FRANK ARNOLD
Der
beste Rat Lernen von Schweizer Denkern und Machern MIDAS
Der beste Rat Lernen von Schweizer Denkern und Machern © 2019 Midas Management Verlag AG
ISBN 978-3-03876-528-8
Projektleitung und Lektorat: Evelyn Boos-Körner Cover Design: Stefan Hilden Layout: Ulrich Borstelmann Illustrationen: Jan-Dirk Hansen Druck und Bindung: Kösel, Krugzell Printed in Germany Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in Seminarunterlagen und elektronischen Systemen. Midas Management Verlag AG, Dunantstrasse 3, CH 8044 Zürich Mail: kontakt@midas.ch, Website: www.midas.ch Social Media: @midasverlag
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Inhalt
9 Vorwort
12 Vania Alleva
Bleib dir immer deiner Wurzeln bewusst
15 Alexander Barth
Was du im Kopf hast, kann dir keiner nehmen
19 Jean-Claude Biver
Die Spur Ihres Lebens
21 Marcel Bögli
Nur wer hart arbeitet, kann sein Talent voll ausschöpfen
23 Monique Bourquin
Empathie eröffnet dir eine neue Dimension
27 Paul Bulcke
Volles Engagement, aber mit Distanz
31 Tony Burgener
Schau über den eigenen Tellerrand und ergreif die Initiative
34 Dario Casari
Hör genau zu und mach dir ein eigenes Bild
38 Romeo Cerutti
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Dem Tüchtigen öffnen sich zehn neue Türen, wenn sich eine schließt
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4| 42 Bart de Keninck
Entrepreneurship ist überall möglich
46 Enzo Enea
Erschaffe Qualität, die die Menschen spüren
50 Sergio Ermotti
Der beste Rat ist der, den man sich holt
54 Roland Fischer
Das Interessante im Leben liegt im Nichtlinearen
57 Reto Francioni
Analysiere immer zuerst deinen Auftrag
62 Christoph Franz
Bewahre Bodenhaftung
65 Daniel Freund
Konsequent arbeiten – so gut wie nötig, aber nicht so gut wie möglich
68 Erik Fyrwald
Erst wenn du verstehst, wirst du verstanden
72 Marc Gläser
Ein Unternehmer unternimmt etwas
77 Peter Goetschi
Zuhören, nachhaken, zusammenfassen
80 Morten Hannesbo
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Arbeite mit Passion, lebe in der Balance
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| 5 85 Michael Hengartner
Umgib dich mit Menschen, die klüger sind als du
89 Thomas Herbert
Angst ist ein schlechter Ratgeber
93 Daniel Hofer
Die Dinge immer zu Ende denken
96 Andreas Ingold
Auch in schwierigen Situationen die Ruhe bewahren
99 Eva Jaisli
Betrachte die Dinge aus einem anderen Blickwinkel
103 Marianne Janik
Man muss mit dem auskommen können, was man hat – und dies kreativ nutzen
107 Oscar A. Kambly
Deine Gesinnung und Gedanken sind die Saat deiner Zukunft
112 Thomas Klühr
Wer zuhören kann, erspart sich viele Worte
116 Ernst Kohler
Führung heißt Verantwortung – Vertrauen – Vorbild
120 Melchior Lengsfeld
Tu, wonach dir dein Herz steht – ganz und mit vollem Engagement
123 Hansueli Loosli
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Menschen machen den Unterschied
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6| 128 Peter Maurer
Behalten Sie immer die Größenordnung im Auge
132 Iris Menn
Wechsle die Position, hör zu, frag viel, sag wenig
135 Andreas Meyer
Raus mit der Sprache und Verantwortung übernehmen – auch wenn die Situation schwierig ist
140 Søren Mose
Gib Menschen sinnvolle Aufgaben und Vertrauen
143 Severin Moser
Besser Generalist als Spezialist
146 Michael Mueller
Offenheit ist nicht riskant, sondern der Verzicht darauf
149 Adrian Müller
Mein Ziel: Kein »You salute the rank, not the man«!
153 Carolina Müller-Möhl
Du kannst alles verlieren, nur nicht das, was du im Kopf hast
156 Christian Mumenthaler
Gelassenheit schafft Raum für Gestaltung
159 Martin Nydegger
»Positive things happen to positive people«
163 Andreas Petrikis
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Sieh die Welt mehr mit den Augen eines Kindes
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| 7 166 Philippe Rebord
Gib das Beste, der Rest kommt von selbst
170 Dirk Reznik
No involvement, no commitment!
175 Axel Ritzberger
»Mut zur Lücke« und »People first«
179 Monika Rühl
Schenke Vertrauen und du wirst beschenkt
182 Andrea Rytz
Man muss auf den Bären schießen, wenn er vor der Flinte steht
185 Carlos Sardinha
Wer sät, wird ernten
190 Simona Scarpaleggia
Wer führen will, muss vorher lernen – und lernen kann man alles
194 Christian Schenk
Nur wer sich selbst führt, kann andere führen
197 Daniel H. Schmutz
Perspektivenwechsel wirken Wunder
200 Yves Serra
Wenn es gut geht, bleib bescheiden. Wenn es schlecht geht, bleib positiv.
202 Ulrich Spiesshofer
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Höre zu, analysiere akribisch – und blicke nicht zurück
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8| 206 Olaf Swantee
Denke groß und sorge für die Umsetzung
210 Patrick Warnking
Lebenslanges Lernen – maximiere deine eigene Lernkurve
216 André Wyss
Bleib neugierig, übernimm früh Verantwortung und diene deiner Firma
219 Dieter Zümpel
Vorbild sein, Entbehrungen teilen und Vertrauen schenken
224 Gregor Zünd
Wer, wenn nicht wir?
228 David Zurcher
»Keep going«
232 Hansheiri Zweifel
Nur nicht lockerlassen!
238 Über den Autor
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Vorwort Die ebenso spannenden wie tiefgreifenden Gespräche, die sich auf die Frage »Was ist der beste Rat Ihres Lebens?« hin ergeben, zeigen, dass diese Frage auch fünf Jahre nach Erscheinen meines ersten Buches zu diesem Thema nichts von ihrer Faszination verloren hat. Diese Frage lässt niemanden unberührt und wird sehr unterschiedlich beantwortet, wie die Beiträge in diesem Buch zeigen. Das Besondere an diesem Buch ist, dass sechzig hochkarätige Unternehmer und Top-Manager aus der Schweiz ihr Wissen und ihre Erfahrungen großzügig und offen weitergeben. Das Werk bringt die Führungs- und Lebenserfahrung von Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen, aus verschiedenen Branchen und mehreren Generationen zusammen. Die Vielfalt der Impulse macht das Buch sowohl spannend als auch nützlich und inspirierend für die eigene Praxis. Die Frage, was gute Führung ausmacht, beschäftigt mich seit mehr als zwanzig Jahren. Nach meiner Beobachtung sind es gerade die erfahrensten und erfolgreichsten Unternehmer und Manager, die nicht aufhören, ihr eigenes Wissen und ihre Erfahrungen durch unterschiedliche Impulse systematisch zu erweitern. Dieses Buch beinhaltet einige jener Impulse, die diesen erfolgreichen Persönlichkeiten besonders nützlich und wertvoll waren. Sicher finden Sie in dem Buch auch für sich den ein oder anderen unschätzbaren Rat, auch wenn nicht jeder zu Ihrer momentanen Situation passen wird. Gerne bringe ich Menschen für informelle Gespräche zusammen, daher habe ich 2014 auch das Non-Profit-Netzwerk für Unternehmer Zürcher Kreis gegründet; viele der Beitragenden dieses Buches sind dort auch Teilnehmer. Bei den Veranstaltun-
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10 | Vorwort gen vom Zürcher Kreis und auch zu anderen Anlässen beobachte ich immer wieder, dass selbst außergewöhnlich erfolgreiche Unternehmer neue Ideen aus diesen Gesprächen mitnehmen. Es ist die alte Erfahrung, dass sich Menschen, die sich schätzen und vertrauen, auch gerne gegenseitig helfen. Viele scheinen erfahren zu haben, dass sie umso mehr Unterstützung in herausfordernden Situationen erhalten, umso großzügiger sie selbst anderen helfen. In der Schweiz sind dieser Austausch und Zusammenhalt seit jeher ausgeprägt und wichtige Elemente der bekannten Swissness. Dieses Buch konnte nur entstehen, weil viele Freunde und Kunden dabei geholfen haben. Ihnen allen danke ich sehr, auch wenn nicht alle namentlich genannt werden können. An erster Stelle danke ich den hier versammelten Unternehmern für ihre Offenheit und die Großzügigkeit, ihre Einsichten zu teilen. Die Gespräche waren für mich Freude und Inspiration. Für das entgegengebrachte Vertrauen danke ich von Herzen. Ich danke Christoph Frey und Yannick Kaeser für die engagierte und gewissenhafte Unterstützung im Management und Entstehen des Projekts. Jan-Dirk Hansen danke ich für seine gelungenen Illustrationen. Gregory C. Zäch vom Midas Verlag danke ich für seine verlegerische Unterstützung und Förderung dieses Buches. Besonders danke ich Evelyn Boos-Körner. Mit ihren wertvollen Impulsen, ihrer großen Kreativität und langjährigen Erfahrung im Verlegen von Büchern hat sie Großartiges zur Verwirklichung dieses Werks beigetragen. Klaus und Gunhild Arnold danke ich für ihre große Unterstützung. Mein größter Dank geht an meine Frau Isabel Arnold, die an der gleichen Uni promoviert hat wie ich und mit mir 2009
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Vorwort | 11 unser Unternehmen gründete. Sie trägt wesentlich zu unserem unternehmerischen Erfolg bei und macht gemeinsam mit unseren Kindern Julius und Valérie die Familie zu einer Quelle von Kraft und Freude. Ich wünsche Ihnen viel Freude an diesem Buch, inspirierende Denkanstöße und wertvolle Impulse für Ihr eigenes Leben. Frank Arnold, Zürich, 1. August 2019
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VANIA ALLEVA
Bleib dir immer deiner Wurzeln bewusst Vania Alleva wurde 2015 als erste Frau zur alleinigen Präsidentin der Unia gewählt, der mit rund zweihunderttausend Mitgliedern größten Gewerkschaft der Schweiz, die Arbeitnehmer aus zahlreichen Branchen der Privatwirtschaft vertritt. Ihre Gewerkschaftsarbeit startete sie 1997 bei der Gewerkschaft Bau und Industrie. Seit 2009 ist sie zudem Vizepräsidentin des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds. Die schweizerisch-italienische Doppelbürgerin hat in Rom Kunstgeschichte studiert und später ein Diplom in Interkultureller Kommunikation erlangt. Sie arbeitete auch als Lehrerin und Journalistin.
Den Rat, der mich am meisten geprägt und weitergebracht hat, habe ich in jungen Jahren von meinen Eltern erhalten, die mir dessen Inhalt auch stets vorgelebt haben. Er lautet: »Bleib dir immer deiner Wurzeln bewusst.« Ich verstehe darunter weit mehr als die Identifikation mit meiner kulturellen oder sozialen Herkunft, nämlich: ein kritisches Bewusstsein meiner ganzen Geschichte, in all ihrem Reichtum, aber auch in ihrer Zufälligkeit und Beschränktheit. Auf dem sozialen Kapital und den Werten, die mir mitgegeben wurden, baue ich auf. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht weiterentwickle. Die eigenen Wurzeln zu beachten, bedeutet nicht, in ihnen zu verharren. Ganz im Gegenteil: Das Wissen um die eigene Herkunft erleichtert es, sich weiter zu entwickeln und offen für Neues zu bleiben, gerade weil man ein solides Fundament hat. Ein Baum wächst aus seinen Wurzeln heraus. Ich bin als Kind einer italienischen Arbeiterfamilie in der Schweiz aufgewachsen. Dass ich zum Beispiel so schnell wie
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Vania Alleva | 13 möglich gut Deutsch lerne, war für mich nur natürlich – aber eben ohne meine italienische Muttersprache zu vernachlässigen. Das Bewusstsein meiner Wurzeln schärfte meinen Sinn für soziale Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen ebenso wie es meinen Willen stärkte, diese zu überwinden. Dieses Bewusstsein war der Boden für meine wachsende Überzeugung, dass Veränderung möglich ist. Es wurde zum Motor meines Engagements. Ich habe zum Glück die konkrete Erfahrung machen können, dass man für diese Veränderung selbst aktiv etwas tun kann und muss. Das gilt nicht nur für den eigenen Werdegang, sondern insbesondere auch für die Erreichung sozialer und gesellschaftlicher Fortschritte. Gerade in der kollektiven Gewerkschaftsarbeit hat mir der Rat sehr weitergeholfen. Das Bewusstsein der eigenen Geschichte bildet das Fundament, um offen zu bleiben und auf sein Gegenüber eingehen zu können. Wir haben täglich mit vielen Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft, mit unterschiedlichen Berufen und Erfahrungen in verschiedenen, zum Teil existenzbedrohenden Situationen zu tun. Wir versuchen, ihre unterschiedlichen Anliegen unter einen Hut zu bringen, um gemeinsam Verbesserungen erreichen zu können. Das ist alles andere als einfach. Aber es führt kein Weg daran vorbei. Zusammen mit der Überzeugung, etwas ändern zu können, sind die Akzeptanz und Wertschätzung der anderen die zentrale Grundvoraussetzung kollektiven Handelns. Der Wille zu sozialer Gerechtigkeit ist für gewerkschaftliche Arbeit unabdingbar. Wir wollen ungerechte Arbeitsverhältnisse ändern, damit die Arbeitnehmenden besser leben können. Daraus schöpfen wir Kraft für unser Engagement. Solche Werte und Überzeugungen dienen als innerer Kompass bei der Verfolgung unserer Aufgaben und Ziele und helfen, wach und unbestechlich zu bleiben. Aber das genügt nicht. Nur wer sich der eigenen
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14 | Vania Alleva Wurzeln bewusst ist, respektiert wirklich, dass andere Menschen ihre ganz eigenen Wurzeln oder Erfahrungen haben. Vielleicht haben sie auch andere Werte mitbekommen als man selbst. Nur dieses Bewusstsein macht es möglich, sich in andere hineinzudenken, emphatisch zu sein und so Interessensunterschiede zu überbrücken. Nur dieser Respekt vor der Verschiedenheit der anderen – oder, wie es mir einer meiner Vorgänger mit auf den Weg gegeben hat: die Liebe zu den Menschen – macht echtes Klassenbewusstsein möglich. So hat mich der Rat meiner Eltern in meiner privaten und beruflichen Entwicklung stets begleitet. Er hilft mir, fest verwurzelt zu bleiben, ein solides Wertegerüst zu haben und so die nötige Sicherheit im Leben zu spüren – um offen zu bleiben für andere Menschen und neue Ideen.
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ALEXANDER BARTH
Was du im Kopf hast, kann dir keiner nehmen Alexander Barth, Sohn des Rivella-Gründers Robert Barth, ist seit 2000 Verwaltungsratspräsident des Getränkekonzerns Rivella AG aus Rothrist im Kanton Aargau, eine der national bekanntesten Marken in der Schweiz und dort bei Erfrischungsgetränken die Nummer zwei. Im Heimatmarkt werden täglich rund eine Million Portionen des »Nationalgetränks« getrunken.
Den besten Rat meines Lebens erhielt ich zweifelsohne von meinem Großvater, der in den 1890er-Jahren geboren wurde und zwei Weltkriege miterlebt hat. Dies hat in ihm u. a. folgende Einsicht reifen lassen, die er mir mitteilte, als ich knapp zwanzig Jahre alt war, und die ich später auch meinem Sohn weitergegeben habe: »Was du im Kopf hast, kann dir keiner nehmen.« Ganz gleich, wieviel Geld man besitzt oder ob man ein Unternehmen führt – das alles kann sich sehr schnell ändern und verloren gehen. Ich habe das persönlich bei einer Unternehmerfamilie aus Portugal, die ich kenne, miterlebt. Die hatten von einem Tag auf den anderen alles verloren, und mussten dann effektiv mit dem, was sie im Kopf hatten, neu anfangen. Was einem immer bleibt, ist das Wissen und die Erfahrungen, die man sich im Laufe des Lebens angeeignet hat. Um diesen Schatz, der einem dabei helfen kann, immer wieder neu anzufangen, zu erhalten und zu mehren, ist es wichtig, stets Neues zu lernen, neugierig zu bleiben und Menschen gegenüber offen zu sein. Es ist zwar toll und belangreich, die berufliche Karriere voranzutreiben, aber es ist für die umfassende Entwicklung eines Menschen ebenso wichtig, dass er sich auch für andere, berufsunabhängige
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16 | Alexander Barth Gebiete interessiert. Als mein Großvater mir den Rat erteilte, hatte ich mich zwar schon dazu entschieden, ein Studium aufzunehmen. Er hat mich aber sehr darin bestärkt, meine eigene Bildung und mein Wissen auf einer breiteren Basis als nur der Juristerei auszubauen, Fremdsprachen zu erlernen und zu versuchen, dies auch für andere Menschen möglich zu machen. In unserer Familie haben wir vielleicht auch deshalb immer wieder Bibliotheken unterstützt. Mein Vater sagte immer, dass Bibliotheken eine sehr wichtige Sache seien, besonders dort, wo Menschen weniger Möglichkeiten haben, Wissen zu erwerben. Das galt natürlich in Zeiten, in denen es das Internet noch nicht gab, ganz besonders. Ein ganz konkretes Beispiel ist mir noch sehr gut in Erinnerung. Wir fuhren mit der Familie oft in den Urlaub nach Zypern, in ein kleines Dorf. Um die Menschen dort zu unterstützen, hat mein Vater die finanziellen Mittel für den Bau und Betrieb einer Bibliothek bereitgestellt. Auch im Unternehmen legen wir viel Wert darauf, den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, ihr Wissen weiterzuentwickeln. Ich glaube, dass darin ein Gewinn für alle Beteiligten liegt. Die Wertschätzung für eine breite Bildung bedeutet im Umkehrschluss keineswegs, dass man mit finanziellen und betriebswirtschaftlichen Dingen sorgloser umgehen sollte. Denn nur diese sind ein gutes Fundament, um das eigene Wissen weiter auszubauen und andere fördern zu können. Auch auf diesem Gebiet habe ich von meinem Großvater – teilweise auch indirekt über meinen Vater – immer wieder Ratschläge bekommen, die mir beruflich und privat geholfen und mich wahrscheinlich auch vor etlichen Fehlentscheiden bewahrt haben. Mein Großvater hatte längere Zeit im Bankwesen gearbeitet und kannte sich in der Finanzwelt sehr gut aus. Deshalb warnte er mich beispielsweise einmal: »Wenn dir jemand
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18 | Alexander Barth verspricht, er könne dir über mehrere Jahre eine Rendite von zehn Prozent und mehr garantieren, dann solltest du dem auf keinen Fall glauben.« Dieser Satz hat mich wohl des Öfteren davon abgehalten, zu große Risiken einzugehen und auf großartige Gewinnversprechen hereinzufallen. Zwar sehen Pläne auf dem Papier oft wunderbar aus, sind aber dann in der Regel doch zu schön, um wahr zu sein.
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JEAN-CLAUDE BIVER
Die Spur Ihres Lebens Jean-Claude Biver hat die Schweizer Uhrmacherkunst und Uhrenbranche in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt. Er war unter anderem bei Audemars Piguet und Omega tätig und erweckte die Marke Blancpain zu neuem Leben. Biver war CEO und Präsident des Verwaltungsrats bei Hublot und erneuerte die Marke grund legend – auch mit internationalen Kooperationen wie zum Beispiel mit F errari, dem FC Bayern München und Usain Bolt. Nachdem Biver seine Hublot-Anteile an den französischen Luxusgüter-Konzern LVMH verkauft hatte, stieg er dort zum Chef der gesamten Uhrensparte, zu der neben Hublot die Marken TAG Heuer und Zenith gehören, auf. 2018 gab er die operative Verantwortung ab und ist seither nicht- exekutiver Präsident des Bereichs.
In den 1960er-Jahren war ich von der Hippie-Bewegung sehr begeistert und sogar ein Teil von ihr. Das Hippie-Leitmotiv, das die Beatles auch besangen, war: »All you need is love.« Wenn man dieses Motto detailliert durchdenkt und von allen Seiten beleuchtet, dann wird einem klar, dass Menschen eigentlich nur oder hauptsächlich Liebe brauchen. Dies ist bestimmt auch der Grund, warum Religionen auf Liebe gegründet sind und die Liebe durch verschiedene Regeln und Gebote unterstützen und verteidigen. Die Hippies waren auch eine der ersten echten »Grünen«, jedoch unpolitisch (was ja heute nicht mehr der Fall ist). Wir Hippies respektierten einfach die Natur, Tiere und Menschen gleichermaßen. Dies trug maßgeblich dazu bei, dass man sich die existenzielle Frage gestellt hat: »Weshalb lebe ich?« Mir wurde diese Frage mehrmals gestellt, und ich stellte sie mir auch selbst. Als achtzehnjähriger Student war diese Frage
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20 | Jean-Claude Biver nicht leicht zu beantworten. Eines Tages im Jahr 1968 gab mir mein bester Freund den Rat, die Antwort auf diese Frage zu finden, indem ich mir Gedanken darüber machte, welche Spur ich hinterlassen möchte. Ja, welche Spur will ich nach meinem Leben (also nach meinem Tod) hinterlassen? Das Nachdenken über diese von meinem Freund aufgeworfene Frage führte mich zu der Erkenntnis, dass ich zwei Spuren hinterlassen möchte: 1. Eine Liebesspur, die durch meine Liebe gegenüber den Menschen und an erster Stelle gegenüber meinen Kindern, meiner Ehefrau, meiner Familie und meinen Freunden entsteht. 2. Eine Kompetenzspur, die durch meine Arbeit entsteht und die ich in meinem Betrieb hinterlasse. Diese zwei übergeordneten Ziele haben von diesem Tag an mein ganzes Leben geprägt, und ich werde bis zu meinem letzten Atemzug versuchen, diese zwei Spuren zu ziehen. Die Liebesspur durch mein treues und ethisches Benehmen gegenüber dem Leben und den Mitmenschen, und die Spur in meiner Arbeit durch meine Kompetenz und Leidenschaft für die Uhrenbranche. Diese zwei Ziele geben dem Menschen eine reiche innere Harmonie, die zu einer echten Stärke sich selbst und anderen gegenüber führt. Ich konnte keinen besseren Ratschlag im Jahr 1968 bekommen und kann heute noch keinen besseren Rat weitergeben!
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MARCEL BÖGLI
Nur wer hart arbeitet, kann sein Talent voll ausschöpfen Marcel Bögli ist Country Manager für die Schweiz, Österreich, Ungarn, Slowenien und die Slowakei bei Longchamp, einem Lederwaren-Unternehmen des Luxussegments. Nach seinem Abschluss der SAWI Academy for Marketing and Communication startete Marcel Bögli seine Berufslaufbahn 1996 als Account Manager bei Traitafina, bevor er 1999 Key Account Manager bei Mammut Sports wurde. Darauf folgten weitere Führungspositionen im Bereich Verkauf bei Nike und Publisuisse, bevor er 2009 zu Longchamp nach Bern wechselte.
Als ich Anfang oder Mitte dreißig war, ergab es sich bei einem geschäftlichen Abendessen, dass ich mit Jean-Claude Biver, einem Urgestein der Schweizer Uhrenbranche, ins Philosophieren kam. Wir führten einen intensiven Dialog und er sagte zu mir: »Es gibt zwei Arten von erfolgreichen Menschen: die zwei Prozent, die mit geringem zeitlichen Einsatz und unglaublichem Talent viel erreichen, und die achtundneunzig Prozent, die mit größtem Engagement ihren Erfolg hart erarbeiten. Für ein erfolgreiches Unternehmen braucht man beide Gruppen.« Wir waren uns schnell einig, dass sehr großer individueller Erfolg auch bei ausgeprägtem Talent nur mit harter Arbeit erreichbar ist. Das gilt in der Unternehmenswelt ebenso wie im Sport: Talent ist eine tolle Grundlage, aber allein nicht ausreichend für eine große Karriere. Bereits in meiner Zeit als Hochgeschwindigkeitsskifahrer war mir außerdem klar, dass man immer noch besser werden muss und vor allem nie, nie, nie aufgeben darf. Ich habe diesen Sport zehn Jahre lang mit Leidenschaft betrieben und war Schweizer Meister im Speedskifahren. Als Speedskifahrer habe ich viel
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22 | Marcel Bögli Lebenserfahrung gesammelt, habe gelernt, mentale Herausforderungen zu meistern, und eine enorme Zielorientierung aufgebaut. Bei dieser Disziplin rasen die Fahrer mit ihrer Spezialausrüstung mit zweihundert Stundenkilometern und mehr die Pisten hinunter – da darf man sich keinen Fehler erlauben, wenn man heil ankommen will. Aus dieser Lebensphase stammt auch mein Hang zum Perfektionismus. Die Kombination aus harter Arbeit und einem »Never give up!«-Spirit sind meiner Meinung nach erfolgsentscheidend. Das habe ich auch in meinem ersten halben Jahr bei Longchamp gemerkt. Da war ich zuerst ganz auf mich allein gestellt und habe Hunderte und Aberhunderte Stunden gearbeitet. Ich musste es dem Top-Management und mir selbst einfach beweisen, dass ich diesem Job, an dem einige vor mir gescheitert waren, gewachsen bin. Auch mir hat nach einem Jahr einer der Führungskräfte gesagt: »Marcel, vielleicht packst du´s nicht und dann hast du in sechs Monaten bei uns keinen Arbeitsplatz mehr.« Aber ich bin sehr hartnäckig, habe die Zähne zusammengebissen und mir gesagt: »Ich beweise es, dass ich das schaffe.« Dabei war ich überhaupt nicht prädestiniert für den Lederwarenbereich, ich kannte den Sport und Unternehmen im Sportbereich gut, auch im Lebensmittelsegment hatte ich Erfahrung. Aber hochwertige Lederwaren und Damenhandtaschen waren vorher nie mein Metier. Dennoch fand ich es großartig, dass das Top-Management mir das Vertrauen geschenkt hat und mir nach und nach immer mehr Verantwortung übertrug. Es ist entscheidend, dass man dieses Vertrauen und die Verantwortung auch akzeptiert – das sagte mir schon mein erster Chef. Wenn einem das Vertrauen geschenkt wird, muss man es akzeptieren, die damit verbundene Verantwortung beherzt übernehmen und ihr auch gerecht werden. Wer das nicht will, sollte keine Führungsposition anstreben.
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MONIQUE BOURQUIN
Empathie eröffnet dir eine neue Dimension Monique Bourquin ist Mitglied in den Verwaltungsräten des Molkereikonzerns Emmi, des Gebäckherstellers Kambly, des Medizintechnik- Spezialisten Straumann, des Arzneimittel- und Kosmetikherstellers Weleda und ist im Stiftungsratsausschuss der Nichtregierungsorganisation Swisscontact. Seit 2017 hat sie als erste Frau die Präsidentschaft beim Schweizer Markenverband Promarca inne und unterrichtet an der ETHZ »Change Management« im Rahmen eines Master-of-Advanced-Studies-Programms. Zuvor arbeitete Bourquin als Chief Financial Officer für die Region Deutschland-Österreich-Schweiz sowie als General Manager für das Schweizer-Geschäft beim britisch-niederländischen Konsumgütermulti Unilever. Vorausgegangen waren Stationen als Führungskraft bei Mövenpick Foods, Rivella und Knorr. Nach dem Abschluss ihres Studiums (Economy & Finance) an der Hochschule Sankt Gallen startete Bourquin ihre Laufbahn bei der Unternehmens beratung von PriceWaterhouseCoopers (PwC).
In meinem Fall stammt der wichtigste Rat, den ich je erhielt, von Mitarbeitern und Kollegen auf der gleichen Führungsebene bei meinem früheren Arbeitgeber Unilever. Dort haben wir regelmäßig sogenannte 360º-Feedback-Runden durchgeführt, bei denen zwölf bis fünfzehn Teilnehmer gebeten werden, jemandem Rückmeldungen über die Leistung und Persönlichkeit zu geben. Weil diese Beurteilungen schriftlich, sprich digital und anonym, erfolgten, kann ich den Rat keiner konkreten Person zuordnen – was nichts daran ändert, dass er für mich sehr wertvoll wurde. Und darum ging es: Im Jahr vor dieser Feedback-Runde hatte ich meine Tochter zur Welt gebracht. Klar freute ich mich über die positiven Rückmeldungen, wie strategisch, pragmatisch, entschei-
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24 | Monique Bourquin dungsfreudig und zielorientiert ich sei. Aber in den Feedback-Bewertungen gab es auch diesen einen Satz, der davon abwich, mit dem ich aber besonders viel anfangen konnte: »Bring den Menschen in deiner Umgebung die gleiche Empathie entgegen wie deiner Tochter.« Später sollte sich herausstellen, dass mir dieser Rat tatsächlich ganz neue Erkenntnisse und Dimensionen eröffnete und in meiner Karriere eine wichtige Rolle spielen sollte. Bei mir fiel dieser Rat gleich auf fruchtbaren Boden, denn privat sagen meine Freunde und Verwandten immer, dass ich sehr empathisch sei. Nur im Berufsleben hatte ich bis dahin mehr meine leistungsorientierte, sachliche und menschlich distanziertere Seite gezeigt. Dabei ist gerade dort Empathie auch sehr hilfreich. Bringt man Mitarbeitern und Kollegen ehrliche Empathie entgegen und signalisiert ihnen so, dass sie einem auch als Mensch wichtig sind, öffnen sie sich wesentlich leichter und fassen viel mehr Vertrauen zu einem. Sie fühlen sich verstanden, ernst genommen und sind viel eher bereit, mehr von sich preiszugeben, was mir wiederum hilft, ihre Situation besser einzuschätzen und sie gezielter zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Wenn ich emphatisch bin, kann ich viel besser erkennen, was wirklich zu diesem Menschen passt und was gleichzeitig ihm und dem Unternehmen etwas bringt. Das Ganze wirkt dabei in beide Richtungen. Wenn sich mein Gegenüber öffnet, werde auch ich viel mehr von mir erzählen und werde so meinen Kollegen und Mitarbeitenden gegenüber auch als Mensch transparenter und greifbarer. Dieses gegenseitige Vertrauen, das sich durch Empathie und offene Dialoge einstellt, ermöglicht es, eine echte Fehlerkultur im Unternehmen zu etablieren – also ein Klima, in dem jeder Fehler machen darf und aus ihnen lernen soll. Das ist eine Kultur, in der jeder er selbst sein kann. Empathie heißt auch, sich die Zeit zu nehmen für regelmäßiges, persönliches
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26 | Monique Bourquin Feedback an die Mitarbeiter. In diesen Gesprächen werden Verbesserungspotenziale offen angesprochen und gute Leistungen mit Lob anerkannt. All dies bewirkt, dass Mitarbeiter viel eher bereit sind, selbst Risiken einzugehen, Entscheide zu treffen, Initiative zu ergreifen und Verantwortung zu übernehmen; so haben sie mehr Freude an ihrer Arbeit – alles wichtige Grundlagen für den Erfolg eines Unternehmens. Dabei sind es oft ganz simple Dinge, die dabei helfen, die persönliche Beziehung zu den Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, zu stärken. Wenn man zum Beispiel in ein Gespräch nicht sofort mit harten sachlichen Fakten einsteigt, sondern sich ganz einfach die Zeit nimmt, ernsthaft zu fragen »Erzähl mal, wie geht es dir?«, läuft das Gespräch ganz anders und viel persönlicher ab. Oder wenn man bei eigenen Präsentationen an die Belegschaft ganz klare Botschaften und Wünsche mit möglichst persönlichen Beispielen und Geschichten untermauert und in der »Ich«-Form spricht, statt verschwommene und allgemeine »Man«-Formulierungen zu benutzen, kommt das wesentlich offener, klarer und nahbarer rüber. Ich kann wirklich sagen, dass die Integration der persönlichen Komponente in mein Handeln als Führungskraft mich wesentlich weitergebracht und mir eine völlig neue Dimension erschlossen hat. Als ich den Rat bekam, war ich neununddreißig Jahre alt und hatte schon einige Erfahrungen in Führungspositionen. Er hat mir geholfen, mich persönlich stark weiterzuentwickeln; zwei Jahre später wurde ich zum Country Manager für die Schweiz bei Unilever befördert. Dieser Rat war für mich nicht nur eine sanfte Evolution, sondern ein magischer Moment, bei dem ich die Kraft von »Leadership« entdeckte und seither eine richtige Leidenschaft für dieses Thema entwickelte.
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PAUL BULCKE
Volles Engagement, aber mit Distanz Paul Bulcke ist seit 2017 Präsident des Verwaltungsrats des Schweizer Nahrungsmittel-Multis Nestlé. Dort nimmt der Belgier bereits seit 1979 unterschiedliche internationale Führungspositionen wahr, etwa in Südamerika und Europa. Von 2000 bis 2004 war er Chef des Deutschlandgeschäfts und übernahm anschließend die Führung der Zone Amerikas (USA, Canada, Latein-Amerika und Karibik), die er bis 2008 leitete. Bulcke studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Leuven und absolvierte in Gent ein Aufbaustudium in Management, bevor er als Finanzanalyst der Scott Graphics Int. seine Berufslaufbahn begann. Neben seiner Tätigkeit für Nestlé hat er verschiedene Verwaltungsratsmandate inne, beispielsweise beim Schweizer Pharmakonzern Roche und beim französischen Kosmetikunternehmen L‘Oreal, und engagiert sich beim Weltwirtschaftsforum Davos.
Den wertvollsten Rat oder Gedanken erhielt ich während einer Fortbildung, an der ich teilnahm, nachdem ich bereits einige Jahre Erfahrung im Berufsleben gesammelt hatte, vom indischen Professor Jagdish Parikh. Der Leiter des Seminars machte mich mit dem Konzept des »Detached Involvement« vertraut, welches beinhaltet, an Menschen, Geschehnissen oder Projekten mit Passion beteiligt zu sein, aber dennoch eine gewisse professionelle Distanz zu wahren, die es einem ermöglicht, die Dinge klar zu sehen und richtig zu agieren – quasi »losgelöstes Beteiligtsein«. Dieses Konzept, das mittlerweile in der Managementlehre fest etabliert ist, hat mich sofort überzeugt und mein berufliches Handeln fundamental geprägt. Der Grund dafür ist, dass »Detached Involvement« in ausgesprochen vielen Lebensbereichen eine ebenso wichtige wie nützliche Rolle spielen kann. Im Zentrum steht naheliegenderweise das eigene Leben, bei dem man
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28 | Paul Bulcke die stärkste Beteiligung empfindet und in dem man der Hauptdarsteller ist. Genau deshalb ist es hier extrem hilfreich, regelmäßig aus der eigenen Position und Person gleichsam herauszuschlüpfen (also auf die Zuschauerränge zu wechseln) und andere Perspektiven einzunehmen. Das ermöglicht es zum einen, sich selbst als Mensch neu einzuordnen, zum anderen aber auch, konkrete Handlungen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Dadurch erkennt man die korrekten Relationen, bleibt demütig und verhindert, sich selbst zu wichtig zu nehmen (ein Problem, unter dem nicht wenige Menschen leiden). Den Blick bisweilen von außen auf die eigene Person zu lenken hilft aber auch, richtige Entscheidungen zu treffen und überhaupt mit der Intensität klarzukommen, die anspruchsvolle Positionen mit sich bringen. Von einer zeitweise eingenommenen externen Position heraus lässt sich viel leichter erkennen, ob die Work-Life-Balance, die man anstrebt, auch wirklich erreicht wird. Gerade, wenn man schon fünfzehn oder zwanzig Jahre an der Karriere gearbeitet hat, ist dieses Vorgehen wichtig. Dann hat man schon einiges an Erfahrung mit dem »richtigen Leben« und vor allem im Job. Die ganz heiße Phase der Entwicklung im Beruf ist geschafft, und es ist an der Zeit, sich selbst als Mensch ganzheitlich einzuordnen und das zu erreichen, was man wirklich möchte. Das Konzept des »Detached Involvement« erleichtert es auch, Dinge einfach zu halten. Beim Blick von außen werden die Umrisse der Sachverhalte klarer erkennbar, die Unterscheidung zwischen Wichtigem und Unwichtigem fällt leichter. »To keep it simple« hatte für mich immer eine hohe Priorität, denn dieses Prinzip ist unerlässlich, wenn man Projekte durchziehen möchte – besonders, wenn man andere Menschen daran beteiligen will und eine Führungsfunktion auszufüllen hat. Die »Mes-
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30 | Paul Bulcke sage« muss immer einfach und klar verständlich sein. In diesem Sinne verbindet »Detached Involvement« ideal die Fähigkeit, sich selbst zu managen, mit jener, andere effektiv anzuleiten. Ich selbst jedenfalls gebe Kolleginnen und Kollegen, die etwa aufgeregt oder verärgert in mein Büro kommen, vielleicht, weil sie sich ungerecht behandelt oder übergangen fühlen, oft den Rat, sich einmal kurz von ihrem Ärger und ihrer Person zu lösen, sich selbst zu »detachen«. Ich gebe ihnen dann oft das kleine Büchlein des indischen Professors, das auch mir schon so viel gebracht hat. Meistens hilft das, und sie können die Vorkommnisse relativieren und gelassener sehen. Besonders schön ist es, wenn man später über Dinge lachen kann, die einen zuvor noch sehr geärgert haben – denn Humor, auch wenn es um die eigene Person geht, hilft am besten, Probleme und Herausforderungen in ihrer tatsächlichen Größe und Wichtigkeit zu erkennen.
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TONY BURGENER
Schau über den eigenen Tellerrand und ergreif die Initiative Tony Burgener ist Direktor von Glückskette, einer schweizerischen Spendensammelorganisation. Er arbeitete mehrere Jahre als Journalist in der Schweiz und danach als Delegierter beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Afrika und im Mittleren Osten. Anschließend war er als Pressechef und Leiter der Abteilung Private Fundraising beim IKRK in Genf tätig. Es folgten die Positionen als Leiter Media und Public Relations für die Landesausstellung Expo.02 sowie als stellvertretender Kommunikationsdirektor beim Internationalen Olympischen Komitee (IOK). Ab 2009 war er Mitglied der Geschäftsleitung der Kommunikationsagentur Burson-Marsteller in Genf, bevor er im Januar 2012 seinen Posten als Direktor von Glückskette antrat.
Aus Gewohnheit tauscht sich ein Großteil der Führungskräfte oft im eigenen Unternehmen aus: mit Führungskräften auf der gleichen Hierarchiestufe, mit von ihnen geführten Mitarbeitern oder mit internen Experten. Daher bekam ich von einer Vorgesetzten den Rat, den Blick nicht nur nach innen zu richten und mich nicht in meinem Arbeitsgebiet einzuigeln, sondern über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. So habe ich erfahren und gelernt, dass es absolut lohnenswert und bereichernd ist, ab und an über die Grenzen des eigenen Wirkungsbereichs zu blicken. Es lässt sich aus allen Sparten und Bereichen etwas lernen, auch wenn diese nicht direkt etwas mit dem eigenen Unternehmen zu tun haben. Auf diese Weise kann man sich von außen Informationen, Meinungen und Vorschläge einholen, um alle relevanten Aspekte eines Themas oder Projekts
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32 | Tony Burgener abwägen zu können, oder mit Geschäftspartnern, Wissenschaftlern, Verbandsvertretern oder auch ganz branchenfremden Personen aktuelle Trends und Technologien diskutieren. Meine damalige Chefin lud regelmäßig Leute ins Haus ein, die aus ganz anderen Bereichen und Branchen stammten. Meine Kollegen und ich waren anfangs recht genervt, fanden diese Begegnungen zeitraubend und wir fragten uns, welchen Sinn die Gespräche haben sollten. Meine Chefin jedoch forderte uns auf, erst einmal zuzuhören. Als ich schließlich bereit war, mich zu öffnen, war es erstaunlich, welche Inspiration ich erlebte. Auf diese Weise erschlossen sich mir immer wieder neue Blickwinkel. Heute finde ich es extrem wichtig, dass man sich nicht in seiner Welt versteckt, sondern sein Terrain regelmäßig verlässt und Kontakte nach außen knüpft. Auch meinen Mitarbeitern vermittle ich, dass wir bei Glückskette nicht in auf einer isolierten Insel leben, sondern dass um uns herum die reale Welt ist, die wir einbeziehen müssen. Kürzlich redete ich mit meinem Versicherungsberater. Es ging um das Thema Lebensversicherung und mein Berater kam darauf zu sprechen, wie man seine verschiedenen Lebensphasen plant und gestaltet. Ich wurde hellhörig, weil er sehr viele interessante Aspekte erwähnte, die man im humanitären Bereich ebenfalls anwenden kann, vor allem im Bereich Spenden. Das Gespräch hatte ursprünglich überhaupt nichts mit meinem Beruf zu tun, doch nach und nach kristallisierte sich bei mir eine konkrete Idee heraus, die ich für meinen Beruf nutzen kann. Es lohnt sich also in jedem Fall, sich zu öffnen und den Blick nach außen zu richten. Ebenso lohnenswert ist es, selbst die Initiative zu ergreifen, Vorschläge auszuarbeiten und seine Ideen zu präsentieren, dazu braucht man auch keine Top-Position zu haben, sondern kann
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Tony Burgener | 33 es auf fast allen Hierarchiestufen anwenden. Diesen – nicht minder wichtigen – Rat, bekam ich von meinen Kollegen, als ich im mittleren Management tätig war: »Wenn du gute Ideen präsentierst, dann lässt dir der Chef freie Hand. So kannst du das machen, was dich wirklich interessiert und woran du Freude hast.« Ich beobachtete sie und stellte fest, dass sie es genauso selbst praktizierten. Dabei stellte ich fest, dass sich viel erreichen lässt, wenn man aktiv wird und sich selbst einbringt. Hat man dabei auch noch die Strategie des Unternehmens im Blick, kann man damit zeigen, dass man etwas umsetzen will und Resultate erreichen möchte. So sieht der Vorgesetzte, dass man mitdenkt und ins Handeln kommt. Wie wirkungsvoll es ist, die Initiative zu ergreifen, erfuhr ich während meiner Zeit beim Internationalen Olympischen Komitee. Damals gefiel mir die gesamte Darstellung des IOC, insbesondere das Logo, nicht. Ich fand es veraltet und überholt und hatte Lust, das Erscheinungsbild zu überarbeiten. Zunächst setzte ich mich mit einigen Agenturen zusammen und holte deren Meinungen und Ideen ein. Dabei entstanden einige Vorschläge für ein neues Erscheinungsbild. Diese präsentierte ich meinem Vorgesetzten. Dieser wiederum zeigte sie seinem Chef. Dann ging es ganz schnell – und in kurzer Zeit hatte das IOC ein neues Logo!
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DARIO CASARI
Hör genau zu und mach dir ein eigenes Bild Dario Casari ist Country Manager von Samsung Schweiz. Davor war er in der Position des Sales Director tätig, wo er für die Leitung des operativen Geschäfts von Samsung Schweiz verantwortlich zeichnete. Der Zürcher, der über einen Executive Master-Abschluss der Universität Zürich verfügt, sammelte zunächst Erfahrungen in den Bereichen Marketing und Distribution international tätiger Unternehmen, bevor er im Jahr 2007 zu Samsung Schweiz wechselte. Hier prägte er die erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens im Schweizer Markt maßgeblich mit.
Der beste Ratschlag, den ich in meinem Leben erhielt, stammt von meinem Vater: »Hör genau zu und mach dir ein eigenes Bild.« Wie wichtig das ist, zeigte er mir anhand einer Geschichte aus seinem Berufsalltag. Als ich noch klein war, erzählte mir mein Vater oft von seiner Arbeit. Er war an der Drehbank in einer Werkzeugmaschinenfabrik tätig, in der es fortwährend um Profit-Optimierung und -Maximierung ging. Ein Ingenieur, der die Aufgabe hatte, den Output der Maschinen zu steigern, ordnete eine Erhöhung der Drehzahl bei der Maschine an, an der mein Vater arbeitete. Dieser kannte jedoch seine Maschine inund auswendig und erwiderte mit dem Einwand, eine höhere Drehzahl würde dazu führen, dass die sehr teuren Messer an der Maschine kaputtgingen. Sein Widerstand half nichts. Ihm wurde sogar mit Kündigung gedroht, falls er der Anordnung nicht folge. Also sah er sich gezwungen, die Maschine schneller laufen zu lassen. Prompt gingen die Messer, die hauchdünnes Metall abschneiden sollten, kaputt.
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36 | Dario Casari Mich beeindruckte diese Erzählung sehr. Ich fragte mich immer wieder: »Wieso hat der Ingenieur nicht zugehört und den Einwänden und Argumenten meines Vaters keinen Glauben geschenkt?« Seine Berechnungen und Überlegungen zur Optimierung waren sicher richtig, doch er übersah Faktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit und dergleichen. Schlimmer war aber: Er hörte nicht hin, als mein Vater, der es aus eigener Erfahrung besser wusste, ihn darauf hinwies. Vor lauter Analysieren vergaß er, sich selbst einmal die Maschine anzuschauen. Hätte er dies getan, so wären ihm die seltsamen Geräusche aufgefallen, die bei erhöhter Drehzahl zu hören waren. Heute erlebe ich täglich, wie essenziell das Zuhören und der eigene Eindruck sind. Viele Menschen sitzen den ganzen Tag in ihren Büros, schauen sich die Zahlen an und treffen dann Entscheidungen. Ich dagegen gehe immer aus meinem Büro raus. Ich will stets den Double-Check bei einer Entscheidung. Daher möchte ich selbst sehen, spüren und erfahren, worum es geht und welche Aspekte und Kriterien es zu berücksichtigen gibt. Selbst wenn meine Entscheidung schlussendlich anders ausfällt, als mir empfohlen worden ist, so treffe ich Entscheidungen stets erst dann, wenn ich die Meinung der Betroffenen dazu gehört habe. Da wiegt das Wahrnehmen mit allen Sinnen oft mehr als das, was auf dem Papier steht oder was ein Computer ausspuckt. Das gilt in vielen Bereichen, nicht nur in der Produktion, sondern auch im Marketing und im Sales. Der direkte persönliche Kontakt zu den Mitarbeitern über sämtliche Hierarchieebenen hat für mich einen hohen Stellenwert. Oft amüsieren sich die Mitarbeiter, wenn ich drei- bis viermal pro Tag durch die ganze Firma laufe, einfach nur frage, wie es geht, oder zuhöre, was andere gerade diskutieren. Allerdings erschrecken auch manchmal Mitarbeiter, die neu sind, wenn ich
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Dario Casari | 37 an die Tür eines Besprechungszimmers klopfe, mich für zehn Minuten dazusetze, zuhöre, vielleicht auch an der Diskussion teilnehme und dann wieder gehe. Für mich ist dieses Management by Walking Around, das auf Tom Peters und Robert Waterman zurückgeht, enorm wichtig. Das habe ich von meinen früheren Chefs gelernt. Ich habe versucht, die Dinge, die mich selbst als Mitarbeiter beeindruckt haben, zu übernehmen. Dazu gehört zum Beispiel auch, eine offene Bürotür zu haben. Jeder kann immer zu mir ins Büro kommen und eine Minute mit mir sprechen. Ich will ein Gefühl dafür haben, was meine Mitarbeiter machen und was sie beschäftigt. Das geht nur, wenn ich viel mit ihnen kommuniziere. Kommuniziert wird bei uns nicht nur im Büro, sondern auch nach der Arbeit oder in den Pausen, unterwegs auf dem Fahrrad. Da ich ein leidenschaftlicher Radrennfahrer bin, können Sie mich regelmäßig mit einigen Mitarbeitern auf dem Bike treffen, wenn wir auf dem Uetliberg fahren.
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ROMEO CERUTTI
Dem Tüchtigen öffnen sich zehn neue Türen, wenn sich eine schließt Romeo Cerutti ist seit 2009 Mitglied der Geschäftsleitung der Credit Suisse Group AG und der Credit Suisse AG. Der Jurist promovierte und habilitierte an der Universität Freiburg i. Ue. und hat einen Master of Laws der University of California (Los Angeles). Seine Berufslaufbahn begann Romeo Cerutti als Anwalt bei Latham & Watkins LLP in den USA. Anschließend arbeitete er bei Homburger Rechtsanwälte und wurde 2004 Partner der Group Holding von Lombard Odier Darier Hentsch & Cie., zu der er 1999 als Leiter Corporate Finance gewechselt hatte. 2006 erfolgte dann der Wechsel zur Credit Suisse. Romeo Cerutti ist Mitglied des Verwaltungsrats der Vifor Pharma AG und Präsident des Stiftungsrats des Swiss Finance Institute (SFI).
Nach Abschluss meines Studiums an der Universität Freiburg plante ich, zurück ins Wallis zu gehen, wo ich aufgewachsen war, um dort als Anwalt zu arbeiten. Ich hatte seinerzeit bereits eine Praktikumsstelle in einer dortigen Kanzlei in Aussicht. Der Inhaber dieser Kanzlei vertrat damals meinen Vater, der eine Beteiligung an einem kleinen Handelsgeschäft verkaufen wollte, und – wie sich herausstellte – auch die potenziellen Käufer. Ich empfand diese Konstellation als merkwürdig und entschied mich kurzerhand, meinen Vater selbst juristisch zu beraten; mit dem Ergebnis, dass ich einen höheren Preis erzielen konnte. Daraufhin bestellte mich der Anwalt, der die Gegenseite vertrat und mein Arbeitgeber werden sollte, zu sich ins Büro und sagte: »Meine Vertragsentwürfe sind Kunstwerke, und in all den Jahren hat es noch niemand gewagt, auch nur ein Komma daran zu ändern. Sie kommen quasi frisch von der Uni und haben den
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40 | Romeo Cerutti ganzen Vertrag umgestaltet. Ich glaube, Ihnen fehlt der nötige Respekt, um für mich zu arbeiten.« Einigermaßen ratlos rief ich daraufhin meinen Doktorvater an und erzählte ihm von meiner Lage. Da er ohnehin schon zuvor der Meinung gewesen war, dass meine Berufsaussichten in Zürich besser wären als im Wallis, rief er gleich bei der renommierten Zürcher Anwaltskanzlei Homburger an und vereinbarte einen Vorstellungstermin für mich. In dieser Situation fiel mir meine italienische Großtante ein, die mir, schon als ich noch keine zehn Jahre alt war, wiederholt sagte: »Wenn eine Tür zugeht, öffnen sich zehn neue. Man muss sie nur finden.« Als ich mich bei Homburger vorstellte, öffnete sich mir, dem Jungen aus den Bergen, nicht nur eine Tür, sondern eine ganze Welt: Ich wurde in ein edles Restaurant eingeladen, aus der Kanzlei blickte man damals auf den Zürichsee. Es war einfach toll, und ich unterschrieb sofort. Von Anfang an war ich in interessante Mandate eingebunden. Höhepunkt war wohl die Fusion von BBC und Asea zur heutigen ABB, bei der ich als junger Substitut Beat Hess und Peter Kurer unterstützen durfte. Im Nachhinein betrachtet hätte mir also gar nichts Besseres als die Absage des Walliser Anwalts passieren können. Meine Großtante hatte wirklich recht mit ihrem Rat, und ich habe mich immer wieder daran erinnert, auch wenn ich vielleicht kurzzeitig enttäuscht war, sobald sich eine Tür schloss. Allerdings gilt es auch den Nachsatz zu beachten: »Man muss sie nur finden.« Klar ist, dass derjenige, der die Flinte ins Korn wirft oder zu Hause im stillen Kämmerlein sitzt, die Tür nicht finden wird. Man muss sich anstrengen, ansonsten findet man nicht nur offene Türen nicht, sondern verpasst möglicherweise auch sehr viele Chancen. Ohne harte Arbeit kommt man nicht voran. Deshalb sage ich jungen Leuten immer wieder: »Gib den ganzen Tag
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Romeo Cerutti | 41 lang, in jeder Situation und für jedes Projekt dein Bestes.« Das versuche ich auch selbst stets zu beherzigen. Ein bisschen Glück gehört natürlich auch dazu, wobei es bei genauer Betrachtung eben oft das Glück des Tüchtigen ist. Wer die offenen Türen finden, also Chancen erhalten und ergreifen will, muss natürlich auch präsent sein – oder wie Woody Allen sagte: »Eighty percent of success is showing up.« Mit Hilfe harter Arbeit und Präsenz gelingt es, die offenen Türen zu finden. Zutritt – um im Bild zu bleiben – erhält aber nur, wer sich im Laufe seines Lebens nicht zu viele Feinde gemacht und einen einwandfreien Leumund bewahrt hat. Wer aufrecht durch sein Arbeitsleben geht, wird natürlich auch den einen oder anderen Feind oder Gegner haben. Das gehört dazu. Wichtig ist jedoch, sich nicht unnötig Feinde zu machen.
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BART DE KENINCK
Entrepreneurship ist überall möglich Bart de Keninck ist Managing Director bei HEINEKEN Switzerland. Der gebürtige Belgier verfügt über eine breite Führungs- und Businesserfahrung. Zuletzt war er bei Alken-Maes tätig, einer belgischen Bierbrauerei, die zum weltweit aufgestellten Brauereiverbund der niederländischen HEINEKEN-Gruppe gehört. 2018 wechselte er nach Luzern, wo er den Posten als Managing Director übernahm.
Kurz vor meinem Studienabschluss fand eine Job-Messe statt, auf der sich Unternehmen jeder Größe präsentierten. Da gab es große Konzerne mit ihren bekannten Marken ebenso wie kleine Start-ups mit ihren brillanten Ideen. Meine Freunde und ich schauten uns mit großem Interesse unsere potenziellen zukünftigen Arbeitgeber an und es entstand eine leidenschaftliche Diskussion zwischen uns. Im Kern ging es darum, ob es besser sei, seine Karriere bei einem großen Unternehmen mit festgelegten Strukturen, Hierarchien und Prozessen und eher eingeschränkten Entscheidungsspielräumen zu beginnen oder bei einem der wendigen kleinen Unternehmen mit flachen Hierarchien und der Aussicht, schnell Verantwortung zu übernehmen. Ich persönlich verfügte schon damals über ein ausgeprägtes unternehmerisches Denken und mich reizte der Gedanke, zu einer der Start-up-Firmen zu gehen, wo ich etwas bewegen und entscheiden konnte. Dem gegenüber stand die Idee, bei einem großen bekannten und etablierten Konzern anzufangen, der über Strukturen und funktionierende Prozesse verfügte, in dem ich allerdings eventuell nur ein Rädchen in einem großen Apparat war.
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Bart de Keninck | 43 Bei all den Diskussionen und Überlegungen kam ich für mich selbst bald zum Schluss, dass nicht die Unternehmensgröße entscheidend ist, sondern die eigene Haltung und wie man die Dinge angeht. Im Lauf meiner beruflichen Tätigkeit bestätigte sich diese Meinung: Unternehmerisch kann man überall handeln. Im Grunde hängt alles von der Einstellung ab! Entrepreneurship lässt sich nicht nur in kleinen Firmen, sondern auch in großen Organisationen leben. Auch dort kann man effizient und flexibel arbeiten, neue Produkte und Geschäftsfelder entwickeln und schnell auf Veränderungen des Marktes reagieren. Absolut wichtig dabei ist, dass alle wissen, worum es bei ihrer Tätigkeit geht, was das Ziel ihrer Bemühungen ist, und welche Wirkung (»Impact«) sie erzielen können. Das wiederum ist nur möglich, wenn man die großen Zusammenhänge versteht. Wenn jeder nur automatisch seine Arbeit erledigt, ohne sein vernetztes Wissen anzuwenden, ist er von eigenverantwortlichem und unternehmerischem Denken weit entfernt. In meiner Entwicklung zur Führungskraft habe ich die Erfahrung gemacht, dass es bei der Übernahme neuer Aufgaben entscheidend ist, den Unternehmergeist, der in fast jedem von uns schlummert, zu wecken. Ein »normales« Projekt wird zu einem »unternehmerischen« Projekt, wenn jeder einzelne das Ziel und seinen eigenen Beitrag zur Zielerreichung – eben seinen eigenen »Impact« – versteht und begreift. Ein Beispiel aus der Produktinnovation: Bei einem Unternehmen in der HEINEKEN-Gruppe schauten wir uns mit einem kleinen Innovationsteam detailliert die Pipeline an. Was war in Vorbereitung? Was konnten wir wann lancieren? Gemeinsam gelang es uns in der Folge extrem schnell, nämlich innerhalb von drei Monaten, ein neues Produkt zu liefern. Bis dahin dauerte eine Produktinnovation in der Regel achtzehn Monate! Wir
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44 | Bart de Keninck forderten die Mitarbeiter auf, die Dinge einmal ganz anders anzugehen, und motivierten sie dazu, dass sie sich nicht auf den Prozess fokussieren sollten, sondern bloß darauf, ein Ergebnis zu erzielen. So konnten sie bereits in einem sehr frühen Stadium experimentieren und testen. Obwohl wir ein sehr großes Unternehmen mit etablierten Strukturen und Prozessen sind, gelang es uns, wie ein Start-up zu agieren. Die Leute selbst waren von dem Ergebnis total überrascht. Sie fühlten sich empowered. Indem wir es ihnen überließen zu handeln, selbst zu entscheiden und damit wie Unternehmer zu agieren, machten wir das Innovationsprojekt zu ihrem Baby. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man die Leute auch wirklich selbst machen lassen muss. Dann muss man wirklich auch einen der Fachleute aus dem Team vor dem Vorstand präsentieren lassen und sich selbst »nur« danebensetzen. Wenn man wirklich möchte, dass die Mitarbeiter unternehmerisch denken und handeln, muss man ihnen die Bühne überlassen. Auf diese Weise gibt man ihnen die Chance, selbst die Initiative zu ergreifen und eigenverantwortlich zu handeln. Diesen Spirit fördern wir derzeit bei HEINEKEN Switzerland. Denn ist es erst einmal gelungen, einen unternehmerischen Geist in der eigenen Organisation zu etablieren, so gewinnt diese auch nach außen an Attraktivität als Arbeitgeber für junge Talente. Ich beobachte, dass gerade junge Jobsuchende, die – so wie ich damals – nach einer akademischen Ausbildung ihre erste Arbeitsstelle suchen, sich von einer Atmosphäre, die von Entrepreneurship geprägt ist, angezogen fühlen. Junge Talente bringen im zunehmenden Maß Unternehmergeist mit, möchten miteinbezogen werden und Verantwortung übernehmen. Ebenso wie der Rat »Unternehmerisch kann man überall handeln« stellt ein anderer Rat das Resümee aus einer Diskus-
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Bart de Keninck | 45 sion dar. Diesmal nicht mit meinen Studienkollegen, sondern viele Jahre später mit einem meiner Chefs. Dabei ging es um die Frage, wie sich eine Führungskraft optimal weiterentwickeln kann. Mein Vorgesetzter erklärte mir, dass sich zunächst alles um die eigene Person dreht, wenn man seine Karriere startet: Je härter man arbeitet, umso mehr Qualität bringt man auf den Tisch und umso schneller klettert man auf der Karriereleiter nach oben. Im Zentrum stehen immer die eigenen Fähigkeiten, mit denen man sich profiliert. Doch, so machte er mir klar, ausschließliche Ichbezogenheit verhindere berufliches Weiterkommen. Ich müsste lernen, weniger auf mich selbst und meine Fähigkeiten zu fokussieren, sondern für das Team zu denken, zu planen und zu agieren. »Denke in größeren Maßstäben!«, so lautete sein Rat. Der Fokus dürfe nicht nur auf der individuellen Entwicklung, sondern auf dem Team liegen. Im ersten Moment war ich irritiert: Da wird man in der Schule, im Studium und während seiner gesamten beruflichen Laufbahn für seine individuellen Leistungen gelobt. An einem bestimmten Punkt in der Karriere soll man jedoch seine gesamte Konzentration auf das Team richten, in dem man arbeitet? Wenn man in größeren Maßstäben denkt, würde man schneller vorankommen. Ich fand diesen Gedanken unglaublich faszinierend und ich muss sagen, er hat sich in meinem Berufsleben immer wieder bewahrheitet. Daher gebe ich diesen Rat jedem, den ich als Mentor oder Coach begleite, mit auf den Weg. Ich finde, dass in diesem Rat wieder der Unternehmergeist zum Tragen kommt: Wer unternehmerisch denkt und handelt und sein Augenmerk nicht nur auf seinen kleinen Mikrokosmos, sondern die gesamte Organisation richtet, trägt zu deren Erfolg bei – was gleichzusetzen ist mit dem eigenen persönlichen Erfolg.
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ENZO ENEA
Erschaffe Qualität, die die Menschen spüren Enzo Enea ist Inhaber und Geschäftsführer von Enea Landscape Architecture, einem international tätigen Unternehmen für ganzheitliche Landschaftsarchitektur mit Hauptsitz in Rapperswil-Jona und Büros in Zürich, Miami und New York. Enzo Enea, der Bäume sammelt und ein eigenes Baummuseum mit 75.000 Quadratmetern unterhält, studierte nach seiner Ausbildung zum Industriedesigner in London Landschaftsarchitektur. Er übernahm 1993 das Unternehmen von seinem Vater, das auf Steinmetzarbeiten und den Handel mit Gartenaccessoires aus Terrakotta und Stein spezialisiert war, und erweiterte es konsequent. Heute hat Enea etwa 250 Mitarbeitende aus zehn Ländern, die ihre Kunden auf fünfzehn Sprachen beraten können. Enea wurde 1998 mit dem Newcomer-Preis der renommierten Chelsea Flower Show in London ausgezeichnet. Außerdem erhielt der »Baumflüsterer«, wie ihn die Zeitung Die Welt einmal nannte, zahlreiche goldene und silberne Preise auf den Giardina-Messen von Basel und Zürich.
Das Wichtigste ist Qualität. Qualität ist dabei mehr als Werkstoffe und die Kunst, diese richtig zu verwenden. Qualität ist ein emotionales Erlebnis. Dieses Erlebnis hatte ich zum ersten Mal als Kind im Garten meiner Familie in Italien, als ich in einen Pfirsich biss. In diese Fleisch gewordene Sonne, die mich all die Mühen vergessen ließ, die es uns kostete, sie beim Wachsen zu unterstützten. Das Aufstehen um drei Uhr morgens, um der Hitze auszuweichen, die langen Fußmärsche zum Garten, weil der Garten einfach da war, wo die Bäume waren und nicht aus Bequemlichkeit in Plantagen vors Haus gepflanzt wurde. Vergessen war das mühsame Pflügen,
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Enzo Enea | 47 das Wasser holen, die unzähligen »Zanzare« (Stechmücken), der Durst, der Hunger, das verpasste Fußballspiel mit Freunden oder die Gram darüber, dass man nicht mit dem Bus ans Meer fahren konnte, um ein Eis zu essen. Dieser Pfirsich ließ mich all das vergessen und machte mir klar, was ich will. Dieses Erlebnis in die Welt hinaustragen. Ich will noch mehr schwitzen dafür, noch längere Fußmärsche in Angriff nehmen und noch früher aufstehen. Weil ich glaube, dass andere auch früh aufstehen und Fußmärsche auf sich nehmen. Aber ich glaube, nicht alle wissen, weshalb. Wenn sie in meinen Garten eintreten, werden sie es wissen. Mein Großvater hat mir schon sehr früh die Bedeutung von Qualität vermittelt – weniger in Worten als in seinem Tun – und bis heute ist höchste Qualität sowie Perfektion bis ins Detail mein Anspruch und Antrieb. Ich wurde später Industriedesigner und konnte in diesem Beruf funktionelle Dinge kreieren. Aber meine Bindung und Affinität zur Natur war zu stark und so entschied ich mich, diesen Beruf zu verlassen. Mein Vater war Steinmetz und importierte Gartenaccessoires von Töpfereien aus unterschiedlichen Ländern. Ich begleitete ihn dann eine Weile regelmäßig zu den Bildhauern und Töpfern und war fasziniert von der Präzision des Handwerks und den schönen Produkten, die die Landschaft um sie herum noch schöner machen. In mir entstand der Wunsch, auch die Umgebung dieser Handwerkserzeugnisse zu verschönern und die Gärten als Ganzes zu gestalten. Folgerichtig ging ich nach London und studierte Landschaftsarchitektur, im Anschluss übernahm ich das Unternehmen meines Vaters und baute es konsequent gemäß meinen Ansprüchen zu einer Produktionsstätte für Gärten als Ganzes aus.
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48 | Enzo Enea Heute haben wir Aufträge in aller Welt und dürfen ebenso renommierte wie interessante Projekte begleiten und deren Gärten in jedem Detail gestalten. Der unbedingte Qualitätsanspruch führte dazu, dass wir wirklich alles dafür in unserem Unternehmen anbieten können. Wir haben die besten Spezialisten für alle anfallenden Gewerke in unserem Team. Während die Architekten in die Zukunft denken und planen, überprüfen die Experten die Machbarkeit der Ideen und die Handwerker setzen die Ideen mit höchstem Qualitätsanspruch um. Ich möchte, dass die Menschen unsere Gärten lieben und die Gärten auch die Lebensqualität der Menschen steigern. Daher planen wir immer so, dass das Innen und Außen eines Hauses harmonieren und im Alltag funktionieren. Das fängt im Kleinen an: Der Essplatz im Garten muss in der Nähe der Küche im Haus sein, sonst ärgert sich der Bewohner im Alltag über die Entfernung. Die Fenster in den Häusern sind heute riesig und so hat man immer einen Ausblick in den Garten. Wenn der nicht mit dem Inneren des Gebäudes harmoniert, es sozusagen sinnvoll ergänzt und einfach erweitert, bleibt immer eine Spannung, in der man sich unwohl fühlt. Aber natürlich denken wir auch in größeren Zusammenhängen. Bäume sind beispielsweise ganz wichtig, weil sie so viel Sauerstoff produzieren. Alte Bäume produzieren natürlich viel mehr Sauerstoff als junge und verbessern das Mikroklima in einem Garten ganz wesentlich. Daher haben wir ein Verfahren entwickelt, mit dem man Bäume bis zu neunzehn Meter Höhe so umpflanzen kann, dass sie am neuen Standort überleben. Das verhilft den neu entstehenden Gärten dann gleich zu einer ganz anderen Atmosphäre. Es ermöglicht mir aber auch das Sammeln von Bäumen für unser Museum – wir haben Exemplare, die weit über einhundert Jahre alt sind. Viele davon sollten eigentlich ge-
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Enzo Enea | 49 fällt werden, aber wir konnten sie retten und ihnen einen Alterswohnsitz bieten. Mein Großvater hat mir mit seinem Gefühl für Qualität und seinen wundervollen Pfirsichen also ein riesiges Geschenk gemacht und mir den ersten Schritt auf dem Weg zu einem erfolgreichen und erfüllten Leben ermöglicht. Nur eines fehlt mir bis heute: Ich möchte in so einen perfekten Pfirsich beißen wie damals in den, der mir die Bedeutung von Qualität zeigte. Nie wieder hat mir eine Frucht so gut geschmeckt und natürlich hat mir kein anderes Stück Obst so viel bewusst gemacht. Vielleicht hätte ich den Kern des Pfirsichs als Talisman aufheben sollen?
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SERGIO ERMOTTI
Der beste Rat ist der, den man sich holt Sergio Ermotti ist seit der Umwandlung der UBS AG in eine Holdinggesellschaft im Jahr 2014 Group Chief Executive Officer der UBS Group AG. Zuvor war er ab November 2011 CEO der UBS, bei der er im April 2011 angefangen hatte. Von 2007 bis 2010 war er Group Deputy Chief Executive Officer von UniCredit in Mailand und verantwortlich für die strategischen Geschäftsbereiche Corporate and Investment Banking sowie Private Banking. Seine berufliche Laufbahn begann er 1987 bei Merrill Lynch und bekleidete dort verschiedene Positionen im Aktienderivate- und Kapitalmarktgeschäft. Sergio Ermotti, der über das eidgenössische Diplom als Bankfachexperte verfügt, hat das Advanced Management Programme der Universität Oxford abgeschlossen. Neben seiner Tätigkeit für die UBS ist er u. a. Verwaltungsratspräsident der Fondazione Ermotti in Lugano.
Was war der beste Rat, den ich je erhalten habe? Die möglichen Antworten auf diese Frage sind so vielfältig wie die Ratschläge selbst. Im Lauf des Lebens wird die Summe aller Ratschläge, Tipps und Empfehlungen immer größer. Was sich ändert, ist das Verhältnis zwischen Geben und Nehmen. Am Anfang profitiert man von den Erfahrungen anderer – oft ohne es zu wollen. Man wird in eine bestimmte Richtung beeinflusst, mit mehr oder weniger sanftem Druck. Die Eltern nennen das Erziehung. Als junger Mensch erhält man viele Ratschläge, auch solche, auf die man gut und gerne verzichten könnte. Schließlich müssen wir alle unseren eigenen Weg gehen, unsere eigenen Fehler machen. Gut gemeinte Ratschläge, die uns davon abhalten wollen, ignorieren wir erst recht. Später im Leben macht man die Erfahrung, dass man Ratschläge weitergibt, die man selbst einst erhalten hat. Freilich sind
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52 | Sergio Ermotti viele davon derart allgemeingültig, dass kaum jemand widersprechen würde. »Lerne Sprachen«, hieß es immer. Wer sich daran hält, macht bestimmt nichts falsch. Ich war schon früh fasziniert von Fremdsprachen. Gerade in der heutigen globalisierten Welt bleibt es einer der besten Ratschläge für junge Menschen: Lernt Sprachen, studiert im Ausland, wagt euch hinaus in die Welt – auch wenn oder gerade weil es bedeutet, die eigene Komfortzone zu verlassen. Wie man seine berufliche Zukunft gestalten soll, ist im Leben der allermeisten eine zentrale Frage. Idealerweise ist der Beruf nicht nur Broterwerb, sondern Berufung. Ein oft gehörter Rat lautet, sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren und auf das, was man gerne tut. Sich für das Richtige zu entscheiden setzt aber voraus, die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten richtig einzuschätzen. Ich selbst bin dem Bankgeschäft stets treu geblieben. Natürlich wusste ich nicht von Anfang an, wohin mein Weg mich führen wird. Aber ich habe immer versucht, in jeder Situation das Beste zu geben. Das kann jeder tun, auch wenn nicht jeder der Beste sein kann. Es hilft auch, sich Ziele zu setzen. Ambitionen sind gut, aber übertriebene Ambitionen führen oft zu Frustration, wenn Hoffnungen sich nicht oder nicht schnell genug erfüllen. Dann ist Geduld gefragt, nicht zu verwechseln mit Resignation. Jemandem mit Rat und Tat zur Seite zu stehen – diese Formulierung gefällt mir. Und sie gehört auch in meinem Beruf als Banker zum Alltag. Die Verbindung von Rat und Tat ist deshalb so wichtig, weil auch die beste Empfehlung nichts bringt, wenn die konkrete Umsetzung auf der Strecke bleibt. Ich habe erlebt, dass Menschen, die verunsichert sind, im Zweifel lieber gar nichts tun – aus Angst, etwas falsch zu machen. Lange hin und her überlegen ist keine Alternative. Denn dann droht Para-
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Sergio Ermotti | 53 lyse durch Analyse. Was also tun, wenn die Lösung nicht auf der Hand liegt? Meine Antwort darauf ist die über Jahre gewachsene Einsicht, die ich gerne mit anderen teile: Der beste Rat ist der, den man sich holt. Fragen Sie andere um Rat, wenn Sie nicht weiterwissen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, im Gegenteil. Aber wählen Sie Ihre Berater sorgfältig aus. Und messen Sie die Qualität der Ratschläge stets daran, ob und wie gut diese auf Ihre eigenen Bedürfnisse und Ziele zugeschnitten sind. Dies zu beurteilen, kann Ihnen kein Berater abnehmen.
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ROLAND FISCHER
Das Interessante im Leben liegt im Nichtlinearen Roland Fischer ist CEO des Oerlikon Konzerns. Davor war er in mehreren Führungsfunktionen bei der Siemens AG tätig. Vor seiner Zeit bei Siemens hatte er diverse Managementpositionen bei MTU Aero Engines AG in Deutschland und Malaysia inne. Roland Fischer verfügt über einen Abschluss in Aeronautical Engineering der Universität Stuttgart und einen Doktortitel in Aeronautical Engineering der Universität Karlsruhe.
Als den besten Rat, den ich je bekam, empfinde ich einen Satz, den mir der Maler und Grafiker Klaus Heider aus Göppingen sagte: »Das Interessante im Leben liegt im Nichtlinearen.« Da ich als Luftbauingenieur eher mathematisch gebildet bin, gefiel mir dieser Satz sehr gut. Demnach ist die Fortschreibung dessen, was der Erfahrungsschatz hergibt, das Lineare, das Naheliegende, der logische nächste Schritt. Doch das Interessante, das, was einen auszeichnet, was dem Leben Würze gibt, was wirklich Impulse setzt, liegt im Nichtlinearen – in Schritten und Entscheidungen, die Mut erfordern, manchmal auch Bekanntes und Vertrautes zerstören, dafür aber Neues und Spannendes entstehen lassen. Wenn ich so zurückblicke, zieht sich dieser Satz wie ein Leitmotiv durch mein Leben. Ich bin jemand, der schon immer Dinge gemacht hat, die etwas unkonventionell waren. Mein Studium habe ich beispielsweise einmal unterbrochen, um mit dem Rucksack durch Afrika zu ziehen. Nach dem Studium schlug ich eine Promotionsstelle aus und promovierte stattdessen berufsbegleitend. Viele sagten mir damals, ich solle das nicht ma-
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Roland Fischer | 55 chen; diese Doppelbelastung würde viele zum Scheitern bringen. Doch ich dachte mir: »Was alle machen, das ist ganz nett, aber zu mir passt es eher, andere Dinge auszuprobieren und Grenzen auszutesten.« Auch später, im Berufsleben ging ich selten den logischen nächsten Schritt. Nach zwanzig Jahren bei der MTU Aero Engines AG in München – quasi in der Blüte meiner Karriere – kündigte ich dort und wechselte die Firma. Ich ging zu Siemens, allerdings in einer Phase, in der sich Siemens aufgrund der Compliance-Problematik in einer tiefen Krise befand. Ob im privaten oder im beruflichen Umfeld: Jeder riet mir damals davon ab. Im Nachhinein stellte sich dieser Schritt, der nach dem allgemeinen Verständnis weder naheliegend noch logisch war, als goldrichtig für mich heraus: Mir eröffneten sich völlig neue Perspektiven. Ich muss aber auch klar sagen, dass ich Glück hatte. Es birgt zugegebenermaßen ein gewisses Risiko, eine erfolgreiche Konzernkarriere zu unterbrechen. Zunächst ist es ein Rückschritt, in einen anderen Konzern zu wechseln. Man gibt ein über viele Jahre gewachsenes Netzwerk größtenteils auf und muss mit wenigen Kontakten neu starten. Ich war noch halbwegs jung, hatte eine gute Ausbildung, war fleißig und arbeitswillig. Ich bin kein Sicherheitsfanatiker – also, was sollte mir schon passieren? Den Konzern zu wechseln war meine bewusste Entscheidung. Ich hatte mit Mitte vierzig eine große Neugierde und Unruhe in mir, nochmal etwas zu wagen, nochmal neu anzufangen, nochmal zu schauen, ob mir nicht irgendwo aufs Neue eine andere Karriere gelingt. Ich war in einem Alter, in dem man sich fragt: »Was möchte ich noch erreichen in meinem Leben?« Hätte ich es damals nicht probiert – die Frage würde mich heute noch umtreiben!
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56 | Roland Fischer Das Nichtlineare, manchmal auch Destruktive, ist bei der Entwicklung von Oerlikon ebenfalls ein prägendes Element. Gerade die Digitalisierung und Globalisierung sind Themen, die bisweilen große Veränderungen erfordern, um Marktanteile zu halten und konkurrenzfähig zu bleiben. Der nächste lineare Schritt wäre etwa, einfach nur graduelle Verbesserungen einzuführen. Ich denke, da müssen wir weiter denken, auch schon mal Bekanntes und Vertrautes aufgeben und wirklich andere Ansätze, Ideen, Geschäftsmodelle und Märkte entwickeln. Die Bequemlichkeit und die Vorsicht haben uns bisher daran gehindert. Seit Jahrzehnten beliefern wir in Zentraleuropa erfolgreich die großen Automobilhersteller wie BMW, Daimler, Volkswagen et cetera. Die Kunden sind zufrieden, unsere Technologie ist sehr gefragt. Jetzt haben wir den Schritt gewagt, haben uns aus unserer Komfortzone herausbewegt und gehen stärker nach Asien mit unserem Angebot. Der Mut zu diesem nichtlinearen Schritt trägt Früchte und zeigt, dass es sich lohnt, die Komfortzone zu verlassen. Dies hat nicht zuletzt auch eine starke kulturelle Dimension. Vor Jahren setzten wir deshalb ein Change-Projekt auf. Daraus entstand unter anderem auch die Erkenntnis, dass wir unter unseren Möglichkeiten agieren. Mittlerweile ist unsere Haltung die, dass wir neugierig und smart genug sind, um unsere Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen. Solche Veränderungen voranzutreiben setzt voraus, dass die Führungskräfte Kontinuität und Verlässlichkeit in den Werten vorgeben und vor allem vorleben. Darum versuche ich immer, meine Werte in die Firma zu implementieren und danach zu leben. Spüren die Mitarbeiter den Rückhalt und das Vertrauen des Unternehmens, dann fällt es ihnen leichter, Schritte zu wagen, die nichtlinear sind und neue Chancen eröffnen.
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RETO FRANCIONI
Analysiere immer zuerst deinen Auftrag Reto Francioni ist Verwaltungsratspräsident der Fluggesellschaft Swiss, ein Amt, das er auch bei der Schweizer Börse SIX bekleidet hatte. Derzeit gehört er unter anderem den Verwaltungsräten der Großbank UBS und der MedTech Innovation Partners an. Von 2005 bis 2015 arbeitete er als Vorstandsvorsitzender (CEO) der Deutschen Börse AG, zuvor hatte er diverse Leitungs-Positionen bei der Nürnberger Consorsbank, bei Hoffmann-La Roche und bei der Credit Suisse inne. Der in Zürich geborene Manager promovierte in Jura und hält seit 2006 eine Professur für angewandte Kapitalmarkttheorie an der Universität Basel.
Ich sage es gern: Ich liebe guten Rat. Gute Ratgeber sind – nur knapp nach der Familie – das Beste, was einem Unternehmer und Manager passieren kann. Von guten Ratgebern gibt es nicht viele. Wenn Sie einen guten Ratgeber, einen klugen, aufrichtigen, erfahrenen, reflektierten Ratgeber gefunden haben, den Sie respektieren, dann mein Rat: Hegen und pflegen Sie ihn gut! Ein guter Rat kommt übrigens oft nicht auf den ersten Blick erkennbar als solcher daher. Oft ergibt er sich spontan aus Situationen des Lebens, oft dort, wo man ihn nicht erwartet. Um ihn zu erkennen, braucht es Offenheit, Selbstreflexion, oft auch die Überwindung, über das nachzudenken, was einem erst einmal nicht passt. Ich mag dreiundzwanzig, vielleicht vierundzwanzig Jahre alt gewesen sein, war durchtrainiert damals, und stand am Anfang der Offiziersschule. An einem heißen Tag und nach harten körperlichen Anstrengungen war ich komplett außer Atem. Da erwartete mich unser Ausbilder und Klassenlehrer, seines Zeichens
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58 | Reto Francioni Hauptmann im Generalstab, am Ziel und nahm mich zur Seite. Einigermaßen zufrieden mit meiner Leistung, hoffte ich auf ein paar lobende Worte. Aber es kam anders, viel besser! Ich sollte in dieser Stunde den besten Rat meines Lebens bekommen. Mein Klassenlehrer überraschte mich mit der Frage: »Aspirant Francioni, was machen Sie als Erstes bei der Lagebeurteilung?« Völlig perplex stand ich, salopp formuliert, komplett neben meinen Militär-Schuhen. Und offenbar dauerte ihm mein sekundenlanges Zögern zu lange, und er beantwortete die Frage zackig selbst: »Das erste Element der Lagebeurteilung ist die Analyse des Auftrags: Zuerst analysieren Sie immer den Auftrag! Und vergessen Sie das nie, Aspirant Francioni!« Dann drehte er sich um und ging. Um ehrlich zu sein: Ich war damals wohl noch zu jung, zu unerfahren, um zu verstehen, was er wirklich meinte. Zudem war ich der Meinung, dass ich die mir erteilten Aufträge gut umsetzte. Erst recht hatte ich nicht verstanden, dass ich soeben den besten Rat meines Lebens erhalten hatte. Die Militärzeit verging, ich war Offizier und Kommandant geworden, übernahm erste Führungsaufgaben in der Industrie, dann weiterführende Verantwortung in der Finanzwirtschaft. Da fiel mir in einer extrem schwierigen und wichtigen Entscheidungssituation dieser gute Rat wieder ein, ich wendete ihn konsequent und erfolgreich an, und er begleitet mich seither seit vielen Jahrzehnten. Denn seien wir ehrlich: Was ist das Managen eines Unternehmens anderes als eine immer wiederkehrende Überprüfung und Anpassung von richtiger Strategie, richtiger Taktik, richtiger Aufstellung, der Suche und Beauftragung guter Mitarbeiter – ganz ähnlich wie bei militärischen Aufgaben. Nur: Das alles nützt überhaupt nichts, wenn man nicht weiß und versteht, was der eigentliche Auftrag ist.
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Reto Francioni | 59 Zu verstehen, was wirklich der Auftrag ist: Damit fangen viele Probleme von Unternehmen und Konzernen bereits an. Die Menschen, denen man Verantwortung überträgt, neigen dazu, die Analyse des Auftrags zu schnell oder zu oberflächlich durchzuführen oder sogar zu umgehen. Viele Entscheidungsträger etwa neigen dazu, einen Auftrag nicht zu analysieren, sondern nach Erteilung von ganz oben zunächst zu interpretieren. Zumeist erfolgt das so, dass er sich der eigenen Auffassung oder vorgefassten Meinung irgendwie annähert und sich damit still und leise vom eigentlichen Auftrag entfernt. Die nächste Ebene macht es dann ebenso, mit dem Ergebnis weiterer Abweichungen, und schon auf der vierten Ebene kommt ein vollständig anderer Auftrag an, als es die erste Ebene gewollt hat. Man nennt diesen wundersamen Prozess »Exegese«, also die Auslegung des Auftrags, getreu dem Motto: »Was könnte der ursprüngliche Entscheider mit seinem Auftrag wohl gemeint haben?« Interessanterweise kann das, was mit »Analysieren Sie den Auftrag!« gemeint ist, noch so klar sein: Die Auslegung findet – oft genug interessengesteuert – trotzdem statt. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten ist in vielen Konzernen eine weitere Spielart dazugekommen, deren eigentliches Ziel die Ablenkung von eigener Verantwortung und oft auch Unzulänglichkeit auf höchster Ebene ist. Sie nennt sich »Beauftragen Sie einen Analysten!« – und steht damit im klaren Gegensatz zu »Analysieren Sie den Auftrag!«. Das Ergebnis: Alles und jedes wird analysiert, noch einmal und dann noch einmal analysiert – bis das Problem sich von selbst so entwickelt hat, dass es ohnehin nicht mehr zur Analyse passt und das Ganze von Neuem beginnt. Damit kann man sich vielleicht ein Weilchen über Wasser halten, aber die Zeit läuft gegen den Auftragsempfänger und am Ende säuft man damit ab.
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60 | Reto Francioni Was bedeutet »Analyse des Auftrags« denn nun wirklich? Stellen Sie sich einen – sagen wir nicht ganz so einfachen – Auftrag vor, also etwa: »Steigern Sie den Marktanteil Ihres Geschäfts im asiatischen Markt in den nächsten drei Jahren um fünfzehn Prozent pro Jahr.« Was sollte dann erfolgen? Zunächst mache ich einen Soll-Ist-Vergleich und beantworte die Frage: Um was geht es? Bei Unklarheiten ist jetzt der Moment für Rückfragen. Dann folgt die eigentliche Auftragsanalyse: Was ist mein Beitrag im Gesamtrahmen; für welchen Teil der Gesamtlösung bin ich zuständig? Wann habe ich die von mir erwartete Leistung erfüllt? Innerhalb welchen Rahmens habe ich Handlungsfreiheit und wo nicht? Wo und wie werde ich unterstützt? Die Antworten stelle ich dann in Bezug zu den Mitteln und Möglichkeiten der Konkurrenz im Rahmen der geltenden Umweltbedingungen und der Zeitverhältnisse, um dann darauf basierend – gleichermaßen als relevante Antwort – eigene Möglichkeiten (in Varianten) zu erarbeiten. Danach bewerte ich die Varianten und entscheide mich für die beste. In der konkreten Umsetzung kann das dann so aussehen: Man arbeitet die Kernpunkte heraus, konzentriert sich auf das Wesentliche und setzt Prioritäten und zwar in dieser Reihenfolge: »Do the right things!« (= Effektivität). Und erst dann »Do the things right!« (= Effizienz). Wichtig ist dabei, Missverständnisse zu vermeiden und zu verhindern, dass mit Hingabe am Falschen gearbeitet wird. Probleme dürfen nicht zerredet werden, sondern es werden gezielte, kontrollierbare Lösungsansätze entwickelt. Stets erfolgt eine Sichtung der zur Verfügung stehenden Mittel im Rahmen der aktuellen Umweltbedingungen. Keineswegs zuletzt erstellt man einen realistischen Zeitplan und überprüft diesen regelmäßig. Nötigenfalls entwickelt man
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Reto Francioni | 61 Sofortmaßnahmen, um bei Fehlentwicklungen gegenzusteuern. Und: Die Lagebeurteilung ist ein permanenter Prozess! Mir ist die Weitergabe des Rats so wichtig, weil es sich mit der Auftragsanalyse verhält wie mit dem ersten Knopfloch beim Zuknöpfen eines Hemds: »Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande«, sagte Johann Wolfgang von Goethe.
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CHRISTOPH FRANZ
Bewahre Bodenhaftung Christoph Franz ist seit 2014 Verwaltungsratspräsident von Roche. An sein Studium und die Promotion an der TU Darmstadt schloss er einen Post-Doc-Aufenthalt an der University of California (Berkeley) an, bevor er 1990 bei der Lufthansa seine Berufslaufbahn begann. Es folgten Führungspositionen bei der Deutschen Bahn AG und als CEO der Swiss International Airlines. 2009 kehrte Christoph Franz als Chef der Airline zur Lufthansa zurück, deren Vorstandsvorsitzender er von 2011 bis 2014 war. Der fünffache Vater ist Mitglied des Beirats der Universität St. Gallen, wo er auch als Honorarprofessor tätig ist. Außerdem ist Christoph Franz Vizepräsident des Verwaltungsrats der Zurich Insurance Group, Mitglied des Verwaltungsrats der Stadler Rail AG und Mitglied des Conseils im Internationalen Komitee vom Roten Kreuz.
Der Mann, der mir viel mit auf den Weg gegeben hat, starb bereits im Jahr 547. Er war Einsiedler, Abt und Ordensgründer. Und er verstand etwas von Mitarbeiterführung. Benedikt von Nursia, der Vater der weltberühmten Benediktinerregeln, verteilte zwar keine Ratschläge – wer jedoch sein Regelwerk aufmerksam liest und auf die heutige Zeit, auf das heutige Management anwendet, wird gut beraten sein. Als eine der Haupttugenden beschreibt Benedikt die Demut. Der Begriff wirkt etwas angestaubt – ich würde das heute mit Bodenhaftung (»down to earth«) und Bescheidenheit beschreiben. Als ich Anfang zwanzig das erste Mal dieses kleine Regelwerk in der Hand hielt, maß ich dem Kapitel sieben über die Demut noch keine so große Bedeutung zu. Bodenhaftung und Respekt vor anderen Menschen, das hatten mir bereits meine Eltern mitgegeben. Das waren also Selbstverständlichkeiten.
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64 | Christoph Franz Erst später habe ich die Erfahrung gemacht, dass Bodenhaftung zu bewahren nicht unbedingt jedermanns Sache ist. Es gibt in Deutschland diesen Spruch: »Ist er noch Mensch oder ist er schon Vorstand?« Das ist mir in meinem Berufsleben mehrfach in Erinnerung gerufen worden. Ich konnte beobachten, dass Führungskräfte, die die Karriereleiter hochsteigen, andere Verhaltensmuster entwickeln. Und irgendwann entsteht die Gefahr, an die eigene Propaganda zu glauben, zu meinen, etwas Besseres zu sein. Dieses Phänomen hat mich oft erstaunt. Man gibt den Anstand, die Integrität, das »Ich« nicht an der Firmengarderobe ab. Und ein wohlklingender Titel auf der Visitenkarte ist kein Grund abzuheben, sondern Verantwortung zu übernehmen. Bodenhaftung sollten auch gerade jene bewahren, die vom Erfolg verwöhnt werden – auf dass sie das richtige Augenmaß nicht verlieren. Und in diesem Sinne hat die Benedikt’sche Regel auch heute noch Bestand: Bescheidenheit und Demut sind keine überholten, altmodischen Tugenden, sondern sollten zur charakterlichen »Grundausstattung« einer jeden Führungskraft gehören.
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Über den Autor Dr. Frank Arnold gilt als einer der anerkanntesten Unternehmensberater Deutschlands und der Schweiz. Er berät Vorstände zu den Themen Strategie und Kultur. Zu den Kunden seiner Unternehmensberatung ARNOLD Management gehören zahlreiche internationale Unternehmen des Mittelstands sowie börsennotierte Konzerne. Frank Arnold ist außerdem als Verwaltungsrat tätig. 2014 gründete er das Non-Profit-Netzwerk für Unternehmer Zürcher Kreis (www.zuercher-kreis.ch). Seine Bücher erscheinen weltweit in vielen Sprachen. Der internationale Bestseller Management – Von den Besten lernen (What Makes Great Leader Great) wurde mit dem Buchpreis »Beste Bücher des Jahres« ausgezeichnet und ist mittlerweile unter dem Titel Management – Die Top Tools der Besten in einer Neuausgabe erschienen. Der beste Rat, den ich je bekam wurde zum Spiegel-Bestseller. Mit seinen Büchern und über hundertfünfzig Publikationen in führenden Medien wie Neue Zürcher Zeitung, Manager Magazin, Spiegel Online, Capital und Bilanz hat er das Führungsverständnis vieler Manager beeinflusst. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler arbeitet als Executive Coach sowie in der Team-Entwicklung und ist international als Redner gefragt. Mehr Informationen finden Sie unter www.arnoldmanagement.com und unter www.frankarnold.com. Frank Arnold, geboren 1973, ist Vater von zwei Kindern und lebt mit seiner Familie in Zürich. Er ist leidenschaftlicher Triathlet und Rennradfahrer.
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Wertvoller Rat von Schweizer Denkern und Machern Die Frage »Was war der beste Rat, den Sie je bekamen?« lässt niemanden unberührt. Ganz im Gegenteil: Sie lädt dazu ein, den eigenen Lebensweg und die Karriere Revue passieren zu lassen – und so zu spannenden Erkenntnissen zu kommen. In seinem neuen Buch hat Frank Arnold dazu faszinierende, sehr persönliche Gespräche mit 60 Unternehmern und Top-Managern aus der Schweiz geführt – darunter RivellaVerwaltungsratspräsident Alexander Barth, Rega-CEO Ernst Kohler, SBB-CEO Andreas Meyer und Google-Schweiz-Chef Patrick Warnking. Sie alle geben hier freimütig ihr wertvolles Wissen weiter und beschreiben eingehend, wie der beste Rat ihres Lebens sie beeinflusst und ihr Leben verändert hat. Unschätzbare Anregungen für jeden, der für die eigene Laufbahn und das gesamte Leben profitieren möchte! Pressestimmen zu Frank arnolds Büchern: »das originelle Buch ist eine kluge und unaufdringliche anleitung zum erfolg. Für top-manager genauso empfehlenswert wie für nachwuchskräfte.« NZZ am SoNNtag über Management – Die Top-Tools der Besten
»Wirtschaftsbosse unplugged: (…) ein kompendium einprägsamer Botschaften, das zum nachdenken anregt.« maNager magaZiN zu Der beste Rat, den ich je bekam
€ 17,90 [D] € 18,50 [A]
ISBN 978-3-03876-528-8
www.midas.ch