Mitteschön-Magazin - Ausgabe Januar/Februar 2014

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Ausgabe 38, Januar | Februar 2014

Neues aus Berlin Mitte

Look Good deutsch + English

Glückstag mit Joyce Muniz Fotostrecke: candycu interview mit Fettes Brot



Editorial  3

Mitte iNs herz Die Zeit, in der sich große Marken, lange Beine und Menschen in der Stadt tummeln, die sich professionell mit ihrem oder dem Aussehen anderer Leute beschäftigen, bricht dieses Jahr etwas früher an als üblich. Die meisten von uns outen sich zwar nur ungern als Fashion-Victims, aber gut aussehen wollen wir doch alle. Also hat sich unsere Redakteurin Kathrin für diese Ausgabe einem knallharten Selbsttest unterzogen: Bei einem Besuch der Schöneberger Stilberaterin Valeriya Licht bat sie um eine Einschätzung zu ihrem persönlichen Stil. Und die bekam sie auch, ungeschminkt und kalt serviert. Und wo wir schon mal in Schöneberg waren, haben wir uns gleich mit der Sängerin, DJ und Produzentin Joyce Muniz getroffen, um mit ihr den Glückstag in ihrem Kiez zu verbringen. Außerdem nehmen wir das Phänomen Fashion-Filme unter die Lupe, quatschen mit Fettes Brot über Stilwandel und verraten den Mitte-Muttis, wo sie Winterklamotten für ihren Nachwuchs herbekommen, ohne dafür den Dispo zu sprengen. Viel Spaß beim Lesen und nur das Beste für 2014! Eure MiTTESCHöN-Redaktion

siBilla calzolari Sibilla Calzolari ist in Florenz geboren und seit zwanzig Jahren in Berlin zu Hause. Sie arbeitet als Fotojournalistin – Schwerpunkte: Porträts und Reportage –, liebt Plattenbauten, Hunde und außerdem (fast) alle Dinge, die mit A anfangen. www.sibillacalzolari.de

valeriya licht Die Modestylistin und Visagistin Valeriya Licht bietet professionelle Farbberatung, Stilberatung, Make-up-Beratung, Brautstyling und Kleiderschrankcheck sowie Personal Shopping an. Das Besondere an ihren Leistungen ist, dass Menschen so ihre richtigen Farben und passenden Stil finden können und dadurch ihre Persönlichkeit und Selbstbewusstsein betonen. Ihr Studio liegt auf der Kalckreuthstraße 7 in Schöneberg. www.elitestyle.de

saNdra stäBler Schon fast ein Jahr ist vergangen, seit Sandra Stäbler sich um das Layout von MiTTESCHöN kümmert. Nach den geplanten sechs Monaten fühlte sie sich bei uns so wohl, dass sie sich kurzerhand fest eingenistet hat. Als Vorsätze fürs neue Jahr möchte sich die gebürtige Konstanzerin endlich eine eigene Homepage zulegen und einen Hamsterstall aus einem Ikea-Regal bauen. Einen Hamster hat sie bisher auch nicht.

Follow us:


4   Impressum

Mitteschön no    38 Herausgeber

Toni Kappesz Veröffentlichung

Vollstrudel GmbH Schröderstraße 12 10115 Berlin, Germany Projekt Manager

Anne Kammerzelt (anne@mitteschoen.com) ARTDIREction

Jan Erlinghagen (jan@mitteschoen.com) Grafikdesign

Sandra Stäbler (sandra@mitteschoen.com) Redaktion

Anne Kammerzelt (anne@mitteschoen.com) André Uhl (andre@mitteschoen.com) Redakteure

André Uhl, Anne Kammerzelt, Bettina Schuler, Björn Lüdtke, Kathrin Gemein, Melissa Frost, Oliver Janik, Paul Schlosser, Sophia Hoffmann Fotografen

Louis Vignat, Sibilla Calzolari, Stini Mimissonsdottir, Tina Linster ÜBersetzung

Nicholas Tedeschi (nicted@web.de), Robert Schlicht Lektorat

Kathrin Gemein (kathrin@commandante.org) Projektassistenz

Ekaterina Sadovskaya Anzeigenvermarktung

Vogel Corporate Media GmbH Christiane Maurer (Christiane.Maurer@vogel-corporatemedia.de) Bianca Welsch (bianca.welsch@vogel-corporatemedia.de) WEBSeITE:

www.mitteschoen.com

Projekt Manager online

André Uhl (andre@mitteschoen.com) Druck

hofmann infocom Nürnberg Coverfoto:

Jules, fotografiert von Louis Vignat.


Inhaltsverzeichnis  5

INHALT / Content

Wegweiser 6

Momentmal: Kein Opfer

8

Veranstaltungstipps

10

Mitteschön Lieblingsstücke

19

HAPPA HAPPA: Fake it real good

41

Englische Übersetzungen English Translations

44

Mitteschön Verlosung

47

Stadtplan City Map

kieztalk 12

Glückstag mit Joyce muniz

18

AUGENSCHMAUS: Urbaner Spass-Folklorismus

20

Stil? welcher stil? Style? What Style?

26

Interview mit Fettes Brot

36

FUNDBÜRO: let it be

38

Berliner Gesichter: Dr. Adelheid Rasche, Kunst- und Modehistorikerin Berlin Faces: Dr. Adelheid Rasche, art and fashion historian

40

wir mitte-muttis kaufen und verkaufen Kinder-Kleidung We Mitte-Mums buy and sell children’s clothing

46

Kolumne: daneben

Kulturgut 22

Kunsttipps von eyeout EYEOUT Art Events

23

illustrator des Monats: Sebastian Blinde

28

fotostrecke: candy cu

37

Fa-Fa-Fa-Fa-Fashion … Fa-Fa-Fa-Fa-Fashion …


KEIN OPFER! Die Wollmütze im Nacken und das lange Haar über

der Bomberjacke, unterm Rock der Turnschuh, dies scheint die neue Uniform an der Front der Individualisten zu sein, die vor kurzem

noch in Blüschen und mit Bloggerdutt aufmarschierten. Style ist käuflich, Stil leider nicht. Neulich durfte ich ein tolles Mädchen fotografieren, das selbst in oller Jeans und weißem T-Shirt viel-


Tina Linster fängt für MitteSchön Berlin-Momente ein. | Christoph Schlingensief („Baden im Wolfgangssee“) zu sehen noch bis 19.01.2014, KW, Auguststraße 69

leicht gerade deshalb soviel Grazie und Anmut ausstrahlt, weil sie ganz einfach bei sich bleibt. Anschließend in den KW kam dieses Bild zustande, vor einer Arbeit Schlingensiefs: Chance 2000. Eine

Partei – im Gegensatz zu mancher Mode vollkommen hinterherhüpfenswert (sogar in den Wolfgangssee) – mit dem simplen Motto: WÄHLE DICH SELBST!


8   Veranstaltungstipps

Varieté: Die Aristokraten Tanzende Tannenbäume, fliegende Schneeköniginnen am Trapez, Eisprinzessinnen auf dem Drahtseil und ein Schneesturm, der sich in eine kristallene Balljonglage verwandelt – das klingt stark nach Wintermärchen. Und genau das ist es, was dem Publikum beim Gastspiel der ARISTOKRATEN im Pfefferberg Theater geboten wird. Dabei legt die siebenköpfige Besetzung

Konzert: Jonwayne

körperliche Höchstleistungen hin, wie man sie sonst

Jonwayne im Cassiopeia! „Hä, der lebt noch?“ Schweig

boten bekommt. Das begeistert auch die Kleinen.

still! Nicht der Revolverheld ist gemeint, sondern ein

Pfefferberg Theater, 8. Jan bis 9. März

„Crash Pad“ von Andreas Angelidakis ist die erste

höchst talentierter Produzent und MC aus Los Angeles,

Beginn: 20 Uhr, sowie 12.01., 26.01., 09.02., 16 Uhr

Produktion der 8. Berlin Biennale für zeitgenössische

der seit 2011 bei Stones Throw unter Vertrag ist. Wer

Tickets: Erwachsene ab 21,50 Euro

Kunst – und zugleich ein vorweggenommenes State-

nun glaubt, der 22-Jährige habe sich dreisterweise des

Kinder 5 Euro, Begleitperson 10 Euro

ment des Festivals, das am 25. Januar beginnt. Im KW

Namens der Hollywoodlegende bemächtigt, der lasse

Schönhauser Allee 176

Institute for Contemporary Art richtet der norwegisch-

sich nun eines Besseren belehren: Der Cowboy war

www.artistokraten.de

griechische Künstler eine Rauminstallation mit Biblio-

wohl nur im Zirkus oder bei der Leichtathletik WM ge-

Ausstellung: Crash Pad

es, der einem Vorfahren des Rappers, dem US-General

thek ein, welche die Idee der Salons im 19. Jahrhundert

„Mad Athony“ Wayne, seinen Namen abluchste – und

als Ort kultureller und politischer Debatten aufgreift.

den holt der echte Jon sich nun zurück!

KW Institute for Contemporary Art,

Cassiopeia, 22. Januar

25. Januar bis 3. August

Beginn: 22 Uhr

Auguststraße 69

Tickets: 17 Euro

www.kw-berlin.de

Revaler Straße 99, www.stonesthrow.com/jonwayne

www.berlinbiennale.de

Party: Fünf Jahre Off Recordings Geburtstagsstimmung in der Bum-Bum-Butzke: Das Berliner House-Label OFF Recordings wird fünf und will das mit euch in der ehemaligen Metallwaren- und Lampenfabrik feiern. Und alle sind sie dabei: Him Self

Konzert: The Notwist Is Weilheim the new Seattle? Klare Antwort: Nein. Aber die Tatsache, dass einer einzigen Band aus einer kleinen Stadt in Bayern international so viel Aufmerksamkeit zu Teil wird, ist schon bemerkenswert. Mehr als 20

Her, Andre Chrom, Robosonic, Purple Disco Machine, und, und … und was noch? Pünktlich zum Geburtstag wird es noch eine „5 Jahre OFF Compilation“ geben, damit die Feier zuhause weitergehen kann. Herzlichen Glückwunsch! Ritter Butzke, 28. Februar

Ritterstraße 26, www.off-recordings.com

Tanz: Object the 3rd Was passiert, wenn die eigenen Bewegungen fremdbestimmt werden? Im Stück „Object the 3rd“ gehen die Performer auf Abstand zu ihren Körpern. Inspiriert von animierten Icons und experimentellen Filmen

Jahre gibt es diese Ausnahmeband. Jetzt erscheint das

formt der Berliner Choreograf Alexandre Achour

neunte Album der Musiker, die in anderen Formatio-

aus vier Tänzern eine Maschinerie der Körper. Kurze,

nen Lali Puna, Console, 13 & God und Acid Pauli heißen.

schnelle Bewegungen springen von einem auf den

Als The Notwist spielen sie Live-Shows, die eine solche

anderen über, Blicke werden gezielt aufgefangen oder

Souveränität ausstrahlen, wie es nur die wirklich gro-

verpassen sich.

ßen Bands vermögen.

Uferstudio 14, 18. und 19. Januar

Heimathafen Neukölln, 26. Februar

Beginn: 18.01., 19 Uhr, 19.01., 17 Uhr

Beginn: 21 Uhr

Tickets: 13 Euro

Tickets: 27 Euro

ermäßigt 8 Euro

Karl-Marx-Straße 141, www.notwist.com

Uferstraße 8 / 23, www.uferstudios.com

Foto-Credits: www.theclubmap.com (Jonwayne), Sven Hagolani (Die Aristokraten, Object the 3rd), Andreas Angelidakis (Crash Pad)


Veranstaltungstipps  9

Ballett:

Party: James

Schwanensee

Holden beim CTM-

Spätestens seitdem Natalie Portman in „Black Swan“

Festival

als ehrgeizige Primaballerina ihre Pirouetten aufs

Im Rahmen des diesjährigen CTM Festival stellt der

Parkett gelegt hat, ist Schwanensee auch erklärten

britische Musiker James Holden in Deutschland zum

Ballett-Muffeln ein Begriff. Es geht um einen zur Hei-

ersten Mal sein neues Album „The Inheritors“ vor. Es

rat verdammten Prinzen, der sich in eine zum weißen

basiert auf einer Romanvorlage von William Goldings,

Schwan verzauberte Prinzessin verliebt, aber von

in der die Ausrottung der Neandertaler durch den

derem schwarzen Ebenbild verführt wird. In der klassischen Variante, untermalt von Tschaikowskis Musik, zeigt das russische Staatsballett, warum es als eins der besten Ballett-Ensembles der Welt gilt. Admiralspalast, 29. bis 31. Januar

Beginn: 29. und 30.01., 20 Uhr, 31.01., 16 Uhr und 20 Uhr Tickets: ab 22 Euro Friedrichstraße 110, www.admiralspalast.de

Homo Sapiens beschrieben wird. Das CTM-Festival

Konzert:

setzt sich unter dem Motto „Dis Continuity“ mit Pio-

Planningtorock

nieren aufregender Musik und ihren Erben von heute

Die britische Künstlerin Jam Rostron aka Planning-

24. Januar und dem 02. Februar unzählige Künstler in

torock meldet sich mit neuem Material zurück. Ihr

verschiedenen Clubs zu bewundern.

Album „All Love’s Legal“ erscheint am 10. Februar.

Hebbel am Ufer (HAU 1), 29. Januar

Mit dem Album setzt die Künstlerin ihre genderpoli-

Beginn: 19.30 Uhr, Tickets: 27,50 Euro

tische Agenda fort. Ihre elektronischen Avantgarde-

Stresemannstraße 29, www.hebbel-am-ufer.de

auseinander. Neben James Holden sind zwischen dem

Auswüchse sind dabei wuchtig und düster, upbeat und verspielt zugleich. Wer Planingtorock live performen sehen möchte, der sollte am 26. Februar nach Neukölln ins neue SchwuZ kommen. SchwuZ, 26. Februar

Beginn: 21 Uhr Tickets: 17,20 Euro Rollbergstraße 26 www.schwuz.de

Restaurant: Wilhelm Tell

Installation:

Die Herrfurthstraße nahe dem Tempelhofer Feld

Speaking in Tongues

avanciert mehr und mehr zum gastronomischen Kno-

Noch bis zum 12. Januar ist Aernout Miks Multikanal-

tenpunkt im Schillerkiez. Der letzte Neuzugang, das

Videoinstallation „Speaking in Tongues“ mit dem

Wilhelm Tell, teilt sich seine Räumlichkeiten mit der

Schauspieler Lars Eidinger im Haus der Kulturen der

Schiller Bar und macht neben dem Schiller Burger und

Welt zu sehen. Aernout Mik möchte die Analogien

der Schiller Backstube die Runde komplett. In chic re-

zwischen scheinbar autonomen Welten aufdecken und

duzierter und trotzdem gemütlicher Atmosphäre wird deutsche Küche angeboten. Sonntags wird ein fettes Brunchbuffet aufgefahren.

lässt die spirituellen Riten und Eigenschaften religiö-

Theater: Peter Pan

Wilhelm Tell

Feen, Indianer, Piraten und ein singendes Krokodil:

Herrfurthstraße 7

Mit Peter Pan, dem Jungen der nicht erwachsen werden

Online Reservierungen: www.wilhelmtellberlin.com

will, hat der schottische Schriftsteller James Matthew Barrie einen der berühmtesten Kinderhelden kreiert. Der texanische Theaterkünstler Robert Wilson übersetzt Barries Buch für das Berliner Ensemble in eine suggestive Bilderwelt. Dass die beiden Folk-Schwestern von CocoRosie die Musik besteuern, macht die Reise ins in Peter Pans Nimmerland perfekt. Berliner Ensemble, 7., 8., 26., 27. Januar

Beginn: 07.01.,08.01., 19.30 Uhr, 26.01., 20 Uhr, 27.01., 18 Uhr Tickets: ab 11 Euro Bertolt-Brecht-Platz 1, www.berliner-ensemble.de Foto-Credits: Thomas Ammerpohl (Schwanensee)

ser Gemeinschaften und großer säkularer Versammlungen der Geschäftswelt aufeinandertreffen. Haus der Kulturen der Welt, bis 12. Jan

Mittwochs bis Montags 11 bis 19 Uhr, Eintritt frei John-Foster-Dulles-Allee 10, www.hkw.de


10   Mitte Streets

Mitteschön Lieblingsstücke Text Paul Schlosser

Schon gehört? Ist: Luxus aus zweiter Hand Kann: Platz für die neue Sommerkollektion schaffen Die schwarz-weißen Chanel Plateaus, die Du kürzlich beim Window-Shopping entdeckt hast, würden super zu deinem geliebten Sommerkleid passen, sprengen aber dein Budget? Vestiaire Collective könnte da die richtige Lösung sein! Das Online-Portal bietet nämlich feinsten Second Hand Luxus für kleine Preise an. Die angebotenen Marken reichen von Saint Laurent, über Givenchy bis hin zu Stella McCartney und Céline. Kleidung, Taschen, Schuhe, Schmuck und Accessoires werden dort angeboten, für Frauen, Männer und Kinder. Wir sind schon ganz aus dem Häuschen! Im Gegensatz zu anderen, oft fragwürdigen Portalen im Netz, wo es DesignerTeile günstig zu erstehen gibt, hast Du hier einen tollen Service. Bevor die erworbenen Waren ihren Käufer erreichen, wird die Qualität und Echtheit von Experten geprüft, so dass es im Nachhinein keine Enttäuschungen gibt. Du hast auch noch ein Designer-Stück zu Hause rumstehen, das du nicht mehr sehen kannst? Dann ab damit zu Vestiaire und eine andere Fashionista glücklich machen. Hier kann nämlich nicht nur gekauft, sondern auch verkauft werden. Ach ja, die Versandkosten übernimmt das Portal auch noch für Dich. Die verstehen eben, was Fashion Victims wirklich glücklich macht! Gesehen bei: www.vestiairecollective.com

Œ La Palöma Ist: etwas ganz Besonderes Kann: als Inspirationsquelle dienen Kostet: 15 Euro Auch keine Lust einen Fuß vor die Tür zu setzen bei dem Wetter? Wir schlagen eine ästhetische Entdeckungsreise durchs neue Œ -Magazine vor, bleiben einfach im Bett und greifen dabei immer wieder träge in die Schüssel mit den Süßigkeiten. Œ Magazin versteht sich als Plattform für aufstrebende Kreative und konzentriert sich auf den visuellen Dialog zum Thema Mode durch aussagekräftige Bilder. In abwechslungsreichen Inszenierungen werden auch in dem neuen Heft die Kollektionen von zahlreichen in Deutschland arbeitenden Designern vorgestellt, gesehen durch die Linse aufstrebender Stylisten und Fotografen. Hochwertige Papierarten und ein bunt zusammengenähter Heftrücken vollenden das Werk, das man nach der Lektüre getrost bis zum Erscheinen der nächsten Ausgabe auf dem Kaffeetisch lassen kann. Gesehen bei: www.oe-magazine.de


Mitte Streets  11

olyMpiareiF ist: Alter Hollywood-Glamour to go Kann: schöne Beine machen Kostet: 436 Euro Die Designerin hinter dem Schuhlabel „Charlotte Olympia“ ist niemand geringeres als die Schwester von Kultmodel Alice Dellal, die vor allen anderen mit halbrasiertem Schädel auf sich aufmerksam machte und etwa die Kampagnen von Chanel oder Marc Jacobs zierte. Ihre Schwester Charlotte hat es geschafft, nach ihrem Studium am Cordwainers College in London, wo unter anderem auch Jimmy Choo das Handwerk des Schuhdesigns erlernte, aus dem Schatten ihrer It-Girl-Schwester zu treten. Mittlerweile zählt Charlotte Olympia zu den beliebtesten Schuhlabels der Stars. Das Lieblingsmodel der Stars sind diese Saison die Hollywood Wedges aus buntem Velourleder. Die Plateau-Sandalen mit 15 cm hohen Absätzen sind (trotz 50prozentigem Preisnachlass) zwar noch ziemlich hochpreisig, aber unseren Verstand und den Gedanken an unser Bankkonto blenden wir beim Anblick der sexy Treter aus. Kombinieren sollte man den It-Schuh zu kurzen, edlen Röcken oder Kleidern. Denn mit diesem Absatz darf wirklich niemand seine Beine verstecken. Gesehen bei: www.net-a-porter.com

der NaMe ist prograMM ist: was Tolles für wenig Geld Kann: dir die nächste Erkältung ersparen Kostet: 15 Pfund Da es noch gut ein halbes Jahr dauern dürfte, bis die unbehagliche Dunkelheit und sibirische Kälte wieder überstanden sind, sollte man sich ernsthaft mal darüber Gedanken machen, wie man warm und trotzdem gut gekleidet durch den endlosen Winter kommt. Wer diese Saison seinen Hals wärmen will, der bedient sich entweder an überdimensionalen Schals, wie es Saint Laurent oder auch Isabel Marant für H & M vorgemacht haben, oder aber er bedient sich an Modellen mit knalligen Prints und Aufschriften um dem müden Grau der Großstadt zu trotzen. Besonders gut geht das mit dem Wu-Tang Schal für den urbanen Nostalgiker. Die wohl beste (textile) Zweitverwertung für „Protect Ya Neck“ – dem Songtitel des ersten Wu-Tang Stücks aus dem Jahr 1993. Der limitierte Nackenwärmer ist für faire 15 Pfund via Deer Brains erhältlich. Gesehen bei: shop.deerbrains.com

das auge isst Mit ist: herrlich komisch Kann: von gegessen oder aufgehängt werden Kostet: ab 30 Euro Geschirr ist langweilig? Dann schaut euch mal das an: Von Artefacto gibts Teller, Untersetzer und Tassen im Nerd-Style. Ob unser Lieblings-Gremlin Gizmo, Chewbacca oder E.T., sie alle erweisen sich umgeben von kitschigen Mustern und Blumenranken auf dem Geschirr der Designer „Franco“ und „Santi“ die Ehre. Mal was anderes als der ganze Blümchen-Kram. Ob’s unbedingt nötig ist, müsst ihr selbst entscheiden – aber als nette Geschenk-Idee gehen die Teller-Sets auf jeden Fall durch! Wir wünschen guten Appetit! Gesehen bei: www.artefacto.bigcartel.com


bei Fiona Bennett


Glückstag  13

Joyce Muniz Text Björn Lüdtke  Fotos Sibilla Calzolari

Joyce Muniz ist Sängerin, DJ und Produzentin. Sie ist in São Paulo geboren, mit zwölf Jahren nach Wien gekommen und wenn sie in Berlin ist, wohnt sie in Schöneberg. Wir sind mit der Musikerin durch ihren Kiez von der Potze bis in die Goltzstraße gebummelt.

Eigentlich wollen wir den Glückstag im Coffee Shop an der Ecke Potsdamer und Pohlstraße beginnen, weil Joyce dort immer ihre Croissants fürs Frühstück holt. In Berlin gäbe es eigentlich keine guten, aber hier schon. Auf dem Weg dorthin kommen wir am P103 vorbei, einem Café, das erst vor ein paar Wochen aufgemacht haben muss, Joyce kennt es noch nicht. Das P103 würde man eigentlich eher in Kreuzkölln erwarten: roher Stuck, freiliegende Rohrleitungen und abgewetzte Oma-Möbel aus Wohnungsauflösungen. Dass die Gegend um die Potsdamer Straße hip wird, wissen wir spätestens, seit Andreas Murkudis seinen Klamotten-Laden aus der Münzstraße hierher verlegt hat. Joyce bezeichnet das Café als „fresh“ (eines ihrer Lieblingsadjektive). Wir ändern also unseren Plan und fangen hier unseren Glückstag mit einem Espresso Macchiato an und kommen dabei ins Plaudern. Joyce Muniz ist Sängerin, DJ und Produzentin und beim Berliner Label Exploited unter Vertrag. Ihre Musikrichtung? „Ich würde schon sagen, dass ich Deep House mache, zumindest für jemanden, der sich nicht mit Musik auskennt. Aber wenn man

einen klassischen Deep House-Track hört und einen von mir, da hört man dann schon, ah, okay, das ist Joyce. Ich versuche immer, etwas zu machen, das es noch nicht gibt. Ich höre oft von anderen, ‚Du machst zwar Deep House, aber irgendwie anders. Das ist nicht wirklich das, was die Deutschen machen, auch nicht das, was die Engländer machen.‘ Das höre ich natürlich gerne.“ Nach unserem Kaffee laufen wir die Potsdamer Straße Richtung U-Bahnhof Bülowstraße runter und entdecken den Tattoo-Laden Tatao Obscur, in dem auch Vintage-Kimonos aus Japan verkauft werden. Joyce probiert einen aus dem Jahr 1940 an – und verliebt sich in ihn. Das geht bei ihr schnell, denn sie verliebt sich nebenan auch in Harb, den libanesischen Laden, der Shishas und Lebensmittel, vor allem landestypische Gewürze verkauft und bei Fiona Bennett wirft sie ein Auge auf die Hüte. Zu Beginn ihrer Karriere als Musikerin hat sie vor allem als Sängerin gearbeitet und inzwischen beschäftigt sie sich eher mit dem Produzieren. Eines der letzten Alben, das sie produziert hat, war das aktuelle von

Club-Legende Louie Austen. „Ich glaube, ich bin in die Musik geboren. Meine Mama ist bei ihrem Großonkel in Brasilien aufgewachsen und der hatte eine Samba-Schule. Musik war immer um mich herum, meine Mama ist auch sehr musikalisch, hatte eine Zeit lang eine Tanzgruppe für lateinamerikanische Tänze und ich glaube, dass ich Musik einfach in meinem Blut habe.“ Beherrscht sie die ganzen Tänze auch? „Klar. Ich gehe ab und zu gerne auch mal außerhalb von meinen ganzen Club-Partys feiern. Manchmal lande ich in einem Latino-Lokal und shake dann dort voll zu Salsa ab. Ich tanze sehr gerne. Es gibt eine nicht sehr große, aber starke brasilianische Community in Berlin. Es ist sehr schön, ab und zu auch mal Musik aus der Heimat zu hören. Die ist in den Läden hier zwar meist sehr kitschig, ich würde sie in Brasilien nicht unbedingt hören, aber hier ist das dann irgendwie geil.“ Wir biegen auf die Bülowstraße in Richtung Nollendorfplatz und gehen ins Freie Museum Berlin. Joyce sammelt Kunst: „Modern, jung, Street Art. Ich beschränke mich aber darauf, nur alle sechs Monate welche zu kaufen, sonst wäre ich noch är-


14   Glückstag

mer.“ In der Galerie wird sie kurzerhand selbst zur Skulptur. Denn der Galerist setzt sie auf einen Sattel, der als Installation an der Wand hängt. „Amazing“, jauchzt Joyce (ihr anderes Lieblingsadjektiv). Die Künstlerin ist in São Paulo geboren und mit zwölf Jahren mit ihrer Mutter nach Wien gezogen. Seit ein paar Jahren teilt sie ihr Leben hauptsächlich zwischen Wien und Berlin auf, in Brasilien verbringt

kann ich entspannt arbeiten. Ich stehe auf, gehe in meinen Lieblingsfrühstücksladen und dann sperre ich mich in meinem Studio ein. Da gibt es keine Ablenkung, niemanden in der Stadt, der mich anruft und fragt, ob wir ausgehen wollen. Dann komme ich nach Berlin und lande mitten in einem kreativen Chaos, da passiert ganz viel und das finde ich cool. Hier ist immer was zu tun oder zu sehen, ich

ben eher einen schwarzen Humor, den ich sehr mag. Dann treffe ich meine Omi dort und ich komme dazu, meine Muttersprache mal wieder zu sprechen. Dort lade ich meine Energie wieder auf, mit viel Wärme. Meiner Mutter war es immer sehr wichtig, dass wir Portugiesisch nicht verlernen, auch, damit wir uns mit unserer Oma und dem Rest der Familie verständigen können.“ Im Plattenladen Mr. Dead & Mrs. Free findet Joyce die Musik zum Film „Searching For Sugar Man“, in dem es um die Suche zweier südafrikanischer Musikfans nach dem amerikanischen Musiker Sixto Rodriguez geht und der Joyce sehr gefallen hat. „Trotzdem ich viel mit Mp3 arbeite, liebe ich Vinyl. Ich habe 4000 Platten zuhause.“

Nollendorfplatz

Wir kommen noch einmal auf die kulturellen Unterschiede zwischen Brasilien und Europa zu sprechen. Ich erzähle Joyce die Geschichte von dem netten kleinen brasilianischen Lokal, dass es bis vor ein paar Jahren in Mitte gab, an der Ecke Linienund Kleine Hamburgerstraße (heute ist dort das Restaurant mit dem Namen „Lokal“). Der brasilianische Besitzer kam mit den Nachbarn nicht klar – oder besser: sie nicht mit ihm. Er meinte, Brasilianer feierten gerne, stehen im Sommer auch schonmal draußen, trinken und reden bis in die Nacht. Die Nachbarn hätten sich aber dauernd beschwert. Schlussendlich ist er zurück nach Brasilien gegangen, weil er mit der Mentalität nicht klar kam und keinen Bock mehr auf das Ordnungsamt hatte (womit uns eines der wohl besten brasilianischen Restaurants flöten gegangen ist). Wie hat Joyce die kulturellen Unterschiede erlebt, als sie nach Europa kam?

Vinyl bei Mr. Dead & Mrs. Free

sie aber nach wie vor viel Zeit und legt dort auch auf. Die Muniz pickt sich sozusagen die Rosinen raus: das Beste aus drei Welten.

treffe hier ständig Leute. Hier lasse ich mich inspirieren und in Wien verarbeite ich das dann alles.

„Ich bin zu 50 Prozent zwar schon europäisch erzogen, aber ich kann mich erinnern, dass wir oft Zoff mit den Nachbarn bekommen haben. An Weihnachten zum Beispiel ist es in Brasilien bis Mitternacht alles recht ruhig, aber dann geht die Party los.“ Oh weh, da ist der Ärger ja vorprogrammiert.

„An Wien mag ich die Lebensqualität und die Ruhe, ich habe da auch mein Studio. Da

Und Brasilien ist halt einfach schön, da liegen meine Roots. Wir Brasilianer ha-

„Zu uns kam oft die Polizei. Meine Mama liebt es aber, zu feiern, zu jedem kleinen


Glückstag  15

Café P103

bei Fiona Bennett

Hüte von Fiona Bennett

Joyce Muniz im Café P103

Libanesische Köstlichkeiten bei Harb

Joyce hängt ab: Freies Museum Berlin

Vintage-Kimonos bei Tatau Obscur


16   Glückstag

Anlass macht sie eine Party. Unsere Wohnung hatte dünne Wände. Sie sagte: ‚Dann laden wir eben alle ein, dann sind alle auf der gleichen Party und niemand streitet sich.‘ Das ist unsere brasilianische Lösung.“

vor 15 Jahren nicht: stylish, gute Anlage, gutes Lineup.

Potsdamer Straße 93

Der Besitzer ist ein lieber Freund von mir. Ich spiele dort

tatauobscur.de

auch immer gerne.“

Harb

www.d-edge.com.br

Lebensmittel Potsdamer Straße 93

Wien: Grelle Forelle

Wir würden gerne etwas essen und laufen zum lateinamerikanischen Restaurant Sudaka in der Goltzstraße. Eigentlich wolle Joyce kein Fleisch mehr essen, aber hier würde sie eine Ausnahme machen, das Fleisch hier sei der Hammer. Leider macht es erst am Abend auf und so verabschieden wir uns. Ein paar Tage später gehe ich mit Freunden ins Sudaka und tatsächlich, ich habe selten so gutes Fleisch gegessen. Mein Tipp: eines der Ceviche als Vorspeise und danach Picanha, den gegrillten Tafelspitz. Jetzt bleibt uns nur noch zu hoffen, dass das Sudaka nicht das gleiche Schicksal ereilt wie sein früherer Kollege in Mitte. Joyce’s Clubtipps:

„Gutes Publikum, gute Lineups, gute Anlage, gute Vibes.

Fiona Bennett

Ich lege da auch auf.“

Hüte

www.grelleforelle.com

Potsdamer Straße 81 fionabennett.com

Berlin: Panorama Bar „Irgendwie ist mir der Laden ein Rätsel – wie die das da

Freies Museum Berlin

hinkriegen. Dass ein Laden an drei Tagen immer ‚pa-

Bülowstraße 90

cked‘ sein kann, mit einem total gemischten Publikum.

freies-museum.com

Und immer ein Wahnsinns-Lineup. Meine Lieblingszeit dort ist der Sonntagnachmittag. Irgendwann werde ich

Mr. Dead & Mrs. Free

da auch mal spielen.“

Platten

berghain.de

Bülowstraße 5 deadandfree.com

Unsere Stationen am Glückstag: P103

Sudaka

Café

Südamerikanisches Restaurant

Potsdamer Straße 103

Goltzstraße 36

São Paulo: D.Edge

sudaka.de

„Das ist der Club, der die elektronische Musikszene in

Tatau Obscur

Brasilien verändert hat. Solche Clubs gab es dort bis

Tattoo Art Gallery und Vintage-Kimonos


Advertorial  17

FacetteNreich – kiliaN kerNer & staatl. FachiNgeN Getreu dem Motto „Never change a winning team“ setzen die PremiumMineralwassermarke Staatl. Fachingen und KILIAN KERNER ihre Partnerschaft auch im Jahr 2014 fort. Vor allem das richtige Gespür für guten Stil und die Leidenschaft für Design stehen bei beiden Partnern im Mittelpunkt des Geschehens. Staatl. Fachingen und KILIAN KERNER freuen sich über die erneute Zusammenarbeit: „Die Marke KILIAN KERNER steht für Design, Eleganz und zeitlosen Stil. Genau das, was auch Staatl. Fachingen verkörpert. Für 2014 haben wir spannende Projekte zusammen mit Kilian geplant“, so Heiner Wolters, Marketingleitung von Staatl. Fachingen. Kilian Kerner, der vergangenen Winter bereits seine zehnte Laufstegshow feierte, setzt 2014 auf die Kombination von Gegensätzen. Cleane, elegante Schnitte treffen auf sportliche Silhouetten und bilden eine moderne und zugleich zeitlose, auf das Wesentliche reduzierte Kollektion. KILIAN KERNER zeigt seine neue Herbst / Winter 2014 Kollektion „When you know your little prince“ am 14. Januar 2014 im offiziellen Zelt der Mercedes-Benz Fashion Week in Berlin.

Foto-Credit: Marius Uhlig


18   Augenschmaus

Urbaner Spass-Folklorismus Text Sophia Hoffmann  Foto Stini Mimissonsdottir

David Kurt Karl Roth’s Kleidungsstil würden fade Menschen schnell als exzentrisch / verrückt einordnen, das juckt die eine Hälfte des Männer-Fashion-Blogger-Duos Dandy Diary aber nur peripher. Sich von den drögen, in casual vor sich hin wallende Jung-Designer-Gewänder gehüllten Front-RowSchnarchnasen abzuheben, ist das manifestierte Erfolgsrezept der Dandys. Ob als 90ies-Boyband-Klone mit dazugehörigen Musikvideos, als Produzenten des weltweit ersten FashionPornos oder herrschaftlich auf einem echten Elefanten zur

eigenen Party einreitend (oder daneben her schreitend, was nicht weniger glamourös ausfällt) – Grenzüberschreitung gehört zum Programm. Auch wenn David beteuert beim Gang zum Späti schlicht auf einen klassischen Proll-Look in Lonsdale Jogginghosen und weißem Unterhemd zurückzugreifen und auch sonst nur fünf bis zehn Minuten in sein Styling zu investieren, spiegelt allein die Antwort auf die Frage, welche Frucht er wohl wäre, seine charmante Extravaganz: „Ich denke, ich würde eine gute Kaki abgeben.“

Die Wideleg-Pants

Die russische Mütze

und der Pullover sind

stammt von einem

von Weekday.

Flohmarkt aus Tel Aviv, aufgrund der dort vorherrschenden

Die Weste ist von Topman.

Temperaturen wohl ein eher rarer Fund. David shoppt überall wo es ihn

Als Rock dient ein

hin verschlägt.

indisches Tuch mit Buddha-Motiv, das David in einem

Die auffällige Kette

Pariser Vintage-

ist sein absolutes

Shop erstanden hat.

Lieblingsstück in

Bleibt nur zu hoffen,

Moment. Sie stammt

dass extremistische

aus Korea. „Während

Buddhisten (gibt es so

meiner Seoul Reise sah

etwas überhaupt?) es

ich immer wieder Opas

nicht als Blasphemie

mit derartigen Ketten.

empfinden, dass die

Irgendwann fragte ich

Gottheit schmeichelnd

einen von ihnen, wo ich

den Schambereich des

besagte Kette kaufen

Protagonisten umspielt.

könne. Nach ein paar Übersetzungsproblemen bekam ich die Antwort

David trägt klassische, flache Doc Martens, die

und somit meine neue Lieblingskette.“

seit einer Weile im Zuge des allgegenwärtigen 1990er Jahre Grunge Revivals wieder ein Comeback erleben und sich zum absoluten Klassiker etabliert haben.

www.dandydiary.de


Augen zu und Mund auf  19

happa happa! Fake it real good Text Sophia Hoffmann  Fotos Tina Linster, Sophia Hoffmann

Falsche Tomatensuppe mit explodierten Kapern (für 2 Personen) ½ Hokkaido Kürbis

3 EL eingelegte Kapern

1 mittelgroße Rote Bete

Pflanzenöl (Sonnenblumenöl oder

3 mittelgroße Karotten

Rapsöl)

1 Knoblauchzehe

evtl. 2 EL (Reis-)Sahne zur Dekoration

2–3 EL Miso-Paste (z.B. von Arche)

Salz, Pfeffer

Schon wieder Suppe? Da war doch erst im letzten Heft etwas mit Lila-Laune? Meine Damen und Herren, ich finde Suppen sollte man im Winter täglich essen und um die Auswahl möglichst abwechslungsreich zu gestalten: Wie wäre es mal mit einen Rezept, mit dem man seine Lieben so richtig schön verkackeiern kann? Ich präsentiere: Die gefälschte Tomatensuppe. Möhren, Rote Bete und Kürbis in richtiger Kombination sorgen für ein täuschend echtes Farbergebnis, schmecken aber vollkommen anders – dank der Verwendung von leckerer Miso-Paste kräftig-würzig-wärmend. Die Kapern werden frittiert, was sie zum „erblühen“ bringt, für zart-knusprige FrühlingsReminiszenzen im tiefsten Winter. Miso ist ein tolles Grundnahrungsmittel. Die traditionelle japanische Würzpaste aus vergorenen Sojabohnen (auch vegan ohne Fischsoße erhältlich) ist sehr eiweiß- und vitaminreich und kann wie Gemüsebrühe-Pulver verwendet werden.

Zubereitung:

Möhren und Rote Bete schälen, Kürbis halbieren, Kerne entfernen und alles in kleine Würfel schneiden (Handschuhe!). Knoblauch schälen und grob hacken. In einem mittelgroßen Topf etwas Öl erhitzen und das Gemüse mit der Miso-Paste zwei bis drei Minuten anschwitzen. Mit Wasser auffüllen bis alles leicht bedeckt ist. Etwa 20 Minuten köcheln lassen, bis auch die Bete weich sind. Pürieren. Die Kapern mit Küchenkrepp trocken tupfen, in einer Pfanner großzügig Öl erhitzen, wenn es heiß ist, die Kapern etwa zwei

Minuten darin frittieren, bis sie aufplatzen und wie kleine Blüten aussehen. Auf Küchenkrepp abtropfen. Suppe abschmecken, mit Sahnespuren verfeinern und mit Kapern garnieren. Fröhlich auf den Tisch stellen und verkünden: „Heute gibt es Tomatensuppe!“ Hinsetzen und die Reaktionen genießen. Guten Appetit! Noch mehr Happa Happa gibts unter www.oh-sophia.net!


20   Kieztalk

Stil? Welcher Stil? Text Kathrin Gemein  Illustration Sandra Stäbler  Translation p. 41

Nun startet ja die Fashion Week – und die einschlägigen Berliner Kieze werden wieder übervölkert sein mit (inter)nationalen Gästen, die sich professionell mit ihrem äußeren Erscheinungsbild beschäftigen. Und ich habe überlegt, wie ich dazwischen wohl wahrgenommen werden würde. Um Antworten darauf zu erhalten, die über meine persönlichen, nicht gerade kenntnisreichen Spekulationen hinaus gehen, habe ich mich zu einem Stilberatungs-Termin angemeldet. Und so die pure, unverfälschte Wahrheit zu mir und meinem Erscheinungsbild zu erfahren. Um mal kurz vorweg zu greifen: Ja, ich habe sie gehört, in aller Härte. Doch alles der Reihenfolge nach.

Ich bin ja nicht so der Styling-Typ. Versteht mich nicht falsch: Mir ist schon wichtig, dass ich nicht aussehe wie ein Waldschrat. Und ich achte auch ein wenig darauf, dass die Kleidungsstücke, die ich trage, relativ zeitgemäß sind. Aber meine tägliche Morgenhygiene beschränkt sich dann doch eher auf Dusche, Haarewaschen, Gesichtscreme, Wimperntusche. Dann ab in meine Klamotten, die eigentlich alle aus Mangel an besonderer Varianz zusammenpassen, und ab dafür. Das liegt nicht daran, dass ich es nicht schön finde, wenn sich Menschen um mich herum Mühe geben – im Gegenteil: Mir fallen besondere Kleidungsstücke,

neue Haarschnitte und schöne Farbkombinationen grundsätzlich positiv auf und ich freue mich auch darüber. Nur hab ich halt für mich selber keinen Bezug dazu. Das Studio der Stilberatungsfirma „Elite Style“, in dem ich mich mit der Imageberaterin Valeriya Licht verabredet habe, liegt in Schöneberg auf der Kalckreutherstraße. Frau Licht empfängt mich an der Rezeption und führt mich in einen halb verspiegelten Raum, in dem ich auf einem Drehhocker Platz nehme. Als erstes fallen mir an Lichts sehr gepflegten Äußeren die akkurat gefeilten und lackierten Fingernägel auf, bei denen man sich nicht vorstellen kann, dass sie jemals mit etwas anderem

als Wattebäuschen in Berührung gekommen sind. Am liebsten möchte ich mich auf meine Hände mit den ratzekurz geschnittenen Nägeln setzen. Aber ich bin ja da, um mich begutachten zu lassen – also nur Mut. Oder so. Zuletzt habe ich in einem für mich besonders wagemutigen Moment die Idee gehabt, meine eher unspektakuläre Haarfarbe mit einem Goldton aufzupeppen. Mit einer Drei-Euro-Drogerie-Färbung versteht sich. Das Resultat ist mir nicht aufgefallen, meinen Freunden nicht und ich hab mir danach keine weiteren Gedanken gemacht. Doch Frau Lichts Blick bleibt nichts verborgen: „Sie haben eigentlich Straßen-


Kieztalk

köterblond. Doch haben sie zurzeit eine Haarfärbung. Die passt aber nicht zu Ihnen.“ Warum nicht? Ganz einfach: Wie ich lerne, gibt bei weißer Hautfarbe Gesichter mit eher bläulichen und solche mit eher gelblichen Pigmenten. Ich bin eher der, sagen wir mal, aristokratisch blässliche Typ – und tendiere somit eher zum Blau. Deshalb bin ich farbtechnisch eher auf der kühlen Seite des Lebens unterwegs. Und da meine neue Haarfarbe einen leichten, für das Laienauge kaum erkennbaren Rotstich hat, wirke ich noch blasser als eh schon. Da ich nicht besonders überzeugt drein schaue, beweist mit Frau Licht ihre Einschätzung mit drastischen Mitteln. Zuerst bekomme ich ein weiße Haube über meine Haare gestülpt und ein weißes überdimensionales Lätzchen um, das meine Oberbekleidung verdeckt. Und dann geht Frau Licht in die Vollen: Der Raum, in dem wir sitzen, war zurvor in warmes, umschmeichelndes Tageslicht getaucht. Das Licht, das nun angeschaltet wird, ist pure Niederträchtigkeit. Es gibt doch in Umkleidekabinen bei bestimmten Mode-Discountern dieses ganz fiese Weißlicht, das jede Pore und jede Falte doppelt schlimm erscheinen lässt. Nehmt das mal hoch zehn und versetzt euch in meine Situation. Dieses Bild im Spiegel ließ mich daran zweifeln, wie ich mich überhaupt trauen konnte, mich so in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit blicken zu lassen. Meine von einer vorhergegangenen Erkältung übriggebliebenen Augenringe erhalten quasi einen 3-D-Effekt: In diesem Licht schaut es so aus, als bestünde mein Gesicht aus diesen schwarzen Schatten, die Stirn, Nase, Augen, Mund und den dazugehörigen Rest hinter sich herschleppen. Und insgesamt sehe ich so ungesund aus, dass ich mich selber kaum wiedererkenne. Auch Frau Licht tadelt mich: Jede Frau würde doch gut aussehen wollen. Und ich könne doch gut aussehen. Wenn ich denn etwas für mich tun würde. Aber so? Mit dem Ende eines Augenbrauenstiftes fährt sie meine Brauen nach – und macht mich auf etwas aufmerksam, was mir wirklich nie nie nie aufgefallen wäre. Und zwar sind meine Brauen Richtung Nase recht dicht – und nach außen hin spärlicher bewachsen. „Aber es ist wichtig, hier Kontur

hereinzubringen: Augenbrauen sind der Rahmen des Gesichts!“ Sagt es und malt die fleckigeren Stellen ein wenig aus. Und tatsächlich: Kleiner Aufwand, große Wirkung – meine Augen strahlen mehr und ich sehe direkt frischer aus. Wow. Diesen Handgriff könnte ich tatsächlich in mein Alltagsrepertoire übernehmen.

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kann genau abschätzen, was mir schmeichelt und was nicht. Das einzige Problem an der Sache: Wie eine Farbe wirkt, ist auch davon abhängig, ob die Haube meine Haare verdeckt oder nicht. Meine neue, nicht wirklich passende Färbung verändert die Wirkung und macht es so schwieriger, den richtigen Ton für mich zu finden. Es bleibt also nur eine neue Färbung übrig, wenn ich mich denn farblich ideal ausstatten möchte. Ich erfahre, dass mir zum Beispiel Blau- und Grautöne besonders gut stehen. Da ich an diesem Tag eine graue Jeans und ein blaues Jeanshemd mit einem blauen T-Shirt trage, atme ich leise auf: Ich habe etwas richtig gemacht! Und zwar intuitiv. Doch werde ich ziemlich schnell wieder ernüchtert. Bei meiner Frage, ob denn mein Kleidungsstil zu mir passen würde, fragt Frau Licht: „Soll ich ehrlich sein?“ Ich nicke, schon in leicht geduckter Haltung. „Welcher Stil?“ Es sei ja vollkommen ok, etwas sportlicher zu kleiden. Und meine Sneakers seien auch tragbar. „Aber es wäre auch wichtig, dass Sie ein wenig mehr Eleganz in ihren Kleiderschrank bringen und so ihren Typ ein wenig mehr betonen.“ Mir empfiehlt sie zu meinen Jeans und Sneakers einen sportlichen Blazer mit einer lässigen Bluse und einem farblich korrespondierenden Accessoire. Das klingt machbar. Als ich wieder aus dem Studio stolpere, muss ich mich erst einmal sammeln. Schließlich bekommt man ja nicht alle Tage eine solche geballte Offenheit geboten. Doch komme ich zu dem Punkt: Mein Alltag wird sich nicht verändern. Aber wenn ich denn mal wirklich stilmäßig punkten möchte, dann kaufe ich mir einen Augenbrauenstift, umschmeichel mit einem kühleren Haarfarbton meine bläulichen Farbpigmente und ziehe, wenn ich ganz jeck bin, auch noch einen Sportblazer über. Und dann kann ich selbst auf der Fashion Week herumlaufen – und weiß: Die kochen doch auch alle nur mit Wasser.

Nun greift Frau Licht hinter sich und holt einen Ring, an denen verschiedenfarbige Tücher befestigt sind, hervor und hält mir einzelne Tücher vors Gesicht. Durch die Haube und das Lätzchen stehen so die jeweilige Tuch- und meine Gesichtsfarbe im Einzelkampf einander gegenüber und ich

Elite Style Valeriya Licht Kalckreuthstraße 7 10777 Berlin 030 21 80 93 97 www.elitestyle.de


22   Kunsttipps von EYEOUT

Kunst tipps

von

EyeOut

Text Melissa Frost  Translation Robert Schlicht, p. 41

In dieser Kolumne stellen wir euch jeden Monat eine kleine Auswahl der interessantesten Ausstellungen in Mitte vor. Weitere spannende Tipps findet ihr in der iPhone App EYEOUT Berlin (www.eyeout.com).

Christoph Niemann 23. November 2013 – 18. Januar 2014 Galerie Max Hetzler, Goethestraße 2 / 3, S5, S7, S75 Savignyplatz, Di–Sa 11–18 h +49 30 346 49 78 50, info@maxhetzler.com, www. maxhetzler.com

Christoph Niemann (Ausstellungsansicht) Courtesy Galerie Max Hetzler, Berlin Foto: def image

In einer spielerischen Interpretation der Petersburger Hängung entspinnt der Illustrator, Künstler und Autor Christoph Niemann an den Wänden der Galerie Max Hetzler eine reizvoll absurde Erzählung. Niemanns charakteristischer grafischer Stil oszilliert zwischen dem Einfachen und dem Komplexen und kombiniert eine wiedererkennbare, von Infografiken inspirierte Ästhetik mit geheimnisvollen, metaphorischen Untertönen. Neben anderen Reihen wie etwa Red Eye und Let it Dough – die beide für den Blog der New York Times entstanden – wird Niemanns neueste, speziell für diese Ausstellung geschaffene Arbeit gezeigt. Als Illustration der sehr eigenen Herangehensweise des Künstlers an Alltagsthemen verwandelt Galerie Max Hetzler celebrates 40 years anniversary of VfB Stuttgart den Galeristen, seinen Künstler und seine Lieblingsfußballmannschaft in dramatische Akteure in einer Feier der Kunst und der Poesie des scheinbar Profanen.

Seiichi Furuya 16. November 2013 – 18. Januar 2014 Galerie Thomas Fischer, Potsdamer Straße 77–87, U1 Kurfürstenstraße, Di–Sa 11–18 h +49 30 74 78 03 85, mail@galeriethomasfischer.de, www.galeriethomasfischer.de

Seiichi Furuya – I prefer to be on this side (Ausstellungsansicht) Courtesy Galerie Thomas Fischer, Berlin

Das Private und das Politische sind stets miteinander verwoben. In seiner zweiten Ausstellung in der Galerie Thomas Fischer beschäftigt sich der japanische, in Graz lebende Fotograf Seiichi Furuya mit dieser inhärenten Spannung. Mit Verweis auf die Position des Fotografen verwandelt I prefer to be on this side das Objektiv des Künstlers in ein sensibles Mikroskop, um nicht nur dieses höchst empfindliche Gleichgewicht zu untersuchen, sondern auch dessen ständige Veränderlichkeit. Neben Fotografien der Partnerin des Künstlers, die über einen Zeitraum von sieben Jahren entstanden sind, hat Furuya eine Reihe aus den frühen 1980er Jahren installiert, die von der österreichischen Grenze aus Blicke auf die ehemaligen Staaten des Ostblocks wirft. Mit unvergleichlicher Intimität entfaltet sich Furuyas Narrativ als überwältigende Metapher für die Ströme zwischen dem Selbst und dessen Umwelt, sei es die geografische, die politische oder die unserer privatesten Beziehungen.

Franz Erhard Walther 30. November 2013 – 13. Februar 2014 KOW, Brunnenstraße 9, 10119 Berlin, U8 Rosenthaler Platz, Mi–So 12–18 h +49 30 31 16 67 70, gallery@kow-berlin.com, www.kow-berlin.com

Franz Erhard Walther – Körperformen (Ausstellungsansicht) Courtesy KOW, Berlin Foto: Alexander Koch

In seiner über fünfzigjährigen Beschäftigung mit der Kunst, dem Raum wie dem menschlichen Körper ist Franz Erhard Walther ein Wegbereiter, dessen Einfluss sein Medium neu definiert hat. Walthers aktuelle Ausstellung bei KOW arbeitet mit der Architektur des Galerieraums, um den außerordentlichen Beitrag des partizipatorischen Minimalisten zum Feld der Skulptur zu beleuchten. Mit ihrem Schwerpunkt auf das spätere Œuvre des Künstlers stellt sie die bunte Reihe der Körperformen in ein anthropomorphes Wechselspiel mit den 24 Gelben Säulen, einer Reihe aus dem Jahr 1982, die hier zum ersten Mal ausgestellt wird. Der Kontrast zu den Innenräumen der Galerie ist augenfällig und keineswegs zufällig. Vor diesem Hintergrund gleichen sich Walthers Formen dem Körper sogar noch stärker an und entwickeln sich zu Bausteinen für ein spielerisches Gleichgewicht zwischen dem Zeitlosen und dem Unzeitgemäßen.


Kulturgut  23

Illustrator des monats: Sebastian Blinde

Zeichnen! Gezeichnet habe ich immer. Als Kind waren es meist Insekten. Schmetterlinge und Käfer. Manchmal auch große, haarige Spinnen. In meinen Bildern griffen diese, oft riesenhaft vergrößert, getuschte Stadtlandschaften an. Einige spien sogar Feuer oder warfen entwurzelte Bäume auf in Panik flüchtende Menschenmengen. Was mich dabei begeisterte, neben der morbiden Faszination für Chaos, die wohl jedes Kind in sich trägt, war die Möglichkeit, ganze Welten zu erschaffen. Ein weißes Blatt und ein paar Stifte und es konnte losgehen. Diesen Aspekt meiner Arbeit liebe ich heute noch immer sehr. Man trägt vage Bilder in sich und übersetzt sie dann in Illustrationen. Man baut eine Welt. Mit der Zeit entwickelt sich auch ein ganzes Arsenal an Motiven, Elemente die auf unterschiedlichsten Bildern immer wieder auftauchen: Kornblumen, Nachtfalter, Luftballons, Wimpel … Texturen wie Fell, Federn und Schuppen. Vertrautes kombiniert mit Fremdem. Manchmal reicht ein Satz, den man irgendwo aufschnappt und der sich dann im Unterbewusstsein verankert und einen dauerhaft beschäftigt. „Relax, It’s Only A Ghost“ Der Song von „Phantom Ghost“ lief in einer Endlosschleife: Am Rechner, im Kopf … zuhause, in der Bahn oder auf dem Fahrrad … „Relax, It’s Only A Ghost“. Friedliche Geister, zen-mäßig schwebend, getuscht und leicht transparent vor weißem Hintergrund, die immer gleiche, vertraute Form des Geistes als Basis für eine Serie von Illustrationen: „Gosts In Veils …“. Geister mit Schleiern, Geister aus Feder, Geister mit Blütenköpfen und Masken verbunden durch eine gemeinsame Silhouette und, ähnlich wie bei Action- Figuren von Superhelden, durch die jeweils zugeordneten Attribute individualisiert.

Du bist Illustrator und möchtest mit deinem Artwork das nächste heraustrennbare MITTESCHÖN-Poster zieren? Dann schick uns deine Bilder und Entwürfe an: info@mitteschoen.com.

Die Serie von Zeichnungen ist noch nicht abgeschlossen. Am Ende sollen es 50 Illustrationen werden. Eine Ausstellung und ein Bildband folgen. Auf meiner Website finden sich weitere Bilder aus der Serie unter „Ghosts In Veils“ und „You Will Remember Me …!“. Einige der Geister sind bereits bei „theCORNER Magazine“ und „Eselsohr“ veröffentlicht worden und als Shirts im Digitaldruck bei mir bestellbar. www.sebastian-blinde.com info@sebastian-blinde.com Foto: Caroline Wimmer, www.streiflicht-fotografie.de




26   Kieztalk

GUTE LAUNE UND BUNTE KLAMOTTEN Text Kathrin Gemein  Fotos Jens Herrndorff

18 Monate hatten Fettes Brot Bandpause und waren somit erst einmal von der Bildfläche verschwunden. In dieser Zeit haben Doktor Renz (Martin Vandreier), König Boris (Boris Lauterbach) und Björn Beton (Björn Warns) aber glücklicherweise gemerkt, dass sie nach all den gemeinsamen Jahren wirklich nicht ohne einander können – und sind nun mit ihrem siebten Album „3 is ne Party” wieder da. Im Interview erzählen die Hamburger Musiker, was ihnen Mode bedeutet, wie sich ihr Stil im Laufe der Zeit verändert hat und die drei sich sogar ein wenig aneinander angeglichen haben.


Kieztalk  27

Martin, Boris und Björn – wieviel Wert legt ihr grundsätzlich auf Mode? Martin: Ich glaube, dass keiner von uns im klassischen Sinne ein Fashion-Victim ist, das sich auf Modeschauen herumtreibt und dort immer ganz weit vorne steht und sich ablichten lässt, weil das so ein wichtiges Lebensthema geworden ist. Nichtsdestotrotz ziehen wir uns natürlich alle gerne Sachen an, die wir selber gut finden. Wir sind beispielsweise mit einer Berliner Designerin gut befreundet. Anne Schmul heißt die – und sie macht ganz tolle Hosen. Boris: Mode interessiert uns halt auch als Teil der Popkultur. Schließlich gehört Mode ja als Aushängeschild, als Erkennungsmerkmal und Code zum Pop und zur Jugendkultur. Dieses Thema ist wirklich spannend – wie zum Beispiel Skinhead- oder ModMode oder Punk. Und es macht Spaß, sich damit auseinanderzusetzen.

Björn: Heute morgen habe ich noch drüber nachgedacht, als ich meine gelbe Jacke nur an der Tür wieder ausgezogen habe, weil die für die Bahn doch zu warm war: Die schwarzen Zeiten sind vorbei. Also jetzt für mich persönlich. Eine Zeit lang habe ich viel schwarz getragen, weil ich gedacht habe, dass ich dann erwachsen, seriös und besonders intellektuell wirken würde. Das ist natürlich totaler Bullshit. Nun habe ich mir überlegt: Ich kann jetzt auch meine gute Laune durch bunte Klamotten zum Ausdruck bringen. Das habe ich mir zumindest vorgenommen! Martin: Ich finde es generell total super, wenn man die Gelegenheit nutzt, sich auch modisch immer wieder neu zu erfinden. Ich will jetzt gar nicht für mich beanspruchen, dass ich das besonders oft getan hätte. Aber die Idee, dass man nicht sein gesamtes Leben zur selben Gang gehören muss, ist gut. Ich finde es spannend, wenn Leute in ihrem Leben verschiedene modische Phasen haben – das imponiert mir.

Martin: Meiner Meinung nach zählt auch nicht nur unser persönlicher Geschmack – uns ist als Band auch die Inszenierung wichtig. Eben die Frage, wie wir im Video und auf der Bühne aussehen. Uns ist diese Wirkung auch etwas Wert, da denken wir gemeinsam drüber nach. Schließlich macht es auch Spaß, sich selber in Szene zu setzen. Wie unterscheidet sich denn euer Modeverhalten in den drei Lebensbereichen Bühne, Alltag und Party? Boris: An unser Bühnenoutfit gehen wir schon planerisch dran; da überlegen wir eben tatsächlich, ob wir uns aufeinander abstimmen oder irgendwelche Kostümierungen tragen. Wenn man auf eine Party geht, will man sich wohlfühlen, weil man ja auch irgendwie angeguckt wird. Natürlich werden wir deutlich mehr angeguckt – und das nicht nur auf Partys, sondern grundsätzlich. Vielleicht denken wir deshalb auch eine Sekunde länger drüber nach, ob man jetzt mit der Jogginghose mit dem Fleck an der ungünstigen Stelle vor die Tür gehen soll oder es vielleicht einfach lässt und sich doch noch einmal etwas anderes anzieht. Björn: In den letzten Jahren unserer Bandgeschichte habe ich sehr sehr oft von mir und anderen gehört, dass wir schon aussehen wie eine Band, die sich abgesprochen hat. Stell Dir mal vor, wir kommen irgendwo auf eine Party und zwei haben beispielsweise schwarze Baseballcaps auf oder rote Hosen oder Oberhemden an. (Boris gluckst vor Lachen: Genauso sind die Drei beim Interview angezogen.) Als hätten wir uns in irgendeiner Art und Weise abgesprochen. Aber nein! Ich glaube es gibt auch etwas, was einen gewissen Fettes-Brot-Geschmack ausmacht. Deshalb denke ich auch, dass wir grundsätzlich – im Detail ist das schon etwas anderes – in allen drei Bereichen einen ähnlichen Style haben. Inwiefern hat sich im Laufe der vergangenen Jahre, nun unabhängig vom Moden, euer Geschmack verändert?

Björn: Dazu kann ich eine schöne Geschichte erzählen: Wir waren irgendwann mal alle zuammen einkaufen. Wir standen so nebeneinander, ich habe mir ein Hemd angeguckt und wollte es gerade wieder zurückhängen – da meinte Martin: „Hey, das ist doch gut!“ Und habe darauf geantwortet: „Aber das bin ich nicht.“ Martin dann: „Aber Du könntest es werden.“ Daraufhin habe ich es mitgenommen.

Fettes Brot treten am 7. Februar in der Columbiahalle auf. Das Konzert ist leider schon ausverkauft. Ihr aktuelles Album „3 is ne Party” ist bei ihrem eigenen Label „Fettes Brot Schallplatten“ erschienen. www.fettesbrot.de


28   Fotostrecke

Candy Cu

Fotograf Louis Vignat Styling Nadine Engel Hair & Make up Ewa Cervena Styling Assistant Chiara Hoffmann Model Jules @ Viva Model Berlin Studio Berlin


Fotostrecke 

hat: himo berlin blouse: julian zigerli knit shorts: miami shoes: reality studio ring: bjørg

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Fotostrecke  31

dress: emilia tikka glasses, bracelet & ear stud: bjørg finger jewellery made by stylist



hat: himo berlin jumpsuit: boessert / schorn gloves: stylists own necklace: heikko.kotha


dress: isabell de hillerin stole: moga e mago brooch: bjørg bracelet: weekday


jacket: moga e mago trowsers: julian zigerli bracelet: stylists own


36   Fundbüro

let it be Text Sophia Hoffmann  Fotos Sophia Hoffmann

Vegane Crêpes am Ende der Weserstraße „Let It Be“ textete Paul McCartney, als er noch ein Viertel der Beatles war. Und auch wenn spitzfindige Pilzkopf-Kenner gerne argumentieren, der Text dieses Welthits sei eher mit „Lass es geschehen“ als mit „Lass es bleiben“ zu übersetzen, ist anzunehmen, dass die Inhaber letztere Übersetzung sowie McCartney’s Engagement für Vegetarismus im Kopf hatten, als es an die Namensfindung ging. Nina und ihren Mann Red verbindet nicht nur die Liebe zueinander, sondern auch die zur Musik. Beide sind Vollblutmusiker und neben ihrem gemeinsamen Projekt UHOH spielt Red auch in der Band des ehemaligen Muff-Potter-Sängers Nagel, während Nina viel als DJ unterwegs ist. Als sie vor ein paar Jahren einen Roadtrip durch Kalifornien machten, entdeckten sie dort den prosperierenden veganen Lifestyle für sich und beschlossen zukünftig nicht nur Schnitzel, sondern auch alle anderen tierischen Produkte vom Speiseplan zu streichen. Von der Idee etwas Eigenes zu machen bis zum ersten Crêpe war es ein steiniger Weg, mit viel Engagement und Muskelkraft verschafften sie dem heruntergekommenen ehemaligen Frisörsalon in der Treptower Straße eine strahlende Generalüberholung. Anfang Januar ist nun endlich Eröffnung. Wir durften bei einem Pretasting bereits die leckeren und großzügig gefüllten Crêpes kosten, die nach vegan lebenden Stars benannt sind. Das deftige Woody Harrelson mit „Schinken-Käse“-Füllung hat uns sehr überzeugt, genauso wie Erykah Badu, gefüllt mit exotischem Kichererbsen-Curry und hausgemachtem Aprikosen-Chutney.

Zusätzlich zu den hauchdünnen süß und salzig gefüllten Pfannkuchen, die auch als glutenfreie Buchweizen-Variante erhältlich sind, wird es einen opulenten Sonntagsbruch sowie Kuchen, Suppen und Salate geben. Preislich sind die Crêpes zwischen 3,90 und 6,90 Euro angesiedelt, bilden aber im Gegensatz zum gefalteten aus-der-Hand-Crêpe eine vollwertige, sättigende Mahlzeit. Für Getränke ist natürlich gesorgt. BierConnaisseur Red erzählt begeistert vom Gerstensaft der bayerischen Privatbrauerei Ayinger, der in Berlin nur ihnen und der Berliner Bereitschaftspolizei geliefert wird. Gut für uns, denn es schmeckt super. Den Kaffee beziehen sie von Fairbindung, einem in Berlin ansässigen Fairtrade-Verein, der mit Bauern aus Guatemala handelt. Im Gespräch wird schnell klar, dass dieses charmante Paar mit viel Liebe und Sorg-

falt ihre Produktpalette ausgewählt hat und auch die Inneneinrichtung hebt sich erfreulich vom sonst üblichen Neuköllner Trödel-Möbel-Schick ab: Eigens angefertigte schlichte Naturholztische und Sitzbänke sowie ein massiv gezimmerter Tresen, der skandinavische Gemütlichkeit verströmt. Etwas abseits vom Laufkundschaft-Hipster-Getümmel des Reuterkiez hat das Let It Be Potential zu einer festen Institution mit Stammkundenbindung zu werden, weil es sich durch etwas auszeichnet was vielen Lokalen im Kiez fehlt: Originalität.

Let It Be Treptower Straße 90 12059 Berlin www.letitbevegan.de


Kulturgut

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Fa-Fa-Fa-FaFashion … Text Bettina Schuler  Translation p. 42

… sang David Bowie bereits 1980 in dem Musikvideo zu seinem gleichnamigen Song.

Und wenn man sich heute den damaligen Clip anschaut, ist man nicht nur über die Parallelen zur heutigen Mode erschrocken, sondern auch über die Ähnlichkeit zu heutigen Fashion-Filmen, die Designer wie Prada, Dior und Lagerfeld drehen lassen, um sie später als virale Werbung zu verbreiten. Denn ähnlich wie Bowies „Fashion“-Clip wird in diesen bis zu dreißigminütigen Filmen gerne mit Weichzeichner und ästhetisch kühlen und überstilisierten Bildern gearbeitet, die teilweise absichtlich ins Ironische abdriften. Und in denen entweder perfekt gestylte Models in bester 80er Jahre Tradition den Hedonismus als Lebenseinstellung preisen oder gut aussehende Paare und Freunde in extravaganter Mode in eine fantastisch-unheimliche Welt abtauchen. Setzte die Mode-Industrie bis vor kurzem noch vor allem auf großflächige Kampagnen und teure Fotoproduktionen, so scheint sich der Fashion-Film als Werbeplattform immer mehr durchzusetzen. Nicht nur, weil man durch die virale Verbreitung viel leichter und billiger für sein Produkt werben kann, sondern auch, weil man hofft, durch die Gewinnung von popkulturellen Bekanntheiten wie Filmemacher Harmony Korine, der für das New Yorker Label Proenza Schouler den Fashion-Film „Act Da Fool“ inszenierte, das Image aufpolieren und verjüngen zu können. Durch die stetig steigende Zahl dieser Filme wird mittlerweile schon über die Entstehung eines eigenen Genres gesprochen, das ähnlich wie die Musikvideos in den 90ern, ein Vorreiter in Sachen audio-visueller Ästhetik werden könnte. Kein Wunder also, dass auch die Fashion Week diesem Phänomen mit dem Berliner Fashion Film Festival ihren Tribut zollt.

oder Spike Jonze, die damals mit ihrem Mix aus neuester Technik und innovativer Narration die Grenze der Werbung sprengten und daraus eine Plattform für eine Generation von jungen, wilden Regisseuren schufen, die bis heute stilistisch die Kinolandschaft prägen? Geht man von den meisten bisherigen Fashion-Filmen aus, so bleibt dies zu bezweifeln, da die Vielzahl der Filme sich in zwei Richtungen einteilen lässt: In diejenige, die mit ihren kühlen und artifiziellen Bilder wie eine Ausweitung einer Foto-Kampagne wirken und im besten Fall ästhetisch an die unheimlichen Traumwelten eines Darren Aronofsky („The Fountain“) erinnern. Und die lustigen, humorvollen, die, wenn sie nicht von Wes Anderson selbst inszeniert wurden, wie ein schlechter Abklatsch von seinen Filmen wirken. Nur wenigen, wie dem deutschen Regisseur Ralf Schmerberg, der einen Film für das Berliner Label Moga e Mago drehte, gelingt es, sich von dieser breiten Masse abzusetzen und in seinen Werbefilmen sowohl Gesellschaftskritik zu üben als auch einen schon fast dokumentarischen Eindruck des Berliner Nachtlebens zu liefern. Wofür er zu Recht auf dem Fashion-Film-Festival 2013 mit dem Preis für die beste Idee ausgezeichnet wurde. Ob der Fashion-Film sich nun aber wirklich zu einem ähnlichen Sprungbrett für Regisseure wie die Musikclips etablieren wird oder ob es im Endeffekt eben doch nur professionell gemachte Werbung bleibt, gilt abzuwarten. Einen ersten Hinweis, in welche Richtung sich das Genre entwickeln kann, wird uns aber sicher schon das nächste Fashion-Film-Festival schon geben. Ihr wollt euch für das Fashion-Film-Festival bewerben? Dann schnell auf die Homepage

Doch sind die Clips wirklich so innovativ und kreativ wie die MusikClips von Regie-Genies wie Michel Gondry, Chris Cunningham

berlinfashionfilmfestival.net gehen und euch in den E-Mail-Verteiler eintragen!



Berliner Gesichter  39

BERLINER GESICHTER Text Bettina Schuler  Foto Tina Linster  Translation p. 43

Dr. Adelheid Rasche, Kunst- und Modehistorikerin sowie Abteilungsleiterin der „Sammlung Modebild – Lipperheidesche Kostümbibliothek“ in Berlin

Ich habe an den Universitäten in Salzburg und in Reims Kunstgeschichte und Romanische Sprachen studiert. Eine vielleicht ungewöhnliche Kombination, die sich im Nachhinein jedoch als eine glückliche Wahl herausgestellt hat, da ich in meinem heutigen Arbeitsalltag Italienisch oder Französisch fast täglich benötige. Eigentlich habe ich mich jedoch auf Grund meiner Affinität zu Italien, die sicher auch der Nähe meiner Heimatstadt Salzburg zu diesem faszinierenden Land geschuldet ist, für die Romanistik entschieden. Reisemanagement, die Organisation von Städtepartnerschaften und Kulturaustausch, so etwas in der Art schwebte mir zu Beginn meines Studiums als späteres Berufsfeld vor. Doch wie das Leben eben so spielt, ist es dann doch ganz anders gekommen. Aus privaten Gründen bin ich vor 27 Jahren nach Berlin gezogen. Ich hatte gerade mein Studium mit Promotion beendet und habe mich damals blind bei den Staatlichen Museen in Berlin beworben. Woraufhin ich auch tatsächlich eine Stelle als Museums-Assistentin bekam, die mich unter anderem an die Lipperheidesche Kostümbibliothek der Kunstbibliothek führte. Dort haben meine damalige Chefin und ich, die kurz davor war in den Ruhestand zugehen, vieles in der Sammlung kennengelernt, neu geordnet und strukturiert. Und als am Ende meines Vertrages die Stelle meiner Vorgesetzten frei wurde, hat sie mir geraten mich darauf zu bewerben. Und so wurde meine erste Bewerbung auch meine letzte. Die „Sammlung Modebild – Lipperheidesche Kostümbibliothek“, die ich seit über zwanzig Jahren leite, besteht nicht etwa aus Kostümen oder Kleidung, wie manche fälschlicherweise annehmen, sondern verfügt über reiche Text- und Bildquellen. Wir besitzen über 45.000 Bücher und Zeitschriften zu allen Bereichen der Kulturgeschichte, dazu kommt eine grafische Sammlung mit vielen Tausend Zeichnungen, Druckgrafiken und Fotografien. Franz von Lipperheide, der im späten 19. Jahrhundert in Berlin Modezeitschriften herausgab und dessen Sammelleidenschaft wir diese Abteilung verdanken, hat die Kleidung als einen wichtigen Ausdruck der Kultur verstanden und demzufolge auch Bild- und Textquellen zu Festen, Sitten und historischen Ereignissen der jeweiligen Zeit erworben. Deshalb zählen neben der klassischen Modeliteratur oder Zeitschriften auch Benimmbücher, Kleiderordnungen oder Karikaturen zu unserer Sammlung.

Für mich persönlich ist Mode nicht nur der äußere Ausdruck einer Persönlichkeit. Sie reflektiert auch immer die jeweiligen Lebensumstände, das politische Klima und die gesellschaftlichen Konventionen. Dabei folgt die Mode einer gewissen Logik, die sich einem anhand der Modehistorie nach und nach erschließt. Ich konnte in den vergangenen Jahrzehnten als Autorin und Kuratorin zahlreiche Bücher und Ausstellungen zu Modethemen der Neuzeit realisieren, die jeweils spannende Aspekte und Wiederentdeckungen bieten. Momentan bin ich gerade dabei, eine Ausstellung und Publikation über Mode und Modegraphik zur Zeit des Ersten Weltkriegs zu planen. Ein Thema, bei dem man auch sehr viel über das gesellschaftliche Verhalten in Krisenzeiten lernt. So wurden die Witwen damals dazu angehalten, nicht allzu lange strenge Trauer zu tragen, weil das die Heimkehrer und Verletzten demoralisieren könnte. Mein persönliches Lieblingsstück ist ein dunkelroter Schal, mit dem ich von September bis April häufig zu sehen bin. Und auch wenn ich diesen roten Schal schon einige mal ausgewechselt und durch einen besseren, wärmeren oder hochwertigeren ersetzt habe, ist es im Grunde genommen immer noch der eine rote Schal, mein Markenzeichen, den ich trage. Was ich mir für die Zukunft wünsche? Einen offenen und neugierigen Blick für historische und zeitgenössische internationale Modekultur, und: von jedem Berliner Designer ein Stück im Schrank zu haben – als Statement für die Freude am Thema! Sammlung Modebild – Lipperheidesche Kostümbibliothek Kunstbibliothek Matthäikirchplatz 6 10785 Berlin Öffnungszeiten Studiensaal: montags von 14 bis 20 Uhr, dienstags bis freitags von 9 bis 16 Uhr Bibliotheksauskunft 030 266 42 41 41 auskunft.kb@smb.spk-berlin.de www.smb.museum www.smb-digital.de www.adelheid-rasche.de


40   Mitte mit Kids

Wir mitte-MuttiS kaufen und verkaufen Kinder-Kleidung 3ext Bettina Schuler  Translation p. 43

Ich hasse den Winter. Nicht nur, weil man sich in Berlin wie ein Pinguin auf einer Eisscholle am Südpol fühlt. Oder weil man ab drei Uhr nachmittags eine Taschenlampe braucht, um nicht auf die Nase zu fliegen. Nein, das Schlimmste am Winter ist mein dauerleeres Konto. Und das ist weder meiner Kaufwut noch Weihnachten geschuldet, sondern einzig und allein dem Wachstum meines Kindes. Denn aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund scheint dieses bei minus zwanzig Grad besser als bei Sonnenschein zu gedeihen. Weshalb ich meiner Tochter im Winter auch mindestens zwei Paar Winterschuhe kaufen muss, wohingegen sie im Sommer locker mit einem Paar Sandalen auskommt. Sind doch nur Kinderschuhe denkt ihr unwissenden Nicht-Eltern jetzt sicher … aber wisst ihr eigentlich wie viel Geld man dafür hinlegen muss? Von dem Geld, das ich bisher schon für Kinderschuhe ausgegeben habe, könnten wir uns einen dreimonatigen Luxus-Urlaub auf den Seychellen leisten. Mit erster Klasse Flug Hin- und Zurück! Doch da ich sicher Ärger mit dem Jugendamt bekomme, wenn ich das Kind bei Minusgraden in ihren roten Ballerinas auf die Straße schicke, muss ich wohl oder übel auch dieses Jahr wieder jede Menge Geld für ein Paar schwarze Stiefel mit pinken Glitzerflocken ausgeben. Oder aber ich pfeife auf die Ratschläge von befreundeten Müttern und Ärzten und kaufe meinem Kind ganz einfach ein Paar Winterschuhe in einem SecondHand-Laden. Doch dafür bedarf es Zeit und Nerven. Beides habe ich gerade nur in Maßen. Doch zum Glück gibt es den OnlineSecond-Hand-Laden kirondo, bei dem man weder an Örtlichkeiten noch Öffnungszeiten gebunden ist und der dank

Internet und einem funktionierenden Rechner jederzeit stressfrei zu erreichen ist. Und da von jedem Kauf 5 Cent an ein karitatives Projekt gehen, könnt ihr beim Shoppen gleich noch etwas für euer gutes Karma tun. Noch viel besser ist jedoch, dass man bei kirondo auch seine eigene Kinderkleidung loswerden kann. Ganz einfach auf die Seite gehen, Tüte bestellen und abschicken! Schon wird euch der entsprechende Betrag auf eurem Konto gut geschrieben. Wesentlich angenehmer als bei Regen mit den Kinderklamotten auf dem Mauerflohmarkt zu stehen. Ebenfalls eine klasse Sache ist die Kinderkleidung von Petit Cochon aus Berlin. Denn die wird nicht nur ökologisch korrekt in Berlin und im Umland hergestellt, sondern wächst auch ganz einfach mit dem Kind mit. Wie das geht? In dem man als Beispiel an der Hose, das großzügige Bündchen herunterschiebt oder sie im nächsten Sommer als kurze Hose trägt.

Kindersitze, Reisebetten oder Buggys kann man sich dort gegen eine geringe Gebühr auch einfach ausleihen und dadurch jede Menge unnötiger Ausgaben sparen. Wir haben es allerdings noch schlauer gemacht und für unser Kind ganz einfach eine ältere Freundin mit großen Füssen und gutem Geschmack gesucht. Von der erbt sie jetzt regelmäßig ihre Schuhe, Hosen und Röcke. Wodurch mein Konto in diesem Jahr auch schon wesentlich besser aussieht als im letzten Jahr. Doch für ein Paar eigene neue Winterschuhe wird es wohl auch dieses Mal nicht reichen. Nicht mal im Second-Hand-Laden.

Petit Cochon Kaiserkorso 1 12101 Berlin www.petit-co.com CharLe info@charle-berlin.de www.charle-berlin.de

Auf ein ganz ähnliches Prinzip setzen auch die Designer Mandy Geddert, die mit ihrer Marke CharLe jeden Astrid Lindgren–Film ausstatten könnten. Denn die Jungen in ihren blauen Pluderhosen und dem blau-weiß gestreiften Hemden lassen einen sofort an Michel aus Lönneberga denken. Wem das alles zu teuer oder zu schick ist, der kann natürlich auch ganz klassisch in einen der zig Berliner Kinder-SecondHand-Läden gehen. Meine Empfehlung ist der Shop Pusteblume, wo es von der Regenjacke über die Matschhose bis hin zum Kinder-Bikini bis Größe 159 jede Menge Kinderkleidung zu kaufen gibt und der zudem noch gebrauchte Fahrräder, Möbel, Bettwäsche, eben die ganze Kinder-Palette zum Verkauf anbietet.

Kleidung direkt zu kaufen gibt es bei: Tante Snugata Bänschstraße 34 10247 Berlin Oder hier online: ww.hug-and-grow.de Kirondo – Kinder Second Hand www.kirondo.de Kinderwagenwerkstatt, Verleih von Kinderreisebetten, Rucksäcken, Autositzen etc. Kostüm Verleih: Pusteblume Kinder Second Hand Paul-Robeson-Straße 3 10439 Berlin 030 44 71 59 07 www.pusteblume-kindersecondhand.de


English Translations  41

Style? What style? (p. 20)

med Frau Licht are her accurately filed and painted

ly what flatters me and what does not. The only prob-

fingernails. You just can’t imagine that they ever come

lem: the color effect is dependent on whether the hood

into contact with anything other than cotton pads. I’d

is covering my hair or not. My new, not really suitable

like to sit on my stubby fingernails of my hands. But

color changes the effect, and makes it more difficult for

I’m there to be appraised me – so I’ve got to be brave.

me to find the right color. So the only thing that’s left

Or something like that.

is a new hair color if I want to wear colors that are right for me. I learn that, for example, blue and gray tones

In a recent daring moment I had the idea of pepping

are especially good for me. As I’m wearing gray jeans

up my rather unspectacular hair color with a gold

and a blue denim shirt with a blue T-shirt, I breathe a

tone, using a three-euro-drugstore hair color of course.

sigh of relief: I’ve done something right! By intuition.

I didn’t notice a difference, my friends didn’t, and I gave it no further thought. Frau Licht’s noticed it right

But I’m pretty quickly disillusioned again. When I ask

away: “You actually have dishwater blond hair but

whether my style of dress suits me, Frau Light asks:

you’ve colored it. It doesn’t suit you.” Why not? I learn

“Should I be honest?” I nod, already cringing. “What

why it’s so obvious: there is white skin that is bluish,

style?” It is perfectly ok to dress a little more sporty.

and white skin with more yellow pigment. I’m more of

My sneakers are wearable. “But it would be important

the, shall we say, aristocratic pale type – and thus tend

to bring a little more elegance into your wardrobe and

more towards the blue. So I’m technically more on the

emphasize your character a little more.” She recom-

cool color side of life. And since my new hair color has a

mends adding a color corresponding accessory to my

slight, red tint that is barely noticeable to an untrained

sporty blazer, jeans, sneakers and casual blouse. I can

eye, I appear even paler than usual. Apparently I don’t

do that.

look particularly convinced, so Frau Licht proves her

So, Fashion Week is starting – and the right Berlin neighborhoods will be crowded again with (inter)national guests who professionally deal with their outward appearances. I wondered how I might be perceived. To obtain answers that go beyond my personal, not very knowledgeable speculation, I made an appointment for a style consultation. I wanted pure, unadulterated truth about my appearance and me. You want to know: yes, I took it bluntly. But one thing at a time. I’m not really into style. Don’t get me wrong: it’s important to me that I don’t look like a hobgoblin. I also try to make somewhat sure that the clothes I wear are relatively up to date. But my daily morning routine is limited to showering, hair washing, applying face cream and mascara. I get dressed in clothes that all match because they're not very varied. And then off I go. I think it’s nice when people around me make the effort – in fact: I appreciate clothes that stand out, new hairstyles and beautiful color combinations generally grab my attention. It’s just that I don’t have much of a connection to them. The studio of the style consulting company Elite Style, where I made an appointment with image consultant Valeriya Licht, is in the Kalckreuther Straße in Schöneberg. Frau Licht receives me at the front desk and leads me into a semi-mirrored room in which I take a seat on a swivel stool. What I first notice about the well-groo-

assessment with drastic measures. First, a white hood

I have to get myself together as I stumble out of the

is draped over my hair and a white, oversized bib over

studio. After all, you don’t get such a dose of such a

my clothes. Frau Light changes the lighting. The room

concentrated honesty every day. Its clear: my life will

was bathed in warm, flattering daylight.

not change. But if I really want to score points in terms of style, I’ll have to buy an eyebrow pencil, flatter my

The light now on is pure malevolence. There are cer-

bluish skin color with a cooler hair color; and when I’m

tain fashion discounters that have changing room with

feeling sassy, throw on a sports blazer. And then even I

a very nasty, white light that enhances every pore and

can walk around at Fashion Week knowing that they’re

every wrinkle. Multiply it by ten and you can imagine

just regular people too.

the situation. What I see in the mirror makes me wonder how I could ever dare to appear in public. The dark

Elite Style

circles under my eyes from a recent cold practically

Valeriya Licht

take on a 3-D effect: in this light it looks as if my face

Kalckreuth Straße 7

is made up of black shadow, with the forehead, nose,

10777 Berlin

eyes, mouth and the rest of it pulled in. Overall, I look

030 21 80 93 97

so unhealthy that I hardly recognize myself. Even Frau

www.elitestyle.de

Licht scolds me: All women want to look good. And I could look good. If I’d do something with myself. But what? She takes an eyebrow pencil and extends my eyebrows. She makes me aware of something that I never, never, never would have noticed. My eyebrows are quite close to my nose and very sparse at the ends. “Its important to bring in contour here: eyebrows are the frame of the face!” She says as she fills out the ends of them. And indeed: small effort, big effect – right away my eyes shine and I look fresher. Wow. I could actually add this to my everyday repertoire. Then Frau Licht takes a ring that is affixed with different colored towels. She holds individual towels in front of my face. Each cloth seems to be in combat with my skin color because of the hood and bibs. I see exact-

EYEOURT Art Events (p. 22) Christoph Niemann 23. November 2013 – 18. Januar 2014


42   English Translations

In a playful interpretation of salon-style hanging, illus-

Tuesday to Saturday 11am to 6 pm

the best 80s tradition either praise hedonism as a way

trator, artist and author Christoph Niemann weaves a

030 74 78 03 85, mail@galeriethomasfischer.de

of life, or good looking couples and friends in extrava-

delightfully absurd narrative across the walls of Galerie

www.galeriethomasfischer.de

gant fashion submerge into a fantastic, eerie world.

lates between the simple and the complex, balancing

Franz Erhard Walther

Until recently, the fashion industry still bet on mainly

a recognizable, infographic-inspired aesthetic with

30. November 2013 – 13. Februar 2014

large-scale campaigns and expensive photo produc-

Max Hetzler. Niemann’s signature graphic style oscil-

obscured metaphorical undertones. Shown alongside

tions. The fashion film seems to be establishing itself as

other series such as Red Eye and Let it Dough – both

an advertising platform. Not only because you can ad-

created for the New York Times blog – is Niemann’s ne-

vertise products a lot easier and cheaper by virally, but

west body of work, a series created especially for this

also because they hope that by attracting pop-culture

exhibition. Embodying the artist’s unique approach to

celebrities such as Harmony Korine, who directed the

everyday subject matter, Galerie Max Hetzler celebra-

fashion film Act Da Fool for the New York label Proenza

tes 40 years anniversary of VfB Stuttgart transforms

Schouler, the companies’ image will be buffed and reju-

the gallerist, his artists, and his favorite football team

venated.

into dramatic players in a celebration of art and the poetry of the seemingly mundane.

People are already talking about a new genre because of the steadily rising number of these films. Similar to the

Galerie Max Hetzler, Goethestraße 2/3

Pulling art, space, and the human body into the same

music videos in the 90s, fashion films might be fore-

S5, S7, S75 Savignyplatz

line of questioning for more than five decades, Franz

runners in terms of audio-visual aesthetics. No wonder,

Tuesday to Saturday 11am to 6 pm

Erhard Walther is a pioneer whose influence redefi-

then , that the Fashion Week will be paying tribut to this

+49-30-346 49 78 50, info@maxhetzler.com

ned his medium. Walther’s current exhibition at KOW

phenomenon with the Berlin Fashion Film Festival.

www. maxhetzler.com

works with the architecture of the gallery space to highlight the participatory minimalist’s incomparable

But are the videos really as innovative and creative as

Seiichi Furuya

contribution to sculpture. Focusing on the artist’s later

the music videos from director geniuses such as Michel

16. November 2013 – 18. Januar 2014

oeuvre, the brightly colored shapes of the Körperfor-

Gondry, Chris Cunningham and Spike Jonze? With their

men series are placed in anthropomorphic interplay

mix of the latest technology and innovative narration,

with those of 24 Gelbe Säulen, a never-before-exhibited

they oblierated the border between advertising, and

series from 1982. The contrast to KOW’s muted interior

created a platform for a generation of young, wild direc-

is striking, and not accidental. Against this backdrop,

tors who influenced the stylistic shape of the cinematic

Walther’s forms become even more sharply aligned to

landscape today.

the body, emerging as building blocks for a playful balance between the timeless and the untimely.

Judging from most of the fashion films up till now, this seems doubtful. The majority of the films can be divided

KOW, Brunnenstraße 9, 10119 Berlin

into two sections: the ones in which their cool and arti-

U8 Rosenthaler Platz

ficial images act as an extension of a photo campaign,

Wednesday to Sunday 12am to 6 pm

and in the best case, they can aesthetically remind us of

The personal and the political are always intertwined.

030 31 16 67 70

the eerie dream world of a Darren Aronofsky (The Foun-

Graz-based Japanese photographer Seiichi Furuya

gallery@kow-berlin.com

tain.) The others, the funny, humorous ones seem like

explores this inherent tension in his second exhi-

www.kow-berlin.com

bad imitation of Wes Anderson films.

bition at Galerie Thomas Fischer. With a nod to the Only a few, such as the German director Ralf Schmer-

photographer’s position, I prefer to be on this side turns the artist’s lens into a tender microscope to examine

Fa-Fa-Fa-Fa-Fashion …

berg who made a film for the Berlin label Moga e Mago,

not only this particularly delicate balance, but also its

(p. 37)

have managed to make a name for themselves. He was able to exercise social criticism, as well as an almost do-

continual state of change. Alongside photographs of the artist’s partner, taken over the course of seven ye-

… David Bowie already sang in 1980 in the music video

cumentary feel to Berlin’s nightlife in this commercial.

ars, Furuya has placed a series looking towards the for-

of his eponymous song. If you watch the video today,

Which why it was right that he was honored at the fa-

mer states of the Eastern Bloc from the Austrian border

you’ll not only be scared at the parallels to current fa-

shion film festival in 2013 award for the best idea.

in the early 1980s. Incomparably intimate, Furuya’s

shion, but also at the similarity to today’s fashion mo-

narrative unfolds as a stunning metaphor for the flux

vies, which designers such as Prada, Dior and Lagerfeld

It remains to be seen whether the fashion film will re-

between the self and the surrounding, be it geographi-

make and release as viral advertising. Similar to Bowie’s

ally be a springboard for directors, or whether it just

cal, political, or our most personal relationships.

Fashion video, these films, which can be up to 30 mi-

remains professionally made advertisement. The next

nutes long, like to use soft focus and aesthetically cool

fashion film festival will give us a first hint in which di-

Galerie Thomas Fischer, Potsdamer Straße 77–87

and stylized images that intentionally and partially drift

rection the genre may developing.

U1 Kurfürstenstraße

into irony. And in which models in perfectly styled in


English Translations  43

You want you to apply for the Fashion Film Festival?

position. And so my first application was also my last.

Library Information

Quickly visit the home page berlinfashionfilmfestival.

The Lipperheide Costume Library’s collection of fa-

030 266 42 41 41

net and join the mailing list!

shion imagery, which I have headed for over twenty years, doesn’t just include costumes or clothing, as

auskunft.kb@smb.spk-berlin.de

some mistakenly believe, but text and picture sources

www.smb.museum

Berlin faces: Dr. Adelheid

as well. We have over 45,000 books and journals on

www.smb-digital.de

Rasche, art and fashion his-

all aspects of cultural history, as well as a collection of

www.adelheid-rasche.de

torian and department head

many thousands of drawings, prints and photographs.

of Lipperheide Costume

We owe this department to the collecting passion of

Library’s fashion imagery

Franz von Lipperheide who published a fashion ma-

collection in Berlin. (p. 38)

gazine in the late 19th century Berlin. He understood

We Mitte-Mums (p. 40)

that clothing was an important expression of culture.

I hate winter. Not just because in Berlin you feel like

Accordingly, he acquired image and text sources of fes-

a penguin on an ice floe at the South Pole, or because

tivals, customs and historical events of the time. That’s

you need a flashlight after 3 pm if you don’t want to

also why we include classical fashion literature or ma-

fall on your face. No, the worst thing about winter is

gazines, etiquette books, dress codes or caricatures in

my perpetually maxed-out bank account. And it’s not

our collection.

because of any spending madness or Christmas, but solely because much my kid grows so fast.

For me, fashion is not just the outward expression of a personality. It also always reflects particular life cir-

For unknown reasons, it seems that minus-zero wea-

cumstances, political climate and social conventions.

ther encourages more growth than sunshine. My

Fashion follows a certain logic that gradually reveals

daughter has to buy at least two pairs of shoes in win-

itself as the basis of fashion history. I have been able to

ter, whereas in summer she only needs a pair of san-

produce as a writer and curator numerous books and

dals. You non-parents are thinking, it’s just shoes. Do

exhibitions on fashion themes of the modern era, each

you actually know how much you have to fork out for

offering exciting aspects and rediscoveries.

shoes? We could have afforded a three-month luxury vacation in the Seychelles – including round-trip first-

I’m planning an exhibition and publication on fashion

class air tickets – for what I’ve paid for shoes.

and fashion graphics at the time of the First World War.

I studied Art History and Romance Languages at the universities of Salzburg and Reims. An unusual combination perhaps, but in hindsight, it proved to be a fortunate combination because I need Italian or French almost daily in my work. Actually, I decided on Romance languages because of my affinity for Italy, which is certainly also certainly due to the proximity of my hometown, Salzburg, to this fascinating country. Travel management, the organization of partner cities and cultural exchanges were some of the ideas floating around in my head before I began studying. As is the case with life, it’s always different than planned. I moved to Berlin for personal reasons 27 years ago. I had just graduated with a PhD, and applied to the National Museums in Berlin. I got a job as a museum assistant, which led me to the Lipperheidesche Costume Library. My former boss and I studied, re-ordered and structured the collection. My contract ended as she was about to retire, so she suggested I apply for the

You can learn a lot about social behavior in times of

As I’d probably get into trouble with child protective

crisis from this topic. Widows were encouraged not to

services if I sent her outside in zero degree weather

wear mourning for a long time because it could demo-

wearing just her ballet shoes, I’m going to have to

ralize the wounded and returning soldiers.

spend a lot of money again this year for a pair of black boots with glitter. Or, I have to decide not to give a

My personal favorite clothing article is a dark red scarf,

damn about the advice from friendly mothers and doc-

which I frequently wear from September to April. And

tors, and buy her a pair of winter shoes in a thrift shop.

even though I have already changed and replaced it by

But that requires time and nerves, which I’ve only got

a better, warmer or higher quality scarf, it’s still basi-

in limited supply.

cally a red scarf, my trademark, which I wear. Fortunately there’s a second-hand online store called What do I wish for the future? An open and curious eye

kirondo where you’re neither bound by store location

for historical and contemporary international fashion

or opening hours. Its easily available thanks to the In-

culture, and: as a celebration of fashion, I’d like to have

ternet and a properly functioning computer. And as 5

a piece from every Berlin designer in my closet!

cents from every purchase goes to a charitable cause, you’ll be doing something good for your karma.

Lipperheidesche Costume Library – Collection of Fashion Imagery

Even better: you can get rid of your old children’s clo-

Kunstbibliothek

thes on kirondo. Click on the page, order a shopping

Matthäikirchplatz 6

bag (a „Tüte“) and send it off. They’ll credit your ac-

10785 Berlin

count with the appropriate amount. It’s much nicer than standing with your hand-me-downs in the rain

Study hall opening hours:

at the Mauer Flea Market. Another great idea is Petit

Mondays from 2 to 8 pm

Cochon’s children’s clothing line. Their clothing, which

Tuesday to Friday 9 to 4 pm

is made in Berlin and surroundings, is not just envi-


44   English Translations

ronmentally friendly, but also ”grows“ with your child.

or strollers and spare yourself unnecessary purchases.

Tante Snugata

How does that work? Take trousers for example: they

Anyway, we did it one better: we simply found our

Bänschstraße 34

have an extra long cuff that can be extended, or they

child an older friend with big feet and good taste. Our

10247 Berlin

can be worn as short pants the next summer.

daughter now inherits her friend’s shoes, pants and dresses. And by the way, my account looks much better

Or order online here:

Designer Mandy Geddert is betting on a similar strate-

this year than it did last, even if it won’t do for a new

ww.hug-and-grow.de

gy with her CharLe line, which could be used to costu-

pair of winter shoes from a second-hand store. Kirondo – Kinder Second Hand

me an Astrid Lindgren movie. The boys in their blue bloomers and blue-white striped shirts will make you

Addresses:

think of the Emil in Lönneberga character.

Petit Cochon

And if that’s all too expensive or fancy for you, you can always go the classic route and go to one of the

www.kirondo.de

Kaiserkorso 1

Children’s Workshop:

12101 Berlin

They lease travel beds, backpacks, car seats, etc.

www.petit-co.com Costume rental:

countless second-hand children’s clothing stores in Berlin. My recommendation is the Pusteblume shop.

CharLe

Pusteblume Kinder Second Hand

They carry everything from raincoats to slush pants to

info@charle-berlin.de

Paul-Robeson-Straße 3

children’s bikinis in sizes up to 159. They have the who-

www.charle-berlin.de

10439 Berlin 030 44 71 59 07

le gamut of kids’ stuff: used bikes, furniture, and bedding. For a small fee you can rent car seats, travel cots

Clothing is also directly available from:

www.pusteblume-kindersecondhand.de

Mitteschön Verlosung Bagis vereint sämtliche Erfahrungen von Urbanears in einer kompakten Version. Es handelt sich um eine Ohrstöpsel-Konstruktion, die für einen direkten Sound und eine effiziente Störgeräusch-Reduktion sorgt. Er ist mit einem Gummi-Kabel, kombiniert mit einer Stoff- und TPE-Kordel, ausgestattet, um sämtliche Störungen durch Reibung zu verhindern und einem Verknoten der Kabel vorzubeugen. Als besonderes Special können die einzelnen Ohrstöpsel im Nacken zusammengesteckt werden, wenn man sie gerade nicht braucht. Man weiß also jederzeit, wo sie sind. Möchtest du den Sound von Bagis testen? Dann mach bei unserer Verlosung auf www.mitteschoen.com mit. Die Verlosung ist ab dem 10. Januar online.


mehr Infos auf www.mylorry.com


daneben Text Oliver Janik

Neulich habe ich ein neues Wort gelernt. Das passiert einem ja an sich viel zu selten im täglichen vorsich-hinwurschteln, wenn nicht ständig die Taschenbuchausgabe von Karl Mannheims „Strukturanalyse der Erkenntnistheorie“ auf dem Beifahrersitz liegt oder man sich hobbymässig auf Seiten wie www.biophysics.org rumtreibt.

Nun, das Wort war „Beifang“. Eigentlich ganz einfach: Beifang ist Nebenbei: Die Liste derer, die lebenslang daneben standen ist all das, was im Fischernetz zappelt, auf das man es eigentlich gar ähnlich lang wie die obige, allerdings ist hier daneben stehen nicht abgesehen hatte. Also der unvorsichtige Thunfisch, See- meist gleichbedeutend mit im Schatten stehen. Unvergessen in hecht oder Stör, der plötzlich auf dem Deck eines Fischkutters dieser Kategorie natürlich Georg „Katsche“ Schwarzenbeck, der landet, obwohl man ja eigentlich wegen des Kabeljaus rausgefah- Abräumer vom Kaiser Franz. Heute würde man vielleicht sagen, ren war. Klassischer Fall von „zur falschen Zeit am falschen Platz“ – er war sein Sidekick (war ja nun auch ein Kicker), also jemand der schwimmt man also munter neben dem Kabeljau rum, denkt schon per definitionem daneben, also an der Seite des Protagosich nichts Böses und dann so was. Ein freundschaftliches „Hey, nisten steht und ihn gut aussehen lässt. Großes Ding in der Weltes muss sich hier um eine Verwechslung handeln“ ist da ungefähr literatur, klar, man denke an Sancho Pansa, Dr. Watson, Hadschi so Erfolg versprechend wie sich in einer verqualmten Polizeistu- Halef Omar und nicht zu vergessen Robin in Batman. be in der mexikanischen Provinz einer Bestechungssumme zu Der Sidekick ist ja bekanntlich fester Bestandteil wirklich jeder verweigern. amerikanischen Late-Night-Show von Letterman bis Jay Leno. In Ja, zur falschen Zeit am falschen Platz, das passiert nicht nur dem Deutschland hat das mal Harald Schmidt eingeführt, zunächst Beifang, die Liste scheint unendlich, seien es nun Kremlflieger nicht unerfolgreich mit Feuerstein in Schmidteinander, später Matthias Rust, Jürgen Klinsmann in seiner Zeit beim FC Bayern dann in seiner Late Night Show ging das dann auch im Wortsinn oder auch nur Tom Hanks als Sherman McCoy in Fegefeuer der daneben. Der Herr ist jetzt zu Recht Wanderexperte im ZDF, trägt Eitelkeiten, für mich einer der größten Fehlbesetzungen der jün- immer Funktionskleidung und sagt so Sachen wie „so ne Luft, die gibt’s nur in der Südeifel, die Leute wissen ja gar nicht wie schön geren Filmgeschichte. Deutschland ist“. Den Namen habe ich vergessen. Man kann also feststellen, dass daneben sein bzw. schwimmen nicht zwingend Gutes verheißt und das gilt ebenso sehr für das So eine Art Sub-Gattung des Sidekicks ist der sogenannte comic daneben stehen. Insbesondere gilt das aber für das „neben sich relief (lt. Wiki: „komische Entlastung“, „befreiende Komik“). Der selbst stehen“, wenn man z.B. die sündteuren französischen Käse- oder die steht daneben und ist witzig oder versucht es zu sein, Preziosen auf der Theke im Biomarkt liegen lässt oder gerade den addiert der eigentlichen Handlung nichts dazu, macht aber kurzTurbodiesel mit Super E 10 vollgetankt hat. „Neben sich“ stehen fristig Spaß, im Film zum Beispiel die beiden Roboter C-3PO oder im übrigen häufig auch Tennisprofis, so lassen sie zumindest die R2-D2 in Star Trek, in der Realität so ein bisschen wie die FDP oder Journalisten missmutig auf der Pressekonferenz wissen, wenn sie der 1. FC Köln, wenn er gerade mal in der 1. Bundesliga ist. kurz zuvor in zwei Sätzen gegen einen Nobody untergegangen sind. Apropos Tennis: die Hohepriesterschaft des „Neben-sich- Apropos FDP: wenn er Glück hat, der Beifang, wird er ein sogeStehens“ ist hier übrigens das von Boris Becker erfundene „gar nannter „Rückwurf“. Nur mal so. nicht auf dem Platz gewesen sein“, wobei es hier natürlich metaphysisch wird, weil gleichzeitige physische An- und Abwesenheit mindestens einmal die katholische Kirche ausschließt.


BERLIN

LEGENDE S U

Illustration: Sandra Stäbler

S-Bahn Haltestelle U-Bahn Haltestelle

1

KW Institute for Contemporary Art,

2

Admiralspalast, Friedrichstraße 110

Auguststraße 69

3

Berliner Ensemble,

4

KOW, Brunnenstraße 9

Bertolt-Brecht-Platz 1



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