Ernst Eisenmayer/Edith Hessenberger1
Meine Flucht übers Rätikon
Ernst Eisenmayer ist in vielerlei Hinsicht „einer der Wenigen“: Er ist einer der wenigen österreichischen Juden, die den Nationalsozialismus überlebten; er ist einer der wenigen heute noch Lebenden, die von ihrer Flucht über das Rätikon berichten können; er ist einer der wenigen, deren Flucht misslang, die nach Dachau transportiert wurden und trotz allem heute noch unter uns sind; er ist einer der wenigen Juden, die nach all ihren Erlebnissen wieder nach Wien zurückgekehrt sind, um dort zu leben; überdies ist Ernst Eisenmayer freischaffender Maler und Bildhauer. In vielen seiner Werke arbeitet er die Erinnerungen und Eindrücke des Wien der späten 1930er Jahre ein.1 Geboren 1920 in Wien, wuchs Ernst Eisenmayer in ärmlichen Verhältnissen auf. Er hatte immerhin die Möglichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, wo er in seinen Memoiren die zunehmende Sympathie für die nationalsozialistische Ideologie sowohl bei vielen Lehrern als auch bei Mitschülern beobachten musste. Wenige Wochen nach seiner Matura im Frühsommer 1938 wurde das Leben in Wien (nicht nur) für ihn und seine Familie derart schwierig und erdrückend, dass Ernst und sein Cousin Hans
1 Vorwort und Übersetzung des Textes von Edith Hessenberger.
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Straßenbild Wien 1938 (Öl auf Leinwand, 1947)