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Der Jahrhunderkoch
from Unser Tegernsee 16
by Monika Graf
8 Unser Tegernsee Magazin Foto: Markus Bassler
Porträt
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80. Text: Volker Camehn Jetzt also Tegernsee, raus aus München in den Landkreis Miesbach, dorthin, wo der Landkreis vielleicht am schönsten ist. Für den Sternekoch Eckart Witzigmann bedeutet das einen Neuanfang. Gleichzeitig ist es aber Er ist der Koch der Könige und Götter, er arbeitete in den besten Küchen dieser Welt. Seit Ende Juni lebt Eckart Witzigmann mit seiner Lebensgefährtin Nicola Schnelldorfer Der JAHR HUNDERT KOCH am Tegernsee, hier auch irgendwie Heimkehr. „Ich war ein Leben lang den Bergen verbunden“, sagt er. Groß geworden feierte der Meister- ist der Österreicher in Bad Gastein, im Nationalkoch auch seinen park Hohe Tauern südlich von Salzburg. Eine der 80. Geburtstag. beeindruckendsten Hochgebirgslandschaften in Europa. „Am Tegernsee kommt jetzt noch ein Ein nachträglicher See zu den Bergen, und das ist etwas ganz BesonGlückwunsch! deres.“ Mit seiner Lebensgefährtin erkundet der 80-Jährige gerade die Umgebung. Einen Lieblingsplatz haben sie noch nicht. Er schmunzelt. „Bis jetzt ist der gesamte See unser Lieblingsplatz.“ Doch darin ist er sich sicher: „Im Laufe →
3GOURMET der Zeit werden wir sicher unseren absoluten Favoriten finden.“ Eckart Witzigmann hat schon viel von der Welt gesehen, hat an vielen Orten gelebt. Paris, London, Stockholm, Brüssel, um nur einige Stationen zu nennen. Seine Ausbildung absolvierte er in den besten Häusern dieser Erde. Die besten seines Faches förderten sein herausragendes Talent. Paul Bocuse, Paul Simon, Roger Vergé, die Brüder Troisgros und besonders Paul Haeberlin unterstützten ihn bei seiner einzigartigen Karriere. Und auch er war ein Förderer. Zahlreiche seiner früheren Mitarbeiter gehören heute selbst zur ersten Köche-Garde.
Mit vielen Titeln durfte sich Eckart Witzigmann im Laufe seiner Karriere schmücken. An der Universität in Örebro in Schweden war er „Professeur de la Cuisine“. Die New York Times nannte ihn „Koch der Könige und Götter“, da er für zahlreiche Königshäuser auf der ganzen Welt tätig war. Er kochte unter anderem für Queen Elisabeth II., Harald von Norwegen und den Maharadscha von Jaipur. 2003 wurde sogar eine Rose nach ihm benannt. Am meisten bedeuten ihm aber vor allem zwei Ehrungen. „Die sind unzertrennlich miteinander verbunden“, sagt Witzigmann. Als erster Koch in Deutschland erhielt er drei Michelin-Sterne. Später wurde er „Koch des Jahrhunderts“. Es war in den 1970er-Jahren, als er in Deutschland die französische Nouvelle Cuisine etablierte. Nein, nicht nur das. Er entwickelte sie auch stetig weiter. Seitdem haftet ihm das Etikett „Neue Schule des Kochens“ an. Zur deutschen Spitzengastronomie gehörte er spätestens seit 1971. Da war er Küchenchef im Münchner Restaurant Tantris, für das er 1973 den ersten und 1974 den zweiten Michelin-Stern bekam. In den Folgejahren erkochte er sich weitere dazu. Das Aubergine, sein eigenes Restaurant am Münchner Maximiliansplatz, wurde 1980 als erstes deutsches Restaurant überhaupt mit drei Guide-Michelin-Sternen ausgezeichnet, die es bis zu seiner Schließung, Ende 1994, behalten sollte. Bei allem Erfolg – was Essen anbelangt, ist Eckart Witzigmann alles andere als elitär. Eher pragmatisch. Gleichzeitig philosophisch. Auf die Frage, welche Gerichte er eventuell für überbewertet hält, hält er inne. Er spricht bedacht, wenn er antwortet: „Was überbewertet ist, liegt immer im Auge des Betrachters. Und das ist meistens Geschmackssache.“ Mit voreiligen Urteilen ist er vorsichtig. „Wenn gute Produkte vernünftig zubereitet werden, ist es letztlich eine Frage des persönlichen Geschmacks, nicht der Wertung.“ Wenn man es genau nimmt, war Eckart Witzigmann schon vor seinem Umzug an den Tegernsee in der hiesigen Gastronomie präsent. Hintergründig. So holte sich etwa Christian Jürgens bei Witzigmann im Aubergine „den finalen Schliff“, wie er selber sagt. 2008 begann Jürgens als Küchenchef im Althoff-Seehotel-Überfahrt in Rottach-Egern. Fünf Jahre später wurde das Restaurant Überfahrt unter seiner Regie mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Mit Seehotel-Überfahrt-Küchendirektor Walter Leufen verbindet den Meisterkoch → Christian Jürgens mit dem Meisterkoch inmitten seiner Brigade in der Küche seines mit drei Sterne ausgezeichneten Restaurants Überfahrt.
Mit AlthoffSeehotel-ÜbefahrtKüchendirektor Walter Leufen (links) verbindet den Meisterkoch eine langjährige Freundschaft, Christian Jürgens (rechts) holte sich bei Eckart Witzigmann in seinem Drei-SterneRestaurant „Aubergine“ den letzten Schliff. Fotos: J. Krause-Burberg
Foto: J. Krause-Burberg 5o WAS BLEIBT Es kann Kunst sein, ein einfaches Spiegelei zu braten. In seiner zweibändigen Buchausgabe „Eckart Witzigmann – Was bleibt. Ein Jahrhundertkoch und sein Vermächtnis“ zelebriert Eckart Witzigmann seine Leidenschaft fürs Kochen. Und präsentiert seine berühmtesten Klassiker: Gerichte, mit denen er KulinarikGeschichte schrieb. Durch viele private Bilder und persönliche Erinnerungen gewährt er berührende Einblicke in sein bewegtes Leben und lässt Revue passieren, was ihm wichtig war. Wichtig ist. Und wichtig bleibt.
eine besondere langjährige Freundschaft. Mit großer Begeisterung erinnern sich die beiden an die Zusammenarbeit anlässlich eines privaten Dinners mit den drei Star-Tenören
Luciano Pavarotti, Placido Domingo und Josè Carreras im
Breidenbacher Hof in Düsseldorf. Eckart Witzigmann kocht seit über 60 Jahren, seine Lehre im Hotel Straubinger bei
Ludwig Scheibenpflug begann er 1957. Und dennoch sagt er heute: „Für mich ist es immer noch der schönste Beruf der Welt.“ Sein Handwerk beherrscht er wie kein anderer.
Bei ihm ist es zur Kunst geworden. Und die treibt ihn immer noch um, nicht nur in der Küche. Ü ber 50 Kochbücher hat Eckart Witzigmann geschrieben, zum Teil mit anderen Prominenten wie den jüngst verstorbenen Alfred Biolek, Tim Mälzer oder Johann Lafer. Er war Herausgeber des ehemaligen FeinschmeckerFoto: E. Witzigman
Magazins „Apéro“, leitete unzählige Kochkurse und war unter anderem als Unternehmensberater in der Gastronomie tätig. Er ist Patron des Restaurants IKARUS im Hangar-7 am
Salzburger Flughafen. Nach einer Idee von Dietrich Mateschitz, dem Chef des österreichischen Getränkeherstellers „Red Bull“, entwickelte er das bis heute einzigartige Konzept für das Haute-Cuisine-Projekt. Witzigmann prägte den Stil der deutschsprachigen Küche. Er brachte sie voran, verlieh ihr Leichtigkeit und Eleganz. Seit 2004 steht er deshalb auch
Pate für eine besondere Auszeichnung. Der „Eckart Witzigmann Preis“ wird für Verdienste in der Esskultur verliehen.
Auf die Frage, welche Eigenschaften ein guter Koch seiner
Meinung nach mitbringen muss, sagt er. „Wenn man sich entschließt, diesen Beruf zu ergreifen, sollte man Ausdauer, Mut, Kreativität und eine Prise Besessenheit mitbringen.“ Der Österreicher kennt die Küchen dieser Erde. Er ist
Kosmopolit. Mensch mit Weltruhm. Der Jahrhundertkoch.
Jetzt also Tegernsee. Herzlich willkommen, Eckart Witzigmann.
INFOS
Witzigmanns Meisterschüler im Tegernseer Tal
Ohne Eckart Witzigmann wären sie vielleicht nie so erfolgreich geworden – und das Tegernseer Tal wäre wohl um ein paar Spitzenköche ärmer.
Neben Christian Jürgens haben vor allem folgende Namen die hiesige Gastronomie nachhaltig mitgeprägt: Markus Bischoff, Michael Fell, Erich Schwingshackl.