Luxemburger Festungspläne in der Staatsbibliothek zu Berlin
Luxemburger Festungspläne in der Staatsbibliothek zu Berlin
Genie und Festung
Herausgeber François Reinert Änder Bruns Mit Beiträgen von Pierre Assenmaker Wolfgang Crom Volker Mende Reinhard Munzel Redaktion und Bilddokumentation Simone Feis
Genie und Festung
Publications du Musée national d’histoire et d’art 19 Publications du Centre de documentation sur la forteresse de Luxembourg auprès du Musée national d’histoire et d’art 2
Musée national d’histoire et d’art Luxembourg
Marché-aux-Poissons L-2345 Luxembourg www.mnha.lu
5, Park Dräi Eechelen L-1499 Luxembourg www.m3e.lu
ISBN 978-2-87985-221-8 © MNHA 2013
Umschlagbild: Auszug aus Plan Nr. 6 (Sx 14048, Plan de Luxembourg avec ses mines jusqu’en 1728 en Xbre, 1728) Photographien: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin Musée des Plans-reliefs, Paris Musée national d’histoire et d’art, Luxembourg Service Information et Presse, Luxembourg
Genie und Festung
Genie und Festung Luxemburger Festungspläne in der Staatsbibliothek zu Berlin 5. Oktober 2013 – 31. März 2014 Musée Dräi Eechelen - Forteresse, Histoire, Identités Luxembourg
Ausstellungsaufbau in Luxemburg Kommissare: François Reinert (F. R.), Änder Bruns (A. B.) Lektorat: Simone Feis, Cécile Arnould, Edmond Thill Beleuchtung und Technik: Marc Scolati, Sead Salkovic, Jos Rodrigues Multimedia: ArchimediX Transport und Logistik: Claude Lanners, Rainer Fischer Rahmen / Passepartouts: Pit Kaiser, Rainer Fischer Photographie: Tom Lucas, Ben Muller Aufbau: Gisèle Biache, Jean-Marie Elsen, Fabio Ceccacci, Georges Rödel, Jean-Paul Kinnen, Pietro Rizzi, Lucien Wagener Graphisches Konzept und Layout: Rose de Claire, design. Druck und Bindung: Imprimerie Centrale Vorbereitung in Berlin Kartenabteilung: Wolfgang Crom, Holger Scheerschmidt, Carola Seifert Restaurierung: Julia Bispinck-Roßbacher, Britta Schütrumpf, Margit Hundertmark, Margret Polaczek Das Musée Dräi Eechelen bedankt sich bei allen die zum Erfolg der Ausstellung beigetragen haben.
Genie und Festung
Inhaltsverzeichnis
Grußwörter I. Zur Ausstellung II. Die Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin III. Die Genie-Direction in Luxemburg
4 9 15
1836–1876: Letzter Ausbau und Schleifung
84
1836: Festung und Rayon
84
1851: Ein unvollendeter Plan
86
1862–1863: Bahnhof und Rayon
88
1876: Schleifung
90
1876: Denkschrift
92
27 VI. Bauinschriften auf dem Plan von 1843
IV. Antoine Hartmann, Conductor und Ingenieur
95
37 VII. Forts
105
V. Stadt und Festung 1688–1876
47
Charles
108
Topographie und Verteidigung nach Major Keibel
50
Thüngen
114
Zur Geländedarstellung in Fortifikationsplänen Luxemburgs
52
Rheinsheim
126
1688: Eine spanisch-französische Festung
58
Rheinsheim digital
134
1728–1774: Die österreichische Festung
60
1728: Vor dem österreichischen Ausbau
60
VIII. Wasserversorgung im Reduit Thüngen
139
1732: Während des österreichischen Ausbaus
62
1747: Redouten und Festung
64
IX. Schleusen
145
1774: Der Besuch von Erzherzog Maximilian
66
1728: Bourbonschleuse
148
1797: Eine französische Festung
72
1731: Grundschleuse
152
1840: Spionage
76
1733: Mansfeldschleuse
154
1841–1845: Die Genese des „Cederstolpe“-Plans
78
Genie und Festung
X. Unterirdische Festung
157
1745: Festung und Minen
160
1777: Souterrains und Kasematten
162
1814: Minenpl채ne
168
XI. Unterbringung und Hygiene
173
Rham-Plateau
176
Die bombensichere Kaserne auf dem Rham
180
Kriegslazarett am Heilig-Geist-Plateau
184
Das zweite Kriegshospital im Grund
186
Latrinen
190
Garnison-Waschanstalt
194
XII. Artilleriegeb채ude
201
Kriegspulvermagazin im Rhamreduit
204
Kriegspulvermagazin Drei Tauben
206
Bombensicheres Wagenhaus und Kriegslaboratorium
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XIII. Eisenbahn
213
Die kleinen Absperrungen an gewissen Punkten
215
Linienf체hrung
228
Eisenbahn-Durchfahrt
234
Rhambatterien
236
Prinz-Heinrich-Tor
240
Fort Wedell
242
Anmerkungen
246
Bibliographie
250
Gesamtkatalog Pl채ne Nr. 1 - 164
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Die Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin
Die Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin Wolfgang Crom Geschichtlicher Abriss Karten als Herrschaftssymbol Karten, Atlanten und Globen gelten als historisch wertvolle Sammelobjekte in Bibliotheken und werden gerne zur Schau gestellt. Insbesondere die oftmals beeindruckende Größe kartographischer Objekte wird präsentiert, um damit auch die eigene (historische oder aktuelle) Wertigkeit unter Beweis zu stellen. So kann auch die Staatsbibliothek zu Berlin mit dem größten Atlas der Welt, dem Kurfürstenatlas (Abb. 1), ihre Stellung in der Bibliothekswelt demonstrieren. Mit 125 kg Gewicht und aufgeschlagen 220×170 cm ist er nicht nur von majestätischer Gestalt, sondern er ist gleichzeitig ein Dokument aus der Frühzeit der Bibliothek, die 1661 vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg gegründet wurde. Fürst Johann Moritz von Nassau-Siegen schenkte dieses monumentale Werk seinem Freund Friedrich Wilhelm als Zeichen seiner Verbundenheit, er war ab 1649 Statthalter des Großen Kurfürsten in Kleve und Mark. Beide Männer teilten ihre Vorliebe für die Niederlande, das zu dieser Zeit mit Amsterdam das Zentrum der barocken Kartographie bildete. Somit enthält der Atlas Wandkarten, die sonst als Symbol der Welthandelsmacht Niederlande in den Kontoren der Händler aufgehängt waren; auch auf einigen Gemälden von Jan Vermeer sind derartige Wandkarten zu finden. In der Weltkarte dieses Atlas ist das Konterfei des Schenkers und in der Karte des Heiligen Römischen Reiches das Abbild des Beschenkten in seiner Funktion als Kurfürst zu finden. Darüber hinaus enthält es handgezeichnete Karten der Territorien des brandenburgischen Kurfürstentums, da von diesen Gebieten noch keine derart großen Karten gedruckt vorlagen. Schließlich enthält dieser Atlas aber auch eine Karte von den niederländischen Besitzungen im nordöstlichen Brasilien, das Johann Moritz von 1636–1644 als General-Gouverneur im Auftrag der Niederländischen Westindien-Kompanie verwaltet hatte. Nach diesem Paukenschlag verklang zunächst das kartographische Engagement der Bibliothek, was aber in erster Linie der herrschaftlichen Sicht auf den Nutzen von Karten geschuldet war. Karten galten im bald aufstrebenden Preußen als rein militärisch relevante Wissensträger und waren besonders zu schützen, damit sie nicht in die Hände Unbefugter oder gar von Feinden geraten könnten. So
Abb. 1: Der Atlas des Großen Kurfürsten (Kart. B 396) während einer seltenen Präsentation.
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Die Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin
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Militärische Sammlung als Ursprung So wundert es auch nicht, dass Militärs private Kartensammlungen aufbauen konnten, die für die damalige Zeit enorme Ausmaße erreichten. Die Kartensammlung des Oberst Karl Wilhelm von Oesfeld enthielt 30.000 Blätter, die nach seinem Tod an Napoleon III. verkauft wurde. Die mit 35.000 Blättern noch umfangreichere Sammlung der Familie von Scharnhorst, die über zwei Generationen zusammengetragen wurde (Gerhard und Wilhelm) wurde durch den König Friedrich Wilhelm IV. angekauft, um damit die Einrichtung des Königlich Kartographischen Instituts 1856 voranzutreiben. Hintergrund für die Gründung war der Aufruf des führenden Hochschulgeographen Carl Ritter, mit Unterstützung durch Alexander von Humboldt, eine frei zugängliche, wissenschaftliche Kartensammlung zu initiieren. Für ihre Unterbringung wurden zunächst zwei Räume in der königlichen Domäne Schloss Bellevue bereitgestellt. Doch die Schwierigkeiten der Überführung in einen geregelten Betrieb führten nur 3 Jahre später zur Übergabe des Instituts an die Königliche Bibliothek und somit zur Gründung der Kartenabteilung. Der Aufschwung der Geographie und der Kartographie ließ die Kartenproduktion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts enorm ansteigen und somit die Sammlung schnell anwachsen. Die hohe Produktivität ist als Folge der Etablierung der Geographie als Unterrichtsfach zu sehen, was nicht nur Einfluss auf die Entwicklung der Schulbuchkartographie hatte. Gleichzeitig wuchs das Interesse an Forschungsreisen und an außenpolitischen Themen, die alsbald zum Kolonialismus und in diesem Zusammenhang zur Gründung des Kolonialkartographischen Instituts führten. Neue Aufnahmemethoden im Vermessungsbereich und neue Drucktechniken bildeten die technischen Voraussetzungen für diesen Aufschwung. Insgesamt verfünffachte sich der Bestand der Kartenabteilung in den ersten sechs Jahrzehnten auf ca. 200.000 Kartenblätter zum Ende des Ersten Weltkriegs. Dies nicht zuletzt auch durch weitere umfangreiche und wertvolle Schenkungen oder Ankäufe bedeutender privater Sammlungen. Darunter waren bedeutende Sammlungen oder Teile von Sammlungen der Wissenschaftler Carl Ritter, Karl Friedrich von Klöden, Leopold von Buch, Heinrich und Richard Kiepert oder beispielsweise des belgischen Gesandten am Preußischen Hof Jean Baptist de Nothomb. (Abb. 4)
Abb. 4: Stempel mit dem Vermerk: „Vermächtnis des Baron J. B. Nothomb 1881“ (Luxemburger Stadtplan mit Stadtansicht von Matthäus Seutter zwischen 1732 und 1740, Kart. X 14062, Ausschnitt).
Seine vielfältigen politischen Ämter haben ihn den Nutzen von Karten für militärische wie administrative Aufgaben erkennen lassen. Auch für seinen Einsatz zur Förderung des Eisenbahnnetzes oder des Bergbaus ist ihm die Bedeutung geeigneten Kartenmaterials bewusst gewesen, was zur Liebhaberei und Sammelleidenschaft führte. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Wiedervereinigung Unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs konnte die Bibliothek ein neues Domizil am Prachtboulevard Unter den Linden beziehen. Das unter Friedrich II. errichtete Bibliotheksgebäude, die so genannte Kommode am Opernplatz, war bereits 100 Jahre nach ihrer Inbetriebnahme zu klein geworden, so dass mit dem von Ernst von Ihne gebauten Komplex, immerhin das größte Bauwerk der Kaiserzeit, ein in die Zukunft weisendes Bücherhaus in Betrieb genommen werden konnte. Mit dem imposanten und auf technisch neuestem Stand errichteten Gebäude wurde der Führungsanspruch der Königlich Preußischen Bibliothek architektonisch eindrucksvoll umgesetzt. So war es für die Kartenabteilung unter räumlichem As-
Plan Nr. 164
Plan Nr. 93: Fort ThĂźngen, Reduit, Schnitte und Ansicht der Kehle.
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Bombensicheres Wagenhaus und Kriegslaboratorium Pläne Nr. 153 u. 154
Für diese beiden Pläne ist kein Zeichner angegeben. Da es ein Gebäude für die Artillerie ist, wurden sie gemeinsam vom Geniedirektor Oberstlieutenant Rückert gen. Burchardi und vom Artilleriedirektor Major Alfter unterzeichnet. 1863–1865 wird im ehemaligen Namur’schen Garten – am Standort des heutigen Casinos – ein zweistöckiges, bombensicheres Artilleriewagenhaus gebaut. Die Einfahrt befindet sich an der Ostseite im Hof rechts der Maria-Theresien-Kaserne, in der heutigen rue Notre-Dame. Von hier gelangt man über eine Rampe und eine Brücke in das obere Stockwerk. Das Gebäude ist in sieben Gewölbe gegliedert. Die Fensteröffnungen des Erdgeschosses sind zur Wallseite hin kleiner. Auf der Straßenseite sind vier Öffnungen durch einen eisernen Mittelpfosten in zwei Fenster geteilt. Die übrigen drei sind etwas breiter und mit zweiflügeligen eisernen Läden verschlossen. Hier können Vorräte ein- und ausgeladen werden. Die Fenster des Obergeschosses sind halbrund. Ein bereits bestehender Abwasserkanal wird von der Straße aus unter dem Gebäude hindurch zu einem Schacht am Wall rechts der Bastion Beck, der heute noch zu sehen ist, geführt. Wie in den meisten neuen Festungsgebäuden dieser Zeit, besteht der Boden der ersten Etage aus eisernen Doppelbalken mit Hohlziegel, bedeckt durch eine Lage Holzbohlen. Das Treppenhaus liegt am Westgiebel. Der Boden des Erdgeschosses ist gepflastert. Beide Stockwerke sind beheizbar. Die Gewölbe sind ca. 1,2 m stark. Wegen der Übermauerung in den breiten Hohlkehlen zwischen den Gewölberücken erreicht die Gebäudedecke hier eine Stärke von fast 2 m. Dazu kommt eine ca. 1,20 m dicke Erddecke. Nach dem Einsturz des neuen Kriegslaboratoriums auf dem Niederwall unter der Grundschleusenbastion, werden die Pläne soweit umgeändert, dass das Erdgeschoss des neuen Wagenhauses auch für diesen Zweck benutzt werden konnte.13 Zwei Jahre nach der Fertigstellung, am 5. September 1867 wird das Wagenhaus zusammen mit der Maria-Theresien-Kaserne an den Luxemburger Staat übergeben. Am 21. Mai 1868 fällt es per Gesetz an die Stadt, die es an Unternehmer vermietet. 1877 vereinbaren Stadt und Staat den Abriss des Wagenhauses und der Kaserne zur Verbreiterung der rue Notre-Dame und zur Schaffung von Bauplätzen.14 A. B.
Plan Nr. 154: Bombensicheres Wagenhaus, Grundrisse, Schnitte.
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Genie und Festung
Eisenbahn
Abb. 5: Chemins de fer du Grand-Duché de Luxembourg, Karte aus einer Zeitungsanzeige im Le Crédit Public, um 1857, MNHA / M3E.
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Eisenbahn
Eisenbahn in der Bundesfestung Luxemburg (Abb. 5) Nach mehreren gescheiterten Versuchen, mittels englischen Kapitals die Eisenbahn nach Luxemburg zu locken,23 beschloss am 7. Januar 1850 die Großherzoglich-Luxemburgische Regierung die Anlage einer Eisenbahn für das Land. Dabei war zunächst die Verbindung über Arlon nach Brüssel angedacht.24 Die Diskussionen über weitere Linien erweiterten ab 1852 die Anschlussziele. Man plante einerseits das französische Nancy und über das preußische Saarbrücken den Rhein zu erreichen. Schließlich konnte auch eine Verbindung nach Trier ausgehandelt werden, wozu Preußen 1854 eine Zinsgarantie abgab.25 In Preußen erlangte am 7. Mai 1856 ein umfangreiches Paket von Eisenbahnanleihen Gesetzeskraft. Darin garantierte der Staat unter anderem der Eisenbahnlinie Saarbrücken-Trier-Luxemburg eine Anleihe im Wert von 5,6 Millionen Talern.26 Die im September 1856 begonnenen Verhandlungen der Luxemburger Regierung mit den Behörden der Bundesfestung27 und der Festungsabteilung der Bundesmilitärkommission28 führten letztlich zu einer Trasse, bei welcher alle bedeutenden Überführungen über die Täler der Petruss und der Alzette innerhalb der Festung zu liegen kämen. Die Geniedirektion hatte damit zunächst das Ziel erreicht, eine Überbrückung außerhalb der Festung zu verhindern und nennt dies einen „anerkannten Vorzug des Projekts“.29 Andernfalls wäre man gezwungen gewesen, weitere, aufwendige Außenwerke anzulegen, deren Unterhalt die Bundesversammlung in Frankfurt am Main keineswegs besorgen konnte. Mit Gründung der Guillaume-Luxembourg-Eisenbahngesellschaft am 2. März 1857 trat zudem auch ein greifbarer Planer an den Verhandlungstisch, doch verhinderten interne Spannungen in der Luxemburger Regierung und Konkurrenzstreitigkeiten der Gemeinden eine zügige Trassenplanung.30 Die wichtige Frage, wo der Bahnhof zu positionieren sei, beantwortete sich nach langen Verhandlungen erst 1858. Er kam vor der Thionviller Front zu liegen (Plan Nr. 48). In den Diskussionen waren zuvor die Varianten eines Kopfbahnhofes bei Fort Elisabeth, eines Durchgangsbahnhofes bei Hollerich und eines, im Petruss-Tal unterhalb Hollerich liegenden Bahnhofes verworfen worden.31
Zu seinem Schutz war ein vorgeschobenes Fort, später Fort Wedell genannt, angelegt worden (1859–64) (Pläne Nr. 127 u. 128). Doch kaum hatte man Fort Wedell fertiggestellt, musste man 1865 eine Modernisierung planen.32 Diese Planungen sind vor allem deshalb interessant, weil sie nicht etwa 1866 abgebrochen worden sind, sondern im Februar 1867 durch den nunmehr zuständigen Festungs-Inspekteur in Koblenz, Oberst von Forch, zur Bauausführung bestätigt wurden.33 Damit deutet sich an, dass nach dem Ende des Deutschen Bundes Preußen die Verwaltung der Fortifikation übergangslos fortführte und Luxemburg direkt unter die Leitung des Inspekteurs der Pioniere und der Festungen der Preußischen Armee kam.34 Inklusive aller weiteren Änderungen, vor allem an der Thionviller Front, hätten sich die Kosten der eisenbahnbedingten Festungsumbauten auf insgesamt 1.814.000 Franken belaufen sollen.35 Diese Summe ist dann in den 1859 erfolgten Verhandlungen mit der Bundesmilitärkommission deutlich vermindert worden. Die Stadtgemeinde Luxemburg hatte zudem erwirkt, dass als Teil des Eisenbahnprojektes eine Überbrückung des Petruss-Tales gebaut werde (Passerelle) um Anschluss an den außerhalb liegenden Bahnhof zu gewinnen. Auch dieses Projekt eines Straßen-Viaduktes unterlag einer intensiven fortifikatorischen Kontrolle und ist nur durch Einfügung wesentlicher Tor- und Flankierungsbauten genehmigt worden (Plan Nr. 62). Das architektonisch aufwendig gestaltete, stadtseitige Heinrichstor wies eine, für preußische Festungen übliche, Klappbrücke mit Wippenkeller auf. Die bauliche Lösung, den Endpfeiler des Viadukts dabei in ganzer Höhe völlig frei stehen lassen zu müssen, kann aus heutiger Sicht nur als wagemutige Ingenieurleistung bezeichnet werden. Dafür war Ingénieur en chef A. Grenier der Guillaume-Luxembourg-Eisenbahngesellschaft zuständig. Ausgeführt wurden die Arbeiten von dem erfahrenen englischen Unternehmen Waring Brothers.
Eisenbahn
Die Sicherung der Nordstrecke Entsprechend den Erfahrungen in anderen preußischen Festungen wurde 1859 das Eisenbahntor an der Nordstrecke (Luxemburg-Lüttich), unterhalb des Fort Niedergrünewald, errichtet (Abb. 6). Zu beachten hatte man dabei, dass unter Gewährleistung des Bahnverkehrs ein regulärer Postenlauf auf dem Umgang der bestehenden Talabschlussmauer gewährleistet werden musste (Plan Nr. 121). So erhielt die Durchfahrt eine Steg-Überbrückung mittels verbretterter Eisenbahnschienen. Den vor der Talmauer liegenden, aus dem Fels gehauenen Graben sperrte ein übliches, zweiflügeliges Hindernis-Gittertor.
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eine Umlenkrolle herablassbares Falltor. Dieses Gittertor hatte im unteren Teil eine starke Eisenverblendung mit fünf Schießlöchern. Hinter der Führungsfalz für das Innentor liegen noch zwei Versatzfalze, um das Tor sturmfest zu machen. Angesichts des zu berücksichtigen Zweckes, nämlich die Mauerlücke der Talabschlussmauer schnell und einfach gegen Überfall zu sichern, fand man hier eine innovative und einfache handhabbare technische Lösung. Nach dem Eisenbahntor überbrückt die Nordlinie drei eigene Viadukte, bevor sie auf dem Rham in die Linie nach Trier mündet.36
Abb. 6: Luxemburg, Eisenbahntor an der Nordstrecke (Luxemburg-Lüttich, 1859), Feldseite, Photo: T. Lucas, 2013.
Abb. 7: Magdeburg, kasemattierte Profilmauer am Westlichen Eisenbahntor (1874) der Kurtine I-II, Photo: V. Mende, 2005.
Doch wie sollte man, um einen zu verteidigenden Abschnitt bilden zu können, das innere Tor lagern? Die Lösung ist genial und verglichen mit preußischen Eisenbahn-Festungstoren seiner Zeit zugleich einzigartig. Eisenbahnfestungstore lagen entweder freistehend, wie etwa in Posen bzw. am inneren Wittenberger Tor in Magdeburg (Abb. 7) oder führten durch eine Kasematte mit Deckwall, wie etwa die Tore in Erfurt. Die Geniedirektion Luxemburg wählte ein, an einer Kette über
Der kurze Hoehlen-Viadukt weist noch heute eine besondere Eigenart auf. Während in preußischen Viadukten mit Mauerwerksbögen, beispielsweise in Schlesien, oder auch im Donau-Viadukt in der Bundesfestung Ulm der Eingang in die Minenkammern der Pfeiler von der Fahrbahnseite aus erfolgte, weist dieser Viadukt ebenerdige Zugangspforten auf. Noch heute sind sie, zwar zugemauert, aber dennoch deutlich am Hoehlen-Viadukt (Abb. 8) zu sehen. Von vorn herein hatte
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Bibliographie
Bibliographie Originalquellen Archives de la Ville de Luxembourg LU 02.1, LU 22.1, LU II 11 Nr. 484; LU III Nr. 962, 1011.
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GSta PK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: I. HA, Rep. 75D, Nr. 346, 365, 405, 476, 1549; Rep. 89, Nr. 29595; Rep. 90A, Nr. 4277, 4286;
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ISBN 978-2-87985-221-8