Kunstmagazin Ausgabe 2015

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kunst graub端nden und liechtenstein

ausgabe 7


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Editorial Liebe Leser, Liebe Kunstfreunde Wir freuen uns, Ihnen in der aktuellen Ausgabe des Kunstmagazins einmal mehr eine Reihe faszinierender Kunstschaffender aus dem Kanton Graubünden und aus Liechtenstein vorstellen zu dürfen. Auch in diesem Jahr gab es wieder viel zu entdecken: Die poetischen Werke der Liechtensteiner Fotografin Barbara Bühler entführen uns nach Indonesien, während uns die Zeichnungen und die Malereien des Bergeller Künstlers Bruno Ritter den Menschen gekonnt in all seinen Facetten vorführen. Weit über die Landesgrenzen hinaus entführen uns auch die Bilder Hansjörg Quaderers, die zu einem grossen Teil in der faszinierenden Landschaft des Himalaya entstanden sind. Zu Stille und Konzentration gemahnen die Werke des Bündner Skulpteurs Linard Nicolay, die diesen Sommer über im Park Chesa Planta in Samedan zu sehen waren. In ihrer Einfachheit und in ihrer Intimität entfalten die Videoinstallationen von Zilla Leutenegger ihre Magie, während uns der Liechtensteiner Künstler Bruno Kaufmann die Grenzbereiche der Mathematik und der konkreten Kunst aufzeigt. Die Faszination unserer monumentalen heimischen Gebirge findet ihren Niederschlag in den Arbeiten Valentin Roschachers. Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen in dieser Ausgabe vertretenen Künstler für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Danken möchten wir hier auch ganz herzlich unserem diesjährigen Hauptsponsor, der Curia Treuhand, dem Kanton Graubünden, dem Land Liechtenstein sowie all unseren Inserenten, ohne die eine Realisierung dieses Magazins undenkbar wäre. Wir wünschen Ihnen viel Spass beim Lesen und Entdecken

Marc Gantenbein Herausgeber

Andrin Schütz Redaktion


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ANNA HILTI

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Bruno Ritter


E i n Kü n st le r a l s G r en zgä nge r : Da m it si nd n ic ht nu r B r u no R itters einstige Ü bersiedlung von Schaf f hausen und Zürich ins Valchiavenna oder sein nun täglicher Gang zwischen dem Wohnort in Borgonovo im Bergell und seinem Atelier in Chiavenna gemeint, sondern ebenso das Grenzgängerische als Strategie im Umgang mit einer Kunst zwischen Tradition und Moderne, zwischen den scheinbaren Polen von Figuration und Abstraktion. Bruno Ritters autonome, finale und in allen Belangen hervorragende Malerei zeichnet sich seit jeher durch einen unverwechselbaren, zum einen subtilen, zum anderen zupackend aggressiven Pinselduktus aus. Damit wird die weite Bildf läche strukturiert und gekonnt in Kompartimente gegliedert, die indes zu einem Ganzen zusammenfinden und miteinander dialogisieren. Das gleichsam atmende Pulsieren der dynamischen Pinselzüge versetzt das Gefüge der Pinselstriche und Farbflächen in eine vibrierende Bewegtheit. Mit dem Duktus und der Form untrennbar verbunden ist eine schillernd delikate, manchmal frappante Chromatik: Die Farbpalette ist derart nuanciert und findet in derart frappanten Kombinationen und ungewöhnlichen Nachbarschaften zusammen, dass man im Sinne der grossen Maltradition getrost von peinture sprechen kann. Dazu gesellt sich als drittes Element die Räumlichkeit. In unterschiedlichen Schichten, die einem permanenten Vor und Zurück unterliegen, wird eine Bildräumlichkeit ausgelotet, die sich mitunter in jähen Schüben ergeht und nicht selten weite, letztlich nicht fassbare Räume eröffnet. Mit den primären Mitteln der Malerei ergründet Bruno Ritter die Möglichkeiten der Malerei und weiss ihr meisterhaft neue, innovative Facetten abzugewinnen. Die in Textur und Farbigkeit opulenten Bilder mit ihrem Spannungsreichtum sind stets von brandendem, pochendem Leben erfüllt.

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Altar, 2013, Öl auf Jute, 200 × 620 cm

Schon früh hat man Bruno Ritter als «Grenzkünstler» bezeichnet und dabei auf seine extrem konträren biografischen Stationen an den Landesgrenzen zwischen Schaffhausen, wo er in den 1970erJahren wirkte und ein Druckatelier für Lithograf ie und Radierung betrieb, und dem Valchiavenna, wohin er 1982 übersiedelte, angespielt. Aber auch von «Grenzkunst» war dabei die Rede, vom Grenzgängerischen des Künstlers in der Auseinandersetzung mit der Malereitradition zwischen nordischer, französischer und italienischer Kunst. Für Bruno Ritter waren zudem die Grenzen zwischen figurativer, abstrakter und sogar ungegenständlicher Kunst nie relevant, sondern so f liessend, dass er sich bewusst, aber auch seiltänzerisch im Bewusstsein der Gefahr zwischen den scheinbaren Polen virtuos zu bewegen weiss. Bruno Ritter (*1951), in Neuhausen am Rheinfall aufgewachsen, zog 1982 von

Zürich aus nach Canete ins enge, abgeschiedene Valchiavenna. Das hatte eine markante künstlerische Zäsur zur Folge. So setzte er sich nun mit dem Berg als Metapher für Einsamkeit und Verlorenheit, für die Enge und das Unausweichliche ebenso auseinander wie mit den Leuten und ihrer verschatteten Existenz, die sich der latenten Bedrohung durch die Naturgewalten ausgesetzt sehen. Es geht um die Macht des Berges, um das Risiko des Abstürzens, um die Stürzenden zwischen Himmel und Erde. Bei den jüngsten Werken wie beispielsweise dem Altar ist der Berg indes nur imaginär präsent – was bleibt, ist das Hinaufschauen der Leute, der himmelwärts gerichtete Blick, das sehnliche Recken aus der dunklen Tiefe des Tales hin zum Licht, zum hohen Horizont, zum Himmel. Zahllose Individuen kommen zusammen – weshalb bleibt offen, denn nichts verbindet sie untereinander, jeder bleibt in der schieren Masse vereinzelt, isoliert und damit der Unsicherheit und

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Orientierungslosigkeit heillos ausgeliefert, ausser dass sie allesamt sehnlich hinaufblicken. Die bühnenartige Szene mutiert deshalb zu einem Altar, wenn wir diesen als Fundament verstehen, der Höherem und Unfassbarem Platz und Raum bietet. Bruno Ritter bezieht sich durchaus auch auf die Malerei des Barocks, wo das dargestellte Volk den Blick steil aufwärts zum Göttlichen, zur Epiphanie des Lichtes, lenkt. Allerdings weicht bei Ritter die religiöse Verzückung den verunsicherten Blicken der Bangnis: Kommt der Berg? Es ist eine Inszenierung, an der wir als Betrachter unmittelbar teilhaben. Oder handelt es sich gar um eine wahrhaftige Apokalypse, um eine Allegorie für die Ungewissheit heutiger Tage und der Besorgnis vor Kommendem.


Der Helikopter, 2013, Öl auf Jute, 120 × 200 cm, Privatbesitz

Hände, Triptychon, 2012, Öl auf Jute, 80 × 300 cm

Profile, Triptychon, 2011, Öl auf Jute, 80 × 220 cm, Privatbesitz

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Prediger, 2010, Gouache auf Packpapier, 80 × 40 cm, Privatbesitz


Gruppe, 2013, Bleistift auf Papier, 56 × 46 cm, Privatbesitz

Wenn Oben und Unten austauschbar oder sogar in ihr Gegenteil gekehrt werden – wie dies beim Engelsturz, beim Höllensturz oder beim Blindensturz der Fall ist –, steht die Welt kopf. Das Motiv und seine bildnerische Tradition von Michelangelo und Dürer über Tintoretto und Rubens bis zu Delacroix ist Bruno Ritter durchaus vertraut: Er versteht es jedoch, die entsprechenden Register zu ziehen und angemessen umzugehen mit der bedrohlichen Untersicht, mit der Polarität von Himmel und Hölle, mit der Unentschiedenheit von Realität und Fiktion. Manchmal genügt Bruno Ritter die blosse Gestik zahlreicher Hände, um eine Thematik heraufzubeschwören, welche die Emotionen zwischen Angst, Zuversicht, Resignation oder Gelassenheit zum Ausdruck bringen.

Das Tuch, 2013, Bleistift auf Papier, 56 × 46 cm

Bruno Ritter veranschaulicht mit Vorliebe auch metamorphische Zustände zwischen Körper und Landschaft, A ntagonismen zwischen Tiefgründigkeit und Trivialität, zwischen offenkundiger Anschaulichkeit und hintersinniger Metaphorik und mitunter ebenso zwischen blendender Ästhetik und kitschiger Banalität: eine künstlerische Strategie, die es ihm erlaubt, den inneren Bildern, die sich ihm aufdrängen, etwas Enigmatisches abzugewinnen. Triviale Alltagsgeschichten und scharfe Beobachtungen etwa ephemerer gestischer Konstellationen changieren zumeist zwischen narrativer Schilderung und abgrundtiefer Metaphorik. Insofern ist Ritters Malerei mit gar manchen Fallstricken versehen. Die virtuose, zeitweilig geradezu altmeisterlich anmutende Perfektion und Ästhetik der Malerei und Zeichnung dürfen bei Ritter nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hinter dem Anschaulichen noch ganz anderes verbirgt.

Betende, 2013, Bleistift auf Papier, 56 × 46 cm

Der bewusst kontroverse Umgang des Künstlers mit stilistischen Mitteln zwischen Naturalismus und Expressivität, seine Vorliebe für Triptychen und ausgedehnte Bilderzählungen oder sein augenzwinkerndes Lavieren zwischen Banalität und mystischen Dimensionen mögen anachronistisch, von der Zeit überholt erscheinen – aber es ist eine Kunst, die in unserer zwar digitalisierten und vernetzten, aber instabilen Welt besonders wohltuend anmutet.

w w w.brunoritter .ch te x t: beat stutzer fotos: Giorgio de Giorgi

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Mit Stein, 2013, Öl auf Jute, 80 × 60 cm

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fundaziun de planta


«a maun liber» – Linard Nicolay zeigt seine Werke im Garten der Chesa Planta in Samedan. Die Chesa Planta im Engadin hat sich als Kulturzentrum im Oberengadin mit überregionaler Ausstrahlung etabliert. Seit der Ü ber f ü h r u ng des ehema l igen Stammsitzes der Familien von Planta und von Salis in die gemeinnützige Stiftung Fundaziun de Planta ist die Chesa Planta der Öffentlichkeit als Kulturzentrum zugänglich und gilt als Hort rätoromanischer Kultur und einheimischer Kunst. Nebst einem umfassenden und attraktiven Kultur- und Kursprogramm, bestehend aus Sprachkursen, Konzer ten und Ausstellungen, beherbergt das Haus auch ein Museum für Wohnkultur der Engadiner Patrizier des 18. und 19. Jahrhunderts und eine bedeutende romanische Bibliothek. Im Sommer 2014 hat sich erstmals der parkähnliche Garten, welcher das mächtige Patrizierhaus umgibt, der Kunst geöffnet. Seit Jahren schon verfolgt der Leiter des Kulturzentrums Chesa Planta, Dr. Robert Grossmann, die Arbeit von Linard Nicolas intensiv. Er freue sich ausserordentlich, so Grossmann, die Ausstellungstätigkeit im Garten gerade mit einer gross angelegten Installation des in der Surselva arbeitenden Künstlers zu eröffnen. Eine derart symbiotische Situation sei selten, die Werke schon kaum mehr aus ihrer jetzigen Umgebung wegzudenken, so Grossmann weiter.

Das ist nicht weiter verwunderlich: Denn fährt man ins Engadin, befindet man sich in einem gewissen Sinne bereits mitten in der Arbeit von Linard Nicolay. Stein, erhabene Monolithe, Fülle, Leere, Freiheit, Gewicht und Leichtigkeit, Konzentration, aber auch Tradition und Moderne sind in dieser faszinierenden Landschaft angelegt. Vieles davon findet sich in der Arbeit des 1966 in Bergün geborenen Künstlers wieder: eine freie, ja eine befreite Hand und damit ein freier Geist. Das ist selten geworden.

«Ohne Titel 6», Eisen, 2014, 194 × 133 × 145 cm, Foto: Martin Linsi, Werner Schnüriger


Linard Nicolay an der Arbeit, Foto: Dolores Rupa

Denn: Die Situation der Kunst ist heute wahrlich keine unproblematische. Nicht für den Betrachter und schon gar nicht für den Künstler: Was wir heute vorfinden, sind häufig auf Effekt und Markt angelegte, allgemein leicht verständliche Konzepte, Beliebigkeit und Reproduzierbarkeit in leichter Variation. Aber was fehlt in dieser undurchsichtigen und gleichsam allzu überschaubaren Kunstlandschaft? Was fehlt, ist: die freie Hand, geführt vom freien Geist, der es wagt und will, sich jenseits dieser Allgemeinplätze des Kunstgeschehens zu bewegen. Was bringt dieser freie Geist mit sich: die unentwegte Suche nach Authentizität des künstlerischen Ausdruckes, die lebenslange Suche nach der ureigenen Formulierung, nach dem eigenen Gedanken, nach der eigenen Bild- und Formensprache. Seit Anbeginn seiner künstlerischen Tätigkeit arbeitet Linard Nicolay unentwegt, konzentriert und vor allem unbeirrbar an dieser seiner eigenen Sprache. Im Garten der Chesa Planta in Samedan findet diese Sprache eine würdige Umgebung: einen a priori wundervollen Ort, einen geschichtsträchtigen und teilweise kultivierten Park, der plötzlich an seiner Grenze aber auch ins Wilde, Naturbelassene schlägt. In diese teilweise kultivierte Landschaft hat Linard Nicolay stille, aber auch klare, kraft- und spannungsvolle Zeichen gesetzt. Statik und Dynamik, Verschlossenes und Offenes geben sich die Hand, nehmen feinfühlig die topografischen Gegebenheiten, das Klima

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Chesa Planta, Samedan

und die Vegetation in sich auf und setzen das Menschengemachte – in diesem Falle die Kunst – ins Zwiegespräch mit Natur und historischer Architektur. Der Stein: In seiner Materialität ist er meist fest und verschlossen, den gewaltigen Monolithen gleich, die uns hier im Engadin umgeben. Zuweilen aber auch feingliedrig und filigran in seinen Schichtungen und in seinen Strukturen. So ist auch die Materialität in der Arbeit von Linard Nicolay ein äusserst wichtiger Aspekt. Behutsam, dennoch aber mit dem absoluten, formgebenden Willen des Künstlers, bearbeitet er in nahezu meditativer Repetition den Stein.

«Ohne Titel 3», Eisen, 2014, 194 × 109 × 81 cm, Foto: Martin Linsi, Werner Schnüriger

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So resolut er dies in der bildhauerischen Reduktion auf die einfache, aber archetypisch kraftvolle Form des Quadrates bzw. des Rechteckes tut, so respektvoll tut er es im Umgang mit den Mikrostrukturen des Gesteins: In feinem Schlag fährt der Meissel über kristallines Geäder – rhythmisiert und akzentuiert im künstlerischen Duktus das Vorhandene neu, setzt klare Zeichen, ohne aber das vorweg Gegebene jemals zu zerstören.


Linard Nicolay schaf ft mit seinen Steinskulpturen hermetisch anmutende Konzentrationspunkte von auratischer Kraft in der Landschaft. Das Eisen: Naturgegeben bereits in manchem Gestein angelegt, kommt es bereits bei einigen Steinskulpturen zum Tragen und generiert gedankliche, ästhetische und materielle Spannungsfelder. Ist die Arbeit am Stein meist dekonstruktiv, ist die Arbeit mit Eisen oft konstruktiv, der Arbeits- und Formungsprozess ein anderer: bei Linard Nicolay nicht von aussen nach innen, sondern vielmehr von innen nach aussen. Dies – sowie die Dynamik des Eisens – seine Biegsamkeit sowie der sichtbare Prozess seiner Verwitterung bricht die Hermetik und den Rhythmus des Gesteins und erweitert so den künstlerischen und – vielleicht – auch den gedanklichen Raum der Skulptur bzw. der Plastik. Bleibt der Stein – in seiner Raumeröffnenden, aber auch in seiner hermetischen Kraft – dem ihm gegenüber stehenden Raum stets in gewissem Sinne resolut, eröffnet das Eisen – trotz seiner Dichte und seines Gewichtes – neue und andere Räume. Leerraum, dynamische Bewegung und gedankliche Leichtigkeit setzen die beinahe malerisch anmutenden «Arvigo 511-513», Gneis, 2011, je 97 × 29 × 29 cm, Foto: Martin Linsi, Werner Schnüriger

«Vermessen 2,012», Eisen/Serpetin, 2012, 201,2 × 33,5 × 33,5 cm, Foto: Martin Linsi, Werner Schnüriger

Stahlplastiken den steinernen Monolithen gegenüber. Dies jedoch, ohne jemals die Konzentration auf das Innere – auf die Idee – zu verlieren. Innere kompositorische und gedankliche Dichte, enge Verschränkung und daneben ein freies, nahezu schwebendes Hinausgreifen in die Landschaft entlassen die meditative gedankliche Konzentration im Gestus der freien Hand des Künstlers hinaus in die Welt. In den Wind, in die Bäume, die Berge und den Regen. Das Innere und das Äussere fallen in der Formulierung des Künstlers in eines.

w w w.chesaplanta .ch w w w.linardnicolay.ch te x t: Andrin schütz

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Der Wahrsager, 1968-70, Acryl auf Karton, 40 x 31 cm (Ausschnitt), © Lajos Tscheligi / Blue Sphere

LAJOS TSCHELIGI Ein stiller Meister der metaphysischen Abstraktion

12.12.2014 – 22.5.2015

Forum Würth Chur Aspermontstrasse 1 7000 Chur Tel. 081 558 0 558 ●

www.forum-wuerth.ch Mo - Fr 10 - 17 Uhr, Do 10 - 20 Uhr ●

Alle Aktivitäten des Forum Würth Chur sind Projekte der Würth International AG.



Bruno KAufmann Ausstellung in der Galerie S/Z, Uerikon, 2014


Wandgestaltung, Flur Musikschule Triesen (Ostseite), 2003/04, Materialien: Direkt auf die Wand gemachte Farbflächen, fest auf die Wand montierte Farbkörper, Lochblech- und Acrylglas-Elemente, Blaugasröhren

«Die Mat hemat i k ist das einzige Reich der wahrhaft exakten Phantasie.» Hans Saner «Kunst kann... als Eingriff in die physikalischen Zustände kosmologischer Wirklichkeit definiert werden, um ästhetische Zustände zu gewinnen.» Max Bense «Facts: Flächen – Schichten – Strukturen» so der Titel des Buches, das im Jahre 2010 über die Werke des 1944 in Balzers (FL) geborenen Künstlers Bruno Kaufmann erschienen ist. Fakten, Flächen, Schichten und Strukturen: Das scheint so noch nicht viel zu sagen. Wobei: Sieht man sich die vier Begriffe etwas genauer an, wird klar: Sie bilden zum einen die Basis einer jeden physikalischen oder auch psychologischen Wirklichkeit, wie wir sie in der Welt vorfinden. Zum anderen sind sie auch die Grundlage einer jeden Malerei bzw. einer jeden bildenden Kunst überhaupt.

In diesem Sinne sei an dieser Stelle ein kurzer – wenn auch wenig detaillierter, so doch notwendiger – Exkurs in die Kunstgeschichte erlaubt: Seit jeher ist es Aufgabe und Wille der Kunst, in einer mehr oder minder realistischen oder auch stilisierten und abstrahierten Weise die Weltwirklichkeit abzubilden. Finden sich im Laufe der Kunstgeschichte von den alten Niederländern im 16. Jahrhundert bis hin zum Expressionismus im 20. Jahrhundert zahlreiche mehr oder weniger realistische Perioden, stösst man – geht man denn etwas weiter zurück – im Mittelalter auf eine erste, besondere Form abstrakter bildlicher Darstellung. Wohl sind auf mittelalterlichen Darstellungen Figuren und Staffagen zu finden. Allerdings stehen diese stets in Bezug zu einem religiösen Mythos und damit auch zu einem reinen Gedanken. Diese Tatsache schlägt sich, nebst motivischen Konstanten, auch im kompositorischen Repertoire der mittelalterlichen Meister nieder: In der regulativen

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Strenge ihrer Komposition und ihrer Motivik ist ein gedankliches Regelwerk in seiner Dogmatik und damit in seiner Axiomatik repräsentiert. Somit wiederum unterliegt die christliche Ikonograf ie in ihrer Darstellung einer klaren, weit über den christlichen Kulturkreis hinaus universal verständlichen Syntax und Semantik. Ist der Realismus bis hin zum Impressionismus in der Kunst mit der physikalischen Wirklichkeit und ihrer jeweiligen Wahrnehmung befasst, sieht man sich in der Romantik, im Expressionismus, aber auch im Surrealismus und sogar im Kubismus mit der Darstellung einer stets neu gesehenen psychologischen, ja sogar emotionalen Wirklichkeit konfrontiert. Anders in der mittelalterlichen Kunst und später, im 20.Jahrhundert, in der konkreten Kunst, die in ihrer bildsprachlichen Anlage und Ausprägung auf die Abbildung eines reinen Gedankens frei jeglicher Psychologie zielen.


Wandgestaltung, Flur Musikschule Triesen (Westseite), 2003/04


Ist es im Mittelalter der christliche Gedanke, der den Unterbau liefert und der Träger des Gedankens ist, wird in der konkreten Kunst die Mathematik zur Grundlage des bildsprachlich repräsentierten Denkens. Auch sie folgt einer strikten Syntax und einer ebenso rigiden Semantik. Ähnlich der christlichen Dogmatik basiert sie auf Axiomen, deren Formulierung in Wort und Bild alle weiteren möglichen Formulierungen nach sich zieht und damit ein Bild der Welt zeichnet, wie es klarer nicht sein könnte: ein Bild, das auf Fakten, Schichten und Strukturen beruht, wie es bereits der Philosoph und Logiker Ludwig Wittgenstein in seinem berühmten Traktat formuliert hat: «Die Welt ist das, was der Fall ist» ... »und was der Fall ist, ist die Summe ihrer Tatsachen.» Dies mag für die Welt in ihrer physikalischen Erscheinungsform gelten, gilt aber umso mehr für die gedanklichen Gesetze, welche dieser Welt und vor allem auch der Wahrnehmung und Formulierung ihrer gedanklichen Gesetzmässigkeiten zugrunde liegen. So formuliert denn auch Max Bill 1949 in seiner Einleitung zum Katalog der Ausstellung Zürcher konkrete Kunst: Das Ziel der konkreten Kunst ist es, Gegenstände für den geistigen Gebrauch zu entwickeln, ähnlich wie der Mensch sich Gegenstände schafft für den materiellen Gebrauch. […] konkrete Kunst ist in ihrer letzten Konsequenz der reine Ausdruck von harmonischem Mass und Gesetz. Sie ordnet Systeme und gibt mit künstlerischen Mitteln diesen Ordnungen das Leben.» Dieser «Entwicklung» von Gegenständen zum geistigen Gebrauch muss eine eingehende Analyse vorangehen. Und so ist es kaum erstaunlich, dass Bruno Kaufmann seit jeher eine tiefe Faszination für die Werke Cézannes empfindet: für jenen frühen und konsequenten Analytiker von Farbe, Form und Gegenstand, dessen strikte Zerlegungen der formal sichtbaren Tatsachen in blosse Farbe ihre Gegenständlichkeit und ihre Form – und damit ihre Schichten und den Zusammenhang ihrer Strukturen – überhaupt erst sichtbar machen.

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060204 Mod. 02, Digitaldruck auf Fotopapier, Dibond, seidenmatt kaschiert, 2006, 118,5 × 150,5 × 1,4 cm

Kaufmanns Werke jedoch bleiben nicht in der klassischen Analyse des frühen 20. Jahrhunderts und der Rekonstruktion verhaftet – auch nicht in dem Sinne, wie das Postulat Bill‘s später etwas gar freimütig die «Herstellung von Gegenständen zum geistigen Gebrauch» fordert. Vielmehr ordnet er die konkrete Kunst und ihre bildsprachlichen Möglichkeiten der schaffenden subjektiven Wählbarkeit von Gesetzmässigkeiten unter und lotet damit die axiomatischen Möglichkeiten und Grenzen des Gedankens der mathematischen Gesetze mit spielerischem Ernst aus: Gewählte (!) Grundlage seiner Farb- und Materialkompositionen bildet stets eine anfänglich in die Komposition eingef lochtene Fibonacci-Folge, welche die eigentlich gegebene mathematische Linearität der farblichen und kompositorischen Grundlagen synkopisch bricht und neu rhythmisiert. Es gelingt Bruno Kaufmann damit unter Zuhilfenahme des freien Willens und des kreativen Eingriffs in die Mathematik, die strengen Grundsätze der Welt der Tatsachen, welche die konkrete Kunst beherrschen, zu durchbrechen, ihre Strukturen und Schichtungen neu zu ordnen und gleichsam eine magisch sirrende Wirklichkeit einer Mathematik jenseits aller Analytik vor dem Betrachter erstehen zu lassen.

060204 Mod. 03a, Digitaldruck auf Fotopapier, Dibond, seidenmatt kaschiert, 2006, 118,5 × 150,5 × 1,4 cm

Kaufmanns Bildsprache ist – folgt sie auch dem Mythos der Mathematik – eine wirklich eigene. Denn sie erschafft und formuliert sich selbst und ihre eigene physikalische und psychologische Wirklichkeit – auf der Grundlage ihrer eigenen Syntax und ihrer eigenen Semantik – in Farbe, Material und Komposition beständig neu. Ist «Die Mathematik (...) das einzige Reich der wahrhaft exakten Phantasie», so Hans Saner, öffnet sie gleichzeitig da, wo sich ihre Grenzen befinden, gleichsam Zugang zum inneren Reich der Fantasie und des menschlichen Daseins. Denn: Steht man den Arbeiten Bruno Kaufmanns in ihrer klaren formalen Stringenz, dieser Welt frei von jeglicher psychologischer Intention gegenüber, sieht man sich plötzlich auf sich selbst zurückgeworfen. Die monolithisch mathematische Bilderwelt rührt in ihrer Resolutheit an die Seele, eröffnet Raum für Inneres und lässt so das rationale Bewusstsein mit dem Unbewussten, mit unserer inneren Bilderwelt kollidieren.

Bruno Kaufmann den baren Menschen in seine Bilderlandschaft ein. Gleich antiker Sphinxen f inden sich die auratischen Frauengestalten neben Alltagsgegenständen, inmitten konstruktiver Architekturen oder auch mit Blick hinaus auf die endlose Weite des Ozeans, in der irgendwo vielleicht ein Vogel kreist. Und dennoch: Hier eröffnen sich Abgründe: Denn einsam und verschlossen erscheinen die Figuren, der Landschaft, dem Betrachter und sogar sich selber fremd, werfen sie den Betrachter auf sich selbst. Zurück auf die eigenen inneren Abgründe, zurück auf die Fragen von Nähe und Distanz, zurück auf die Frage nach dem Eigenen und dem Fremden im eigenen Selbst.

w w w.kaufmann.li te x t: Andrin schütz fotos: Bruno k aufmann

Das Spannungsfeld des rein rationalen Gedankens, frei aller seelischen Aspekte und des Grundmenschlichen an sich, schlägt sich in Bruno Kaufmanns fotografischen Werken vehement nieder. Der nackte Mensch sieht sich darin in eine utopische, konstruierte Gedankenlandschaft gestellt. Als Ikone seiner selbst bettet

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Foto mit Model und Sofa vor Assemblagen (Malgewebe auf Keilrahmen, Acrylfarbe, Filz, Aluminium, 2009, 240 × 150 × 5 cm) in der Galerie S/Z, Uerikon

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ZILLA LEUTENEGGER


Die aus Chur stammende Zilla Leutenegger, die seit 1988 in Zürich lebt und arbeitet, gehört zu den bedeutendsten und prägenden Künstlerinnen ihrer Generation in der Schweiz. Ihre Installationen und Videozeichnungen waren an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Museen, Galerien und renommierten Institutionen in der Schweiz und im Ausland zu sehen. Wenige Jahre nach ihrem Auftakt als freischaffende Künstlerin zeigte Leutenegger an der Jahresausstellung der Bündner KünstlerInnen von 1999 im Bündner Kunstmuseum in Chur zwei Videoarbeiten, die als Novum gehörig für Furore sorgten. So etwas hatte man zuvor noch nicht gesehen: Scheinbar statische Zeichnungen, die sich aber plötzlich bewegen und von einer Ansicht zu einer anderen mutieren. Bei der Arbeit Dream as a drawing zeichnete die Künstlerin mit wenigen kruden Strichen das Bild eines einfachen Zimmers mit einer im Bett Schlafenden. Die Zeichnung war indes nicht traditionellerweise auf einem Blatt Papier materialisiert, sondern wurde mittels einer Videoprojektion in ephemerer, leicht flimmernden Präsenz an die Wand geworfen, wobei die tief Schlafende unvermittelt den Kopf von der einen Seite des Kissens auf die andere und dann wieder zurückwarf. Das faszinierende, kongruente Zusammenfügen diametral entgegengesetzter Medien – der herkömmlichen Zeichnung und der Videotechnik – fiel erfrischend und innovativ aus. Die künstlerische Neuerung erwies sich als derart ergiebig und erschloss ebenso ungeahnte Möglichkeiten, dass die Künstlerin diese Vorgehensweise konsequent weiter auslotete und für ihr fortschreitendes Schaffen fruchtbar machte und weiterentwickelte.

Il pullover che mi hai dato tu, 2013, Installation with wall drawing, 1 chair, 1 pullover, sound, Ed. of 3 + 1 AP + 1 EP, Dimensions site-specific

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Dream as Drawing, 1999, Single channel video projection, b/w, no sound, 2.30 min., loop , Ed. of 10 + 1 AP + 1 EP

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Exemplarisch war dies hierzulande in der Ausstellung Video Arte vom letzten Jahr im Palazzo Castelmur im Bergell zu erleben. Ins längst verwaiste, niedere Hundebett im Gang des Palastes projizierte Leutenegger einen friedlich schlafenden Hund beziehungsweise die f lüchtige Kontur des Tieres, die indes durch das leise Auf und Ab des atmenden Bauches gleichsam zum Leben erweckt wurde. Und beim Champagnerbrunnen stand auf einem Tisch eine Gläserpyramide, während Videobilder eines Champagnerbrunnens auf die realen, aufgetürmten Gläser sowie auf die Wandtapete im Palazzo projiziert wurden: ein irritierendes Licht- und Schattenspiel zwischen haptischer Wirklichkeit und sinnlicher, atmosphärischer Präsenz. Dass die Projektionsf läche mit der feudalen Tapete wesentlich zur formalen wie inhaltlichen Wirkung und Gehalt gehörte, zeigte sich, als dieselbe Arbeit

wenig später an der Jahresausstellung im Bündner Kunstmuseum zu sehen war, wo die Projektion auf der farbigen Wandbespannung in der Villa Planta ebenso stimmig ausfiel. Wenn Zilla Leutenegger mittlerweile die projizierten Zeichnungen multimedial ergänzt und Requisiten, Fotografien sowie Wandmalereien in ihre Arbeiten integriert, und auch wenn sie mit Vorliebe ganze Räume bespielt, bildete das Zeichnen immer fundamentale Grundlage für ihre künstlerischen Intentionen, ist sie doch eine begnadete und unermüdliche Zeichnerin. Die Zeichnungen – ob als finale Papierarbeiten oder als Vorlage für Projektionen – repräsentieren in ihrer arglosen Direktheit und gleichzeitig komplexen Hintersinnigkeit sowie mit ihrer spröden, trügerisch ungelenken Strichführung indes nur einen kleinen Ausschnitt aus einem immensen Arbeitsmaterial von

Notizen, Fotografien und Projektskizzen, auf welche die Künstlerin stets zurückgreifen kann (zum Teil publiziert in: Zilla, Bündner Kunstmuseum Chur, Edition Fink, Zürich 2004; Welcome in My Dress. Zilla Leutenegger, Edition Fink, Basel 2001). Entscheidend bleibt, dass es der Künstlerin gelingt, die spontane Unmittelbarkeit und fragile Verletzlichkeit der Zeichnungen für die ambitiösen Videoarbeiten zu bewahren und ihre vordergründige Banalität zu tiefgründigen Arbeiten umzusetzen.

Champagnerbrunnen, 2013, Video installation with objects (14 champagne coupes, sandblasted), 1 projection, color, no sound, 2.15 min., loop, Ed. of 3 + 1 AP + 1 EP, Dimensions site-specific, Installation anlässlich von Video Arte, Palazzo Castelmur, Stampa Coltura, 2013 (S. 34) und im Bündner Kunstmuseum Chur, 2013 (S. 30/31, 35)

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Mit den minimalen, projizierten Zeichnungen, die den immer gleichen, ständig sich wiederholenden Bewegungsablauf zeigen, wird zugleich das Phänomen der Zeit thematisiert – auch die Langeweile und das Stereotypische, wie dies primär bei den Delete-Arbeiten der Fall ist: wenn etwa die Gemälden von Segantini entnommene Frau unentwegt den Teppich klopft. Oft nimmt die Künstlerin als Protagonistin in ihren Arbeiten eine zentrale Position ein und agiert in den inszenierten Rollenspielen stellvertretend für allgemeine Erfahrungen: für den Umgang mit Mode und Lifestyle, für die Genderproblematik, für die weibliche Identität – zwar mit Hintersinn, aber nie kopflastig, sondern augenzwinkernd und humorvoll. Die künstlerische Qualität dieser Arbeiten basiert nicht zuletzt auf dem Vermögen, individuelle Visionen und innere Bilder ohne ideologische Doktrin unverkrampft, aber glaubwürdig so zu visualisieren, dass sie Emotionen auslösen. Zudem wird das Medium des Videos zurückhaltend, aber virtuos so eingesetzt, dass die vordergründigen Fragen nach dem «Wie ist das wohl gemacht?» obsolet und von jenen nach der poetischen Präsenz und den inhaltlichen Aspekten überdeckt werden. Die Brisanz und die Aktualität dieser Arbeiten haben nicht nur mit dem raffinierten Verknüpfen unterschiedlicher Medien zu tun, sondern mit der adäquaten Umsetzung erträumter Wirklichkeiten und subtil wahrgenommener Alltäglichkeiten: um daraus auf spielerische Weise eine neue Wahrhaftigkeit zu schaffen.

9/11 Jeans, 2013, Concrete, pigment, steel, Ed. of 3 + 1 AP, 92 × 35 × 19 cm

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Porträtaufnahme: Zilla Leutenegger, März 2010, Foto: Shirana Shahbazi

Aussergewöhnlich sind jene Installationen, die ganze Räume in Beschlag nehmen: betörende Raum- und Kunstlandschaften, wie sie Leutenegger 2004 im Bündner Kunstmuseum realisiert hat, als sie die Videoarbeit she walked in silence in den Nachbau des Deutschen Pavillons, den Mies van der Rohe für die Weltausstellung von 1929 in Barcelona errichtet hatte, integrierte. Zu sehen war gleichsam als Bild im Bild eine rot gekleidete, hochschwangere Frau, die durch den realen, hell besonnten Pavillon schreitet. Zitate aus Roman Polanskis Film Rosemary’s Baby von 1968, dem Geburtsjahr der Künstlerin, liefen durchs Bild: Gedanken, Ängste und Zweifel, denen Mia Farrow angesichts ihres Zustandes ausgesetzt ist und welche die veränderte Kommunikation, Selbst- und Fremdwahrnehmung jeder Schwangeren spiegeln. Das Arbeiten mit Räumen unter Einbezug der dritten Dimension fand schlüssige Fortsetzung – um nur zwei Beispiele zu nennen – mit der Münchner Wohnung von 2006 in der Sammlung Goetz in München oder mit

der Ausstellung Zilla und das 7. Zimmer im Kunstmuseum Thurgau in der Kartause Ittingen von 2008, wo sich im dunklen Gewölbe nicht nur Zeichnung und Raum durchdrangen, sondern wo auch das Wachsein in der Nacht oder Geschichte und Gegenwart thematisiert wurde. Die aktuellste Rauminstallation konnte Leutenegger in diesem Jahr im Museum Franz Gertsch in Burgdorf schaffen: Fairlady Z, zu der im Verlag für Moderne Kunst, Nürnberg, eine Monografie mit einem Werkverzeichnis der letzten fünf Jahre erschienen ist. Es gehört zur Strategie der Künstlerin, wenn sie unterschiedliche Dinge wie der Name eines japanischen Sportwagens mit dem berühmten Musical sowie mit dem Buchstaben Z, der für Zilla steht und den sie als Zeichen immer wieder verwendet, überraschend zusammenfügt. Die Arbeit Il pullover che mi hai dato tu besteht aus einer grossen Wandzeichnung eines anonymen Hotelzimmers, das unweigerlich Assoziationen und Erinnerungen auslöst, sowie aus zwei Stühlen, wobei auf

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einem ein Pullover liegt, was zusätzliche Emotionen und Gedankengänge freisetzt. Kleidungsstücke spielen im Werk von Zilla Leutenegger eine wichtige Rolle als Relikte einer Biografie – wie die in Beton gegossene Jeans, welche die Künstlerin am 11. September 2011 trug, als sie in New York das Drama des World Trade Center erlebte.

w w w.zilla .ch te x t: Beat stutzer Creditline: Courtesy the artist & Galerie peter kilchmann fotos: Bernhard stahm, r alph Feiner , Thomas Strub


Wir befinden uns in einer Epoche des schnellen Wandels. Die Kunst sieht sich einem immer komplexeren, auf Wirtschaftlichkeit und Investition ausgerichteten Marktgeschehen gegenüber. Die klassischen «Sammler» sind heute in der Minderheit. Gleichzeitig haben sich die alltäglichen Abläufe in der Wirtschaft wesentlich verändert. Wurde früher ausschliesslich gehandelt, gebucht und gerechnet, haben heute neue Herausforderungen und Begriffe Einzug in die tägliche Arbeit gehalten: Die Geschwindigkeit der Digitalisierung, die Möglichkeit, stets in Echtzeit regional, aber auch global zu agieren, haben die Umgebung grosser Konzerne, aber auch vieler KMU radikal verändert. Vieles hat sich für die Unternehmer, die Mitarbeiter, aber auch die Kunden im persönlichen Umfeld und im gemeinsamen Alltag verändert: Wesentliche Begriffe wie beispielsweise «Unternehmenskultur» oder auch Werte wie «Innovation», «Tradition» und vor allem «Nachhaltigkeit» sind aus dem wirtschaftlichen Alltag kaum mehr wegzudenken. Der Unter neh mer ist zu m «Ku lt u r scha f fenden» geworden, der Kulturschaffende ist zum Unternehmer geworden. Andrin Schütz hat sich mit Dr. Andrea von Rechenberg zum Gespräch getroffen. Seit mehr als 30 Jahren ist er aktiv in der Curia Treuhand AG tätig und führt das im Jahre 1956 durch die Herren Dr. Peter von Rechenberg und Alberto Lurati gegründete Unternehmen erfolgreich in zweiter Generation. Persönliche Kompetenz, Verlässlichkeit, Transparenz und Eff izienz in der Wertschöpfung und in der Werterhaltung sind – nebst der Pf lege einer hochkarätigen Unternehmenskultur – wesentliche Pfeiler der Erfolgsgeschichte der Curia Treuhand. Herr Dr. von Rechenberg, wie kam es zur Gründung und zur Namensgebung der Curia Treuhand? Mein Vater und Alberto Lurati arbeiteten gemeinsam in einem Treuhandbüro in Chur und sahen keine Möglichkeit, sich dort weiterzuentwickeln, weshalb sie beschlossen, gemeinsam den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen. Der Geschichte nach wurde der Name von Alberto Lurati geprägt, der Jahre vor diesem Entschluss beim Gang zur Steuerverwaltung den Geistesblitz hatte, für den Fall der Gründung eines Treuhandbüros diesen Namen als Firma zu wählen. Wie auch immer, der Name ist m. E. ein Glückstreffer, da er die starke regionale Positionierung bereits in sich trägt. Was war die ursprüngliche Vision der Gründer? Hat diese Vision in der heutigen Form der Unternehmung nach wie vor Bestand? Was ist heute Ihre Vision, Ihre tägliche Motivation? Ausschlaggebend war der Wunsch nach Unabhäng igkeit und der Wille, ein Unternehmen selbst prägen zu können. Dazu vielleicht auch der jugendliche Wunsch, alles besser machen zu wollen als der bisherige Chef. Etwas, das in der neuen Rolle wohl nicht immer gelang. Ein wichtiges Ziel war und ist heute noch, qualitativ gute Arbeit zum Wohle des Kunden zu leisten. Grundlage hierfür sehen wir in angemessener interner und externer Ausbildung sowie in einem angenehmen Betriebsklima. Letzteres scheint bis anhin nicht schlecht gelungen zu sein, haben wir doch glücklicherweise sehr wenig Fluktuation. Wir sehen auch, dass diese Konstanz seitens der Kunden sehr geschätzt wird. Meine tägliche Motivation ist Freude an der abwechslungsreichen Arbeit, der gute Kontakt zu unseren Kunden und Mitarbeitern.


Die Kunst der Unternehmungsf端hrung Ein erfolgreicher B端ndner Unternehmer und ein renommierter Z端rcher Galerist im Interview Dr. Andrea von Rechenberg im Interview, Foto: Daniel Rohner


Vieles hat sich seit den Gründungsjahren durch den Einzug moderner Technologien, die erhöhte Komplexität und das steigende Tempo wirtschaftlicher Abläufe verändert, vieles aber ist sich auch gleich geblieben. Was hat sich im Wesentlichen verändert? Früher bestand der Hauptauftragsbestand im Führen von Buchhaltungen. Die alten grünen Rufmaschinen mit ihrem tiefen Klang waren das Arbeitsgerät. Mit dem Einzug des Personal-Computers ins Geschäftsleben ist dieses Geschäftsfeld praktisch für alle Treuhandfirmen weggebrochen. Selbst kleine Unternehmen buchen heute selbst. Zugenommen haben dagegen die Beratungsdienstleistungen und Revisionen. Der Ausbau der Sozialgesetzgebung, des Steuerrechts inklusive Einführung der Mehrwertsteuer und anderes mehr, insbesondere auch der immer hektischere Gesetzgebungsrhythmus, erlauben es dem Unternehmer nicht mehr, diese Probleme allein abzudecken und ist deshalb auf Beratung angewiesen. Die Anzahl der Revisionen hat wegen Zunahme juristischer Personen am Geschäftsverkehr und gesetzlicher Anforderungen an den Revisor entsprechende Auswirkung auf das Auftragsvolumen. Damit ist unser Geschäft zyklischer geworden. Die Arbeitshektik hat aufgrund der neuen Kommunikationsmittel erheblich zugenommen. Wegen der schnellen Übermittlungsmöglichkeiten erwartet der Mandant – überspitzt ausgedrückt – die Antwort, bevor er die Frage abgeschickt hat. Authentizität, Kreativität und Nachhaltigkeit, aber auch ein ungebrochener Unternehmergeist sind heute zu grundlegenden Erfolgsfaktoren geworden. Welche Rolle spielen diese Begriffe bei der Curia? Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass jede Person authentisch, d. h. ihrer Persönlichkeit entsprechend, auftreten und agieren soll. Das Schlüpfen in Rollen mag im Theater ein Erfolg sein, nicht aber im Geschäftsleben. Das Gegenüber entdeckt schnell das Rollenspiel und wird das Vertrauen verlieren. Deshalb ist Authentizität gleichzeitig nachhaltig und Erfolg versprechend. Jede Unternehmung braucht Unternehmergeist, auch wenn dieser in den verschiedenen Branchen unterschiedlich zum Ausdruck kommt. Das Geschäftsleben verlangt selbst vom Treuhänder Trends in der Branche, wie zum Beispiel der oben erwähnte Rückgang der Buchhaltungsmandate, neue Möglichkeiten, wie zum Beispiel ABA-Web, frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu disponieren. Die Mitarbeiter sind auf die neuen Herausforderungen mit Orientierung und Ausbildung vorzubereiten. Aber auch Änderungen im Geschäftsfeld von Kunden versuchen wir zu erkennen und mit dem Kunden zu besprechen, um diesem eine genügende Vorlaufzeit zur Umstellung zu ermöglichen. Wir wollen unserem Kunden so als selbstbewusster Partner dienen. Kreativität und Eigenverantwortung wird heute nicht nur vom Management erwartet. Ein motiviertes und kompetentes Team ist wesentlicher denn je. Wie wichtig sind für die Curia motivierte Spezialisten? Wie f liesst das über die Jahrzehnte hin gewonnene Know-how in den Alltag der Mitarbeiter ein? Die gesamte Curia-Mannschaft sind der Motor und das Wesen der Curia. Namen sind ohne diese Voraussetzung Schall und Rauch, ebenso das Bürogebäude. Nur mit motivierten und loyalen Mitarbeitern kann eine Firma Erfolg haben und existieren. Wir bemühen uns, unsere Mitarbeiter der jeweiligen Aufgabe entsprechend auszubilden, um die von unseren Klienten und mir geforderte Qualität in der Arbeit zu garantieren. Es sind nicht die heute geforderten Scheinqualitätszertifikate und Schlagworte, die Qualität garantieren, sondern der Geist des gesamten Teams. Die Verbreiterung der Aufgaben in unserem Gebiet verlangt, dass wir Spezialisten für die verschiedenen Geschäftsfelder im Team haben, deren Aufgabe es ist, den Mitarbeitern die sogenannten «roten Lampen» zu vermitteln, damit die Mitarbeiter im Rahmen ihrer Tätigkeit solche Probleme erkennen und den entsprechenden Spezialisten beiziehen. Als Beispiel diene, dass ein Revisor bei Prüfung von Jahresabschlüssen erkennen soll und muss, wo ein Steuerproblem vorliegen könnte, wie Verrechnungspreise, indirekte Teilliquidation, Gewinnvorwegnahmen usw., oder im Bereiche der Sozialversicherungsabgaben die Frage Anstellungs- oder Auftragsverhältnis. Es braucht folglich nicht nur motivierte Spezialisten, sondern ein motiviertes Team, das als Gesamtorganismus funktioniert.

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Wir leben in einer vernetzten Welt. Wie w icht ig ist das Netzwerk heute? Persönlich, aber auch als Unternehmer? In einer kleinen Welt wie Graubünden ist ein persönliches und beruf liches Netzwerk unabdingbar. Wegen eines Namens oder einer Marke wird nur selten ein Kunde den Weg zu uns finden. Wir versuchen deshalb, jedem Kunden einen Partner und soweit notwendig einen bestimmten Sachbearbeiter zuzuteilen. Dies vertieft die gegenseitige Verbindung zwischen uns und dem Kunden und er mögl icht das Verständnis für dessen Probleme und Bedürfnisse. Teil eines Netzwerkes sind immer auch bestehende und potenzielle Kundenbeziehungen. Was ist das Geheimnis, die Bedürfnisse des Gegenübers richtig zu antizipieren, wahrzunehmen und in der Umsetzung zu realisieren? Die Kunst der Beratung liegt wohl darin, die Wünsche und die Person des Kunden zu er fassen und statt Standardlösungen anzubieten, eine dem Kunden entsprechende Lösung zu finden, die gleichzeitig rechtlich und finanziell besteht. Die Erwartungen der Klienten sind heute hoch, ihre Bedürfnisse oft vielschichtig, komplex und überraschend. Effizientes, innovatives und lösungsorientiertes Vorgehen sind zum basalen Erfolgsfaktor geworden. Wo liegen hier die Kernkompetenzen der Curia und Ihres Teams? Durch die Erfahrung und Motivation unserer Mitarbeiter und Experten sowie die Etablierung oben genannter KundenTeam-Bildung kann lösungs- und kundenspezifisch beraten und gehandelt werden. Durch fachliche Weiterbildung und unsere jährlichen Kundenbroschüren versuchen wir fachlich à jour zu bleiben und gleichzeitig unsere Kunden auf relevante Änderungen in der Geschäftsund Rechtswelt aufmerksam zu machen. Sehen wir, dass eine solche Information f ür einen einzelnen Kunden von Bedeutung sein könnte, informieren wir im persönlichen Kontakt.

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Unternehmungskultur ist heute zum wertvollsten, nicht kopierbaren Gut geworden und verlangt in ihrer Entwicklung und in ihrer Pflege von jedem Mitarbeiter in der Unternehmung vollen Einsatz. Was sind die wesentlichen Elemente der Unternehmenskultur bei Curia? Wie pflegen Sie und Ihre Mitarbeiter die Unternehmenskultur aktiv im Alltag? Was bedeutet das für den Kunden? Unternehmenskultur nur intern darzulegen und zu definieren wäre Schaumschlägerei. Wir versuchen echte Kultur zu leben, durch Anständigkeit und Achtung der einzelnen Persönlichkeiten in unserem Team. So nutzen wir unser Potenzial und schaffen ein angenehmes Betriebsklima. Die langjährige Zugehörigkeit der meisten Mitarbeiter zu unserer Firma zeigt, dass dies offensichtlich gelingt. Diese Stimmung überträgt sich auch auf den Kunden und schafft Vertrauen. Ich versuche mehr Patron als Chef zu sein, was vielleicht unsere Philosophie am besten umschreibt. Grossen Wert lege ich natürlich auch auf eine angemessene Entlöhnung und gut ausgebaute Sozialversicherung für unsere Mitarbeiter. Gab es für Sie persönliche Meilensteine? Ein Meilenstein war der käuf liche Erwerb der Firma Mitte der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts. Der zweite Meilenstein war die Regelung meiner

Nachfolge zu meinem 50. Geburtstag, als ich leitenden Mitarbeitern 20% der A kt ien verkaufte. Mei lenstein drei erfolgte vor zwei Jahren mit dem Verkauf weiterer 60% der Aktien an d ie Genannten. Dieser Schr itt bedeutet unter anderem auch, dass das Unternehmen mittelfristig im Sinne der Gründer und in meinem Sinne fortgeführt wird. Gleichzeitig ist auf diesem Wege für die heutigen Mitarbeiter eine höhere Arbeitsplatzsicherheit im Unternehmen gewährleistet. Was sind für Sie Ihre persönlichen «Big five for live»? Als Mensch, als Unternehmer? Freude an der Arbeit, zufriedene Kunden und gute Mitarbeiter. Two of the five are not big enough being quoted. Wie wichtig ist Ihres Erachtens nach die Kunst in der heutigen Welt? Was kann, und vor allem – was soll sie in der heutigen Gesellschaft leisten? Kunst ist eine Bereicherung unseres Lebens, nicht aber Selbstzweck. Auch frage ich mich immer mehr, ob sogenannte Kunst effektiv Kunst ist oder wir dem Märchen «Des Kaisers neue K leider» aufsitzen. Die Kunst hat meines Erachtens die wertvolle Aufgabe, dem Kunstbetrachter Musse, Freude, Entspannung zu vermitteln und/oder Nachdenklichkeit zu wecken. Sie kann durch kritische Darstellungen Probleme

sichtbar machen, soll aber auch zu Problemlösungen beitragen. Was können Sie den heutigen Kunstschaffenden raten? Wie werden sie zu erfolgreichen Unternehmern? Wie können sie ihre Arbeit, ihre «Marke» erfolgreich positionieren? Sobald ein Künstler sein Publikum und nicht sich selbst in den Mittelpunkt stellt, er sein Handwerk versteht und dieses als Dienstleistung am Kunden versteht, hat er gute Chancen, am Markt zu bestehen.

Curia Treuhand AG Grabenstrasse 15, Postfach 132, CH-7002 Chur Tel. 081 256 00 00

w w w.curia .ch Fotos: Daniel rohner te x t: ANdrin Schütz

Meilensteine Curia Treuhand AG 1956 Gründung 12. März 1956 durch Dr. Peter von Rechenberg und Alberto Lurati 1979 Erweiterung der Geschäftsleitung durch lic. oec. Hans Bochsler 1982 Eintritt Dr. Andrea von Rechenberg als zweite Generation 1984 Hans Bochsler wird zusätzlicher Verwaltungsrat, Bildung einer erweiterten Geschäftsleitung 1992 Tod von Dr. Peter von Rechenberg Übernahme seiner Funktion durch seinen Sohn Dr. Andrea von Rechenberg 1995 Dr. Andrea von Rechenberg übernimmt die Aktien von Alberto Lurati und wird damit alleiniger Aktionär der Firma. 2002 Beteiligung leitender Mitarbeiter an der Firma im Zuge der Nachfolgeplanung 2005 Übernahme der Aro Fidia AG, Arosa, als 100%ige Tochtergesellschaft 2011 Tod Alberto Lurati 2012 Leitende Mitarbeiter stocken ihre Beteiligung auf 80% des Aktienkapitals auf, die Firma bleibt damit unabhängig

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Galerist Laszlo von Vertes vor: Pablo Picasso, L'enfant au béret écossais, 1952 – 1953, Öl auf Sperrholz

Ziem l ich a m A n fa ng der eleganten Zürcher Bahnhofstrasse findet sich ein wahres Juwel für Freunde, Liebhaber und Sammler klassischer und moderner Kunst. I m G ebäude der Z K B i n der Hausnummer 3 ist seit mehreren Jahren die Galerie von Vertes beheimatet. Auf beeindruckenden 450 m² Ausstellungsf läche werden Meisterwerke der Impressionisten und Fauves, Expressionisten des Blauen Reiter und Die Brücke, na m ha f te Su r rea l isten sow ie Verteter der École de Paris und Pop Art Highlights gezeigt und angeboten. Ein weiterer Schwerpunkt der Galerie liegt in der Förderung junger aufstrebender Künstler, vor allem aus der Schweiz. Der Galerist und Kunsthändler Laszlo von Vertes betreut von dort namhafte private und internationale Sammlungen und kooperiert weltweit mit den bedeutendsten Museen und Institutionen. Seine erste Galerie gründete der studierte Kunsthistoriker 1981 in München. Seitdem ging es mit dem Unternehmen kontinuierlich nach oben, sodass seine Galerie heute zu den renommiertesten Adressen im europäischen Kunsthandel zählt.

Andrin Schütz hat mit Laszlo von Vertes gesprochen. Herr von Vertes, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Seit Ja hrzehnten führen Sie er folgreich eine Galerie und sind im Kunsthandel tätig. Was waren für Sie die wesentlichen Meilensteine auf dem Weg zum dauerhaften Erfolg? Schon sehr früh habe ich erkannt, dass es immens wichtig für die Reputation de s Unt er neh men s i st , a r r iv ierte und engagierte Sammler in ihrer Leidenschaft zu begleiten und zu unterstützen. Vor über 25 Jahren lernte ich den Schweizer Unternehmer Gérard J. Corboud und seine Frau Marisol kennen. In einer vom ständigen Sehen und Suchen geprägten Zusammenarbeit entstand eine in ihrer Auswahl und Qualität herausragende Sammlung mit Werken des I mpressionismus, Pointillismus, Fauvismus und deutschen Expressionismus, die heute sicherlich zu den bedeutendsten in Europa zählt. Im März 2001 übergab das Ehepaar Corboud über 170 Gemälde als «ewige Leihgabe» an das Wallraf-RichartzMuseum in Köln, die so für die Nachwelt erhalten und zugänglich bleiben. Ebenso gehören die Sammlungen Würth in

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Deutschland und Batliner in Wien (als Dauerleihgabe in der Albertina) zum Kreis derer, die von uns beraten und betreut werden. Darüber hinaus kooperieren wir weltweit mit den wichtigsten Museen wie der National Gallery in Washington, dem Van Gogh Museum in Amsterdam, dem SFMOMA in San Francisco, dem Centre Pompidou in Paris und dem Metropolitan Museum in New York. Wovon lebt Ihres Erachtens nach die Kunst? Was macht einen erfolgreichen Künstler – zu Lebzeiten, aber auch über sein Leben hinaus erfolgreich? Die Kontinuität seines Schaffens. Der Künstler muss immer wieder im Stande sein, sich selber zu erneuern und zu erf inden. Nehmen Sie zum Beispiel Henri Matisse: Über den Naturalismus und Pointillismus wird er zur leitenden Figur des Fauvismus und entwickelt in den 40er-Jahren seine bahnbrechende Scherenschnitte. Ein Künstler kann nur über sein Leben hinaus Anerkennung f inden, wenn er als Visionär die herrschenden ästhetischen Normen hinter sich lässt und seinen eigenen Weg geht – wie hart und ungerecht die Kritiken zunächst auch sein mögen.


Welchen Anteil haben die Galerien und die Museen am nachhaltigen Erfolg eines Künstlers, was kann der Künstler selbst zum Erfolg beitragen? Ein Künst ler sol lte nur Künst ler sein, denn das ist, was er am besten kann. Alle anderen Aufgaben übernimmt sein Galerist für ihn, damit er sich 200% auf sein Schaffen und seine Weiterentwicklung fokussieren kann. Die Museen machen den Künstler schliesslich unsterblich. Eine international tätige Galerie bringt – nebst der Leidenschaft für die Kunst – eine grosse unternehmerische Herausforderung mit sich. Was sind Ihres Erachtens nach die wesentlichen Faktoren für den Erfolges einer Galerie auf dem heutigen Kunstmarkt? L eidenschaft ist neben fund ierter Kenntnis sicher die grösste Triebfeder für den Erfolg einer Galerie. Aber wer dauerhaft auf dem Parkett des internationalen Kunsthandels mitspielen möchte, muss sich auch international aufstellen. In der Zusammenstellung seines Portfolio, der Auswahl seiner Mitarbeiter, der Steuerung seiner Messe- und Ausstellungsaktivitäten und nicht zuletzt der dauerhaften Pflege und Erweiterung seines Netzwerkes. Wir werden als Aussteller auf international bedeutende Kunstmessen wie die TEFAF in Maastricht, die Art Cologne, den Munich Highlights, der PAD London oder Art Miami eingeladen. Dies setzt die Lust und Bereitschaft zu einer intensiven Reisetätigkeit voraus. Mehrsprachigkeit ist hierbei sicher ein grosser Vorteil. Ein erfolgreiches Unternehmen lebt heute unter anderem von ei ner gelebten, hochwer t igen Unternehmenskultur. Welches sind für Sie die unentbehrlichen Pfeiler Ihrer Unternehmenskultur? Dazu fallen mir in erster Linie fünf Begriffe oder – besser gesagt Werte – ein: Authentizität, Strebsamkeit, Professionalität, Ausdauer und Dynamik. Die Verwirklichung einer klaren Vision und das konsequente Durchziehen eines Programms, woran man glaubt, setzen ein hohes Mass an Geradlinigkeit voraus. Neues an- und aufnehmen, ohne

sich zu verbiegen. Die Arbeit in einer Galerie ist kein «9-to-5-job». Abendund Wochenendarbeit sind de facto «part of the job». Unsere Galerie beschäftigt ein hoch motiviertes und kompetentes Team, bestehend aus versierten Kunsthistorikern und Experten für alle anderen Arbeitsschwerpunkte. Ohne deren professionellen Input und Expertise wäre unser Erfolg nicht möglich. Eine innovative und dynamische Galerie entsteht nicht von heute auf morgen, hierzu bedarf es viel Ausdauer und Geduld. Eine erfolgreiche Galerie muss sich – ebenso wie ein Künstler – permanent weiterentwickeln. Wer stehen bleibt, hat schon verloren. Sie beraten eine anspruchsvolle, internationale Kundschaft. Was sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren Ihrer Galerie im sensiblen Umgang mit Ihren Sammlern? Eine individuelle Betreuung und qualifizierte Beratung der Kunden ist das A und O für den Erfolg einer Galerie. Seriosität und ein feines Gespür für Ziele und persönliche Befindlichkeiten eines Sammlers sind dabei unerlässliche Faktoren. Unsere Kunden verfügen über sehr gute Marktkenntnisse und lassen sich – um im Alphabet zu bleiben – kein X für ein U vormachen. Daher legen wir schon in der Auswahl unserer Werke grössten Wert auf eine makellose Provenienz und anerkannte Expertisen und Gutachten. Wertschöpfung und Werterhalt. Worte, die inzwischen auch auf dem Kunstmarkt an Bedeutung gewonnen haben. Was können Sie als Galerist und Kunsthändler zu m nach ha lt igen Wer terha lt einer sich entwickelnden Sammlung beitragen? Letztendlich geht es um Qualität. Gute Kunst hat sich immer durchgesetzt und wird es auch in Zukunft. Dieses Schlüsselkriterium wirkt sich nicht nur auf die materielle Wertentwicklung eines Kunstwerkes aus, sondern liefert zuverlässig das, was ich als «emotionale Rendite» bezeichne: Ein gutes Werk ist zeitlos und beschert einem Sammler auch in Jahrzehnten noch ein unbezahlbares ästhetisches Vergnügen. Gute Kunst zu fin-

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den und zu erkennen, sie dem Sammler erschliessbar zu machen, das ist unsere Aufgabe als Galeristen und unser Beitrag zu einer nachhaltigen Wertentwicklung. Graubünden ist seit jeher eine Wiege der Kunst. Welche Rolle spielte und spielt Bündner Kunst auf dem nationalen und internationalen Markt? Da kommen einem natürlich sofort grosse Namen wie Segantini und Giacometti in den Sinn. Ein Ziel unserer Galerie ist es aber, die Bedeutung eher national bekannter Künstler zu steigern und zu pf legen. Daher präsentieren wir in unserer kommenden Ausstellung «Incontro», die vom 17. September bis 10. Oktober bei uns in der Zürcher Bahnhofstrasse stattf inden wird, drei Künstler aus Graubünden, die aufgrund ihres vorhandenen Potenzials teilweise schon über die Schweiz hinaus beachtliche Anerkennung gefunden haben. Ein gutes Beispiel ist Christian Bolt, der mit seinen Werken bereits in der Sammlung von Sir Elton John vertreten ist. Darauf lässt sich sicher auf bauen.

Galerie von Vertes Bahnhofstrasse 3, CH-8001 Zürich Tel. 044 211 12 13 Öffnungszeiten Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung Aussergewöhnliche Werke von Albers, Bonnard, Degas, van Dongen, Ernst, Feininger, von Jawlensky, Manguin, Matisse, Münter, Kandinsky, Pechstein, Picasso, Richter, de Vlaminck, Warhol und Wesselmann werden derzeit in der 450 Quadratmeter grossen Galerie in Zürich gezeigt.

w w w.vonvertes.com Fotos: Galerie vertes te x t: ANdrin Schütz


herrmanngermann.ch

KONZERTE 2014/2015 AGGREGATSZUSTÄNDE

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FLUKTUATION

WASSER & LUFT

WERKE VON

WERKE VON

BALTAKAS, CHAN, CRUMB, SCELSI SONTÒN CAFLISCH, WEHRLI

BOULEZ, GRISEY, HARVEY, KISHINO, ROMITELLI, WILDBERGER

Fr 5. + Sa 6. September 2014 — Galerie Fasciati, Chur So 14. September 2014 — Ackermannshof, Basel

Sa 7. Februar 2015 — Ackermannshof, Basel So 8. Februar 2015 — Theater, Chur

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FLUG

STEIN & GAS WERKE VON

WERKE VON

HARVEY, PRITSCHARD, SCHLUMPF WILDBERGER, YUN

KESSLER, NORGARD, PÄRT, RAVEL, XENAKIS

Mo 20. Oktober 2014 — Theater Chur Di 21. Oktober 2014 — Ackermannshof Basel

Fr 27. März 2015 Ackermannshof, Basel Sa 28. März 2015 Theater, Chur

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IN ZUSAMM ENARBEIT M IT PRE-ART UN CONVERGENC D DEM E NEW MUS IC ENSEMBLE

BETON

FLÜSSIG

WERKE VON

WERKE VON

BABAJANYAN, BRENNER, GAMSACHURDIA, KORSUN, LEE, KALELI, SONTÒN CAFLISCH

GLOBOKAR, HARVEY, KISHINO LINDBERG, MOGUILLANSKY Di 12. Mai 2015 Ackermannshof, Basel Mi 13. Mai 2015 Theater, Chur

Montag, 8. Dezember 2014 — Theater, Chur Dienstag, 9. Dezember 2014 — Theater Rigiblick, Zürich Mittwoch, 10. Dezember 2014 — Ackermannshof, Basel Donnerstag, 11. Dezember 2014 — HEM, Lausanne Samstag, 13. Dezember 2014 — Neubad, Luzern

E N S E M B L E Ö ! I N DE R S A I S O N

Vorverkauf: Tel 081 252 66 44 www.theaterchur.ch

2 01 4 / 15

M I T:

Irina Ungureanu (Sopran) Riccarda Caf lisch (Flöte) Manfred Spitaler (Klarinette) Jens Bracher (Trompete) David Sontòn Caf lisch (Violine) Genevieve Camenisch (Viola) Christian Hieronymi & Martina Brodbeck (Violoncelli) Guy Frisch (Schlagzeug) Asiya Ahmetjanova (Klavier) Francesc Prat & Andreas Brenner (Dirigenten)

www.ackermannshof.ch Nur Abendkasse


mirko baselgia


Foto: Adrian Fl端tsch


Endoderm (Murmeltiergänge), Ausstellungsansicht – Bündner Kunstmuseum Chur 2013, Bronze, 110 × 880 × 330 cm, Massstab 1:1, 2012 – 2013, Foto: Stefan Altenburger

Mirko Baselgia bereitet derzeit eine Einzelausstellung im Kunstmuseum Olten vor. Zugleich steht er an einem Wendepunkt auf seinem künstlerischen Weg. Wer das Obergeschoss des Kunstmuseums Olten betritt, dem steigt zuallererst der süsslich-herbe Duft von Arvenolz in die Nase. Auf dem Boden liegen, streng geordnet, Nadeln, Spähne und Rinden, das Gehölz bedeckt die ganze Raumbreite. Man muss es durchqueren, will man die andere Seite erreichen, wo die Ausstellung fortgesetzt wird. Der Besucher muss also die Struktur, die der Künstler angelegt hat, sein Werk, verändern, ja zerstören. Mirko Baselgia gefällt die Vorstellung. Denn noch ist alles nur in seinem Kopf. Baselgia steht unter dem Dach des Schulhauses von Lantsch/Lenz, vor ihm ein Modell der Räume des Kunsthauses Olten. Noch sind sie leer, ebenso leer wie

der Raum, in dem er steht. Die Gemeinde stellt ihm die «Sala polivalenta» kostenlos zur Verfügung, hier kann er nun sein Atelier einrichten. Seit ein paar Monaten ist er zurück im Ort seiner Kindheit, wohnt im Haus, in dem er gross geworden ist. Die Zelte in Zürich hat er abgebrochen. Eine neue Phase in seinem Leben und in seinem Werk hat begonnen. Es ging ja auch alles ein wenig gar schnell in den letzten Jahren. Da war das Kiefer-Hablitzel-Stipendium 2012, ein Jahr später der Churer ManorKunstpreis, gefolgt von Ausstellungen in Chur, Glarus, Vaduz, Lugano, Luzern und Zürich. Plötzlich galt Baselgia als einer der angesagtesten jungen Künstler der Schweiz. Das war angenehm. Aber der 32-Jährige ist keiner, der sich auf den Lorbeeren ausruht. Statt dieselben Werke in immer neuen Räumen zu zeigen, trieb er parallel zur regen Ausstellungstätigkeit seine künstlerische Arbeit voran.

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Hier muss man erklären, wie Mirko Baselgia arbeitet. Wenn eine Frage seine Neugier erweckt, beginnt eine intensive Recherchephase. Innerhalb dieser können sich erste Ideen für Werke entwickeln. Zwischen Idee und fertigem Objekt vergehen oftmals mehrere Monate bis Jahre. Ein grosses Thema in Baselgias Kunst ist das Verhältnis des Menschen zur Natur, insbesondere zur Tierwelt. Dazu sind in den letzten Jahren mehrere Werkserien entstanden, zumeist sind es Objekte. Für seinen Bienenzyklus hat er die Tiere sogar zu Kollaborateuren gemacht. Statt der gängigen sechseckigen Waben stellte er einen Wabenrahmen in die Bienenhäuser, der die Form orientalischer Ornamente aufweist. Einem Wissenschaftler nicht unähnlich wollte der Künstler sehen, wie sich die Bienen zur neuen Struktur verhalten, was geschieht, wenn sie plötzlich mit neuen Voraussetzungen zu tun haben.


Domus Apis Melliferae et Domesticae (Haus der zum Haus gehörenden, honigtragenden Biene), Ausstellungsansicht – Bündner Kunstmuseum Chur 2013, Europäisches Nussholz, Nuss- und Leinöl, 77 × 55 × 33 cm, 2013, Foto: Stefan Altenburger

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Midada da structura, Bienenwabe 05 verso 3, Lambdaprint, Masstab 2:1, 77 × 55 cm, 2013, Foto: Stefan Altenburger

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Als Kunstwerke resultierten die neu strukturierten und von den Bienen vervollständigten Waben, die er für einen nächsten Schritt einscannen und vergrössern liess, um die Form schliesslich per CNCMaschine aus einer Arvenholzplatte fräsen zu lassen. Für die Midada da structura-Arbeiten spannte Baselgia einen Churer Imker ein, für eine Weiterentwicklung dann zuerst Spezialisten der ETH Zürich und schliesslich einen Schreiner. Denn ihm schwebt stets die bestmögliche Umsetzung für seine Ideen vor, und meistens geht das nur, indem er das Wissen und die Fähigkeiten anderer in Anspruch nimmt, ob Kunstgiesser, Marmorsteinhauer oder eben Imker. Das Problem: die Kosten. «Plötzlich war ich mehr Manager als Künstler, musste rechnen und koordinieren, statt dass ich mit den eigenen Händen arbeitete», sagt Baselgia. Das musste sich ändern. Und der Zeitpunkt war: sofort. «Plötzlich war ich mehr Manager als Künstler...», Foto: Adrian Flütsch

Greinaboot, Ausstellungsansicht – Kultursommer Greina 2004 – Plaun la Greina, Sumvitg, Moos, Stahlkonstruktion, Geomatte, 77 × 330 × 121 cm, 2004, Foto: Mirko Baselgia

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Ganymed, den Adler des Zeus tränkend, Bertel Thorvaldsen, Museum Kopenhagen, Zeichnung, Bleistift, handgeschöpftes Papier, 22 × 33 cm, 2013, Foto: Adrian Flütsch

Blick ins Atelier von Stefan Soler während einer Besprechung, Foto: Adrian Flütsch

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Besprechung im Kunstmuseum Olten mit (v.l.n.r.) Stefan Soler, Dorothee Messmer, Mirko Baselgia und Katja Herlach, Foto: Adrian Flütsch

Eine wichtige Person in Baselgias Alltag ist heute Stefan Soler, ein pensionierter Broker und passionierter Zeichner aus Lantsch/Lenz. Er ist so etwas wie Baselgias RealitätsCheck. Wenn der Künstler einen Gedanken spinnt und erklärt, wie er die Umsetzung angehen will, fragt Soler, ob es nicht auch anders, preiswerter, ginge. Die Bodenarbeit für das Oltner Kunstmuseum war nach ersten Berechnungen fast doppelt so teuer wie jene Version, die nun realisiert wird. Die Einzelausstellung in Olten wird die grösste Schau sein, die Baselgia bis anhin erarbeitet hat. Erstmals wird der Bündner Künstler sein zeichnerisches Werk präsentieren. Die Mehrzahl der Arbeiten wird aber wiederum Objekte sein. Ein Motiv, das sich durch alle Räume und Themenfelder zieht, ist auch hier die Struktur, ob sozial, ökonomisch oder biologisch. Baselgias (unausgesprochene) These ist, dass die Balance verloren gegangen ist. Die neuesten Entwicklungen der Oltner Lokalpolitik geben ihm recht: Weil der Stromkonzern Alpiq kaum mehr Steuern abliefert, muss die Stadt massiv sparen. Das schlägt auch auf das Kunstmuseum durch, das bereits Ausstellungen hat verschieben oder absagen müssen. Immerhin: Baselgia blieb davon verschont. Die Oltner Ausstellung will Baselgia dazu nutzen, sich aus den alten Strukturen zu befreien, die Weichen neu zu stellen. Das passt: In Olten war der Ausgangspunkt des schweizerischen Schienennetzes. Kilometer null.

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w w w.baselgia .com te x t: Julian reich


Arte hotel bregaglia


Das Kunstereig nis, seine Entdeckungen & Geschichten In den letzten vier Jahren war in der journalistischen Berichterstattung über das Kunstereignis Arte Hotel Bregaglia zu lesen, dass sich das Bergell als Schauplatz der zeitgenössischen Kunst entwickelt hat. Beim Beschreib des südalpinen Tals als «Ort des zeitgenössischen Kunstschaffens» (WOZ) und als «lebendigen Ort des nachhaltigen künstlerischen Austauschs» («Südostschweiz») wurde meist auch auf die grossen Namen wie Giacometti, Segantini oder Varlin, die im Tal ebenfalls Inspiration fanden, verwiesen. Andere Berichterstattungen setzten die kuriosen Besonderheiten des Hotels in den Vordergrund, zum Beispiel das «Frühstück im Jägersaal, wo man zu jedem Schluck Kaffee ein anderes Geweih anstarren kann, sogar das eines Elchs». (NZZ) Ein Buch über «Arte Hotel Bregaglia 2010 –2013. Das Kunstereignis, seine Entdeckungen & Geschichten» erschien im Juni dieses Jahres und hat sich den hohen Anspruch gesetzt, als Gesamt publ i kat ion nicht nur d ie Ausstellung selbst, sondern auch die Vorgeschichte mit Arte Bregaglia 2008 sow ie para l lele und for t f ührende Konzepte wie die Villa Garbald und Video Arte Palazzo Castelmur zu dokumentieren. – Ein in weitem Bogen gespanntes Revue-passieren-Lassen der Ereignisse der letzten Jahre. Damit steht auch der Anspruch, den Status der «Entwicklungen» formell abzuschliessen und mit der künstlerisch aktiven Peripherie als etwas Bestehendem umzugehen. Oder um mit Michael Günzburger zu sprechen: «Das Ende des Anfangs»¹ festzuhalten. Die zündende Idee und Umsetzung st a m men w ieder u m von L uc ia no Fasciati, dem Initiator und Kurator der Ausstellung Arte Hotel Bregaglia. Zusammen mit dem jungen Verein «Progetti d'arte in Val Bregaglia» fungiert er als Herausgeber. Er hat eine diversif izierte Autorenliste f ür die Publikation, die im Verlag hier und jetzt, erschien, zusammengetragen. Das Vorwort wurde von der renommierten

Remo A. Alig © Ralph Feiner

¹Titel der Lithografie, die er für Arte Hotel Bregaglia 2012 erschaffen hat.


Blick in die zentrale Hotelhalle, um 1900, Fotografie © Museum für Kommunikation, Bern

Kuratorin Kathleen Bühler verfasst. Einen spannenden Einblick in das Projekt Arte Bregaglia und seine Durchführung gibt die Initiantin Angelika AffentrangerKirchrath. Die Erkenntnisse und Recherchen von Isabelle Rucki und Stefan Keller, deren Buch zum Hotel Bregaglia vergriffen ist, fliessen in mehrere Beiträge ein, vor allem aber in Cordula Segers, die Spannendes und Kurioses aus dem Hotelarchiv beleuchtet und die Geschichte des Hotels erfahrbar macht. Die Neuerscheinung vereint ausserdem die überarbeiteten Beschreibungen zu den für den Ort entstandenen Werken aller Ausstellungsjahre und präsentiert nebst den stimmigen Aufnahmen der Exponate auch bislang unveröffentlichte Makingof-Bilder von Ralph Feiner. Ergreifende Fotografien stammen auch von Andrea Badrutt und Raymond Meier.

Die Werkserie von Jules Spinatsch Digestif f liesst unberührt als Insert in die Publikation ein. Zu weiteren Fragestellungen regt der Architekt Walter Angonese an. Im Beitrag der Kunstkritikerin Gisela Kuoni werden die Aussenstation des Bündner Kunstmuseums, die Villa Garbald – auch «Denklabor» der ETH und der Universität Zürich – und andere künstlerische Aktivitäten im Tal ausgeführt. Nadine Olonetzkys literarischer Essay zum Hotel kann als Liebeserklärung zum Tal verstanden werden. Und dass dieses Platz und Potenzial bietet für weitere Kunstereignisse, wird an der 2013 parallel zur vierten Reihe von Arte Hotel Bregaglia durchgeführten, ebenfalls dokumentierten Video Arte Palazzo Castelmur ersichtlich. Dass die Geschichte indes weitergeht, klingt im musischen Resümee von Luciano Fasciati an. Fortsetzung folgt.

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Buch bestellen: order@hierundjetzt.ch

www.artehotelbregaglia.ch te x t: Céline Gaill ard




anna hilti Fanzines (shifting identities), Installationsansicht Galerie Hollenstein Lustenau, 2013


Fanzines (shifting identities), Lasperprint auf Papier, 2013, 21 × 14.8 cm

Anna Hiltis künstlerische Auseinandersetzung gilt der menschlichen Identität und der Frage, wie diese konstruiert und angelegt ist. Persönliche Gespräche, aber auch die Sichtung von Texten, Bildern und Briefen aus privaten und öffentlichen Nachlässen, bilden die Grundlage ihrer künstlerischen Arbeit, in der biografische Bruchstücke zu möglichen Geschichten verwoben werden. Das systematische Ansammeln verschiedenster Quellen gleicht dem einer Wissenschaftlerin. Als Künstlerin ist es ihr jedoch erlaubt, eine weitaus befreitere und spielerische Annäherung an ihre Themen zuzulassen und durch ihre Eingriffe und Interpretationen auch die Konstruktion und Veränderbarkeit von Geschichte, Erinnerung und Identität zu thematisieren. Sichtet man das v ielseit ige Werk Anna Hiltis, stellt man schnell fest, dass ihr eigentliches gestalterisches Medium die Zeichnung ist, auch wenn sie verschiedenste Strateg ien von Gestaltungsmöglichkeiten und Stilmitteln auslotet. Man bemerkt den konstanten Verlauf sanft anmutender und sachte in Position gerückter Details. Scheinbar ungewollte, doch stimmig zusammenhaltende zeichnerische Feinheiten geben ihren Arbeiten erst die Qualität, sich in einem ref lexiven Prozess in ihnen zu ver-

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One of the Best, Bleistift auf Papier, 2013, 50 × 35 cm

lieren. Dabei integriert sie auch immer wieder Textelemente in die Zeichnungen, lässt narrative Ansätze entstehen und abbrechen, holt den Betrachter in eine Geschichte und überlässt ihm gleichzeitig deren Rekonstruktion. In Arbeiten wie Fanzines – shifting identities (2013) heben sich die zwei Komponenten

Text und Bild gänzlich voneinander ab und bilden zwei voneinander getrennte Ebenen. In den Fanzines werden Personen porträtiert, die sich mit der Veränderung ihrer eigenen Identität auseinandersetzen. Es werden gewollte oder ungewollte Veränderungen, aber auch die Lust am Rollenspiel oder der Identitätswandel als Überlebensstrategie

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thematisiert. Bei den Bildern handelt es sich nicht um Zeichnungen, sondern um Schnappschüsse, die die Porträtierten zeigen und die von ihnen persönlich zur Verfügung gestellt werden. Diese werden von A nna Hilti mit Fragmenten aus Interviews mit den Personen kombiniert und zu einzelnen Heften zusammengefügt.


One of the Best, Bleistift auf Papier, 2013, 50 × 35 cm

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One of the Best, Bleistift auf Papier, 2013, 70 × 100 cm

Es sind berührende Arbeiten: Fast verloren wirken die porträtierten Charaktere. Haftet der Blick länger, meint man die Person schon einmal gesehen zu haben – sie wirkt vertraut. Auch hier schafft es Anna Hilti, durch die fragmentierten und editierten Gespräche mit den Porträtierten dem Betrachter erheblichen Spielraum für eigene Fantasien zu geben. Bruchstücke fremder Leben, die von Alltäglichkeiten erzählen und somit auch soziale und politische Lebensrealitäten thematisieren, die aber über das rein Persönliche hinausreichen können und nicht nur die Lebensbilder der jeweiligen Protagonisten zu rekonstruieren versuchen. Wenn man tiefer in die Arbeiten eintaucht, wird man automatisch zum Voyeur. Man will mehr erfahren – mehr wissen über diese «verändernden Identitäten» – in die Tiefe und das Private dringen. Dieses Hineindringen in eine fremde Haut provoziert und lässt zwangsläufig einen Einbruch vom Öffentlichen ins Private stattfinden. Thematisch beschäftigt sich auch das von Anna Hilti mitgegründete Kollektiv «Salon Liz» mit derartigen Überlappungsmustern im Verständnis des Privaten und der öffentlichen Gemeinschaft und begreift seine Arbeit als soziales Experiment. Das Künstlerinnenkollektiv von Anna Hilti, Stefanie Thöny und Anita Zumbühl will soziale Begegnungen schaffen und das Interesse seitens des Publikums an einer Partizipation wecken. «Salon Liz» inszeniert Versuchsanordnungen, deren Ausgang ganz von den beteiligten Personen abhängt, nämlich inwieweit sie sich auf das Ereignis als Erlebnis einlassen. Der Besucher/Koakteur wird zwar behütet durch die künstlerische Inszenierung geleitet, wird aber dennoch aufgefordert, die Geschehnisse mitzubestimmen. Oftmals integrieren sie als offenes Kollektiv sowohl andere Kunstschaffende wie auch Freunde in ihre Projekte.

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Unter der Regie der Künstlerinnen werden patriotische Modeschauen inszeniert, oder es treffen sich Potentaten in ihren herrschaftlichen und königlichen Kleidern zu einem Kongress im Hinterhofgarten. Es kann auch sein, dass man sich im Sanatorium für Kunstüberdruss am letzten Tag der Kunstmesse Art Basel verwöhnen lässt oder im güldenen Kostüm im Golden Club, ein nur wenige Quadratmeter grosser Raum im Raum, die Nacht durchtanzt und sich vergnügt. Oder wie in einer der letzten Aktionen von «Salon Liz», im Rahmen derer man sich einer seelisch und physisch reinigenden Kur unterzieht und mit neu frisierten Haaren, manikürten Nägeln sowie einem individuellen Horoskop das Verwöhnungszelt «Les Mystères Cosmétiques» verlässt.

Durch überspitzt inszenierte, aber real anmutende Begebenheiten schafft das Kollektiv Situationen, die mal okkult und mystisch sein können und den Trend nach der eigenen sinnsuchenden Positionierung in der Gesellschaft thematisieren. Ein andermal kann es sich um einen unterhaltenden Moment in einem Nachtclub handeln, dessen Eintrittsprozedur und Verkleidungszwang jedoch Fragen nach Exklusivität, Zugehörigkeit und dem gleichzeitigen Individualisierungsstreben in unserer Gesellschaft aufwerfen. Die Performances sind vielschichtig: Sie sind unterhaltend und einladend. Sie durchleuchten jedoch kritisch gesellschaftliche Phänomene, sind auch provozierend und sprengen Normen, indem sie das Publikum an seine ästhetischen und

Down the Rabbit Hole, Installationsansichten Kunstraum Engländerbau Vaduz, 2014

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tugendhaften Grenzen führen. Durch die Möglichkeit eines Rollenspiels und die Erzählstruktur der Künstlerinnen sowie die partizipativen Handlungen des Publikums generiert sich für alle Beteiligten ein Eintauchen in eine andere Welt. Vorübergehend befähigt dieses Rollenspiel den Partizipierenden, eine neue Identität zu erschaffen und seine Alltagsidentität durch diese Erfahrung möglicherweise auszuweiten.

w w w. annahilti.com te x t: Mel anie Büchel &  Catrina Sonderegger


Portr채taufnahme: Anna Hilti, Foto: Johanna Muther

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Art public


Nachdem bereits im Sommer 2012 das Projekt säen ernten, glücklich sein erfolgreich durchgeführt wurde, präsentiert der Verein ART PUBLIC Chur mit dem diesjährigen Projekt Ortung unter der kuratorischen Leitung von Luciano Fasciati eine zweite grosse Schau mit Kunst im öffentlichen Raum in der Stadt Chur. Verstecktes neu entdecken Kunstwerke finden sich über die ganze Innenstadt verteilt. An prominenten, aber auch an weniger prominenten Orten werden Betrachter und Spaziergänger von Werken überrascht. So beispielsweise am Kettweg, in der Nähe der Abstellgleise des Churer Bahnhofs. «Doch darum geht es unter anderem», erklären Luciano Fasciati und Alda Conrad: «Bekannte, aber auch unbekannte Orte sollen im Rahmen der künstlerischen Interventionen neu entdeckt und im Zusammenhang mit den präsentierten Werken neu interpretiert werden. Dem Besucher soll die Gelegenheit gegeben werden, sich im Umgang mit den künstlerischen Eingriffen an Plätzen, die er nicht kennt oder an denen er im Alltag achtlos vorübergeht, neu und bewusst zu verorten», so Luciano Fasiciati. So werden in diesem Jahr nebst den alten Plakatwänden am Kettweg auch diverse Schaufenster in der Innenstadt für die Aktionen genutzt. Ein gekonnter Reflex auf die Werbung Ebendiese alten, seit Langem nicht mehr genutzten Plakatwände hat zuerst der Bündner Künstler Gaudenz Signorell im Mai neu bespielt. Big Bic so der Titel der mehrteiligen Arbeit, die auf der Auseinandersetzung mit einem Werbeplakat des Kugelschreiberherstellers Bic aus dem Jahre 1961 fusst. Die Kugelschreiberstriche von damals sind zerlegt, gespiegelt, vergrössert und in ihrer grossformatigen Auslegung neu rhythmisiert. Signorell gelingt damit die Dekonstruktion eines Werbemediums und der kollektive Ref lex auf die Erinnerungen, die wohl einjeder an den Gebrauch von Buntstiften hegt. Die Installation Ortung jedoch soll nicht statisch und definitiv sein, sondern viel mehr soll sie sich den Sommer über prozesshaft stets verändern. Einiges kommt

Gaudenz Signorell, Kettweg


hinzu, anderes wiederum verschwindet. So wurde beispielsweise die Installation Bic Mitte Juli von einer Arbeit von Erik Steinbrecher abgelöst: Calanda lässt die Plakatwände am Kettweg in monochromem Blau erstrahlen und eröffnet eine neue Sicht auf Stadt und Berg. Das dahinter und darüber – der Horizont – ist der Stadt- und Bergkulisse nun quasi vorgestellt und provoziert eine völlig neue Wahrnehmung von Raum. Vom Kettweg wiederum führt ein beschaulicher Spaziergang in Richtung Altstadt, wo bereits weitere Interventionen zu sehen sind: In einem Schaufenster auf dem Casinoplatz findet sich eine kindergrosse maskierte Schaufensterpuppe in übergrosser Sportbekleidung. ER so der Titel der Installation des Basler Künstlers Erik Steinbrecher, welche auch auf einem nicht mehr benutzten Werbeträger basiert, lässt den Betrachter stutzen. Ein Selbstporträt? Ein beseeltes oder unbeseeltes Gegenüber, das da anonym hinter der Maske hervor auf den Casinoplatz blickt? Erik Steinbrecher, Kettweg

Erik Steinbrecher, Casinoplatz

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Alltägliches neu gesehen Weiter geht‘s mit einem Abstecher in die von den meisten wohl selten begangene Glockengasse. Zwischen den eng beieinander liegenden Hausfassaden scheint sich ungeahnt weiter Raum zu öffnen. Dies ist der Installation der jungen Bernerin Angela Wüst zu verdanken. Wiederum in einem Schaufenster finden sich die Häuserflucht der Glockengasse und der Ausblick auf den Casinoplatz in verschieden formatigen Fotografien neu konstruiert. Die Vertikalen fallen in die Horizontale, während das Gassenpflaster himmelwärts führt. Der alltägliche Raum gewinnt durch seine Neuinterpretation an Bedeutung, die lapidare Architektur scheint mit einem Mal zu einem faszinierenden Gebilde zu werden.

Angela Wüest, Glockengasse

Remo Albert Alig, Rathaus

Kapelle und Kauf haus Eine aussergewöhnlich stille und nahezu behutsame Arbeit präsentiert Remo Albert Alig in der Rathaushalle mit seiner Installation Heiliggeist: Stand dort bis ins Jahr 1540 die HeiliggeistKapelle, wurden beim Bau des damaligen Kauf hauses die gotischen Fenster der Kapelle integriert. Alig hat eine Fensterhöhle nun mit transluzidem Alabaster ausgekleidet und spielt damit sowohl auf biblische Texte als auch auf die Bedeutung des Salzes im frühen Handelswesen an.

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Umfassendes Rahmenprogramm «Im Laufe des gesamten Sommers und des Herbstes werden weitere Interventionen folgen, auf die man sich freuen darf», verrät Alda Conrad. «Auch für ein umfassendes Rahmenprogramm ist gesorgt», so die Mitorganisatorin, die sich über den gelungenen Kultursommer freut. Auch finden im Rahmen der Ausstellung zahlreiche Podiumsdiskussionen statt. Ebenso sind regelmässige Führungen für Erwachsene, aber auch für Familien und Kinder wesentlicher Teil des Programms. Noch bis in den Dezember hinein wird die f lächendeckende Installation erweitert und von diversen Aktivitäten rund um die Kunst begleitet. Im Rahmen der d ie s jä h r i g en k ü n s t ler i s c hen Interventionen in der «Südostschweiz» findet auch ausserhalb der Zeitung eine

Auseinandersetzung mit der Presse statt. Dies unter anderem in der vom Direktor des Bündner Kunstmuseums, Stephan Kunz, kuratierten Ausstellung ZeigTun in der Kantonsbibliothek, welche das Verhältnis von Kunst und Presse auf informative und ästhetische Weise auslotet.

im Oktober. Zilla Leutenegger wird mit einer Videoinstallation vertreten sein ebenso Ursula Palla, während Lydia Wilhelm die Vitrinen der altehrwürdigen Löwenapotheke bespielt. Weiter wird Sandra Senn eine Fensterinstallation realisieren. Am Kettweg folgt im November Barbara Signer auf Jules Spinatsch.

Weiter werden im September auch die Plakatwände am Ketteg von Jules Spinatsch neu bespielt, während Silvano Repettos Videoinstallation lopite inatteso an der Sennhofstrasse 10 die Ortung bereichert.

Wie bereits vor zwei Jahren soll auch beim diesjährigen Projekt von ART PUBLIC eine umfangreiche Publikation das Geschehene und das Gesehene dauerhaft dokumentieren.

Gespannt sein darf man sicherlich in diesem Jahr auch auf die Arbeit Bohrloch des Bündner Künstlerduos Gabriela Gerber und Lukas Bardill sowie auf eine Invention der Freiburger Installationskünstlerin Isabelle Krieg

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w w w. art-public.ch te x t: Andrin schütz fotos: marco hartmann


bbkl Berufsverband Bildender Künstler/Innen Liechtenstein

barbara bühler Fotografie, 2014

Patrick Kaufmann Radierung, 2013

hansjörg Quaderer sérigraphie, 2012

dIe neue JahResgRaFIK von barbara bühler, 2014

VeRband der bbKL strebt die Förderung der Kunstschaffenden aus allen bereichen der bildenden Kunst in Liechtenstein an. er bezweckt die Wahrung der künstlerischen, rechtlichen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturpolitischen Interessen der Kunstschaffenden. der Verein dient auch als Verwaltungs- und Informationsstelle für alle Mitglieder untereinander sowie als Interessenvertretung vor nationalen und internationalen Organisationen.

bbKL-seKRetaRIat Im Malarsch 19a, FL-9494 schaan tel +423 231 16 15 | info@bbkl.li Öffnungszeiten: do, 16 – 19 uhr www.bbkl.li


Valentin roschacher



La Margna mit Silsersee, Nr. 1, Öl auf Leinwand, 2008, 45 × 55 cm

Im letzten Jahr ist im Benteli-Verlag ein Kunstbuch über Ihre bisherige Malerei erschienen. Es trägt den Titel: «Die Schweizer Alpen – Ölbilder 2000 – 2013». Malen Sie nur Bergbilder? Seit 2000 male ich tatsächlich fast ausschliesslich Bergbilder. Allerdings habe ich zuvor überhaupt keine Landschaften, keine Berge gemalt. Vor 30 Jahren hat mich die Natur schlicht nicht interessiert, sie war mir als Motiv für die Malerei zu langweilig. Den Menschen wollte ich malen, Porträt, Akt, Figurenbilder. Zur Bergmalerei kam ich fast wie die Jungfrau zum Kind. Ach ja, apropos Jungfrau: Eine «Madonna mit Kind» habe ich kürzlich auch gemalt.

Warum also ab 2000 Bergbilder? Es war Zufall, vielleicht auch Fügung. Der Vater meiner Frau besitzt ein uraltes Chalet in Gimmelwald, einem 140-Seelen-Dorf im Berner Oberland. Meine Frau versuchte über längere Zeit, mich zu einem Wochenende in den Bergen zu bewegen. Zuerst wehrte ich mich, denn «uraltes Chalet in den Bergen» erzeugte in meinen Ohren keinen Wohlklang; es assoziierte bei mir «Militär», sprich: ungeheizte Hütte, Toilette im Freien, frieren, kalte Füsse, schlechter Kaffee. Und tatsächlich war das Wetter mies, als wir dort ankamen, überall Wolken und Nebel, nasses Gras, alles grau und kalt. Ich stand draussen im Garten und rauchte eine Zigarette; da teilten sich plötzlich die Wolken, der Nebel verschwand, die Sonne kam raus und ich schaute direkt in die gleissende Gletscherwelt von Eiger, Mönch und Jungfrau. Es war ein wunderbarer Anblick, ein erhebendes Gefühl. Ich wusste sofort: Hierher komme ich zurück und male das! Wenn ich mir Ihren Bildband ansehe, so entsteht bei mir der Eindruck, dass Sie zwischen dem Engadin und dem Berner Oberland hin und her pendeln, jedenfalls wenn ich die Motive Ihrer Bilder analysiere. Stimmt das? Ganz falsch ist diese Analyse jedenfalls nicht. In Mürren im Berner Oberland haben wir mittlerweile selber ein Haus gebaut. Und von dort habe ich eine wunderbare Aussicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau, das Gletscherhorn, das Breithorn etc. Und trotzdem zieht es mich immer wieder ins Engadin, um genau zu sein, hauptsächlich an den Silvaplanerund den Silsersee. Und dort steht eben – auch – der Piz La Margna.

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Was fasziniert Sie als Maler am La Margna? (lacht) Nichts! Was fasziniert Sie am Silvaplanerund Silsersee? (lacht) Nichts! Und am Engadin? Das Licht! Viele Maler sprechen von diesem speziellen Licht im Engadin. Schon bei G. Segantini scheint dieses Licht eine gewisse Rolle bei seiner Wohnortwahl im Bündnerland gespielt zu haben. Können Sie dieses Licht etwas genauer beschreiben? (lacht) Nein, das kann ich leider nicht. Es hat – wie ein Kunstwerk – dieses gewisse Etwas, dieses «je ne sais quoi»! Alle meine bisherigen Beschreibungsversuche taugen nicht viel. Das Licht ist «weicher» als anderenorts, «fast schon mediterran», man spürt «Schwingungen». Sie sehen, meine Worte können das Phänomen nicht ansatzweise richtig erfassen. Ein Maler soll aber auch nicht reden, er soll malen.

Beim Zeichnen im Berner Oberland, 2010

Mit Zeichenutensilien und «Dürerscheibe» in Steg, FL, Vorarbeiten zum «Blick ins Valünatal», 2010

Vordergrundskizzen für das «Alpenpanorama», 2010

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Eine etwas ausführlichere Begründung für Ihre vielen SilserseeGemälde mit La Margna würde der Leser aber sicher zu schätzen wissen! Nun denn: Für mich sind zwei Aspekte von grösster Wichtigkeit. Erstens bedeutet Licht Farbe, und je länger ich male, desto wichtiger wird für mich die Farbe. Ich merke, wie die Form für mich an Bedeutung verliert, während die Farbe immer mehr an Bedeutung gewinnt. Zweitens hat es einen immensen malerischen Vorteil, das gleiche Motiv immer und immer wieder zu malen: Die Probleme mit der Formgebung werden von Bild zu Bild kleiner – ich kann die Gegend um den Silvaplaner- und den Silsersee fast schon mit geschlossenen Augen zeichnen –, weshalb ich meine ganze Energie auf die Probleme fokussieren kann, die sich im Zusammenhang mit der Licht- bzw. Farbgebung ergeben.


Sie malen mit Pinseln, die 1, 2, 3 oder 4 Haare haben. Das sind schrecklich wenige Haare zum Malen, und ich stelle mir vor, dass Ihr Malprozess nicht der schnellste ist. Ja, absolut. Leider kann ich dem, was mir in Sachen Licht und Farbe vorschwebt, derzeit nur mit diesen Pinseln einigermassen gerecht werden. Das Resultat ist hübsch, allerdings stecken in einem Bild schnell mal 300 bis 1000 Arbeitsstunden oder mehr, je nach Format. Sie haben für ein Museum ein Alpenpanorama gemalt, welches 1,8 Meter mal 4,5 Meter misst. Warum haben Sie das gemacht, und wie lange hat es gedauert? Nach 6500 Arbeitsstunden war ich fertig. Ich hatte zwei Hauptgründe, es zu versuchen. Einerseits wollte ich wissen, ob ich es überhaupt schaffen würde, über Jahre hinweg, Tag für Tag, am gleichen Bild zu arbeiten; also die Frage nach der eigenen Disziplin und Motivation über lange Zeit. Ausserdem wollte ich wissen, ob es mir gelingen würde, mit meinen Mikropinseln auf diesem doch stattlichen Format eine schöne Stimmung zu schaffen. Auf beide Fragen habe ich nun meine Antworten.

Im Atelier, Arbeit am «Alpenpanorama» (2010 – 2012, 181 × 450 cm), Januar 2011

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Blick ins Valünatal, Öl auf Leinwand, 2010, 80 × 100 cm

Im Atelier, Arbeit am «Alpenpanorama» (2010 – 2012, 181 × 450 cm), Übertragen der Zeichnung auf die Leinwand, August 2010

Selbst Ihre Kritiker zollen Ihnen hohes Lob für Ihre stupende Technik, machen aber geltend, dass gegenständliche Bergmalerei weder modern noch innovativ noch zeitgenössisch und zudem künstlerisch weniger wertvoll als konkrete/abstrakte Malerei sei. Und brillante Technik sei letztlich nur Handwerk, nicht Kunst. Uff! Darüber könnten wir jetzt zwei Stunden diskutieren. Um es kurz zu machen: Ja, Technik halte auch ich nicht für das Wesen der Kunst! ... aber für ihre Voraussetzung! Heute gibt es zwar unendlich viele Künstler der bildenden Kunst. Schade nur, dass ein grosser Teil davon weder zeichnen noch malen kann. Der oft gehörte Satz «Nur die Idee, der geistige Entwurf zählt, die Ausführung ist nebensächlich», mag für Konzeptkünstler praktisch sein. In der Malerei hat er meiner Meinung nach nichts zu suchen. Erst wenn Auge und Hand, Herz und Verstand perfekt zusammenarbeiten, entsteht ein gutes Bild; und nur ein gutes Bild kann Kunst sein. V. Kandinsky hat 1911 das erste sogenannte «abstrakte Gemälde» gemalt, d.h. die Form vom Gegenstand befreit. Was bitte schön soll an einer über 100 Jahre alten Malweise heute noch «modern» oder gar «innovativ» sein? Und «zeitgenössisch» ist alles, was heute gemalt wird. Gehen Sie einmal in 20 verschiedene Galerien oder an die Art

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Basel: Alles, was sich denken lässt, findet man heute in perfekter Eintracht nebeneinander. Gegenständlich, abstrakt, gut gemalt, schlecht gemalt, miserabel gemalt; erfreuend, provozierend, verängstigend, schockierend, abstossend, belehrend, anziehend. Das Einzige, das man feststellen kann, ist: Allen Unkenrufen seit 50 Jahren zum Trotz: Die Malerei lebt! Zum Begriffspaar «gegenständlich/nachempfinden – abstrakt/neu schöpfen» nur so viel: In meinen Bergbildern steckt mehr Fantasie als in manchem gegenstandslosen Bild. Auch ein abstrakter Maler malt nur das, was er kennt, was er gesehen hat. Der Mensch kann gar keine Form malen, die er nicht schon gesehen hat; er bildet also immer ab. Aber wirklich entscheidend ist doch nur das: Wenn Sie vor einem prächtigen Gemälde stehen, das Sie berührt, bewegt und erfreut, ist es für Sie dann wichtig, ob das Gemälde vor 500 Jahren oder am letzten Mittwoch gemalt wurde? Sie haben die Art Basel erwähnt. Würden Ihre Bilder dorthin passen? (lacht) Sicher! Mir fehlt zurzeit nur der Galerist, der sie dort ausstellt. Die Leidenschaft, die in Ihren Bildern steckt, hört man auch, wenn Sie über Malerei sprechen, auch wenn Ihre Überzeugungen wohl nicht dem Tenor des heutigen Kunstverständnisses entsprechen. (lacht) Ich erlaube mir eben, meine eigenen Ansichten und Überzeugungen zu haben und dementsprechend zu arbeiten. In ca. 80 bis 100 Jahren wird man definitiv beurteilen, ob meine Bilder es wert sind, dass sie bleiben und gezeigt werden. Hätten Cézanne, Van Gogh, Monet, Renoir und viele andere auf ihre vielen Kritiker gehört, hätten sie aufgehört zu malen, und das wäre jammerschade gewesen.

w w w.roschacher .com w w w.galerie- crameri.ch te x t: Renato Compostell a fotos: Tina FIngerle

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Pars pro toto, La Margna Nr. 9, Öl auf Papier, 2013, 42 × 55 cm

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perrier-jouet

Simon Heijdens


Tord Boontje

Azuma


Ein Vermächtnis ist mehr als nur der Wunsch, etwas zu hinterlassen, ein Vermächtnis trägt eine Philosophie über die Zeit. Für das Champagnerhaus Perrier-Jouët ist die Verbundenheit zur Kunst Essenz seiner Tradition. Die über zweihunder t Jahre a lte Geschichte des Champagnerhauses ist eine Geschichte der Passion und des Strebens nach Schönheit. Schon die Entstehung des Hauses basiert auf einer Liebesgeschichte: Pierre-Nicolas Perrier, Winzersohn aus der Champagne, und Rose-Adélaïde Jouët, Kaufmannstochter aus der Normandie, besiegeln im Jahre 1811 ihre gemeinsame Zukunft ebenso wie die Geschicke eines legendären Hauses. Die Verschmelzung ihrer Namen sollte zum Inbegriff werden für herausragende Weine, unglaubliches Terroir und die untrennbare Verbundenheit zu künstlerischem Schaffen. In einer Zeit, als Begriffe wie Testimonials und Marketing noch unbekannt waren, pflegte Perrier-Jouët in natürlichem Respekt und Hochachtung intensive Freundschaften und langjährige Beziehungen zu zeitgenössischen Künstlern. Das historische Haus der Familie Perrier, heute Museum und Gästehaus für besondere Besucher, ist ein Beweis dieses aussergewöhnlichen Erbes: Die eindrucksvolle Kunstsammlung der Maison Belle Epoque ist Heimat für nicht weniger als 200 Originalwerke der grössten Meister des Art Nouveau, und ständig kommen auch aktuelle Kunstwerke dazu. Das berühmteste Stück ist wohl die Ikone des Hauses, die weltbekannte Jugendstilf lasche mit den Anemonen. Im Jahr 1902 schuf der renommierteste Glaskünstler seiner Zeit, Emile Gallé, für Perrier-Jouët ein exquisites Ornament aus weissen japanischen Anemonen. Mit ihrer Eleganz und frühlingsleichten Vitalität wurden die Anemonen Sinnbild für den Geist einer ganzen Epoche und ihren künstlerischen Ausdruck. Noch heute zieren die zarten Blumen die Jahrgangschampagner des Hauses. Emile Gallé schuf die Anemonen auf Bitte von Henri Gallice, Firmenchef von PerrierJouët. Wie schon seine Vorgänger traf auch er sich mit Malern, Bildhauern und

Emile Gallé

Glithero

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Keller

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all denjenigen, die zu Beginn des neuen 20. Jahrhunderts eine Rolle spielten in der Erneuerung der dekorativen Künste. Dieser Tradition ist das Champagnerhaus bis heute treu geblieben und pflegt und fördert die Zusammenarbeit mit namhaften Künstlern, Fotografen und Designern auf der ganzen Welt. Der amerikanische Künstler Daniel Arsham beispielsweise schuf zum 200-jährigen Bestehen des Hauses eine Diptychon-Skulptur, die in herausragender A rchitektur zwei Jahrgangschampagner birgt als perfekte Vereinigung von Kunst und Wein. Der holländische Designer Tord Boontje schuf mit der märchenhaften Skulptur Enchanting Tree einen poetischen Gläserbaum mit goldenen Ranken aus Eisen, wo filigrane Champagnerkelche vom Baum gepflückt werden können. Als offizieller Partner der Design Basel Miami konnte Perrier-Jouët schon vermehrt eigene Kunstwerke präsentieren. 2012 wurde in Miami die Installation Lost Time des Londoner Designateliers Glithero vorgestellt, eine Installation aus Kettenlinien und Lichtern als Hommage an den spanischen Jugendstilkünstler Antoni Gaudi. Mit einem Modell von Ketten versuchte dieser, durch mathematische Kettenlinien die perfekten natürlichen Kurven für seine Sagrada in Barcelona abzubilden. 2013 folgte mit Simon Heijdens die Lichtinstallation Phare No. 1-9, eine Komposition aus 9 mundgeblasenen Glasbehältern, die durch eine spezielle Flüssigkeit im Innern in steter Bewegung sind und das Kunstwerk laufend neu erschaffen. Allen diesen Kunstwerken gemeinsam ist die Natur als Inspirationsquelle, mit ihren Formen und Strukturen, transformiert in ein zeitgenössisches, handgefertigtes Schaffen. Und ihr Zuhause in der Maison Belle Epoque, wo sie als Ausdruck des Jetzt zu einem potenziellen Erbe werden, ein sich Erfreuen an Schönheit und Vergnügen für künftige Generationen.

www.perrier-jouet.com Te x t: Emilie furel aud

Daniel Arsham

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HansJörg Quaderer Ockermalerei, Espace Apollonia, Strasbourg, Ocker auf Wellpappe, 2008, Rollen à 220 × 1200 cm, © Klaus Stöber



«Als ob diese Figuren zu sehen der Sinn unserer Reise gewesen wäre», so der 1958 geborene Liechtensteiner Künstler, Literat und Verleger Ha nsjörg Q ua de re r übe r d ie 1000-jährigen Buddha-Figuren von Sumda-Chenmo, die auf einer Reise in den Tibet seinen Weg kreuzten. Halb noch in Erde und Fels verborgen, erwachsen die von Erosion gezeichneten Figuren aus ihrem sandigen Grund, «ganz zu sich gekommen, ausgesetzt und zubehörlos, von unerhörter Präsenz, geschliffen von Zeit, Wind und Sand, ist das Überflüssige weggewaschen. Der Inbegriff von Schlichtheit», so Quaderer weiter. Ockermalerei, Rollen im Atelier

Erdmalerei, Ocker, Asche, Kohle auf Windpapier, 2011, 100 × 150 cm

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Im Atelier, Buchmaquette & Aquarelle, Pi-Projekt, 2006, 70 × 50 cm

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108 Kreise, Pastelle auf Papier, 2000, 24 × 30 cm

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Pi-Projekt, Blätter aus dem Pastellalbum, 1995, 50 × 35 cm

«Zu sich gekommen, schlicht und unerhört präsent». Begriffe, die sich auch in Quaders Werk manifestieren. Die im Rahmen und unter dem Eindruck jener Reise entstandenen «Erdmalereien» präsentieren sich in ihrer kompositorischen Strenge zurückhaltend, still und schlicht, während sie in ihrer leuchtenden, expressiven Farbigkeit und in ihrer Konzentration gleichsam eine ungeheure Präsenz entwickeln. Wieder und wieder – einem achtsam Betenden gleich – verarbeitet Quaderer malerisch das Motiv der erhabenen Holzfiguren, stets auf der Suche nach dem Eigentlichen und Wesentlichen, nach der zeitlosen Kraft, die den Statuen innewohnt. Das ist es denn auch, was das Werk Hansjörg Quaders im Kern ausmacht: Seit jeher Dichter, Maler und Kulturimpresario zugleich gibt es eine grosse Konstante in der Tätigkeit des Tausendsassas: die konzentrierte Suche nach dem Wesentlichen, nach dem was eigentlich den Dingen innewohnt. Das unermüdliche Herausarbeiten eines Extraktes und eines Sedimentes aus den Dingen, die Suche nach dem Echten und Grundlegendem in allem, was uns umgibt.

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Sumda-Blätter, a-d, Ocker, Indigo, Kohle, Kalkweiss, Steinfarbe auf Packpapier, 2011, 65 × 48 cm

Ist der Tibet geprägt von karger, felsiger Landschaft, f indet Quaderer in seiner nächsten Umgebung bereits 1991 Gegenteiliges: den Rhein. Der Fluss «Lebensf luss, Flusstal Talschiff, Föhn, Gletscherbläue» wird ihm als prägende Landschaft zum Gefährten. Über zehn Jahre hin beschäftigt sich Quaderer immer wieder mit dem lebensspendenden Strom, seinen Mäandern, Kiesbänken und Auen, seinen Kräften und seinem beständig stillen Fluss. In der intensiven Auseinandersetzung mit dem Rhein und seiner Landschaft sowie unter dem Eindruck von Hölderlins Rheinhymne entsteht der Zyklus Ausgesetzt auf den Sedimenten des Rheins, bestehend aus 42 Farbholzschnitten und zwölf Gedichten. Befassen sich die Arbeiten in «Erdmalerei» und «Ausgesetzt auf den Sedimenten des Rheins» mit der Wirkung, die das vermeintlich Äussere auf das Innere zu haben vermag, entwickelt Hansjörg Quaderer im Pi-Projekt, einem Zyklus, den er seit 1991 tagebuchartig verfolgt, die bildnerische Darstellung primär aus dem Innen hin zum Aussen.

R(h)einheiten, Pastell, 1990, 50 × 35 cm

Ausgangslage ist der meditative Zustand des Gebetes der Malermönche des kosmischen Mandalas. Wieder und wieder wird die «kosmische Zahl mit gegen null gurgelndem Sternenstaub» bearbeitet. Fülle und Leere, Licht und Dunkel, Freiraum und Grenze, Möglichkeit und Unmöglichkeit, die Verwerfung von Innen und Aussen, Implosion und

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Explosion von Farbe und Form, das Ich und das Du fallen im beständigen Rätsel des Kreises und des Daseins stets in eines. Malend, reisend, schreibend, dichtend und denkend arbeitet Hansjörg Quaderer an der Lösung des Rätsels. Achtsam und konsequent zugleich, stets im Wissen darum, dass die Lösung einzig in der zarten Schwebe des vorsichtig täglichen Tuns, des beständigen Auslotens von aussen und innen, von Augenblick und Ewigkeit liegen kann. Denn: «Ein Rätsel ist Reinentsprungenes. Auch Der Gesang kaum darf es enthüllen. Denn wie du anfingst, wirst du bleiben.» Aus: Friedrich Hölderlin, der Rhein

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Hansjörg Quaderer in seinem Atelier, © Jürgen Kader

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barbara b端hler



Barbara Bühler, Selbstporträt, 2014

Die Werke der 1968 geborenen Liechtensteiner Fotografin, die analog mit Mittel- und Grossformatkameras arbeitet, bestechen durch eine stets klassische und strenge Kompositionsweise. Das ruhige Auge der ehemaligen Restauratorin für archäologische Fundstücke löst die jeweiligen Motive konsequent und mit beinahe chirurgischer Präzision aus ihrem aktuellen Kontext heraus und lässt sie so in einzigartiger Plastizität und zeitloser Präsenz vor dem Betrachter erscheinen.

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Magie und Präsenz der vollkommenen Abwesenheit Ein verlassener Raum, zwei Telefonhörer, dazwischen eine Trennscheibe: der Besuchsraum im Landesgefängnis Vaduz. Ein andermal: eine Rutschbahn am Rande eines Swimmingpools. Die Wasserober f läche spiegelglatt, d ie menschenleere abendliche Umgebung schei nt na hezu über w i rk l ich u nd traumhaft verloren zugleich. Schwebende Melancholie und auratische Stille In Auffassung und Motivik präsentieren sich die Werke der Liechtensteiner Fotograf in Barbara Bühler stets unterschiedlich. Eines jedoch ist ihnen immer gemeinsam: die zauberhafte, nahezu schwebende Melancholie und eine beinahe auratische Stille, die weit über den Bildraum hinaus auf den Betrachter überzugreifen scheint. I m R a h m e n v o n « G r a u z o n e n », ei nem G emei n s c h a f t s pr oje k t de s Kunst verei ns Sch icht wechsel und der B ewä h r u ng sh i l fe des L a ndes L iechtenstein, ist 2013 im Landesgef äng nis L iechtenstein eine Ser ie von acht Bildern entstanden: Zimmer ohne Aussicht. Die Aufnahmen zeigen genormte Räume, die über eine gewisse Zeit hinweg Menschen beherbergen, die aus der Norm geraten sind. Sterilität, Leere und Anonymität bestimmen Motivik und Atmosphäre der Arbeiten. Hier ein Fitnessgerät, dort ein Warteraum mit einigen Stühlen, anderswo auch ein Stück Himmel, das sich jenseits der Mauern eröffnet. Die ausschliesslich zweckorientierte Architektur scheint menschen- und sinnentleert. Und gerade diese Leere, d ie A bwe s en heit ei ne s jeg l ic hen Menschlichen und Individuellen ist es, welche eine ungeheure Präsenz erzeugt. Man vermeint es förmlich zu spüren: das Warten, das endlose Im-KreisGehen, das Hoffen und das Verzagen, das je Eigene in der Anonymität und Zeitlosigkeit der abweisenden Räume.

Grauzonen – Zimmer ohne Aussicht, 4 × 5 inc. color Negativ, digital color Print 70 × 100 cm, 2013

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Oasen der Stille Ist uns die Welt, die Barbara Bühler uns in Zimmer ohne Aussicht zeigt, zumindest teilweise vertraut, entführt sie den Betrachter in Werken, die während zweier ausgedehnter Reisen nach Indonesien entstanden sind, auf fremdes Territorium: Menschenleer, verlassen und still präsentiert der Pool der Badeanstalt in der fünf Arbeiten umfassenden Serie Little Longing mitten in der betriebsamen und lärmigen Stadt Jakarta gelegen, erscheint die Oase der Ruhe in surrealistischer Plastizität. Das Einzige, was hier seinen Ort hat, sind das in den schwülen Abend hinein verklungene Kinderlachen und die flüchtigen Erinnerungen eines vergangenen Tages, auf den stets ein neuer folgt – ein gleicher, der dennoch nie derselbe sein wird. Magisch auch die Innensichten von Moscheen: Die intensive Farbigkeit der südostasiatischen Architektur, die im Augenblick ihrer tiefsten Konzentration gebannten Betenden oder die zuweilen auch hier wieder menschenleeren symbolund geschichtsträchtigen Räumlichkeiten lassen den Betrachter die Kraft und die meditative Tiefe der islamischen Religion erahnen.

little longing, 6 × 6 color Negativ, analog Print 50 × 50 cm, 2003

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Moscheen – the calm view, 6 × 6 color Negative, digital color Print 60 × 60 cm, 2004

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Java nightmare, 6 × 6 color Negativ, analog Print 50 × 50 cm, 2013

Java Nightmare Traum und Albtraum geben sich in den auf den Indonesien-Reisen entstandenen Arbeiten die Hand. Zwischen dem ersten und dem zweiten Besuch Barbara Bühlers in Indonesien im Jahre 2013 wurde das Land von Erdbeben und einem gewaltigen Vulkanausbruch erschüttert. Der Ausbruch des 3000 Meter hohen Merapi brachte Tod, Verwüstung und unwirklich anmutende Relikte: Irgendwo noch hängt in gespenstischer Szenerie eine Jacke, die wohl keinem mehr gehört, während ein Getürm von Sand und Steinen, welche das Wellblechdach eines verlassenen Fluchtbunkers durchbrochen haben, stilles Zeugnis der Katastrophe ablegt. Umwuchert von tropischer Vegetation scheint ein einsames in seiner verlorenen Unwirklichkeit irritierendes Haus mehr und mehr im dunklen Grün der Nacht zu versinken. Dennoch: Ein erleuchtetes Fenster durchbricht die Finsternis, die ewig scheint und das gestern mit dem Morgen in eins wirft.

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Herausgeber Marc Gantenbein Redaktion Andrin Schütz Andrea ullius Verlag printmedia company chur spundisstr asse 21, 7000 chur tel 081 286 68 03, www.p-m-c .ch Druck Fo-Fotorotar ag Gewerbestr asse 18, 8132 Egg www.fo-fotorotar .ch Grafik Muriel mathys, diebuendner .COM, Chur Auflage 15 000 ex. pro jahr Erscheinen jährlich Einzelverkaufspreis CHF 15.– / Euro 12.– (zzgl. versand­kostenanteil) Papier Umschl ag luxosamtOffset, hochweiss, gestrichen matt, 250 gm 2 Inhalt luxosamt­Offset, hochweiss, gestrichen matt, 170 gm 2 ISBN 978-3-9523366 - 6 -3

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