Februar 2015
Wandel mit Wurzeln
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ADRESSE: Vorbergstraße 8 • 10823 Berlin
Editorial
„Wenn alle das tun würden ...!“ ls Ermahnung von Erwachsenen fand ich diesen Spruch schon als Kind dumm und unlogisch. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle „Das“ tun, ist einfach zu gering. Das schreckt nicht ab, wirkt höchstens lächerlich. Allerdings – andersherum, als Aufruf, eine Utopie zu leben, als Hoffnung des Idealisten, als „Imagine!“, geht das.
Foto: Arrow Mae
Angenommen, dieses „Das“ steht für Urban Gardening – da könnte man ja fast meinen, dass wirklich schon alle dabei sind. Wie auch wir als Mitglieder des mörchenparks. An vielen Stellen der Welt wachsen Keimzellen, die eine neue Art und Weise ausbrüten, wie man mit der Erde umgeht, mit den Mitmenschen und auch mit sich selber. Ob das die Stadtgärtner sind, oder die Grassroots-Initiativen, die den Übergang in eine Welt ohne Konsumdiktat, ohne Erdöl, ohne CO2 vorbereiten (siehe „Wachstumswende handgemacht“, S. 30); oder das naturnahe Miteinander der Burning-Man-Kultur (siehe „Von Playa zu Pampa: Burning Bär“, S. 36) – alle setzen sie auf die Rückkehr zu natürlichen Kreisläufen, auf Re-Lokalisierung, soziale Resilienz durch Gemeinschaft. Und das gerade in der Großstadt! Wie der Otter in unserem Comic sagt: „Stadt fetzt!“. Dazu gehört auch die Rückbesinnung auf einfaches Leben und einheimische Natur („Lokalhelden“, S. 10 und „The Return of the Natives“, S. 40). Und auf wen gehen viele dieser Ansätze zurück? Natürlich auf den Permakultur-Visionär Bill Mollison: siehe unser Interview mit Nana Yuriko („Perma – was? Fragen an Nana“, S. 12). Ein Wandel mit Wurzeln. Wie das erstaunliche Detroit. Eine Stadt ohne Geld besinnt sich aufs Wesentliche: den Anbau von Nahrung in der entleerten Innenstadt. Damit verbessert sie Umwelt und Lebensqualität, wird zum Vorbild und zum Magneten für Künstler, Berlin steigt ein. Wer könnte diese Story besser erzählen als unsere Autoren Sven von Thülen & Felix Denk? Auch zuviel Geld kann einer Stadt schaden: Leerstehende Spekulationsobjekte lassen die Innenstadt absterben, es bildet sich eine dörfliche Gemeinschaft auf den Kanälen – sogar eine renommierte Korrespondentin zieht aufs Hausboot (siehe unser Interview mit Annette Dittert: „London zieht aufs Wasser“, S. 20). Eine Welt ganz ohne Geld ist die möRRR. Alle Autoren, Fotografen, Künstler, Designer, Redakteure – jeder einzelne hat hier mitgearbeitet, ohne auch nur einen Cent dafür zu bekommen. Wenn das alle tun würden. Nein, im Ernst jetzt: Peace, Love und Permakultur. Monika Dietl
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Inhalt Playlist Der Soundtrack zum Lesen
Die Sehnsucht des Städters nach ein bisschen Erde
Ein Zwerg, ein Zaun, ein Regenwurm Schrebergarten vs. Urban Gardening
Lokalhelden Wiederentdeckte Kräfte wildwachsender Heilpflanzen
Perma – Was? Fragen an Nana Interwiew mit der Permakulturistin Nana Yuriko (1973–2014)
Detroit Eine Stadt mit Lösungen: Felder, Künstler und Berlin
London zieht aufs Wasser
Detroit.Berlin
06 08 10 12 16 20 22
Lebendige Hausbootszene, tote Innenstadt
Häuser aus Hanf Ein Baustoff mit Zukunft
Ausgabe
#01/2015 Parklife Bildstrecke
Erwischt! Inside mörchenpark
Kein Geld für Alle! Wachstumswende handgemacht
Nele Brönner, Berlin Illustratorin, Comiczeichnerin und Dozentin. Die Abenteuer von Otter und Biber, S. 40 und Illustrationen „Mich inspirieren Geschichten und Gegenstände, die meine Imagination herausfordern, spazieren gehen und dieses renitente Versunkensein, bevor ich anfange zu arbeiten.“
O.M.A. packt an Interview mit einer besonderen Inklusionsfirma
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Burning Bär: Playa grüßt Pampa So funktioniert die Burning Man Kultur
The Return of the Natives
Comic: Die Abenteuer von Otter und Biber
Mörchen-Platte Ein Herz für Obdachlose
Sibylle Sterzer von sterzerPR, Berlin schreibt leidenschaftlich gern und verdient auch ihr Geld damit. Die Sehnsucht des Städters nach ein bisschen Erde, S. 6 Ist Leihen das bessere Tauschen?, S. 31 „Was mich begeistert? Genial einfache Ideen und furchtlose MacherInnen.“
Spiritus Loci
Orte mit aussergewöhnlichen Eigenschaften
Ein Mantel für den Straßenbaum Rubrik: Die Prinzessin auf der Erbse
W
ahnsinn war das, als wir das erste Mal Cocktailtomaten von unserem Balkon gegessen haben. Es ist ein Südbalkon mitten in Berlin. Selten haben Tomaten so süß geschmeckt. Dass wir an einer Hauptverkehrsstraße wohnen und die Tomaten zeitlebens Abgase geatmet haben, wurde uns erst im Nachhinein bewusst. Das mit dem Tomatenzüchten haben wir inzwischen aufgegeben, nicht so sehr wegen der Abgase, sondern wegen der scheinbar unvermeidliche Läuse. Pestizide sollen ja noch ungesünder sein, als gut verdünnte Abgase im zweiten Stock. Dafür könnten wir eigentlich zusammen mit den Nachbarn in unserem Hinterhof Kräuter züchten wie die Gemeinschaftsgärtner am Kreuzberger Mehringplatz. Die haben seit geraumer Zeit eine riesige Baustelle, mit ganz viel Lärm und einem großzügig bemessenen Bauzaun. Daran hat eine Aktivistin Tetrapacks aufgehängt und züchtet darin mit den Nachbarn allerlei nahrhaftes Grünzeug. Wer Petersilie oder Schnittlauch braucht, huscht schnell in Pantoffeln zum Zaun und schneidet es sich ab. Übermorgen ist es wieder nachgewachsen. Die Sehnsucht nach der urbanen Landwirtschaft ist eine alte. Schon im 18. Jahrhundert richteten wohlmeinende Adelige so genannte Armengärten für hungernde Städter ein und auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden vermehrt Flächen als
Schrebergärten ausgewiesen, damit die Menschen dort selbst ihren nachkriegsbedingt mageren Speisezettel aufbessern konnten. Schrebergärten sind nach wie vor heiß begehrt; es gibt aber inzwischen auch Alternativen und die haben die Urban Gardening-Aktivisten geschaffen. Mit zielsicherem Blick finden sie jedes Eckchen und jeden Mauerspalt, in dem etwas wachsen könnte, was den Menschen ernährt oder ihn – im Fall von blühendem Grün – schlicht erfreut. Die Ziele der Urban Gardening-Aktivisten sind dabei recht unterschiedlich. Manche streben eine von Nahrungsmittelkonzernen autonome Essensversorgung an, andere wollen es einfach ein bißchen saisonaler und regionaler, um zumindest einen Teil der langen, die Umwelt belastenden Transporte einzusparen. Manch einem geht es um weltweite Gerechtigkeit, andere trauen nur dem Essen, das sie selbst gepflanzt haben und wieder andere wollen ihren Kindern zeigen, dass Möhren nicht im Supermarktregal wachsen. Auch soziokulturelle Aspekte, wie das „Zusammenwachsen“ von Gemeinschaften, können eine Rolle spielen. Der Künstlergruppe „Pony Pedro“ ging es um die sinnvolle Nutzung eines völlig verwahrlosten Parkhauses, das nur noch von todesmutigen Autobesitzern und Junkies frequentiert wurde. Sie legten auf dem obersten Parkdeck des Parkhauses am Kottbusser Tor Beete in der Größe der Parkbuchten an und verliehen sie an die Anwohner. Pro Anwohner ein Parkplatzbeet. Und die kamen, pflanzten und ernteten begeistert. Leider handelte es sich um eine zeitlich befristete Kunstaktion. Aber es wurde deutlich, dass man auf dem Platz, den ein Auto einnimmt, auch ganz ordentlich Nahrung ernten könnte. Man stelle sich vor, der ganze für Autos reservierte Platz käme urbaner Landwirtschaft zugute! Im Park Gleisdreieck gibt es den „Interkulturellen Garten“, in dem ursprünglich Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und inzwischen Menschen aus aller Herren
Text: Sibylle Sterzer
Die Sehnsucht des Städters nach ein bisschen Erde
Foto: Franziska Gronwald
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Länder gemeinsam landwirtschaften. Ein ähnliches Projekt gibt es auf dem Tempelhofer Feld. Zwischendurch hatten die Gemeinschaftsgärtner die Beete schon mal abgeräumt, weil der Zwischennutzungsvertrag ausgelaufen war. Aber der Volksentscheid 100% Tempelhofer Feld ermöglichte das Weitergärtnern. Heute ist das „Allmende-Kontor“ mit rund 250 Beeten eine der größten Hochbeetanlagen der Welt. Urban Gardening am Moritzplatz hat sich als resilient erwiesen. Dort befindet sich seit mittlerweile fünf Jahren ein kleines, öffentlich zugängliches Paradies. 2009 haben Urban GardeningAktivisten die seit 60 Jahren bestehende, komplett vermüllte Brache von Unrat befreit und unter Beteiligung vieler freiwilliger Helfer in den heute weltweit bekannten „Prinzessinnengarten“ verwandelt. Ursprünglich war er nur als Zwischennutzungsprojekt geplant und deshalb mobil in transportablen Beeten angelegt, die tatsächlich eines schönen Spätherbsttages in einer endlos langen Einkaufswagenschlange in eine nahe Markthalle zum Überwintern gekarrt wurden. Nachdem sich Deutschland aber sogar auf der Expo in Shanghai mit dem Prinzessinnengarten geschmückt hat und er sich unermesslicher Beliebtheit bei Alt und Jung aus nah und fern erfreut, darf er bleiben. Und jeder darf mitgärtnern. Sogar die Minze für den Tee „darf“ man sich im Gartencafé selbst pflücken. „The next big thing“ nach Urban Gardening, wird gemunkelt, sei „Urban Indoor Farming“, „denn nicht jeder hat einen mör-
chenpark vor der Haustür“, wie Dimitri Hegemann es ausdrückt. Das Kreuzberger Startup „Infarm“ züchtet in einer Fabriketage Essbares, hauptsächlich Sprossen, Keimlinge und Kräuter – und zwar ohne Sonne und Erde. Sie wollen damit nicht weniger als die urbane Lebensmittelversorgung revolutionieren. Auch in Hegemanns Kraftwerk überlegt man, im so genannten Basement auf 4.000 m2 Kräuter zu kultivieren. Die sollen dann im Tresor direkt den Feiernden zugute kommen und ihnen die nötigen Nährstoffe und Energie liefern. An der Holzmarktstraße, auf einer dreimal so großen Fläche wie dem Prinzessinnengarten, entstehen seit Ende 2012 noch weiter reichende Projekte: Holzmarkt und mörchenpark. Während die Stadtvisionäre vom Holzmarkt in dörflicher Struktur neue Formen des Zusammenlebens und -arbeitens entwickeln wollen, entsteht mit dem Mörchenpark ein Mitmach-, Spiel- und Lerngarten für alle, auf der Basis von Permakultur. Am 1. Mai 2013 konnten die Berliner das erste Mal die 18.000 m² große Brache an der Spree, den einstigen Standort der sagenumwobenen Bar 25, begutachten. Ein etwa 40 m² großes Areal war als Pflanzfläche freigegeben worden und jeder durfte mitmachen. Die Menschen strömten zu Tausenden auf das staubige Gelände und viele brachten Pflanzen und Samen mit. In den Monaten darauf entstanden rund um die Pflanzung geheimnisvolle Hütten, in denen unterschiedlichste Aktivitäten und Veranstaltungen stattfanden. Ein Aquaponiksystem wurde errichtet, in dem Fische und Gemüse in einem ewigen Wasserkreislauf in einem symbiotischen Verhältnis miteinander gedeihen und später das Restaurant beliefern sollen. Viele Freiwillige haben den ersten Teil eines Uferwanderwegs gebaut. Heute ist das Gelände eine riesige Baustelle, von der erst im Frühjahr wieder ein Teil öffentlich zugänglich sein wird.
Foto: Meike Hofmann
Das mit dem Saatgut für die Pflanzfläche hatten wir leider übersehen. Also haben wir schnell die mitgebrachten Äpfel aufgefuttert und dann die Kerngehäuse eingepflanzt. Wir haben allerdings die Befürchtung, dass jeder Zentimeter mehrfach bepflanzt wurde. Heute steht dort ein Apfelbaum. Er ist allerdings mindestens zwei Meter groß, also eher nicht von unseren Kernen. Obwohl an diesem Ort ja ständig Wunder geschehen. ■■■
„The next big thing“ nach Urban Gardening, wird gemunkelt, sei „Urban Indoor Farming“ ... siehe auch www.verticalfarm.com
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EIN ZWERG, EIN ZAUN, EIN REGENWURM Was ist das nur mit dieser urbanen Landwirtschaft überall?
„Ich bin die Mutter allen Urban Gardenings“, sagt der Balkon. „Alter Wein in neuen Schläuchen“, sagt der Laubenpieper. „Ja und nein“, sagen wir.
„Mir doch egal“, sagt der Regenwurm.
Lokaler Anbau, Klimaverbesserung Entstanden zu Zeiten zunehmender Industrialisierung und wachsender Armut Parzellen Gepachtet Rasen
Klima-, Welt- und Bodenverbesserung, Re-Lokalisierung Entstanden zu Zeiten von Klimawandel, Wirtschaftskrisen und wachsender Armut Brachen, Parkdecks, Dächer, Ritzen und Ecken Besetzt Naschwiese
Unkraut
Lokale Wild- und Heilpflanzen
Blumen
Gemüse
Bundeskleingartengesetz
Rückbesinnung auf die Gesetze der Natur
Kolonie-Nutzungsordnung
Frischluft-Codex
Integration Durchschnittsalter älter Blick über die Hecke Zaun Sat-Schüsseln Wochenende Zwerge camp
Multikulturelle Gärten Durchschnittsalter jung Teilhabe und Gemeinschaft Open source Lagerfeuer Tag und Nacht Aktivisten hip
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Ein Balkon in der Großstadt. Eine Brache auf dem Balkon. Ein leerer Topf nur mit brüchiger, trockener Erde, Grab einer im Winter gestorbenen Pflanze. Die Töpfe darum herum voll mit frisch gekauften Schönheiten, gewässert, gedüngt, entlaust. Die trockene Brachentopf- Erde wird immer rissiger. Und trotzdem. Da wächst etwas. Unbeachtet. „Unkraut“ gießt man ja nicht. Die kargen Blätter zeigen Spuren der harten Bedingungen. Aber der Stängel wächst lang nach oben, kantig, borstig, rauh, und dann verzweigt er sich. Eines Tages, der Topf hat ein paar Regentropfen abgekommen, fast wie ein Schock: Blüten. Kornblumenartig, mit einem Blau, strahlender als die blaue Blume der Romantik. Es ist eine Wegwarte.
„Früher waren die an jeder Ecke“, sagt die Mutter. „Jetzt sind sie fast ausgestorben.“ Die Wegwarte heißt auch Zichorie, zu Kriegszeiten hat man aus der Wurzel Kaffee geröstet, den Zichorien- oder Ersatzkaffee. Die Pfahlwurzel enthält kostbare Bitterstoffe und Inulin, wertvoll für Diabetiker. Im Mittelalter wurde sie zur Arzneimittelherstellung verwendet, Paracelsus und Kneipp preisen ihre Heilwirkung für Milz und Leber. Traditionell wird sie auch als Sedativ, zur Stressminderung eingesetzt. 2009 war sie „Pflanze des Jahres“ in Deutschland. Als Pionierpflanze hat sie unfruchtbare Böden erschlossen, geriet aber dann in Vergessenheit, weil glatte und „gepflegte“ Grünflächen gefragt waren und Distelartiges nicht mehr in die gärtnerische Planungsästhetik passte.
Foto: Wegwarte
»Der Vater holt ein Buch.« „1400 wildwachsende Pflanzenarten in Berlin, davon 1100 einheimisch ... viele Heilpflanzen ... Koevolution von Pflanzen und Tieren ...“
Foto: Königskerze © Rolf Handke/PIXELIO
Die Pflanzengattung „Königskerze“ (Verbascum) umfasst 300 Arten. Hippokrates empfiehlt Verbascum als Heilpflanze zur Wundbehandlung. Als schleimlösendes und harntreibendes Mittel wird sie gegen Erkältungen eingesetzt. Sie enthält Flavone und auch Saponine, die für Fische giftig sein sollen. Aristoteles erwähnt sie deshalb als Hilfe zum Fischfang.
»„Hey! Hierher!“, schreit es vom Fluss herauf«
»Eine Brache an der Spree« „Auf dem Boden wächst doch nichts“, sagt man. Das „Nichts“ bedeckt schon die halbe Fläche, ist grün und wehrhaft. Viele einheimische Pflanzen haben hier Zuflucht gefunden, das ist der Boden, das ist die Witterung, an die sie sich über Jahrtausende hinweg angepasst haben. Sie bringen die nötige Widerstandskraft, um hier zu überleben, ohne jede Hilfe des Menschen. Bald soll dieser Platz „kultiviert“ werden. Aus irgendeinem Grund läuft ein geschorener Pudel durchs Bild. „Kuckt mal, die nehmen wir mit“, ruft ein Kind. Eins von denen, deren Lieblingsspielplatz die Brache ist. Er deutet auf eine leuchtendgelb blühende Wildstaude. „Die ist in dem Buch von meinem Papa!“ „Ach so, die wächst auch an der Autobahn“, sagt ein Mädchen verächtlich über die Pflanze des Jahres 1999, eine Königskerze.
Dann stehen sie alle gebannt am Wasser um eine krautige Pflanze mit violetten Blüten herum. Vorsichtig fasst ein Junge eins der dunkelgrünen, herzförmigen Blätter an. „Meine Oma sagt, dass einzelne Stücke Fleisch im Kochtopf wieder zusammenwachsen, wenn man die Blätter hier mitkocht,“ hatte er gerade erzählt. „Das will ich sehen“, sagt das Mädchen und ein paar Blätter und ein Stück Wurzel des Beinwell wandern in die Schultasche. Die Oma hätte auch noch gewusst, dass das Allantoin im Beinwell gut für die Haut ist, dass er Knochen heilt und den Boden verbessert, auf dem er steht. Und da steht und wartet sie geduldig in dieser kleinen Brachen-Wildnis, die Apotheke der Natur, während nebenan in einer Grünanlage eine schöne, aber nutzlose Züchtung von Läusen zerfressen wird und irgendwo ein Gärtner seine Unkrautharken wetzt. Wir bleiben, sagen die Einheimischen. Wir überleben euch alle. Von Hansi und Franzi
Foto: Beinwell © Maria Lanznaster/PIXELIO
Quelle: Bei Nicholas Culpeper ist nachzulesen: „Der Beinwell hat eine solche Kraft zu heilen und zusammenzufügen, dass zerteilte Fleischstücke wieder zusammenwachsen, wenn man sie mit Beinwell in einem Topf kocht.“ (wikipedia)
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PERMA – WAS? BAGGER ZU BÄUMEN!
So heißt die Devise an der Spree zwischen Schilling- und Michaelkirchbrücke. Auch wenn sich die Bagger derzeit noch mächtig austoben, soll auf dem Holzmarkt-Gelände einmal ein kleines Paradies aus grüner Natur prangen, in einer Vielfalt von Pflanzen und anderen Lebewesen, den Bedingungen des Ortes optimal angepasst, harmo-
FRAGEN AN NANA.
nisch ruhend im natürlichen Gleichgewicht. Hoppla! Das klingt doch nach Permakultur! Stimmt.
Und zwar sollen nicht nur dem Grün permakulturelle Erkenntnisse zugutekommen, sondern auch die soziale Komponente der Permakultur spielt mit. Denn: der Holzmarkt ist nicht nur Gründerzentrum, Studentenwohnheim, Club, Theater, Hotel und Restaurant – Leben im Dorf ermöglicht dort neue Formen des Miteinanders in Alltag und Arbeit. Alles umgeben von der grünen Freiheit des mörchenparks. Mitgeplant und mitentwickelt von Permakulturistin Nana Yuriko, die uns in einem ihrer letzten Interviews Auskunft gab.
möRRR Bitte erkläre erstmal kurz, warum urbane Landwirtschaft und urbanes Gärtnern so wichtig sind. ■ NANA Also erstmal geht‘s darum, die Städter bewusst zu machen für die natürlichen Kreisläufe, den Kindern und Jugendlichen zu zeigen, woher kommen die Möhrchen eigentlich und wie wachsen die, was entsteht aus dem Samen, also diese Kreisläufe erfahrbar zu machen. Dann gibt es auch ein gewisses Bedürfnis des Städters, sich zu verbinden mit der Natur, draußen zu sein, die Hände in die Erde zu tauchen. möRRR Glaubst du, dass sich das Stadtklima
verbessert, und auch der CO2-Ausstoß weltweit sinkt, wenn in den Städten angebaut wird?
■ NANA Ja, das ist ja auch bekannt, so dass aus dem Grund z.B. Dachbegrünungen subventioniert werden, weil das CO2 gebunden wird. Das Klima wird verbessert, auch das Wohlfühlklima. Darüberhinaus kommt der Nutzen, lokale Angebote angesichts der Globalisierung, “think global, act local” finde ich nach wie vor ein sehr wichtiges Thema.
möRRR Wenn du als baldige Absolventin der Permakultur-Akademie auf das Gelände schaust, hast du ja das System als Ganzes im Auge, also welche Kombinationen von welchen Pflanzen wie auf dem Platz angeordnet unterstützen sich gegenseitig, ergeben die größtmögliche Synergie – kannst du einen kleinen Einblick geben? ■ NANA Das Gelände ist natürlich Perle. Wir haben eine wunderbare Süd-West-Ausrichtung und haben den ganzen Tag volle Sonne. Was ich so sehe ist noch recht abstrakt, das Gelände wird sich je nach Bauphase schließlich immer weiter verändern. Gottseidank sind die Gebäude auf dem Nordteil, und die Fassaden sind auf der Südseite, das eignet sich also hervorragend, um da Anlehn-Gewächshäuser zu bauen. möRRR Siehst du vor deinem geistigen Auge schon, wie viele Bäume es z.B. geben wird, wie viele niedrige Gewächse? ■ NANA Wir werden überall, wo es geht, Bäume pflanzen, und das passiert auch schon. Aber wir müssen jetzt erstmal zum Schutz der Bäume den Bau der Häuser abwarten, damit die nicht so gestresst werden. Es gibt ein paar Bäume, die sind fest installiert, um die wird drumrumgebaut.
NANA YURIKO 1973–2014 Nana war die treibende Kraft und Inspiration im mörchenpark, die Seele des Gartens. Sie hat das Projekt von Anfang an mitgeplant und mitentwickelt, auch auf philosophischer Ebene. Seit 2011 studierte sie an der Permakultur Akademie mit dem Fokus soziale Permakultur, Terra Preta, Kompostierungssysteme, Wasserrückhaltung und Ressourceneffizienz. 2013 absolvierte sie das Multiplikatorentraining, um als Dozentin Permakultur in Einführungs-Workshops zu vermitteln. Sie war zweifache Mutter, Autorin, Grafik-Designerin, Kamerafrau und engagierte Filmemacherin; bekannt ist sie für den Film „Bar 25 – Tage außerhalb der Zeit“. Ihre letzte Dokumentation heißt „Together we create a new We – Now!“
Für uns ist es wichtig, dass es multifunktional ist. Mein Traum ist, dass ein Naschgarten entsteht, mit Obstbäumen, Nussgehölzen – das sind Sachen, die wachsen natürlich nicht so schnell ... Wir werden auch, für die Bienen, und auch einfach, weil‘s für uns schön ist, mit Weiden arbeiten, und das gibt auch ziemlich schnell was her.
möRRR Welcher Boden ist das hier? ■ NANA Momentan ist die Situation so: Wir haben das Gelände de-kontaminiert übergeben bekommen von der BSR, und das ist jetzt gefüllt mit einem Füllsand. Wir sind dabei, Stelle für Stelle mit Erde aufzufüllen, an machen Stellen haben wir noch Lehm-Untergrund, da wird jetzt nach und nach die Muttererde aufgegeben. Das ist auch eine große Aufgabe, Bodenverbesserung ist eins der großen Themen, derer wir uns annehmen wollen. Wir arbeiten mit stickstoffanreichernden Pflanzen, und wir werden in ein paar kleinen Mieten, auf ein paar Quadratmetern, einen Versuch starten: wir wollen selber terra preta, also hochwertigen Humus, “Schwarzerde”, herstellen. Das ist eine relativ einfache Sache, wir können die Holzkohle ernten, wir können den Küchenabfall ernten, dann kommen da noch Sachen dazu wie Gesteinsmehl,
Betonmehl, das gibt dann langlebigen Humus, der vermehrt sich auch selber. Wenn man den ausgibt, dann hebt er auch den Vererdungsprozess der bereits bestehenden Erde.
möRRR Ein permaculture design umfasst ja alles – Boden, Wetter, Wasser – und Bill Mollison stellt für fast alle Verhältnisse Lösungen vor – wie ist das hier z.B. mit dem Wind: Was kann man damit anfangen? ■ NANA Naja, wenn man Wind hat, dann sollte man den Wind auch nutzen. Ich habe so kleine Vision von Windrädchen – ich bin da auch im Gespräch mit der EnergieAbteilung des Holzmarkts, da ist ein Team, das sich nur mit erneuerbaren Energien beschäftigt, da muss man mal kucken, was da im Kosten-Nutzen-Verhältnis am effizientesten ist. möRRR Wie kann man sich das Studium an der
Permakultur-Akademie vorstellen – sitzt man am Tisch und zeichnet Diagramme von Erdschichten, oder muss man auch ein Design pflanzen, vielleicht einen Bonsai-Garten als Diplomarbeit?
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■ NANA Schöne Frage. Das ist ein ganz besonderer
Lernansatz, es ist ein sehr individuelles Lernen. Die Diplomarbeit ist, zehn Projekte zu präsentieren, die teilweise realisiert, teilweise geplant wurden, und davon muss mindestens eins ein gärtnerisches Projekt sein, und mindestens eines kein gärtnerisches Projekt. Das kann dann auch ein rein soziales Projekt sein – das ist ein wichtiger Gesichtspunkt der Permakultur, die Säulen sind ökologisch, ökonomisch, und sozial, und es fließen alle Aspekte immer mit herein. Die ethischen Säulen sind “earth care, people care, and fair share” – das bedeutet, Sorge für die Erde zu tragen, Sorge für die Menschen zu tragen, und die gerechte Verteilung. Das bezieht sich auch auf dich selber. Wenn du nur gibst, aber selber zu kurz kommst, ist das auch kein fair share und people care. Das ist eben der ganzheitliche Ansatz. Permakultur wird oft missverstanden als “gardening”, aber es ist ja weit mehr, es geht in alle Bereiche, in Architektur, in Gemeinschaftsbildung, und auch Gemeinwohl-Ökonomie.
möRRR Geht ihr nach den Büchern von Bill Mollison vor? ■ NANA Der Basiskurs, auf dem das Studium basiert, geht nach dem Curriculum von Bill Mollison vor, wird weltweit angeboten; aber es gibt nur wenige Länder, die darüberhinausgehen, wie Deutschland und England, wo es
Adademien gibt, die auch auf den Lehren von Bill Mollison und David Holmgren aufgebaut sind. Dann gibt es noch die Sepp-Holzer-Permakultur, die hat weniger den sozialen Aspekt. Sepp Holzer kennt halt wirklich jede Pflanze und wie sie alle zusammenspielen, er ist auch ein Meister der Wasser-Rückhaltung, in Portugal hat er wunderbare Seen angelegt. Dann gibt es Masanobu Fukuoka, der war Bauer und Philosoph in Japan, der hat es auch wunderbar verstanden, die Pflanzen zu kombinieren, hat mit Tee gearbeitet, ist ohne Pestizide ausgekommen. Damals hat man das noch gar nicht Permakultur genannt.
möRRR Thema Wasser: Das ist ja der Fluss. Was planst du mit Wasser? ■ NANA Also um mal eins klarzustellen: Wir dürfen weder Wasser vom Fluss verwenden, noch Wasser in den Fluss leiten. Was wir machen können, ist, Regenwasser aufzufangen, über Zisternen, das ist eine absolut sinnvolle Form der Wassergewinnung, weil, es regnet genug. Wir haben genug Wasser in Berlin, scheinbar, aber wir haben kein besonders großes Grundwasser-depot. Es reicht, aber es ist sinnvoll, Regenwasser aufzufangen, es ist kostbarstes Wasser, es ist kostenlos, und das Beste, was unsere Pflanzen zu sich nehmen können.
t ... is ) re u lt u c ri g a t (permanen e r u lt u c a m r e P „ e ystemen, die di tragreichen Ökos er ch tli af ch rts n landwi standhaltung vo n.“ * (design) und In g un an Pl osystemen habe te , Tiere und Land Ök ss en ... die bewu , in dem Pflanzen t von natürlich af em kr st ds Sy an ein ein st n er an id twickelt m ät und W Kombinatio Vielfalt, Stabilit rch die richtige s) in der Natur en ) rstützen und du Mustern (pattern te n un vo g ig un eit David Holmgren ht ns it ac m ge e Durch Beob dass sie sich ge ollison (teilweis , M en ll rd Bi r we y). fü r rg llt nu te ne anderges hläge nicht nzelteile (sy schaft so zuein e Lösungsvorsc Summe seiner Ei ich e re di hl s al za e d al ist un ob er gl das größ entwickelt lternative Ganzes ensteht, gien für eine „a haft“ * seit 1972 bis hin zu Strate äre Erd-Wissensc e lin em ip st isz Versorgung mit Sy rd e le te di zia „in hat diese d Menschen, itektur und so un ch ft Ar ha r sc fü nd ch eise La au n sondern tegration vo e nachhaltige W Landwirtschaft, harmonische In rfnissen auf ein ie dü „d Be ist len el iel Zi er . ntlicht nicht-mat Nation“ * veröffe materiellen und ch und anderen da Ob e, gi er En Nahrung, * gewährleistet.“ ications 1988 ual“, Tagari Publ Designer‘s Man A : re tu ul ac m er * Bill Mollison, „P
möRRR Permaculture heißt ja auch, dass das System einmal weitgehend self-maintained ist, dass alles im stabilen Gleichgewicht ist – kannst du dich irgendwann in den Schaukelstuhl setzen und sagen, jetzt rollt‘s? ■ NANA Also, zu tun wird es immer etwas geben. Man spricht in der Permakultur immer von DreijahresZyklen. In drei Jahren kannst du eine Wüste zu einer lebendigen Oase machen. Innerhalb von drei Jahren kannst du ein Gelände permakulturell entwickeln. Insofern würde ich sagen: Drei Jahre, das ist ein guter Zyklus. Wir machen hier keine monokulturelle Landwirtschaft, wo wir sagen, im nächsten Jahr wollen wir schon ein komplettes setup. Wir arbeiten Schritt für Schritt, langsame Lösungen, so arbeitet die Natur auch. ■ ■ ■
Transition Towns oder „Städte im Wandel“ ... ... sind Grassroots-Initiativen, Gruppen, Stadtviertel oder Städte, die den Übergang in eine Post-Erdöl, Post-CO2 und Post-Wachstums-Welt einleiten. 2004 fing der englische Permakulturist Rob Hopkins an, angesichts von Ölfördermaximum, Klimawandel und wirtschaftlicher Instabilität ein Transition-Modell zu entwickeln. Grundlage ist das Prinzip der Permakultur, wonach landwirtschaftliche Systeme so effizient und resilient (widerstandsfähig) wie natürliche Systeme werden, wenn man sie nach den Mustern der Natur gestaltet. Auf soziale Gefüge angewendet, entwickeln Gemeinschaften soziale Resilienz gegenüber wirtschaftlichen oder klimatischen Schocks. 2013 gab es weltweit über 1000 Transition Towns. Die Methoden: einfaches Leben, Relokalisierung von Anbau, Produktion und Währung, Upcycling – eben „The Power of just doing stuff“ * * Rob Hopkins, Green Books 2013
Foto: Chris Driesen
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Detroit
Fast 25 Jahre alt ist das Thema Detroit/Berlin. Große Wellen hat es all die Jahre nicht geschlagen, aber jetzt scheint alles auf einmal zu passieren. Projekte, die schon in den 90ern angedacht waren, nehmen jetzt Gestalt an. Es gibt inzwischen die vielbeachtete „Detroit-Berlin-Connection“; die gleichnamige Konferenz hat schon zweimal in „the D“ getagt und allerorts tun sich neue Möglichkeiten auf. Jenseits von jedem Hype erfindet eine Stadt sich neu. Und zwar von Grund und Boden auf: ein Wandel mit Wurzeln.
Zarte Triebe enn es bis vor Kurzem noch Meldungen aus und über Detroit gab, dann hatten sie ausschließlich mit dem Verfall der einst blühenden Autostadt zu tun. Eigentlich kein neues Thema, denn dieser Prozess ist spätestens seit der Ölkrise Anfang der 70er Jahre im Gange. Als Richard Snyder, der Gouverneur von Michigan, im Sommer 2013 den Bankrott der Stadt verkündete, blitzte wieder die merkwürdige Faszination für den Niedergang der Stadt auf, die einmal als „Paris des Mittleren Westens“ bezeichnet wurde. Da waren sie wieder, die apokalyptischen Bilder von menschenleeren Straßen, einstürzenden Häusern und verrottenden Industrieruinen. Das Image des öden Orts des Spätkapitalismus klebt ziemlich hartnäckig an Detroit. Dabei sprießen am Lake Michigan durchaus zarte Triebe, die Hoffnung geben, was die Stadtentwicklung angeht. Und dafür ist etwa „Keep Growing Detroit“ verantwortlich, eine NonprofitOrganisation, die öffentliche Gärten und Urban Farming Projekte unterstützt. Das Ziel von „Keep Growing Detroit“ ist nicht weniger als „food sovereignity“ in der Stadt herzustellen. Soll heißen: Der Großteil an Obst und Gemüse, der von Detroitern verzehrt wird, soll in vielen kleinen und großen innerstädtischen Gärten angebaut und geerntet werden. Aus der Industriemetropole soll eine Urban Farming Metropole werden.
Foto: Chuk Nowak
Wie das rostige Detroit zur grünen Stadt werden soll
Was hier geplant wird, ist nichts weniger als eine Kulturrevolution. Es ist keine drei Jahre her, da konnte man in der Detroiter Innenstadt nur am Eastern Market frisches Obst und Gemüse kaufen. Und auch das nur einmal die Woche. Mittlerweile hat sich einiges getan. „Keep Growing Detroit“ ist angetreten, um die Vormacht von Fast Food und der Lebensmittelindustrie zu brechen und ein neues Bewusstsein für Ernährung herzustellen. Genug freie Flächen gibt es ja. In den letzten fünfzig Jahren ist die Zahl der Bevölkerung Detroits um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Entsprechend viel freies Feld gibt es in der Innenstadt. Ganz neu ist die Idee nicht. Tatsächlich hat Urban Farming in Detroit eine lange Tradition. Ende des 19. Jahrhunderts gab es die so genannten „Pingree‘s Potato Patches“, innerstädtische Gärten, benannt nach Detroits damaligem Bürgermeister Haze S. Pingree, der zur Bekämpfung von Massenarbeitslosigkeit und Armut 1895 Grundbesitzer gebeten hatte, Freiflächen zur landwirtschaftlichen Nutzung für Arme zur Verfügung zu stellen. Heute, knapp 120 Jahre später, ist die Stadt wieder von Krisen gebeutelt und Urban Farming aktueller denn je. Nach
Angaben von „Keep Growing Detroit“ beteiligen sich bisher etwa 16.000 Detroiter in über 1.300 innerstädtischen Gärten daran, die Vision der Ernährungsouveränität Wirklichkeit werden zu lassen. Der Weg ist noch lang. Bei einer Einwohnerzahl von knapp 700.000 bedeutet das, dass etwa einer von fünfzig Detroitern sich auf die ein oder andere Weise am Urban Farming beteiligt. Damit es noch mehr werden, ist das Angebot niederschwellig gehalten: Für 10 oder 20 Dollar im Jahr bekommen Familien Saatgut, Pflanzen, Ausrüstung sowie Hilfestellung bei der Suche und dem Anmieten eines Gartens. Im Beitrag ist auch ein Programm inklusive, das nicht nur Tipps und Tricks rund um den Gemüseanbau vermittelt, sondern auch, was man mit der Ernte machen kann. Workshops zeigen Techniken der Haltbarmachung wie Einlegen und Fermentieren. Das wäre natürlich eine Pointe: Detroit, vor hundert Jahren eine Schlüsselstadt der Industrialisierung, seit fünfzig Jahren ein Mahnmal für die zerstörerischen Kräfte des Kapitalismus, könnte wieder eine Vorreiterrolle erlangen: Wie man schrumpfende Städte lebenswert macht. Davon könnte die ganze Welt eine Menge lernen.
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Foto: Sebastian Meissner
Berlin und Detroit Seit den frühen Neunzigern befinden sich Detroit und Berlin in einer kulturellen Rückkopplung. Ausgangspunkt war und ist elektronische Musik im Allgemeinen und Techno im Besonderen. Zwei der wichtigsten Koordinaten für die gemeinhin etwas militärisch „Detroit-Berlin-Axis“ genannten Austausch kann man in den beiden Berliner Techno-Institutionen Hard Wax und Tresor finden. Der Ende 1989 eröffnete Plattenladen Hard Wax war der erste deutsche Plattenladen, der sich ab 1990 die Mühe machte, Techno- und House-Platten aus Detroit ausfindig zu machen und direkt zu importieren. Ein Ort, wo man all diese Platten ab März 1991 Woche für Woche hören konnte, war der Tresor. Damals noch unbekannte Techno-Pioniere wie Jeff Mills, Mike Banks, Robert Hood oder Blake Baxter gehörten zu den ersten internationalen Gästen des Clubs – nur ein paar Wochen nach der Eröffnung. Der harte Maschinensound und die rauhe, politische Ästhetik von Acts wie Underground Resistance fiel im frisch wiedervereinten und zunehmend technobegeisterten Berlin auf fruchtbaren Boden. Im Herbst 1991 wurde der Club Tresor um das Label Tresor Records erweitert. X-101, die erste Veröffentlichung auf Tresor Records, kam aus Detroit. Wie auch ein Großteil der folgenden Platten. Viele davon in Zusammenarbeit mit Produzenten aus Berlin wie Moritz von Oswald und Thomas Fehlmann. Tresor und Hard Wax wurden zu einer festen Anlaufstellen für Detroiter DJs, Berlin eine zweite Heimat. Umgekehrt gingen die Berliner auch nach Detroit. Dimitri Hegemann, einer der Gründer des Tresor, war 1991 das erste Mal dort, Mark Ernestus von Hard Wax sogar schon Ende 1990. „Wenn du als Zentraleuropäer da hinkommst und die ganzen leer stehenden Gebäude siehst, die ja auch fast nichts kosten, dann siehst du natürlich erst mal die Entfaltungsmög-
Von Autostadt zu Aufbruchstadt
lichkeiten“, erzählt Ernestus. „Aber wenn man sein Leben lang beobachtet hat, wie die Stadt immer noch weiter verfällt, sieht man darin erst mal eine sehr konkrete Bedrohung – das nächste Crack-Haus, oder sie finden irgendwann Leichen auf dem Dachboden. Deshalb wurde Downsizing irgendwann fester Bestandteil der Stadtpolitik. Wer in Detroit Bürgermeister werden will, verspricht erst mal, 10.000 Ruinen abzureißen, das finden alle gut.“
Die DetroitBerlinConnectionConference „Seit den 90ern hat sich viel verändert“, sagt Dimitri Hegemann. „Es gibt immer noch die Ruinen, und man findet immer noch Angebote von 1000 Dollar für ein Haus, das man dann in sechs Monaten renovieren muss.“ Dadurch ist Detroit einmal mehr zu einer Projektionsfläche geworden. Ist es das neue Brooklyn, wird gefragt. Vielleicht sogar das neue Berlin? Die Mieten sind niedrig, der Leerstand groß. Tatsächlich ist die Stadt allein aus ökonomischen Gründen attraktiver denn je für Künstler und Kreative. „Es hat ein Wandel stattgefunden. Das hat Zeit gebraucht, es war ein langsamer Prozess, aber jetzt ist eine neue Generation herangewachsen,“ so Hegemann. „Im Augenblick begeistert mich dieser Wandel. Im Grunde ist es wie die Zeit, als die Mauer fiel. Alles geht nach vorne, diese Euphorie!“ Eine Frage, die sich für ihn stellt ist, ob diese Euphorie genug Kraft besitzt, nachhaltige Lösungen für Detroits große wirtschaftliche und soziale Probleme und Herausforderungen mitanzuschieben. Im Mai 2014 fand zum ersten Mal die Konferenz „Detroit-Berlin-Connection“ statt, auf der Kreative und Subkultur-Aktivisten aus Detroit und Berlin dieser Frage nachgegangen sind. Gemeinsam ging es darum, sich über Projekte und Ideen auszutauschen, die in Berlin funkti-
oniert haben, und zu schauen, welche Erfahrungen davon eventuell auf Detroit anwendbar sind. Aber was für den einen Euphorie und Wandel, ist für den anderen schnell Gentrification und Vertreibung. In diesem Prozess gibt es eine Menge Fallstricke. „Man kann natürlich nicht so einfach reinmarschieren und sagen, so und so geht’s. Wenn du in ein fremdes Land gehst, musst du Achtung mitbringen“, sagen sowohl Dimitri Hegemann als auch Mark Ernestus: „Ich denke viele, die dort aufgewachsen sind und alle Härten durchgemacht haben, weil die Familie keine Gelegenheit hatte wegzuziehen, haben zumindest gemischte Gefühle dabei, wenn die Stadt jetzt von zugezogenen, vornehmlich weißen, wenn auch kreativen und offenen Leuten gerettet werden soll, die dort eine Art Abenteuerspielplatz sehen.“ Auch bei vielen der alteingesessenen Detroiter Techno-Aktivisten herrscht Skepsis, was der Hype der Stadt und seinen Bewohnern langfristig bringt. Hegemann sprach auf der Konferenz zu seinem Spezialthema, dem Potential der „Vergessenen Räume“. Einem solchen Ort, der riesigen Industrie-Ruine „Fisher Body 1“ will er gemeinsam mit Mike Banks von Underground Resistance neues Leben einhauchen. Kein Club an sich, sondern ein bunter, großer Bazar, in dem es auch Clubnächte gibt. Nachdem ein ähnliches Projekt Mitte der Neunziger nach langer Planung letztlich scheiterte, scheint jetzt der Moment gekommen zu sein, dass Hegemann etwas von dem Know-how, das er in den letzten 23 Jahren mit dem Tresor gesammelt hat, weitergeben kann. Und damit der Stadt, die seinen Club wie keine andere geprägt hat, etwas zurückzugeben. „Hilfe zur Selbsthilfe“ soll es sein, und das Projekt findet Anklang im Detroiter Stadtrat, auch beim Vertreter des Bürgermeisters. Türen und Ohren der Verwaltung sind offen: Das war das Ergebnis der zweiten Konferenz letzten November. Der Dialog mit dem Stadtrat geht weiter, erleichtert durch das neue Vor-Ort-Team um den Detroiter Autor Walter Wasacz.
Bis das „Creative Lighthouse“ allerdings erstrahlen kann, muss noch das Gelände dekontaminiert werden. Dann wird nach der „one room strategy“ vorgegangen: Eine Etage nach der anderen wird renoviert. Die Ängstlichen überzeugt Mario Husten von der Holzmarkt plus eG mit seiner Erfahrung, dass alles möglich ist. Natürlich wird auf dem Grundstück auch Urban Gardening praktiziert werden. Wenn es nach Katja Lucker vom Berliner Music Board geht, ist der größte Trumpf des „neuen“ Detroit sowieso das allgegenwärtige Grün. Sie nennt die Stadt einen „healing place“, wo „die Natur sich im Gefüge des städtischen Lebens behauptet hat“. Techno, check, Urban Gardening, check, Urban Gardening und Techno? Mark Ernestus bemerkt bei einigen seiner Freunde eher Augenrollen, Dimitri Hegemann kennt beide Lager: „Also einige von den alten Helden verstehen das gar nicht, warum das jetzt so eine Aufmerksamkeit erfährt, Brennesseln und Löwenzahn, was soll das? Das ist schon ein Umdenken. Bei den Jungen ist das ganz selbstverständlich, dass man darauf achtet: Wie ernähre ich mich richtig.“ »Fortsetzung folgt
Zum Weiterlesen www.detroitagriculture.net www.miufi.org www.buildingdetroit.org www.detroitberlin.de/connection
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Die Innenstadt ist leer, die Kanäle sind voll. Als Alternative zu den horrenden Mieten sind Kanalboote in London populär: zweieinhalb Meter breite Zigarren aus Stahl, die Narrowboats, mit Platz für die wichtigsten Habseligkeiten und meist auch mit Duschkomfort. Die Londoner Hausbootszene entwickelt sich zu einer Gemeinschaft mit dörflichem Charakter. Mittendrin: ARD-Korrespondentin Annette Dittert. Seit 2008 lebt sie in London, vor sechs Jahren hat sie ihr erstes Boot, Emily, als eine Art Wochenend-Datscha gekauft. möRRR Warum hast du Emily damals gekauft? ■ Annette Dittert Hauptsächlich aus Mitleid. Das war ein kleines, altes, sinkendes Wrack, ich habe ein Jahr lang damit gekämpft, das Ding vor dem Untergang zu retten. Das ist schon eine Welt für sich, diese Boote haben viele technische Macken, Tricks und Tücken. Allmählich bin ich, ich möchte nicht sagen, zu einer Expertin geworden, aber ich weiß jetzt, wie man die Dinger repariert. möRRR Braucht man einen Führerschein für solche Boote? ■ Annette Dittert In Großbritannien generell nicht. Die fahren ja auch nur 5 km/h, da kann man nicht viel kaputtmachen. So ist das hier noch unreguliert, wie manches ja noch mehr anarchisch ist in Großbritannien. möRRR Wie viel Miete kostet so ein Liegeplatz? ■ Annette Dittert Das kommt ganz darauf an, in welcher Gegend das ist. Es gibt ein ganzes Kanalnetz, das zieht sich von West nach Ost. Ganz viele liegen in West-London, Little Venice, da wo ich bin. Es ist sehr schön da, dort kostet es etwa 400 Pfund im Monat. Viele sind am Regent‘s Canal, King‘s Cross, und dann überall in Ost-London, wo Kanäle sind. möRRR Wie viel kostet ein vergleichbarer Raum in einem Apartment? ■ Annette Dittert 3.000 Euro. Hier kostet schon eine Garage 3.000 im Monat. London ist crazy. MöRRR 10.000 Menschen wurden schon 2013 auf den Booten gezählt? ■ Annette Dittert Es weiß keiner so genau, weil keiner den
Überblick hat, aber es werden immer mehr. Wie der junge Mann, der mein altes Boot gekauft hat, weil er sich keine Wohnung leisten kann. Der macht jetzt so ein Constant Cruising, d.h. er ist immer auf dem Boot unterwegs, hat keinen Liegeplatz, der muss nur einmal im Monat ca. 180 Pfund zahlen für die Lizenz des Bootes. Das ist die allerbilligste Art, auf dem Boot zu leben, aber das ist auch stressig. Man muss es alle zwei Wochen umparken, wieder einen neuen Platz finden, und da das immer mehr Leute machen, ist das mittlerweile gar keine so einfache Art von Lebensform. möRRR Wo geht das Abwasser von so vielen Leuten hin, kommt es nicht zu Verunreinigungen? ■ Annette Dittert Das Abwasser läuft einfach so in den Kanal. Umweltschutz ist hier noch nicht so angekommen. Toiletten sind auf dem Boot, das geht nicht in den Kanal. Es gibt da verschiedene Systeme: Chemietoiletten, die natürlich ökologisch ekelhaft sind, oder ein Pumpout, da wird einmal im Monat ausgepumpt. Ich habe auf meinem neuen Boot eine Kompost-Toilette mit so einer Art Torf, das ist toll und man hat auch ökologisch keinen Unsinn angestellt. möRRR Du hast dein zweites, neues Boot Emilia (ohne Führerschein) in zwei bis drei Wochen von Manchester nach London gefahren? ■ Annette Dittert Die Werften sind alle in Nord-England. Die Nachfrage steigt, und die Hauptnachfrage kommt aus London, weil es immer mehr Leute gibt, die sich diese Wohnungen nicht mehr leisten können. Das ist bei mir auch nicht anders. Nächstes Jahr mache ich ein Sabbath-Jahr, will aber in London leben bleiben, und eine Wohnung ist da total unmöglich.
Hausboote am Regent´s Canal
möRRR Sind da auch Leute dabei, nur weil es so romantisch ist? ■ Annette Dittert Ja, Engländer sind ja auch sehr nostalgisch, sehnen sich nach der Zeit ihres Empire zurück, und diese Boote kommen ja aus der Zeit der industriellen Revolution, als Großbritannien noch jemand war. Damit hat auch die Nostalgie dieser Boote zu tun. möRRR Wie ist es zu diesen überteuerten Mieten gekommen? Hat die Stadtentwicklung versagt? ■ Annette Dittert London wird von einer sehr marktliberalen konservativen Regierung regiert, die keinerlei Interesse an Mieterschutz hat ... Wobei man sagen muss, Labour war da auch nicht besser. Hier ist einfach brutaler Kapitalismus, Punkt. Es gibt keine vernünftige Regulierung von Mieten, du hast als Landlord alle Rechte und als Mieter gar keine. Das ist halt einfach die Stadt in Großbritannien, in der jeder leben will, auch international, das hat eine lange Geschichte. Das ist einfach wild gewordener Kapitalismus einerseits, kein Mieterschutz und jede Menge internationales Geld – und der Platz ist begrenzt. möRRR Vor allem im Zentrum stehen doch ganze Häuser leer, weil sich die keiner mehr leisten kann. Es soll eine Strafe eingeführt werden für Besitzer, die Häuser leerstehen lassen? ■ Annette Dittert Davon wird immer geredet, aber es ist noch nicht passiert. Die stehen da leer, weil sie reiche Araber oder Russen aufkaufen, denen es egal ist, was da passiert, die brauchen keine Mieteinnahmen, die kaufen das als Investition und warten, bis es sich wieder zu verkaufen lohnt. Das ist pure Spekulation, und dagegen gibt es überhaupt keine rechtliche Handhabe bisher. Von dieser Strafsteuer ist immer die Rede, aber bisher ist da keine Aktion in Sicht. möRRR Was ist deiner Meinung nach die Lösung für diesen Zustand? ■ Annette Dittert So einfach kann man das nicht mehr lösen.
Aus europäischer Sicht kann man schwer begreifen, warum die Mieten relativ ungezügelt angehoben werden können, willkürlich. Aber das war hier immer so und es gibt wenig Widerstand dagegen, es gibt hier keine Beschwerdekultur. Viele Londoner, die hier aufgewachsen sind, wohnen jetzt ganz, ganz weit draußen und haben jeden Tag bis zu drei Stunden Commute. Die Briten wehren sich nicht dagegen. Im Moment ist es so, dass die Innenstadt einfach tot ist, weil das alles leerstehende Spekulationsobjekte sind. Du fährst durch Mayfair an einem Sommerabend auf dem Fahrrad und du kannst mitten auf der Straße fahren, weil da kein Auto kommt. Es ist total spooky. möRRR Gibt es bei den Boots-Liegeplätzen auch schon Verdrängungsmechanismen? ■ Annette Dittert Ja, das gibt es auch schon. Die steigern jetzt ständig schon die Liegegebühren. Bei meinem ersten Boot habe ich 180 Pfund Liegegebühren bezahlt, jetzt zahle ich 450, innerhalb von fünf, sechs, Jahren ist das eine krasse Steigerung. Dafür hat man uns jetzt angeboten, dass wir Boot und Liegeplatz verkaufen können ... Das führt dazu, dass wieder irgendwelche Superreichen ein Spielzeug haben. möRRR Was ist für dich persönlich die Faszination an London, warum bleibst du da? ■ Annette Dittert Der wilde, losgelassene Kapitalismus ist nur die Downside, abgesehen davon ist London eine phantastische, und trotz alledem immer noch unglaublich lebendige Stadt. Es gibt doch überall noch Nischen, anders als in Manhattan zum Beispiel. Hier gibt es noch so viel Kunst, Kultur, und verrückte Typen, es ist auch einfach eine viel anarchischere Gesellschaft als die Amerikaner oder die Deutschen. Es ist einfach bunt, lustig und schräg und die Mode ist schräg und lustig und die Clubs – einfach eine der schönsten Städte, die ich kenne. ■ ■ ■
Annette Dittert Die mit mehreren Preisen ausgezeichnete Journalistin und Autorin Annette Dittert arbeitete als Korrespondentin in Moskau, New York und Warschau; sie war Leiterin der ARD-Studios in New York und London. Indien, China, Afrika und USA bereiste sie für die Dokumentarfilmreihe „Abenteuer Glück“. Ihre Liebe zu Hausbooten entdeckte sie bei der Arbeit am Dokumentarfilm „Nostalgie auf dem Wasser - Englische Kanalboote“, ARD, 2008. Diesen Januar hat sie ihre Korrespondenten-Tätigkeit für die ARD beendet und lebt auf ihrem Londoner Hausboot „Emilia“.
Foto: Garry Knight
möRRR Welche Art von Leuten leben auf den Booten? ■ Annette Dittert Es ist wahnsinnig gemischt, das ist auch das Tolle daran. In meiner Community, da wohnt ein Richter, ein Rechtsanwalt, ein Typ, der macht für „GEO“ Expeditionen in die Sahara, eine Juwelierin, ein Bauarbeiter, Dokumentarfilmmacher, Massage-Therapisten – eine wilde Mischung. Da hast du eben noch so ein Gemeinschaftsleben, weil man so eng aufeinandersitzt. Das ist eine richtige Hausboot-Szene, die miteinander auch socially umgeht. Wir haben BBQs im Sommer, das ist schon eine sehr menschenfreundliche und dorfähnliche Lebensweise im Vergleich zu diesem Rat Race, was du sonst in London hast.
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HÄuser aus Hanf
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er eine schaut auf Baustellen und sieht schöne neue Büros und Wohnungen, der andere sieht eine gut kaschierte Sondermülldeponie. Der eine schaut auf die Pflanze Hanf und sieht ein Medikament oder eine Droge, der andere sieht einen vielseitigen und nachhaltigen Baustoff. Schaut man sich in Berlin um, besonders entlang der Spree, sieht man eine Baustelle neben der anderen. Es werden enorme Mengen an Baustoff verarbeitet – Mischbeton, Teerfarbe, Kunststoffmatten sowie Styropor, Glas- und Steinwolle. Das alles hinter Putz versteckt wirkt eigentlich nicht wie eine Sondermülldeponie. Viele dieser Baustoffe werden aber unverrottbarer Abfall sein, wenn diese Gebäude einmal überflüssig geworden sind.
Foto: Rainer Nowotny, Hanffaser Uckermark e.G.
Aus ökologischer Sicht ist das sehr bedenklich, zumal es Baustoffe gibt, die nachwachsend und ökologisch abbaubar sind. Dazu gehört Hanf – vielfältig anwendbar kann die alte Kulturpflanze im Baubereich quasi universell eingesetzt werden. Etwas vereinfacht dargestellt besteht Hanf aus einem langen Stängel, an dessen Spitze Blüten sind, aus denen sich die öligen Samen entwickeln. Der etwas kantige Stängel ist ein Holzrohr, das von einer Rinde umhüllt ist, deren Bastschicht lange, widerstandsfähige und stark belastbare Fasern enthält. Die Fasern, wie auch der holzige Innenteil der Stängel, lassen sich zu Baustoffen verarbeiten. Beim Faseraufschluss wird der Kern gebrochen. Dabei fallen die Holzsplitter als Schäben ab und die Faser löst sich. Die Hanffaser kann zu Textilien oder Papier verarbeitet, und wie hier thematisiert, im Baubereich genutzt werden. Isolierplatten und Dämmmatten schützen das Gebäude vor Kälte, Hitze und Lärm. Hanf-Dämmstoffe haben sehr gute statische und dynamische Dämmwerte und damit gute Dämmeigen-
Bauarbeiter beim Isolieren einer Fassade in der Uckermark mit Hanfdämmstoff.
schaften gegenüber kalter oder frostiger Witterung. Durch die geringen Temperaturleitwerte schützen sie Gebäude vor schnellem Wärmeverlust bei kaltem Wind, nächtlichem Temperatursturz oder Wetteränderung. Und das gute Wärmespeichervermögen (dreimal größere Wärmespeicherung als bei mineralischen Dämmstoffen) gewährleistet einen wirksamen Hitzeschutz vor sommerlicher Sonneneinstrahlung. Hanf-Leichtlehm und Hanf-Dämmwolle haben einen kleineren Temperaturleitwert und somit eine geringere Wärmeverlustzahl als Styropor. Styropor, im Fachjargon der Baubranche „expandiertes Polystyrol“ (EPS) genannt, belastet zudem die Umwelt durch flüchtige organische Verbindungen wie Styrol und andere Aromaten. Styrol steht im Verdacht, krebserzeugend zu sein. Das beim Metabolismus entstehende Styroloxid stellte sich in Tierversuchen als eindeutig krebserzeugend heraus. Polystyrol enthält zudem verschiedene halogenorganische Verbindungen, von denen einige ein hohes nervenschädigendes Potenzial haben und als krebserregend gelten. Gängige Hanfbaustoffe enthalten demgegenüber keine Gefahrenstoffe für Mensch und Umwelt. Die Hanfschäben werden als Schüttdämmung (in Zwischenräume lose eingeschüttete Hanfsplitter) verwendet, und ergeben mit Mörtel gemischt einen haltbaren, atmungsaktiven Putz. Besonders die Kombination von Hanfschäben und Zement hat hervorragende bautechnische Eigenschaften. Die porösen Holzsplitter gehen eine Verbindung mit dem Mörtel ein und ergeben ein Verbundmaterial, das mit der Belastbarkeit von Beton vergleichbar ist – und das bei geringerem Gewicht und besseren Isoliereigenschaften.
Auch in jüngster Zeit sorgten Hanfbaustoffe aus Deutschland für positive Schlagzeilen. So hat Frau Carmen HockHeyl am 27. Oktober 2013 für die Hanfdämmatten ihrer Firma Hock GmbH & Co. KG aus Nürtingen (www.thermo-hanf.de) den hoch dotierten Deutschen Umweltpreis 2013 der Deutschen Bundes-Umweltstiftung (DBU) durch Bundespräsident Joachim Gauck erhalten.
Vernachlässigt man die Umweltaspekte wie Herstellung und Entsorgung fossiler Rohstoffe, so scheinen Naturbaustoffe teuer. Früher oder später werden allerdings Besitzer von mit belastenden Stoffen gebauten Haeusern für deren umweltgerechte Entsorgung verantwortlich sein müssen. Hanfnutzung hingegen ist gut für die Umwelt. Hanfbaustoffe binden CO2 und sind zu 100% natürlich abbaubar. Ein mit Hanf gebautes Haus hat eine gute CO2-Billanz. Hanfbaustoffe sind vielseitig anwendbar und haben ähnliche, oft positivere Eigenschaften als fossile Baustoffe. Durch die fossilen Grundstoffe und die energieintensive Polymerherstellung schneiden insbesondere Polystyrole ökologisch schlecht ab (über 17-facher Ökologischer Fußabdruck gegenüber Hanfprodukten). Hanf als hochqualitativer Werkstoff besitzt daher reiches Potential für eine nachhaltige Zukunft. Bleibt zu wünschen, dass auch Berliner Bauherren ihr Umweltbewusstsein erweitern und Projekte mit Weitsicht angehen. ■ ■ ■
Text: Rolf Ebbinghaus, Kurator des Hanf Museums in Berlin Hans Cousto, Mitglied des OrgaTeams der Hanfparade
Aus Hanf können wertvolle Papiere hergestellt werden – Papiere zum Schreiben, für Bücher oder auch für Geldscheine und natürlich auch für Tapeten.
Drei verschiedene Isolierstoffe aus Hanf als Baustoff genutzt.
Dieser Tresen – ausgestellt im Hanf Museum in Berlin – wurde mit Hanf-Schäben verkleidet und verputzt. Die obere Hälfte des Tresens ist noch nicht verputzt, so dass die Verkleidung aus Hanf-Schäben gut zu sehen ist.
Fotos: Geoffrey Robinet (Aufgenommen im Hanf Museum in Berlin)
In Frankreich baute die Firma Iso-Chanvre ganze Häuser fast ausschließlich aus Hanf, wobei als Verbundstoff auch Hanffasern und Hanfschäben in tragenden Teilen eingesetzt wurden. In Deutschland ist man noch nicht so weit, doch auch hierzulande sind die Produzenten von Hanfbaustoffen sehr innovativ. So wurde am 17. Dezember 2001 dem ersten Hanfdämmstoff die europäisch-technische Zulassung erteilt. Mit dem EU-Craft-Projekt wurde die Entwicklung des Hanfdämmstoffes „HDW 1A“ bis zur Zulassung realisiert. Entwickelt wurde dieser Dämmstoff von der in Prenzlau ansässigen Hanffaser Uckermark e.G. (www.hanffaser.de) in Kooperation mit dem Institut für Raumgestaltung der Technischen Universität in Graz. In Prenzlau werden seit vielen Jahren diverse Baumaterialien aus Hanf produziert.
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PARKLIFE „Für den Bub und für die Göre, hoch
hängt die Möhre!“
„Wo sich Gemüse und Fisch gute Nacht sagen
– steht ein Bauwagen.“
PARKLIFE „Der Boden ist hart, das Leben ist rauh,
Fotos: Foto: Michael Dooney, Chris Driesen, Meike Hofmann
im mörchenpark sammeln die Blüten den Tau.“
„Still ruht die Spree, die Mören schlafen – die Bar ist zu, man sieht sie kaum.
Aus der Traum.“
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Foto: Franziska Gronwald
ERWISCHT!
In den Automaten gezerrt und verhört
1. Wie heißt du? 2. Seit wann bist du Mörchen? 3. Was machst du außerhalb des mörchenparks? 4. Was machst du im mörchenpark? 5. Von woher bist du nach Berlin gekommen? 6. Welche Pflanze verkörpert am besten dein Wesen? 7. Sex in der Natur – welche Tipps kannst du geben? 8. 2050 – was ist deine Vision?
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Le Stephane 1. 13
t) ändig (aus No ntan selbstst 20 me t mo es kf ch an mi ed e d mach 2. Ernt enschaft), un auf (aus Leid ge le h Ic 3. ion se. 4. Kontemplat nglich Franzo n aber ursprü bi n, he nc Mü 5. nicht) Sicht ist, iegt, bricht in Mensch in ke nn we 6. Bambus (b n, zu wichse . Küstenklippe nwind achten bei auf Gege 7. An einer Da . en rd we emie al gemacht henpark Akad das muss einm ltige und eine Mörc da ch che & nachha no t k e.V. is für menschli ar um np ul he ic rc rr Mö Cu 8. it mit bietet ein Zusammenarbe lzig stand?) sbau. Was, in ft (wo Kater Ho ha sc nd La beit, iteren Parks lung, Holzar Aufbau von we d un g un Stadtentwick ff , die Anscha ten Vereinen gleichgesinn möglicht hat. und Länder er n te äd St n in andere
---------------------------------------------------------rt Jini oder offiziell Janine Brille 1.
2. Seit Mai 2013 Wildkräutern rin, beschäftige mich mit essbaren 3. Ich bin Ernährungswissenschaftle auf unsere Gemütslage ausüben. und welchen Einfluss Lebensmittel ufklärung in Bezug auf Lebensmittel Außerdem liegt mir die Verbrauchera s für essten Weizengrassaft und Smoothie am Herzen. Ich biete frisch gepr verschiedene Veranstaltungen an. henpark an. kt. Ich baue das Weizengras im mörc 4. Ich leite das Weizengras-Proje heke hent Festen oder im Rahmen der Mörc Der Weizengrassaft wird dann auf verköstigt. g, studiert habe ich in Kiel. 5. Aufgewachsen bin ich in Flensbur 6. Pusteblume Ball bleiben! 7. Üben, üben, üben und immer am rverkehr und rammierten Computer, der den Güte 8. Es gibt einen altruistisch prog te Produktion lenkt. Durch die bedarfsorientier die Warenproduktion auf der Erde keine Die Forschung ist neutral, da es werden viele Ressourcen gespart. zu machen, das gibt und wir haben mehr Zeit wirtschaftlichen Einzelinteressen was wir für wichtig halten. ---
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a : Katrin Lud 5) K ; t r e k u a L +S: Suse 1. Nummer 17+18, 12 (Mitglied
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erin /April 20 hende Erzieh 2. S+K: März frau; K: ange uf ka gs en, leben un lt lieben, lern d Veransta , un en ch lla te Ho K: S+ n; 3. S: Thekenmörche enmörchen; K: 4. S: Äktsch Anhalt dal, Sachsenuß 5. S+K: Sten n bunter Stra blume; K: ei s Leben 6. S: Sonnen ;) iner Seite da büsche meiden nschen an me en Me rn en Do ll S: to K+ uter 7. sammen mit la <3 ich sein, zu sion zu sein 8. S: Glückl Vi von Suses il Te n Ei genießen; K:
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WACHSTUMSWENDE HANDGEMACHT
Text: Mörwert Bankski
Auf dem Land, besonders in den abgelegenen ländlichen Gegenden, ist es von jeher üblich, dass man isst, was man anbaut, alles selber macht und wiederverwertet, dass man wenig braucht, weil man sich gegenseitig hilft. Was der eine nicht hat, leiht der andere, was der andere nicht kann, kann der Nachbar. Das wird zunehmend auch in der unpersönlichen Großstadt praktiziert, heißt dann „Downshifting“ (Einfacher Leben), „Upcycling“ (Aus Alt mach Neu), „Sharing Economy“ (Teilen und Leihen), und bekommt dort den Stellenwert eines zukunftsweisenden Lebensmodells. s gibt einen stetig expandierenden, ja boomenden Markt in Berlin, der zwar aus Angebot und Nachfrage besteht, allen anderen Marktkriterien aber ins Gesicht spuckt. Ein Anti-Markt sozusagen. Die Nachfrage besteht nämlich aus der Suche nach Gütern oder Dienstleistungen, die ohne Geld oder für sehr wenig Geld zu erhalten sind. Es gibt einen Leih-Laden und andere Leih-Systeme, UmsonstLäden und Lädinnen *, ein Sozialwarenkaufhaus, Repair-Cafés, Nachbarschaftshilfen, Do-it-yourself-Gruppen, Stadtgärtner und Permakultur-inspirierte Transition Towns (siehe S. 15), Tauschringe und endlos viele Tauschbörsen. Sogar Essen wird, publikumswirksam, geteilt und getauscht. Die Klientel besteht aus Menschen, die mit wenig Geld auskommen müssen oder wollen, weil sie von einem Krankheitssymptom der absurden Wirtschaftslage besonders betroffen sind, und/oder weil sie durch die langsame Entwöhnung von Geld und Konsum dieser Absurdität entgegenleben wollen. Dieser Kreis von Menschen wächst stetig, er schließt immerhin auch schon diejenigen ein, die Geld durch Arbeit erwerben; nicht einmal mehr ein Einkommen sichert ein Auskommen, wie das Phänomen „Erwerbsarmut“ veranschaulicht. Die Krankheit, die solche lokalen Symptome wie auch die weltweiten Krisen auslöst, sitzt im Herzen der globalen Ökonomie. Das Wirtschaftssystem der Welt ist auf dem Prinzip Wachstum aufgebaut, und das ist mit eben dieser Welt nicht vereinbar. Aus den schwindenden Rohstoffen unserer Welt sowie aus dem „Rohstoff“ Verbraucher immer noch höhere Gewinne herauszupressen wird immer schwieriger. Unsere Produktionsketten, von der Ressourcen-Ausbeutung über die Herstellung bis zum Verkauf des Produktes, durchlaufen zum Beispiel zwecks kostensparender Arbeitsteilung oft mehrere Kontinente. Die Energie, die allein für den Transport verschwendet wird, kommt von fossilen Rohstoffen, die zur Entstehung Millionen von Jahren gebraucht haben – abgebaut werden sie im Rhythmus des Börsentickers. Solange Gewinn durch Geld definiert ist, dreht sich die Zwickmühle von exponentieller Wachstumsdynamik und endlichen Resourcen – bis der Kragen ab ist, oder? „Neue Technologien!“, hoffen die einen. „Weiter Wachstum!“, fordert die Wirtschaft. „Grüneres Wachstum!“, will die Politik.
„Selbst Denken!“ **, ruft Sozialpsychologe Harald Welzer und fordert jeden Einzelnen auf, die überkommenen Anschauungen gegen neue Ideen einzutauschen, eigenverantwortlich zu handeln, den „Konsumismus“ als „totalitär“ zu erkennen. Wenn du nicht Teil der Lösung bist, bist du Teil des Problems, hieß das bei den 60er-Jahre-Aktivisten. Es mag schon wie eine Lösung anmuten, wenn Produkte jetzt als nachhaltig angepriesen werden, da sich Umweltzerstörung schlecht verkaufen lässt, dass erneuerbare Energien gefördert werden, nach Wunder-Technologien geforscht wird, auf dass daraus ein alternatives, ökologischeres Wachstum entstehe. „Die Vorstellung von grünem Wachstum ist ein Widerspruch in sich“, sagt Ökonom Niko Paech. Schließlich verbraucht jede Art von Produktion Energie, und auch das Elektroauto kann nur mit Rohstoffen gebaut werden, die selten und bald erschöpft sind. Ein Symptom wird gebessert, ein anderes taucht auf. In Leipzig diskutierten letzten September um die 3000 Teilnehmer auf der vierten „Degrowth“-Konferenz darüber, ob und wie man ohne große Schockwirkung von Wachstum auf Schrumpfung übergehen kann, auch die Professoren Welser und Paech waren dabei. Wie man es auch dreht und wendet, befinden die Wachstumskritiker, der Kern der Lösung bleibt der gleiche. Wir müssen einfach mit weniger auskommen. Mit viel weniger. “Es macht also Sinn, schon jetzt vorbereitend eine Avantgarde zu schaffen, die neue Lebensstile ausprobiert, welche mit wenig Energie und Produkten, ohne Fluggeräte oder aufwendig hergerichtete Urlaubsorte auskommt. Deren Erfahrungswissen dient dann den anderen, die jetzt noch in Konsumträumen schwelgen. Die sehen dann: Die Pioniere lächeln über den Wachstumseinbruch“, so Paech. *** Diese Pioniere praktizieren den Wandel von unten. Sie bauen auf gegenseitige Hilfe, das macht widerstandsfähig gegen Armut, so entsteht soziale Resilienz. Sie organisieren die oben erwähnten Grassroots-Initiativen, sie sind die „Social Entrepreneurs“ in unserem Anti-Markt. Einer der erfinderischen Akteure auf dem Leihsektor ist Andreas Arnold.
„Just do it“ „Ein großer Wandel findet statt. Nicht als Resultat irgendeiner Gruppe oder irgendeiner Lehre, sondern als Resultat von Millionen von Menschen, die einen oder mehrere Wege definieren, durch die sie Energie sparen, zu einem lokalen Selbst-Vertrauen beitragen, oder Selbstversorger sind. Jeder von uns würde seine eigene Arbeit als bescheiden bezeichnen, es ist die Gesamtheit solch bescheidener Arbeit, die eindrucksvoll ist.“
Text: Sibylle Sterzer
Bill Mollison, „Permaculture: A Designer‘s Manual“, Tagari Publications 1988
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ula.blogsport.de Harald Welzer: Selbst Denken. Eine Anleitung zum Widerstand“, S. Fischer Verlag 2013 Süddeutsche.de, 1/14, „natur“, 2/14
Ist Leihen das bessere Tauschen? „Produkttauschbörsen im Internet funktionieren nicht so richtig, weil meist Sachen angeboten werden, die man eh selbst hat oder wegen denen man nicht quer durch die Stadt fahren würde, um sie erst zu holen und dann wieder zurückzubringen“, sagt Andreas Arnold von leihbar.org. Deswegen hat er sich die Sharing-Box ausgedacht. Das ist eine Art Schrank mit vielen abschließbaren Fächern, in denen Geräte darauf warten, ausgeliehen zu werden. Wer daran Interesse hat, registriert sich einfach auf der Website, lädt sich die App aufs Smartphone und sieht gleich nach, ob die Bohrmaschine gerade verfügbar ist, die er schnell bräuchte oder der Raclette-Grill oder der Staubsauger oder ... Die Boxen sollen an verschiedenen Standorten in der Stadt platziert werden. Die Erste wird demnächst im Studentenwohnheim in der Lichtenberger Sewanstraße aufgestellt. Der Inhalt der Fächer soll sich nach der Zielgruppe richten, die User können mitbestimmen. Gegen eine Leihgebühr kann man die durchwegs hochwertigen Geräte – sie sollen ja schließlich lange halten und attraktiv sein – dann ganz- oder halbtags ausleihen. Abgerechnet wird elektronisch. Dahinter steckt ein komplexer Gegenvorschlag zum „Hyperkapitalismus“ (Zitat leihbar.org), der auch die Hersteller der zu verleihenden Produkte berücksichtigt. Dadurch, dass sie an der Leihgebühr beteiligt werden, verdienen sie, obwohl sie weniger verkaufen. Aber sie sparen sich ja dafür die Herstellungskosten. Die Umwelt freut sich auch und wir alle haben mehr Platz in der Wohnung. Wer das Startup unterstützen will, leihbar.org sucht gerade noch eine weitere Testlocation. Auf leihbar.org/ community können Interessierte eine Postleitzahl für den Wunschaufstellungsort hinterlassen – oder besser gleich einen Aufstellungsort vermitteln.
V.l.n.r.: Oliver Bergien, Alexander Schrodt, Michael Nigbur
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Dieses Eingangstor an der HolzmarktstraSSe 30 wurde von O.M.A. gebaut.
Oliver + Michael + Alexander = O.M.A. O.M.A. wurde im November 2013 gegründet. Im April 2014 wurde die Gemeinnützigkeit anerkannt, das Inklusions-Unternehmen firmiert seitdem als gGmbH. Der Firmenname leitet sich aus den Initialen der Vornamen der drei Geschäftsführer her: Oliver Bergien (Geschäftsführer), Michael Nigbur (Perspektivplanung, Personalbetreuung) und Alexander Schrodt (Betriebsleitung technisch-handwerklicher Bereich). Als Sozialarbeiter haben Oliver Bergien und Michael Nigbur bereits bei der Stiftung Off Road Kids zusammengearbeitet. Kontakt: info@oma-ggmbh.de
„Mad Max“ auf dem Holzmarkt: Die drei Jungs von O.M.A. wissen, wie man ein filmreifes Eingangsportal zimmert – und mit Baggern über das Gelände brettert. Aber Oliver, Michael und Alexander sehen auch, dass es noch viel zu tun gibt. Sie vermitteln Jobs an Menschen mit Behinderung.
Warum hat sich O.M.A. am Holzmarkt angesiedelt? ■ Michael Nigbur Das Areal kannten wir ja schon von der Bar 25, Freundschaften entstanden, Perspektiven taten sich auf. Wir waren auf der Suche nach einem Objekt, um unsere Idee eines Inklusions-Unternehmens zu realisieren. Als der Investor für das Holzmarktgelände gefunden war und die Pläne auf den Tisch kamen, war klar, dass wir hier eine breite Angebotspalette für die ansässigen Firmen wie auch Menschen mit Behinderung als Mitarbeiter bieten könnten. Wir haben unsere Jobs als Sozialarbeiter gekündigt und O.M.A. gegründet.
Interview: Helge Birkelbach
Ihr arbeitet mit dem mörchenpark e.V. zusammen. In der Vereinssatzung des mörchenparks wird explizit auf das Recht auf Teilhabe und Inklusion Bezug genommen. Euer Verdienst? ■ Michael Nigbur Aus der intensiven Kommunikation mit dem Vorstand des mörchenparks folgte die Entscheidung, dass dieser Passus aufgenommen wird. Man erkannte sofort, dass das Thema Inklusion unterstützenswert ist und dass es sowieso schon Überschneidungen mit unseren Aktivitäten gibt. Außerdem eröffnet das Commitment Perspektiven für die künftige Zusammenarbeit. Doofe Frage: Was bedeutet eigentlich Inklusion? ■ Oliver Bergien Inklusion ist das Miteinander, das gemeinsame Erleben von Menschen mit und ohne Behinderung. Inklusion findet automatisch dann statt,
wenn man nicht mehr darüber reden muss. Jeder Mensch ist ein Individuum, jeder bringt seine individuellen Fähigkeiten mit. Niemand sieht sich im Abseits. Inklusion bedeutet Integration, nicht nur bei der Arbeit, sondern auch auf der sozialkulturellen Ebene. Welche Leute arbeiten bei euch? ■ Oliver Bergien André zum Beispiel. Der ist Zentralheizungs- und Lüftungsbauer. Über seine Krankheitsgeschichte kann ich verständlicherweise nicht reden, das sind vertrauliche Dinge. André kümmert sich derzeit auf dem Areal um Heizungs- und Wasseranschlüsse. Es werden dann Einzelaufträge der verschiedenen Firmen vergeben, zum Beispiel um eine Toilette im Kater Club zu reparieren oder ein Spülbecken zu montieren. Irgendwann brauchen wir einen Landschaftsbauer für den mörchenpark, um noch mehr Grün und Aquakultur wachsen zu lassen und zu pflegen. Euer erstes Projekt für mörchenpark war ein Mad-Max-Bau. ■ Michael Nigbur (lacht) Ja, letztes Jahr im Mai haben wir drei selbst Hand angelegt. Da war O.M.A. noch nicht gegründet. Aus Holzresten entstand das große Eingangstor. Vier Wochen haben wir geackert. Das war gar nicht so einfach, die schweren Bahnschwellen zu schichten und ineinander zu verschrauben. Die entstehenden Gucklöcher durften natürlich nicht zu groß sein, damit man nicht hindurch krabbeln kann.
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„Beraten, vermitteln, betreuen“, lautet eurer Motto. Wie finden die Menschen mit Behinderung zu euch? ■ Oliver Bergien Zum Teil passiert das über Mundpropaganda, dass wir es Freunden und Bekannten erzählt haben. Über diese und andere Kontakte kommen die behinderten Menschen, denen unser Konzept gefällt, zu uns. Wir binden sie dann in eigene Aufträge ein oder vermitteln ihnen Jobs über die Arbeitsagentur. Wir haben dort feste Ansprechpartner, die genau wissen, wer wir sind, wo wir sind und was wir machen. Der Bereich nennt sich „Reha/SB“. Die suchen den passenden Mitarbeiter und wir vermitteln diesen weiter.
Bei der Off Road Kids Stiftung habt ihr beide bereits einige Jahre zusammengearbeitet. Welche Erfahrungen habt ihr von dort mitgenommen? ■ Michhael Nigbur Ich habe dort von der Pike auf gelernt, wie man ein sozial tätiges Unternehmen wirtschaftlich und medial in die Welt tragen kann. Allerdings ist mir eine gewisse Schräglage aufgefallen, was der Verein auf der einen Seite erwirtschaftet, welche Fördersummen er erhält, und was auf der anderen Seite die Mitarbeiter verdienen für ihr intensives Engagement. Es war klar, dass wir das anders machen, dass wir unsere Mitarbeiter ordentlich bezahlen und für ein gutes Betriebsklima sorgen.
Da hört eure Arbeit aber lange noch nicht auf … ■ Oliver Bergien Genau. Unsere Aufgabe ist es, die positiven Aspekte des Mitarbeiters herauszuarbeiten. Wir begleiten die Vorstellungsgespräche, wir unterstützen die jeweilige Person während der Förderzeit im Austausch mit diversen Institutionen, damit wir bei Bedarf intervenieren können. Ein Beispiel: Wir haben eine Büroassistenz an den Holzmarkt vermittelt. Sie war sich zunächst unsicher, hat sich aber schnell eingearbeitet und ist jetzt sehr zufrieden. Wir beraten auch die andere Seite, die Unternehmen, bei den Anträgen zur Förderung des Arbeitsplatzes. Die bürokratischen Wege sind nun mal extrem verschlungen. Michael Nigbur Es ist wirklich traurig: Die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderung ist dreimal so groß wie bei Menschen ohne Behinderung. In den Betrieben herrschen zu viele Vorurteile, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Das ist ganz klar ein Wissensdefizit. Den Satz hören wir immer wieder: „Wenn ich einen schwerbehinderten Menschen einstelle, werde ich ihn nie wieder los.“ Das stimmt nicht. Wenn der Mitarbeiter schlechte Arbeit leistet, ist er genauso kündbar wie jeder andere Arbeitnehmer. Er hat eine gesetzlich geregelte Probezeit von sechs Monaten. Bei der Kündigung muss allerdings ein Mitarbeiter vom Integrationsamt anwesend sein und zustimmen, das ist der einzige Unterschied. Was der Arbeitgeber natürlich nicht darf, und das ist logisch, ist eine Kündigung aufgrund der Behinderung. Werden Schwerbehinderte schlechter bezahlt? ■ Michael Nigbur Wir zahlen unsere Mitarbeiter nach Tarif. Und wir sorgen auch dafür, dass bei einer Vermittlung nach Tarif bezahlt wird. Aber genauso wichtig wie die Bezahlung ist der nicht quantifizierbare Wert der sozialen Integration. Der Mensch hat einen Job, er verdient Geld, aber er erfährt gleichzeitig, dass er gebraucht wird. Die Lage am Holzmarkt ist geradezu ein Glücksfall, was das betrifft. Die Szene hier ist bunter als anderswo.
■ Oliver Bergien Als soziales Unternehmen ist das quasi eine Selbstverständlichkeit. Wir wollen jeden am Erfolg teilhaben lassen. Wir haben Teamsitzungen, Fallbesprechungen, wir fragen die Mitarbeiter, ob und wo es Probleme gibt. Das ist ein tägliches To do. Die Mitarbeiter können hier aufblühen. Studien beweisen, dass gemischte Teams enorme Vorteile für Unternehmen bieten. „Innovation und Motivation“ lauten die Argumente, die hier angeführt werden. ■ Oliver Bergien Genau das ist der Vorteil des Diversity Managements, dass Gruppen, die auf ganz unterschiedlichen Menschen zusammengesetzt sind, das Positive jedes Einzelnen hervorheben und ihn Wertschätzung erfahren lassen. Die Motivation ist aber nicht nur bei den Mitarbeitern mit Behinderung groß, sondern auch bei allen anderen, die mit ihrer Leistung nicht hintenan stehen wollen. Eine selbstverstärkende Kraft sozusagen. Innovativ sind die Teams deshalb, weil auch mal – im positiven Sinn – „verrückte“ und unerwartete Ideen in den Raum geworfen werden. In Deutschland gibt es ca. 700 offizielle Werkstätten für behinderte Menschen, sogenannte WfbMs. Macht ihr da auch mit? ■ Oliver Bergien Wir streben das auf keinen Fall an. Wir wollen aus diesem System ja herauskommen, denn wir wollen die Menschen in den ersten Arbeitsmarkt integrieren, und nicht in einer WfbM isolieren. Die haben zwar den von der Politik geförderten Auftrag, die Mitarbeiter fit für den Arbeitsmarkt zu machen – die Übergangsquote beträgt derzeit aber nur 2,7 Prozent! Immerhin 253.00 Menschen arbeiten in solchen WfbMs. Die behinderten Menschen werden in einem geschlossenen System in extra für sie geschaffene Kindergärten, Schulen und Werkstätten geschickt. Das ist das Gegenteil von Inklusion. Es wäre sinnvoll, dieses Modell langsam zu verlassen. Klar, die behalten lieber die guten Leute, statt sie zu vermitteln. Für Firmen wie Tengelmann, die Post etc., die solche geförderten Betriebstätten extra ausgründen, rechnet sich das natürlich. Hier arbeiten dann einfach billige Arbeitskräfte und die Unternehmen sparen sich die Ausgleichsabgabe, die man zah-
len muss, wenn nicht mindestens 20 Prozent der Mitarbeiter schwerbehindert sind.
Fotos: Arrow Mae
■ Michael Nigbur Als wir potentielle Mitarbeiter für O.M.A. in diesen Werkstätten gesucht haben, lief die Kommunikation sehr schwerfällig. Wir haben jetzt aber zwei Kooperationspartner gefunden, die das nicht so handhaben. Für einen Mitarbeiter haben wir gerade eine Außenarbeitsstelle in einer WfbM geschaffen. Jetzt ist er dort angestellt, steht uns aber für einige Stunden pro Woche zur Verfügung. Fühlt ihr euch wohl am Holzmarkt? ■ Michael Nigbur Na klar! (grinst) Wir kooperieren mit allen Unternehmen, die hier bereits ansässig sind: Holzmarkt Betriebs GmbH, Kater Club, Restaurant Kater Schmaus, HKL. Dazu kommen in den nächsten Jahren das Hotel, das neben dem mörchenpark gebaut wird, das Künstlerdorf, diverse Gewerke. Das ist perspektivisch interessant für unsere Aktivitäten. Alle sind zufrieden mit der Arbeit der schwerbehinderten Menschen. Wir sprechen ja von gut ausgebildeten Fachkräften, teilweise mit Studium. Einige von ihnen sind erst durch einen Unfall oder Krankheit zu ihrem Handicap gekommen. Das ist bei 70 Prozent der behinderten Menschen in Deutschland der Fall. Man sieht vielen nicht an, dass sie behindert sind, sie leiden vielleicht unter einer Herzkrankheit oder Zucker, oder haben psychische Beeinträchtigungen. In Deutschland führen etwa 7 Millionen Menschen einen Schwerbehindertenausweis, davon sind lediglich 30 Prozent über 70 Jahre alt, der Rest ist im arbeitsfähigen Alter. Unsere Mitarbeiter decken die volle Bandbreite ab: 18 bis 65 Jahre. Was bringt die Zukunft? ■ Michael Nigbur Ich mache gerade meine Ausbildung zum Fördermittelmanager. Der beantragt ESF-Gelder, also Förderungen aus dem Europäischen Sozialfonds. Ein solcher Antrag kann bis zu 100 Seiten umfassen, das ist echt eine Wissenschaft für sich! Ich lerne das bei einer privaten Akademie, über einen Bildungsgutschein wird das gefördert. ■ Oliver Bergien Wir wachsen mit dem Gelände mit und wissen, wo ein Handwerker, ein Gärtner oder eine Facilitykraft gebraucht werden könnte. Alles ist in Bewegung! Ein schönes Gefühl, etwas wachsen zu sehen. ■ ■ ■
--------------------Unsere Aufgabe ist es, die positiven Aspekte des Mitarbeiters herauszuarbeiten.
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KEIMZELLEN EINES NEUEN MITEINANDERS
Von Playa zu Pampa: BURNING BÄR In biblischen Zeiten machten sich Menschen ganz alleine auf den Weg in die Einsamkeit der Wüste, um auf Visionen zu warten, um dem Göttlichen näher zu kommen. Auch heute noch zieht es Menschen auf der Suche nach mystischen Erlebnissen in die Wüste hinaus. Nicht nur alleine; die lebensfeindliche Umgebung stärkt auch das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Gruppe, und eine besonders große Gruppe pilgert seit über 30 Jahren zu einer Salztonebene in der Wüste Nevadas. Um die 66.000 waren es letzten August in Black Rock Desert, Nevada, bei Burning Man. Es gibt Kunst jeglicher Art dort, es gibt Musik, aber Burning Man ist kein Festival, Burning Man ist eine gelebte Utopie.
Skizze: Black Rock City
Die unmögliche Stadt Black Rock City ist eine temporäre Wüstenstadt mit einer Einwohnerzahl so groß wie etwa die der Kreissstadt Neubrandenburg, bewohnt von der riesigen Pilgergruppe. Die erfahrenen Teilnehmer, die „Burners“, nehmen Fahrräder mit in die Wüste, um auch alle Adressen, Zelte, Camps, KunstInstallationen, Tempel, und natürlich den Man erreichen zu können. Die Stadt hat einen eigenen Radiosender, der auch eifrig gehört wird, weil er vor Sandstürmen und Sturzfluten warnt. Zelte und Camps sind in einem Stadtplan angeordnet, jeder Teilnehmer hat eine Adresse. Dieses Jahr wurden die Fahrzeugzulassungen auf 35.000 reduziert, wobei ein „Fahrzeug“ nicht einem Auto ähneln darf; zu einem guten Teil sind es Mutantenmobile, die Science-Fiction-Filme blass aussehen lassen. Es gibt ThemenCamps und Musik-Camps, das größte davon „Robot Heart“, ein riesiger mobiler Nachtclub. Der eigene Flughafen ist gleich im Umfeld, nicht zu weit entfernt von der Playa, dem Wüstenfeld, das vom Halbrund der Stadt eingefasst ist. Was es nicht gibt, ist - Geld, Waren, Dienstleistungen, Kleiderzwang, Rangordnung, Selektion. Was zählt ist Gemeinschaft, und eben die mystischen Erfahrungen. Eine Woche lang wird in einer berauschenden Atmosphäre des Ausnahmezustands erlebt, geliebt, getanzt, kreiert, gestaunt, gelernt - und dann heißt es „leave no trace“ und alles wird abgebaut, die Wüste wird so verlassen,
verlassen, wie man sie vorgefunden hat, vielleicht besser. Eine freie, bunt zusammengewürfelte (laut Zenus von 2012) Menge verbringt eine nicht nur friedliche, sondern auch erhebende und inspirierende Woche miteinander und bewältigt dann auch noch die enorme Leistung von Auf- und Abbau einer Stadt und riesiger, komplizierter Kunstinstallationen weitestgehend ohne traditionelle Führungsstrukturen, – auch wenn Black Rock City LLC als gewinnorientierte Firma mittlerweile die Grundlogistik übernommen hat. Wie ist das möglich?
Die ZEHN Prinzipien Anders als bei bekannten Formen alternativen Zusammenlebens wie Hippiekommunen oder Kibbuzzim, wo sich Menschen zu einem Zweck zusammenfinden – sei es auch nur, um der Gesellschaft zu entfliehen – entstanden Gemeinschaft und Leitwerte von BM aus der Unschuld der Zweckfreiheit. 1986 verbrannten zwei Männer an einem Strand von San Francisco in einem symbolischen Akt der Selbstbefreiung einen Mann aus Holz, ganze 12 Freunde waren dabei. Irgendwie traf das einen Nerv, so dass 1988 der Man schon von 200 Leuten verbrannt wurde; 1990 sind 800 Menschen am Strand, die Polizei schreitet ein und Burning Man zieht um nach Black Rock Desert. 1995 machten schon 4000 Teilnehmer den langen Weg dorthin, in 2013 waren es fast 70.000. In den ersten Jahren wuchsen feste Freundschaften: Haarsträubende Geschichten um Bau der Statue aus Holz, Abbau, Verlust, Neubau, Transport nach Nevada, nur um sie zu verbrennen: das verbindet. Auf dieser Basis entwickelten sich zusammen mit der steigenden Burner-Zahl Erfahrungswerte, wie man Massen organisieren und gleichzeitig Freiheit zelebrieren kann. Daraus wurden die „10 Principles“. Dieses Ordnungsgerüst hatte bei seiner Entstehung einzig den Sinn, die ursprüngliche anarchische Erfahrung möglichst unverfälscht zu erhalten und doch die Sicherheit der wachsenden Menge zu gewährleisten. Richtlinien im beliebten Zehnerpack, aber nicht in Stein gemeißelt. Ein lebendiges soziales und kulturelles Regelwerk für eine offene Gemeinschaft.
Radical Inclusion Die radikale Einbeziehung aller. Niemand wird abgewiesen, man vertraut darauf, dass die gewachsene Gemeinschaft selbst potentiell gefährliche Menschen absobiert und diese sich assimilieren, unterstützt vom Eindruck der einmaligen Wüstenerfahrung. Das schließt auch z.B. konservative Politiker und vermögende Mitarbeiter von Firmen aus dem Silicon Valley mit ein. In San Francisco wird gefrotzelt, dass der „google-bus“ (bitte googeln) jetzt direkt nach Burning Man durchfährt. Kritisiert wird, dass manche Camps mit Luxusausstattung elitistisch seien. In Online-Foren raten erfahrene Burners, Radikale Inklusion gerade dann zu praktizieren, wenn es eine Herausforderung ist und die BM-Werte auch an solche Menschen zu vermitteln. Wenn Celebrities oder Politiker – wie letztes Jahr der Republikaner Grover Norquist – das Event zur Selbstdarstellung missbrauchen, werden sie abgemahnt.
Gifting Schenken aus Prinzip. Kein Geld, keine Dienstleistungen für Gegenwert. Wenn man etwas gibt, soll es aus Freude und freien Stücken gegeben werden, nicht weil man etwas dafür erwartet. Deshalb gibt es auch keinen Tauschhandel.
Decommodification De-Kommerzialisierung. Black Rock City ist eine warenfreie Zone. Nichts Kommerzielles hat hier Platz (mit kleinen Ausnahmen). Man könnte vielleicht die Tickets als eine begehrte Ware betrachten:
$380 bis $650, es gibt ein „low income program“. Kritisiert wird, dass sich Tickets und aufwendige Logistik zum Überleben in der Wüste nur finanziell einigermaßen gut gestellte Menschen leisten können.
Radical Self-Reliance Radikale Selbst-Verantwortung. Sich nur auf sich selbst zu verlassen, in jeder Hinsicht, erfordert viel Aufwand, harte Arbeit bei Auf- und Abbau und kann Angst machen. Sämtliche Gegenstände des persönlichen Bedarfs, inklusive Wasser und Nahrung, müssen in die Wüste gebracht und die Überreste wieder abtransportiert werden. Es entsteht jedoch dadurch ein Gefühl von Selbständigkeit und Freiheit.
Radical Self-Expression: Radikale Selbstverwirklichung. Alles ist erlaubt, man gestaltet sein Aussehen und sein Auftreten als Geschenk für die anderen. An manchen Stellen versteht man allerdings keinen Spaß: Vor ein paar Jahren zündete ein Burner aus Protest gegen zunehmende Reglementierung und eingefahrene Routinen den Man einen Tag vor dem offiziellen Burn an. Er wurde verhaftet.
härtesten Bedingungen, während Teilnehmer in Luxuscamps keinen Finger rühren.
Civic Responsibility Öffentliche Verantwortung. Jeder ist für seine Aktionen und die Sicherheit der Teilnehmer verantwortlich.
Leaving no Trace Keine Spuren hinterlassen. Eine alte Regel von RucksackCampern besagt, dass man einen Campingplatz besser verlassen soll, als man ihn vorgefunden hat. Was auf deutschen Festivals gerade mal in Form von Taschenaschenbechern langsam Einzug hält, hat BM perfektioniert. Ausführliche Erläuterungen im Internet erklären, wie man Anlagen zum Verdunstenlassen des eigenen Abwassers baut, legen nahe, stets mit einem kleinen Müllbeutel herumzulaufen und geeignete Unterlagen unter Auto, Camp, etc. zu legen. Die genauen Hinweise und die soziale Norm vermitteln auch dem Neuling, wie wichtig „Leave No Trace“ ist.
Participation Aktive Teilnahme. Jeder macht mit. Es gibt keine Zuschauer.
Communal Effort Gemeinschaftlicher Einsatz, Zusammenarbeit. Jeder einzelne hilft mit Kritik kam dieses Jahr von den vielen Helfern, die den Aufbau und Abbau der Stadt leisten und von der Firma Black Rock City LLC organisiert werden. Die Helfer arbeiten über Wochen vor, nach, und beim Event unter
Und dann, wenn selbst das letzte „burn mark“ verwischt ist, wenn der letzte Sand aus dem Haar gefallen ist und auch in den Kleidern kein Rauch mehr hängt, dann bleiben vor allem zwei Strukturen sichtbar: das „Burning Man Project“ und das BurningMan-Netzwerk. Das Project gibt die vielfältige Expertise weiter, die durch die Jahre hindurch erworben wurde und bietet Schulungen zu Feuerkunst, Kostümgestaltung, Arbeit mit öffentlichen Institutionen, mit Ehrenamtilichen, Eventmanagement, Katastophenschutz
Immediacy Unmittelbarkeit. Schranken zwischen Mensch und Mensch sowie Mensch und Natur soll es nicht geben, dafür die Anerkennung der inneren Natur von allem, hier und jetzt.
und Krisenmanagement an. Ein „Philosophisches Zentrum“ treibt die akademische Auseindersetzung mit dem Phänomen BM und der Anwendung der Ten Principles voran und unterstützt Projekte, die diese in ihrer eigenen Arbeit umsetzen möchten. Hieraus spricht die Überzeugung der Organisatoren, dass sich die Principles in der Praxis bewährt haben und sie hiermit Wissen allgemeiner Natur weitergeben können.
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Hier brennt der Bär Seit langem ist die Burning-Man-Kultur über die ganze Welt verbreitet. Burners wollen die Erfahrungen und Werte des Wüstenlebens auch zuhause in ihren normalen Alltag integrieren und miteinander in Kontakt bleiben. Diese weltweite Gemeinschaft unterstützt BM durch ein professionelles Netzwerk. Neben Online-Angeboten existieren 220 offizielle regional contacts, Botschafter, die als Ansprechpartner für Burners auf Reisen fungieren und die BM-Fackel in ihrer Heimat hochhalten. Nach den USA befinden sich die meisten davon in Europa. Auch bei den virgins, den Neuzugängen, liegt Europa laut Zensus von 2012 an erster Stelle. Und wäre Nevada nicht so weit weg, es wären bestimmt noch mehr. Aber da selbst in der Weite der Wüste das Haupt-Event schon an die Grenzen seiner Kapazitäten stößt, bleibt nur eins: BM kommt in die Alte Welt.
Text: Das Ba:ren-Team mit Julia Nickel
Letztes Jahr fand der erste „European Leadership Summit“ statt, und zwar in Berlin. Auf dem Gipfeltreffen diskutierten die europäischen Vertreter mit Abgesandten des BM-“Board of Directors“ darüber, wie man den Interessierten hier das Erlebnis auch ohne Flugticket erfahrbar machen kann. Lokale kleinere Events sollen unterstützt werden; jeder, der den Enthusiasmus aufbringt und versucht, die zehn Prinzipien zu beachten, soll einen lokalen Burn veranstalten dürfen. So wichtig war dieser Gipfel, dass sogar die BM-Leitfiguren Larry Harvey und Marian Goodell nach Berlin reisten. Das muss man sich so vorstellen: Vom Flughafen aus nehmen ein paar bunt gekleidete Herrschaften ein Taxi und fahren direkt zu einer Raumstation, um sich zu aklimatisieren. Die Raumstation heißt „c-base“ und das Besatzungsmitglied, das den Kontakt und die Willkommens-Party organisiert hat, MetaMind Evolution. Als Kollektiv von Hackern und elektronischen Künstlern und als Anlaufstelle von internationalen Technologie-Innovatoren (der Chaos Computer Club steht im Stammbaum) hat die c-base bis nach Kalifornien einen guten Ruf, da elektronische Kunst bei BM schließlich eine große Rolle spielt. Und sie ist auch einer der Treffpunkte der Berlin Burners. „Berlin Burners“ – das ist einmal eine offene fb-Gruppe mit fast eintausend Mitgliedern, erstaunlicherweise größer als die der „German Burners“ mit fast siebenhundert. Ein Großteil dieser Gruppen sind wahrscheinlich Sympathisanten; die Zahl der Berliner, die schon in BRC waren, schätzt Gregory Fung auf mehrere Hundert. Greg ist Teil der viel kleineren Gruppe von lokalen BM-Vertretern. Dieses Orga-Team, das auch mit den CA-Headquarters in Kontakt steht, besteht lediglich aus bis zu 20 Leuten.
Und die waren es auch, die anlässlich der Leadership Konferenz am 8.2.2014 in Pankow die Afterparty veranstalteten. Das war die Geburtsstunde von BURNING BÄR. Der Fokus des 800-Leute Events lag auf Performance, Kunst und Interaktion, und deshalb war es mehr als nur eine Party, es war ein echtes BM-Erlebnis, auch der respektvolle, freundliche Umgang untereinander und die aufwendigen Kostüme trugen dazu bei. Es gab keine Grenzen zwischen Veranstaltern und Gästen, ein Mitmach-Erlebnis, bei der jeder ein Performer war. Gebrannt hat allerdings weder Mann noch Bär. Daran wird seitdem gearbeitet – mal mehr, mal weniger, denn, wie Greg sagt; „Es ist einfach echt schwer, im Berliner Sommer die Leute zusammenzutrommeln.“ Aber es geht noch um mehr. Damit diese Keimzelle eines neuen Miteinanders gedeihen kann, braucht sie den richtigen Nährboden. Schon allein einen Ort zu finden, an dem De-Kommerzialisierung praktiziert werden kann, ist nicht einfach. Berlin ist wie keine andere deutsche Stadt mit dem BM-Spirit kompatibel und Burning Bär II würde sicher wieder eine große Zahl von Teilnehmern anziehen, doch das Orga-Team nimmt die Sache ernst. Die Ratio muss stimmen. Damit die Prinzipien, wie Radical Inclusion, funktionieren, braucht man eine solide Basis von erfahrenen Burnern, die Neulinge absorbiert, damit „der Flaschensammler mit dem Silicon-Valley-Tycoon philosophiert“ und das „Erweckungserlebnis des Burns“, wie Meta es nennt, sich entfalten kann. Greg schätzt, dass man eine genügend große Kern-Gruppe zusammenbringt aus Berlinern, die entweder schon in Black Rock City waren oder es auch so gewohnt sind, ihre eigene Energie in Events einzubringen und BM-kompatibel sind; dazu dann ein Kontingent von Langzeit-Burnern, die gerade „in der Gegend“ sind, etwa zum zweiten europäischen Gipfeltreffen vom 6. bis 8.2. in Amsterdam. Der 14.2. war angedacht, wurde aber wieder verworfen. Den aktuellen Stand der Planung entnehme man bitte der Burning-Bär-Website. In der Zwischenzeit wird der BB-Spirit mit kleineren Treffen und Pasta Potlucks hochgehalten. Die Crew, die diese Keimzelle hegt und pflegt, investiert eine Menge Kraft und Zeit, und sie tut das aus reinem Enthusiasmus. Bei allem Idealismus bleibt man aber auch pragmatisch, oder wie ein Mitglied des Orga-Teams es ausdrückt: „Es ist leicht, über den Spirit zu reden, aber Spirit wächst nicht auf Bäumen, er wird gebaut mit den Händen.“ Und durch diese Hände wächst auch unser „Bär“, ein anti-autoritäres, kreatives, freiheitliches Soziotop, den Berliner Sandboden unter den Füßen und die Wüste im Kopf. Möge der Funke überspringen. ■ ■ ■
www.burningbear.de
Foto: Warren Simmens
Installation â&#x20AC;&#x17E;Embraceâ&#x20AC;&#x153; Burning Man 2014
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Mörchen Platte
87% der abstimmenden Friedrichshain-Kreuzberger Bevölkerung hatte 2008 in einem Bürgerentscheid ein „Spreeufer für alle“ gefordert. Aber – wer sind „alle“?
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ehmen wir das Spreeufer zwischen Radialsystem und Michaelkirchbrücke. Ein öffentlicher Park soll hier entstehen, gestaltet vom mörchenpark e.V., unter Einbeziehung der Bürger, die eingeladen sind, mit Rat und Tat mitzuhelfen. Alles wunderbar. Aber denken wir das einmal weiter. Welches Bild erscheint vor Augen, wenn man „Park“, „Bürger“, „öffentlich“ und „alle“ hört? Junge Familien, die den Sprösslingen zeigen, wie man eine Kartoffel ausgräbt, Liebespaare, die ihrem Glück einen Baum pflanzen, rüstige Senioren mit grünem Daumen, hippe urbane Gärtner ... ein Obdachloser, der seinen Einkaufswagen den Uferwanderweg entlangschiebt? Welcher Gedanke taucht da zuerst auf? Wie ist der hier reingekommen? Ist das erlaubt? Wo ist hier der Sicherheitsdienst? //////////////////////
ten Hilfen, die zusätzlich zu den offiziellen Anlaufstellen für Obdachlose entstanden sind. „Die Obdachlosen werden immer mehr“, beobachtet er, und „es wird ihnen auch geholfen, ich bin ja nicht der Einzige, aber die Mehrheit der Leute reagiert genervt.“ Zoltan‘s Facebook-Initiativen „Wärme mit Herz“ und „KälteNothilfe“, also „soziale Netzwerke“ im wahrsten Sinn des Wortes, begegnen den Obdachlosen dagegen auf Augenhöhe. Im fünften Jahr zieht Zoltan im Winter mit freiwilligen Helfern und einem Riesen-Kochtopf im Hackenporsche durch U-Bahnhöfe und Straßenecken, versorgt die Leute mit warmem Essen, Kleidung, Schlafsäcken, Rat und Hilfe bei den Ämtern, konnte sogar Mietverträge vermitteln. Immer kommen genug Helfer, um zu kochen, Kleider zu sortieren, oder auch die Weihnachtsfeier vorzubereiten, die jetzt dreimal den ganzen Heiligabend lang im Yaam stattfand. Die Kälte-Nothilfe nimmt auch Homeless homies mit Hunden auf, und auch, wenn sie nicht nüchtern sind. Da sollte man aber keine vorschnellen Schlüsse ziehen, warnt Zoltan: „Der Obdachlose ist ständig in einem Trance-Zustand, weil er nie richtig schlafen kann. Du schläfst auf irgendeiner Bank ein, nach vier Stunden kommt der Sicherheitsdienst, packt dich am Arm und rüttelt dich durch, du wachst auf, bist in Panik erstmal, willst dich auch nicht anlegen mit dem, und ziehst weiter zum nächsten Punkt, biste da wieder vertrieben wirst, die sind halt immer in Trance.“
„Die Obdachlosen werden immer mehr“, beobachtet er, und „es wird ihnen auch geholfen, ich bin ja nicht der Einzige, aber die Mehrheit der Leute reagiert genervt.“
Obwohl in unserer Zeit die Armut allgegenwärtig ist, werden Obdachlose immer noch nicht mit dem Respekt behandelt, der jedem Menschen bedingungslos zusteht. „Die Leute wachen erst auf, wenn sie selber betroffen sind. Solange sie selber noch was haben, können sie arrogant sein.“ Das sagt jemand, der die Perspektive vom Straßenpflaster aus kennt, weil er die Bedürftigen an ihren Zufluchtsstellen aufsucht und mit vielen von ihnen persönlichen und freundschaftlichen Kontakt hat. Zoltan Dominic Grasshoff ist Gründer einer der privat, spontan aus Mitgefühl organisier-
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-------------------------Platte machen eben. --------------------------
Text: Mörwert Bankski
Das Stück Spree-Ufer, um das es hier geht, kennt Zoltan übrigens schon seit den ersten Tagen der Bar 25, die ersten Helfer für seine Initiative hat er aus der Szene der Clubgänger rekrutiert. Vielleicht hat die Clubkultur ja überhaupt mehr Herz für Obdachlose, vielleicht würden sie hier nicht so ausgegrenzt. Nehmen wir an, ein bärtiger Mensch in Wolljacke wird nachts schlafend auf einem der Sofas am Ufer vorgefunden. „Ob das jemand aus dem Kater-Club ist oder ein Obdachloser, da gibt’s keinen Unterschied, wer hier draußen pennt, werd ich kucken, ob‘s ihm gut geht, wenn‘s ihm nicht gut geht, werde ich ihm Hilfe angedeihen lassen.“ Sagt Andy Edelblut. Er hat den mörchenpark von Anfang an mitentwickelt und mitgestaltet und war bis Ende letzten Jahres stellvertretender Vorsitzender des Vereins. Ein offizieller Weg von Holzmarkt und mörchenpark in puncto Obdachlose ist noch nicht gefunden; momentan gibt es ein paar Vorschläge, die leeren Flaschen, die zahlreich auf dem Gelände eingesammelt werden, draußen gleich den Bedürftigen zur Verfügung zu stellen. - Draußen? „Grundsätzlich ist die Frage ja immer, wie weit hat sich ein Obdachloser von der Gesellschaft enfernt, in seinem Auftreten, d.h. wenn Alkohol ihn agressiv gemacht hat, egal ob das ein Obdachloser ist oder keiner, dann muss man halt auch einschreiten. Also es ist hier kein Kindergeburtstag, aber jeder, der sich nach unseren Regeln, das heißt, mit Respekt dem Gelände gegenüber etc, verhält, ist hier gern gesehen“, so Andy. An einen Sicherheitsdienst wird nicht gedacht, aber zur Sicherheit der Gäste gibt es eine „Abendleitung“. „Es wohnt ja hier keiner, dementsprechend sind die Abendleiter dazu angehalten, nachzuschauen, auch nachts“. „Abendleiter“. Wie die wohl tagsüber heißen? „Chefs“, lacht Andy. Privat gibt er Bettelnden in der U-Bahn nicht so gerne, aber wenn er auf der Straße jemanden sieht, geht er sogar mit seiner Tochter dahin, um zu geben. „So wie sich der Umgang mit Behinderten in den letzten Jahren ja doch stark verändert hat, so ist es auch sinnvoll, den Umgang mit Obdachlosen deutlicher ins Menschenbild aufzunehmen – weil es zu Verarmung in den Städten kommt, immer mehr Armut eben in unser Leben Einzug hält“, plädiert Andy Edelblut. Übrigens – in Parks übernachten Obdachlose gar nicht so gerne. Zu zugig. Lieber in einer geschützten Ecke auf einer Straßenplatte. „Platte machen“ eben.
Foto: Franziska Gronwald
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SPIRITUS LOCI
Urbane MehRfachwelten „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ ist ein Spruch der linken Sponti-Szene aus dem Pariser Mai 1968. Das will nicht nur die Freiheit in die Stadt zurückholen, das klingt auch nach Abenteuer, nach Romantik, nach geheimen Pforten zu Phanstasiewelten. Welchen Stein muss man drehen? Mitten in einer lauten Straße, wer möchte nicht durch die dritte Mauer von links in ein Narnia entfliehen? Oder ... etwa ... durch eine ... Plakatwand? Und dann tritt man über die Schwelle durch einen Bauzaun. Der Blick wird von der Weite angezogen und man bleibt erst einmal am Abhang stehen und schaut. Der Himmel scheint heller zu sein hier. Offener. Auch in einer mondlosen Nacht erhellt ein diffuses Licht das Gelände. Unwillkürlich nimmt man ein paar tiefe Atemzüge. Man möchte sie aufsaugen, diese Stimmung. Auf dem Weg hinunter zum Fluss, vorbei am Lagerfeuer, am Totempfahl, am „Affenburg“ genannten Lehmberg, irgendwo da findet dann die Verwandlung statt. Die kleinlichen Alltagsgedanken fallen ab, Freude und Abenteuerlust blühen auf, und wieder wird man eine ganz besondere Erinnerung mit nach Hause nehmen. Das ist also der Holzmarkt. Merkwürdige Dinge gehen hier vor. Ein Sofa samt
Insassen fährt unbeeindruckt Spreeaufwärts, während ein Touristenschiff in entgegengesetzter Richtung an ihm vorbeischippert. Wirft man hier eine Münze, bestimmt kommt sie 10 aus 10 Mal mit dem Kopf nach oben auf. Ein riesiger Regenbogen erscheint im Osten. In der kleinen Blockhütte oben am Hang soll Jacob gesichtet worden sein. Es soll vorkommen, dass sich wildfremde Menschen um den Hals fallen. Und vom Himmel fallen Konfetti. Irgendetwas stimmt doch da nicht. Aber was? Keine leichte Aufgabe, das herauszufinden. :-) Was ist das, so ein Stück Land? Es hat Länge, es hat Breite, es hat Tiefe, und der Ort streckt sich in die Höhe mit jedem Baum, der die Nährstoffe aus dem Boden in all seinen Zellen bis in die obersten Wipfel trägt. Der Schatten, den er wirft, schafft Weite, über Begrenzungen hinaus. Unten, Sand und Steine von den Gletschern der Eiszeit. Erde, voll unzähliger Lebewesen. Die Ebene von Gras, dann von niedrigen Gewächsen, von Büschen – alles Falten und Nischen, die den reinen Quadratmeter vervielfachen. Und dann die Vergrößerung des Lebensraumes durch die Dimension Zeit, die sich die tag- bzw. nachtaktive Flora und Fauna zunutze macht.
Unsere Sinne sind beeindruckt, aber das ist es nicht, warum an einem Ort die Seele baumelt und am anderen nicht, so schön er auch sein mag. Vielleicht wenn wir einen Magnetsinn hätten wie die Zugvögel, wenn wir das Magnetfeld der Erde schmecken könnten, die elektromagnetische Strahlung der Sonne und die hausgemachten Energien wie die Mikrowellen unserer drahtlosen Kommunikation – wüssten wir gleich: Hier kann man bleiben. So benutzen wir Messinstrumente, um ein Stück Land nach seiner energetischen Prägung zu beurteilen, aber – kann man Magie messen? Außerdem zieht da noch etwas an uns, etwas, das direkt ins Innerste geht, ohne Umweg über das Gehirn, sanfter, aber stärker: Das ist die alles durchdringende feinstoffliche Energie. Als „prana“ kennt man sie aus der YogaStunde, als „chi“ aus dem Feng Shui, der populären Kunst der Raumgestaltung. Um diese Energie aufzuspüren, braucht man eine Wissenschaft, die mehr kann als messen, nämlich fühlen. Und ja, es gibt diese Disziplin, und sie wird sogar an Hochschulen wie der FH Weihenstephan-Triesdorf gelehrt. Sie heißt Geomantie. „Die Geomantie ist eine ganzheitliche Erfahrungswissenschaft. Sie versucht, die geistige, seelische und energetische Identität eines Ortes zu erfassen und die-
Foto: Meike Hofmann se bei Gestaltungen in Architektur, Kunst, oder Landschaftsplanung zu berücksichtigen.” * In der Geomantie heißt die feinstoffliche Energie „Äther“, ein Begriff, der auch von F.A. Mesmer und Wilhelm Reich verwendet wurde. ** Aufgespürt wird sie erst einmal durch: Schauen. Ausschau halten nach Indizien in der Tier- und Pflanzenwelt, wo feinstoffliche Energie auf Materie eingewirkt hat. Dabei kann man auf die Erkenntnisse unserer Vorfahren zurükgreifen, die es noch gewohnt waren, Zeichen zu deuten: Äste von Bäumen, die sich zu Kreuzen, Kreisen oder anderen Formen verwachsen, weisen auf ätherische Kraftorte hin, Efeu wächst besonders stark auf unterirdisch fließendem Wasser, Misteln wachsen, wo negativ polarisierte Frequenzen auftreten. Auch eine andere Methode der Geomantie macht sich alte Weisheiten zunutze: die Radiästhesie. Dabei zeigen Werkzeuge wie Rute, Pendel oder Schwingstab die Wirkung von unsichtbaren oder feinstofflichen Energien auf den Energiekörper des Rutengängers an. Noch bis in die Neuzeit wurden zur Brunnen- und Quellensuche Rutengänger eingesetzt, vor allem aber zur Entdeckung von Metallen. Bevor der Bergwerksbau beginnen konnte, bestimmten
sie, wo, wie viel, und in welcher Tiefe welches Metall vorhanden war. Bleibt die direkteste Methode der Geomantie, den Äther, hier vor allem auf- und abbauende Energien, zu ermitteln: das Erfühlen, das man, wie Meditation, durch viel Übung erlernen kann. Und da liegt sie – in all ihren Dimensionen, die Wunderwelt zwischen den Brücken. Sinnfällig die Lage zwischen zwei Flüssen: unten der Fluss der Natur, oben der steinerne Fluss der Stadt, die Autostraße. Da, wo der Uferweg ins Freie führt, in der Nähe des Bienenhotels, sammeln sich Wesenheiten, oder Energien, die durch die Bauarbeiten verschreckt wurden. Dipl. Geomant Carsten Suter konnte das bei einem Durchgang leicht feststellen. Er empfiehlt auch, einen großen Stein zu teilen, und eine Hälfte auf dem Holzmarkt, die andere im Eckwerk, das durch die S-Bahn vom Rest des Geländes abgeteilt wird, aufzubewahren. So werden beide Seiten durch die verdichtete geistige Energie des Steines energetisch verbunden. Anzeichen für etwas wirklich Ungewöhnliches hat die geomantische Schnelldiagnose nicht ergeben. Allerdings – wenn der Ort als multidimensionaler Träger von einer Vielzahl an
Informationen auf den Menschen wirkt, ist es nur logisch, dass der Mensch auch auf den Ort wirkt. Wie sich Gerüche in einer Wohnung festsetzen, scheinen sich starke Gefühlsausschläge im energetischen Profil eines Ortes anzureichern. Feinfühlige Menschen verspüren Beklemmung an Orten des Schreckens, während man in heiligen Hallen Ehrfurcht empfindet, so als ob der Gesang von Mönchen noch in der Luft läge. Starke Frequenzen im Beta-Bereich senden die Gehirnwellen zum Beispiel bei Zuständen von innerer Unruhe, Angst und Stress aus. Es sind aber die niedrigen Frequenzen der Gamma-, Theta- und Delta-Wellen, die in die feinstoffliche Welt hineinreichen und eine gegenseitige Resonanz von Mensch und Ort herbeiführen könnten. Gammawellen werden mit mystischen und transzendenten Erfahrungen in Verbindung gebracht, Theta-Wellen mit Traum und Meditation, und Delta-Wellen treten im unbewussten Bereich auf, in Verbindung mit anderen Hirnwellen entsprechen sie einer Art innerem Radar. Man stelle sich vor, diese Frequenzen kombinieren sich mit Alpha-Wellen, die in gelöster Stimmung auftreten und als Brücke dienen, die tiefer ins Bewusstsein führt.
Foto: Michael Dooney
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All das übertragen auf eine Gruppe von exaltierten Menschen, vielleicht sogar eine größere Menge, die sich vielleicht auch öfters am gleichen Ort trifft und deren kombinierte Gehirnwellen sich gegenseitig und auf die Umgebung übertragen – man muss kein Geomant sein, um solch eine Magie an solch einem Ort auch noch Jahre später mit den inneren Antennen zu empfangen. Somit wären dann also mit dieser Theorie alle Fragen geklärt; außer vielleicht:
Wohin schwimmt das Sofa und warum? Wie geht das Münzen-Experiment aus? Wo kommen die Konfetti her? Und wer zum Teufel ist dieser Jacob?
Nur eines ist sicher: Wenn man durch den Bauzaun wieder hinaustritt auf die Holzmarktstraße, nahe der Nummer 25, wird man sich noch einmal umdrehen und zurückschauen, mit einem Gefühl von – ja, Dankbarkeit. ■ ■ ■
Inna und Alenka vom mörchenpark Doku-Team beim Münzwurf Experiment
Text: Monika Dietl
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Stefan Brönnle: „Die Kraft des Ortes“, Falken Verlag 1998, Seite 9.
** Der Äther geistert sogar durch die Physik. In der europäischen Neuzeit wurden Äther-Theorien von Descartes bis Einstein postuliert, verworfen, und wieder postuliert. 1924 verwendete Einstein den Begriff in „Über den Äther“ für alle außerhalb der Materie existierenden Objekte mit physikalischen Eigenschaften. Einstein mit der Wünschelrute? Vielleicht. Aber Heisenberg stellt den „Beobachter“ ins Zentrum der Quantenphysik. Deren Konzepte scheinen oft der klassischen Physik zu widersprechen und entwickeln eine meta-physische Bedeutung. Und wie ist das mit der „Dunklen Materie“, die immer noch nicht nachgewiesen ist, deren Wirkung man aber beobachten kann? Gar nicht zu reden von „Dunkler Energie“ ...
Land sehen „Der Ökologe David Orr hat uns die Generation der ‚Landschafts-Analphabeten‘ genannt; weniger und weniger Menschen können aus ihrer Umgebung Anzeichen für Gesundheit oder versteckten Reichtum der Landschaft ablesen. Die ökologische Krise ist, ganz wörtlich, ein Versagen der Weit-Sicht“. G.P. Nabhan in „Permaculture“, Tagari Publications 1988
Foto: Chris Driesen
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Straßenbaum. Der gehört nicht mir, sondern dem Land Berlin, erfahre ich. „Ja, das Schichten von Herbstlaub trete, die meine Straße bedecken. Das Laub hat genau die haben die gar nicht gerne“, erklärt mir die richtige Konsistenz, schon etwas angemulcht, zu schwer zum Wegfliegen. Und da Dame vom Umweltamt. Wegen dem Ungeziesteht er, mein Freund der Straßenbaum, in froher Erwartung eines kleinen Berges fer und den Ratten, die sich im Laub verbergen von wunderbar gärendem, wärmendem, und später sogar nährendem Laubes, das könnten. Und das sei halt der Stand der Technik, jemand liebevoll um seine Wurzeln herum bis zum Stamm anhäufeln würde. mit Maschinen zu blasen, auch bei bis zu 100 Dezibel. Mit wie viel Pascal Luft auf Blatt trifft, ist Aber mein Ich überlege: nicht zu eruieren. Baum macht bestimmt um die 30 – 50% meines Wohnvergnügens aus (je nach Jahreszeit), und so steige ich in den Keller hinunter, lege Yogamatte, Backpack Also wird säuberlich mit großem (?) Luftdruck das und Mantel ab, dann weiter nach hinten in den Hof hinauf, wo ich weiß, dass nasse Laub vom Gehsteig, von den armen Bäumen, Gartengeräte verstaut sind. unter den Autos hindurch auf die Straße geblasen, wo später die Reinigungsfahrzeuge alles in geeigneten Wieder zurück, versuche ich, einen kleinen Rechen so leise wie möglich Parklücken zusammenschieben. über das Pflaster zu bewegen, eine Schicht nach der anderen, immer und immer wieder, bis sich tatsächlich ein Häufchen um meinen Baum herUnd so erwartet mich, als ich nachmittags auf mein Haus um bildet. Nicht genug. Ich erweitere meinen Sammelradius, bis ich bei zugehe, ein respektabler Laubhaufen auf der Straße, in einer der nächsten Hausnummer ankomme und dem benachbarten Baum Parklücke, ca. zwei Meter von meinem Baum entfernt. skrupellos Gehsteig-Mulch entwende. Nichts wie weg hier, der LaubEs sind bestimmt zwei Minuten, die ich regungslos dastehe. haufen sieht wärmend aus. Soll ich, soll ich nicht? Der Einkauf ist schwer auf meinem Rücken. Aber der Laubhaufen ist steil, es wäre doch sicher ganz Am nächsten Morgen werde ich von einem Höllenlärm geweckt, leicht ... Ich kann‘s nicht lassen. Gerechtigkeit für meinen Straden ich nicht zuordnen kann. Definitiv ein Motor. Auto oder Hubßenbaum. Also Keller, ablegen, Hof. Das große Tor ist offen, sehr schrauber? Ich öffne das Fenster und ein Schwall von Abgasen gut. Diesmal kommt auch die Schubkarre mit. Allerdings ist es kommt herein. Ich wohne im vierten Stock. Unten macht sich dann doch nicht so leicht, wie ich dachte. Die Schubkarre zu füllen, jemand, der aussieht wie einer der Ghostbusters, mit einem ist mühselig und es sind drei oder vier Ladungen nötig, um den Baum Gerät, aus dem sich ein langes Rohr windet, auf dem Bürgerwieder etwas einzumanteln. steig zu schaffen. Natürlich kommt genau in diesem Augenblick die Besitzerin des Rechens mit ihrem Hund vorbei. „Was machen Sie dann da mit meiner Leafblowers. Ich kenne diese Mistdinger. Aus Kalifornien. Harke?“ „Harke“, aha. Ich speichere das erstmal für die spätere ErgrünWo ich damals in bester deutscher Arroganz verkündet dung der termini technici im Gartenbereich. hatte: „Bei uns wäre das nie möglich. Das würde der Es fehlt noch reichlich Laub an den Wurzeln, aber ich kann nicht mehr. Umweltschutz niemals zulassen.“ Nichts wie weg hier. Als ich Schubkarre und Harke auf den Hof zurückbringe, höre ich, warum das große Tor offenstand. „Gerade wir arbeiten natürlich mit dem Umweltamt Ich schaue weg. Ich will‘s nicht wissen. zusammen“, versichert mir später die Dame von der BSR. Und ich solle mal die Finger lassen von dem Die Prinzessin auf der Erbse
„Toll“, denke ich, als ich abends vom Yoga nach Hause komme und auf die
Soll ich? Soll ich nicht?
„Aber mein Baum macht bestimmt um die 30 – 50% meines Wohnvergnügens aus.“
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-------------------------------------------------------------„Lauf, Biber lauf, der mörchenpark macht auf!“ --------------------------------------------------------------
--------------------------------------------------------------------„Schwimm, Otter, schwimm, der Biber ist schon drin!“ ---------------------------------------------------------------------
Impressum möRRR #01, Februar 2015 Herausgeber Birkelbach/Dietl/Gronwald c/o Franziska Gronwald Derfflingerstraße 19A, 10785 Berlin Chefredaktion Monika Dietl (V.i.s.d.P.) ObjektBeratung und Redaktion Helge Birkelbach Redaktionelle Mitarbeit Hans Cousto Sibylle Sterzer Autoren Helge Birkelbach Hans Cousto Monika Dietl Rolf Ebbinghaus Julia Nickel Sibylle Sterzer Sven von Thülen & Felix Denk Artdirektion/Grafik Franziska Gronwald, franzidesign Illustrationen und Comic Nele Brönner COVER „Das Trojanische Einhorn“ Franziska Gronwald, franzidesign Druck DBM Druckhaus Berlin Mitte www.druckhaus-berlin-mitte.de Dieses Heft wurde klimaneutral produziert mit FSC und PEFC zertifiziertem Material.
Vertrieb Frank Blümel Wir freuen uns über Ihr Feedback! moerrrpost@yahoo.com Wortschöpfung „möRRR“ mit freundlicher Genehmigung von Gunther Heise möRRR ist ein Fanzine von Mitgliedern des mörchenparks und vertritt weder den mörchenpark e.V. als solchen, noch gibt es die Meinung des Vereinsvorstands wider.
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