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Armin Fellner Barkeeper im Bachmair Night Club
from Unser Tegernsee 16
by Monika Graf
Interview
Barkeeper Armin Fellner über seine „Night Club“Erfahrungen und moderne Trinkgewohnheiten.
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Interview: Volker Camehn Armin Fellner wartet schon im Garten der Villa Adolphine in Rottach-Egern. Braun gebrannt, sportliche Figur, ein paar Meter weg, lehnt sein neues Mountain Bike, das er sich vor Kurzem gekauft hat. Fellner, Jahrgang 1962, hat im Hotel Bachmair am See von 1983 bis 1985 Restaurantfachmann gelernt, anschließend arbeitete er vier Jahre als Barkeeper im legendären „Night Club“, bevor er bis 1997 die Position des Bar-Chefs bekleidete. Nach Selbstständigkeit mit eigener Bar wechselte er schließlich wieder als Oberkellner ins Restaurant Postillion, wo er bis heute tätig ist. Im Gespräch über die wilden 80er-Jahre hinter der Bar wählt er seine Worte mit Bedacht. Und obwohl es wohl eine aufregende Zeit gewesen sein muss, bleibt Armin Fellner bei seinen Schilderungen, ganz Barkeeper-like, vor allem diskret und bescheiden.
Herr Fellner, waren Sie dieses Jahr schon im Urlaub? Sie sehen recht erholt aus. Armin Fellner: Nein, ich war noch nicht im Urlaub. Aber im Lockdown war ja genügend Freizeit. Da drüben steht mein Radl – vielleicht kommt daher meine gesunde Gesichtsfarbe. Ich habe mir dieses Jahr einen Skiurlaub in der Schweiz gespart und habe mir dafür dieses Radl gekauft (lacht).
Wie würden Sie Ihren Beruf, Barkeeper, beschreiben? AF: Man ist auf der einen Seite Psychologe. Und andererseits Entertainer. Es ist für mich einer der abwechslungsreichsten Jobs überhaupt, weil jeder Tag beziehungsweise jede Nacht völlig anders ist. Und man lernt die Leute auf eine unbeschwerte, angenehme Art und Weise kennen. Sie haben ja Lust auf Feiern, auf etwas Gemütlichkeit. Und am Tresen trifft man sich, um kommunikativ zu sein. An der Bar ist immer Austausch. Als Barkeeper solltest du deshalb, auch das gehört zum Job, nicht zu introvertiert sein. Du musst →
„Ich war schon immer eine Nachteule“
1989–1997 BARKEEPER IM LEGENDÄREN BACHMAIR NIGHT CLUB
plaudern, mit den Gästen reden, zuhören wollen und können. Und selbstverständlich braucht es eine gewisse Leidenschaft, die man ja in der Gastronomie immer haben muss. Sonst bleibst du immer nur Mittelmaß.
Sie lernen Ihre Gäste aber immer im Ausnahmezustand kennen. Das kann nicht die Realität sein. AF: Das ist so. Und man täuscht sich dann schon mal in gewissen Leuten. Du glaubst etwa, das ist ein erfolgreicher Geschäftsmann und erfährst dann, dass er es mit dem Gesetz nicht ganz so genau nimmt …
Auch die Nachtarbeit muss man wohl mögen ... AF: Daran gewöhnt man sich. Ich bin aber immer schon eine Nachteule gewesen. Dafür hat man ja zu anderen Zeiten frei.
Leiden soziale Kontakte durch den etwas anderen Arbeitsrhythmus? AF: Nein. Ich kenne so viele Leute, man trifft sich immer wieder – in München, Hamburg, in Berlin. Ich habe bestimmt mehr Leute kennengelernt als manch einer, der acht Stunden im Büro sitzt. Da vermisse ich nichts. Ist es auch das, was Sie an der Gastronomie, am Hotelfach anfangs gereizt hat – interessante Menschen kennenlernen? AF: Ich habe, bevor ich zur Hotelfachschule gewechselt bin, Bauingenieur in Regensburg studiert. Und habe in dieser Zeit nebenbei in der Gastronomie gejobbt. Und damals hat mich schon begeistert, dass man da auch mal Leute erlebt, die man sonst nur aus der Zeitung kennt. Eine Lust am Glamour, wenn man so will. Und irgendwann also, nach zwei Semestern, habe ich entschieden, das Studium ist nix für mich, und bin zur Hotelfachschule in Tegernsee gegangen und habe anschließend im Bachmair am See Restaurantfachmann gelernt.
Restaurant- und Hotelfach ist das eine, Barkeeper noch mal ein ganz spezieller Job. Wie kam es dazu? AF: Im hauseigenen „Night Club“ wurden für die Galas immer aus dem Service Leute gesucht, die an der Bar aushelfen. Da musste jeder mal ran. Ich habe mich damals wohl nicht zu dumm angestellt, also hieß es: Wir wollen den Armin wieder, der weiß, wie es abläuft, der kennt die Handgriffe. Tolle Zeit: Da war alle vier Wochen was los, Events mit Howard
Udo Jürgens
„Eine Lust am Glamour, wenn man so will.”
Carpendale, Reinhard Fendrich, Udo Jürgens ... ich habe da viele Prominente hautnah erlebt. Da kamen auch immer so um die 300 Gäste, aus München, aus Rosenheim – wir hatten ein großes Einzugsgebiet. Damals war das mit dem „Don't drink & drive“ noch nicht so streng ... Und das Faszinierende war ja auch: Egal, wo der Gast gesessen hat – er war nie weit weg vom Star des Abends entfernt. Das machte die Galas wohl auch so besonders.
Wann und wie lernt man denn Cocktails mixen? AF: Learning by doing. Ein bisschen Fingerspitzengefühl. Whiskey sour zum Beispiel: Da weiß man die Zutaten und braucht irgendwann keinen Messbecher mehr. Alles Übung.
Hanne Santen mit Alfred Biolek und Kamel anlässlich der Präsentation einer neuen Lederkollektion
Aber das Trinkverhalten war damals auch anders: Damals haben die Gäste eine Flasche Wodka, Whiskey oder Gin bestellt und haben zwei, drei Drinks genommen. Dann wurde die Flasche mit ihrem Namen beschriftet, weggestellt und beim nächsten Besuch wieder hervorgeholt. So Mix-Sachen wie Gin Tonic hat damals keiner bestellt. Übrigens: Bier ist am Tresen auch nicht verkauft worden. Höchstens mal Flaschenbier, aber nur für erlesene Stammgäste! Den Zapfhahn an der Bar, wie er heute üblich ist, gibt es erst seit Ende der 80er-Jahre.
Was hat sich sonst noch geändert? AF: Das Sortiment war zu meiner Zeit übersichtlicher: Es gab damals zum Beispiel nur vier verschiedene Sorten Gin oder Wodka. Heute gibt es Gin in zahllosen Sorten und Varianten, eine Modeerscheinung, die irgendwann wieder vorbei ist. Aber so ist es eben. Die Gäste haben sich auch geändert, es sind inzwischen mehr, darunter leidet auch das Besondere, das Elitäre. Damals kamen vor allem diejenigen, die das Geld verdient haben – und jetzt kommt die Jugend mit diesen ganzen Spritz-Geschichten. Finde ich persönlich nicht so gut, weil die Ware doch viel zu schade ist, um das zu verspritzen. Zudem gibt es heute weniger Etikette. Das müssen Sie näher erklären. AF: Wenn man früher ins Hotel Bachmair am See gekommen ist, war man ordentlich angezogen. Punkt. Das gibt es heute nicht mehr. Im Club arbeitete eine Garderobière, die hielt 50 verschiedene Krawatten für Gäste bereit. Denn als ich im „Night Club“ angefangen habe, gab es Krawattenzwang und die Frauen sind im Abendkleid gekommen. Es war ein bisschen so wie im Spielcasino. Mit Jeans und Lederjacke kam man überhaupt nicht rein. Auch Jackets mit Rollkragenpulli, auch eine Weile sehr modern, gingen hier nicht durch: Da musste man sich dann um den Rollkragen eine Krawatte umbinden. →
Welche Gäste machen einem Barkeeper das Leben schwer? AF: Wir hatten mal das Management einer bekannten englischen Band da und es ging so richtig zur Sache, die haben sich geprügelt, untereinander, mit den Gästen. Am nächsten Tag haben die den Schaden bezahlt und sich für den schönen Aufenthalt bedankt – als wäre nichts gewesen. Ist wohl auch eine Mentalitätssache.
Warum werden denn einzelne Gäste mitunter ausfällig? AF: Das kann viele Gründe haben. Der eine fühlt sich vielleicht nicht ernst genommen. Manchmal treffen auch zufällig Leute aufeinander, die nicht so miteinander können. Dann gibt es ein falsches Wort zur falschen Zeit, ein blöder Spruch ... Hinzu kommt ja auch: Alkohol verändert die Menschen, und häufig nicht zum Besseren. Und da ist Schnaps definitiv das Schlimmste – alles, was kurz und schnell getrunken wird. Darum sage ich heute immer bei der Menü-Planung für Veranstaltungen: Lasst den Schnaps weg. Einen Kurzen danach ist okay, aber dann euren Gästen sagen: Schnaps wird selber bezahlt. Das reduziert den Konsum erfahrungsgemäß erheblich.
Inwiefern ist Ihr Job auch der eines Lebensberaters und Beichtvaters? AF: Ja, ist er, unbedingt. Ich hatte mal einen Stammgast, der seine Frau auf tragische Weise verloren hat. Mit dem habe ich mal bis fünf Uhr morgens zusammengesessen, und wir haben bei einigen Flaschen Wein darüber gesprochen. Ich weiß heute noch, welchen Wein wir damals getrunken haben. So etwas vergisst du nicht.
„Wichtig ist die Selbst- disziplin.”
Tina Turner mit Roland Baker Band
Wie nahmen Sie die Prominenten in Ihrem Job wahr? AF: Man merkt eben, das sind auch nur Menschen. Die haben ihre gewissen Ansprüche, klar, aber dann bekamen sie das, und alles war normal und okay. →
Bonnie Tyler
Karel Gott
Durften Sie damals im Dienst selber trinken? AF: Solange es keine Beschwerde gab, man seinen Job gut gemacht hat und die Zahlen gestimmt haben, durfte man damals schon ab und an ein Gläschen mittrinken. Wichtig ist die Selbstdisziplin. Kein Bier vor vier – aber irgendwo ist ja immer vor vier auf der Welt. Wir hatten ja auch ein sehr internationales Publikum (lacht).
Was war Ihr schönstes Erlebnis in Ihrem Beruf? AF: Da gab es sehr viele. Harald Juhnke war mal auf einer Gala da. Und er wollte unbedingt Leberkäs mit Bratkartoffeln. Aber wir hatten gerade keinen Leberkäs. Also bin ich zur nächsten Metzgerei gefahren und habe 300 Gramm geholt, während in der Küche schon die Bratkartoffeln zubereitet wurden. Er war dann mit meinem damaligen Chef essen und hat den Leberkäs verdrückt. Und am nächsten Tag kommt mein Chef zu mir und sagt: „Armin, stell dir vor, der Juhnke hat mir nicht mal einen Bissen übrig gelassen.“ Überhaupt hat der Juhnke viele tolle Galas gegeben. Diese Leute wollen auch nicht immer nur Kaviar und Champagner. Es waren so viele große Künstler im Bachmair wie etwa Roberto Blanco, Roy Black, Rex Gildo, Bonnie Tyler – die Hochzeit von Konsul Weyer ist mir auch noch gut in Erinnerung. Und da fällt mir noch ein anderes Highlight ein: Das Ferrari-Treffen mit anschließender Modenschau von Missoni im Parkhotel – das war Gänsehaut-Feeling pur, als die Ferraris vor dem Hoteleingang vorfuhren und wunderschöne Models, damals haben sie ja noch Mannequins geheißen, in Missoni-Mode ausgestiegen sind. So was sollte mal wieder am Tegernsee stattfinden (lacht verschmitzt).
Harald Juhnke mit Alfred Biolek
Sie waren lange selbstständig und haben sich dann wieder anstellen lassen. War das ein schwerer Schritt für Sie? AF: Überhaupt nicht, denn meine Selbstständigkeit war nicht die erfolgreichste. Aber es war auch eine schöne Zeit. Und es hat mir geholfen, besser nachzuvollziehen, wenn mir mein Chef mal was sagt. Als Angestellter geht man vielleicht leichtfertiger mit der Ware um oder lässt nachlässig das Licht brennen. Das Kostenbewusstsein schärft sich, wenn man auch mal die andere Seite kennt.
Was raten Sie jemandem, der Barkeeper werden will? AF: Wichtig ist es, eine fundierte Ausbildung in der Gastronomie zu absolvieren. Darauf lässt sich aufbauen, und man kann sich dann auf Barkeeper spezialisieren. Damit ich weiß, wovon ich spreche: Was ist ein Aperitif, ein Digestif, wie wird Wein hergestellt, wie Bier gebraut. Wichtig ist immer Leidenschaft, die auch Quereinsteiger selbstverständlich mitbringen sollten. Aber es ist eben leichter, wenn man aus der Gastronomie kommt.
Ehe wir's vergessen: Von welchem Management war denn die Band, von der Sie vorhin erzählt haben? AF: Ach so, es war eine englische Band mit „G“ … (lacht schelmisch).
VITA ARMIN FELLNER
Das waren noch Zeiten ... Armin Fellner in den großen Hochglanzmagazinen.