Leseprobe zu »Märchen für Macher«

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Was wir aus Märchen für den Alltag lernen können Midas


Märchen für Macher Was wir aus Märchen für den Alltag lernen können © 2020 Midas M anagement Verlag AG ISBN 978-3-03876-532-5

Lektorat/Redaktion: The Right Way GmbH Coverdesign: Stefan Hilden Layout: Ulrich Borstelmann Druck und Bindung: CPI GmbH Printed in Germany

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in Seminarunterlagen und elektronischen Systemen. Midas Verlag AG, Dunantstrasse 3, CH 8044 Zürich Mail: kontakt@midas.ch, Website: www.midas.ch, Social Media: @midasverlag


Inhalt

Weibliches Gespür – als Emilia sich nicht mehr kleinmachen ließ . . . . . . . . .

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SCHNEEWITTCHEN

Des Chefs traumhafte Ausstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 DES KAISERS NEUE KLEIDER

Paul und die Jagd nach fremdbestimmter Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 DIE GEISTER DIE ICH RIEF

Rumpelstilzchen Reloaded . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 RUMPELSTILZCHEN

Die kalte Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 EIN FREI ERFUNDENES MÄRCHEN

Frau Wolkenstaub oder warum Sein erfolgreicher macht als Schein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 FRAU HOLLE

Digga L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 BRUDER LUSTIG

Der Schöne und die Biestige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 DIE SCHÖNE & DAS BIEST

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Eine Geistergeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 WEIHNACHTSMÄRCHEN

Prinzessin Perlenschön – aus der Küche ins Rampenlicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 ASCHENPUTTEL

Die kleine Meerjungfrau und Eveline . . . . . . . . . . . . . . . . 147 DIE KLEINE MEERJUNGFRAU

Klara und der verlorene Traum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 DER FROSCHKÖNIG

Die Geschichte von Rosa, die nicht beschützt werden wollte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 DORNRÖSCHEN

Natalies Umweg zu sich selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 DAS HÄSSLICHE ENTLEIN

Hirngespinste gegen Glück und Unglück . . . . . . . . . . . . . 195 DER TEMPEL MIT DEN 1000 SPIEGELN

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Weibliches Gespür – als Emilia sich nicht mehr kleinmachen ließ Vertrau deinem Potenzial und verkauf dich nicht unter Wert!

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s war einmal ein wunderschönes talentiertes Mädchen, das hieß Emilia. Emilia arbeitete bei einem kleinen Fernsehsender. Die junge Frau war nach ihrem Musikstudium durch Zufall auf diesen Job gestoßen, war doch zunehmend klar, dass sie es in der Musik niemals schaffen würde, eine Position in einem guten Orchester zu ergattern. Zu groß war die Konkurrenz. Ihre Liebe zur Musik war zwar gegeben, konnte aber die Mühen mit der täglichen Plackerei am Instrument und dem starken Wettbewerb nicht aufwiegen. Doch das Schicksal hatte mehr mit ihr vor. Sie begegnete einem Kameramann, der den Kontakt zu dem kleinen Fernsehsender herstellte. Für das Bewerbungsgespräch war die Produktionsleiterin verantwortlich. Eine ehrgeizige machthungrige Frau mittleren Alters, die ganz an die Spitze wollte und mit ihrer aufgesetzten Freundlichkeit zum Ausdruck brachte, dass sie keine anderen Götter neben sich dulden würde. Sie hatte Emilia zehn Mal zum Bewerbungsgespräch antreten und sich beweisen lassen. Emilia war ein freundliches, zurückhaltendes Wesen ohne irgendwelche Erfahrung im Berufsalltag. Mit ihrer naiven Art hatte die junge Frau diesen Bewerbungsprozess nie hinterfragt und wäre wahrscheinlich noch öfter gekommen, hätte der Geschäftsführer nicht

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Schneewittchen

von Anke Ames

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ihr Potenzial entdeckt. Er engagierte sie kurzerhand und stellte sie direkt vor die Kamera – sehr zum Missfallen der Produktionsleiterin. Er war sogleich fasziniert von Emilias natürlicher Ausstrahlung. Die Kamera liebte sie und sie liebte die Kamera. Da er aber wegen der Expansion seiner Geschäfte oft auf Reisen war, war Emilia der Produktionsleiterin unterstellt, die vorwiegend das Tagesgeschäft des Regionalsenders leitete. Diese ließ sich von ihrem Personal ausschließlich »Chefin« nennen. Sie war narzisstisch veranlagt und pickte sich die Kunden heraus, die den meisten und leichtesten Umsatz versprachen. Außerdem ließ sie es sich nicht nehmen, die Sendungen zu moderieren, die ihr das meiste Aufsehen einbrachten und dafür sorgten, dass ihre Macht von Tag zu Tag wuchs. Das war keine Besonderheit, denn sie stellte nur Personal ein, das keine Gefahr für ihre Position darstellte. In der Regel waren das Praktikanten und Azubis. Ihre Mitarbeiter hatten kein leichtes Leben. Überstunden und miese Bezahlung waren an der Tagesordnung. Die Chefin gab ihren Leuten, die aufgrund ihrer Jugend völlig idealistische Vorstellungen von der Arbeit bei einem TV-Sender hatten,Tagesaufgaben, die völlig unmöglich zu bewältigen waren. Nicht ein Beitrag, wie sonst üblich in der Branche, sondern gleich drei inklusive Außendrehs sollten pro Volontär an einem Arbeitstag fertig gestellt werden. Wie, das überließ sie diesem hochmotivierten stets belastbaren »Jungvolk«, wie sie es ketzerisch bezeichnete. Wer nicht spurte, dem führte die Chefin in aller Deutlichkeit vor Augen, dass diese den Sender jederzeit verlassen könnten. Die Warteschlange an potentiellen Nachfolgern sei schließlich lange. Sie habe einen Riesenstapel an Bewerbungen auf dem Tisch. Eines Tages gewann Emilia den ersten Preis bei einem Medienwettbewerb – sehr zum Missfallen der Chefin. Zum ersten Mal befürchtete diese, dass das junge Ding ihr gefährlich werden könnte. Die Chefin schloss sich in ihrem großen Büro ein. Sie war groß, hatte eine weibliche Figur und trug das blond gesträhnte Haar stets hochtoupiert nach oben, um ihrer Extravaganz Ausdruck zu verlei-

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hen. Ihr modebewusster Kleidungsstil verriet einen prall gefüllten Geldbeutel. Zu schwarz – ihrer bevorzugten Farbwahl– trug sie ausschließlich Designertasche, -schuhe und Accessoires. Das teuerste war gerade gut genug, geschminkt war sie so als käme sie direkt vom Fotoshooting bei der Vogue. Ihr repräsentatives Büro entsprach ihrer Optik. Es lag im obersten Stock des Bürogebäudes, hatte eine phantastische Aussicht auf Fluss und die gesamte Innenstadt und war mit weißen Designermöbeln ausstaffiert. Die Hauptarbeitsräume der Mitarbeiter für das Schneiden der Beiträge hingegen lagen klein und schlecht belüftet im Keller. Nach dem Desaster mit dem Wettbewerb schimpfte die Chefin vor sich hin. Eigentlich sollte ihr persönlicher Referent den Wettbewerb gewinnen, ein Jasager, der ihr auf Schritt und Tritt folgte und von dem nie Gegenwehr zu befürchten war. Was war das nur für eine Bande von Idioten, die nicht die Fakten und die Struktur des Referenten-Beitrags würdigten, sondern dem »Emotions-Gesülze« dieses Mädchens Vorrang gab. Sie musste sich wieder beruhigen und ihrer Profilierungssucht nachkommen. Später würden Kunden kommen, diese konnte sie unmöglich in ihrer momentanen Verfassung empfangen. Was niemand wusste: In einem ihrer Schränke befand sich ein Zauberspiegel, der Auskunft über das Potential eines Menschen gab. Sie öffnete die Schranktür, trat vor den Zauberspiegel – auf der Stirn eine herausgetretene Ader, die ihrem angestauten Ärger über den verlorenen Wettbewerb Ausdruck verlieh. Entschlossen fragte sie: »Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist die Beste im ganzen Land?« Der Spiegel fing zu leuchten an und antwortete: »Ihr – Frau Chefin – seid die Beste hier. Aber Emilia ist tausend Mal besser als Ihr!« Die Chefin schrie vor Zorn und tobte. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, begann sie Pläne zu schmieden. Das Mädchen musste aus dem Weg geräumt werden. Also beauftragte sie ihren Referenten, Emilia sofort zu entlassen und dafür

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zu sorgen, dass sie beruflich nie wieder ein Bein auf den Boden setzen würde. Am besten nicht nur in der Region sondern über alle Landesgrenzen hinaus. Sollte dem Mädchen etwas passieren, bei einem Autounfall oder so, wäre das auch passend, Hauptsache sie sei aus dem Verkehr gezogen. ***

Dem Referenten war nicht wohl in seiner Haut. Er steckte in der Zwickmühle. Einerseits hatte er Mitleid mit dem Mädchen. Er konnte auch die Leistung von Emilia anerkennen, bewunderte ihre Begabung, die Menschen im Interview für sich einzunehmen, ihnen emotionale Botschaften zu entlocken, die er nie erhalten würde. Ihre Kamerapräsenz war einzigartig. Auf der anderen Seite war da seine Chefin. Es gefiel ihm, dass er ihr persönlicher Referent war und machte sich Hoffnungen auf weitere Karriereschritte. So entschied er sich für die ungefährlichste Variante. Er informierte einen Insider über den angeblichen Betrug besagter Mitarbeiterin, die deswegen unehrenhaft entlassen worden sei. Im Anschluss teilte er Emilia mit, dass man sie des Betrugs überführt habe, ihr aber niemand etwas Böses wolle, deswegen sehe man auch von einer Anzeige ab. Bedingung: Sie solle noch heute ihr Zeug packen und die Region sofort verlassen. Sonst könne er nichts weiter für sie tun. Emilia war verzweifelt. Sie hatte nicht betrogen und konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wie die Anschuldigung, sie habe 12.000 Euro der Kasse entnommen, zustande gekommen war. Da sie keinen Ausweg sah, packte sie ihre Sachen und zog in eine weit entfernte Stadt, in der sie niemanden kannte. Sie nahm sich ein kleines Zimmerchen in einer Herberge und kam fast um vor Scham und Angst. Nachts lungerten zwielichtige Gestalten vor dem Haus herum. Die Typen tranken regelmäßig über den Durst und machten ihr zweideutige Angebote, sobald sie vor die Tür trat. Emilia wagte sich kaum noch aus dem Haus.

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Eines Morgens – Emilia musste ihr Zimmer verlassen, um sich ein paar Dinge für den Alltag zu besorgen – bedrohte sie einer dieser Kerle und versuchte sie zu packen. Sie konnte gerade so entkommen und lief um ihr Leben. Erst nachdem sie schon weit aus der Stadt gelaufen war, traute sie sich anzuhalten, um wieder zu Atem zu kommen. Orientierungslos schaute sie sich um. Die Umrisse der Stadt waren nur noch klein und verschwommen am Horizont zu erblicken, ansonsten waren weit und breit nur Hügel, Felder und Büsche. An einer Weggabelung blieb sie stehen und zögerte. Sie entschied sich für einen schmalen Feldweg, der direkt in den Wald führte. Egal, dachte sie, ich möchte nur nicht wieder in dieses Elend zurück. Nach einer Weile stieß sie auf eine Lichtung, auf der ein kleines Gasthaus stand. Haus war übertrieben, der Grund war zwar gemauert, aber ansonsten glich es eher einer größeren Holzhütte. Friedlich und einladend stand die Hütte auf der Lichtung umrahmt von Laubbäumen. »Die Sieben Zwerge« las Emilia auf dem Schild über der Eingangstür. Sie schaute sich um. Es schien niemand da zu sein. Das Gasthaus öffnete wohl erst in den Abendstunden. Emilia kam fast um vor Hunger und Durst. Sie hatte eine lange Wegstrecke hinter sich und musste unbedingt etwas trinken. Vorsichtig rüttelte sie an der Tür. Und tatsächlich – sie ließ sich öffnen. Zaghaft rief Emilia: »Hallo? – Jemand da?« Sie horchte. Als niemand antwortete, betrat sie leise den Gastraum und schaute sich um. Keiner da. An der Theke fand sie einen Wasserhahn und trank erst einmal, um wieder zu Kräften zu kommen. Im Kühlschrank darunter entdeckte sie belegte Brötchen. Sie nahm sich eines und biss herzhaft hinein. Das tat gut. Als der erste Hunger gestillt war fiel ihr Blick auf die Gaststube. Gemütlich, dachte sie. Aber was für ein Chaos. Und irgendwie fehlte die weibliche Note. An der Spüle stapelte sich das dreckige Geschirr, auf den Tischen lagen fleckige Tischdecken und die Aschenbecher quollen über.Trotzdem spürte Emilia, dass hier eine gute Atmosphäre herrschte. Durch die kleinen Fenster drangen Sonnenstrahlen, die

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den Raum in ein freundliches Licht warfen. Emilia fühlte sich auf Anhieb wohl und sicher. Sie wartete. Aber als auch gegen Mittag noch niemand eintraf, machte sie sich daran, die stehen gebliebenen Arbeiten zu verrichten. Sie kippte die Asche aus den Aschebechern, spülte das Geschirr und die Gläser, drehte, weil sie nicht wusste, wo andere Tischdecken zu finden waren, die Decken zumindest auf die saubere Seite. Not macht erfinderisch und weil sie von Minute zu Minute wieder mehr Mut fasste, ging sie nach draußen, pflückte ein paar Wald- und Wiesenblumen und stellte sie in die frisch gespülten Gläser auf die Tische. Nach all der Aufregung und Arbeit merkte sie auf einmal wie müde sie wurde und legte sich auf eine Bank. Sie fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf. ***

»Die Sieben Zwerge« hatten ihr Tageswerk verrichtet. Sie alle hatten Jobs, die ihnen den Lebensunterhalt sicherten, sie aber nicht ausfüllten. Deswegen hatten sie ihre Arbeit reduziert und betrieben an den Wochenenden und an zwei Abenden unter der Woche das Waldgasthaus. Es warf keine Riesenumsätze ab, aber es machte allen sieben kleinwüchsigen Männern – die ihre eigene Körpergröße beim Benennen der Gaststätte humorvoll aufs Korn genommen hatten – einen Heiden Spaß: Von Bernd dem Koch über Jens, dem Jungkoch, von den zwei Servicekräften Thomas und Erich und den beiden Zapfern Klaus und Fritz bis hin zu Georg dem Chef, der die gesamte Buchhaltung machte und nach außen den Hut aufhatte. Sie liebten die Abwechslung zu ihren sonstigen Jobs und die Gemeinschaft, die sich mit ihren Stammgästen über die Jahre gebildet hatte. Insgeheim träumten alle, dass sie ihre normale Arbeit irgendwann aufgeben könnten, aber dazu war die Gaststätte zu weit abgelegen. Dennoch wollte keiner von ihnen diesen wunderbaren Ort verlassen. Also beließen sie es bei der Regelung. Heute waren sie zusammengekommen, um die Reste des Wochenendes zu beseitigen. Sie hatten nach einer größeren Veranstaltung mit ihren Gästen keine Lust zum Aufräumen und Putzen gehabt und es

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stattdessen auf einen Wochentag verschoben. Klaus der Zapfer, der in seinem wahren Leben bei einem IT-Unternehmen arbeitete, war der erste, der die Veränderung bemerkte. »O.K.?« Es war vielmehr eine erstaunte Frage als eine Feststellung, als er die sauberen und frisch dekorierten Tische entdeckte. »Was zum Teufel ist denn hier passiert?«, rief Thomas, der Krankenpfleger aus und Bernd der Banker pflichtete ihm sofort bei: »Hier geht etwas ganz Seltsames vor sich.« »Hier!«, rief es auf einmal aus dem Nebenraum. »Kommt schnell her!« Der Lehrer und Jungkoch Jens zeigte auf die Bank, auf der Emilia friedlich schlief. Ein Raunen ging durch die Reihen. Alle sieben blickten auf das Mädchen und waren sofort verzaubert. Ein solch hübsches Antlitz hatten sie lange nicht gesehen. Die junge Frau strahlte eine innere Schönheit aus. Das erkannten sie sofort, auch wenn sie noch kein Wort mit ihr gewechselt hatten. Emilia schlug die Augen auf. Ein sanftes Gemurmel hatte sie geweckt. Erschrocken blickte sie in die fremden Gesichter, entspannte sich aber sogleich wieder, als sie die Freundlichkeit wahrnahm, mit der ihr die sieben Jungs entgegenstrahlten. »Hallo, junge Frau«, sagte Georg, der Chef der sieben. »Danke fürs saubermachen.« »Das wäre doch nicht nötig gewesen«, zogen Erich und Fritz nach und rückten sich Stühle zurecht. Klaus ergriff wie immer die Initiative und forderte Emilia auf zu erzählen, was sie hergeführt habe. Gut, dass die sieben an diesem Abend keine Gäste mehr erwarteten. So konnte Emilia in Ruhe von ihren schlimmen Erlebnissen und den Anschuldigungen berichten. Ihre Erzählungen waren absolut glaubhaft. Die sieben Zwerge konnten nicht fassen, was dem Mädchen vorgeworfen wurde und wie die Mitarbeiter bei dem Fernsehsender ausgebeutet worden waren. Nicht nur finanziell, auch psychisch hatte die Chefin den jungen unerfahrenen Kräften mit ihren cholerischen Ausbrüchen zugesetzt und ihnen immer wieder Versagen und Faulheit vorgeworfen, wenn die Umsätze nicht stimmten. Dass die Chefin die geringeren Umsätze mit ihrem Fehlverhalten verursachte, stand für die sieben

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Zwerge außer Frage. Geringschätzung und Angst vor der Chefin produzierten offensichtlich Fehler und Demotivation, was sich in mangelnder Qualität ausdrückte und die Werbeumsätze einbrechen ließ – diesen Zusammenhang versuchten die sieben Emilia aufzuzeigen. Wahrscheinlich sei die Chefin einfach nur neidisch auf Emilia gewesen. Wie der Betrugsvorwurf zustande kam, konnte sich allerdings keiner erklären. Für die sieben war klar: Die Chefin schien von Grund auf böse und machtversessen zu sein. Auch wenn Emilia abwinkte, sahen die Zwerge eine große Gefahr in der Chefin. Sie rieten Emilia vorsichtig und auf der Hut zu sein. Über der Gaststätte befinde sich ein Zimmer, so Georg. Das könne sie ab jetzt beziehen und wenn sie beim Gastbetrieb helfe, könne sie bleiben so lange sie wolle. Die beiden Zapfer Fritz und Klaus stimmten gleich ein und sagten, sie alle würden auf sie aufpassen wie auf ihren Augapfel. Sie müsse nur die Tür gut verriegeln, wenn die sieben Zwerge ihren Alltagsjobs nachgingen und dürfe auf keinen Fall jemanden reinlassen. In den Wochen und Monaten danach kehrte der Alltag ein. Emilia hatte sich noch nie im Leben so wohl gefühlt. Es erfüllte sie mit Freude, die Gaststätte liebevoll zu dekorieren und für Ordnung zu sorgen. Die Stammgäste schlossen sie sofort ins Herz. Sie kam mit jedem ins Gespräch, hörte sich Sorgen und Nöte an, riet bei Ehestreitigkeiten, wechselte Anekdoten und war für jeden Scherz zu haben. Emilia wurde schnell die Seele des Hauses. Jeder liebte sie und sie liebte ihr Dasein. Ihr Selbstbewusstsein wuchs mit jedem Tag und mit jedem Gespräch, das sie mit den sieben führte. Ihr wurde allmählich bewusst, wie klein sie von der Chefin gehalten worden war und welches besondere Talent es war, die Menschen derart öffnen zu können. Nur manchmal überkam sie die Wehmut. Sie vermisste ihren Job vor der Kamera. Aber die Freude über das gemeinsame Werk und die tiefe Freundschaft zu allen sieben Zwergen schob alle traurigen Gedanken sofort wieder beiseite. Und der Erfolg der Gaststätte war das Sahnehäubchen. Seit ihrer Ankunft hatten sich die Umsätze ver-

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doppelt. Über die sozialen Medien hatten sich die Empfehlungen wegen der guten Atmosphäre und dem Spaß, den die Betreiber bei ihrer Arbeit hatten, in Windeseile verbreitet. ***

Bei der Chefin hingegen lief es alles andere als rund. Die Umsätze stimmten schon länger nicht und diese Versager an Vertrieblern machten ihren Job nicht gut genug. Zuckerbrot und Peitsche – ihr sonstiges Führungskonzept griff nicht mehr. Um sich vor Geschäftsführung und Gesellschaftern zu erklären, musste sie sich etwas einfallen lassen. Sie begann die Zahlen zu »beschönigen«. Die Umsätze würden sich schon einstellen. Den bisherigen Sparzwang würde sie erneut erhöhen, Provisionen an diese Versager würde sie weiter beschneiden, sollten diese gefälligst erst einmal ihre Ziele erreichen statt auf Senderkosten die Stunden im Schwimmbad zu verbringen. Sie scrollte sich durch die neuesten Facebook-News als ihr auf einmal der Atem stockte. Auf einem Bild, auf dem ein Kunde eine Waldgaststätte nahe einem weiter entfernten Städtchen anpries, sah sie … Emilia. Das konnte doch nicht sein … Freudestrahlend und selbstbewusst von sieben kleinwüchsigen Männern umrahmt. Zum Teufel. Glühender Hass stieg in der Chefin auf. Was machte dieses Gör da? Warum ging es ihm allem Anschein nach gut und sie selbst steckte in der Umsatzkrise? Entschlossen schritt die Chefin zum geheimen Schrank und öffnete die Tür. Der Potenzialspiegel begann zu leuchten und zeigte ihre verzerrten Gesichtszüge. Sie trat einen Schritt zurück und fragte: »Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist die Beste im ganzen Land?« Der Spiegel antwortete: »Ihr – Frau Chefin – seid die Beste hier. Aber Emilia hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen ist tausend Mal besser als Ihr!« Die Chefin tobte vor Zorn und warf ein Glas, das in greifbarer Nähe stand, nach dem Spiegel. Dieser zerbarst in tausend Stücke.Wie eine Furie schoss sie durch den Raum. Sie meldete sich für den Tag

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im Sender ab und fuhr nach Hause, um in ihrer Giftküche zu experimentieren. Das Mädchen musste weg und sie wollte nichts mehr dem Zufall überlassen. ***

Emilia summte ein Liedchen während sie die Reste des Vorabends beseitigte. Sie liebte es, den Raum so herzurichten, dass sich die Gäste jederzeit willkommen fühlten. Ein bisschen Deko hier, ein paar Blumenarrangements da – es brauchte nicht viel, um eine wohlige Atmosphäre zu schaffen. Sie dachte an den Druck, der beim Fernsehsender immer geherrscht hatte. Wie weit das zurück lag. Es fühlte sich an, als wäre es ein anderes Leben gewesen. Was wohl ihre Kollegen machten? Ob sie immer noch nahezu 80-90 Stunden jeden Tag leisteten, über ihre Belastbarkeitsgrenze hinausgingen und trotzdem nicht aufbegehrten? Ob nach wie vor die Qualität so litt? In einer solchen Welt wollte sie nie wieder sein, auch wenn ihr die Arbeit an sich so viel Freude bereitet hatte. Und doch schlich sich bei diesen Gedanken immer ein bisschen Wehmut ein, denn sie hatte tausende von Ideen, wie man den Sender anders und besser führen konnte. Emilia schüttelte sich und kehrte wieder zurück aus ihren Tagträumen. Sie war gerade dabei, saubere Tischdecken aus dem Schrank zu holen, als sie von draußen eine Stimme vernahm. Jemand rief nach ihr. Sie erschrak und öffnete das Fenster nur einen Spalt breit. Immer wieder hatten die sieben Zwerge sie eingebläut vorsichtig zu sein. Die Chefin war nach wie vor beim Fernsehsender. Das wussten sie aus den sozialen Medien. Ihre rabiate Art mit ihren Mitarbeitern umzugehen, war zwar bekannt, aber so lange sie ihre Zahlen brachte, sah niemand die Notwendigkeit an ihrer Position zu rütteln. Emilia linste zaghaft aus dem Fenster. Vor ihr stand eine ältere Frau in gebückter Haltung. Sie hatte graue Haare, die sie zum Dutt hochgesteckt hatte. Ihre Kleidung hatte einen etwas nachlässigen Ökotouch in Batikoptik. Seltsam waren nur die gestrickten Handschuhe, die bei diesem Wetter gar nicht nötig gewesen wären.

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Freundlich strahlte sie Emilia entgegen. Sie habe gar nicht damit gerechnet, jemanden anzutreffen. Noch dazu ein so hübsches gescheites Mädchen, sagte sie mit zitternder ältlicher Stimme. Das sei aber gut, denn sie habe etwas abzugeben. Ob sie denn Georg, den Chef der Gaststätte kenne? Als Emilia zögerlich nickte, zog die alte Frau einen Brief aus der Tasche. Das sei sehr wichtig, es ginge um einen Investor, dessen Name nicht genannt werden solle. Der Brief dürfe nur an Georg selbst ausgehändigt werden, an niemand anderen sonst. Es sei sehr eilig und der Betrieb der Gaststätte hänge davon ab. Sie hielt ihn Emilia entgegen. Emilia wägte ab. Eigentlich sollte sie mit niemand Fremdem Kontakt aufnehmen, auf der anderen Seite wollte sie den Erfolg der Gaststätte nicht riskieren. Ihre sieben Freunde, deren Wohlergehen ihr so sehr am Herzen lag, standen kurz davor, ihren Traum zu verwirklichen, ihre Jobs zu kündigen und sich voll und ganz der Waldgaststätte zu widmen. Es fehlte nur ein kleiner Invest, um die Gaststätte um ein paar Zimmerchen und mehr Platz in der Gaststube zu erweitern. Dafür, das wusste Emilia, hatten die sieben schon ihre Fühler ausgestreckt. »Ach weißt du, Kind«, sagte die Alte, »ich schenke dir diesen Apfel. Den habe ich grade am Wegesrand gepflückt und er passt mit seinem leuchtenden Rot so gut zu deiner wunderschönen Gesichtsfarbe.« Erleichtert griff Emilia zu. Diese Alte hatte so gar nichts gemein mit der Chefin. Sie war so freundlich, sie selbst hatte also nichts zu befürchten und griff beherzt zu. Den Brief legte sie sogleich gut sichtbar auf den Tisch, den Apfel nahm sie ebenfalls und bedankte sich. Als die Alte weiterzog, wünschte sie ihr alles Gute und schloss das Fenster. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Der Apfel schmeckte genau so gut wie er aussah. Als sie fertig gegessen hatte, schleckte sie sich genüsslich die Finger ab. Plötzlich wurde ihr schlecht. Sie bekam keine Luft und öffnete die oberen Knöpfe ihrer Bluse. Alles drehte sich auf einmal, sie schwankte und schon im nächsten Moment brach sie zusammen und fiel in ein schwarzes tiefes Loch. ***

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Schluchzend saßen die sieben Zwerge an ihrem Krankenbett. Emilia lag im Wachkoma seit sie den Brief entgegengenommen hatte. Georg hatte den Brief polizeilich untersuchen lassen. Den sieben Zwergen war sofort klar gewesen, dass die böse Chefin hinter dem Anschlag stecken musste. Und tatsächlich wurde auf dem Brief eine giftige Substanz festgestellt. Die Chefin war nach einer kurzen Ermittlung überführt worden. Ihr wurde nicht nur der Giftanschlag nachgewiesen, sondern auch die Unterschlagung von Geldern. Der Geschäftsführer war misstrauisch geworden, als in der Kasse nicht nur 12.000 Euro verschwunden waren, sondern noch mehr Geld fehlte. Daraufhin hatte er recherchiert und zahlreiche Manipulationen in den Bilanzen der Produktionsleiterin aufgedeckt. Die Chefin wanderte ins Gefängnis und wurde zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Das alles war kein Trost für die Zwerge. Emilia war so eine Lichtgestalt gewesen. Es erschien ihnen so ungerecht, dass sie auf diese Art ihr Leben lassen sollte. Das verdiente sie nicht. Auch der Geschäftsführer stand am Krankenbett. Es erfüllt ihn mit großer Trauer, dass er nicht erkannt hatte, welches Potential in Emilia steckte und wie untätig er lange Zeit angesichts der Zustände in seinem Sender gewesen war. Er machte sich große Vorwürfe. Als er gerade dabei war, seinen Stuhl zu Recht zu rücken, um sich zu setzen, nieste Jens, der kleinste der Zwerge und stieß an den Geschäftsführer. Der wiederum stolperte über das Stuhlbein und fiel direkt auf Emilias leblosen Körper. Da gingen auf einmal ihre Augen auf. Sie erwachte und blickte erstaunt in die Runde. Alle fielen sich vor Glück in die Arme und weinten. Dieses Mal vor Freude. Emilia schien tatsächlich gesund. Sie würde keine Schäden zurückbehalten, das bestätigten kurz darauf auch die Ärzte. Der Geschäftsführer hatte nur gutes von Emilia gehört. Er fand, sie sei genau die Richtige, um weibliche Energie ins Unternehmen zu bringen und machte sie kurzerhand zur stellvertretenden Geschäftsführerin des Senders. Er selbst wollte sich in Zukunft anderen Projekten widmen. Der Sender wurde extrem erfolgreich und zog Talente von überall her an. Deren Kreativität wurde dort so gewertschätzt,

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dass sie sich gegenseitig inspirierten und ihr Potential frei entfalten konnten. Das Team setzte innovative Ideen und Projekte um, die es weit über die Region bekannt machte. Im Nachhinein wurde Emilia klar, dass zum Kleinmachen auch jemand gehört, der sich kleinmachen lässt. Sie hatte sich viel zu lange von Machtmenschen manipulieren lassen und ihr eigenes Potential unterschätzt. Höchste Zeit sich selbst zu vertrauen.Wie gut ihr weibliches Gespür im Unternehmen ankam und wie wichtig das für das gesunde Wachstum des Senders war, merkte sie erst im Lauf der Zeit. Emilia wurde jedenfalls nie mehr müde, denjenigen, die sich ebenfalls klein fühlten, zu ihren wahren Größen zu verhelfen. So kam es, dass sich alle in ihren ganz verschiedenen Einzigartigkeiten wunderbar ergänzten. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Über die Autorin Für mehr weibliche Energie in Unternehmen setzt sich Anke Ames ein. Sie ist leidenschaftliche Trainerin und Coach im Bereich Führung, Kommunikation und Auftreten. Für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ist es wichtiger denn je, Wertschätzung zu leben, mit Empathie und Herz gute Mitarbeiter zu binden und einen Raum für Kreativität zu bieten. Genau das ist weibliches Gespür – das im Übrigen auch Männer haben können. Ihren Teilnehmern hilft die ehemalige TV Moderatorin und Diplom-Musikerin, eigene ungeahnte Potenziale zu entdecken und Veränderungen in der Arbeitswelt gelassener zu begegnen.

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Des Chefs traumhafte Ausstrahlung Nur du allein kannst das Wunder Charisma in

dir bewirken. Nur du allein kennst die Werte, die dich zu dem machen, der du sein willst. Wirke, wie DU willst, in jedem Moment.

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or wenigen Jahren lebte ein Chef, der so ungeheuer viel Wert auf Neuheiten und Trends legte, dass er viel Geld der Firma dafür ausgab. Er legte wenig Wert auf das Klima unter den Mitarbeitern, kümmerte sich nicht um die Sorgen und Nöte seiner engsten Vertrauten. Stattdessen interessierte er sich nur für Projekte seiner Firma, wenn sie sein Ansehen bei den Aktionären steigerten. Er liebte es, seine neuesten Errungenschaften mit Pauken, Trompeten und jeder Menge Feenstaub in großen Mitarbeiterveranstaltungen auf der Bühne vorzustellen. Sei es eine Einsparung beim Reinigungspersonal, weil der neue Staubsaugerroboter nun auch auf polnisch reagierte oder eine neue Wandfarbe, deren eingelassener Sensor bei einsetzender Dunkelheit Grillen erscheinen und zirpen lässt. Auch konnte er sich von der Unentbehrlichkeit eines Duftgenerators überzeugen lassen, der pünktlich zu Feierabend einen friedlichen Duft durch die Klimaanlage ausströmen lässt, damit die Mitarbeiter länger unbezahlt arbeiten. Die Neuerungen hätten vielleicht sogar bei einigen wenigen auf Zustimmung stoßen können. Aber dem Chef gelang es, auch die kleinste aufkeimende Gutheißung mit seinem arroganten und überheblichen Auftreten zu ersticken. So wie man über andere Chefs, die vorübergehend nicht greifbar waren sagte »Er ist in einem Termin«, sagte man bald über ihn »Er ist

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Des Kaisers neue Kleider

von Yvonne de Bark

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auf dem Weg der Erleuchtung, nur findet er den Lichtschalter nicht«. Sein Ansehen in der Firma war schlecht. Eines Tages kam ein Fremder zu einer großen Verhandlung in die Firma. Als dieser den Besprechungsraum betrat, drehten sich alle Anwesenden nach ihm um. Plötzlich lächelten die Frauen verträumt, der alte, weise und langjährige Berater des Chefs richtete sich aufmerksam auf und als die Sekretärin mit den Getränken hereinkam, hörte man das leise, erregte Klappern der Tasse auf dem Unterteller in ihrer Hand. Der Chef, der das alles mit Erstaunen wahrnahm, schickte in einer Verhandlungspause alle bis auf seinen weisen Berater hinaus und bat auch den Fremden zu bleiben. Als sie nur noch zu dritt waren, platzte er heraus: »Ich will das auch können. Bringen Sie es mir bei.« Der Mann verstand nicht und entgegnete: »Ich weiß nicht, was Sie meinen? Ich dachte, wir sprechen unter sechs Augen noch einmal über die Feinheiten des Vertrages?« Der Chef schmunzelte. »Das können wir gerne machen. Nachdem Sie mir zugesagt haben, dass Sie mir beibringen, wie Sie das machen. »Was meinen Sie?« Der Chef wurde langsam ungehalten. »Na, das, was Sie machen, damit sich alle nach Ihnen umdrehen, wenn Sie einen Raum betreten! Das, was Sie ausstrahlen, was den Frauen die Knie weich werden lässt und den Männern Respekt und Achtung einflößt!« Der Fremde zuckte unter dem plötzlichen Ausbruch erschrocken zusammen. »Ich …, ich kann das nicht schulen, ich bin nur ein gewöhnlicher Mann, der sich lediglich über seine eigenen Wertevorstellungen und Ziele im Klaren ist. Ich nehme die Menschen um mich herum aufmerksam wahr und höre zu. Das ist alles. Ich blicke meinen Gesprächspartnern in die Augen und hole sie da ab, wo sie sind. Das kann man nicht lernen …, glaube ich.« Der Chef wurde noch ungehaltener: »Ach, papperlapapp, sehen Sie sich um. Ich habe alles, was das Herz begehrt. Die schicksten Scheibenwischblattnachschneider, alle meine Mitarbeiter sind im Besitz eines praktischen Brillen-LEDLichts, ich trage einen High-Fashion Männer-BH und in meiner

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Schublade liegt sogar ein DVD-Rewinder. Aber eines habe ich nicht: Charisma. Trainieren Sie mich.« Der Fremde schwieg irritiert. Der alte, weise Berater versuchte seinen Chef zu beschwichtigen: »Chef, ich glaube, das ist etwas, was man sich nicht kaufen kann und auch nicht einfach so lernen kann.« Da wurde der Chef knallrot im Gesicht und fauchte zwischen seinen Zähnen heraus: »Bringen Sie es mir bei, sonst kommen wir auch anderweitig nicht ins Geschäft.« »Aber das hat doch nichts mit unserer Verhandlung zu tun.« »Jetzt schon!« Der Fremde, der ein sehr schlauer Mann war, überlegte kurz. Dann sprach er: »Also gut. Ich trainiere Sie. Sie werden heller und charismatischer strahlen als alle, die Sie kennen. Sie müssen aber eines wissen …« Er senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern: »Das Strahlen, das ich Ihnen beibringen werde, hat eine Besonderheit. Nur diejenigen Menschen können es sehen, die intelligent, von reinem Herzen und Ihres Umgangs würdig sind. Für die, die dumm und hinterhältig sind, ist es unsichtbar.« Der Chef fand das großartig. Sein Berater, der sich bis dahin still verhalten hatte, aber begehrte auf: »Aber Chef, seien Sie doch vernünftig. Lassen Sie uns die Verhandlung zu Ende führen und den Fremden ziehen lassen.« Der Chef riss seinen Blick herum und funkelte seinen Berater an: »Soso, du willst also nicht, dass ich strahle? Ich werde das Ergebnis bei der Aktionärsversammlung präsentieren und alle für mich gewinnen. Und um sicher zu gehen, dass auch alles seine Richtigkeit hat mit diesem Charisma, werde ich es als erstes an dir ausprobieren. Du wirst mir bald sagen können, ob sich etwas an mir verändert hat oder nicht. Dann werden wir ja sehen, ob du mir tatsächlich so gutgewogen bist, wie du immer sagst.« Von diesem Moment an war der Chef von nur einem Gedanken besessen. Er wollte, dass die Menschen sich nach ihm umdrehten, wenn er einen Raum betrat, und sich nicht wegdrehten und sich ins Gespräch mit anderen vertieften, sobald er in Sichtweite kam. Er wollte, dass sie ihm und seinem neuen Ich zujubelten. Und der gran-

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diose Nebeneffekt wäre, dass die, die sein Strahlen nicht sähen und nicht applaudierten, sofort als die Dummen erkannt würden. »Erstellen Sie sogleich ein persönliches Coaching für mich«, gab er dem Fremden Weisung. Der frisch ernannte Coach machte sich ans Werk. Er stellte viele Fragen und machte eine ausführliche Anamnese. Über Glaubenssätze, Ziele, Kindheit. Der Chef durchlief zahlreiche Persönlichkeitstests. Der Coach ließ den Chef überdies stundenlang in den Bauch atmen, Wolkenbilder interpretieren und Bäume umarmen. Er musste einen bestimmten Tee aus den Anden holen lassen und den Tönen von Klangschalen gesegnet von tibetanischen Hochlandgemsen lauschen. Seine Tage bestanden aus oktroyiertem Schweigen, abgelöst von gezielten Faustschlägen auf seine Brust und begleitet von markerschütternden maorischen Kriegsschreien. Wenn der Chef den Coach fragte: »Wann beginnt das Strahlen?« entgegnete der ruhig: »Die Arbeit findet in dir selbst statt. Ich passe auf, dass alles in die richtige Richtung geht. Du willst doch eine großartige Veränderung spüren, oder? Spürst du sie noch nicht?« Da der Chef wusste, dass nur die Einfältigen keine Veränderung sehen würden, log er: »Aber natürlich, und wenn ich recht überlege, dann spüre ich sie jetzt schon sehr deutlich!« Dabei plusterte er sich auf, zog seine Schultern ungelenk nach hinten und reckte das Kinn arrogant in die Höhe. Der Coach raunte ihm zu: »Geh’ in dich und denke darüber nach, wie deine Veränderung dein Umfeld beeinflussen wird. Und hülle dich weiter in Schweigen, lasse deine Ausstrahlung wirken.« Die Firma litt sehr unter seinem Schweigen, denn sie brauchten einen Chef, der mit ihnen redete. Der Coach indes ließ sich den leckersten Wein bringen, weil er damit angeblich besser denken konnte, bestellte sich das leckerste Essen von ayurvedischer bis molekularer Küche und wohnte im besten Hotel der Stadt. Nach einigen Wochen war der Chef nun neugierig, wie es um das Vorankommen seines Charismas bestellt war. Er rief er seinen Berater herbei: »Geh hin zu meinem Coach und befrage ihn zu meinem

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neuen ICH. Ich habe viel daran gearbeitet und alles gemacht, was er mir antrug. Du wirst staunen.« Der alte, weise Berater traf den Coach an dessen Hotelpool. Als er ihn fragte, wie es voranginge, schaltete der Coach sein Tablet ein: »Sieh’ hier, ich habe ein Video von deinem Chef gemacht bei einer Probepräsentation. Siehst du, wie er sich schon verändert hat? Siehst du, wie er schon strahlt?« Der gute, alte Berater riss die Augen auf und starrte auf den Bildschirm, wo sein Chef ungelenk steif wie immer mit hängenden Schultern und verkniffener Miene eine Übungsrede hielt. Schon der erste Satz monoton und hölzern vorgetragen wirkte eher abschreckend als charismatisch. »Herzlich willkommen, sehr geehrte Damen und Herren …« »Ich kann keine Verbesserung erkennen«, platzte der Alte ehrlich heraus. Daraufhin blickte ihn der Coach mitleidig an. »Oh, das tut mir leid, dass du es nicht siehst. Hier, wie elegant er mit den Händen gestikuliert und wie charismatisch seine Augen funkeln.« Der Alte blickte stirnrunzelnd genauer hin. Der Coach fügte ruhig hinzu: »Tja, das können nur die wahrnehmen, die ebenso intelligent sind wie ihr oberster Chef und ihm das Wasser reichen können. Das hat psychologische Gründe. Wer der Gruppe der charismatischen und intelligenten Menschen nicht angehört, kann das natürlich nicht sehen.« Der Alte erschrak. Plötzlich verstand er das Spiel, das der Coach spielte. Aber er war abhängig von seinem Job und wagte nicht zu widersprechen. »Oh, ja, ich sehe es jetzt auch. Welch wunderbare Souveränität er ausstrahlt.« Er ging zurück zum Chef und erzählte von den Videoaufnahmen, der tollen Entwicklung und davon, welch umwerfende Veränderung jetzt schon zu sehen sei. Der Chef war über die Maßen begeistert, wollte sich aber versichern und schickte sogleich seine Sekretärin zu dem Coach.

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Die Sekretärin besah sich das Video und weil sie ebenfalls nicht als dumm dastehen wollte, schwärmte sie: »Das ist ja unglaublich, wie ein Mensch sich verändern kann.« Sodann wollte sich der Chef selbst davon überzeugen, wie viele Fortschritte er gemacht hatte. Er berief eine kleine Veranstaltung ein, bei der er eine kurze Proberede vor einigen seiner Mitarbeiter halten würde. Seine Sekretärin und der gute, alte Berater waren natürlich auch eingeladen. Der Coach flüsterte dem Chef kurz vorher ins Ohr: »Du bist super, so wie du bist. Sei du selbst, nur du selbst hast die Kraft in dir, Großes zu vollbringen. Bist du dir inzwischen deines wahren Wertesystems bewusst?« Der Chef blickte ihn leer an. »Und vergiss nicht: Die, die es nicht sehen, sind es nicht würdig, eine gute Stellung inne zu haben. Bei denen solltest du sogar darüber nachdenken, ob sie die richtigen für dein Unternehmen sind.« Bis jetzt hatte der Chef bei sich selbst noch keine Veränderung wahrgenommen. Er wusste nur, dass er bald keinen Tee aus Algenextrakt mehr sehen konnte und auch das frühe Aufstehen, um die Sonne rituell zu begrüßen, weil sie ihm dann von ihrem Strahlen abgeben sollte, machte ihn mürbe. Aber da all seine Vertrauten behaupteten, er hätte schon unglaubliche Fortschritte gemacht, glaubte er nun, er sei selbst zu dumm, um die Veränderung wahrzunehmen. Das wollte er aber niemals zugeben. »Die werden staunen, wenn ich jetzt die Bühne betrete.« Und er betrat die Bühne. Mit weichen Knien. Als er vor seinen Leuten stand und sie ihn erwartungsvoll anstarrten, bekam er plötzlich Schweißausbrüche. Er stammelte seinen ersten Satz, den er von seinem Spickzettel ablas: »Herzlich … willkommän, sehehr geehrte Damen und … ähm … Herren.« Seine Mitarbeiter starrten ihn entsetzt an. Dadurch noch mehr verunsichert, brach der Chef plötzlich ab und stürmte von der Bühne. Das Publikum beobachtete das mit offenen Mündern und vor Verwirrung weit aufgerissenen Augen.

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Nach wenigen Sekunden erkannte der gute, alte Berater, was er zu tun hatte und durchbrach die peinliche Stille mit einem begeisterten: »Wow!« Dabei achtete er darauf, dass es so ehrlich wie nur irgendwie möglich klang. Verwundert wendeten sich ihm alle Blicke zu. »Wow!« sagte er noch einmal »wie viel Selbstbewusstsein und Mut gehört dazu, einen Vortrag so souverän abzubrechen!« Da die anderen sich keine Blöße geben wollten, stimmten sie ein. »Hast du gesehen, wie aufrecht er schon die Bühne betreten hat?« »Ja, und die lange Pause vor dem ersten Satz war der Knaller! Das muss man sich mal trauen! Er hat mich total geflashed!« Da keiner der Zuschauer für dumm gehalten werden wollte, tobten sie alle vor Begeisterung. Der Chef hörte das, ging im Geiste nochmal seinen Miniauftritt durch und stimmte allem Gesagten insgeheim zu. Es gehört eine Menge Mut dazu, wie er sich verhalten hat. Er betrat erneut die Bühne und bat seinen Coach zu sich. Vor allen Zuschauern dankte er ihm über alle Maßen und verkündete, nun bereit für die große Aktionärsversammlung zu sein. Dann kam der große Tag, an dessen Abend die Versammlung stattfinden würde. Dem Chef war bange. Er sagte zum Coach: »Ich fühle mich zwar gut, aber noch nicht bereit für heute Abend.« Coach: »Merkst du denn nicht, wie die Leute dich schon anders wahrnehmen? Spürst du denn nicht das Feuer, das in dir brennt und bis in alle Herzen leuchtet? Du bist nun soweit. Mach’ einfach alles so, wie ich es dir beigebracht habe.« »Nein, ehrlich gesagt, spüre ich gar nichts.« Er rief seinen guten, alten Berater zu sich. »Sag an, guter, alter Berater, hast du mich schon jemals belogen oder hintergangen?« Dem Berater wurde plötzlich sehr unwohl. Er wusste, dass er es verneinen musste, wusste aber auch, dass er damit lügen würde. Da er aber schon vorher gelogen hatte, um nicht als dumm und hinterhältig

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dazustehen, sagte er: »Nein, ich habe immer das gesagt, was mir aus dem Herzen sprach.« »Du bist ein guter Berater. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.« Da ging der gute, alte Berater davon und besann sich. Noch nie hatte er seinen Chef so hintergangen. Obwohl er ein selbstsüchtiger, eingebildeter und egoistischer Chef war, hatte der gute Berater immer zu ihm gestanden.Wenn dessen Sucht nach Anerkennung nun so weit gehen würde, dass die ehrlichen Mitarbeiter entlassen werden würden, würde die Firma bald verloren sein. Er besann sich einer List, ging zu seinem Chef und sprach: »Lieber Chef, Sie haben nun schon so viel erreicht und haben die Spitze des Erfolges erklommen. Das Unternehmen steht gut da und Ihre Mitarbeiter freuen sich über Ihren neuen Chef. Wäre es da nicht an der Zeit, das Glück auch mit anderen zu teilen?« Der Chef verstand nicht recht: »Meinst du, ich soll Fremde zu meinem großen Triumph einladen?« Der Berater zuckte mit den Schultern und schwieg. »Du hast Recht! Ich werde meinen Triumph feiern! Ich lade meine Frau und meine kleine Tochter ein! Sie soll sehen, wie toll ihr Papa auf der Bühne ist!« Der Berater verlor alle Gesichtsfarbe. »So war das nicht gemeint, Chef!« Schnell versuchte er das Schlimmste zu verhindern: »Nein, Chef, das wäre doch wohl zu übertrieben. Und es ist ja auch spät am Abend, da sollte die Kleine doch lieber schlafen. Außerdem versteht sie mir ihren süßen sechs Jahren ja gar nicht, worüber Sie auf der Bühne sprechen. Es wäre doch ratsamer einfach Freunde oder Bekannte einzuladen.« »Nein, ich habe entschieden: Meine Tochter wird dabei sein!« Der Coach riet ihm, an diesem Tag einen gelben Anzug mit einer grünen Krawatte zu tragen, weil gelb die Farbe der Innovation sei. Als der Chef mit hängenden Schultern, aber bunt wie ein Kanarienvogel seine Firma betrat, drehten sich alle nach ihm um und blinzelten irritiert.

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Der Chef dachte: »Ah, ich strahle von innen schon so hell, dass meine Leute ganz geblendet sind von meinem Auftreten. Sie werden mir heute Abend zujubeln. Meine Tochter wird ihren Papa für den Größten halten und meine Frau wird mir liebevolle Blicke der Bewunderung zuwerfen.« Der Raum der Aktionärsversammlung füllte sich. Der Chef wurde angekündigt: »Und nun begrüßen Sie mit mir mit einem tosenden Applaus unseren Vorstandsvorsitzenden.« Die Aktionäre applaudierten. So auch die Tochter des Chefs in der ersten Reihe neben dessen Frau. Der Spot ging an und der Chef schlurfte mit seinen hängenden Schultern und zusammengepressten Lippen auf die Bühne. Die Aktionäre verstummten. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Dann begann er seine Rede, so wie es ihm der Coach geheißen hatte. Monoton las er Statistiken von der PowerPoint-Folie ab, flocht spitze Bemerkungen über Mitarbeiter ein, die nicht genügend Leistung gebracht hatten, und lächelte zwischendurch gekünstelt, indem er seine Zähne entblößte. Hin und wieder machte er einen schlechten Witz und lachte sich danach selbst kaputt darüber. Bei einem Blick ins Publikum stutzte er. Er starrte in entsetzte Gesichter. Seine Tochter saß angespannt in der ersten Reihe und klammerte sich hilfesuchend an den Arm ihrer Mutter. Eine große Träne rollte ihr aus den aufgerissenen Augen, während sie ihren Papa verschreckt anstarrte. Ihre Lippen formten ein leises »Papa, du machst mir Angst.« Moral: Nur du allein kannst das Wunder Charisma in dir bewirken. Nur du allein kennst die Werte, die dich zu dem machen, der du sein willst. Wirke, wie DU willst, in jedem Moment.

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Über die Autorin Als studierte Schauspielerin und Hochschuldozentin ist Yvonne de Bark eine der in Deutschland meist gefragten Körperspracheexperten im Bereich der nonverbalen Kommunikation. Als Wirkungsspezialistin unterstützt sie Vorstände in DAXUnternehmen, schult Politiker für den richtigen Auftritt und hält Seminare für alle, die ihre Wirkung zielgerichtet einsetzen müssen und wollen. Sie ist internationale Topspeakerin und erfolgreiche Autorin von mittlerweile 11 Büchern und leidenschaftliche Trainerin. Sie ist da, wo Wirkung. Vertrauen. Macht.

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Paul und die Jagd nach fremd­ bestimmter Anerkennung Folge deinem Herzen und nicht dem Ruf des Geldes!

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s war einmal vor nicht allzu langer Zeit. Wir schreiben das Jahr 2000. Pauls erste Gedanken nach dem Aufstehen waren immer die gleichen.Welche Aufgaben stehen heute für die Firma an? Wohin muss er reisen und an welchem Ort musste er helfen? Welche Kunden mussten neu gewonnen oder zufriedengestellt werden? Der US-Konzern, in welchem Paul beschäftigt war, stand für ihn an erster Stelle. Ob jemand an zweiter oder gar dritter Stelle stand, wissen wir heute nicht mehr. So kam es, dass Paul auf Freunde oder gar seine eigene Gesundheit immer weniger pflegte und Beachtung schenkte. Getrieben von der Jagd nach Anerkennung. Getrieben von der Macht des Geldes arbeitete er jeden Tag so fleißig und hart, dass eine nach der anderen Beförderung folgte. Und so wurde Paul zum Direktor IT-Projekte Europa und zum weltweiter Krisenmanager befördert. Um diese Aufgabe zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten zu 100 Prozent leisten zu können, bereiste Paul mehr als 70 Länder beruflich und hatte über 250 Flüge und Hotelübernachtungen jährlich. Die Flugbegleiter bekannter Airlines sprachen ihn mit Vornamen an. In den meisten Hotels und Flugzeugen hatte er VIP Status. Doch überall das gleiche Szenario, immer nur das Ziel vor Augen, noch erfolgreicher zu werden. Seine Jagd nach beruflicher Anerkennung schien unaufhaltsam.

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Die Geister die ich rief

von Peter Buchenau

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Des Morgens mit der ersten Maschine in irgendeine Stadt. Vom Flughafen mit dem Taxi direkt zum Kunden. Am Abend mit dem Taxi vom Kunden oder der Geschäftsstelle zurück zum Flughafen und mit der letzten Maschine heimwärts. Aber was ist Heimat? Paul hatte zwischenzeitlich seine wahre schöne Heimat, den Schwarzwald vergessen. Seine neue Heimat war der US IT-Konzern. Die Schönheiten der Länder, Städte und Kulturen, welche Paul bereisen durfte, hat er nie gesehen. Wie traurig. Zeit, das verdiente Geld auszugeben, hatte er nicht. Das Wenige was er sich gönnte waren gutes Essen, exklusive Whiskys, Havanna Zigarren und maßgeschneiderte Anzüge und Hemden. Es fiel ihm dabei nicht auf, dass seine Konfektionsgrößen stetig zunahmen. Es war ein schleichender Prozess. Paul nahm in zwei Jahren rund 30 Kilogramm zu. Kein Wunder, denn die einzige sportliche Bewegung, welche Paul regelmäßig hatte, war das Hetzen am Flughafen mit dem Ziel: »Schafft er noch den letzten Flieger am Gate!«. Wie auch an einem lauen Sommerabend im Jahr 2000. Paul hetze wieder übergewichtig zum Gate des New Yorker J.F. Kennedy Flughafens, um die letzte Maschine nach Miami zu erreichen.Von weitem sah er schon das Gate, an welchem er Borden sollte. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, denn die 30 Kilogramm Übergewicht machten sich beim Laufen bemerkbar. Atemnot bekam er. Es wurde schwarz vor seinen Augen!

Manager der vergangenen Lebenszeit Als Paul seine Augen öffnete, stand ein stark abgemagertes Wesen vor ihm. Schemenhaft erkannte er seinen alten Manager Charles aus Basler Zeiten. Dieser gab ihm vor Jahren einen Rat und wiederholte diesen flüsternd: »Warum willst du unbedingt die Nummer 1 werden, die Nummer 2 reicht vollkommen aus! Als Nummer 1 wirst du überall angegriffen, musst dich verteidigen und Rechtfertigen. Als Nummer 2 lebst du auch gut und viel Sorgenfreier.« Doch diesen Rat ignorierte Paul seit jeher. Durch seine Jagd nach Anerkennung,

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gab es für ihn nur einen Sieger, die Nummer 1. Was soll das jetzt dachte Paul, wo bin ich? Kaum ausgesprochen trat Charles auf Paul zu, berührte ihn an der Stirn und eine Zeitreise begann in Pauls Kopf. Diese endete 30 Jahre zurück. Wir schreiben das Jahr 1970. Paul erkannte sich als Kind und Jugendlicher wieder. Er war ein wissbegieriger und weltoffener Junge, in den Tiefen des Schwarzwaldes geboren, zu einer Zeit, wo es noch kein Internet und keine Smartphones gab. Die meiste Zeit verbrachte Paul damit in den Wäldern zu spielen. Er liebte die Schönheit der Natur, gerade im Frühling, wenn Wald und Wiesen sich im sanften Nebel versteckten und der Tau bei der langsam aufgehenden Sonne, wie einzelne Diamanten im Sonnenlicht zu strahlen begannen. Paul verbrachte so viel Zeit wie möglich in der Natur. Er lernte viel über die Tiere im Wald, nicht nur was für Tiere es waren, von kleinen Ameisen angefangen bis zu großen kapitalen Hirschen, sondern auch über deren Gewohnheiten.Welchen Pfad diese gingen, wo die Tiere Nahrung suchten oder wo sie tranken oder auch, wie die Tiere lebten. Er lernte Gräser und Bäume zu unterscheiden und begann Pilze zu suchen. Gerade in den Sommermonaten brachte er fast täglich Pfifferlinge, Steinpilze und vor allem Champignons nach Hause, welche seine Mutter am Abend braten durfte. Paul liebte das Erkunden der Natur so sehr, dass er oft die Zeit vergaß und zu spät nach Hause kam. Das endete oft mit einer Bestrafung durch seine Eltern. Hausarrest war angesagt. Für Paul die schlimmste aller Strafen, der einfach nur draußen in der Natur sein Leben, leben wollte. Pauls Eltern arbeiten immer sehr lange und mussten in den Jahren des Aufbaus für den Unterhalt der kleinen Familie sorgen. So blieb für Paul, der auch später erfahren durfte, dass er nie ein Wunschkind gewesen war, sondern ein Ergebnis eines ungeschützten Sexualaktes, oft zu wenig Zeit durch seine Eltern übrig. Zu müde waren beide Eltern, um sich nach dem Arbeiten noch mit Paul zu beschäftigen

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oder gar mit ihm zu spielen. Paul hatte einfach zu funktionieren. Anerkennung für gute Leistungen hat er nie erhalten. Natürlich ging Paul zur Schule. Dieses interessierte ihn nur am Rande. Und so waren dann auch seine Noten. Er zeigte in der Schule nur so viel Einsatz, dass es halt in der Schule gerade so reichte. Mathematik, Deutsch oder gar Englisch hatten ihn gar nicht interessiert. Dagegen interessierten ihn Fächer wie Biologie, Sport und Heimatkunde, umso mehr. Paul liebte es komplexe Sachverhalte zu hinterfragen. Gerade in den obigen Schulfächern.Von den Lehrern wurde er deshalb oft als Querulant bezeichnet und so mussten seine Eltern des Öfteren in der Schule zum Gespräch erscheinen. Anstatt Anerkennung, dass er so intensiv den Unterrichtsstoff der Lehrer hinterfragte und aufrichtiges Interesse bekundete, bekam er meist zu Hause nach den Lehrergesprächen eine Tracht Prügel. Paul war Einzelkind und wuchs auch so auf. Massensportarten wie Turnen oder Fußball konnten ihn nie groß begeistern. Auch der örtliche Musikverein oder der Schützenclub waren nicht sein Metier. Viel lieber beschäftigte er sich allein auf Wald und Wiesen mit dem Fluss des Lebens. Er war mehr Einzelgänger als Herdentier und schwamm, wie man in der Umgangssprache sagt, oft gegen den Strom. Das machte ihn bei vielen Kindern zum Außenseiter. So verging Tag um Tag, Woche um Woche, Jahr um Jahr. Während in den oberen Schulklassen schon alle seine Klassenkameraden Freundinnen hatten, war er immer noch Solo. Das machte ihn sehr zu schaffen, denn welches Paar nimmt schon gerne einen Dritten mit, wenn man ins Kino, zum Eis essen oder gar ins Schwimmbad wollte. Einzig in der Rolle als Klassenclown und Unterhalter war Paul gerne gesehen, in der er oft seine Idole wie Don Camilo, Otto oder Emil parodierte. Das brachte ihm bei seinen Schulkameraden Respekt und den einen oder anderen Lacher ein. Wie viele Kinder hatte auch Paul Träume, vor allem was er einmal beruflich werden wollte, wenn er endlich Erwachsen wäre. So wollte er anfangs Fußballstar, Astronaut und danach Pilot werden, da

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ihm die von den Flugzeugen am Himmel gezeichneten Kondensstreifen, zeitweise wie Kunstwerke auf einer übergroßen Leinwand vorkamen. Gerade die Farbkombinationen der weißen Streifen auf tiefblauen Hintergrund, eventuell noch vor gelben Rapsfeldern, ließ seine Fantasie immer und mehr wachsen. Vielleicht war es genau diese Fantasie die Paul dazu brachte, mehr Zeit und Freiraum für Kunst und Literatur einzuplanen. Je älter Paul wurde, umso großer wurde der Wunsch Autor oder gar Schauspieler zu werden. Als Paul diesen Wunsch seinen Eltern gegenüber äußerte wurde er nur ausgelacht. Im Schwarzwald lernt man einen anständigen Beruf, bekam er zu hören. Man geht ins lokale Handwerk, in den Tourismus oder wird Busfahrer. Das traf ihn schwer und machte ihn sehr, sehr traurig. Hinweg waren seine Wünsche und Träume zu seiner weiteren beruflichen Entwicklung. Es kam wie es kommen musste. Nach seinem Schulabschluss absolvierte Paul in einem lokalen Industrieunternehmen eine Lehre zum Elektroniker. Die Ausbildung war hart und anstrengend.Vor allem das frühe Aufstehen machte ihm schwer zu schaffen. Die Ausbilder verstanden auch wenig Spaß, schließlich standen alle Unternehmen im direkten Wettbewerb.Welches Unternehmen bot schließlich die beste Ausbildung an? Paul lernte nicht nur alles über Metall- und Elektrotechnik, sondern vor allem auch Disziplin und Gehorsam. Oft musste er nach Feierabend die Werkstatt putzen oder irgendwelche Strafaufgaben absolvieren, wenn er mal von den vorgegebenen Ausbildungsrichtlinien, Regeln und Normen abkam und wieder mal gegen den Strom zu schwimmen versuchte. Lehrjahre sind keine Herrenjahre und so musste er auch eines Sommers, beim Verputzen und Streichen des Hauses seines Ausbildungsmeisters helfen, weil er wieder mal zuvor im Ausbildungsbetrieb seinen Freiheitsdrang nachkam, etwas hinterfragte was er nicht fragen sollte, während alle anderen sich im Schwimmbad vergnügten. In der heutigen Zeit wäre eine solche Tätigkeit absolut verboten, damals Ende der siebziger Jahre aber an der Tagesordnung. Diese harte Ausbildung hatte auch eine gute Seite, die Paul erst viele Jahre später bewusstwerden sollte. Schlussendlich

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beendete Paul mit einem Notendurchschnitt von 1,25 seine Ausbildung als Zweitbester im gesamten Bezirk Südbaden. Anschließend setze er noch eine zweijährige Technikerausbildung drauf. Als er stolz dieses Ergebnis zu Hause seinen Eltern zeigte, um endlich mal Anerkennung aus dem Elternhaus zu erfahren, bekam er als Antwort, dass dieser Notendurchschnitt das wenigste sei, was man von ihm erwartet hätte. Die Jagd nach Anerkennung musste also weitergehen. Hinweg waren seine jugendlichen Träume. »Deine Jagt nach Anerkennung wird dich eines Tages ins Grab bringen«, versprach Charles, der Manager aus Pauls Vergangenheit. »Schaue auf einen weiteren Manager, welcher deine Karriere beeinflusst hat und in Kürze erscheinen wird. Höre auf ihn.« Charles verschwand, so schnell wie er erschienen war.

Manager der gegenwärtigen Lebenszeit Genauso schnell wie Charles verschwand, tauchte Fred auf. Fred war lange Zeit der Mentor von Paul. Ihm verdankte Paul maßgeblich seinen rasanten Aufstieg. Fred war kein Freund der vielen Worte, doch wenn er mal was sagte, dann hatte es Hand und Fuß. Fred fasste Paul ebenfalls an die Stirn und ein weiterer Film begann in seinem Kopf zu starten. Es war das Zeitalter der EDV. Der Begriff IT wurde erst viele Jahre später geprägt. Bedingt durch seine Ausbildung in Elektrotechnik war Paul wie geschaffen für die neuen Techniken der elektronischen Datenverarbeitung. Er hatte das große Glück für eine große Schweizer Chemiefirma, von Anfang an, die Entwicklung mitzuverfolgen, nein sogar maßgeblich beeinflussen zu können. Er lernte alles über die Vernetzungstechnologien, spezialisierte sich mehr und mehr darauf, dass Computer miteinander kommunizierten. Zuerst auf Firmenebene, auf Campusebene, dann national und später international. Er besuchte Ausbildungen bei den führenden Netzwerkund Technologiekonzernen und bekam somit einen Expertenstatus. Paul prägte die Entstehung des Intranets und des heutigen Internets

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damals mit. Seine Eltern, mittlerweile bereits über 70 Jahre alt, verstanden die neue Technologie nicht, somit war es auch hier zwecklos, Anerkennung von Ihnen erhalten zu wollen. Mit seinem immer größeren Fachwissen über Computernetzwerke wuchs parallel auch sein Gehalt. Bereits mit 26 Jahren verdiente er mehr Geld, als alle anderen Angestellten in der gleichen Altersstruktur in der Firma. Um dieses Gehalt auch gegenüber den Gewerkschaften und Betriebsrat zu rechtfertigen, wurde er mit 27 Jahren zum jüngsten Abteilungsleiter im damaligen Industrieunternehmen befördert. Aber nicht nur sein Gehalt stieg, sondern auch sein berufliches Ansehen. Mehr und mehr Geschäftskontakte und sogenannte Freunde kamen auf einmal hinzu und so auch die erste Liebe. Paul heiratete mit 28 Jahren seine liebe Frau Kathrin. Kathrin kam aus gutem Haus. Ihre Eltern waren in Basel gut situiert und setzten in Paul große Erwartungen. Somit war da auch ein Druck für Paul, seiner Frau das Paradies auf Erden schenken zu wollen. So tat er das aus seiner damaligen Sicht einzig vernünftige. Er arbeitete und lernte noch mehr, noch härter, noch länger, manchmal bis 16 Stunden am Tag und eine Beförderung nach der anderen kam in sein Haus geflattert. Plötzlich wurden Headhunter auf Paul aufmerksam. Es sprach sich in der nun aufkommenden IT-Branche herum, dass da ein junger Mensch war, der nicht nur talentiert, sondern auch mit ungeheurem Fachwissen ausgestattet, mit Loyalität und Disziplin seiner Arbeit nachging. Paul wechselte von der Basler Chemie zum einem großen Warenhauskonzern. Er übernahm die Verantwortung für die Vernetzungstechnologien, welche die Warenhäuser mit der Zentrale und den Lagerhäusern verband. Bei über 100 Warenhäuser bedeutete das viele Geschäftsreisen, kreuz und quer in der Schweiz, von Genf nach St. Gallen oder von Lugano nach Basel. Hinzukamen internationale Einsätze in Frankreich, Italien und den Niederlanden, wo der Warenhauskonzern Niederlassungen hatte. Pauls Gehalt stieg weiter, die Reisetätigkeiten auch und ebenso die Arbeitszeiten. Paul wollte beruflich immer mehr erreichen. End-

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lich bekam er die Anerkennung, auch wenn es nur in Form von Gehalt war, die er sich immer schon gewünscht hatte. Um die er ja so oft schon gebettelt hatte. Er war im Business sehr gefragt. Leider aber blieb bei Pauls beruflichem Engagement sein Privatleben auf der Strecke. Er hat kaum noch Zeit für Freunde, seine Familie oder gar für seine Frau. Er konzentrierte sich immer mehr, immer verbissener auf seine Karriere und verlor somit komplett jeden Menschen um sich herum aus den Augen. Die Scheidung folgte. Wenn man nun glaubte, die Scheidung brachte Paul dazu über sein Leben nachzudenken, weit gefehlt. Die Scheidung versetzte Paul in eine Trotzreaktion, in eine »jetzt erst recht« Mentalität. Nun war ihm privat alles gleichgültig. Egal was Freunde und Bekannte sagten, mit einem Schulterzucken nahm der die gutgemeinten Kommentare zwar wahr, er schärte sich aber nicht darum. Sollten doch all die anderen Menschen um ihn herum »Looser« bleiben. Er würde es ihnen allen zeigen. Er kündigte alle seine Vereinsmitgliedschaften, ging nicht mehr aus und distanzierte sich auch mehr und mehr von Familie und Freunden. Sein Fokus hieß Karriere. Er wollte die Nummer 1 in der Vernetzungstechnologie werden. Paul wurde in seinem beruflichen Fachgebiet immer besser und auch bekannter. Nach gut vier Jahren in dem Warenhauskonzern war Paul so weit aufgestiegen, dass die nächste Beförderungsstufe nur der Leiter IT und somit Mitglied der Geschäftsleitung sein konnte. Doch der amtierende IT Leiter war gerade 6 Jahre älter als Paul. Paul musste sich entscheiden. Warten, bis der jetzige Abteilungsleiter geht, um dann diese Position zu bekommen oder sich am Markt umschauen. Paul konnte nicht warten. Er war immer schon ein Macher. Warten bedeutete für ihn unnütze Zeit. Er entschied sich für die letztere Lösung und wechselte zu einem US IT-Unternehmen, welches zur damaligen Zeit über 60000 Mitarbeiter weltweit beschäftigte. Kurze Zeit später, im Alter von nur 32 Jahren übernahm er die Gesamtprojektleitung aller IT-Projekt in der Schweiz, Österreich und ZentralOsteuropa. Sein Gehalt durchbrach die magische Grenze und wurde erstmals sechsstellig. Mit steigendem Gehalt stiegen auch automatisch

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seine Mitarbeiterzahlen. Mit steigenden Mitarbeiterzahlen reduzierte sich aber noch mehr seine Freizeit. Paul arbeitet nicht nur für den US-Konzern, Paul lebte nur für den US-Konzern. Für alles andere, Freunde, Freizeit, Familie, Gesundheit hatte er keine Zeit. Weitere Beförderungen, mehr Mitarbeiter und noch höhere Gehälter folgten. Seine Karriere schien nicht enden zu wollen. Die letzten Freunde und Partnerschaften blieben auf der Strecke. Geld, Macht, Hierarchie und Anerkennung, das waren Pauls Währungen. Nach 7 Jahren als Nummer 2 in Europa im Top Management des Unternehmens angekommen, stand die nächste große Aufgabe an. Sollte Paul diese Aufgabe meistern, würde er zur Nummer 1 im europäischen Management aufsteigen. Welch ein Triumph. Die Aufgabe bestand darin, aus dem jetzigen Produktionsunternehmen, eine dienstleitungsorientierte Beratungsfirma innert zwei Jahren zu schaffen. Eine gewaltige organisatorische und unternehmerische Aufgabe, denn nicht nur Organisationen, Prozesse und Kunden mussten verändert werden, sondern auch die in Europa beschäftigten Mitarbeiter in ihren Handlungs- und Denkprozessen. Zur Bewältigung dieser Aufgabe wurde Paul, John zur Seite gestellt. John war ein Top Manager aus USA, welcher eine ähnliche Aufgabe bereits in Asien vollzogen hatte. Paul und John arbeiten nahezu zwei Jahre rund um die Uhr. 12-16 Stunden waren an der Tagesordnung, auch Samstag und Sonntag. Urlaub gönnten Sie sich nicht, denn beide hatten die gleichen Werte. Macht, Geld, Hierarchie, Anerkennung. Es wunderte nicht, dass Paul und John beste Freunde wurden. Auch John lebte für die Firma. Schlussendlich wurde das Ziel erreicht. Paul und John lagen sich triumphierend in den Armen. Die Umstellung von einem Produktionsunternehmen zu einer Dienstleistungsfirma war geglückt. Und vor allem, das Projekt wurde on-time und in-budget fertiggestellt, anders wie der Berliner Flughafen. Nun stand Pauls Karrieresprung zur Nummer 1 in Europa nichts mehr im Wege. Endlich hatte er es geschafft und nun konnte er es all denen heimzahlen, die nie an ihn geglaubt haben und ihn immer

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belächelt haben. Die grenzenlose Anerkennung, welche er sich seit Kindheit gewünscht hat, ist zum Greifen nah. Fred, der Manager der gegenwärtigen Zeit hatte seine Aufgabe getan. Er spiegelte Paul sein jetziges Leben und verschwand.

Manager der nahen Zukunft Doch alles kam anders. Jorge, der Manager der nahen Zukunft erschien. Was Paul zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, Jorge und Paul wurden Freunde auf Lebenszeit. So kam auch Jorge auf Paul zu. Doch im Gegensatz zu seinen vorherigen Managern Charles, dem Manager der vergangenen Lebenszeit und Fred, dem Manager der gegenwärtigen Lebenszeit, berührte Jorge Paul nicht an der Stirn, sondern am Herzen. Ein weiterer Film startete in Pauls Kopf. Wir schreiben das Jahr 2002. Paul sah, wie John, sein Managerkollege unmittelbar nach Projektende nach Amerika zurückflog. John erwartete nach der Rückkehr in seine Heimat eine anstehende Beförderung und zwar in den Vorstand des Konzerns. Zuhause, in Dallas angekommen, freute er sich auf Familie und Freunde. Ein Barbecue mit all seinen Verwandten und Freunden, welche er über zwei Jahre wegen des europäischen Projektes nicht gesehen hatte, sollte diese Beförderung die Krönung aufsetzen. Das muss doch gefeiert werden, so John. Doch zuvor, wollte John nach 2 Jahren endlich mal etwas Sport machen. Er zog seine Laufschuhe an und joggte los. Er kam nie mehr zuhause an. John sah seine Frau, seine Kinder und Familie nie wieder. Kurz nach dem loslaufen fiel John plötzlich um. Sein Körper schlug hart auf dem heißen Asphalt auf. Der sofort von Passanten alarmierte Rettungssanitäter konnte nichts mehr für John tun. John verstarb im Alter von 42 Jahren in den Armen des Notarztes an Herzinfarkt. Die Mitteilung des Unglücks traf Paul aus heiterem Himmel. John und Paul waren zwischenzeitlich beste Freunde geworden. Es gab keinen Tag an denen beide nicht mindestens einmal pro Tag telefonierten. Auf einmal war Pauls vermutlich einziger damali-

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ger Freund Tod. War das der Preis für Karriere? Diese Frage stellte sich Paul danach tagelang und beschloss zum Konzernvorstand nach Amerika zu fliegen. Als kommende Nummer 1 in Europa brauchte er dazu keine Erlaubnis. Paul kam während des Fluges zum Schluss, dass unabhängig von Produkten und Prozessen, die Gesundheit der Mitarbeiter als einen weiteren Erfolgsfaktor im Unternehmen zu etablieren. Doch der Vorstand lehnt Pauls Vorschlag ab mit den Worten: »Für solche Befindlichkeiten haben wir in unserem Unternehmen keine Zeit!«. Diese Aussage der Führungsebene schockierte Paul sehr. Wo waren die menschlichen Züge des Unternehmens? Wie in einem Traum verließ er das Vorstandgebäude, nahm ein Taxi zum Flughafen. Dort angekommen folgte er wie immer der »Fast Lane« durch die Security Control zum Gate und wie immer war er spät dran. Er sah sich noch zum Gate rennen und es wurde ihm schwarz vor Augen. Als Paul die Augen wieder öffnete war Jorge, der Manager der nahen Zukunft verschwunden. Anstelle dessen, schaute er in die Augen zweier Rettungssanitäter, welche sich um ich sorgten. Seine Abendmaschine nach Miami war zwischenzeitlich gestartet.

Manager deines eigenen Lebens Was nützen Paul Macht, Geld, Hierarchie und Anerkennung, wenn er krank ist oder gar stirbt. Und wer würde dann zu seiner Beerdigung kommen? Hatte er noch Freunde? Vermehrt verspürte auf einmal innere Leere, Einsamkeit und Herzrhythmusstörungen. Alarmzeichen? Sollte es ihm etwa ähnlich ergehen wie John? Nein mit Sicherheit nicht. Paul musste handeln. Paul kündigte am nächsten Tag. Das schlimme Schicksalsereignis mit John lies Paul intensiv mit sich selbst beschäftigen. Was wollte Paul wirklich und was war ihm wirklich wichtig? War es wirklich Macht, Hierarchie und Geld? Er erinnerte sich an seine Jugendzeit zurück, an den Film, den Charles ihm zeigte. War es nicht sein Herzenswunsch einmal Autor und Schauspieler zu werden? Sollte er nicht endlich seinem Herzen fol-

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gen, auch wenn er nun über 30 Jahre diesen Herzenswunsch nicht mehr gelebt hatte? Diesen sogar verdrängt hatte? Tage,Wochen, Monate, Jahre vergingen. Paul arbeitete intensiv an sich und seinen inneren. Er nahm sich namhafte Coaches und Trainer zur Seite und folgte immer mehr seinem Herzen. Die Berührung seines nun mittlerweile besten Freundes Jorge am Herzen, hat Paul gerettet. Menschlichkeit, Nähe, Vertrauen und Liebe waren immer schon seine Themen, von jungen Jahren an schon.Warum nicht diese für ihn wichtigen Werte mit den modernen Managementmethoden verbinden? Am Anfang wurde er von seinen ehemaligen Managementkollegen nur belächelt. Es gibt keine Menschlichkeit in Führung und Unternehmen, schon gar nicht in Konzernen. Das gaben ihm alle zu verstehen. Man ist eine Nummer und muss in Systemen und Netzwerken denken. Doch Paul liebte seit jeher das Brechen von Regeln, Richtlinien und Normen, denn diese schränken Kreativität und Freiheit ein.Vor allem wollte Paul aus der Vergleichbarkeit heraus, denn wer vergleichbar ist, ist austauschbar. Und Paul wollte nie austauschbar sein. Und wenn alle sagten, das geht nicht, das funktioniert nicht, lass es sein, dann ist es genau das, was Paul braucht.Wenn es noch keiner gemacht hat, dann ist da Raum für jemanden, der Mut hat, etwas zu bewegen. Heute, wir schreiben das Jahr 2020, steht Paul über 100mal pro Jahr auf der Bühne. Egal ob als Trainer, Redner oder Schauspieler. Er hat sich seinen Jugendtraum erfüllt und ist als Autor am Markt nicht mehr wegzudenken. Er hat über 30 Bücher geschrieben, hat 4 Buchserien etabliert und weit über 200 Autoren zu Buchverträgen verholfen. Paul hat sein Thema gefunden, das was für ihn aus dem Herzen kommt, für das wofür er steht. Für Menschlichkeit, nicht nur in Unternehmen, sondern in der ganzen Gesellschaft. Für Paul steht heute nicht mehr Geld, Macht und Hierarchie an erster Stelle, sondern die Freiheit, das zu tun, was aus seinem Herzen kommt. Heute ist er glücklich und zufrieden und hat zwischenzeitlich gute und wertvolle Freunde an seiner Seite. Er erreicht mit seinen erlebten Geschichten viele Menschen, die es satt sind, nur dem

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Geld und der scheinbaren Anerkennung hinterher zu jagen. Denn wenn man dem Geld hinterherläuft, läuft es immer vor einem weg. Folge daher deinem Herzen und nicht der Jagd nach fremdbestimmter Anerkennung und dem Ruf des Geldes. Denn wenn du aus deinem inneren Herzen lebst, das tust was dich aus Leidenschaft und Begeisterung antreibt, das tust, was du kannst und nicht das, was du gelernt hast, dann strahlst du nach Außen und ziehst Glück, Gesundheit, Freunde und auch Geld an.

Über den Autor Peter Buchenau, Mr. Chefsache in Deutschland, versteht es wie kaum ein anderer auf sein Gegenüber einzugehen, zu analysieren, zu verstehen und zu fühlen. Er liest Fährten, entdeckt Wege und Zugänge und bringt Zuhörer und Klienten auf den richtigen Weg. Er ist Ihr Gefährte, er begleitet Sie bei der Umsetzung Ihres Weges, damit Sie Spuren hinterlassen – Spuren, an die man sich noch lange erinnern wird. Der mehrfach ausgezeichnete Chefsache Ratgeber und Geradeausdenker (denn der effizienteste Weg zwischen 2 Punkten ist immer noch eine Gerade) ist ein Mann von der Praxis für die Praxis, gibt Tipps vom Profi für Profis. Auf der einen Seite Vollblutunternehmer und Geschäftsführer, auf der anderen Seite Sparringspartner, Mentor, Autor, Kabarettist und Dozent an Hochschulen. In seinen Büchern, Coachings und Vorträgen verblüfft er die Teilnehmer mit seinen einfachen und schnell nachvollziehbaren Praxisbeispielen. Er versteht es vorbildhaft und effizient ernste und kritische Sachverhalte so unterhaltsam und kabarettistisch zu präsentieren, dass die emotionalen Highlights und Pointen zum Erlebnis werden.

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15 moderne Märchen von: Anke Ames • Yvonne de Bark • Peter Buchenau • Max Cooper • Dagmar Döring • Sonja Gründemann • Oliver Grytzmann • Sabine Kocherhans • Carsten Lexa • Margit Susan Lieverz • Mira Christine Mühlenhof • Ariana Nero • Jasmin Reif • Yasmin Röckel • Martina Seemann Märchen sind beliebt und Märchen sind zeitlos – und am Ende gibt es immer ein Happy-End. Wir alle können uns an bestimmte Märchen aus der Kinderzeit erinnern, und jeder hat seine persönlichen Favoriten. 15 Autorinnen und Autoren haben sich ihr Lieblingsmärchen ausgesucht, und füllen es mit einem neuen und zeitgemäßen Thema oder einem Tipp für die moderne Welt. Jede Geschichte enthält eine Botschaft, die der Leser, egal ob Führungskraft, Angestellter oder Freiberufler, für sich beruflich und privat nutzen kann. Jeder Tipp ist unterhaltsam und humorvoll in einer Geschichte verpackt. Märchen für Macher ist ein ebenso lehrreicher wie augenzwinkernder Sammelband von Märchen, angepasst an die heutige Zeit.

ISBN-13: 978-3-03876-532-5

www.midas.ch


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