Edith Hessenberger
Von Grenzüberschreitern und Grenzbewachern Eine kleine Soziologie des Schmuggelns
„Aus der Charakteristik des Vorarlbergers treten neben mehreren schönen Eigenschaften auch einige nicht unbedeutende moralische Fehler hervor. Zu diesen gehören der fast allgemein gewordene Genuß geistiger Getränke im Übermaß, [sowie] ein bedenkliches Umsichgreifen des Schwärzerwesens.“1 Für Menschen in Grenzregionen wird das Schmuggeln besonders in wirtschaftlich schlechten Zeiten zum Alltagserlebnis. Wollte man eine Typologie des Schmuggelns formulieren, so ließen sich die Schmuggler in die Gruppe der „Alltagsschmuggler“ und jene der „Sozialen Rebellen“2 unterteilen. Während die Sozialen Rebellen tendenziell ideologisch mit dem Bewusstsein des Agierens gegen die Ungerechtigkeit der Obrigkeit schmuggeln, verbinden die Alltagsschmuggler einen meist ohnehin notwendigen Grenzübertritt mit dem heimlichen Transport einer bestimmten Ware, häufig zum privaten Gebrauch. Die allermeisten Schmuggler, die heute noch im Montafon mit ihren „Schmugglergeschichten“ die Zuhörer in ihren Bann ziehen, schmuggelten Kaffee, Tabak, Zucker oder bestimmte Gebrauchsgegenstände zur eigenen Verwendung – ursprünglich ohne Ideologie außer jener des Profits. Eine kleine Typologie des Schmuggelns könnte ferner verschiedene Arten des Schmuggels unterscheiden. Da wäre zum einen der „offene Schmuggel“, der mit allerlei Tricks oder auch Bestechung Erfolg erzielt. Diese Form des Schmuggelns erfordert viel Erfahrung und Professionalität.3 Der Montafoner „Alltagsschmuggel“ erfolgte hingegen meist versteckt, also mittels Verstecken der Ware
1 Vom Schmuggeln in früheren Zeiten. In: Holunder. Wochen-Beilage der Vorarlberger Landes-Zeitung für Volkstum, Bildung und Unterhaltung. 13. Jg., Nr. 7, 16.02.1935. S. 1. 2 Girtler, Roland: Abenteuer Grenze. Von Schmugglern und Schmugglerinnen, Ritualen und „heiligen Räumen“. Wien 2006. S. 172. 3 Ebenda. S. 176-180.
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