungen ergeben und möglicherweise auch Gesetze ableiten lassen. Erfreulich war dabei, dass die Forst- und Holzwirtschaft an einem Strang gezogen hat und weitere Flächenstilllegungen vermieden werden konnten. Wir konnten die Politiker von dem positiven Klimaschutzbeitrag der verantwortungsvollen Holzverwendung letztlich überzeugen, so dass sich der Klimaschutzplan für die verstärkte nachhaltige Nutzung von Waldflä-

Beitrag von Holz zum Klimaschutz näher erläutern? Sauerwein: Durch die stoffliche Verwendung kann Holz einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten, denn es geht dabei nicht allein um die CO2-Speicherung im Holzprodukt. Entscheidender ist der Effekt, dass die erzielte Substitution anderer Materialien, die viel Energie in ihrer Herstellung benötigen, doppelt so hoch ist wie die CO2Speicherung. Von der Wissenschaft konnte inzwischen dokumentiert werden, dass eine Tonne Holz 5,6 Tonnen CO2-Äquivalente einsparen kann. An dieser Stelle möchte ich auch herausstellen, dass wir derzeit in Deutschland bereits rund 14 Prozent des Treib­ hausgases durch die Wald- und Forstwirtschaft kompensieren können. Bei einer verantwortungsvollen Nutzung von Holz wären es mehr als 20 Prozent. Wir müssten es nur im Kreislauf halten und so oft wie möglich stofflich wiederverwenden. Voraussetzung wäre allerdings, dass baurechtliche Hemmnisse in Bezug auf Brandschutz abgebaut werden. Und genau diese Forderung ist im Klimaschutzplan enthalten.

Jahren noch weiteren Handlungsbedarf? Sauerwein: Ein erster Schritt ist dadurch getan, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine neue Charta für Holz auflegen und die Holzverwendung im öffentlichen Bereich erhöhen will. Dennoch sollten wir politisch noch mal Druck machen, damit die bestehende Energieeinsparverordnung (EnEV) in weiterentwickelt wird. Der VHI erarbeitet derzeit mit dem Deutschen Holzwirtschaftsrat Vorgaben, wie die EnEV in eine CO2Einsparverordnung überführt werden kann.

Reim: „Das umweltschonendste Kriterium ist Qualität.“ m+t: Fragen wir nun einmal bei den Experten aus der Industrie nach. Welche Rolle spielt der Klimaschutz in Ihren Unternehmen? Seemann: Als Holzwerkstoffhersteller sind wir grundsätzlich in der Lage, einen geschlossenen Kreislauf zu bieten. Wir können unser Produkt wiederverwenden und wiederverwerten – stofflich wie auch energetisch. Wir haben auch einen idealen Nutzungsgrad unserer Energieanlagen, die ebenfalls auf Holzbasis basieren, weil wir das ganze Jahr über Wärme benötigen und Wärme abnehmen können. Außerdem verwenden wir den Rohstoff Holz, so wie er aus dem Wald kommt, also zu 100 Prozent, oder leisten unseren Beitrag dazu, indem wir die Koppelprodukte von Sägewerken, also Sägespäne, Kappholz usw. verarbeiten. Von der Heide: Wir von Westag & Getalit setzen uns schon seit Jah-

ren mit dieser Thematik und der nachhaltigen Nutzung von Ressourcen auseinander. In der letzten Zeit hat das Thema noch einen gewissen Drive insofern bekommen, dass der eingesetzte Plattenwerkstoff nachhaltige Ressourcen in der Kette rückwirkend hat. Parallel wird die Gesetzgebung durch entsprechende Verordnungen untermauert, so dass für uns ein ganz klarer Bedarf besteht, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und es sorgfältig zu verfolgen In den letzten Jahren hat sich die Zahl zertifizierter Produkte am Markt erhöht. Westag & Getalit ist sehr stark im Objektgeschäft tätig, das die unterschiedlichsten Anforderungen an uns stellt. Darüber hinaus wurde kontinuierlich in die Erweiterung der eigenen Energieversorgung investiert und somit die thermische Restnutzung von Altholz oder Restmaterialien aus der Fertigung sichergestellt. Beide Werke sind dadurch inzwischen energieautark, was die Strom- und Wärmeversorgung für die Produktionsanlagen betrifft. Reim: Wie Sie sicherlich wissen, befindet sich der Sitz der DauphinGruppe in einem kleinen Ort in der wunderschönen Landschaft der Fränkischen Schweiz. Wir sind von daher schon dem Umweltschutz verpflichtet. Konkret heißt das, dass wir 2003 ein Umweltmanagementsystem nach DIN ISO14001 eingeführt haben und dass es natürlich dafür einen UmRichard Barth moderierte zusammen mit Dr. Peter Sauerwein die Expertenrunde. Richard Barth moderated the roundtable together with Dr. Peter Sauerwein.

Seemann: „Wir können einen geschlossenen Kreislauf bieten.“ m+t: Sind damit alle Hausaufgaben gemacht oder gibt es in den nächsten Monaten und ­m aterial+technik möbel 02|17 ­­­35

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Tarkett und Philips Lighting präsentierten einen Vinylboden mit vernetzter LED-Technologie, der eine Kundeninteraktion ermöglicht. Tarkett and Philips Lighting presented a vinyl flooring with networked LED technology that enables interaction with customers. Photos: Tarkett

Shop-Emotionalisierung mit den richtigen Materialien Die EuroShop in Düsseldorf erzielte ein Rekordergebnis. Die internationale Fachmesse für den Ladenbau präsentierte im vergangenen März das bislang größte Ausstellerangebot und steigerte ihr Besucher­ ergebnis gegenüber der Vorveranstaltung nochmals kräftig. Mit an Bord waren eine Reihe von namhaften Holzwerkstoffanbietern und Zulieferern der Möbelindustrie.

Zum 50jährigen Jubiläum der ­EuroShop in Düsseldorf (5. bis 9.3.2017) konnte die Ladenbaumesse mit neuen Bestmarken aufwarten. Sie unterstrich damit ihre Bedeutung als Weltleitmesse auf diesem Gebiet. Nicht nur bei der Aussteller- sondern auch bei der Westag & Getalit hatte seinen Messestand mittels des eigenen Digitaldrucks in Form einer Industrie-Themenwelt gestaltet. With its own digital prints, Westag & Getalit designed its fair stand in the form of an industry-theme world. Photo: Westag & Getalit ­­­42

Besucherzahl überbot sie die Vorveranstaltung im Jahr 2014. Der Dreijahresturnus der Veranstaltung ist sicherlich auch ein Grund für den hohen Zuspruch, den die Fachmesse international fand. Ein weiterer Faktor ist, dass der stationäre Handel zunehmend im harten Wettbewerb mit dem Online-Handel steht und in einer erlebnisorientierten Shopgestaltung eine Chance sieht, mehr Konsumenten in seine Häuser zu locken. Hierbei spielen letztlich auch die Materia­ lien und die Beleuchtung eine wichtige Rolle, denn sie vermitteln ­Atmosphäre und emotionale Erlebnisse.

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Fokus

Nach einer Pause war Interprint wieder an Bord und zeigte Designs, die nur mit Digitaldruck realisierbar sind. After an interval, Interprint was once again on board, presenting designs, which can only be produced by means of digital printing. Photo: Interprint Die 19. EuroShop hatte 2.368 Aussteller und damit 131 Anbieter mehr an Bord als die Vorveranstaltung. Auch erstreckte sie sich über 18 statt 16 Hallen mit über 127.000 m2 Netto-Ausstellungsfläche. Für die Internationalität spricht auch das starke Auslandsinteresse. Mit 1.516 Unternehmen aus 61 Nationen stammten zwei Drittel der Aussteller nicht aus Deutschland. Die umfangreichsten Beteiligungen kamen aus China, Italien und Frankreich. Auch bei den Besuchern erzielte die Veranstaltung eine neue Bestmarke. Mit 113.000 Interessenten wurde ein Plus von 4 Prozent gegenüber 2014 erzielt. Insgesamt waren 138 Länder auf der Besucherseite vertreten, so dass der Anteil der ausländischen Besucher auf 66 Prozent gesteigert werden konnte. Grund für die ebenfalls gewachsene Präsenz aus dem Zuliefersegment der Einrichtungsindustrie ist unter anderem der Ausfall der jährlichen Zuliefermesse ZOW, die stets wenige Wochen vor der EuroShop stattfand und wichtiges Schaufenster für die Anbieter von Oberflächen, Komponenten und Werkstoffen für die Möbelindustrie und den Innenausbau war.

Große Zulieferer-Präsenz Deutlich größer als auf den Vorveranstaltungen präsentierte sich der Gemeinschaftsstand des dlv-Netzwerk Ladenbau e.V.. Auf 1.300 m2 Fläche stellten 18 Unternehmen aus, 2014 waren es nur 1.000 m2. Zu den Ausstellern gehören nicht nur Ladenbauer und Baudienstleister wie z. B. ISG, sondern auch Zulieferer wie Ostermann, Swiss Krono sowie Rosskopf + Partner. Doch auch andere namhafte Zulieferunternehmen aus dem Einrichtungsbereich hatten sich in den Messehallen 10 und 11 eingefunden. Während sich das Angebot in Halle 11 auf Lichtlösungen kon­ zentrierte, präsentierten sich in der Halle 10 Oberflächenspezialisten wie Schattdecor, Interprint, Senosan, DTS, Aluminium-Feron, ­Homapal oder der Furnierspezialist Danzer. Neben Swiss Krono stellten in Düsseldorf weitere Holzwerkstoffproduzenten wie Pfleiderer, Kronospan sowie M. Kaindl aus. Aber auch Anbieter von Bodenbelägen wie Windmöller, Claassen, KronoTex sowie Tarkett stellten aus. Das Lichtsegment vertraten namhafte Anbieter wie Hera, Gera oder Elektra. Laut einer Studie des EHI-Retail

Institute war die LED-Technologie auch 2016 im Handel Investitionsschwerpunkt Nummer eins. Die Ladengeschäfte versprechen sich von der Umstellung neben der Energieeinsparung auch eine deutliche Verbesserung der Lichtqualität und Leistungs­fähigkeit. Bei der Ladengestaltung haben laut EHI zudem nachwachsende Rohstoffe oder naturbelassene Materialien wie z. B. Kork oder Flachs an Bedeutung ge­ wonnen. Nach wie vor ist Holz mit einem Anteil von 64 Prozent bei den befragten Unternehmen das wichtigste Material in der Ladenmöblierung, so das Institut. Sieben „Erlebnis-Dimensionen“ Für so manches Zulieferunternehmen war es der erste Auftritt auf dieser Messe und damit ein Testlauf für die Zukunft. Denn sowohl die Aus­steller- als auch die Besucherstruktur der Messe ist ausge-

Mit seiner „skai“-Digitaldruckkollektion ermöglicht Hornschuch die Realisierung von Kleinserien und individuellen Projekten. With the “skai” digital print range from Hornschuch, small series orders and individual orders can be realised. Photo: Hornschuch sprochen breitgefächert: Auf der EuroShop stellen sowohl Ladenbauunternehmen als auch deren Lieferanten ihre Kompetenz vor. Dazu kommt, dass sich die Messe nicht nur mit der Gestaltung von Ladengeschäften befasst, sondern auch mit den erforderlichen Datenverarbeitungsprogrammen, Kassensystemen sowie nicht zuletzt Lösungen zur Energieeinsparung. Um den Besuchern bei dieser Produktvielfalt auf der Messe dennoch einen schnellen und effizienten

Mit Dekoren wie „TreasureChest“ führte Schattdecor die gestalterischen Möglichkeiten seiner neuen Digitaldruckanlage vor. Schattdecor uses decors such as “TreasureChest” to demonstrate the design possibilities of its new digital printing line. Photo: Schattdecor ­m aterial+technik möbel 02|17 ­­­43

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