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Eine schwäbische Stimme im Kirchenkampf

Paul Gotthilf Pfleiderer wurde am 4. September 1876 als Sohn des Rotgerbers Gotthilf Pfleiderer und seiner Frau Julie geb. Fleischhauer, einer Pfarrerstochter, in Waiblingen geboren.

BIrgIt und helMut arnold

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nach Abschluss der erforderlichen Schullaufbahn leistete er seinen Militärdienst

und konnte im Oktober 1895 mit dem Studium der Theologie in Tübingen beginnen. 1903 legte Paul Pfleiderer seine zweite Dienstprüfung ab und erhielt eine Anstellung in Ruppertshofen. 1917 wurde er als Feldgeistlicher verpflichtet, zunächst in Nordfrankreich und Flandern, 1918 war er in der Ukraine. 1921 bewarb er sich nach Tailfingen, später nach Balingen und wurde dort 1927 Dekan und Stadtpfarrer.

Paul Pfleiderer war verheiratet mit Hedwig Braungart. Zwischen 1913 und 1942 verlor das Paar seine drei Söhne: Der älteste Sohn Werner starb 7jährig, die beiden 1915 und 1922 geborenen Söhne otto und Gerhard fielen 1939 bzw. 1942. Die 1908 geborene tochter elsbeth heiratete 1932 Arnold Binder, damals Pfarrer in Göttelfingen. Paul Pfleiderer starb nach längerer Krankheit 1946 kurz nach seinem 70. Geburtstag.

Verfolgt man sein in einer umfangreichen Akte gespiegeltes Leben – soweit es sich auf Papier darstellen lässt –, verlief es in geregelten Bahnen. eine mehrmonatige reise 1903, die Kriegszeit 1917/18, schließlich 1927 der Aufstieg zum Dekan ragen heraus. Viel Zeit widmete er der Ausbildung seiner beiden jüngeren Söhne, deren tod ihn schwer traf.

Aber da war noch etwas: im September 1934 fasste Dekan Pfleiderer seinen Verdruss über den „Kirchenstreit“ in folgendem Gedicht zusammen, das er nach Berlin sandte:

Der reichsbischof aus Preißeland Hot Jäger ons ond Walzer g’sandt. Aus ebinge kommt au’ der Krauß Ganz onbedacht ond g’wissenlaus. Die suchet ’s Geld beim arme Wurm. Des geit im Schwobeländle Sturm. An ällem schuld ischt Wilhelm rehm Aus Simmersfeld. Dass er se’ schäm! mit „Bodelschwingh ischt ein rebell“ fangt vorm a’ Jahr er a’ ’s Gebell im Stuegerter nSKurier ond älles bringt er hindersche fir. er hoißt dr „Hongerpastor“ au, Hot Auto ond e’ reiche frau, missbraucht d’Partei ond d’Polizei 12 monet schau’. Dass Gott verzeih! Wo bleibt do ’s evangelium? o lieber Heiland, sorg de drom! ond lass bald onsern führer wisse: mit sotte Kerle ischt er b’schisse. Grad so wie dr „saubre“ röhm machet die sich’s au’ bequem: mit Betrug, List und Gewalt Wellet’s maul se stopfe halt. Doch der wackre Schwabe schreit: Herr Gott, gib Gerechtigkeit! Der Wurm ischt reacht für ons ond guet, Grad weil er d’ G’wisse schärfe tuet. Des ischt au’ eich, ihr Herre, g’sond. Drom treibets no net gar so bont. Sonst ganget still mir Schwobe weg ond die reichskirch – sitzt em Dreck. Was will Berlin am nesebach? mir b’sorget selber onser Sach. De „Deitsche“ Christe sollet gau’ ond d’Schwobe bald em friede’ lau’. Dr Heiland guckt d’montur net a’; er frogt bloß: was isch’s für e ma’? Hält er Wort ond hält er Stand, no ischt er reacht fürs Schwobeland. für führer, Volk ond guetes recht Steht furchtlos treu das Schwobegschlecht. Doch d’Kirch bleibt grad so, wie se ischt. ’s Berliner Bapsttom ischt e mischt, e Spott aufs evangelium! Drom, Herr minister, sieh de om, Wehr jetzet endlich dene Leit! ond aus ischt äller Kirchestreit.

Heil Hitler!

Was hatte es mit dem Kirchenkampf auf sich? Landesbischof Theophil Wurm hatte sich im April 1934 für die von ihm geführte evangelische Landeskirche in Württemberg zu den Zielen der Bekennenden Kirche bekannt. Daneben gab es eine starke Bewegung der Deutschen Christen, deren Landesleiter in Württemberg Pfarrer Wilhelm Rehm aus Simmersfeld war. Diese wollten dem von den nationalsozialisten unterstützten reichsbischof Müller helfen, „ordnung“ in die auf ihre Unabhängigkeit bedachte württembergische Landeskirche zu bringen. im September 1934 eskalierte der Konflikt. reichsbischof müller versuchte, die Situation in Württemberg von Berlin aus in den Griff zu bekommen. er schickte den rechtswalter Jäger und den Verwaltungskommissar Walzer nach Stuttgart. Diese beiden sollten mit Hilfe der parteihörigen Deutschen Christen in Württemberg für die Gleichschaltung der württembergischen Landeskirche mit der evangelischen reichskirche sorgen.

Am 14.9.1934 eröffnete rechtswalter Jäger während einer Besprechung im oberkirchenrat dem Landesbischof seine Beurlaubung unter dem Vorwand der Veruntreuung von Haushaltsgeldern. Bei dieser Besprechung war Dekan Pfleiderer vermutlich anwesend und erlebte mit, wie die Beurlaubung Wurms abgewickelt wurde und der ebinger Stadtpfarrer Krauss seine ersten Amtsgeschäfte als „geistlicher Kommissar“ tätigte. Weitere renommierte Kirchenvertreter wurden in den folgenden tagen aus ihren Ämtern entfernt, d.h. entweder beurlaubt oder in den ruhestand versetzt. Paul Pfleiderer selber war davon nicht betroffen. es zeigte sich aber, dass sehr viele Pfarrer und Gemeindemitglieder nicht dazu bereit waren, sich das aus der reichshauptstadt Berlin importierte Kirchenregime aufzwingen zu lassen. Sie hielten an der in der Weimarer Verfassung garantierten Selbständigkeit der Landeskirchen fest. in dieser Situation hatte Dekan Pfleiderer den mut, an reichsinnenminister Frick zu schreiben, und er fasste seine „b’scheidne Bitt“ in reime. Damit drückte er nicht nur seine Solidarität mit dem Landesbischof aus, sondern unterstützte auf seine besondere Weise den vielstimmigen Chor der Gegner dieses diktatorischen Vorgehens.

Wie ging die Geschichte aus? nach einem Gottesdienst in der Stiftskirche Stuttgart am 4.10.1934 verfügte der württembergische innenminister Schmid Hausarrest für Landesbischof Wurm. eine von Krauss geleitete und vorwiegend aus „deutschen Christen“ bestehende rumpfsynode versetzte ihn einige tage später in den ruhestand. Daraufhin kam es im ganzen Land zu eindrucksvollen Solidaritätskundgebungen des Kirchenvolks, vor allem aber in Stuttgart. Vor dem Wohnhaus von Wurm in der Silberburgstraße kam es zu einer der größten Kundgebungen gegen den nationalsozialismus während der Zeit des dritten reiches. Am 21. oktober versammelten sich dort etwa 7000 menschen, um einen Gottesdienst

zu feiern. es kam zu tumulten und Selbständigkeit der Landeskirche festnahmen mehrerer Pfarrer. blieb schließlich erhalten. Was Paul

Unerwartet schnell führten die Pfleiderer und allen Amtskollegen eskalierenden Unruhen in Württem allerdings nicht erspart blieb, war die berg zu einer von allerhöchster Stel Verpflichtung zur Anerkennung des le angeordneten Befriedungsaktion. nSStaates und seiner maßnahmen. Gemeinsam im mai 1938 mit den Lan verlangte der desbischöfen oberkirchenvon Bayern rat folgendes und Hannover Gelöbnis an wurde Landes eides Statt: bischof Wurm „ich geloende des mo be, ich werde nats in die dem führer reichskanzlei des Deutschen nach Berlin reiches und beordert. Das Volkes Adolf Gespräch mit Hitler treu dem „führer“ ergab letztendlich eine rücknahme der Amtsenthebung und aller anderer mit ihr ver Grafik aus dem Dekanatsarchiv Balingen und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen. So wahr mir Gott bundenen Be dekan Paul G. Pfleiderer helfe.“ nur urlaubungen wirkte in Balingen von 1927 bis1946 ein paar Dutund Pensio D 64.215.47 14 .3 zend Pfarrer nierungen. Wegen des erbitterten verweigerten diesen unnötigen und Widerstandes der „deutschen Chris bedingungslosen persönlichen Geten“ in Württemberg konnte Bischof horsam. Paul Pfleiderer gehörte nicht Wurm allerdings erst am 20.11.1934 dazu. nicht wenige Amtskollegen seine Amtsgeschäfte wieder aufneh bezahlten dafür unter Druck der nSmen. Kreisleitungen mit rügen, Verset

Paul Pfleiderer hat an einem wich zungen, Zurruhesetzungen oder Vertigen Punkt im Kirchenkampf seine lust ihrer festen Anstellung. Stimme erhoben. Auf unkonventionelle Weise wollte er mit diesem Quelle: Hansjörg Kammerer, Amtsoriginellen Beitrag zu einer Lösung enthoben. Verein für württemberdes Kirchenkampfes beitragen. Die gische Kirchengeschichte, 2004

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