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Clara Peeters
aktiv 1607–1621
Viele Künstler verbargen ihre Selbstporträts in größeren Szenen: Filippo Lippi (siehe S. 14–15) versteckte sein Gesicht in einer Menschenmenge und Jan van Eyck (siehe S. 10–13) malte sich als winzige Reflexion in einem kleinen Spiegel. Clara Peeters hob den Cameo-Auftritt auf eine ganz neue Ebene der Miniaturisierung. Sie platzierte Bilder von sich selbst in winzigem Maßstab auf die glänzenden Oberflächen der Krüge und Kelche ihrer Stillleben. Oft tauchte sie in einem Gemälde mehrmals auf, so als würde sie den Betrachter zu einer Partie »Finde die Künstlerin« einladen.
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Über Peeters ist nur wenig bekannt. Selbst die einfachsten Details ihres Lebens sind verloren. Wir wissen nicht, ob sie Autodidaktin war oder eine formelle Ausbildung absolvierte. Es gibt keine Beweise
Clara Peeters
Stillleben mit Blumen und vergoldeten Pokalen, 1612 (rechts: Detailansicht) Öl auf Holz, 59 x 49 cm Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe
Peeters war zwar nicht die Erste, die ein Selbstporträt in spiegelnden Oberflächen versteckte, sie war aber die Erste, die mehr als ein Selbstporträt in eine Szene einbaute. Ihr außergewöhnliches Augenmerk für Details wird in diesen winzigen Selbstdarstellungen deutlich, die sie – entsprechend der konvexen Oberfläche – mit leicht verzerrten Zügen bei der Arbeit vor einem Fenster zeigen. Die wiederholten Bilder der Künstlerin stärken das dekorative Element des Pokals.
für Verbindungen zu einer Künstlergilde. Man vermutet, dass sie Ende des 16. Jahrhunderts in Antwerpen geboren wurde und viele ihrer Werke als junge Frau schuf. Angesichts der begrenzten Möglichkeiten für Frauen in der Kunstwelt des 17. Jahrhunderts kann man annehmen, dass Peeters ihre Inspiration aus ihrer unmittelbaren häuslichen Umgebung zog. Motive für Stillleben waren leicht zugänglich. Etwa 40 Gemälde von Peeters haben überdauert. Diese Werke enthüllen ihre gekonnte Darstellung vielfältiger Oberflächen, von Obst, Blumen, Gebäck und Käse bis hin zu Zinn, Keramik und Glas. Ihre ausgewählten Objekte sind meist im Vordergrund angeordnet, wo sie zu unserem Ergötzen sorgfältig auf einem Tisch arrangiert sind. Das ist köstlicher Realismus.
Die Stilllebenmalerei war in der niederländischen und flämischen Kunst ein beliebtes Genre. Sie stellte den wachsenden bürgerlichen Markt zufrieden, der nach mäßig großen Staffeleigemälden verlangte, die man bei sich zu Hause zeigen konnte. Diese Käufer wollten nicht verschwenderisch wirken und so gab es einen großen Bedarf an Bildern, die Schönheit und Können mit moralischen Botschaften in Bezug auf menschliche Eitelkeit und Vergänglichkeit kombinierten. Die Stillleben dieser Zeit sind voller Vanitas-Symbole. Frische Blumen in einer Vase etwa mögen momentan wunderschön aussehen, werden aber schon bald verblühen und sterben.
Stillleben mit Blumen und vergoldeten Pokalen (1612) ist ein hervorragendes Beispiel für Peeters’ Interesse an Vanitas-Themen. Blumen und Muscheln verkörpern die Zerbrechlichkeit des Lebens, die dekorativen Kelche, die Goldkette und die Münzen stehen für die Vergeblichkeit des weltlichen Tuns. Das Gemälde beweist zudem die Fähigkeit der Künstlerin, Genregrenzen zu überschreiten. Peeters wählte das Hochformat um die Dramatik dieser hochragenden zeremoniellen Kelche einzufangen, die von triumphierenden Männerfiguren gekrönt sind. Der hintere Kelch ist mit glänzenden Kugeln verziert. Fünf dieser konvexen Oberflächen zeigen ein leicht verzerrtes Porträt von Peeters bei der Arbeit, mit Palette und Pinsel in den Händen. Jedes Porträt bietet je nach Platzierung auf dem Kelch eine etwas andere Sicht auf die Künstlerin.
In Vanitas Selbstporträt (ca. 1610–20) spielt Peeters keine Nebenrolle mehr, sondern sitzt am Tisch, als wäre sie selbst Teil des Stilllebens. Sogar ihr Körper repräsentiert die Vanitas-Symbolik. Der Schnitt ihres Kleides enthüllt makellose Haut und ihr strahlendes Gesicht betont die Vergänglichkeit von Jugend und Schönheit. Die Künstlerin umgibt sich mit Zeichen irdischen Strebens: Luxusgegenständen, feiner Kleidung, Schmuck, Münzen und Würfeln.
Clara Peeters
Vanitas Selbstporträt, ca. 1610–1620 Öl auf Holz, 37,5 x 50,2 cm Privatsammlung
Kugeln und Kreise tauchen immer wieder in diesem prächtigen Gemälde auf, von den konvexen Verzierungen auf dem vergoldeten Pokal bis zu den geschwellten Brüsten der Künstlerin. Dieses malerische Mittel erzeugt nicht nur ein Gefühl von Harmonie, sondern lenkt unsere Aufmerksamkeit auch auf die Blase im Zentrum des Bildes, die eine ahnungsvolle Erinnerung an die Kürze und Zerbrechlichkeit des Lebens darstellt.
Über dem Tisch schwebt in zentraler Position eine Art Seifenblase. Dieses klassische Symbol der menschlichen Zerbrechlichkeit scheint jeden Augenblick zu zerplatzen. Dieses Werk verkörpert den Geist der lateinischen Phrase Memento mori: »Sei dir der Sterblichkeit bewusst.«
WEITERE WICHTIGE WERKE
■ Stillleben mit Blumen, goldenem Kelch, getrockneten Früchten,
Bonbons, Keksen, Wein und einem Zinnkrug, 1611, Museo
Nacional del Prado, Madrid, Spanien
MERKMALE
■ Miniaturisierte und versteckte Selbstporträts ■ Verschmelzung von Selbstporträtdarstellungen und Stillleben ■ Gelegentlich mehrere Selbstporträts in einem Bild ■ Realismus: außergewöhnliche Betonung von Details und
Texturen ■ Interesse an Vanitas-Symbolik ■ Einbeziehung spiegelnder und konvexer Oberflächen