Der Moment #1

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WIDERSPRUCH


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WIDERSPRUCH

Willkommen bei Momentum19! Vor 36 Jahren erklärte der damalige Bundeskanzler Alfred Sinowatz im österreichischen Nationalrat: „Ich weiß schon, meine Damen und Herren, das alles ist sehr kompliziert so wie diese Welt, in der wir leben und handeln, und die Gesellschaft, in der wir uns entfalten wollen.“ Der Welt und der Gesellschaft liegen eben Widersprüche zu Grunde, die alles etwas schwieriger machen. Um Widersprüche wird sich auch beim Momentum alles drehen. Konkret in folgendem Programm: DONNERSTAG, 10. 10. 2019 14:00 - 17:30 Pre-Conference Workshops 18:30 Eröffnung von Momentum19: Widerspruch 19:00 Keynote von Ingrid Brodnig

FREITAG, 11. 10. 2019

SAMSTAG, 12. 10. 2019

SONNTAG, 13. 10. 2019

09:00 – 12:00 Track Session I

09:00 – 12:00 Track Session III

ab 9:30

14:00 – 18:00 Track Session II

14:00 – 16:00 Track Session IV

Frühstück

19:00 – 20:30 Ulrike Haida-

16:00 Kaffeepause

10:30 – 11:30

cher mit ihrem ersten Solo-

16:30 Track Session V: Conclu-

Abschlussmatinee mit

programm “Aus Liebe”

ding Session

Corinna Milborn

ab 20:30

19:00: Ideenforum

ab 11:30

Abendessen im Kongresshaus

ab 20:30

Feedbackrunde, Schlussworte

Abendessen im Kongresshaus

und Ausblick 2020

20:00

ab 21:30

Buffet und Musik im Kon-

Cocktails und Party im

gresshaus

Kongresshaus

„Die Dimension der Macht interessiert mich.“

Die Soziologin Marianne Egger de Campo hätte eigentlich das Momentum eröffnen sollen. Nun ist sie kurzerhand erkrankt und musste absagen. Statt der Keynote hat sie der Kongresszeitung ein Interview gegeben. DerMoment: Ihre Keynote ist

Beamtentum nicht kannte.

Für diesen Fall braucht es

mit dem Titel „Beamtentum

Da schlug sie mir für das

die Courage –und rechtliche

ersetzen

„falsch geschriebene Wort“

Vorkehrungen

mut?“ überschrieben. Was

Beamtentum

Beamtenmut

tenrecht und die entspre-

meinen Sie mit Beamten-

vor.Beamte werden darauf

chende Ausbildung – Wi-

mut?

trainiert und sind gesetz-

derstand zu leisten und den

lich verpflichtet, ihren Vor-

Gehorsam zu verweigern.

durch

Beamten-

im

Beam-

Marianne Egger de Cam-

gesetzten

po: Der Begriff „Beamten-

leisten. Anders könnte ein

mut“ wurde mir eigentlich

moderner Staat nicht funk-

vor einigen Monaten von

tionieren. Dennoch können

Weil, wie ich behaupte, die

meinem Spellchecker vor-

Situationen auftreten, in de-

Vierte Gewalt, also die Öf-

geschlagen, da die künstli-

nen der/die Vorgesetzte sei-

fentlichkeit in Gestalt der

che Intelligenz den Begriff

ne/ihre Macht missbraucht.

Medien

Gehorsam

IMPRESSUM: Momentum - Verein für kritische Wissenschaft und Politik Redaktion: Moritz Ablinger (MA), Kathrin Glösel (KG), Max Schwarzenbacher (MS), Johanna Teufel (JT) Layout: Susanne Gusenbauer | Fotos: Clemens Sauerwein. Ansonsten wie angegeben

zu Warum ist das so wichtig?

zunehmend

kor-


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WIDERSPRUCH

rumpiert wird. „Alternative

Beamtenapparat rechtswid-

Facts“ und Fake News so-

rige Vorgänge verhindern,

wie der Einfluss von Social

wenn ihm das Personal fehlt

Media erodieren den Begriff

oder das gut ausgebildete

von wahr und falsch bzw.

Personal? Ähnliches gilt für

gelogen. Es ist doch voll-

die Justiz, die ja am Beispiel

kommen

Österreich aus der Sicht des

unverständlich,

dass unmittelbar nach dem

Justizministers

Ibiza-Skandal über 40.000

ausgehungert wird.

Wähler*innen

Jabloner

Heinz-Chris-

tian Strache, der eben einer

In einem Buchbeitrag aus

eklatanten Bereitschaft zum

dem Vorjahr schreiben Sie,

Machtmissbrauch

dass

über-

die

„Widerstands-

führt worden ist, ihre Vor-

funktion der Beamten […]

zugsstimme geben. Wenn

angesichts

zunehmender

also die Kontrolle der auf

Beteiligung

antidemokra-

Zeit übertragenen Macht in

tischer politischer Kräfte“

der Demokratie nicht mehr

besonders wichtig sei. Gibt

funktioniert, wer verhindert

es Anzeichen dafür, dass der

dann, dass Despoten sich

„Beamtenmut“ größer wird?

persönlich bereichern, die Rechte

der

Bürger*innen

beschränken, oder

die

die

freien

Justiz Medien

Dazu gibt es einfach noch keine

Forschungsergeb-

nisse. Es gibt sehr weniger

Foto: HWR Berlin

durch scheinlegale Gesetze

Forscher*innen,

sich

meinen Arbeiten über die

behindern?

dieses Themas annehmen.

gierigen Institutionen und

In Deutschland sprach ex-

bei meiner kritischen For-

Verwaltungsbehör-

plizit in den frühen 1950er

schung zur ausbeuterischen

den wurden vom Neolibe-

Jahren ein Soziologe na-

24-Stunden-Pflege,

ralismus nicht verschont. Es

mens Herbert von Borch

mich die Dimension Macht

muss gespart werden. Be-

von der Verpflichtung der

(ob nun politische Macht

einflusst das die Handlungs-

Beamten, Widerstand ge-

oder Macht eines kapita-

macht einzelner Beamter?

gen

listischen Marktes) als die

Auch

Ich sehe darin nicht den Effekt

eines

lichen

vermeint-

Neoliberalismus,

sondern klares politisches

die

Machtmissbrauch

zu

leisten, danach hat sich in

strukturierende

der Soziologie lange eine

Zusammenlebens

kritische

essiert. Sehr viel Zeit zum

Haltung

gegen-

Kraft

dass

bleibt

Publizieren

tum gehalten.

Hochschulprofessorin leider

ausgehungert

ze aus den letzten Jahren

fen, Studierende betreuen)

werden, ist in der interna-

ansieht, erkennt man eine

müssen wie Professor*innen

tionalen

große inhaltliche Breite. Wo-

auf Unis, aber die gleichen

her kommt das?

Pflichten in Forschung und

senschaftlichen

Literatur

2009 ist sie Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.

nicht, da wir in Deutschland doppelt soviel lehren (prü-

verwaltungswis-

Franzens-Universität in Graz. Seit

einer

Wenn man sich Ihre Aufsät-

regelrecht

Sie promovierte an der Karl-

inter-

Trump-Regierung

der

steirischen Feldbach geboren.

des

über dem Berufsbeamten-

Kalkül. Dass Behörden unter

Marianne Egger de Campo ist im

akademischer Selbstverwal-

bekannt und Steve Bannon hatte ja den Kampf gegen

Naja, ich bin Professorin

tung haben. Das ist eigent-

den „Deep State“ ausgeru-

für Allgemeine Soziologie,

lich ein verfassungswidriger

fen. Das schränkt die Hand-

da muss ich die Breite des

Zustand. Und der hat auch

lungsspielräume von Ver-

Faches vertreten können.

was mit Machtverhältnissen

waltungen ein – wie soll ein

Dennoch erkennen Sie bei

zu tun.

(MA)

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Hallstatt bleibt rot 43. Eine Zahl, die SPÖ-Bürgermeister Alexander Scheutz keine Sorgen bereitet – obwohl seiner Partei

genau so viele

Stimmen bei den Nationalratswahlen abhanden gekommen sind. Fünf Prozent macht das in Hallstatt aus. Trotzdem ist die SPÖ mit 45 Prozent noch immer locker auf Platz eins im Ort das Rennen um das beste SP-Gemeindeergebnis hat

tie leichtes Spiel, eine derart

900.000 TagesbesucherInnen

Im benachbarten Obertraun er-

die Marktgemeinde aber ge-

deutliche rot-grüne Mehrheit

zieht Hallstatt jährlich an. „Wir

reichte die SPÖ sogar 47 Prozent,

gen das nahegelegene Ober-

wünschten sich wohl auch

sind zwar ein Dorf, aber durch

es war das neunt-beste Ergebnis

traun verloren. Ein schlimmer

viele Wiener GenossInnen –

die Internationalität waren wir

der Partei bundesweit.

Verlust? „Nein, das schmerzt

drei von fünf HallstätterInnen

irgendwie immer ein bisschen

nicht“, meint Scheutz, er freue

haben ein Kreuzerl bei einer

anders, nicht so kleinkariert“.

sich für die Obertrauner Orts-

der beiden Parteien gemacht.

partei.

Was macht Hallstatt also so

Trotzdem habe sich in den

Wahlkarten nur auf Bezirk-

besonders?

letzten Jahren etwas in der

sebene ausgezählt und „mit

Scheutz findet viele Gründe

Sprache verändert. Beim The-

Wahlkarten hätten wir sicher

dafür. Den Grundstein lege

ma Migration etwa sei jetzt öf-

mehr gehabt“, scherzt er.

die

Außerdem

würden

Bürgermeister

ArbeiterInnenbewegung,

ter vom überrannt werden die

die in Hallstatt eine lange Ge-

Rede, das bereite ihm Sorge.

Doch in der Gemeinde hat

schichte habe. Dazu kommt

Manches macht also auch vor

nicht nur die Sozialdemokra-

der Tourismus. Unglaubliche

Hallstatt nicht Halt.

(MAS)

KOLUMNE DER MOMENT

Im Widerspruch Für

fehlt

te schreiben, die mich schon

mir gewöhnlich der Ehrgeiz.

Schreibblockaden

im zweiten Absatz langweilen,

Bevor ich stundenlang über

weil sie völlig unkritisch über

einem mitreißendem Einstieg

Aktionen berichten, die nur

brüte, schreibe ich lieber ei-

wenige Menschen interessier-

nen mittelmäßigen. Und wenn

ten, die nicht an ihnen teilge-

mir nicht einmal das gelingt,

nommen haben? Oder lässt

lasse ich ihn einfach weg. Am

das zu tief blicken? Und ist

Schluss werde ich schon etwas

obendrein unsolidarisch?

Foto: Privat

zusammenschustern können. Doch bei linkem Journalismus

arbeit leisten, eine Plattform

In der Kolumne „Im Wider-

Doch jetzt sitze ich seit einer

geht es nicht in erster Linie da-

für verschiedene Gruppen und

spruch“ schreibt die Redakti-

Stunde über dieser Kolumne,

rum, fesselnde Reportagen zu

Persönlichkeiten sein und ge-

on von derMoment über linken

die gerade einmal halbe Seite

schreiben oder kritische Inter-

legentlich über Dinge schwei-

Journalismus und seine Schwie-

füllen soll. Über linken Journa-

views zu führen. Gerade jetzt,

gen, über die wir gerne schrei-

rigkeiten.

lismus soll es gehen und vor

gerade in Österreich, braucht

ben würden. Dafür gelingt uns

allem über seine Widersprü-

es Orte, an denen sich Kräfte

bei Mosaik ein Austausch über

che. Das hemmt. Ich bin ko-

verschiedener linker Strömun-

sektiererische Grenzen hinweg.

ordinierender Redakteur beim

gen vernetzen oder zumindest

Das ist nicht wenig und könnte,

Mosaik Blog, einem linken Me-

kennenlernen können. Ein Blog

früher oder später, mehr verän-

dienprojekt. Wie ehrlich kann

kann dazu einen Beitrag leisten.

dern als der mitreißendste Ein-

ich sein? Soll ich über die Tex-

Dafür müssen wir Beziehungs-

stieg der Welt.

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