JUAN ANDEREGGEN
Juan Andereggen Man darf den 1958 in San Jeronimo del Norte (ARG) geborenen Künstler Juan Andereggen guten Gewissens als den wohl wichtigsten Vertreter der konstruktivistischen Gegenwartskunst in Argentinien bezeichnen. Verfolgt er in den 1980er Jahren im direkten Umfeld des grossen Wegbereiters Juan Grela noch eine figurativ-kubistische Bildsprache, wird seine Arbeit in den frühen 1990er zunehmend minimalistisch und trägt abstrakte Züge. Alsbald jedoch kehrt Andereggen zur Figuration zurück und entwickelt in den späten 90er Jahren seine – wenn auch in der Tradition des strukturalen Konstruktivismus stehende - unverkennbare und einzigartige Bildsprache. Die Werke Andereggens sind in zahlreichen argentinischen Museen, aber auch in bedeutenden europäischen Sammlungen, beispielsweise jener der Deutschen Bank in Frankfurt präsent.
Juan Andereggen – Skulptur und Malerei Unverblümt und doch voller Blumen, voll von leichtem Lachen und schwer an Tränen führen uns die Arbeiten von Juan Andereggen die Poesie des menschlichen Daseins vor Augen: in seiner Schönheit, aber auch in seiner radikalen Gegebenheit von Isolation und Ausgrenzung. Das Leben und der Tod, aber auch die Hoffnung, das Glück, die Trauer, die Einsamkeit und die Liebe sind seine Themen. Diese wenigen Worte mögen für die Kraft der Werke des argentinischen Plastikers und Malers Juan Andereggen stehen. In ihrer einfachen, archaischen und poetischen Klarheit und Direktheit vermögen Andereggens Arbeiten vor allem das Eine: Sie berühren uns in unserem Innersten. Denn sie zeigen uns, wer und was wir sind. Bedient sich Juan Andereggen in seinem Schaffen vor allem Fundstücken und Relikten der menschlichen Gesellschaft, wachsen ebendiese Fundstücke Schwemmholz, Nägel, Büchsen oder etwa Steine - in ihrem künstlerischen Kontext alsbald über ihre eigentliche Bedeutung hinaus und werden zum Sinnbild der menschlichen Existenz und der menschlichen Gesellschaft. Regungslos schweigend stehen Andereggens Skulpturen vor uns. In der Tradition des lateinamerikanischen Konstruktivismus in formal stringenter stereotyper Bildsprache gehalten, präsentieren sie sich trotz ihrer bezeichnenden Uniformität als individuelle Archetypen der menschlichen Person. Blicken die Augen der einen Figur traurig ins Leere, scheint der Blick einer anderen Skulptur wiederum hilflos, flehend oder auch kindlich-erwartungsvoll. So gelingt es Andereggen mit einfachsten Materialien und kompositorischem Scharfsinn, aber auch mit grosser Sensibilität für das menschliche Wesen aus wenigen stets wiederkehrenden Elementen eine Typologie Menschen zu entwickeln. Ist das skulpturale Schaffen des Argentiniers primär dem Abbild des Individuums gewidmet, unternimmt Andereggen in der Malerei zumeist umfassende Analysen der menschlichen Gesellschaft und ihrer sozialen Problematiken. In ihrer unverwechselbaren Materialisierung und in erdiger Farbigkeit entwickelt Juan Andereggen in seiner Malerei in sich geschlossene, bestechend wirkungsmächtige Narrationen über den Status der modernen urbanen Gesellschaft. Symbolträchtig gruppiert er auf seinen Gemälden stereotype Lebewesen und Architekturen, die er mit wenigen Hinweisen zu gross angelegten Metaphern über Thematiken wie etwa Gemeinschaft, Ausgrenzung, Klassenunterschiede, politische Herrschaftssysteme, Isolation und Anonymität in der urbanen Gesellschaft werden lässt. Andrin Schütz, Oktober 2016
Juan Andereggen - Plastiken und Gemälde Der argentinische Künstler Juan Andereggen entwickelt seine Bildsprache primär aus Fundstücken und Resten. In ihrer gestalterischen und skulpturalen Einbindung in einen neuen Kontext gewinnen die archaischen Materialien eine neue semantische Dimension und überschreiten so die konstruktiven und semantischen Grenzen des Ursprungsmaterials. Es sind Stücke von alten Schiffen, Kochutensilien, Bahnschwellen, verrostete Nägel, vom Zahn der Zeit zernagte Steine – einfache Elemente, denen der Künstler eine neue Gestalt verleiht und in anthropomorphe Organismen verwandelt, die sinnbildlich für das Individuum, seine Position in Gesellschaft und Politik sowie die Dimension stehen. Selbst Teil dieser Gesellschaft und des Laufes der Zeit, versetzt uns Andereggen zurück an einen beliebigen lebensweltlichen Ausgangspunkt: Zum Fund am Flussufer, zu den zufällig bemerkten Dingen, die auf der Straße liegen, zu den vom urbanen Lebenskontext ausgesonderten Resten, zu all den Stellen, die er selbst aufsucht, um das einzigartige Stück zu finden, auf dem er einen neuen und kollektiven Bedeutungskontext aufbaut. Im Sinne des vorhandenen Materials verfolgt Andereggen hierbei stets das ästhetische Ziel des bildhauerischen Diskurses im Spannungsfeld der Unterordnung des Zufälligen unter die formal-gestalterischen Möglichkeiten. Das subjektive Begreifen und die formale Objektivierung des materiell Vorgefundenen sprengt im gestalterischen Akt somit die gegebenen Grenzen des Materials und führt zu einer neuen Interpretation der in der Lebenswelt vorhandenen materiellen und gesellschaftlichen Struktur. In seinen Gemälden ist ein nahezu vollständiger Verzicht auf den Wert der Farbskala zu beobachten; Andereggen entwickelt seine Gemälde nicht aus der Farbe, sondern vielmehr aus der stereotypen, sich stets wiederholenden Formensprache, aus der steten Wiederkehr eines Dialoges, der den Rückfall des Bildes in seine eigentliche, ursprüngliche formale, narrative und ikonographisch lineare Dimension geradezu erzwingt. Die Farbigkeit beschränkt sich auf die absolute Kargheit einzelner, zwischen Grau- und Grüntönen angesiedelter Mischungen, welche die Farbe an sich zur Nicht-Farbe werden lassen. In dieser Dialektik von formal-stereotyper Stringenz in der Narration und dem nahezu gänzlichen Verzicht auf Farbe steckt unter anderem der Wille nach visueller und ästhetischer Klärung. Die reduzierten malerischen und plastischen Ressourcen fungieren als Träger für das Postulat nach kraftvoll realisierter Authentizität, die jenseits aller Modeerscheinungen und Trugbilder auf das wesentliche und eigentlich Wirkliche verweisen.
Juan Andereggen gilt in Argentinien als weitherum anerkannter Plastiker und geniesst einen mit dem Meister Joaquín Torres García vergleichbaren Status. Trotz allgemeiner öffentlicher Anerkennung und den Ansprüchen des Marktes hat Juan Andereggen sich stets jeglicher Beeinflussung entzogen. Er ist seiner eigenständigen Sprache treu geblieben, die beständig zwischen Minimalismus und strukturellem Konstruktivismus schwebt. Seine Skulpturen und seine narrativen Gemälde erzählen die Geschichten dieser Welt. Sie sprechen über die Melancholie der steinigen und dunklen Wege, auf denen sich der anonyme Mensch bewegt: Von der Last des Daseins gebeugte Figuren – resigniert, die Füsse in die Erde eingegraben stehen sie als starre Zeugen einer unveränderlichen Wahrheit vor uns. In ihnen scheint die Zeit zum Stillstand gekommen zu sein. Sie schweigen, als wüssten sie um die Aussichtslosigkeit des Aufschreis nach einer Umkehr. Machtlos und ohne Möglichkeit ihren vorgegebenen Weg zu ändern. In ihrer tragischen Größe und in ihrer herzzerreißenden Sanftmut zeugen sie von der Unerbittlichkeit des menschlichen Schicksals. Stella Arber, Direktorin Museo de Arte Contemporáneo Universidad Nacional del Litoral
Die 2016 während des jährlichen Atelieraufenthaltes in der Schweiz entstandene Arbeit «un mundo» ist insofern typisch für Andereggens Schaffen als sie mit wenigen kompositorischen Elementen den für Juan Andereggens Ikonographie so wichtigen Gegensatz von Stereotyp und Individualität zeigt. Repräsentiert die anonyme urbane Architektur. «Die Welt» als sinnentleertes Kollektiv wird mittels eines einfachen semantischen Hinweises auf die eigentliche Welt – jene des individuellen Daseins - verwiesen.
Bevรถlkert wiederum wird das urbane Umfeld bzw. die Welt des Kollektives von in stereotyper Bildsprache gehaltenen Lebewesen, die als formale Figuration des menschlichen Wesens gefasst sind. Uniform und mit frรถhlich anmutendem Gesichtsausdruck bewegen sich die Gestalten in verschiedene Richtungen, ohne zu bemerken, dass ihnen eines wohl gemeinsam ist: Die Schraffur in ihrer Kontur verweist bereits auf ihr bevorstehendes Ende.
Die Arbeit «uno y su circulo del sal» verweist in Andereggens typischer Manier auf die Abgrenzung des Individuums innerhalb der zuweilen bedrohlich wirkenden Gesellschaft. Die Metaphorik allerdings ist eine janusköpfige: Wird in einigen Kulturen der Salzkreis als schützendes Element gewertet, verweist der Salzkreis hier aber auch auf die «Pflege des eigenen Gartens», und damit - zumal Salz einst ein wertvolles Zahlungsmittel war - auf die Hege individuellen Wohlstandes. In der Folge also auf das Desinteresse des Einzelnen an der Gesellschaft.
Die Skulptur «aprendiendo a volar» aus dem Jahre 2013 mag insofern als typisch für Andereggens skulpturale Sprache gelten, als sie in wenigen Elementen menschliche Stärken und Schwächen aufzeigt. Der Wille, das Fliegen (wohl auch im geistigen Sinne) zu erlernen, lässt das vorgestellte Individuum aus der Masse der Willenlosen herausstehen. Zugleich aber wird sofort offensichtlich, dass die Kraft, auch wirklich zu fliegen, tatsächlich fehlt. Die Flügel sind gestutzt und einzig der Blick vermag in die Ferne zu schweifen. Die Möglichkeit einer verbalen Äusserung ist mangels eines Mundes ebenso wenig gegeben. Der Wunsch, sich zu erheben verbleibt also in verschwiegener Hoffnung.
Siguiendo la luz Mit der Installation «Siguiendo la luz» realisiert Juan Andereggen erstmals eine grössere installative Arbeit für den Aussenbereich. Ausgangslage hierfür bildet die Figuration menschlicher Typologien in skulpturaler Ausführung. Die urbane Architektur aus «un mundo» wird exemplarisch auf eine Stahlkonstruktion in Form eines einfachen Hauses übertragen. Dieses wiederum bildet das zu Hause der gesamten menschlichen Gesellschaft und Ihrer Vertreter (anonyme Vertreter der Gesellschaft, Poeten, politische und wirtschaftliche Funktionäre, Kinder etc.), die sich nebst ihrer gesellschaftlichen Funktion allesamt durch ihre Individualmerkmale und damit ihre eigene Lebensgeschichte auszeichnen. Installativ wiederum werden eben jene gesellschaftlichen Vertreter in eine formale Ordnung transportiert, welche ihr gesellschaftliches Verhalten, ihre Erfolge und ihr Scheitern repräsentiert. Typisch für Andereggen bleibt in der Installation das tragische Moment abschliessend präsent. Einige der Individuen bleiben für immer in der Architektur ihrer «konstruktiven Welt» gefangen. Das Fliegen wird ihnen niemals gelingen. Das Erstrebte (sei es die Karotte, die Nahrung und Wohlstand verspricht oder die Freiheit des Sonnen- und Mondlichtes am Himmel ausserhalb der Architektur) bleibt ihnen – oder zumindest den meisten von ihnen für immer verwehrt.
Ausstellungen 1993
Deutsche Bank, Buenos Aires, ARG
1993
Bienal Chandon de Pintura, ARG
1994
Galerie Pendenz, Winterthur, CH
Galerie Tokterhuus Chäller, Fällanden, CH
1995
Junge Argentinische Künstler in Rouen, FR
Deutsche Bank, Buenos Aires, ARG
Bienal Chandon de Pintura, ARG
1998
Deutsche Bank, Buenos Aires, ARG
1999
21 x 21 Galerie Praxis, Buenos Aires, ARG
2000
Salon Nacional de Artes VIsuales, Buenos Aires, ARG und Paris, FR
2001
«Ojo al Pais» Fondo nacional de las Artes, Centro Cultural Borges, ARG
2004
Salon Nacional, Palais de Glace, Buenos Aires, ARG
2006
Salon Nacional, Palais de Glace, Buenos Aires, ARG
2007
Museo de Arte Contemporaneo, Santa Fe, ARG
LII Salon Manuel Belgrano, Museo Eduardo Sivori, Buenos Aires, ARG
2008
LIII Salon Manuel Belgrano, Museo Eduardo Sivori, Buenos Aires, ARG
2009
LIV Salon Manuel Belgrano, Museo Eduardo Sivori, Buenos Aires, ARG
2010
Galerie Arte y Parte, Buenos Aires, ARG
2011
Santa Fe Pinta Bien, Santa Fe, ARG
Museo Rosa Galisteo de Rodriguez, Santa Fe, ARG
Museo Castagnino + Macro, Rosario, ARG
Centro Cultural Recoleta, Buenos Aires, ARG
2012
Galerie PatchWork, Rüti, CH
Salon Nacional Vicentin, Reconquista, Santa Fe, ARG Auszeichnungen
2013
Galerie S/Z, Uerikon, CH
2014
Galerie S/Z, Murg, CH
2014
seekultour.ch, Murg
2015
Galerie Cuadro 22, Chur
2015
Galerie hollabolla, Eschen, LI
Auszeichnungen 1993
«Premio al arte Joven Deutsche Bank», zweite Auszeichnung
1995
«Municipalidad de Santa Fe», Stipendium der Stadt Santa Fe
IV Auszeichnung vom Künstlerverein Santa Fe
1996
«Encuentro de Pintores con Bollini», erster Preis
Kunststiftung «Esmeralda Rodriguez Galisteo de Pujato»
XX Salon ciudad de Córdoba, spezielle Auszeichnung
1999
21 x 21 Galerie Praxis, Buenos Aires
2000
Salon Nacional de Artes VIsuales
2006
Salon Nacional de Artes Visuales (Spezial Jury Auszeichnung)
2008
Zweiter Preis am 8. Salon de Avellaneda, Santa Fe
2011
Zweite Jury Auszeichnung am Salon Nacional, Concordia, Entre Rios