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Konrad Willeit: Jesselton am Anfang

siert sind, sondern vor allem an der Schulbildung ihrer Kinder. Darin erkennt er aber reichlich Gelegenheit, Kontakt zu den Familien herzustellen, verschiedene Hilfen anzubieten und, ganz nebenbei, über den christlichen Glauben zu reden. Anfangs stehen v.d. Heijden nur ein Katechist und ein Chinesisch-Lehrer zur Seite. Zudem hatte er nicht nur die Christen in Jesselton zu betreuen, sondern mit seinen Mitbrüdern, Prenger und Goosens, auch jene entlang der Eisenbahnlinie bis Beaufort.

Nach der Ankunft in Jesselton im Jänner 1903 wohnt v.d. Heijden zunächst im angemieteten Obergeschoß eines Warenhauses. Aber schon im April stellt ihm die Kolonialregierung ein Stück Grund zur Verfügung, „gerade groß genug für eine kleine Kirche, eine Schule mit Spielplatz, ein Katechumenat und einen Friedhof“, wie v.d. Heijden berichtet. 1905 beschreibt er in den Annalen – entspricht unserem Missionsboten in Holland – den Anfang der Mission in Jesselton. „Es ist nun mehr als zwei Jahre her, seit ich den Fuß an die Westküste von Britisch Nordborneo gesetzt habe, in die kleine Stadt Jesselton, die von den Einheimischen Api-Api genannt wird. Da Jesselton bisher noch keine Missionsstation hatte, habe ich anfangs in einer angemieteten Behausung gewohnt, denn es musste erst alles von Grund auf errichtet werden.“

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Das Hauptgebäude der neuen Missionsstation – ca. 8 Meter breit, 18 Meter lang und bis zum Giebel 7 Meter hoch – war von allem Anfang so geplant, dass man zu beiden Seiten einen Flügel anbauen konnte. (Erst 30 Jahre später führt Missionar Josef Unterberger aus Stans im Unterinntal bei der Restaurierung des mittlerweile von Termiten zerfressenen Gebäudes diesen Plan aus.) Im Erdgeschoss ist die provisorische Kapelle, der Schulraum, ein Essraum, die Küche und ein Lagerraum. Außer einem Holzboden in der Kapelle sind alle Böden mit Zementestrich ausgelegt, um das Sauberhalten zu erleichtern. Denn die Buben lassen gewohnheitshalber Knochen, Schalen und andere Essensreste einfach zu Boden fallen. Der einfache Altar in der Kapelle wurde von einem Tischler angefertigt, die Kerzenleuchter sind aus Holz. Über dem Altar steht eine schöne Herz-Je-

su-Statue, ein Geschenk aus Brixen/ Südtirol. Die 16 zwei Meter langen Kirchenbänke haben die Buben selbst aus Brettern zusammengezimmert. Zum Beichten benutzen wir die Sakristei. Einen Opferstock gibt es zwar, aber der sammelt keine fünf Gulden im ganzen Jahr. Einzige Dekoration im Gotteshaus sind ein paar Heiligenbilder und die Kreuzwegstationen, ein Geschenk aus Holland. Neben der

Auf dem Grundstück ist Platz für das Internat mit Kapelle, Schulraum, Essensraum, Küche, Lagerraum.

Jugendlicher im Gebet versunken (Foto 2016).

In der Nähe des Internats liegt ein Blumen- und Gemüsegarten, den die Buben bearbeiten. (Das Bild ist Jahrzehnte später in Long San aufgenommen worden.) Kapelle ist die Schule mit acht Schulbänken und einer Wandtafel, die Father v.d. Heijden selbst schwarz angemalt hat, um Kosten zu sparen.

Über eine Treppe an der Außenseite kommt man in den ersten Stock zum Schlafsaal der Buben mit 27 einfachen Betten, eigentlich nur Kisten aus vier Brettern, und zudem noch sieben Stockbetten, ähnlich wie in Schiffskabinen. Am Abend legen sich die Buben eine Matte in die Kiste und schlafen. Die meisten haben kein Kissen und keine Decke. Neben dem Schlafsaal ist das Zimmer des Missionars. An der Wand hängen einige Postkarten als Wandschmuck. Ein Brett für die Bücher, ein Tisch und ein paar Stühle, ein kleiner Waschtisch und das Bett komplettieren die Ausstattung des „Pfarrhauses“. Außen, auf einer Veranda, steht ein weiterer Tisch und zwei Stühle, die nur am Abend Verwendung finden, um den glänzenden Nachthimmel und die Sterne des Südens zu genießen.

Das Gebäude steht auf einem Hügel und ist angenehm kühl. Die Meeresbrise kann ungehindert hindurchströmen. Auch der Ausblick auf das weite Meer mit einer großen Insel in der Mitte ist wunderbar. Ganz in der Nähe schlängelt sich die Eisenbahn nach Jesselton vorbei. In der Umgebung erheben sich sanfte Hügel mit verführerischer tropischer Vegetation. Nahe am Haus liegt ein Blumen- und Gemüsegarten, den unsere Buben bearbeiten. Vor dem Haus gibt es auch einen kleinen Naturteich, der einerseits die Ansicht verschönert, andererseits den Buben reichlich Gelegenheit zum Baden bietet, wann immer sie wollen.

Mit Begeisterung über die pastorale Situation in Jesselton schreibt v.d. Heijden im ersten Jahresbericht vom 21. Juni 1903: „Wir habe 43 getaufte Christen, 192 Katechumenen, 24 Beichten, 19 Erstkommunionen, eine „letzte Ölung“, drei Beerdigungen und eine Trauung.“ Fast triumphierend fügt er an: „Die Aussichten dieser Mission sind glorreich.“ Ganz nebenbei erwähnt er aber auch das fehlende Geld und die Notwendigkeit

für mindestens noch einen weiteren Priester, dazu auch einen Katechisten und einen Lehrer... Aber das seien nur vorübergehende Hindernisse. Trotz dieser rosigen Aussichten, reist v.d. Heijden immer wieder nach Kuching und überlässt die Mission in Jesselton über mehrere Wochen seinen Mitbrüdern. Sein Herz ist in Kuching und in der dortigen St. Josefs Schule.

Doch schon ein Jahr später schaut die Situation wieder ganz anders aus. Viele der chinesischen Einwanderer sind weggezogen, weil sie keine Arbeit fanden und die Kolonialbehörden Arbeiter entlassen mussten, um Ausgaben zu sparen. Jene, die geblieben sind, kümmern sich wenig um Religion. Überleben steht im Vordergrund. Immerhin kommen die wenigen verbliebenen Katechumenen sonntags noch regelmäßig zum Gottesdienst, aber während der Woche ist Unterricht unmöglich. Sie arbeiten auf ihren Feldern und kommen abends spät heim. Es ist unrealistisch, von ihnen zu erwarten, dass sie danach noch in die Missionsstation zum Unterricht kommen. Die Zukunft der Mission hängt also am Wohlergehen und den Arbeitsmöglichkeiten der Chinesen. Mehr Handel, mehr Verkehr, mehr Wohlstand, mehr Leute... Davon wird auch die Zukunft der Mission bestimmt. „Die Schule ist das Einzige, das uns noch hoffen lässt.“ Trotz allem zeigen die 28 Buben großes Interesse, auch am Katechismus, und sie machen gute Fortschritte. Einige der chinesischen Jungs sind gut vorbereitet und möchten unbedingt getauft werden. Das könnte aber riskant sein, vor allem, weil ihre Eltern keine Christen sind und die jungen Leute Gefahr laufen, das nächstbeste Dampfschiff nehmen zu müssen und wegzuziehen. Nach einem weiteren Jahr, Mitte 1905, hat sich die Lage wieder deutlich gebessert. Es gibt mehr Arbeit und folglich mehr Wohlstand. Die 32 Schüler machen es gut in der Schule. Neun von ihnen sind bereits Katholiken, die meisten anderen Katechumenen.

Das dritte Regionalkapitel von Kuching vom Februar 1906 bringt viel Neues. Henry v.d. Heijden kehrt nach Kuching zurück. Stattdessen bekommt Jesselton gleich zwei neue Missionare: William van Mens, der neuer Rektor hätte werden sollen, und Valentin Weber aus Virgen in Osttirol, sein Assistent. Beide haben zuvor einige Jahre in Sarawak gearbeitet. In Nordborneo angekommen, eröffnet van Mens als erstes die Missionsstation in Papar mit ungefähr 50 Katholiken. Valentin Weber hingegen wird die Verantwortung für den Schulbetrieb übertragen. Göttliche Fügung kann man nur sagen, denn er ist sicher der richtige Mann zur rechten Zeit am richtigen Ort. Er hat Beharrlichkeit und ein großes Herz bewiesen. Über Generationen hat er immensen Anteil an der Heranbildung der „geistigen Elite“ von Nordborneo, die später das Land auf- und ausgebaut hat.

Die erste Missionsstation in Papar.

Der Mann ist herzensgut ¦ Konrad Willeit, Vinzentinum, Brixen und freundlich

Bild oben:

Vor den Toren von Jesselton liegt die kleine, autofreie Insel Pulau Manukan. Kleine Boote bringen stressgeplagte Stadtbewohner aus Kota Kinabalu, aber auch Singapur an diesen beliebten Erholungsort. „Das Wetter hier ist trüb und kalt!“, schreibt die „Brixner Chronik“ vom 4. Oktober 1902 lapidar unter die Ankündigung der Primiz von Valentin Weber in Virgen am 9. Oktober 1902.

Bald sollte dem jungen Missionar aber richtig warm werden, sehr warm und feucht noch dazu. Denn bereits am 6. Dezember erhält er Nachricht, dass sein erstes Einsatzgebiet Borneo sein werde. Bald darauf bricht er mit seinen Mitbrüdern Karl Wohlfartstätter aus Au bei Kössen in Tirol, Diözese Salzburg, und Vinzenz Halder aus Navis nach Borneo auf. Während Wohlfartstätter bereits in Indien von Bord geht, erreichen Halder und Weber am 13. Jänner 1903 Kuching.

Um sich ein wenig einzugewöhnen, arbeitet Valentin Weber zunächst zwei Monate in Kuching, der Hauptstadt von Sarawak. Am 4. April 1903 wird er in den Norden von Sarawak an den Baram Fluss gesandt, zu einem Volksstamm, der in Langhäusern lebt und damals sich hauptsächlich von Fischfang und den Früchten des Urwaldes ernährt. Irgendwann um 1904 – genaue Daten fehlen – gründet der aus Lienz stammende Alois Stotter in Mukah, an der Westküste Borneos, am Strand des Südchinesischen Meeres, eine Außenstation der Mission von Dalat.

Zur Verstärkung holt er sich seinen Landsmann Valentin Weber nach Mukah, wo dieser sehr erfolgreich, wie es heißt, mit dem Volksstamm der Melanau arbeiten konnte. Weber muss ein sehr musikalischer Mensch gewesen sein, der wahrscheinlich mehrere Instrumente zu spielen vermochte. Die Musik war jedenfalls Teil seines Erfolgsrezeptes, sowohl in Mukah wie auch später in Jesselton in Nordborneo. Bereits 1904 hatte Weber zum allergrößten Erstaunen eine Musikkapelle aufgebaut und etwa 20 Kinder und Jugendliche mit Uniformen, Holz- und Blechblasinstrumenten ausgestattet.

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