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Das Wohlfühl- und Nachhaltigkeitsmagazin der

06/2015

ERNÄHREN Alle reden von Quinoa, Chia und anderen Superfoods – wir haben die einheimischen Alternativen dazu

BEWEGEN Mehr Haltung! Mehr Flexibilität! Mehr Wohlgefühl! Wie man das schafft? Mit Faszientraining.

Schmeckt wie … Von natürlich bis künstlich – wir klären ein paar Geschmacksfragen


Migros-Marken treffen den Schweizer Geschmack.

Michael Erismann, Projektleiter Frey

www.vonuns-vonhier.ch


EDITORIAL

Lust auf Neues

Weiterlesen!

Stellen Sie sich vor, Sie sind neu in New York. Keiner kennt Sie. Ihr Name? Nie gehört. Sechs Jahre später kennen Sie 980 000 New Yorker. Wie Sie das geschafft haben? Ihr Geheimnis … Vielleicht haben Sie einfach über Dinge geredet, die die Leute interessieren. So ähnlich ist es mit Vivai. 2009 lanciert, erreicht Vivai gemäss der Lesermarktstudie 2015 der Publicom heute 980 000 Leserinnen und Leser pro Ausgabe (die allererste sehen Sie unten). Wir danken Ihnen für die Aufmerksamkeit, die Sie uns beim Lesen schenken.

Titelfoto: Getty Images (Montage: Vivai), © Roland Tännler

Auf Tuchfühlung

Eine der beliebtesten Ausgaben war übrigens die letzte – über den Schlaf. Ein wunderbares Thema, das ich hier gleich nochmals aufgreife – mit einem Loblied auf qualitativ hochwertige Bettwäsche. Für mich ein Luxus. Mit Bettwäsche (am besten in Bioqualität) gibts einfach mehr Berührungspunkte als mit Schuhen und Handtaschen – im wahrsten Wortsinne.

Liebe Leserin,lieber Leser «Hä, was isch dänn das?» Nur Kinder bekennen sich so unverstellt, wenn sie etwas nicht verstehen. Später wird daraus gern ein Zustimmung vortäuschendes «Sehr interessant» oder ein bestätigendes «Ach ja, jetzt, wo du es sagst!» Ein Verhalten, das man häufig an Esstischen erleben kann. Vor allem seit es en vogue ist, sich in der Kunst der Geschmacksdifferenzierung zu üben. Wenn ein Hobbykoch eine «Melange aus der leichten Säure der Cranberrys und der blumigen Süsse von frisch geschleudertem Honig» serviert, stösst mancher Gast an die Grenzen seiner Geschmacksnerven. Während die einen versuchen, sich auf ihren Gaumen zu konzentrieren, gibt es meist noch einen, der weiter steigert: «Für mich haben die karamellisierten Cranberrys noch den Hauch einer Vanillenote». «Hä?», würde ich dann am liebsten sagen. Aber meist warte ich stumm, bis sich diese Blumenkohl-Wortwolken über dem Essen wieder verzogen haben. Nur ab und zu wage ich die Provokation: «Nur wer satt ist, kann über den Geschmack reden!» Das tun wir in dieser Ausgabe auch. Denn der Geschmack ist mehr als ein trendiges Tischthema. Wir öffnen Ihnen die Tür in die Welt der Aromen, den wahren Verführern der Sinne – und die können ja täuschen. Vor Kurzem geriet eine Kollegin beim Genuss meiner Salatsauce in Verzücken: «Die ist würzig-herb, ohne salzig zu sein. Schmeckt wie ein Kräutergarten». Mein kleines Feuerwerk der Aromen war aus dem Tütchen. Einfach mit Essig und Öl anrühren. Falls Sie lieber die Form wahren, statt mit Worten Hüllen zu bilden, dann haben wir ein Gesprächsthema: Faszien (Seite 50). Die schmeckt man nicht, die spürt man … Viel Freude bei der Lektüre

Chefredaktorin Vivai 6/15

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Migros-Marken halten Kindheitserinnerungen frisch.

Urs Buchegger, Leiter Entwicklung Eiswaren, Midor

www.vonuns-vonhier.ch


INTERN

Impressum Herausgeber: Migros-Genossenschafts-Bund Leiter Migros-Medien: Lorenz Bruegger Verlagsleiter: Rolf Hauser Publizistische Leitung: Monica Glisenti Chefredaktorin: Susanna Heim Stellvertreterin: Christine Kunovits Redaktion: Lukas Hadorn, Imelda Stalder, Daniel Stehula Übersetzung und Produktion: Sylvie Castagné (F), Cora Gianolla (I) Art Direction: Dora Siegenthaler Bildredaktion: Cornelia Thalmann Bildbearbeitung: Reto Mainetti Korrektorat: Patrizia Villiger

40 Die Journalistin Petra Koci war für Vivai im stillen Safiental mit singenden Lamas unterwegs.

Redaktion und Verlag: Vivai, Limmatstrasse 152, Postfach 1766, 8031 Zürich vivai@migrosmedien.ch migros.ch/vivai

Unser Redaktor Lukas Hadorn wills wissen. Seit Kurzem lässt er sich an der Klubschule Migros zum Ernährungscoach ausbilden. Erste Übung: eine Woche lang jeden Bissen protokollieren und die Nährwerte berechnen. Jetzt hat er auch beim Zmittag stets Stift und Papier dabei.

Druck: Vogt-Schild Druck AG, CH-4552 Derendingen Papier: Holzfrei, FSC-Mix Zur CO2-Kompensation wird ein FSCProjekt in Brasilien unterstützt. ISSN: 1663-716X Gesamtauflage Vivai: 249 492 Exemplare D: 172 264 Ex., F: 61 931 Ex., I: 15 297 Ex.

«Geschmack ist ein Urteilsvermögen, das man von klein auf lernt.»

© Bruno Augsburger, Pablo Tys, Marion Nitsch

Die Experten

Bestellen Sie Vivai kostenlos: abo.vivai@migrosmedien.ch oder Telefon 0800 180 180

Petra Hagen Hodgson, Dozentin für Soziologie und Kulturgeschichte des Essens, erklärt, was es mit dem Geschmack auf sich hat. S. 14

David Fäh ist Ernährungsphysiologe und Dozent an der Uni Zürich. Er hat sich mit Superfood und dessen Alternativen befasst. S. 30

Jörg Hering, Physiotherapeut und Dozent für Anatomie, weiss, wie wichtig gesundes und entspanntes Bindegewebe für den Körper ist. S. 50 Vivai 6/15

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Das pflanzliche Rezept bei verstopfter Nase. Sinupret® Dragées befreien.

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DAS FREUT UNS

AUF KURS

Fairer Genuss zum Fest Weihnachtszeit ist Maiskölbchenzeit! In der Schweiz steht Fondue chinoise ganz weit vorne in der Beliebtheitsskala der Weihnachtsgerichte, und da gehört dieser knackige Snack unbedingt mit dazu. Als erste Detailhändlerin überhaupt hat die Migros neu Max-Havelaar-Maiskölbchen im Angebot. Das Fair-Trade-Projekt hat sie mit einem südindischen Verarbeiter selbst aufgebaut, rund neunzig Bauern sind involviert. Die Prämiengelder von Max Havelaar werden in ein mobiles Spital und in Toiletten der lokalen Schule investiert.

© Fotos: Monika Flückiger, Shutterstock, Illustration: iStock

Die Condy Maiskölbchen Fair Trade Max Havelaar sind ab der ersten Dezemberwoche in grösseren Migros-Filialen erhältlich.

Ausgezeichnet geputzt Grosse Ehre für den WC-Reiniger Migros Plus: Er schnitt im Test der Westschweizer Konsumentenstiftung FRC als bester seiner Klasse ab. Prädikat: Sehr gut! Dank Essigsäure wandelt er Kalk- und Urinsteinablagerungen in leicht lösliche Salze um, die sich mühelos entfernen lassen. Kommt hinzu, dass der Reiniger als einziges Produkt im Test eine biologische Abbaubarkeit von hundert Prozent aufweist. Bravo!

Im Rahmen ihres Nachhaltigkeitsprogramms Generation M hat die Migros versprochen, bis Ende Jahr ausschliesslich Palmöl aus nachhaltigen Quellen zu verwenden. Das Versprechen ist auf Kurs. Bereits im Juni hatten die Betriebe der M-Industrie 98 Prozent des verwendeten Rohstoffs umgestellt. So werden etwa die Kuchenund Pizzateige sowie die Guetsli der Jowa-Bäckerei nur noch mit nachhaltigem Palmöl gebacken. migros.ch/generation-m

DIE MIGROS ZEIGT HERZ Jedes zehnte Kind in der Schweiz ist von Armut und damit oftmals auch von sozialer Ausgrenzung betroffen. Eine traurige Tatsache, auf die die Migros mit ihrer Weihnachtsspendenaktion «Zeig Herz» aufmerksam macht. Für jedes auf die Onlineplattform zeigherz.ch hochgeladene Foto spendet sie fünf Franken an spezielle Projekte von Caritas, Heks, Pro Juventute und Winterhilfe Schweiz zur Unterstützung benachteiligter Kinder in der Schweiz. Das Foto soll einen schönen Augenblick aus der eigenen Kindheit zeigen. So wird aus dem vergangenen ein künftiger Glücksmoment. Ausserdem verkauft die Migros Frey-Schoggiherzen im Wert von 5, 10 und 15 Franken. Deren Erlös fliesst vollumfänglich an die erwähnten Hilfswerke. Ende Jahr wird die Migros den Gesamtbetrag verdoppeln, wobei die Spende maximal eine Million Franken beträgt. zeigherz.ch

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EU

N Jedem sein Abwehrsystem.

Zink und Vitamin C unterstützen unser Immunsystem!

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DAS GEFÄLLT UNS

Food-Porn macht dick Wer auf Social-Media-Kanälen wie Facebook oder Instagram unterwegs ist, dürfte festgestellt haben, dass das Zurschaustellen von Mahlzeiten stark zugenommen hat. Food-Porn heisst der Fachbegriff des Phänomens, das ausdrücken soll, dass man ist, was man isst. Forscher der Uni Oxford wollen nun erkannt haben, dass das ständige Betrachten von Food-Porn dick macht. Das Hirn sieht Essen und meldet: Hunger! Fehlt die Disziplin, schlägt sich das auf die Linie. Unser Vorschlag: «Saisonküche» abonnieren. Lieber einmal monatlich die besten Rezepte und professionelle Food-Fotografie als täglich Food-Porn in der Endlosschlaufe.

© Fotos: Getty Images, Plainpicture, iStock (Montage: Vivai), Illustration: iStock

saison.ch

AAAAACHTUNG! Wo man derzeit hinschaut, üben sich die Menschen in Achtsamkeit. Seit uns der digitale Informationsstrom täglich aufs Neue mitreisst, ist das Bedürfnis nach konzentriertem Innehalten gestiegen. Es wird achtsam Espresso geschlürft und achtsam auf den Bus gewartet. Das schärft die Sinne und entspannt. Kürzlich haben wir einen interessanten Tipp entdeckt: Achtsam ausmalen. Der Fokus auf Buntstifte und Papier soll vom Ballast des Alltags befreien. Probieren Sies aus, gleich hier auf dieser Seite!

Spannendes vom Sofa

Unterwegs in ein neues Alter Leben im Alter. Seit die aktiven, gesunden und technologieaffinen Babyboomer ins Pensionsalter gekommen sind, hat sich dieser Begriff stark gewandelt. Die «alterslose Gesellschaft» bietet neue Chancen und stellt uns vor neue Herausforderungen. Das Gottlieb Duttweiler Institut GDI hat Szenarien für das «Altsein in der Zukunft» entworfen. Eine lesenswerte Studie – auch für Junge.

Die Studie «Digital Ageing» kann unter gdi.ch kostenlos heruntergeladen werden.

Waren Sie schon einmal an einer Lesung in ihrem Wohnzimmer? Kaum. Das Projekt sofalesungen.ch macht aber genau das möglich. Es bringt Literatur nach Hause, in WG-Wohnzimmer, Ateliers, Hinterhöfe und Schrebergärten. Ziel ist es, jungen Schweizer Autoren ein neues Publikum jenseits der etablierten Literaturhäuser zu eröffnen. Unterstützt wird die Initiative vom Förderfonds Engagement Migros, der sich auch über andere Projekte für neues Kulturpublikum engagiert. sofalesungen.ch, engagement-migros.ch

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DOSSIER GESCHMACK

Geschmack Eine süsse Erdbeere. Eine künstlich gesüsste Erdbeere? Eine holländische Erdbeere? Oder doch Schweizer Qualität? Eine, die nach Kindheit schmeckt? Geschmack entsteht nicht nur auf der Zunge, sondern auch im Kopf, in der Kindheit und im Labor. Geschmack ist genetisch, kulturell sowie sozial bedingt. © iStock

Eine hochkomplexe Sache. Vivai 6/15

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DOSSIER GESCHMACK

Schmeckt wie beim Grosi Geschmack stiftet Identität und gilt neuerdings als Statussymbol. Schulen oder verfeinern kann man den Geschmackssinn allerdings nicht.

d

er Aufmarsch der Worte fand in einem Szenelokal statt, wie man es in vielen Städten kennt: Die Menükarte handgeschrieben, restaurierte Holzstühle und blassblaue Servietten. Der Kellner öffnete den Mund, und da purzelten sie heraus: «Ein Hauch Thymian, ein Klacks Mascarpone-Sauerrahm, eine Prise Fleur de Sel, ein Kitzeln auf der Zunge, ein warmes Gefühl im Rachen, herbsüss, würzig, aber nicht penetrant, ein krasses Feeling, ein Flair Nordnorwegen, ein Kick Indochina, alles hausgemacht.» Ein Blick in die Karte verriet, dass er über den bunten Marktsalat an Hausdressing sprach, über den Hackbraten auf Lauchstampf, über die Kürbiswürfel im Blätterteig. Er sprach über Essen und strahlte in die Runde. Den Gästen lief nicht das Wasser im Munde zusammen, vielmehr blieben ihnen die vielen, zu vielen Begriffe im Hals stecken. Die Demonstration des geschulten Geschmacks gehört heute offenbar zum guten Ton. Essen ist nicht mehr bloss 12

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Nahrungsaufnahme, sondern Ereignis und Profilierung. Die Zelebration der Geschmacksverfeinerung soll zeigen: Ich verstehe was davon! Der Geschmack wird im European Food Trends Report des Gottlieb Duttweiler Instituts GDI als neues Statussymbol ausgerufen. Man isst nicht mehr, sondern spricht leidenschaftlich darüber. Ein Stück Fleisch schmeckt nicht einfach gut, sondern riecht wie ein Spaziergang durch eine Waldlichtung, weckt Sehnsucht, macht wild, richtet in der Mundhöhle eine Geschmacksexplosion und das totale Gefühlschaos aus. Und dies, obwohl unser Gaumen gerade einmal fünf Geschmäcke identifizieren kann: süss, sauer, salzig, bitter und umami (japanisch für Wohlgeschmack, entspricht dem Natriumglutamat). Der Geschmackssinn ist ein hochkomplexes System, das genetisch, kulturell und sozial bedingt ist. Er ist eng verbunden mit dem Geruchs- und dem Tastsinn sowie mit der Temperatur- und der Schmerzempfindung. Er ist ein soge-

nannter Nahsinn, der sich nur bei unmittelbarem Körperkontakt erfahrbar macht. Auf saure und bittere Geschmäcke reagiert er sofort, weil sie den Menschen schon seit jeher vor unreifen, verdorbenen oder giftigen Nahrungsmitteln warnen. Das Gegenteil ist bei süss und salzig der Fall, da sie den Körper auf ernährungswichtige Stoffe wie Kohlenhydrate, Eiweisse und Fette hinweisen. Anders als von vielen Menschen angenommen, ist scharf keine Geschmacksrichtung, sondern ein Schmerz auf der Zunge, auf den der Körper als Gegenreaktion das lindernde Hormon Endorphin ausschüttet. In diesem Zusammenhang wird auch vom Pepper-High gesprochen, einem würzigpikanten Rausch quasi. Für die Wahrnehmung der fünf wissenschaftlich nachgewiesenen Geschmacksrichtungen süss, salzig, sauer, bitter und umami sind Geschmacksknospen auf der Zunge verantwortlich, die sich beim Fötus bereits im zweiten Schwangerschaftsmonat bilden. Über das

© Arthur Belebeau / Trunk Archive

Text: Stephanie Rebonati


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Identität zu tun„ Petra Hagen Hodgson, Dozentin für Soziologie und Kulturgeschichte des Essens an der ZHAW in Wädenswil Frau Hodgson, weshalb wird so viel über Geschmack gesprochen?

Die Menschen sind auf der Suche nach Ursprünglichem und Authentischem. Man möchte wieder mehr Bodenhaftung. Man interessiert sich für alte Tomatensorten, für Bewegungen wie Slow Food oder betreibt Urban Gardening. Hat Geschmack auch eine soziale Bedeutung?

Erst wenn der Mensch genug zu essen hat, wird Geschmack wichtig. Über den Geschmack kann man sich von einer anderen Gruppe unterscheiden. Geschmack ist ein Urteilsvermögen, das man von klein auf lernt. Wie wichtig ist die Küche der Kindheit?

Entscheidend! Durch sie machen wir unsere ersten Geschmackserfahrungen, unser kulturelles Geschmacksgedächtnis wird gelegt. Daher ist es wichtig, dass zu Hause nicht nur globalisiertes Fast Food gegessen, sondern auch gekocht wird. Das hat mit Identität zu tun. Sie unterrichten Kulturgeschichte des Essens – worum geht es genau?

Wir schauen, was und wie Menschen früher gegessen haben und wie sich das verändert hat. Speisen im Mittelalter etwa hatten einen essigsauren Geschmack, später basierten sie auf Butter. Oder: Die mediterrane Küche ist vegetarischer als die deutsche. Das hat mit kulturellen Entwicklungen zu tun. Sie haben ein Buch über das Kochen und das Bauen geschrieben. Was ist den beiden Disziplinen gemein?

Sie decken unsere Urbedürfnisse. Man fügt zusammen, misst und formt, komponiert mit Materialien, mit Farben. Das hat auch mit Genuss zu tun. Geniessen und Geschmack gehören etymologisch betrachtet zusammen – schon immer. 14

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Das schmecken wir: süss (Donut), bitter (Artischocke), salzig (Brezel), sauer (Zitrone) und umami (Sardelle).

Fruchtwasser trägt die Mutter also schon vor der Geburt zur Geschmacksprägung des Kindes bei. Später sind es die Sozialisation, die Rezepte der eigenen Familie, die jeweilige Esskultur mit ihrer Regional- und Nationalküche, die unser Geschmacksempfinden lehren, was lecker ist und wie Identität schmeckt. Deshalb wird man unweigerlich nostalgisch, wenn man an einer Bäckerei vorbeigeht und den Geruch von frischem Zopf einatmet – sofort sind die Bilder vom Dorf oder von der Strasse, in der man gross wurde, wieder da. Und viele können die Hörnli mit Ghacktem und Apfelmus schmecken, selbst wenn sie nur auf der Karte stehen. Auf der Zunge liegt dann das Gefühl vom vertrauten Zuhause. Es kommt also nicht von ungefähr, dass ein «Es schmeckt wie bei Grossmutter» das grösste Kompliment ist, das der Restaurantkritiker zu verteilen hat. Die schlechte Nachricht für all jene, die gern mit ihrem gesammelten Geschmackswortschatz beim Essen prahlen: der Geschmackssinn lässt sich als solcher nicht schulen und verfeinern. «Wie intensiv man süss, sauer, salzig, bitter oder umami schmeckt, ist eher eine genetische Frage», sagt Patrick Bürgisser, Lebensmittelingenieur und Leiter des Sensoriklabors an der Berner Fachhochschule. Die Sensorik-Theorie unterscheidet zwischen Super-, Medium- und Non-Tastern. Dem Super-Taster schmeckt etwa eine Cola viel zu intensiv, er wählt seine Lebens-

mittel sehr sorgfältig aus. Medium-Taster machen zwischen fünfzig und sechzig Prozent der Gesellschaft aus, und die Non-Taster konsumieren eher fettige Speisen und starke Alkoholika. «Es sind vor allem Männer, Europäer und Nordamerikaner, die Non-Taster sind. Frauen sind vielmehr Medium- bis Super-Taster, was sich evolutionär erklären lässt, weil sie vermutlich schon früh für die Lebensmittelzubereitung zuständig waren», sagt Bürgisser. Der Fachmann erklärt, dass sich zwar der Geschmackssinn nicht verändern lässt, das ganze Geschmackssystem allerdings schon. Die gustatorische Wahrnehmung kann durch intensives Training verfeinert werden, indem man sich immer wieder Reizen aussetzt und so das Erinnerungsvermögen stärkt. Spricht einer nämlich von Holunder und schwarzen Beeren, die er in einem Schluck Rotwein zu erkennen meint, sind das im rein sensorischen Sinn keine Geschmäcke, sondern sogenannte Flavours. Diese wahrzunehmen, kann man über das Zusammenspiel von Geruchs- und Geschmackssinn trainieren. Müsste Bürgisser den wichtigsten Sinn neben dem Sehen nennen, würde er ohnehin auf seine Nase tippen. Er sagt: «Der Geruchssinn macht den Geschmackssinn erst aus, denn er ist der einzige, der mit dem limbischen System im Gehirn verbunden ist. Dort, wo Emotionen verarbeitet werden.» Zurück in unser Szenerestaurant, wo der Kellner ein weiteres kulinarisches Gefühlsorchester auszulösen versucht. Mittlerweile sind wir beim Dessert: «Es schmeckt süss-säuerlich, ist cremig, die Kälte wird durch eine Nuance Italianità wettgemacht, übrigens frisch gezupft in unserem Garten, dann ein knusprigsüsses Element als wunderbaren Kontrast zum sämig-weichen, alles hausgemacht!» Was machte er den Gästen schmackhaft? Die Auflösung findet, wer das Heft auf den Kopf stellt. En Guete! l Auflösung: Sauerrahmglace mit Basilikumblättern und Karamell-Krokant.

"Geschmack hat mit

© Fotalia, iStock, Keystone / Gallery Stock

DOSSIER GESCHMACK


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Heimat im Mund Wie schmeckt die Schweiz, wenn man nicht hier aufgewachsen ist? Unsere Umfrage zeigt: Geschmack ist auch eine Frage der Herkunft. Protokolle: Lukas Hadorn Fotos: Yves Bachmann

Meine grösste Überraschung habe ich beim Biss in ein Stück Käsekuchen erlebt. Ich kannte Cheesecake als süsses Dessert, darum habe ich natürlich nichts Salziges erwartet. Aber eigentlich mag ich die Schweizer Küche sehr, im Restaurant probiere ich gern die traditionellen Gerichte. Auch Fondue und Raclette esse ich gern, einfach nicht häufiger als ein, zwei Mal pro Winter. Wenn ich selber koche, dann meistens Chinesisch. In der Schweiz kann man fast alle Zutaten kaufen, die es braucht. Einzig frischen Bambus vermisse ich und die Vielfalt an Tofuprodukten, die wir in China kennen. Ich bin in der Provinz Szechuan aufgewachsen, die für ihr sehr scharfes Essen bekannt ist. Beim Kochen verwende ich getrocknete Chilischoten, die mir meine Eltern aus China mitbringen. Auch Szechuanpfeffer und scharfe Bohnenpaste kommen häufig zum Einsatz. Was ich oft vergebens suche, ist Fenchelgrün. Ich brauche es für die Füllung von Teigtaschen und Dampfbrötchen. Leider wird es in der Schweiz meist abgeschnitten, bevor die Knolle verkauft wird. Also habe ich selber Fenchel angepflanzt. Allerdings wollten meine Kinder nicht, dass ich das Grün schneide, weil es die Schmetterlinge in unserem Garten anzog. Ich koche also weiterhin ohne Fenchelgrün.

Wanqiu Hu Frey, 33, ist in der südchinesischen Stadt Leshan aufgewachsen. Seit fünf Jahren lebt sie in der Zentralschweiz. Vivai 6/15

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Fleisch und Früchte – bei diesen Nahrungsmitteln schmecke ich den grössten Unterschied. Fleisch ist bei uns, sofern man es sich leisten kann, ein Grundnahrungsmittel. Man isst es jeden Tag. Ich konnte erst gar nicht verstehen, warum wohlhabende Leute hier freiwillig auf Fleisch verzichten. Geschmacklich finde ich zum Beispiel Rindfleisch oft etwas fad. In Brasilien lassen wir es länger abhängen, dadurch wird der Geschmack intensiver. Bei den Früchten habe ich den Geschmacksunterschied lustigerweise erst dann bemerkt, als ich mit meinem kleinen Sohn zum ersten Mal zurück in Brasilien war. Meine Mutter hatte einen Brei mit Bananen und Äpfeln für ihn gemacht, und ich glaubte, sie hätte zusätzlich Zucker hineingestreut, so süss waren die Früchte. Aber ich habe in der Schweiz auch viele Geschmäcke kennen und lieben gelernt. Die Kombination von frischem Brot und Käse mit Rotwein finde ich fantastisch. Brot kannte ich nur als Baguette oder Süssteig. Was es in der Schweiz für viele Sorten aus unterschiedlichem Getreide gibt, ist unglaublich.

Luzimar Santos Brunner, 41, lebte in Brasilia und Rio de Janeiro, bevor sie 2006 in die Schweiz zog.

Es klingt unglaublich, ist aber wahr: Ich vermisse kanadische Schokolade. Ich weiss zwar, dass Schweizer Schokolade qualitativ besser ist, aber ich kaufe mir trotzdem als Erstes einen «Oh Henry!»-Riegel, wenn ich in Kanada ankomme. Es ist halt der Geschmack meiner Kindheit. Als ich in die Schweiz kam, musste ich mich an vieles gewöhnen. An die kleinen Portionen und daran, dass man in Schweizer Restaurants tut, als wären Eiswürfel kleine Goldstücke. Aber ich habe auch vieles kennen und schätzen gelernt. Ich weiss beispielsweise, dass ich eine Sauce mit Speck, Eiern und Parmesan oder Pecorino bekomme, wenn ich Spaghetti alla Carbonara bestelle. In Nordamerika kann da Rohschinken drin sein, Mozzarella oder gar Tomaten! Man weiss nie, was man kriegt. Italienische Salatsauce? Hat schon mal Rahm oder Mayonnaise drin! In Europa stehen die Namen der Gerichte, Saucen und Kochstile für bestimmte Zutaten und für einen definierten Geschmack. Essen hat eine stärkere kulturelle Komponente. Als gelerntem Koch gefällt mir das.

Tony Gerig, 46, lebte in Vancouver und auf Hawaii, bevor er mit 17 in die Schweiz kam.

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Als Erstes habe ich festgestellt, dass die Qualität der Nahrungsmittel in der Schweiz in der Regel viel besser ist als in Deutschland. Aber natürlich gibt es Dinge, die ich aus meiner Kindheit gewohnt bin und hier vermisse. Richtiges Roggen- oder Sauerteigbrot etwa, von dem zwei Scheiben einen halben Tag satt machen. Ich mag einfache, reine, pure Lebensmittel, und die sind in der Schweiz schwieriger zu finden als in Norddeutschland. Hier ist vieles aromatisiert und mit Farb- und Geschmacksstoffen angereichert. Da fehlt mir der echte, natürliche Geschmack. Bei den Milchprodukten fällt es mir besonders auf. Ich mag pure, ungezuckerte Buttermilch, Dickmilch oder frischen Kefir. Wenn man diese Produkte in der Schweiz erhält, dann fast nur gezuckert und aromatisiert.

Ich bin ja eigentlich ein unkomplizierter Esser. Aber mit dem Käse hatte ich meine liebe Mühe. Der Geruch erinnerte mich an Soumbara, ein Gewürz aus fermentierten Baumfrüchten, das wir in Guinea über den Reis streuen. Ich mochte es schon als Kind nicht. Als armer Student, der zum ersten Mal im Ausland wohnt, war ich am Anfang sowieso überfordert mit Einkaufen und Kochen. Die ersten Monate habe ich mich von Teigwaren mit geriebenem Parmesan ernährt. Diese Geschmackskombination liebte ich auf Anhieb! Später habe ich dann afrikanische Lebensmittelläden entdeckt, in denen ich die Dinge kaufen konnte, um die Gerichte meiner Heimat nachzukochen: Okra, Kochbananen, Erdnusspaste oder Palmöl. Inzwischen habe ich mich an die Schweizer Küche gewöhnt. Raclette ist zu meinem Lieblingsessen in der kalten Jahreszeit geworden, das hätte ich nie für möglich gehalten.»

Ibrahima Diallo, 42, ist im westafrikanischen Guinea aufgewachsen. 1998 kam er als Student nach Genf, seit 2014 wohnt er im Kanton Freiburg.

Meike Hanne Seele, 47, ist an der Nordküste Deutschlands aufgewachsen. Seit 2001 lebt und arbeitet sie in der Schweiz. Vivai 6/15

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Sushi statt Rösti Exotische Gerichte gehören zum alltäglichen Angebot auf den Speisekarten. Der Geschmack wird globalisiert — in immer höherem Tempo.

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um Frühstück einen warmen Porridge, zum Zmittag ein leichtes Sushi und zum Znacht Fajitas mit der Familie oder mit Freunden – dieser Speiseplan ist nicht ungewöhnlich, so kann man sich heute in der Schweiz ernähren. Bis vor wenigen Jahren hätte das nicht gegolten. Doch man hat gelernt, den Geschmack von rohem Fisch und gesäuertem, kaltem Reis zu mögen. Man akzeptiert, dass Sushirollen von Algen umgeben sind. Anfangs war der Besuch in einem Sushirestaurant ein besonderer Anlass. Man bewies sich und anderen die eigene Weltläufigkeit. Heute findet man Sushi-Portionen in den Kühlregalen der Grossverteiler. Kale und Pasta

Pizza, Pasta und Curry haben Schweizer Haushalte schnell in den Speiseplan integriert. Aber die Geschwindigkeit nimmt zu, mit der neue Trends und Geschmacksrichtungen auf den Teller kommen. Das liegt nicht zuletzt am grossen Interesse am Thema Essen und Ernährung in der westlichen Gesellschaft. Food-Blogs und Facebook befeuern beständig neue Food-Trends. So kommt es, dass der altbackene Grünkohl, den man in Norddeutschland als Wintergericht schätzt, nun in der Schweiz als Kale angebaut und angeboten wird in Form von Smoothies oder als Zutat von betont gesunden Gerichten. Kale erlebte in Hollywood einen Boom, viele Filmstars 18

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sahen darin ihr Gesundheitsgeheimnis. Jetzt erkennt auch Frau Müller aus Fislisbach einen Grünkohl, wenn sie ihn sieht. Milch und Safran

Nicht erst seit wenigen Jahren erweitern die Europäer ihre Speisezettel. Milch und Milchprodukte sind beispielsweise Lebensmittel, die einst als exotisch galten. Die ältesten archäologischen Funde von Spuren der Nutztierhaltung beweisen, dass vor 13 000 Jahren im Nahen Osten Schafe und Ziegen gehalten wurden. Von dort aus eroberten die Viehzucht und der Geschmack von Milch und Käse weite Teile der Welt. Die antiken Römer importierten Safran, Pfeffer und weitere Gewürze von den Küsten des arabischen Meers und des indischen Ozeans. Die geschäftstüchtigen Venezianer trieben im 13. Jahrhundert Handel mit China und anderen asiatischen Ländern. Die Kaufleute brachten neben ihren Waren auch chinesische Nudeln und Reiskörner zurück nach Venedig. Den Reis baute man in der Po-Ebene an und integrierte ihn in die venezianische Küche. Von Norditalien aus schaffte der Reis später den Sprung über die Alpen. Kartoffeln, Tomaten und Mais sind quasi der Beifang der Entdeckungsreise von Christoph Kolumbus nach Amerika im 15. Jahrhundert. Die Kartoffel breitete sich nördlich der Alpen aus, der Mais verdrängte südlich davon ältere Nutzpflanzen wie die Hirse. So wandelt sich

das Nahrungsangebot beständig und mit der zunehmenden Mobilität der Menschen umso schneller. Der heute emeritierte Zürcher Professor für Populäre Kulturen, Ueli Gyr, untersuchte vor zehn Jahren das Phänomen China-Restaurant. In seinem Aufsatz «Chinesisch essen – Zwischen urbaner Weltküche und vertrauter Exotik» schreibt er: «Gehe ich chinesisch essen, weiss ich, was mich an typischen Gerichten, möglichen Kombinationen, Gewürzen, Spezialitäten und ungewohnten Esstechniken erwartet.» Die chinesische Küche habe weltweit gefestigte Strukturmerkmale, sagt Gyr, unabhängig vom Ort, an dem das Restaurant steht. Es handelt sich um eine wohldosierte Exotik. Der Gast kennt die Lebensmittel, sie stehen im Supermarktregal: Durch den Import von Früchten und Gemüse aus aller Welt ist der Geschmack von Zitronengras, Ingwer, Mango oder Kiwi vertraut. Unsere Geschmacksvorlieben verändern sich, wir bevorzugen Antipasti, Tapas und Mezze gegenüber Wurst- und Käseplatten. Manch ein exotischer Geschmack gilt heute als normaler als der eines traditionellen Schweizer Nahrungsmittels. Beispiel gefällig? Wonach greifen Sie eher: Roquefort oder Schabziger? Satayspiessli oder Leberli? Kimchi oder Sauerkraut? Miso- oder Ochsenschwanzsuppe? Pommes frites oder Rösti? Durch die Globalisierung des Geschmacks wird das Lokale exotisch. l

© Corbis, Getty Images, iStock, Keystone, Photoshot, Shutterstock

Text: Daniel Stehula


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Himbeer und Paprika Den Geschmack der Masse zu treffen oder zu verändern, ist gar nicht so einfach. Was der Schweiz schmeckt, zeigt ein Blick ins Migros-Regal. Recherche: Lukas Hadorn

Oft lancieren die Hersteller limitierte Auflagen, um exotische Geschmacksrichtungen zu testen, ohne das Stammpublikum zu vergraulen. Das Waldbeerenmüesli Farmer Croc etwa ist als klare Nummer eins aus dem Migros-CerealienRegal nicht wegzudenken. Aktuell findet sich aber auch eine limitierte Version mit Geschmack nach gebrannten Mandeln im Sortiment.

Gourmets schwören bei süssen Versuchungen schon lange auf eine Prise Salz, um das Geschmackserlebnis zu intensivieren. Die Kombination süss-salzig kommt in Schokolade, Guetsli und sogar Glace vor.

Seit fünfzig Jahren reift Gruyère AOP in den Kellern der Mifroma vor sich hin. Weder am Rezept noch an der vierzehnmonatigen Reifeprozedur wurde in dieser Zeit etwas geändert. Ein Geschmack, der verpflichtet. 20

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Geschmacklos – na und? Chia-Samen sind reich an Omega-3-Fettsäuren, Proteinen und Ballaststoffen und beliebt, obwohl sie kaum Eigengeschmack haben. Oder gerade deshalb? Liebhaber streuen sie ins Müesli, über den Salat oder rühren sie ins Joghurt.


Schwarztee wird in der Westschweiz besonders gern getrunken. In der Deutschschweiz sind Kräutertees beliebter.

Tessinerbrot wird tatsächlich im Kanton Tessin am liebsten gegessen. Allgemein sind in der italienischund der französischsprachigen Schweiz Weiss- und Halbweissbrote beliebter, während in der Deutschweiz mehr Ruchbrot gegessen wird.

Wenn die Aromen zweier Nahrungsmittel oder Geschmacksrichtungen zusammenpassen, spricht man von Food-Pairing. Die Migros greift diesen Trend mit den Cindy- und Lenny-Biscuits auf. Sie enthalten Guetsli in zwei Geschmacksvarianten: Cindy paart Butter und Cranberry, während Larry Orange und Schokolade kombiniert.

© iStock, Shutterstock, Getty Images

Der Geschmack kennt keine Grenzen: Aufgrund der grossen und steigenden Beliebtheit von Blévita wird die Biscuitserie laufend um neue Geschmacksrichtungen erweitert. Unter anderem im Sortiment: Joghurt/Aprikose, Sour Cream & Onion und Tomate/Basilikum.

Sirup? Himbeer! Keine andere Geschmacksrichtung mag diesem Sirup das Wasser reichen. In der Romandie trinkt man allerdings auch gern den wunderbar giftgrünen Minze-Sirup.

Nicht nur der M-Classic Choco Drink, auch andere Migros-Produkte haben sich geschmacklich leicht verändert, weil in den letzten Jahren der Zuckeranteil reduziert wurde. Im Rahmen ihres Nachhaltigkeitsprogramms Generation M hat die Migros versprochen, in vielen Produkten weniger Zucker, Salz und Fett einzusetzen und Zusatzstoffe massvoll zu verwenden.

Bei den Chips ist die Geschmackslage klar: Paprika schlägt Nature.

Die Klassiker im Tiefkühlfach: Dass sich der Geschmack der Migros-KultGlacestängel seit Jahrzehnten nicht geändert hat, ist kein Zufall: So blieb man etwa beim Rahm, obwohl aus Kostengründen auch einmal eine Umstellung auf das günstige Pflanzenfett zur Debatte stand. Der GeschmacksFavorit ist und bleibt übrigens Seehund. Pardon, Vanille natürlich! Vivai 6/15

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Nat端rlich synthetisch Der Geschmack vieler Lebensmittel wird heute k端nstlich hergestellt. Aromen lassen sich aber auch ohne Chemie neu erleben. Text: Marianne Botta Diener

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affee ohne den Duft frisch gerösteter Bohnen, Rösti ohne den Geruch von knusprig gebratenen Kartoffelspänen, Vanilleglace ohne Vanillegeschmack – unvorstellbar! Gerüche und Aromen machen das Essen erst zu einem Genuss. Von Natur aus aromaintensive Lebensmittel wie reife Früchte oder Gemüse enthalten meistens mehr bioaktive Substanzen, Vitamine und Mineralstoffe als weniger aromatische Speisen. Aromen sind deshalb ein Gradmesser für Qualität. «Gerüche sind eng mit Emotionen verknüpft, sie beeinflussen unser Wohlbefinden und sogar unser Hormonsystem», sagt Ruth Koradi-Stötzel, die bei der Bischofszell Nahrungsmittel AG (BINA) Aromen entwickelt. Und sie wirken nachhaltig. Denn über Düfte können wir uns an Erlebnisse erinnern, die lange zurückliegen. Diese Tatsachen macht sich auch die Lebensmittelindustrie zunutze. «Ein gut

Alles natürlich

© Keystone / Gallery Stock / Sam Armstrong

oder was ? Grundsätzlich kann man synthetische und natürliche Aromastoffe unterscheiden. Zu den synthetischen Aromastoffen gehören naturidentische und künstliche Aromastoffe. Beide werden im Labor hergestellt. Naturidentische Aromastoffe haben die gleiche chemische Struktur wie natürliche Aromastoffe (zum Beispiel naturidentisches Vanillin). Künstliche Aromastoffe werden synthetisch hergestellt, kommen aber in der Natur nicht vor. Natürliche Aromastoffe werden aus natürlichen Substanzen gewonnen, etwa aus Pflanzen, Tieren oder Hefen. Dies erfolgt durch physikalische Verfahren (zum Beispiel Destillation, Extraktion) oder enzymatische oder mikrobiologische Vorgänge. Ist «natürliches Erdbeeraroma» deklariert, so muss dieses entweder vollständig aus Erdbeeren (Erdbeer-Extrakt) bestehen oder aber zu mindestens 95 Prozent aus dem Ausgangsprodukt Erdbeere.

aromatisiertes Produkt hat einen Wiedererkennungswert, und es werden Emotionen geweckt», sagt die Aromatikerin der BINA. Weil Aromen für uns Menschen so wichtig sind, spielen sie in der Lebensmittelindustrie seit vielen Jahrzehnten eine wichtige Rolle. Je stärker ein Lebensmittel behandelt wird, umso mehr leiden die Aromastoffe. Deshalb setzt die Industrie diese Aromen wieder zu, um die Lebensmittel bis zum Ablauf der Haltbarkeit schmackhaft zu machen. Aromatisiert werden oft Lebensmittel, die von Natur aus keinen oder nur wenig Eigengeschmack haben, zum Beispiel Joghurts und Süssgetränke. «Am stärksten aromatisiert werden Kaugummis und Bonbons», sagt die Aromatikerin Koradi-Stötzel. Die Kaumasse absorbiere so viele Aromastoffe, dass ein geniessbarer Kaugummi zu rund einem Prozent aus zugesetzten Aromen bestehe. Dank synthetisch hergestellten Aromen können zudem Rohstoffe und damit Geld gespart werden. Trüffelaroma kostet ein Bruchteil dessen, was man für echten Trüffel bezahlen müsste. «Am häufigsten werden Vanille-, Zitrus-, Minz- und Erdbeeraromen zugesetzt», so die Expertin. Das Lebensmittelgesetz regelt den Einsatz der Aromen übrigens genau. Bisher wurden von der Weltgesundheitsorganisation WHO rund 600 Aromastoffe als unbedenklich eingestuft. Um den typischen Geschmack eines Lebensmittels erkennbar zu machen, reichen aber wenige Aromastoffe aus. Die Sensorikforscherin Christine Brugger, die sich mit ihrem Unternehmen Aromareich auf das Thema spezialisiert hat und auch Schulungen durchführt, sagt: «In Whisky konnten 400 bis 500 Aromen analytisch nachgewiesen werden, aber schon ein mit 12 oder 13 dieser Aromakomponenten versetztes Getränk wird von Testpersonen vermeintlich als Whisky erkannt.» Welche Aromen wie dosiert werden müssen, damit ein Lebensmittel gut schmeckt, ist eine grosse Kunst. «Analysen können helfen, ein rundes, ausgewogenes Aroma zu kreieren», sagt Vivai 6/15

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DOSSIER GESCHMACK

Flavour-Pairings — intensive Geschmackserlebnisse

Erdbeere + Zimt

Koradi-Stötzel. Da aber nach wie vor keine noch so gute Maschine analysieren kann, was den Konsumenten schmeckt, beschäftigen sich speziell ausgebildete Aromatiker damit. In letzter Zeit werden immer häufiger Lebensmittel ohne Zusatz synthetisch hergestellter Aromen verlangt. «Die Konsumenten schauen die Deklaration genau an und wollen Lebensmittel mit natürlichen Aromen», sagt die BINA-Fachfrau Koradi-Stötzel. Die kritischen Stimmen unterstellen den synthetisch hergestellten Aromen, Dickmacher und Vorgaukler falscher Tatsachen zu sein, mit denen das Gehirn nicht klarkomme. Dafür gibt es bis heute keine Beweise. Zwar zeigen einzelne Studien, dass nach dem Genuss von Erdbeeraroma der Appetit auf Süssigkeiten zunimmt. Andere Studien zeigen jedoch, dass wir bei fadem Essen grössere Mengen konsumieren und bei sehr aromaintensiven Gerichten deutlich früher mit Essen aufhören. Das gilt zumin24

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Dunkles Bier + Schwarze Schokolade

dest dann, wenn wir geschmacksintensive Früchte, Gewürze oder Kräuter essen. Stark verarbeitete, industriell gefertigte Lebensmittel fördern hingegen die Entstehung von Übergewicht: Sie sind oft kalorienreich, enthalten viel Fett und Zucker. So liefert zum Beispiel ein synthetisch aromatisiertes Erdbeerjoghurt eben nicht nur Aroma, sondern auch viel mehr Kalorien als ein Joghurt nature ohne zugesetzten Zucker. Annette Bongartz, Dozentin und Leiterin der Fachstelle Sensorik am Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation der ZHAW Wädenswil, bezweifelt, ob der Trend zu weniger und zu natürlichen Aromen anhalten wird. Schliesslich werde gekauft, was schmecke: «Gerade die Dreissig- bis Sechzigjährigen sind von synthetisch hergestellten Aromen geprägt. Wenn man mit synthetisch aromatisierten Lebensmitteln aufwächst, mag man sie später lieber», sagt Bongartz. Sie erlebt immer wieder,

Apfel + Rosmarin

Fenchel+ Kubeben-Pfeffer

dass Menschen bei (Blind-)Degustationen ein künstlich aromatisiertes Erdbeerjoghurt als schmackhafter und natürlicher empfinden als ein Erdbeerjoghurt mit echten Erdbeeren ohne zugesetzte Aromastoffe. «Lassen Sie sich auf ganz neue Geschmackserlebnisse ein, anstatt die synthetisch hergestellten Aromen zu verteufeln», rät die Sensorikerin Christine Brugger. Ein Erlebnis sei das FlavourPairing. Dabei werden Lebensmittel so kombiniert, dass sich ihr Geschmack verstärkt oder verändert. Spargeln etwa enthalten von Natur aus VanillearomaKomponenten. Mit Vanille zubereitet, verstärken sich diese so stark, dass auch auf synthetisch hergestellte Aromen geprägte Menschen ein Aha-Erlebnis haben können. Auch Fenchel mit KubebenPfeffer, Erdbeere mit Zimt, Rosmarin und Apfel, Brombeere mit Basilikum oder schwarze Schokolade mit dunklem Bier führen laut Brugger zu Geschmacksexplosionen – auch ohne Labor. l

© Getty Images, iStock, Keystone

Brombeere + Basilikum


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MIGROSKIND

Sie drückt auf die Tube Es ist auch der M-Classic Tartare zu verdanken, dass Anita Welti Rosen (47) aus Greifensee heute glücklich verheiratet ist. Die selbständige Kunststoffverarbeiterin ist aber nicht nur deshalb ein gestandenes Migroskind. Text: Lukas Hadorn Foto: Christian Schnur (Montage: Vivai)

Schon seit Kindsbeinen. Ich bin in einem kleinen Dorf auf dem Mutschellen im Kanton Aargau aufgewachsen. Dort gab es aber keine Migros, nur einen TanteEmma-Laden. Zum Migroskind wurde ich, weil ich fast wöchentlich mit meinen Eltern nach Spreitenbach ins Shoppingcenter Tivoli fahren durfte. Ich weiss noch, wie es sich anfühlte, das Wägeli durch die vielen Regale zu stossen. Das war jedes Mal ein besonderes Erlebnis. Was kauften Ihre Eltern ein?

Ich erinnere mich an Frischback-Gipfeli und Frischback-Zopf, davon nahmen wir immer einige Packungen mit nach Hause. So etwas gab es bei uns im Dorf nicht. Und nach dem Einkauf gingen wir zusammen im Migros-Restaurant zmörgele. Das wurde richtig zelebriert. Ich erinnere mich heute noch gern daran. Wo kaufen Sie heute ein?

Natürlich in der Migros. Ich muss allerdings zugeben, dass ich zwischenzeitlich auch beruflich mit der Migros zu tun hatte, sie war eine Abnehmerin der Produkte, die mein früheres Unternehmen herstellte. Da war es für mich klar, dass ich in der Migros einkaufte. Und seit man für Markenprodukte wie Zweifel-Chips oder Nescafé nicht mehr zur Konkurrenz muss, hat sich diese Frage sowieso erübrigt.

Mein Mann und ich sind grosse Fans von M-Classic Tartare aus der Tube. Die Sauce kommt bei uns auf jedes Brötchen, auf die gekochten Eier und wird sogar zum Fondue chinoise serviert. Und in gewissem Sinne haben mein Mann und ich dank diesem Produkt zusammengefunden.

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die Beste!

Sie habe, sagt Migroskind Anita Welti Rosen, auch die Tartare-Saucen der Konkurrenz probiert. Fazit: Keine Chance gegen jene der Migros.

Jetzt sind wir gespannt.

(Lacht.) Er erzählt heute noch, wie er damals zum ersten Mal zu mir nach Hause kam und in meinem Kühlschrank eine Tube Tartare entdeckte. Er wusste sofort: Das ist die richtige Frau für mich. Und wer von Ihnen kriegt den letzten Rest, bevor die Tartare alle ist?

Das kommt gar nie vor. Wir haben immer mindestens vier Tuben auf Vorrat. Sie sind also eine Grosseinkäuferin.

Nicht grundsätzlich, nein. Vorräte lege ich nur von gewissen Produkten an. Etwa vom Augen-Make-up-Entferner von I am auf Ölbasis. Davon kaufe ich immer gleich sechs Stück, weil das Produkt in den letzten Jahren sicher drei Mal aus dem Sortiment gefallen ist. Jedes Mal hab ich der Migros einen Brief geschickt. Hats genützt?

Es scheint so! Es ist jedenfalls immer wieder ins Sortiment zurückgekehrt. l

Sind auch Sie ein Migroskind? Melden Sie sich! vivai@migrosmedien.ch

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”Einfach

Haben Sie ein persönliches Kultprodukt?

Facts

& Figures

Ein Klassiker im Sortiment: Die M-Classic Tartare-Sauce wird schon seit mehr als dreissig Jahren in der Migros verkauft, und die Rezeptur hat sich dabei nicht verändert. Pro Jahr werden rund 300 000 Tuben abgesetzt.

© Location: Zunfthaus zur Saffran, Zürich

Seit wann sind Sie ein Migroskind, Frau Welti?


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«Unsere Kinder sollen es besser haben» In der reichen Schweiz ist es ein Armutsrisiko, eine Familie zu gründen. Silvana Suter erzählt, warum der Lohn für die fünfköpfige Familie nicht ausreicht.

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lucht vor Armut und zurück. So lautet die Geschichte von Silvana Suter und ihrer Familie in einem Satz. Denn der Vater der 32-jährigen Argentinierin war Schweizer: Seine Familie war ausgewandert, um in Übersee ein besseres Leben anzufangen. Angesichts der wirtschaftlichen Not in der Provinz Misiones nutzte die Familie vor vier Jahren Silvana Suters Schweizer Pass, um einen Ausweg zu finden: Sie kehrte in die Schweiz zurück.

Hier hat die Familie zwar ein Dach über dem Kopf, zu essen und warme Kleider. Aber auch in der Schweiz zählen sie zu den Ärmsten. Ohne Ausbildung muss sich Silvana Suters Mann mit einer Vollzeitstelle als einfacher Arbeiter begnügen, die der fünfköpfigen Familie inklusive Kinderzulagen nicht genug zum Leben einbringt. Silvana Suter bezieht Sozialhilfe und arbeitet, vermittelt von der Sozialhilfe, halbtags beim CaritasMarkt. «Was uns helfen würde, wäre eine richtige Anstellung für mich», sagt sie. Doch eine solche zu finden, ist mit schlechten Deutschkenntnissen und ohne Berufsabschluss schwierig.

Erfahren Sie mehr über Silvana Suter: www.dasrichtigetun.caritas.ch

«Die Lage in Argentinien wurde immer auswegloser. Die Preise stiegen, die Löhne blieben gleich tief», erzählt Silvana Suter von der harten Vergangenheit. «Wenn wir Schuhe für die Kinder brauchten, mussten wir Hunger leiden. Schulsachen konnten wir nicht bezahlen, und im kalten und nassen Winter wurden wir in unserem schlecht isolierten Haus krank.» Doch auch in der Schweiz muss die Familie an allen Ecken und Enden sparen. Die Wohnung ist eng, im Alltag reicht das Geld nur fürs Nötigste. Lebensmittel werden fast nur im Caritas-Markt bezogen, und am Freitag erhält Silvana Suter zusätzliche Esswaren beim Projekt «Tischlein deck dich». Die finanzielle Einschränkung führt auch dazu, dass die Familie am sozialen Leben kaum teilhaben kann. Die Eltern und die drei Kinder kennen seit ihrer Rückwanderung vor vier Jahren erst ihren Wohnort Winterthur sowie Zürich, wo Verwandte leben. Ausflüge, geschweige denn Ferien, kommen nicht in Frage. Es mangelt an sozialen Kontakten. «Wir haben schon mehrmals erlebt, dass die Leute sich abwandten, wenn sie von der Sozialhilfe erfuhren», sagt Silvana Suter. «Wir sind dankbar und glücklich, dass wir vom Staat so unterstützt werden», sagt Silvana Suter. «Aber die Abhängigkeit, das ständige Sparen und die Einsamkeit machen uns traurig.» Im Moment zeichnet sich kein Weg aus der Armut ab. Trotzdem würde die Familie wieder gleich entscheiden, hätte sie eine zweite Chance: «Im Gegensatz zu Argentinien können wir hier in der Schweiz die Bedürfnisse unserer Kinder erfüllen. Hier besuchen sie die Schule und werden jene Ausbildung machen, die uns selbst versagt blieb. Dass unsere Kinder es besser haben, das ist unsere Hoffnung.»


Armutsgefahr für Familien

Pia Zanetti, Andreas Schwaiger

Kinder sind in der reichen Schweiz für viele Familien ein Armutsrisiko. Rund 250 000 Eltern und Kinder leben unter der Armutsgrenze und können kaum am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Im internationalen Vergleich investiert die Schweiz wenig in die Unterstützung von Familien. Dabei sind die Kosten für Kinder hoch und die soziale Absicherung gerade bei tiefen Löhnen oder bei Teilzeitarbeit ungenügend. Eine gute Familienpolitik muss aus Sicht der Caritas unter anderem die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Beruf auch für Armutsbetroffene garantieren und den Zugang zu früher Förderung für Kinder sowie zu Berufs- und Weiterbildung für die Eltern verbessern. Spendenkonto: 60-7000-4 Für Online-Spenden: www.dasrichtigetun.caritas.ch/familienarmut


Die sind super,Mann! Chia, Açai, Goji oder Quinoa – vielen Nahrungsmitteln haftet heutzutage das Prädikat Superfood an. Was heisst das? Und wie toll sind diese Exoten nun wirklich? Text: David Fäh Illustration: Paula Sanz Caballero

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uperfood. Kaum ein Heftchen, das man in diesen Tagen aufschlägt, aus dem einen nicht dieses Label anspringt. In Fitnessstudios, Trainingszirkeln, Yoga-Grüppchen und Kochkursen wird darüber gemunkelt, und alleweil ist von wundersamen Eigenschaften die Rede, von denen das gemeine Radieschen und die gewöhnliche Garten-Erdbeere nur träumen können. Japanischer Macha-Tee etwa soll die Fettverbrennung anregen, Manuka-Honig aus Neuseeland vor Erkältung schützen. Mexikanische ChiaSamen sowie Goji- und Açai-Beeren aus China und vom Amazonas sollen wahre Nährstoffwunder sein. Und auch die aus den Anden stammende Quinoa ist unseren heimischen Stärkequellen angeblich in vielen Belangen weit überlegen. Je exotischer die Namen klingen, desto eher wollen wir den Versprechungen glauben. Sind diese Super-Nahrungsmittel tatsächlich die erhofften Heilsbringer oder nur Vertreter eines Hypes? Die Antwort darauf bekommt, wer die Lebensmittel genauer unter die Nährwert-Lupe nimmt. Und da kommt bald Ernüchterung auf, denn viele Superfoods haben nicht mehr drauf als unsere einheimischen Nahrungsmittel (siehe rechts). 30

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Bei einigen Superfoods ist die Überbewertung darauf zurückzuführen, dass die Angaben zu den enthaltenen Nährstoffen nicht auf dem unbehandelten Produkt, sondern auf daraus hergestellten Extrakten wie Pulver oder Tabletten beruhen. Diesen wurde das Wasser entzogen, was automatisch zu einer Stoffkonzentration führt. Würde man Rüebli oder Broccoli trocknen und pulverisieren, erhielte man mitunter sogar eine höhere Nährstoffkonzentration als sie in vielen Superfoodextrakten zu finden ist. Heutige Superfoods sind auch nicht viel revolutionärer als die Pendants, die uns vor einigen Jahrhunderten erreichten. Superfood ist nur ein neuer Begriff für das alte Phänomen, dass sich bisher unbekannte Lebensmittel plötzlich grosser Beliebtheit erfreuen. Im 16. und 17. Jahrhundert brachten Seefahrer nicht nur Gold aus der neuen Welt mit nach Hause, sondern noch viel Wertvolleres: Tomaten, Mais, Chili, Bohnen, Zucchini, Avocados und sogar Schokolade hatte Kolumbus mit im Gepäck. Echte Schätze in Zeiten kulinarischer Einöde. Der neuzeitliche Superfood schlechthin war aber die Kartoffel. Als komplette Getreideernten auf den Feldern verfaul-

ten oder vertrockneten, rettete die Stärkeknolle Millionen Menschen vor dem sicheren Hungertod. Niemand würde diese Nahrungsmittel heute als exotisch oder aussergewöhnlich bezeichnen. Sie sind Teil unserer Kultur geworden. Wer würde beim Betrachten einer Insalata caprese schon an einen kulinarischen Migranten aus Übersee denken? Und wie es der Tomate erging, dürfte es auch den Hypes der Gegenwart ergehen. Seit die Welt zum Dorf geworden ist, werden neuartige Lebensmittel noch schneller zu einem Bestandteil unserer täglichen Ernährung. Kommt hinzu, dass viele Superfoods anspruchslos sind und gut mit dem Schweizer Klima zurechtkommen. Das erleichtert die Integration zur Kulturpflanze ungemein. Und natürlich sind neue Früchte und Gemüse, Samen und Getreide eine Bereicherung für uns. Sie erweitern die kulinarische Vielfalt, lassen uns beim Kochen auf Entdeckungsreise gehen und beglücken unsere Sinne mit bisher ungekannten Geschmacksnoten. Zürcher Geschnetzeltes mit Quinoa? Amarant-Polenta? Ein Bocksdorn-Strauch im Schrebergarten? Nachmachen! Das ist erfolgreiche und gesunde Integration. l


SUPERFOOD

ERNÄHREN

Importierte Superfoods oder einheimische Pflanzen und Früchte? Wir machen den Vergleich! Superfood Goji-Beeren

Die Beere hat eine relativ hohe Dichte an wertvollen Nährstoffen wie Vitamin A, B, C und E sowie anderen antioxidativ wirksamen Stoffen. Goji-Beeren schmecken aber ungewohnt, also anders als heimische Beeren.

Diese einheimischen Vertreter haben teilweise sogar höhere Konzentrationen an Nährstoffen zu bieten. Vor allem dann, wenn sie aus dem eigenen Garten stammen. Exotische Beeren aus dem Laden haben oft eine lange Reise hinter sich. Dabei gehen wertvolle Stoffe verloren. Unklar ist zudem, inwiefern solche Beeren mit Schadstoffen wie Pestiziden belastet sind.

Superfood Açai-Beere

Heimische Alternative Heidelbeere

Diese Palmfrucht bietet tatsächlich viele Nährstoffe, aber auch recht viele Kalorien. Besonders der Gehalt an Fett, Eiweiss und Ballaststoffen ist relativ hoch, was eine gute Sättigung ermöglicht.

Heidelbeeren haben eine ähnliche Zusammensetzung an Vitaminen, dabei jedoch deutlich weniger Kalorien. Natürlich enthalten sie weniger gesunde Eiweisse und Fette. Den Bedarf an diesen Nährstoffen können wir aber problemlos mit heimischen Baumnüssen decken. Die Ökobilanz einheimischer Produkte fällt wegen des langen Transports von Açai-Beeren aber deutlich besser aus.

Superfood Chia-Samen

Heimische Alternative Leinsamen

Superfood Quinoa

Heimische Alternative Dinkel

Die Samen sind eine gute Quelle für Ballaststoffe, wertvolle Fette und Eiweisse.

© Getty Images, iStock, Shutterstock

Heimische Alternative Himbeere (oder Johannisbeere)

Leinsamen enthalten etwas weniger der pflanzlichen Omega-3-Fettsäuren, haben ansonsten aber eine ähnliche Zusammensetzung wie Chia-Samen.

Das Fuchsschwanzgewächs bietet Samen mit einer Nährstoffzusammensetzung, die derjenigen von Weizen in vielem überlegen ist.

Dinkel bietet im Vergleich zu Quinoa mehr Ballaststoffe, ähnlich viel Eisen und Zink, dafür weniger Kalzium, Magnesium, Eiweiss und gesunde Fette. Zudem enthält Dinkel im Gegensatz zu Quinoa Gluten und kann auch Gräserallergikern Probleme bereiten.

Superfood Macha-Tee

Heimische Alternative Olivenöl

Dieser Tee enthält konzentrierte Gerbstoffe und sogenannte Katechine. Sie können gewissen Risikofaktoren im Blut entgegenwirken. Die Stoffe haben auch die Eigenschaft, die Energieverbrennung und die Oxidation von Fettsäuren in unserem Körper anzukurbeln, was beim Abnehmen helfen kann.

Auch Olivenöl enthält scharfe und bittere Stoffe, die die Wärmeproduktion des Körpers und die Fettverbrennung nach der Einnahme anheizen. Olivenöl enthält zwar viele Kalorien, aber es sättigt auch gut. Tatsächlich konnten Studien zeigen, dass der Konsum von Olivenöl im Rahmen einer mediterranen Ernährungsweise mit einem niedrigeren BMI in Bezug steht, verglichen zu dem von Menschen, die kein Olivenöl konsumierten.

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Spannende Ausflüge für die ganze Familie. Die Schweiz und das angrenzende Ausland sind einzigartige Abenteuer­ spielplätze für Familien. Ein Tagesausflug reicht, um ausgelassene Ferienstimmung wach zu rufen. Am einfachsten geht das mit RailAway, weil die Freizeitanbieterin der SBB bereits an alles gedacht hat. Familien, die mit dem Zug reisen, bezahlen bis zu 20% weniger. Zudem ist der Eintritt – wo einer erhoben wird – bereits im Zugbillett inbegriffen oder aber es sind weitere kleine Extras vorgesehen. Folgende Winterausflüge sind für Familien einen besonderen Blick wert.

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Zoo Zürich.

Ice Magic Interlaken.

Titlis, das einzigartige Gletschererlebnis. Von Weitem ist der immer schneebedeckte Gipfel des höchsten Ausflugsbergs der Zentralschweiz sichtbar. Auf über 3000 Meter erwartet Sie ein atemberaubendes Berg­ panorama, ein spassiger Rutschpark mit flippigen Rutschgeräten, die Gletscher­ sesselbahn «Ice Flyer» und eine Gletscher­ grotte. Nervenkitzel pur bei der Begehung der neuen Hängebrücke auf über 3000 Meter über Meer ist garantiert. sbb.ch/titlis

Bei Schnee und Kälte sind die Amurtiger in ihrem Element. Ihr dickes Fell hält sie trocken und warm. Auch die Yaks und die Pinguine geniessen die kalten Tage. Die Pinguinparade durch den Zoo startet täglich um 13.30 Uhr, bei Temperaturen unter 10 °C. Sie mögen es lieber warm und tropisch? Besuchen Sie den Masoala Regenwald mit dem Baum­ kronenweg oder den Kaeng Krachan Elefan­ tenpark, wo die Elefantenfamilie mit der kleinen Omysha für Unterhaltung sorgt. sbb.ch/zoo-zuerich

Das einzigartige Schlittschuherlebnis in Inter­ laken geht in die zweite Runde. Auch dieses Jahr wird das Zentrum in ein winterliches Wunderland verwandelt. Mit verschiedenen Eisfeldern, verschlungenen Eiswegen, Marktständen und dem Iglu­Restaurant wird der Winter in der Region für Eisläuferinnen und Eisläufer zum Vergnügen. Wer sich nicht direkt aufs Eis wagt, schaut dem Treiben von der Winter­Lounge aus zu und geniesst die Atmosphäre und das traumhafte Panorama. sbb.ch/icemagic

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Ausflüge für drinnen und draussen.


LEICHT & GESUND

ERNÄHREN

Gewusst wie

Kohl kann - vor allem roh - blähend wirken und schwer im Magen liegen. Mit etwas Kümmel wird der Kohl aber leichter verdaulich. Gewürze helfen vielleicht auch, den Kohlgeruch im Treppenhaus etwas zu verringern!

Grüner krauser Kraftprotz Wirz gehört zum gesündesten Gemüse überhaupt. Denn er hat viel zu bieten: eine geballte Ladung an Vitaminen und wenig Kalorien. Text: Imelda Stalder Rezept: Annina Ciocco Foto: Pia Grimbühler Illustration: Anja Kroencke

d

en Geruch von gekochtem Kohl kennen wir wohl alle. Bei den einen gehört er zur schönen Kindheitserinnerung, andere haben eher unangenehme Gefühle dabei. Beliebt oder nicht, gekocht wird die Kohlart mit den kraus gewellten Blättern bei uns schon seit dem 16. Jahrhundert. Der robuste Wirz hält sich zäh im Wintergarten und überlebt locker ein paar Grade unter null. Die Widerstandskraft widerspiegelt sich in den Nährstoffen, die in ihm enthalten sind: Schon 100 Gramm – ein ganzer Wirz kann gut 1 Kilogramm wiegen – enthalten genug Vitamin C und Folsäure, 33

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um den Tagesbedarf eines Erwachsenen zu decken. Und das bei nur rund 35 Kalorien! Dies ist wohl auch der Grund, warum Wirz in unzähligen Diäten auftaucht und es nur so wimmelt von Rezepten für energieversprechende Green Smoothies mit Kohl. Es wird noch besser: Kohl gehört nicht nur zum gesündesten Gemüse überhaupt, es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass die ihm enthaltenen Glucosinolate eine krebsvorbeugende Wirkung haben. Besser verträglich ist der Wirz gekocht und wenn die Darmflora ihn schon kennt. Wer also wenig Kohl isst, soll gemächlich einsteigen mit dem Genuss.

Gedünsteter Wirz für 4 Personen

4 EL Pinienkerne, 1 Wirz à ca. 800 g, 1 Zwiebel, 2 EL Rapsöl, 2 Knoblauchzehen, 1 Zitrone, Himalajasalz, Pfeffer. Pinienkerne in einer beschichteten Bratpfanne ohne Fett rösten, bis sie Farbe annehmen. Abkühlen. Wirz vierteln, Strunk entfernen, Blätter in Streifen scheiden. Zwiebel fein hacken. Im Rapsöl anbraten. Knoblauch dazupressen. Wirz beigeben, kurz mitbraten. Etwas Zitronenschale fein dazureiben. Zitrone auspressen, Saft beigeben. Wirz bissfest dünsten. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Mit den Pinienkernen servieren. Dazu passt Risotto. l Vivai 6/15

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NACHHALTIG

WEIDEGÄNSE

Die glücklicheren Gänse Weidegänse fressen auf der Wiese, statt im Stall gemästet zu werden. Das ist aufwendig und teuer für den Produzenten, aber artgerecht und würdevoll für das Tier. Besuch auf einem Hof im Kanton Bern. Text: Atlant Bieri Fotos: Raffael Waldner

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as Geschnatter im Stall ist ohrenbetäubend. Aufbruchsstimmung liegt in der Luft. Noch ein letzter Schluck Wasser, noch einmal das Gefieder mit dem Schnabel durchkämmen und die Flügel strecken, dann ertönt auch schon das Ziegenglöckchen. Das ist das Zeichen, auf das alle gewartet haben. Monika Zehnder bimmelt und ruft dazu:

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«Put, put, put, put. Chömed.» Sie und ihr Mann Martin kümmern sich auf ihrem Hof in Zimmerwald auf dem Längenberg oberhalb Belp um zweihundert Weidegänse. Die Tiere gehören der Betriebsgemeinschaft Grubenegg. Die Weidegans ist die tierfreundliche Variante der Mastgans. Statt den ganzen Tag in einem engen Stall Körnerfutter zu

fressen, grasen die Tiere draussen auf der Wiese. Zwar dauert es auf dieser Weise mehr als doppelt so lange, bis die Gänse ihr Schlachtgewicht erreichen, dafür können die Tiere in Würde leben. Auf Monika Zehnders Bimmeln setzen sich zweihundert Paar Watschelfüsse in Bewegung. «Wir haben ein akustisches Zeichen eingeführt, damit den Gänsen


sofort klar ist, was sie tun müssen», sagt sie. Denn eine Herde Gänse von A nach B zu bringen, ist nicht einfach. Die Tiere bewegen sich als Schwarm. Die Gans, die sich zufällig an der Spitze des Pulks befindet, gibt Tempo und Richtung vor. Doch die Anführerin kann innert Sekunden von einer anderen abgelöst werden. Dazu braucht nur ein Tier den Kopf zu

drehen. Das löst eine Kettenreaktion aus, und alle Tiere drehen ihren Kopf ebenfalls, und schon gibt es ein neues Vorne und damit eine neue Anführerin. Aus einiger Entfernung betrachtet, sieht der Trupp aus wie ein grosser Tropfen Milch, der nicht so recht weiss, wohin er fliessen soll. Aber dann geht es plötzlich ganz schnell. Ein Tier prescht durch das Tor

und zieht eine Traube aus weissen Federbällen hinter sich her. Ein kleines Erdbeben donnert an Monika Zehnder vorbei. Hinterher weht eine Wolke aus schneeweissen Daunen. Angefangen hat alles vor vier Jahren. Damals gingen die Zehnders an eine Veranstaltung von drei Studenten, die in der Schweiz eine nachhaltige und tierfreundVivai 6/15

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NACHHALTIG

WEIDEGÄNSE

liche Gänsefleischproduktion einführen wollten. Daraus entstand weidegans.ch, ein Verein aus 45 Produzenten, die über die ganze Schweiz verteilt sind. Zusammen halten sie einige Tausend Weidegänse. Die Betriebsgemeinschaft Grubenegg ist der zweitgrösste Produktionsstandort. Verein und Label zugleich, das ist weidegans.ch. Wer dort mitmacht, unterstellt sich strengen Haltungsvorschriften. So muss pro hundert Tiere eine Hektare Grasland zur Verfügung stehen. Ebenso müssen die Gänse täglich Zugang zu einer Badegelegenheit haben. Der Teich muss tief genug sein, dass die Gans abtauchen und sich das Wasser über den Rücken laufen lassen kann. Das ist Fleischproduktion im Wohlfühlbereich. Weidegänse sind ziemlich selbstständig. Sie fressen das Gras runter bis

auf Rasenhöhe. Dann kommen sie auf die nächste Weide. Etwas Arbeit machen allein ihre Hinterlassenschaften. «Gänse sind nicht gerade zimperlich, wo sie ihr Geschäft verrichten», sagt Monika Zehnder. Gerade im Wasser fühlen sie sich so wohl, dass sie dort am liebsten ihren Darm entleeren. «Darum pumpen wir den Teich alle zwei bis drei Wochen komplett ab und machen eine Generalreinigung», sagt Zehnder. Die Vorteile des glücklichen Gänselebens zeigen sich auch bei der Fleischqualität. «Bei Weidegänsen ist das Fleisch nicht so fettig wie bei Mastgänsen», sagt Zehnder. Dadurch ist der Wasserverlust beim Backen auch weniger gross. Es bleibt also nach der Zubereitung mehr essbares Fleisch im Topf. Und Weidegänse punkten auch bei der Nachhaltig-

keit, weil sie viel weniger aufwendig produziertes Getreide fressen. Pünktlich zu Martini am 11. November werden die ersten Tiere geschlachtet. Das macht ein Schlachthof in Heimisbach im Emmental. Die Gänse wiegen dann neun Kilo, was rund fünf Kilogramm Fleisch ergibt. Ein Teil der artgerecht gehaltenen Weidegänse wird zu den Festtagen in der Migros verkauft, ein Teil geht direkt von der Familie an Konsumenten in der Region. Bis vor wenigen Jahren gab es in der Schweiz praktisch keinen Markt für Gänsefleisch. «Aber mit den vielen deutschen Einwanderern stieg die Nachfrage», sagt Zehnder. Heute werden auch immer mehr Schweizerinnen und Schweizer neugierig auf Gänsefleisch. «Letztes Jahr hatten wir einen Zwanzigjährigen, der sagte, er

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wolle für seine Familie eine Gans kochen. Das hat mich sehr berührt», sagt Zehnder. Ist es schwierig, eine Gans richtig zuzubereiten? «Nein, überhaupt nicht. Wir geben den Leuten auch immer drei bis vier unserer Lieblingsrezepte mit. Aber die meisten schauen einfach auf Youtube, wie es gemacht wird», so Zehnder. Wenn sich die Sonne dem Horizont nähert, bimmelt wieder das Ziegenglöckchen. Die Gänseschar watschelt zügig zum Stall. Dort wartet das Bettmümpfeli auf sie. Für jedes Tier gibt es vor dem Schlafengehen hundert Gramm zerquetschte Gerstenkörner. «Das gibt ihnen noch etwas zusätzliche Kalorien», sagt Zehnder. Vor allem im Herbst ist die Zusatzfütterung mit Getreide wichtig, weil dann das Gras zunehmend an Nährwert verliert. Dann kehrt die Nachtruhe ein. Obwohl – richtig ruhig wird es in einem Gänsestall nie. «Die Tiere schnarchen», sagt Zehnder. Aber wenigstens ist für einmal das Geschnatter weg. l

Tierwohl bei der Migros Tierproduktion ist wichtig, sie versorgt uns mit Lebensmitteln wie Fleisch, Eiern und Milch. Die Migros setzt sich für eine verantwortungsvolle Tierproduktion ein. Die Nutztiere sollen während ihres ganzen Lebens mit Respekt und artgerecht behandelt werden. Die Voraussetzungen in der Schweiz sind gut, hier gelten die strengsten Tierschutzgesetze der Welt. So sind viele im Ausland noch erlaubte Praktiken verboten, etwa die Käfighaltung bei Legehennen, die Kastration von Ferkeln ohne Narkose oder Tiertransporte, die länger als sechs Stunden dauern. Für den grössten Teil der für die Migros produzierten tierischen Produkte gelten zudem Regeln, die weit über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen. Auch verspricht die Migros im Rahmen ihres Nachhaltigkeitsprogramms Generation M, bis 2020 die Schweizer Tierwohl-Standards auch bei all ihren Produkten aus dem Ausland einzuführen.

Fressen die Gänse auf der Wiese, statt im Stall gemästet zu werden, dauert die Zeit bis zur Schlachtreife zwar doppelt so lang. Dafür können die Tiere in Würde leben. Erst am Abend gehts zurück in die warme Stube.

Die Zehnders gehören zum Verein weidegans.ch, der 45 nachhaltige Gänsefleischproduzenten umfasst. Vivai 6/15

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NACHHALTIG

RÜCKVERFOLGBARKEIT

Fair, auch in der Ferne Auch bei Produkten, die im Ausland produziert werden, achtet die Migros genau auf die Einhaltung von Sozialund Tierwohlstandards und auf den Schutz von Umwelt und Gesundheit. Etwa bei Daunenjacken aus China. Recherche: Martina Bosshard Illustration: Andrew Timmins

Entenfarm

Suqian

Schlachthof

Xinyi Suqian Nanjing Schanghai

CHINA

Alles beginnt auf einer Entenfarm in Suqian, an der Ostküste Chinas. Sie ist die Lieferantin der Daunenfedern. Sowohl die Farm als auch der Schlachthof, in den die Tiere gebracht werden, sind RDS-zertifiziert. Das Label (Responsible Down Standard) garantiert, dass die Tiere nicht lebend gerupft werden. Die Farmen werden jährlich geprüft, es gibt auch unangemeldete Kontrollen.

Hongkong

Die Daunen werden verarbeitet und zum Lieferanten der Migros-Daunenjacken nach Xinyi gebracht. Die Firma liefert schon seit fast zehn Jahren Waren an die Migros und setzt seit Beginn der Partnerschaft den BSCI-Verhaltenskodex kontinuierlich um. Das gibt unabhängigen Experten die Möglichkeit, zu untersuchen, ob zum Beispiel die vereinbarten Mindestlöhne bezahlt werden, ob Arbeitszeiten korrekt vergütet und Sicherheitsstandards etwa im Brandschutz eingehalten werden.

Xinyi

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Um Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten, schult die Migros die Mitarbeitenden ihrer Lieferanten aber auch direkt, etwa zu Themen wie Gesundheit, Sicherheit und faire Entlöhnung. Dieses Vorgehen nennt sich Capacity Building, es soll eine langfristige Verbesserung der Arbeitsbedingungen bewirken.

In der Fabrik des Unternehmens werden die Jacken genäht. Insgesamt bestellt die Migros pro Saison rund 30 000 Stück von diesem (rechts) und anderen Modellen.


Mit dem Lastwagen gehts weiter ins Lager des Lieferanten in Nanjing. Bevor die Jacken verpackt werden, wird in Absprache mit dem MigrosEinkaufsbüro in Hongkong und mit dem Qualitätslabor SQTS (Swiss Quality Testing Services) eine Inspektion der Ware durchgeführt. Ist sie erfolgreich, wird die Ware ins Sammellager im Hafen von Schanghai gebracht. Dort werden die Jacken zusammen mit anderen Lieferungen, die für die Schweiz bestimmt sind, in einen Schiffscontainer verladen.

Nanjing

Rotterdam Volketswil

La Spezia

Schanghai

CHINA

Rotterdam

Das Produkt ist mit dem Eco-Label versehen. Das heisst: Ökologisch kritische Prozesse werden überwacht, alle relevanten Produktionsstufen sind rückverfolgbar, Rezepturen und verwendete Substanzen werden bewertet und sind durch Sicherheitsdatenblätter und technische Informationen belegt. Sämtliche Zutaten wie Knöpfe oder Reissverschlüsse müssen geprüft sein.

La Spezia

Schanghai Ein Containerschiff – zum Beispiel die riesige MSC Oscar, auf der mehr als 19 000 Container Platz finden – bringt die Ware auf dem Seeweg nach Europa. Entweder zum italienischen Hafen La Spezia oder ins holländische Rotterdam. Von dort geht es mit dem Containerzug nach Frenkendorf und schliesslich ins MigrosVerteilzentrum in Volketswil. Die ganze Reise dauert zwischen 36 und 42 Tagen.

Frenkendorf

Volketswil

Von Volketswil aus werden die 95 Filialen beliefert, die die Jacke in ihrem Sortiment führen. Vivai 6/15

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REISEN

SAFIENTAL

Die Ruhe selbst Zwischen hohen Gipfeln eingebettet liegt das Safiental. Es hat genug Platz f체r Lamas, Toureng채nger und viele gem체tliche Wirtsstuben. Text: Petra Koci Fotos: Bruno Augsburger Illustrationen: Martin Haake

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Das Safiental ist eingekesselt zwischen dem Valsertal und der San-Bernardino-Route. Im Norden wird es von der Rheinschlucht eingegrenzt. Der Ostabhang ist steil und bewaldet. Die Walser Streusiedlungen liegen an der flacheren westlichen Talseite.

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at der Mensch im hektischen Alltag genug von lauten Verkehrgeräuschen und Menschenmengen, träumt er sich gern an einen stillen Ort. An einen Ort, der abgeschieden genug ist, um die innere Pausentaste zu drücken. Wo die Geräuschlosigkeit der Natur als wohltuende Kulisse dient. Wo das Panorama weit und die Stille tief ist. Das Bündner Safiental mit seinen sonnenverbrannten Walserhäusern ist so ein Ort. Die Safier leben zwar talverbunden, aber nicht weltabgewandt. So begrüssen sie auch zugezogene Exoten wie Kamele und Lamas und Innovationen wie den weltweit ersten Solarskilift. Der Wintergast kommt hier am liebsten auf Schneeschuhen oder Tourenski daher. Die Ruhe muss man hier nicht suchen. Biobäuerin und Trekkingführerin Angelika Bandli sagt: «Laufe einfach irgendwo den Hang hinauf, die Stille findet dich überall.» Vivai 6/15

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Unterwegs mit singenden Lamas Hijo kommt näher und gibt Küsschen. Zumindest scheint es so, wenn das Lama einem seine sanfte Schnauze ins Gesicht drückt und einen mit seinen schläfrigen, langwimprigen Augen anschaut. «Lamas erkennen Menschen an ihrem Geruch», sagt Angelika Bandli, Besitzerin und Hirtin von zwölf Lamas, zwei Kamelen und einer Herde Yaks. Haben sich Mensch und Tier beschnuppert, trotten die Vier- und Zweibeiner in einer Reihe vom Dorf Safien Platz sanft den verschneiten Alpweg hinauf. Ob die Lamas tatsächlich spucken? Ja, aber nur untereinander. Mit dem Spucken markiert das ranghöhere Tier seine Position gegenüber dem rangniederen. Auf dem Treck sollen die Gäste die Gelassenheit der Lamas und die Natur rundum erleben. «Lamas lassen sich

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nicht hetzen, sie sind clever wie eine Geiss und haben die stoische Ruhe eines Esels», lobt Angelika die Tiere. Ihre Lieblinge, ihr privater Spleen, sind aber die beiden Kamele Dschingis und Aladin, die als Artverwandte in der Lamaherde integriert sind. Nach einer Gerstensuppe beim Biobauern spaziert die Karawane in hierarchischer Einerreihe schweigsam zurück ins Dorf hinunter. Die Aufmerksamkeit ist dabei ganz auf die Tiere gerichtet. Kann es denn sein, dass einige leise jammern? «Nein, nein», lacht Angelika, «die Lamas singen.» Lama-Schnuppertrekking im Winter, ca. 2,5 Stunden Marschzeit inklusive Mittagessen, Fr. 65.– für Erwachsene, Fr. 55.– für Kinder von 7 bis 14 Jahren. bandli.ch


SAFIENTAL

REISEN

Mit Schneeschuhen z‚ Berg Der Weiler Camana oben am Bergrücken wirkt, als hätte jemand die sonnenverbrannten Walserhütten wie Würfel zufällig hingeworfen. Mit Schneeschuhen stapfen wir bergauf zu den Camaner Hütta und weiter in die unberührte weisse Wüste. Bis die schweigsame Landschaft auch den Lärm im Innern verschluckt. Die Belohnung? Einsamkeit und Aussicht: Der Blick schweift zum Piz Beverin hinüber und wandert über den Glaspass vis-à-vis. Skitourenläufer haben ihre schlanken, gleichmässigen Kurven in den Hang gezogen. Wir ziehen unsere eigenen Spuren und gleiten später wie schwerelos durch das weiche Pulver den Hang hinab. In der Ferne, irgendwo an einer Felswand, donnert Schnee in die Tiefe. Dann ist es wieder still. Wellness für die schweren Beine? Auf Vorbestellung heizt das Berggasthaus Camana seinen heissen Zuber oder die Sauna vor dem Haus ein. hotelcamana.ch

Ein Dorf mit vielen Geschichten Die Brunnennixe von Valendas hat schon vieles gesehen. Seit Jahrhunderten blickt sie auf den grössten Holzbrunnen Europas am Dorfplatz. Beobachtete früher, wie hier einst die Kühe getränkt wurden. Langweilte sich, als es immer stiller wurde im Bergdorf. Heute staunt sie stumm, wie viele Gäste zu Besuch sind. Denn seit das verwaiste Engihus am Brunnen vom Architekten Gion A. Caminada zum Gasthaus umgebaut wurde, wirten hier Matthias Althof und Elvira Solèr Althof erfolgreich auf 14-Gault-Millau-PunkteNiveau. Auswärtige Gourmets kehren genauso ein wie die Dorfbewohner. «Wir sind ein Restaurant mit Bauern rundum», bringt Küchenchef Althof seine Philosophie auf den Punkt. «Deshalb koche ich fast nur mit lokalen Produkten vom Hof.» Aus Luzis Kalbfleisch hat er etwa die Kalbsbattuta vom Salzstein mit lauwarmen Linsen und Tomatenpesto kreiert. Aus Curdins Fischen das Menü Krokant, panierte Saiblingfilets mit Meerrettichschaum und Blutorangen-Sellerie-Salat. En Guete! Das Gasthaus am Brunnen ist Restaurant, Hotel und Dorfbeiz. Hauptstrasse 61, 7122 Valendas, Tel. 081 920 21 22, Montag/ Dienstag Ruhetag. gasthausambrunnen.ch

Der weltweit erste Solarskilift Am einzigen Skilift im Safiental geht es entspannt zu und her. Wie kantige Glieder an einer Schmuckkette zeichnen sich die 82 Solarpanels gegen den Himmel ab. Der Mut zur Investition hat sich gelohnt. Der Lift produziert dreizehnmal mehr Solarstrom als benötigt. Von einem leisen Surren begleitet, lassen sich die Skifahrer in drei Minuten zum Schlüechti auf 2283 m ü. M. hinaufziehen. Nur von zwölf bis dreizehn Uhr wird es ganz still am Berg: Mittagspause: «Wenn wir nicht abschalten, dann wollen die Kinder nicht essen gehen», schmunzelt der Mann an der Kasse. Solarskilift Tenna, Tageskarte Erwachsene: Fr. 25.–, Tageskarte Kinder: Fr. 16.–. solarskilift.ch

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REISEN

SAFIENTAL

Von Alpkäse bis Murmeltierfell Das Hofstatt-Lädeli in Tenna ist ein Familienbetrieb: Frau und Schwiegermutter kochen Konfitüren, backen Brot, Birabrot, Bündner Nusstorte. Der Onkel liefert den Honig. Der Käse stammt von der Tenner Alp. Und Bauer Stefan Joos lässt sein Natura-Beef zu aromatischen Würsten und Salsiz verarbeiten. Auch die Spensa – «Speisekammer» auf Rätoromanisch – ist immer gut gefüllt. Insgesamt fünfzig Familien beliefern das Selbstbedienungslädeli im ehemaligen Stall mit Alpkäse, Würsten, Salsiz, aber auch mit Handwerk wie Filzfinken oder Murmeltierfellen. Biohof Hofstatt, Ausserberg 10, 7106 Tenna. hofstatt.ch Spensa, an der Haupstrasse vis-à-vis der Postautohaltestelle, Safien Platz. spensa.ch

Mit Stil entspannen am Berg Nühus, das neue Haus, ist schon über 200 Jahre alt. Dagmar Steinemann und Marius Hagger konnten das umgebaute Walserhaus auf 1636 m ü. M. mitsamt originalen Bauermöbeln erwerben, sanft renovieren und charmant einrichten. In jedem der sechs Zimmer ruht der Gast auf einer komfortablen Federkernmatratze. In der Gaststube strahlt ein grosser Specksteinofen wohlige Wärme aus. Hier servieren die Gastgeber ein herzhaftes Frühstück mit Produkten von den Höfen rundum. Und weil man diese Gemütlichkeit am liebsten gar nicht mehr verlassen möchte, zaubert Marius auf Wunsch auch ein Drei-Gang-Abendmenü, etwa mit Fondue oder feinen Capuns. Das Kostbarste in dieser Schatzkiste ist aber das Kaminzimmer mit Ledersofas und dem riesigen quadratischen Fenster. Davor kann man stundenlang sitzen – und seelenruhig in die Berggipfellandschaft gucken. Nühus, Bed & Breakfast & Mehr, Bruschgaleschg, 7107 Safien Platz, Tel. 081 630 60 66. nühus.ch 44

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Mit und mitten in der Natur Die jungen Biobauern Ursina und Marco Waldburger führen einen Mutterkuhbetrieb. Nachmittags öffnen sie ihr rustikales Gasslihof-Stübli oder stellen draussen Tische auf. Über rezentem Alpkäse oder einer Bündner Gerstensuppe klettert der Blick das Tällihorn hinauf, während die Enten Hugo und Erna um den Tisch watscheln. Lust auf ein Menü mit Biorindfleisch oder auf von Marco geschossenes Wild? Auf Vorbestellung versuchen die Gastgeber den Wunsch am Mittag oder am Abend zu erfüllen. Gasslihof, Tel. 079 212 83 36, offen 12 bis 17 Uhr oder auf Voranmeldung. gasslihof.ch

Wie und wo Anreise Mit Zug und Bus: Von Chur mit der Rhätischen

Weite zum Atmen Auf acht Kilometern Langlaufpiste oder Winterwanderwegen läuft man am südlichen Talschluss in eine Arena ein. Von Gipfeln eingerahmt, lässt einen diese weisse Bühne Weite atmen und schenkt gleichzeitig Geborgenheit. Wie hängende Orgelpfeifen kleben mächtige blaue Eisfälle an der hintersten Felswand – vor allem beliebt bei Profikletterern. Unter einer dicken Watteverpackung hört man das Flüsschen Rabiusa glucksen. Und wenn das Sonnenlicht den OstSteilhang hochklettert, steigen die scheuen Gemsen und Steinböcke tiefer, und Mensch und Tier kommen sich hier in der Arena näher.

Bahn nach Versam-Safien in der Rheinschlucht. Ein Postauto führt ins Tal. Mit dem Auto: Autobahn Richtung San Bernardino, Ausfahrt Bonaduz. Etwas abenteuerlich ist schon die schmale Strasse entlang der Rheinschlucht und übers Versamer Tobel ins Safiental. Schlafen

Einfache Unterkunft in Gasthäusern in Versam, Safien Platz und Thalkirch, Ferienwohnungen und -häuser, Maiensässe oder Bed-and-Breakfast-Zimmer. In komfortablen, charmanten Zimmern logiert man im Kleinhotel Nühus oder im Gasthaus am Brunnen in Valendas.

Infos

safiental.ch, naturpark-beverin.ch Vivai 6/15

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WER KAUFT HIER EIN ?

DER PSYCHOLOGE RÄTSELT . . .

Mass- und genussvoll Der Einkaufspsychologe erfährt Hilfe von unerwarteter Seite. Aber führt ihn die Blitzanalyse einer Migros-Verkäuferin auf die richtige Spur? Fest steht: Wer hier eingekauft hat, überlässt seine Ernährung nicht dem Zufall. Fotos: Claudio Bader

d

er erste Eindruck zu diesem Foto: Eine sorgfältige Auswahl, die Lebensfreude und Genuss ausdrückt, ohne alles zu präsentieren, was in den nächsten Tagen auf den Tisch kommen wird. Trotzdem ist auf Anhieb erkennbar, dass hier nicht bloss der Hunger gestillt, sondern fast schon mediterrane Kochkunst gelebt wird. Dass im Tessin eingekauft wurde, verraten die Nuss-Kastanien-Torte und die italienische Sprache. 46

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Zudem wird eine Handschrift, ein Lebensstil sichtbar, welcher über Pasta und Grissini hinausreicht. Interessanterweise sind auch andere Traditionen ins Küchenlatein eingeflossen. Quinoa, griechisches Joghurt, Grüntee und Cranberrysaft fallen zwar erst beim zweiten Blick auf. Diese Produkte verhindern aber, dass ich den Einkauf vorschnell in ein Schema presse. Wie bei jeder Analyse weiss ich nicht, welche Nahrungsmittel zusätzlich

in anderen Geschäften gekauft werden. Deshalb kann ich nur spekulieren, weshalb Milch und Käse sowie – von den Tomaten abgesehen – frisches Gemüse und Salat fehlen. Ich würde der Person, die eingekauft hat, ohne Weiteres zutrauen, dass sie auch grossen Wert auf frisches Gemüse und feinen Käse legt. Statt jedoch voreilige Schlüsse zu ziehen und im Nebel der Vermutungen umherzuirren, unterziehe ich die präsen-


© Nik Hunger

Tessiner Lokalkolorit: Kein Wunder, wurde doch in der Migros in Biasca eingekauft.

tierten Lebensmittel lieber noch ein paar weiteren Analyseschritten. Sicher werden im gesuchten Haushalt regelmässig mehrgängige Mahlzeiten zubereitet. Dafür sprechen Schnittlauch und Petersilie, aber auch die Koteletts. Die Mengen sprechen am ehesten für einen Zweipersonenhaushalt. Vielleicht gibt mir das Gebäck einen Hinweis. Ich zeige das Foto einer aufgeweckten Verkäuferin in der Migros am Zürcher Limmatplatz. Sie sagt, das Produkt würde nicht im lokalen Angebot geführt. Schade! Ich scheue nämlich keinen Aufwand, um das Rätsel zu lösen. Meist kaufe ich die mir unbekannten Produkte selbst ein und versuche, über den Geschmack auf Anhaltspunkte zu kommen. Für einen Abstecher ins Tessin ist mein Terminkalender aber leider zu voll. Zum Glück gibt mir die hilfsbereite Verkäuferin einen unerwarteten Tipp, der

„Eine dreissig-

jährige Frau? Das passt eigentlich nicht ganz ins Konzept.

Der Ernährungspsychologe Dr. Robert Sempach ist Projektleiter Gesundheit beim Migros-Kulturprozent. Sein aktuelles Projekt: «Tavolata» – Tischrunden für ältere Menschen. Infos: www.tavolata.net

mir weiterhilft, ohne das Gebäck probiert zu haben. Sie meint kurz und bündig: «Hier hat bestimmt eine dreissigjährige Frau eingekauft.» Mir passt ihre Vermutung zwar nicht ganz ins Konzept, weil fast alles auch in meinem Einkaufskorb landen könnte. Widerlegen kann ich die Blitzanalyse aber nicht. Ob Mann oder Frau, die Person ist auf jeden Fall jünger und berufstätig. An freien Abenden oder Wochenenden verwöhnt sie gern Freunde und Bekannte mit einem guten Essen. Um sicher zu sein, ob eine weitere Person im Haushalt lebt, müsste ich wissen, ob und was an anderen Orten eingekauft wurde. Vielleicht muss ich aber auch gar nicht die letzten Details aus diesem Foto herausholen, weil das Entscheidende sonnenklar ist: Hier wird mit Mass und Genuss gegessen. Wer wars? Zur Auflösung umblättern. Vivai 6/15

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WER KAUFT HIER EIN ?

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Die Auflösung Eingekauft hat Marco Marcacci (65) in Biasca. Der Historiker mag es gut und gesund. Er lebt in Monticello im Bündner Tal Misox, wenige Meter von der Tessiner Grenze entfernt.

eiblich und jung – was für ein Kompliment! Allerdings stimmt es, dass ich massvoll geniesse. Die Lebensmittel dürfen gesund und saisonal sein. Erdbeeren an Weihnachten oder Fertigprodukte gehören weniger auf meinen Speiseplan. Ich mag die einfache, mediterrane Küche. Aber nicht nur. Meine Mutter kochte typische Tessiner Gerichte wie Polenta mit Luganighe. Später lebte ich in Genf und Bern und lernte viele Gerichte kennen. Auch heute probiere ich gern Neues aus: Quinoa schmeckt mir und ist eine gute Alternative zu Getreide. Milchprodukte sind nicht mein Ding, zum Frühstück trinke ich lieber Grüntee als Milchkaffee. Das ist gesund und hilft mir durch den Tag. Mittags esse ich eher kalt, etwa Tomatensalat oder Trockenfleisch mit Brot. Als Historiker arbeite ich häufig im Staatsarchiv in Bellinzona. Trauben, Bananen und Cranberrysaft sind da eine ideale Zwischenverpflegung. Für mich selbst koche ich eingängige Abendessen wie Kotelett mit Risotto und Rucola. Lade ich Freunde ein, gibts Grissini zum Apéro und eine selbst zubereitete Vorspeise. Nur das Dessert kaufe ich ein. Beim regionalen Gebäck handelt es sich übrigens um mit Nougat gefüllte «Baci di dama» – Damenküsse. l Aufgezeichnet von Ueli Bischof.

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Schweizerische Stiftung für das cerebral gelähmte Kind www.cerebral.ch Wir danken dem Verlag für die freundliche Unterstützung dieses Inserates.

Spendenkonto: 80-48-4

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Wind, Wellen und Wattlandschaften Exklusive Tipps für die niedersächsische Nordseeküste und die Ostfriesischen Inseln

Wattkante im Winter © Die Nordsee GmbH, Beate Ulich/Staatsbad Norderney GmbH

Die Nordsee ist kalt, der Wind weht heftig, die Dünen sind schneebedeckt. Warum machen Menschen im Winter Ferien im Norden Deutschlands? Genau deswegen! Im Herbst und Winter kann es an der Nordseeküste Niedersachsens und auf den Ostfriesischen Inseln Baltrum, Borkum, Juist, Langeoog, Norderney, Wangerooge und Spiekeroog sehr gemütlich werden. Nicht nur die Zugvögel legen auf dem Weg in den Süden gern einen Stopp im Wattenmeer ein, um ihre Akkus für die Weiterreise aufzuladen. Bei einem Winterspaziergang durch eine der schönsten Naturlandschaften der Erde spürt man das sogenannte Reizklima, das die Luft mit Salz und Mineralstoffen bereichert. Thalasso nutzt die Kraft des Meeres zur Heilung und Verschönerung. Es gibt keinen besseren Ort, um seine Wirkung zu erleben, als die niedersächsische Nordsee – die erste offiziell zertifizierte Thalasso-Region Europas.

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Die Insel Norderney ist das älteste deutsche Nordseeheilbad mit dem grössten Thalassohaus Deutschlands.

Wenn die Ebbe das Watt freilegt und das Eis unter den Füssen knirscht, wird es Zeit für eine geführte Wanderung auf dem Meeresgrund im UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer. Dabei begleiten ausgebildete Wattführer und Nationalpark-Ranger und das Erleben dieses faszinierenden Lebensraums mit seinen vielfältigen Tier- und Pflanzenarten wird intensiver. Nach dem Ausflug ins Watt wärmen regionaltypische Getränke wieder Hände und Gemüt.

In den Getränkekarten der gemütlichen Cafés findet sich vor allem das ostfriesische Nationalgetränk: der Tee. Aber auch ein SanddornGrog ist an den kühlen Tagen sehr beliebt. Wer die Ostfriesentorte mit leckerem Biskuit, viel Schlagrahm und Branntweinrosinen bestellt, lernt eine echte Gaumenfreude kennen! INFOS Auto: Beispiel ab Zürich nach NordenNorddeich, 913 km. Reisezeit: ab 9 Stunden Zug: Ab Zürich und Basel ohne Umstieg mit der Deutschen Bahn, unter anderem auch Nachtzug nach Hamburg und Bremen. Reisezeit: ab 10 Stunden Flugzeug: Direktflüge von Zürich nach Bremen oder Hamburg

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Weitere Tipps für die Nordsee in Niedersachsen erfahren Sie unter reiseland-niedersachsen.de.

Auf meinniedersachsen.de erzählen Gäste, was sie im Reiseland Niedersachsen alles erlebt haben.


DOSSIER

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Locker bleiben Faszien sind die Fasern, aus denen unser Bindegewebe besteht. Regelmässig aktiviert und entspannt, sind sie der Schlüssel zu mehr Beweglichkeit, Stabilität und schmerzfreien Muskeln – auch im Alter. Text: Petra Koci

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FASZIEN

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© fascialnet.com, blackroll.ch

ber Faszien wird derzeit sehr viel geschrieben und diskutiert. Neben der Medizin gewinnt das Thema auch in der Sportwelt immer mehr an Bedeutung. Faszien sind das feine Fasergeflecht, das unseren gesamten Körper durchzieht, auch als Bindegewebe bekannt. Nirgendwo in unserem Körper berühren sich Muskeln und Knochen, denn sie werden vom Fasziensystem verbunden. Wie diese Fasern aussehen, wissen alle, die schon mal die weissliche, dünne Haut eines Rindsfilets abgezogen haben. Faszien bestehen aus mehreren, ganz dünnen Schichten, die elastisch und geschmeidig sind und dank einem körpereigenen Schmiermittel übereinandergleiten. Sind unsere Faszien gesund, sind sie dehnbar, voller Flüssigkeit und Nährstoffe, und wir können uns dynamisch beugen, strecken und dehnen. In jungen Jahren ist dies meist ohne Beschwerden möglich, aber auch im Alter kann der Körper diese Flexibiliät bewahren. Eigentlich heissts Faszienkater Überbelastungen und Verletzungen beim Sport, aber auch Bewegungsmangel oder chronische Fehlhaltungen können dazu führen, dass sich die Faszien verkleben und mit der Zeit verhärten. Wenn die Schichten nicht mehr gut gleiten, wird der Bewegungsspielraum eingeschränkt: Wir spüren Verspannungen und aufgrund der Rezeptoren im Gewebe oft auch Schmerzen. Tatsächlich ist das, was wir einen Muskelkater nennen, wohl eher ein Muskel-Faszien-Kater. Denn zumindest der Schmerzreiz wird in den Faszien ausgelöst, die jede Muskelfaser umhüllen. Faszien durchdringen und umfassen neben den Muskeln auch Knochen, Knorpel, Sehnen, Organe, das Gehirn und sogar einzelne Muskelfasern. Weil es ein gänzlich verbundenes Geflecht ist, zeigt sich etwas Faszinierendes: Würde man alle

Muskeln, Knochen und Organe entfernen, bliebe mit den Faszien die individuelle Körperform des Menschen bestehen. Das Fasziensystem besteht zu rund siebzig Prozent aus Wasser sowie aus faseraufbauenden Zellen. Es ist durchdrungen von Nervenenden, Sensoren und Rezeptoren. Dank dem hohen Wassergehalt stützen und stabilisieren Faszien unseren Körper und dienen zudem als Sinnesorgan der Bewegung. Die zahlreichen Sensoren senden Impulse ans Gehirn, und dieses gibt die Signale an die Muskulatur weiter. Das Zusammenspiel trägt zu einem guten Raumempfinden bei und ermöglicht uns zum Beispiel, den Arm mit geschlossenen Augen genau auf einen Winkel von neunzig Grad zum Boden anheben zu können. Gleichzeitig

Selbstmassage Faszien sanft entspannen

Mit dem eigenen Körpergewicht

Die zwei bekanntesten Hilfsmittel zur Lockerung der Faszien sind die Blackroll und der Faszienball. Man legt sich auf das Hilfmittel und massiert mit langsamen Bewegungen das Gewebe. Eine erste Anleitung eines Experten ist zu empfehlen. blackroll.ch

BEWEGEN

sind Faszien verantwortlich für die Kraftübersetzung. Zusammen mit den Muskeln setzen sie schliesslich die Kraft frei, die der Körper braucht, um sich zu bewegen. Studien haben gezeigt, dass sich das Bindegewebe auch dann anspannt, wenn Stress-Botenstoffe ausgeschüttet werden. Nach einer kurzzeitigen Stresssituation entspannen sich die Faszien wieder. Ist der Stress jedoch chronisch, so bleiben auch die Faszien angespannt, und es kann zu permanenten Verhärtungen kommen. Akupunktur, Massagen, Yoga helfen Seit die Forscher erkannt haben, wie eng Muskeln und Faszien zusammenarbeiten, wird im Sportbereich bei Kraft-, Ausdauer- und Koordinationstraining auch noch die Faszienfitness integriert. Als Trainingsgerät dienen eine Blackroll oder ein Faszienball aus hartem Schaumstoff, auf denen man zur Selbstmassage sanft herumrollt. Der Druck des eigenen Körpergewichts regt den Flüssigkeitsaustausch im Gewebe an, und Verklebungen können sich lösen. Manche Fitnessstudios bieten spezifische Faszien-Work-outs an, mit dehnenden und wippenden Übungen. Die Faszien-Forschung steht noch am Anfang. Gemäss einer Studie der Harvard Medical School ist es wissenschaftlich belegt, dass manuelle Körpertherapien wie Akupunktur oder Massagen positiv auf das Bindegewebe wirken. Ähnlich wie östliche Methoden, insbesondere Yoga. In vielen Yoga-Positionen werden die Faszien langsam und langanhaltend gedehnt. Dies aktiviert die faserbildenden Zellen, der Wasserfluss wird verbessert, die Schichten gleiten geschmeidiger. Dass Yoga gesundheitsfördernd ist, ist bereits bekannt. Betrachtet man es nun aus der Perspektive der FaszienWissenschaft, hat man weitere Erklärungen, warum dem so ist. l Fortsetzung auf Seite 53

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Die Migros-Medien

w端nschen Ihnen frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr.


BEWEGEN

FASZIEN

”Verhärtete Faszien können die Ursache für Rückenschmerzen sein„ Jörg Hering, Physiotherapeut, Dozent für Anatomie und FDMTherapeut (Fasziendistorsionsmodell) in Bern Bei Bewegungsmangel besteht die Gefahr, dass Faszien verkleben. Passiert das schon, wenn wir drei Stunden ununterbrochen im Büro sitzen?

Eine neuere Methode ist das Fasziendistorsionsmodell. Worum geht es dabei?

Die Therapie geht von sechs unterschiedlichen möglichen Faszienstörungen aus, also auch von sechs Arten von Schmerzen, die sich auf eigene Weise darstellen, also beispielsweise als linienartiger, flächiger oder punktueller Schmerz. In der Faszientherapie geht es darum, den Schmerz, wie er sich beim Patienten darstellt, zu erkennen, ihn einer der sechs Faszienstörungen zuzuordnen und mit den entsprechenden Handgriffen zu behandeln. Diese Handgriffe ähneln der Schmerzgestik des Patienten und werden mit teils heftigem Druck ausgeführt.

Eine Inaktivität von drei Stunden ist für die Bildung von Verklebungen nicht ausreichend. Je länger die Inaktivität andauert, desto mehr und desto fester werden aber die Verklebungen. Verklebungen entstehen normalerweise über Nacht, wenn der Körper ruht und neue Fasern aufgebaut werden. Das Fasziensystem ist wie ein Netz, und die faseraufbauenden Zellen könnte man sich als Spinnentiere vorstellen, die einen Faden aus Kollagen hinter sich herziehen. Sie wandern herum und knüpfen es immer wieder neu. Sobald wir uns morgens strecken und bewegen, werden die Verklebungen aber an den Orten, wo sie nicht hingehören, aufgelöst. Geschieht das gar nie, werden sie immer fester und verursachen in der Folge Probleme am Bewegungsapparat.

Faszien und die Muskulatur sind eine grosse Quelle von Rückenschmerzen. Gerade bei den unspezifischen Rückenschmerzen – wenn also beim Röntgen oder beim MRI kein konkreter Befund vorliegt – sind fast immer Faszienstörungen und/oder muskuläre Triggerpunkte verantwortlich. Hier können Faszien- und Triggerpunkttherapie bei der Behandlung helfen.

Wirksam sind manuelle Therapien wie beispielsweise Massagen. Was bewirken sie?

Für gesunde Faszien soll die Selbstmassage mit der Blackroll sorgen. Ist diese effektiv?

Diese Therapien arbeiten hauptsächlich mit Druck. Mit sanfterem Druck erreicht man die oberflächlichen Faszien, mit grossem Druck die tieferen Schichten des Bindegewebes. Der Druck wirkt auf kleinem Raum und zwingt die faserbildenden Zellen in den Faszien dazu, sich neu zu formieren. Verklebungen können so gut aufgelöst werden. Gleichzeitig wird Wasser durch das Fasziensystem durchgepresst und so der Abtransport von Schlacken begünstigt.

Ein häufig auftretender Schmerz ist der Rückenschmerz. Kommen hier Faszien als Ursache in Frage?

100% natürlich

Mit der richtigen Anwendung auf jeden Fall. Je langsamer die Bewegung, desto besser. Also nicht schnell hin und her ruckeln, sondern ganz langsam in die eine Richtung rollen und dann ganz langsam wieder in die andere Richtung. Das Fasziensystem braucht Zeit. Es arbeitet langsam. Am Anfang kann die Rollenmassage recht schmerzhaft sein. Dann sollte man die Massage lieber erst wieder machen, wenn der Schmerzreiz nachgelassen hat.

Chronisch müde?


PFLEGE

KÄLTE

Bis die Zähne klappern Unser Körper profitiert von einer gelegentlichen absichtlichen Abkühlung. Kältetherapien lindern Schmerzen, machen vitaler und straffen die Haut. Text: Petra Koci

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Ganz schön viele Vorteile «In der eisigen Kammer kühlt die Haut schnell ab. Die Gefässe unter der Haut verengen sich, drängen das Blut ins Körperinnere, das Herz pumpt pro Herzschlag mehr Blut. Sobald sich die Gefässe nach dem Kälteschock wieder erweitern, setzt eine maximale Durchblutung der Muskeln ein», sagt Astrid Bösch, Leiterin der Kältekammer Med-Ice in Luzern: «Steif gefroren wird man keinesfalls – im Gegenteil. Der Muskeltonus ist danach weicher, Muskeln und Gelenke beweglicher.» Athleten können so mehr Leistung abrufen, zumindest bis zu einer halben Stunde lang, wie Studien zeigen. Die frostige Kälte, die wie Nadelstiche auf der Haut pikst, mobilisiert aber noch mehr: Sie schaltet das Schmerzempfinden aus, dämmt Entzündungen und stärkt Abwehrkräfte. So gibt das begeh54

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so Wirkungskraft – bei der Durchblutung und der Stärkung des Immunsystems. Wer den Mut zur Gänsehaut aufbringt, weiss zudem: Der Energieschub wirkt als Muntermacher, aktiviert den Organismus und hebt die Stimmung.

Die Kältekammer ist Profisportlern bekannt. Nun wird auch im Wellnessbereich gefroren – für die Schönheit.

bare Gefrierfach auch Menschen mit Schmerzen, etwa Rheumatikern, Linderung auf Zeit. Zudem werden Endorphine ausgeschüttet, die euphorische Gefühle hervorrufen und einem ein Hoch, ein Gefühl von Vitalität, bescheren. Ist die Ganzkörperkältetherapie so etwas wie die Funktion Schockgefrieren beim Kühlschrank, so entspricht eine Kaltwasserabreibung wohl am ehesten dem Chill-Modus. Wenn sich Profisportler wie Fussballer oder Eishockeyspieler kurz in die Eiswanne legen, dann um Muskelkater zu verhindern und schneller zu regenerieren. Werden nämlich Blutzirkulation und Stoffwechsel angekurbelt, so können Schadstoffe wie Lactate, die den Muskel übersäuern, schneller abtransportiert werden. Die Gefässverengung durch die Kälte lässt weniger Flüssigkeit ins Gewebe treten, Schwellungen gehen zurück und Blutergüsse können verhindert werden. Und die altbewährte kalte Dusche? Das erfrischende Abbrausen zeigt eben-

Kälte für die Leistungssteigerung Im Sportbereich erhält das Thema Abkühlung immer mehr Stellenwert. Man sieht häufiger Armcooler oder Kühlwesten, Leichtathleten ziehen letztere vor oder zwischen den Wettkämpfen an. Die Accessoires zögern den Temperaturanstieg des Körpers bei grosser Belastung hinaus. Der Organismus betreibt somit weniger Aufwand, um die Körpertemperatur zu regulieren, und hat mehr Kraft, um die Leistung hoch zu halten. Genauso umgekehrt: In eisiger Umgebung muss der Körper Energie aufbringen, um sich warmzuhalten, und verbrennt mehr Kalorien. Bei niedrigen Temperaturen werden die braunen Fettzellen aktiviert. Das braune Fett – es sitzt vor allem im oberen Körperbereich – ist das «gute» Fett, das das «schlechte», weisse Fett wegfrisst. Auch wirkt die Kälte abschwellend, beispielsweise bei Tränensäcken. «Der höhere Energieverbrauch sowie ein straffer und glatter wirkendes Gewebe sind nette Nebeneffekte einer regelmässigen Kältetherapie», bestätigt Astrid Bösch von Med-Ice. Für ein bisschen Bibbern braucht es aber keine arktischen Temperaturen. Der Winter lädt zum Spaziergang in der Kälte ein. Die Belohung: eine bessere Durchblutung, rosige Haut und gute Laune. l

© Corbis, Astrid Bösch / med-ice gmbh, iStock

inus 110 Grad! Das ist tiefer als die je gemessene Temperatur auf der Erde. Und das soll man bis maximal drei Minuten lang aushalten, bekleidet mit Badeanzug, Mundschutz, Kappe, Handschuhen und Schuhen. Es sind vor allem Sportler und Schmerzpatienten, die sich in die Kältekammer wagen. Die rapid starke Abkühlung soll zu einer Leistungssteigerung führen und Regeneration und Heilung beschleunigen. Sportvereine und Kliniken nutzen die Kältekammer schon länger, zunehmend entdecken aber auch Fitnessstudios die positiven Wirkungen der Ganzkörperkältetherapien und anderer Kälteanwendungen.


Für die kühlen Momente zu Hause

Kälte spüren

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Gegen Kopfweh

Heisse Füsse

Frischer Blick

Falten wegkühlen

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Postkarte (A-Post): Verlag Vivai,

Kreuzworträtsel 6/15, Postfach, 8074 Zürich

Teilnahmeschluss: 20. 12. 2015

Lösungswort der letzten Ausgabe:

Mobilitaet

Die 30 Gewinner/-innen des Wettbewerbs aus Vivai 5/2015 wurden persönlich benachrichtigt.

Die Gewinnerin / der Gewinner wird unter sämtlichen korrekten Einsendungen aller Sprachausgaben von Vivai ausgelost und schriftlich benachrichtigt. Keine Barauszahlung. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, über die Verlosung wird keine Korrespondenz geführt. Gewinne, die nicht bis spätestens drei Monate nach Ziehung durch den Gewinner bezogen werden, verfallen ersatzlos. Mitarbeitende des Migros-GenossenschaftsBundes sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Die Auflösung und den Namen des Gewinners finden Sie im Vivai 1/16.

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Abonnieren Sie Vivai kostenlos auf der Website migros.ch/vivai oder per E-Mail an abo.vivai@migrosmedien.ch und Tel. 0800 180 180.


Müde, müde, müde, müde, müde...

Eisenmangel Frauen aufgepasst! Lustlos, keine Energie? Die Mehrheit erschöpfter Frauen im Menstruationsalter leidet an einem Eisenmangel bei einem normalen Hämoglobin, sagt Dr. Beat Schaub, Facharzt für Innere Medizin. Das muss nicht sein! Leere Batterien Eine junge Frau (32) sagt: «Es ist mir alles zu viel, meine Batterien sind leer, ich könnte immer einschlafen.Oft fühle ich mich grundlos niedergeschlagen und mein Selbstwertgefühl ist im Keller. In letzter Zeit vertrage ich die Kinder nicht mehr, es herrscht eine Unruhe in der Familie, weil ich keine Nerven mehr habe. Es tut mir ja so leid, ich wünsche mir, es wäre anders. Mittlerweile kann ich nachts nicht mehr gut schlafen, sodass ich am Tag erst recht kaputt bin und sogar tageweise nicht mehr arbeiten kann. Ich hoffe, es gibt deswegen keine Kündigung. Mein Chef fragt mich, was ich habe. Was soll ich antworten?»

Eisenspeicher auffüllen Ein patientenorientiertes Forschungszentrum in Binningen bei Basel hat herausgefunden, dass die aufgezählten Symptome in den meisten Fällen durch einen Eisenmangel im Körper verursacht werden. Der Körper verliert Eisen, wenn er Blut verliert. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn hauptsächlich Frauen im Menstruationsalter an einem Eisenmangel leiden. Sie bluten in ihrem Leben zusammengezählt über fünf Jahre lang. Der Eisenspeicher des Körpers ist oft schon wenige Jahre nach der ersten Regelblutung leer. Das sogenannte Eisenmangelsyndrom bei Frauen im Menstruationsalter kann in wenigen

Wochen erfolgreich behandelt werden, indem der Eisenspeicher wieder aufgefüllt wird. Anschliessend empfiehlt sich das erneute Absinken des Ferritinspiegels durch ein gut verträgliches, flüssiges Eisen-Präparat aus der Apotheke, Drogerie oder Reformhaus zu verhindern. So gelingt es, Frauen, die schon immer dem «schwachen Geschlecht» zugeordnet wurden, «lebendig» zu machen. Am besten konsultieren Sie Ihren Arzt oder eines der spezialisierten ärztlichen Eisenzentren. www.eisenzentrum.net

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MEIN ORT

LISA M. CHUMA

«Hotels haben eine spezielle Atmosphäre. Ich nutze das Kameha Grand als mein externes Büro.» Lisa M. Chuma wurde in Zimbabwe geboren. Mit sechzehn zog sie nach England, vor vier Jahren kam sie mit ihrem Mann und drei Kindern in die Schweiz. Lisa ist Gründerin der Women’s Expo Switzerland, einer Messe und Plattform von Frauen für Frauen.

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as Hotel begeisterte mich schon, als ich es vor der Eröffnung zum ersten Mal im Internet sah: das moderne Interieur, das Spiel mit der Beleuchtung und die Farbenvielfalt – in den Räumen wie auf dem Teller. Dieser Ort – der passt zu mir. Das bin ich! Hotels haben eine spezielle Atmosphäre, kein Tag ist gleich. Deshalb nutze ich das Kameha Grand gern als externes Büro, wenn mein Mann zu Hause zu den Kindern schaut. Obwohl ich in Zug wohne, nehme ich den etwas weiteren Weg gern auf mich. Und wenn man mal in

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London gewohnt hat, ist längeres Pendeln sowieso kein Problem. Meine Meetings halte ich in der Lobby ab. Danach setze ich mich am liebsten ins Sushi-Restaurant und lasse Licht und Farben auf mich wirken. Farben sind wichtig für mich, vielleicht gibt mir diese Umgebung deshalb ein so gutes Gefühl. Das Design des Hotels entspricht jedenfalls meiner Vorstellung des Büros, das ich einst haben werde. Dass ich Events organisiere, kommt nicht von ungefähr. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich noch sehr jung war,

darum möchte ich heute Brücken für andere Menschen bauen. Ich nutze sie auch gern selbst: Als ich in die Schweiz kam, besuchte ich Networking-Events, um neue Leute kennenzulernen. Mit meinen Events will ich Schweizerinnen und Expat-Frauen noch besser vernetzen. Leider ist das Kameha Grand etwas zu klein, um unsere Expo hier durchzuführen. Aber einen Vorbereitungsevent werde ich hier veranstalten. Ich freue mich schon auf spannende Begegnungen und Inspirationen! l Aufgezeichnet von Petra Koci.

© Karin Heer

Kameha Grand Zürich


oekom Rating 2015: Die Migros ist die nachhaltigste Detailh채ndlerin der Welt.

Wir versprechen Manon, eine Milliarde in Freizeit, Bildung und Kultur zu investieren. Bis 2020 geben wir mit dem Migros-Kulturprozent und unserem Sponsoring insgesamt eine Milliarde Franken an die Gesellschaft zur체ck.

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Programm/Ausflug

Anreise per Bahn ab CH-Wohnort nach Stuttgart. Vor Einschiffung um 15.00 Uhr Stadtrundfahrt* inkl. Transfer zum Schiff. «Leinen los!» um 18.30 Uhr. Ausflug* zum Ludwigsburger Schloss mit wundervollen Parkanlagen. Passage des mittleren Neckars und der Hessigheimer Felsengärten. Ein Abendspaziergang durch Lauffen lohnt sich. Interessanter Rundgang* durch den mittelalterlichen Stadtkern der ehemaligen Kaiserpfalz Bad Wimpfen. Reizvolle Schifffahrt durch das Neckartal-Burgenland bis Eberbach. Am Nachmittag interessanter Rundgang+ durch das faszinierende Heidelberg mit seiner pittoresken Altstadt und Besuch des berühmten Schlosses. 5 Mainz–Koblenz Stadtrundgang* in Mainz und beim Besuch des mächtigen Doms am Morgen. Fahrt entlang dem «Romantischen Rhein» mit der geheimnisumwitterten Loreley, dem wohl schönsten Abschnitt des Flusses. Rundgang+ durch Koblenz. 6 Bernkastel Nachmittagsrundgang+ durch das weinselige Städtchen Bernkastel mit dem einzigartigen mittelalterlichen Marktplatz mit den vielen, gut erhaltenen Fachwerkhäusern. 7 Trier Morgens Stadtrundfahrt/-gang* durch Trier, der ältesten Stadt Deutschlands, mit der «Porta Nigra» sowie dem imposanten Dom. Fahrt durch die berühmte Saarschleife. 8 Saarbrücken– Ausschiffung und fakultative Stadtrundfahrt+ durch Saarbrücken (Ende ca. 12.00 Uhr am Schweiz Hauptbahnhof). Rückreise per Bahn zum CH-Wohnort. Saarbrücken–Heidelberg–Stuttgart Gleiche Reise in umgekehrter Reihenfolge ohne Halt in Koblenz. * Im Ausflugspaket (Fr. 140.-) inbegriffen | + Fak. Ausflüge an Bord buchbar | Programmänderungen vorbehalten

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