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Joel Meyerowitz
MASTERS OF PHOTOGRAPHY JOEL MEYEROWITZ Die Lizenz zu sehen
© 2020 Midas Collection ISBN 978-3-03876-175-4
© Text 2019 Masters of Photography © Fotos 2019 Joel Meyerowitz Übersetzung: Claudia Koch Lektorat: Gregory C. Zäch Korrektorat: Friederike Römhild Design: Nicolas Pauly and Florian Michelet Midas Verlag AG Dunantstrasse 3, CH-8044 Zürich E-Mail: kontakt@midas.ch Die englische Originalausgabe ist 2019 erschienen bei Laurence King Publishing Ltd, London. Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Erstellung und Verbreitung von Kopien auf Papier, Datenträgern oder im Internet.
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Midas Collection
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Inhalt
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Entdecken Sie Ihre Identität als Künstler
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Finde die Geschichte Bilder erzählen Geschichten
Zeigen Sie Ihre Sicht auf die Welt
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für Humor 11 Offen Das Leben kann erstaunlich
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Inspiration sammeln Tauchen Sie ein in die Literatur über Fotografie
sein, also achten Sie auf lustige Momente
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Die Straße gehört Ihnen
Manchmal haben die kleinsten Gesten und Ereignisse die größte Wirkung
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Augen auf im Alltag
Mit Herz und Verstand
Entdecken Sie die Schönheit des Alltäglichen
Nicht nur hinschauen, sondern auch reflektieren, was Sie sehen
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Es lebe der Moment Seien Sie präsent
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das Detail
Fotografieren Sie selbstbewusst
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Körpersprache und Kommunikation Wohin mit Ihnen und was tun, wenn Sie jemand anspricht?
Beziehungen pflegen Schaffen Sie Verbindungen zu den Orten und zu den Menschen, die Sie treffen
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Visuelles Spiel Spielen Sie mit Ihrer Sichtweise
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Farbe oder Schwarzweiß? Wählen Sie den Zugang, der am besten zu Ihrem Motiv passt
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Mit der Kamera eins sein
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Die Ausrüstung ist zwar nicht alles, aber Kamera und Objektiv sollten sich gut anfühlen
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Licht als Motiv Inspiration durch Licht und Schatten
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Die Mitte ist nicht immer das Ideal
Bearbeiten Sie Ihre Fotos
Verschieben Sie den Fokus aus der Bildmitte
Geben Sie Ihrem Werk Form und Bedeutung
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Hinweise zur Komposition
128 Dank Die Autoren Bildnachweise
Einige Ideen zur Inspiration
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Zeigen Sie Einsatz Seien Sie mutig und überschreiten Sie Ihre Grenzen
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Bei der Fotografie geht es um Ideen Was wollen Sie ausdrücken?
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Entdecken Sie Ihre Identität als Künstler Zeigen Sie Ihre Sicht auf die Welt
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obald Sie eine Kamera in der Hand halten, haben Sie die Lizenz zu sehen. Und nur ums Sehen geht es bei der Fotografie. Sie erfahren mehr über sich selbst und über die Welt um sich herum. In den 55 Jahren, die ich bereits fotografiere, hat mich die Fotografie alles gelehrt, was ich über die Welt und über mich weiß. Zu Beginn besaß ich noch nicht einmal eine Kamera. Ich war ArtDirektor einer kleinen Agentur in New York. Ich hatte eine kleine Broschüre entworfen, und mein Chef heuerte einen Fotografen für die Bilder in der Broschüre an. Anderthalb Stunden schaute ich diesem Fotografen bei der Arbeit zu. Ich hatte keine Ahnung, dass es Robert Frank war, einer der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Doch in diesen anderthalb Stunden vollbrachte er so erstaunliche Dinge, dass die Welt für mich eine andere war, als ich hinterher die Straße betrat. Jede Geste, jedes Ereignis auf der Straße hatte plötzlich eine Bedeutung. Bis ich wieder im Büro war, hatte ich den Entschluss gefasst, meinen Job an den Nagel zu hängen und dem dringenden Gefühl nachzugeben, Fotograf werden zu wollen und zu sehen, was mir die Welt zu zeugen hatte. Mein Chef lieh mir seine Pentax-Kamera, und das war der Beginn einer Reise, die über ein halbes Jahrhundert dauern sollte und bei der ich meine Leidenschaft und meine Identität entdeckte. Nun sind auch Sie am Beginn einer Reise. Es geht dabei vor allem darum, Ihre Identität als Künstler und als Mensch zu finden, der ein Interesse an der Welt um ihn herum besitzt. Gegenüber: New York City, 1978
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Als junger Fotograf war ich unsicher, wie sich meine Arbeit entwickelte. Doch das gehört dazu: zu Beginn, wenn man versucht, ins Spiel zu kommen, sind Zweifel normal. Versuchen Sie, das zu akzeptieren, und machen Sie weiter, denn Ihre Fotos sind die Prüfsteine, die Ihnen Informationen liefern. Der Akt des Fotografierens gibt Ihnen Selbstvertrauen. Dieses Buch soll Ihnen helfen, dieses Selbstvertrauen zu entwickeln und die Fotografie als Ausdrucksmöglichkeit zu gewinnen – dabei geht es darum, die Welt anzuschauen und die Details zu erkennen, durch die man sich mit ihr verbunden fühlt. Es geht um die Momente, in denen der Instinkt einsetzt – Momente der Klarheit, Beobachtung und Erkenntnis. Es geht um Achtsamkeit und Impuls, und sobald dieser einsetzt, machen Sie das Bild! Denken Sie dann nicht weiter nach. Lassen Sie die intuitiven Bereiche Ihres Selbst – Körper und Geist – an diesem Moment teilhaben, dann erhalten Sie ein Foto von etwas, das gerade im Begriff ist, vor Ihren Augen zu verschwinden. Genau das tut die Fotografie: Sie reißt einen Moment aus dem Fluss der Zeit, und dieser Moment wird mit Ihnen in Verbindung gesetzt. Sie ist ein unglaubliches Medium, um die Macht der Ideen und Beobachtungen zu demonstrieren. Lassen Sie also die Zweifel beiseite. Als bewusster, denkender Mensch vertrauen Sie Ihren Leidenschaften und Gefühlen. Zögern Sie nicht, denn in der Fotografie führt Zögern zu Verlust, und jedes verlorene Bild ist wie eine Wunde. Ich weiß es; ich habe einige verloren und aus diesen Erfahrungen gelernt. Vertrauen Sie auf sich und probieren Sie alles aus.
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Identität entdecken
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Oben: Selbstporträt, 1971 Gegenüber oben und unten: New York City, 1963
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Lassen Sie sich inspirieren Tauchen Sie ein in die Literatur über Fotografie
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ie haben das Glück, in einer Zeit zu leben, in der es reichlich Bücher über Fotografie gibt. Als ich anfing, war die Fotografie nicht wie heute als eine Kunstform anerkannt. Damals las ich drei Bücher: The Decisive Moment (1952) von Henri Cartier-Bresson, American Photographs (1938) von Walker Evans und das unglaubliche The Americans (1958) von Robert Frank. Sie alle begegneten mir in meinem ersten Jahr als Fotograf und veränderten mein Leben. Ich erwähne das, weil ein Zugang zur Fotoliteratur wichtig ist – nicht, um von diesen Künstlern zu kopieren, sondern um in ihrer Arbeit Inspiration zu finden, was bei Ihnen zu kreativen Impulsen führt. Cartier-Bresson, Evans und Frank entwickelten ihre Instinkte und wurden zu bedeutenden Künstlern; schließlich waren sie in der Lage, ihre Werke in Buchform zusammenzufassen. Ihre Bücher wurden zu einem Teil der Geschichte dieses Mediums. Wenn ich diese Bücher betrachte, ist es, als beträte ich einen Traum. Die Erfahrungen dieser Fotografen, die Schauplätze und die Identitäten der Menschen und Orte, die sie fotografierten, stehen Ihnen heute zur Verfügung und Sie haben das Privileg, einen Vergleich zwischen Ihren fotografischen Impulsen und denjenigen dieser Fotografie zu ziehen. Es geht nicht darum, dass Ihre Bilder deren Fotografien ähnlichsehen; vielmehr geht es darum, besondere Instinkte und Reaktionen und den Erfahrungsreichtum zu erkennen, den die Welt zu bieten hat.
Gegenüber: New York City, 1963
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Auf den Seiten dieser Bücher finden sich bemerkenswerte, unerwartete und flüchtige Gedichte. Jede Seite, die Sie aufschlagen, verdeutlicht das Gespür des Fotografen, in diesem Moment mitten auf einer alltäglichen Straße oder Landschaft innezuhalten und sich seiner Intuition hinzugeben: »Ich bin hier, jetzt, an diesem Ort. So sieht es hier aus!« Wenn Sie diese Bücher oder andere, mit denen Sie sich identifizieren, betrachten, nehmen Sie eine Einladung an, an diesen historischen Momenten teilzunehmen und zu lernen, eigene vergleichbare Momente selbst zu erkennen. Nutzen Sie Bücher als Bibliothek der Ideen, um sich zu ermutigen, loszugehen und nach Dingen zu suchen, die Ihnen das Gefühl geben, Ihre Instinkte wären richtig und wertvoll. Ich habe mich während meines ganzen Fotografenlebens von Büchern inspirieren lassen. Es kommen immer wieder Tage, an denen man glaubt, nichts zu sagen zu haben, alles ist langweilig, rauszugehen erscheint sinnlos. Sie finden unzählige Ausreden – das ist einfach. Wenn Sie sich so fühlen, nehmen Sie ein Buch zur Hand und laden Sie damit Ihre Akkus auf. Danach wollen Sie bestimmt losgehen und dasselbe tun. Ein Fotograf wie Cartier-Bresson wusste, wie er diesen Enthusiasmus für das Sehen entfachen konnte, jeden Tag wieder. Werfen wir einen Blick auf das Foto gegenüber von Cartier-Bresson. Wie hat er es aufgenommen? Woher wusste er, dass er es machen sollte? Ich vermute, dass zuerst die merkwürdige Anordnung der Fenster seine Aufmerksamkeit erhielt. Sie sind völlig unregelmäßig. Er dachte vermutlich: »Wow, was für ein Hintergrund. Ich bleibe mal etwas hier.« Dann bemerkte er die spielenden Kinder und nahm sie mit ins Bild, denn sie würden sich bestimmt nicht von ihm stören lassen. Zusammen bilden die Kinder und die Wand einen interessanten Raum für das Bild. Und weil Cartier-Bresson wartete und die kleine Szene beobachtete, die ihm offenbar wichtig war, sah er den Mann durchs Bild laufen. Durch einen glücklichen Zufall hatte der Hut des Mannes dieselbe Größe wie eines der Fenster. Mit seinem massiven Bauch und dem offenen Jackett wird er zur dramatischen Figur auf diesem Spielplatz. Und Cartier-Bresson machte sein Foto. Wir können das in Etappen herunterbrechen. Zuerst inspirierte das Aussehen des Gebäudes Cartier-Bresson und ließ ihn innehalten. Dann kam der Anblick der Kinder.
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Henri Cartier-Bresson, Madrid, Spanien, 1933.
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Der Fotograf fand die beste Position, um sein Bild zu machen. Schließlich betrat ein Mann die Szene und das Foto war für Cartier-Bresson perfekt. Und alles nur, weil ihm sein Instinkt geraten hatte: »Bleib eine Weile da. Pass auf.« Beschäftigen wir uns mit einem anders gearteten Foto, Eineiige Zwillinge. Roselle, N.J., 1966 von Diane Arbus. Es ist zwar völlig anders als das von Cartier-Bresson, doch ebenso spannend und komplex. Arbus fotografierte vor allem Porträts. Hier sehen wir Zwillinge. Was ist das Erste, woran wir bei Zwillingen denken? »Sie sehen gleich aus, ziehen sich gleich an, sie sind Zwillinge.« Doch Arbus schaut genauer hin. Dieses Foto zeigt, dass die Mädchen zwar Zwillinge, aber nicht gleich sind. Dieser Umstand war für Arbus so spannend, dass er sie zu diesem einfachen, doch starken Foto führte. Diane Arbus war eine humanistische Fotografin. Wenn sie sich für jemanden interessierte, schlich sie sich nicht einfach an, fotografierte und rann anschließend weg. Sie konnte stattdessen ins Leben ihrer Motive eintreten und ihr Vertrauen gewinnen, denn sie zeigte ihnen, dass sie an ihren Besonderheiten interessiert war. Wenn sie Interesse bekundete, durch Gesten oder Worte, öffneten sich ihre Modelle und gestatteten ihr, in ihre Rätselhaftigkeit einzudringen und sie zu fotografieren – denn Fotos sind imstande, dieses Rätsel für andere zu beschreiben. Die Kunst, ein Fotoporträt aufzunehmen, ist einer der Momente zwischen zwei Menschen, zwischen dem Fotografen und ihrem oder seinem Modell (siehe Kapitel 6). Er sagt vieles über den Menschen aus, der das Foto macht, ebenso über die Person, die fotografiert wird. Sie werden viel lernen, wenn Sie beginnen, die Menschen um sich herum zu fotografieren: Familie und Freunde, Nachbarn und Verkäufer; Menschen, die Ihnen vertrauen und bereit sind, sich Ihnen zu öffnen oder Ihnen zumindest die Zeit einräumen, eine Möglichkeit zur gegenseitigen Verbindung zu finden. Ich rede hier nicht von den Schnappschüssen im Familienalbum, sondern von Fotografien, die das Mysterium, die wesentlichen Eigenschaften, die Zärtlichkeit, die körperliche Schönheit und die Magie zeigen, die den Menschen zu eigen ist, wenn sie sich öffnen, sich nach außen kehren. Das ist Teil der Kunst der Fotografie – wie Sie Ihre menschlichen Fähigkeiten einsetzen und Ihre Bedürfnisse anderen kommunizieren, so dass sich diese wiederum auf Sie einlassen. 14
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Diane Arbus, Eineiige Zwillinge, Roselle, N.J., 1966
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Die Straße gehört Ihnen Sie dürfen an öffentlichen Orten verweilen, also fotografieren Sie selbstbewusst
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ch werde oft gefragt: »Wie arbeiten Sie auf der Straße? Ich würde mich davor fürchten, ich bin zu schüchtern, ich kann Fremde nicht fotografieren, weil man das ja eigentlich nicht macht.« Die Menschen verspüren eine rätselhafte Angst davor, an öffentlichen Orten zu fotografieren. Mein Verhältnis zur Street Photography: Ich glaube, die Straße gehört uns. An einem öffentlichen Ort ist jeder und alles Freiwild. Wie also gehen Sie beim Fotografieren auf der Straße vor? Zuerst müssen Sie Lust auf das Leben auf der Straße haben. Die Straße bedeutet Chaos. Wenn Sie sich im Chaos wohlfühlen, finden Sie Ihren Weg. Auf der Straße müssen Sie das gesamte Bild im Auge behalten. Das Territorium, das Sie durch den Sucher sehen, gehört Ihnen. Einer der interessantesten Aspekte der Street Photography ist, Verbindungen zwischen Dingen herzustellen, die nichts miteinander zu tun haben, denn wenn Sie sie in dasselbe Bild holen, schaffen Sie diese Verbindung. Eine der größten Ängste der meisten ist, dass sie jemanden auf der Straße fotografieren, der sich dann vielleicht beleidigt fühlt und Sie angreift. Tatsache ist jedoch, dass uns ein freundliches Lächeln und eine zugängliche Art sehr weit bringen können. Wenn Sie also auf der Straße sind und Ihnen alles, was Sie beim Fotografieren sehen, ein Lächeln ins Gesicht zaubert, wirken Sie sanfter, zugänglicher und menschlicher. Die Menschen werden Ihnen nicht negativ gegenüber-
Gegenüber: New York City, 1976 (Ausschnitt) Umseitig: New York City, 1974
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treten. Doch wenn Sie das Zoom auf jemanden richten und entdeckt werden, reagieren die Leute eher ablehnend bis ärgerlich, denn sie fühlen sich beobachtet. Wenn Sie schnell sind und mit dem was Sie tun zufrieden und engagiert sind, dann senden Sie die Botschaft aus: »Hey, der ist okay, ich muss mir keine Sorgen machen.« Ihre Intuition ist wichtig, eine positive Ausstrahlung, Sinn für Humor – und zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Lassen Sie die Kamera immer eingeschaltet, immer ohne Objektivdeckel. Drücken Sie bei einer Digitalkamera auch hin und wieder mal eine Taste, damit sie immer bereit ist. All das gehört zu Ihren Vorbereitungen als Fotograf auf der Straße. Für einige Menschen sind bestimmte Themen tabu – sie meinen, sie sollten zum Beispiel niemanden mit Gebrechen fotografieren. Hier links sehen Sie ein Foto, das zeigt, was ich meine. Es stammt aus meinem Buch Wild Flowers (1983). Ich ging eine Straße entlang und folgte einem Mann mit einem Blumenstrauß. Ich lief weiter, um eine Position für das Foto zu finden. In dem Moment, als ich nahe genug an ihn heran gekommen war, tauchte eine Frau mit dickem Verband auf der Nase aus der Menge auf. Also machte ich das Foto. Manche sagen vielleicht: »Oh nein, aber sie ist doch … schau, wie sie aussieht.« Doch das spielt keine Rolle. Wirklich nicht. In gewisser Weise erkennt man die Existenz von Menschen mit Behinderungen oder Verletzungen erst durch ein Foto wirklich an. Wir müssen demütig genug sein, um zu würdigen, dass wir alle Menschen sind, und zwar jeder Form, Größe und Hautfarbe. Sie machen sich über niemanden lustig: Sie zeigen, wie es ist. So sieht die Welt aus, und so interagieren die Menschen. Ich glaube, jeder ist Freiwild, solange man nicht versucht, Vorteile daraus zu ziehen, oder man sich grausam verhält. Aus humanistischer Sicht ist das Schöne an der Fotografie die Möglichkeit, jeden in jeder Situation zu zeigen und Werke zu schaffen, die von Herzen kommen. Auf diese Weise sagen Sie der Welt mit Ihren Bildern, dass Sie ein warmherziger, großzügiger, sympathischer, verletzlicher und offener Mensch sind. Das soll nicht heißen, Sie könnten nicht auch eine brutale Sicht auf die Dinge haben. Street Photography ist brutal, dazu brauchen Sie ein scharfes Auge und müssen belastbar sein.
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Die Straße zu eigen machen
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Gegenüber oben: New York City, 1974 Gegenüber unten: New York City, 1963 Umseitig: New York City, 1976
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Augen auf im Alltag Entdecken Sie die Schönheit und die Bedeutung des Alltäglichen
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in und wieder und meist nur einen Augenblick lang überrascht uns etwas auf der Straße, etwas direkt vor uns lässt uns vor Erstaunen tief Luft holen und die Schönheit des Moments bewundern. Der Moment verflüchtigt sich bereits, während die Luft unsere Lungen füllt und uns ein Licht aufgeht. Das ist Ihr fotografischer Moment, und nur Sie können das wissen.
Wenn Sie völlig ins Straßenleben eintauchen, indem Sie zum Beispiel an einer belebten Ecke verweilen, erweckt etwas über Kurz oder lang Ihre Aufmerksamkeit: Menschen, die sich auf die eine oder andere Art bewegen, alle möglichen interessanten Gesten und Gesichter und das Zusammenspiel verschiedener Ereignisse. Langsam verschwindet die Langeweile der Leere, die Sie vielleicht empfinden, denn Sie beobachten, wie alltägliche Dinge ihre Besonderheiten direkt vor Ihrer Nase entfalten. Und weil Sie dabei sind, entdecken Sie plötzlich, wie interessant das Alltägliche doch sein kann. Bei der Fotografie geht es nur darum, auf Dinge zu reagieren, die Ihre Aufmerksamkeit erregen, und eine Verbindung aufzubauen. Tatsächlich ist die Fotografie ein sehr optimistischer Sport. Sie drücken diesen Knopf und sagen: »JA. Ja, das habe ich gesehen, das will ich.« Wenn Sie Ihre Fotos später anschauen, werden Sie feststellen, dass Sie im Laufe eines Tages zu vielen Dingen »Ja« gesagt haben, doch zusammen genommen geben Ihnen diese verschiedenen Bilder eine Identität (siehe Kapitel 17).
Gegenüber: New York City, 1963
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Sofortige Reaktionen ereignen sich nicht nur auf geschäftigen Straßen in großen Städten. Stellen Sie sich vor, Sie sind außerhalb der Stadt und entdecken aus dem Augenwinkel alte Industrieanlagen, eine Fabrik, einen Schlot, Lagerhäuser – Sie sind also neugierig. Gehen Sie hin, laufen Sie umher und schauen Sie, was passiert. Genau das habe ich getan, als ich an einem Industriegelände am Rande einer Kleinstadt in der Toskana vorbeikam, wo wir einige meiner Tutorials für die Kurse »Masters of Photography« filmten. Ich ging in eines der Gebäude und sah etwas, was auch eine Installation in einem Museum hätte sein können: weiße Säcke mit Sägespänen auf einem Haufen, in der Nähe auch Sägespäne auf dem Boden (siehe oben), Sonnenlicht flutete den Raum und die Säcke, dazu einige Stämme in der Ecke. Ich bemerkte erst eins der Dinge, dann die anderen, schließlich versuchte ich, sie alle in einem Bild über ihre ungleiche Beziehung zusammenzuführen. Alles fügte sich vor meinem geistigen Auge zu einem atemberaubenden Stillleben zusammen, das in Wahrheit eigentlich nur ein vergessener Ort war. Wenn Sie also etwas Interessantes sehen, untersuchen Sie es. Fotografieren Sie es in verschiedener Art und Weise und in unterschiedlichen Kombinationen. Bei der Gelegenheit fotografierte ich zuerst den Haufen Säcke, dann die Säcke mit den Sägespänen, dann die Säcke mit dem Holz und schließlich nur das Holz. Mein Prozess beginnt damit, Ehrfurcht zu empfinden. Halten Sie die Augen offen und schauen Sie, was es zu entdecken gibt. Wenn Sie Ihrem Instinkt folgen – und schließlich geht es einzig darum –, gehen Sie, wohin Sie Ihre Wünsche führen. Sie werden unerwartete, magische Dinge erleben. Stellen Sie sich vor, Sie würden von der Kamera beschenkt. Die Kamera sagt: »Geh, nimm mich irgendwo mit hin – auf ein Abenteuer.« Ob das ein Industriegelände einer Kleinstadt oder eine Plaza in einer Metropole ist, all das wartet auf Sie.
Oben: Lagerhaus, Toskana, Italien, 2017 Gegenüber oben: Málaga, Spanien, 1966 Gegenüber unten: New York City, 1969
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Den Alltag entdecken
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St. Louis, Missouri, 1978
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St. Louis, Missouri, 1977
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Ahnen Sie einen Moment voraus Seien Sie präsent und bereit zu reagieren
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m meisten Spaß macht es auf der Straße, ständig wachsam und auf das Unerwartete gefasst zu sein. Als Kind wuchs ich in der Bronx auf, in einem rauen Arbeiterviertel. Mein Vater, ein straßenschlauer New Yorker und athletischer Typ (Profi-Boxer), brachte mir bei, wie ich mich schützen konnte, um nicht bei Straßenkämpfen verletzt zu werden. Er zeigte mir, wie ich auftauchen, mich durchschlängeln und täuschen konnte, damit die Leute nicht zu mir schauten, um eine Aufnahme zu machen. Mein Vater brachte mir auch bei, das Leben vor unseren Augen zu beobachten. Oft flüsterte er: »Joel, schau dir das an.« Und wohin er auch zeigte, passierte etwas. Jemand rutschte auf einer Bananenschale aus oder lief gegen einen Pfahl oder zwei Menschen hörten auf, miteinander zu sprechen und rangen auf einmal miteinander. Er schien immer genau zu wissen, was geschah, und indem er es mir zeigte und sagte »Schau hin«, lehrte er mich, die Straße zu lesen. Irgendwie war es für mich normal, Fotograf zu werden, das ergab sich aus der Notwendigkeit als Kind, auf mich selbst zu achten, und aus dem Verständnis, dass sich die Welt immer und immer wiederholt. Menschen liefen schon immer gegen Türen, fielen von Treppen, kämpften oder nahmen liebevoll oder verärgert Blickkontakt auf. Menschen tun immer dasselbe. Wenn Sie das verstehen, können Sie die Welt mit einem Gefühl für die Wahrscheinlichkeit beo-
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bachten, dass diese Dinge gleich eintreten werden. Sie können fast Bewegungen, Gesten und Aktionen voraussagen. So sind Sie dem Spiel immer einen Schritt voraus. Sie sind dann bereit, im richtigen Moment am rechten Fleck zu sein, nahe genug, um da zu sein, wenn sich etwas ereignet. Wie kommt es, dass man bei den Werken großer Meister wie CartierBresson immer das Gefühl hat, er wäre immer zur rechten Zeit am rechten Ort? Seine Bilder sind der Beweis, dass er den Moment immer verstand, antizipierte, vorhersagte und schließlich rechtzeitig zur Stelle war. Jeder kann vorhersagen, antizipieren – und Sie werden ebenfalls in der Lage sein, Fotos zu machen, die Sie eigentlich sonst nur aus Zeitschriften kennen. Hier ein Beispiel (gegenüber unten): Was passiert gleich auf diesem Bild? In New York sah ich eine Dampfwolke aus einem Lüftungsschacht unter der Straße aufsteigen. Was mich an der Fotografie täglich inspiriert, ist der Moment, wenn sich etwas ankündigt. In diesem Fall war es die Dampfwolke, es hätte aber auch einfach ein vorüberfahrender LKW oder jemand mit einem verrückten Outfit sein können. Irgendetwas, das sagt: »Hallo, ich rede mit dir?« Wenn Sie ein solches Signal bekommen, geben Sie acht. Achtgeben ist eine Grundfähigkeit der Fotografie. Ich sah also den Dampf und bewegte mich darauf zu, denn für mich war es die Leinwand auf der Straße, auf die die Schatten der Menschen projiziert werden würden. Plötzlich tauchte ein Paar in farblich übereinstimmenden Mänteln auf. Auf ihren Rücken zeichneten sich die Schatten der Menschen ab. Das alles ereignete sich im Bruchteil einer Sekunde, so lange, wie ein Foto braucht, um zu entstehen. Wenn das kleine Rädchen an der Kamera sagt »1/1000 s«, heißt das, Sie könnten in einer Sekunde theoretisch 1.000 Bilder aufnehmen. Doch Sie haben das eine, das wirklich wichtig ist.
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Den Moment vorausahnen
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Oben: Anawanda Lake, New York, 1970 Rechts oben: New York City, 1968 Rechts unten: New York City, 1975
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Dieses Bild hat einen gewissen »Zwillings«-Anspruch, ist eine Art glück glücklicher Zufall. Eigentlich passiert nichts Großes, doch die Tatsache, dass sich zwei solche Kleinigkeiten gleichzeitig ereignen, wirklich innerhalb eines Wimpernschlags, wirkt wie ein Zaubertrick. Puff! Sie sehen es, und schon ist es vorbei. Dieses Foto (gegenüber oben) ist ein Beispiel für eine Doppeldeutigkeit, obwohl die Aktion deutlich zu erkennen ist. Die Doppeldeutigkeit ist eine der inhärenten Stärken der Fotografie, und sie wird sich zu der Ihren entwickeln, wenn sie sich ergibt. Was passiert hier? Ein schwarzer Mann und ein weißer Mann konfrontieren einander kurz auf dem Fußweg. Der eine streckt beide Arme aus, während der andere einen Arm vorreckt. Wollen sie einander umarmen? Oder freuen sie sich, sich zu treffen? Streiten sie miteinander? Ist es gefährlich? Ein Passant schaut hin, ein anderer bemerkt es nicht einmal. Aber ich. Ich erkannte diesen entscheidenden Moment mit ungewissem Ausgang. Das kann ein Foto. Nur mithilfe schneller Intuition und tiefen Verständnisses der menschlichen Möglichkeiten können Sie auf dem Grat der Doppeldeutigkeit wandeln. Die Fotografie ereignet sich schnell, direkt vor unseren Augen. Wenn Ihnen ein Zauberer einen Trick erklärt, erkennen Sie sofort Dinge, die Sie vorher nie gesehen haben, obwohl Sie sich direkt vor Ihren Augen abspielten. Ebenso entfaltet sich ein Foto vor Ihnen, doch nur, wenn Sie schnell genug sind, können Sie damit zaubern. Und das sind wir – Zauberer mit Kameras.
»Irgendwie war es für mich normal, Fotograf zu werden, das ergab sich aus der Notwendigkeit, als Kind auf mich selbst zu achten, und aus dem Verständnis, dass sich die Welt immer und immer wiederholt.« Gegenüber oben und unten: New York City, 1976 Umseitig: Paris, Frankreich, 1967
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Beziehungen sind wichtig Schaffen Sie Verbindungen zu den Orten und zu den Menschen, die Sie treffen
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etzt, da wir beginnen zu sehen, geht es bei einem bedeutungsvollen Straßenfoto vor allem um Achtsamkeit. Dazu sind Verbindungen zwischen den Ereignissen um Sie herum notwendig. In diesem Kapitel möchte ich darüber sprechen, wie Sie eine Verbindung zu den Menschen eingehen, denen Sie auf der Straße, am Strand, bei einer Veranstaltung oder anderswo begegnen, um ein Umgebungsporträt oder ein Foto mit Menschen aufzunehmen. Übrigens hat diese Verbindung nichts damit zu tun, sich lange zu unterhalten oder Menschen überhaupt anzusprechen. Wichtig ist das Verständnis. Die Porträtfotografie reicht bereits in die Anfänge der Fotografie zurück, ins 19. Jahrhundert, ist seither einer der Hauptbereiche der Fotografie. Um Porträts aufzunehmen, gibt es viele interessante Möglichkeiten, aber was ist ein Porträt? Geht es um eine Person oder um Sie, den Fotografen bzw. die Fotografin? Oder ist es eine Kombination aus Ihnen und Ihrem Motiv? Wenn Sie beginnen, ein Porträt aufzunehmen, entwickelt sich eine besondere Energie zwischen Ihnen und Ihrem Modell. Sie sind in sein privates Umfeld eingedrungen und eine Verbindung eingegangen, und Ihr Modell hat das akzeptiert. Egal, wie vorsichtig Sie vorgehen, zwischen Ihnen entsteht eine neue Kraft, und in diesem Sinne wird das Porträt etwas von Ihnen enthalten. Was das sein könnte, hängt davon ab, wer Sie in diesen Momenten der Interaktion sind und was Sie dabei von der Person vor der Kamera entdecken.
Gegenüber: New York City, 1962
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Ein Porträt in der Öffentlichkeit aufzunehmen, ist eine eher fließende Situation. Eine Möglichkeit wäre, einen Fremden anzusprechen, ungefähr so: »Etwas an Ihnen bewegt mich. Darf ich ein Porträt von Ihnen aufnehmen?« Und dann müssen Sie charmant genug sein, sodass Sie hören: »Ja, gerne, …!« Wie Sie dabei vorgehen, liegt bei Ihnen, aber bedenken Sie, wo die Person im Bild platziert ist. Vielleicht sollten Sie mit einer Nahauf Nahaufnahme beginnen, nur mit Augen, Nase und Mund, und dann aufziehen, sodass Sie den ganzen Kopf der Person sehen, dann die Hälfte des Körpers und schließlich den ganzen Menschen – bis die Person am Ende mit viel Raum um sich herum klein im Bild zu sehen ist. Meist geht es bei Porträts um das Ergreifen von Chancen. Hier ein Beispiel: Ich komme gerade aus einem Restaurant in Siena und sehe den Koch vor der Tür stehen. Ich danke ihm für das Essen, schaue ihn an und denke: »Der Typ ist ein Foto wert. Er hat etwas …« Also mache ich ein offizielles Porträt (unten). Mir gefallen die Details und die wunderschöne Mauer hinter ihm. Er steht ganz einfach da. Im Grunde fotografiere ich zwei Dinge: Das Altertum und die Geschichte des Ortes und den jungen Koch. Ich versuche, das Bild zu füllen. Ich finde es schön, wie sein Arm herunterhängt, er wirkt wie eine Statue und besitzt eine großartige Präsenz. Schauen Sie, wie ruhig er in die Kamera schaut. Bei diesem Anlass konnte ich mit dem Koch arbeiten und ihn bitten, bei der Entstehung des Bildes mitzuwirken. Es funktionierte zwischen uns. Wenn Sie einen Fremden porträtieren, müssen Sie eine Verbindung herstellen, dann wird das Porträt interessanter. Ein anderer Ansatz ist, in eine Situation einzutreten und dabei zu fotografieren. Wenn Sie Ihr Motiv gefunden haben und von ihm willkommen geheißen oder zumindest akzeptiert werden, müssen Sie nur noch den richtigen Standort finden und herumspielen. Diese Bilder zeigen zwei Arten von Handarbeit: Ein Mann reinigt
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Verbindungen schaffen
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Gegenüber: Siena, Italien, 2017 Oben: Wellfleet, Massachusetts, 1977
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Oben: New York City, 1963 Gegenüber: Siena, Italien, 2017 Umseitig: Paris, Frankreich, 1967
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Korken und eine Frau häkelt. Wichtig ist, dass es sich in einem mittelalterlichen Hof einer Kleinstadt in Italien abspielt. Das Bild der Frau ist okay, für mich ist jedoch wichtig zu sehen, wo sie ist. Ich habe ihr Leben einen Moment lang betreten – und ich porträtiere das Leben in Italien. Ich habe versucht, das Motiv und den Hintergrund zusammenzubringen, um die Grenzen des Fotos zu überschreiten. Ich ging ganz um die Frau herum, um sehen zu können, wie sich dieser Moment entwickelte. Ich fotografierte ihre Hände, ihren Körper und schließlich die ganze Person mit Hintergrund. Ein Porträt muss nicht nur von einem Menschen, es kann auch ein Ort sein. Wichtig ist, beides zusammenzubringen, so dass es passt und interessanter wirkt. Überlegen Sie, den Personen nah zu sein, metaphorisch und fotografisch gesprochen. Lassen Sie vielleicht für den Hintergrund ein wenig Platz. Oder lassen Sie eine Person das gesamte Bild ausfüllen. Drehen Sie den Bildausschnitt auf die Seite, sodass die eine Hälfte leer ist, oder holen Sie viele Menschen ins Bild, die es komplett füllen. Probieren Sie es aus. Ein Straßenfoto ergibt sich in einem Moment. Es ist live, es geschieht jetzt und es ist so erfinderisch und verspielt, wie Sie es wollen. Der Prozess des Fotografierens eines Porträts trägt zum Spaß bei.
»Wenn Sie beginnen, ein Porträt aufzunehmen, entwickelt sich eine besondere Energie zwischen Ihnen und Ihrem Modell. Sie sind in sein privates Umfeld eingedrungen und eine Verbindung eingegangen, die das Modell akzeptiert.« Verbindungen schaffen
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Finden Sie die Geschichte Lassen Sie Ihre Bilder Geschichten erzählen
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otos sind reich an Informationen. Sie haben das Potenzial, Geschichten zu erzählen – vielleicht nicht auf konventionelle Weise, aber durch die Sicht des Augenblicks, den der anwesende und bereite Fotograf auf das Bild gebannt hat.
Hier sehen Sie zum Beispiel ein Foto, das ich in Paris aufgenommen habe. Es war das einzige Bild von diesem Moment – die Zeit reichte nicht für ein weiteres. Ich ging eine Straße entlang, entdeckte eine Menschenansammlung und ging darauf zu. Auf der Straße lag ein Mann, der gestürzt zu sein und ohnmächtig schien. Im selben Moment beobachtete ich einen Mann mit einem Hammer, der über ihn stieg. Es wirkte, als hätte der eine Mann den anderen mit dem Hammer zu Boden gestreckt. Natürlich war es nicht so gewesen. Der Mann auf dem Boden war tatsächlich gestürzt, der mit dem Hammer ging einfach seiner Arbeit nach. Ringsum standen Menschen: ein Mann mit einem Fahrrad, der sich im Verkehr umdrehte; ein anderer ging vorüber und schaute sich um, während er weiterlief; ein Paketbote ging knapp einen Meter an dem Gestürzten vorbei; und all diese Menschen an einem Bus, die nur starrten. Keiner ging hin und half dem Mann am Boden.
Gegenüber: Paris, Frankreich, 1967 (Ausschnitt) Umseitig: New York City, 1963
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Was also erzählt dieses Bild? Geht es um die Interaktion zwischen den beiden Männern und die mögliche Story, dass einer den anderen niedergeschlagen hat? Oder hat es mit den Gaffern zu tun, von denen keiner dem Mann zu Hilfe eilt? Wie dieses Bild beweist, sind auf einem Foto mehrere Ereignisse gleichzeitig zu sehen. Zur Realität der Fotografie gehört auch, dass Bilder flexibel sind: Sie können anhand der »Einzelköpfe« im Bild verstanden werden oder global, anhand einer universalen Bedeutung von Kultur, Gesellschaft und der Zeit, in der die Aufnahme entstand. Die Fotografie ist ein elastisches Medium, das dramatischen Inhalt ausdrückt, sie hat jedoch auch das Potenzial, Emotionen und ein Gefühl für die Entstehungszeit zu transportieren. Sie ist ein expansives und ausdrucksstarkes Medium.
»Zur Realität der Fotografie gehört auch, dass Bilder flexibel sind: Sie können anhand der ›Einzelköpfe‹ im Bild verstanden werden oder global, anhand einer universalen Bedeutung von Kultur, Gesellschaft und der Zeit, in der die Aufnahme entstand.«
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Geschichten erzählen
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Gegenüber oben: New York City, 1965 Gegenüber unten: Griechenland, 1967 Umseitig: Paris, Frankreich, 1967
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Dank
Die Autoren
Dieses Werk wäre ohne die Originalversion von Chris Ryan, dem Schöpfer des Online-Kurses Masters of Photography, nicht entstanden. Chris entwickelte die gesamte Serie, und als Direktor förderte er mich sowohl professionell als auch persönlich. Nach dem Filmen der Serie an sich, hat es vielleicht am meisten Spaß gemacht, mit Gemma Padley an den Texten zu arbeiten. Sie war wie eine großartige Tennispartnerin, während wir uns die Texte hin und zurück spielten und um Worte feilschten, um dem Text den richtigen Dreh zu geben. Meine Studiodirektorin, Katya Barannik, lieferte mir jede nur mögliche Unterstützung für die Bilder und Videos und für das Buch, und für Ihre Hilfe bin ich unglaublich dankbar. Sowohl Melissa Danny als auch Blance Craig bei Laurence King Publishing arbeiteten unermüdlich daran, das Buch zu realisieren und die losen Enden wieder aufzunehmen. Ich danke Ihnen für ihre Unterstützung.
Joel Meyerowitz
Joel Meyerowitz Es gibt keinen Künstler, Lehrer oder Freund, mit dem ich diese Reise in die Fotografie lieber unternommen hätte als Joel Meyerowitz. Joels Präzision bei der Darstellung seiner Ideen und Konzepte ist vergleichbar mit wunderschönen, künstlerischen Pfeilen, die jedes Mal ins Schwarze treffen. Danke, Joel, dass du so ein inspirierender Führer und Mentor in diesem Projekt warst, für deine Großzügigkeit und deine Bereitschaft, deinen fotografischen Ethos mit uns allen zu teilen. Joel ermutigt mich und alle seine Schüler immer wieder, »mit ihm loszugehen und mal zu schauen, was es zu entdecken gibt«. Eine andauernde Forschungsreise, die mich auf immer höhere Pfade führt und zu kreativerem Denken anleitet. Ein besonderer Dank geht an meinen Gründer-Kollegen der Masters of Photography, Gilles Storme, für seine großzügige Unterstützung und seine Hilfe von Beginn an. Danke an unseren Kreativ-Direktor Robin Harvey und unseren Rechtsberater Alex Weiner für die Unterstützung, das ganze Projekt zum Laufen zu bringen. Ein großes Dankeschön geht an das wunderbare Team von Masters of Photography: Nick Mays, Olivia Harvey, Camilla Wyatt, James Stringer und Matrick Rutledge. Danke an unser Filmteam und das Team der Postproduktion, Producer Will Daunt, Kameramann Josh Lee, Redakteur Rob Jury und unseren Koloristen James Willet für die Monate brillanter Arbeit bei der Produktion der Film-Lektionen, aus denen dieses Buch entstanden ist. Ein riesiges Dankeschön an alle bei Laurence King Publishing für ihre Unterstützung und ihre behutsame Führung durch den sorgfältigen und schönen Produktionsprozess dieses Buches.
Joel Meyerowitz (geb. 1938 in New York) ist ein preisgekrönter Fotograf, dessen Arbeiten in über 350 Ausstellungen in Museen und Galerien weltweit zu sehen sind und waren. Er wird als Pionier der Farbfotografie gefeiert, wurde zweimal als Guggenheim-Fellow ausgezeichnet, erhielt sowohl die Auszeichnung National Endowment for the Arts als auch National Endowment for the Humanities. Ebenso ist er Träger der Centenary Medal der Royal Society of Photography.
Masters of Photography
Das Ziel dieser Serie ist, die größten Meister der Fotografie weltweit zusammenzubringen, um uns zu lehren und anzuleiten. Dies sind keine technischen Kamerakurse. Es sind inspirierende und persönliche 1:1-Lektionen, die das Wissen, das Ethos und die Philosophie der Fotografen ausdrücken. Wir möchten einen Spaziergang mit den Meisterfotografen unternehmen, während sie uns beibringen, wie wir unsere Augen und unseren Geist nutzen, um unsere Vision der Welt um uns herum in unseren Fotos zum Ausdruck zu bringen.
Bildnachweise 13: © Henri Cartier-Bresson/Magnum; 15: © The Estate of Diane Arbus. Mit freundlicher Erlaubnis der Fraenkel Gallery, San Francisco.
Chris Ryan Gründer, Masters of Photography
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»Mit der Kamera in der Hand haben Sie die Lizenz zu sehen.« Joel Meyerowitz
Die Lizenz zu sehen legt dar, wie der legendäre Fotograf Joel Meyerowitz denkt, sieht und fotografiert: von Tipps zur Street Photography, Überlegungen zur Komposition bis hin zum Wahrnehmen der Inspiration, die uns ständig umgibt. In 20 kurzen Kapiteln teilt Joel Meyerowitz seine Leidenschaft und seinen ansteckenden Enthusiasmus für unglaubliche Fotografien mit uns.
ISBN: 978-3-03876-175-4
www.midas.ch