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Grundannahme: Jeder und jede will nur das Beste für uns
Man könnte sagen, wir leben in einem langweiligen Land. Hier passiert nichts. Zum Glück. Wir müssen wie alle anderen rund um den Globus gegen eine Pandemie ankämpfen, wir können uns da aber komfortabel auf die Partnerschaft mit der Schweiz abstützen. Die Unwetter, die in Deutschland, Belgien und zum Beispiel auch im nahen Zürich grosse Verwüstungen angerichtet haben, sind einfach über uns weggegangen. Zum Glück.
Text: Pio Schurti
Die Freie Liste zerrupft es nicht, weil sie sich in einer Sachfrage auseinanderdividiert hätte. Die Freie Liste könnte an der bornierten Persönlichkeit einzelner Protagonisten zerbrechen. Das wär' zwar schade, würde unserem Land aber kaum schaden.
Partei-interne Ausmarchungen sind nicht nur die Norm, sie gehören in anderen Ländern zum politischen Alltag. Man erinnere sich an die Primaries in den USA, in denen Präsidentschaftskandidaten zuerst einmal gegen Kontrahenten in der eigenen Partei das Rennen für sich entscheiden müssen. Selbst in der «konkordanten, konsensdemokratischen» Schweiz wird partei-intern (um eine Nomination, etc.) oft heftig gekämpft.
Uns fehlt die Streitkultur Gerade weil partei-interne Wahlen nicht üblich sind, tun sich die Parteien Liechtensteins vielleicht besonders schwer, Profilierungsbestrebungen einzelner Parteimitglieder und Machtkämpfen adäquat zu begegnen oder partei-interne Konflikte intern zu lösen. Es fehlt uns – nicht nur unter Parteifreunden – die entsprechende Streitkultur.
Liechtensteins Streitkultur ist speziell. Das zeigt sich in der Corona-Pandemie besonders deutlich. Gestritten wird in Leserbriefen und im Internet. Streiten oder debattieren bedeu-
Man geht zu weit, wenn man hinter jeder Entscheidung eine böse Absicht vermutet.
Pio Schurti DU
tet offenbar aber für die meisten Streitteilnehmer, den eigenen Standpunkt zu verteidigen, nicht nachzugeben, «Festigkeit» zu demonstrieren. Es ist traurig, dass noch in keinem Leserbrief zum Beispiel zu lesen war «ich habe mich getäuscht, Pedrazzini hat es gar nicht so schlecht gemacht mit den Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie». Ein trauriger Höhepunkt war eine E-Mail-Kampagne eines «Impfskeptikers», der gegen Politiker wetterte, die Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen müssen. In tollwütigen E-Mails erhob er «Anklage wegen Kindermord». «Kindermörder» sind für ihn die ehemaligen und heutigen Regierungsmitglieder und Landtagsabgeordneten und die Staatsanwaltschaft. Er bezeichnete die von uns gewählten Politiker unter anderem als «Hochverräter» und «Mörder-Kreaturen», nur weil er gegen die Corona-Impfung ist.
Von Misstrauen geprägt In der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass auch unsere Gesellschaft von Misstrauen geprägt ist. Man traut den Politikern (die man zwar gewählt hat) nicht. In der Corona-Zeit hat sich auch gezeigt, dass manche den Politikern nicht nur nicht trauen. Sie verdächtigen die Politiker sogar, ihnen übel zu wollen. Daher die Verschwörungstheorien. Es genügt offenbar nicht, an der Lösung, die zum Beispiel die Regierung beschliesst, zu zweifeln. Man und frau soll jede Entscheidung der Regierung hinterfragen und anzweifeln. Aber man und frau geht zu weit, wenn man hinter jeder Entscheidung, die Entscheidungsträger nun mal zu treffen haben, eine böse Absicht vermutet.
Eine gute Streitkultur zu haben, bedeutet im Minimum, dass man bei allen Meinungsverschiedenheiten, unterschiedlichen Persönlichkeiten oder auch nur unterschiedlichen Arbeitsstilen davon ausgeht, dass jede und jeder in unserer Demokratie letztlich nur das Beste will für unser Land.