Edith Hessenberger
Trennende verbindende bedeutungslose Grenze Eine Einleitung
„Es ist charakteristisch für Grenzen, daß sie nicht exakt sind, denn sie sind immer künstliche (!) Unterbrechungen von etwas Kontinuierlichem. Mein Gartenzaun trennt meinen Garten von dem des Nachbarn. Die Kontinuität des Bodens wird dadurch symbolisch unterbrochen.“1 53 km lang ist die Grenze zwischen Dreiländerspitze und Schesaplana, dem Montafon und dem Prättigau2, ein gebirgiges Teilstück der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz. Dutzende Jöcher und Pässe ermöglichen ein relativ leichtes Überqueren dieser heute als selbstverständlich wahrgenommenen Grenze, und sie zu überschreiten ist heute weder schwierig noch für irgend jemanden von Interesse – Wanderer und Alpinisten ausgenommen. Die Grenzregion hat gleichzeitig mit dem bäuerlichen Arbeitsplatz an den Berghängen ihren Stellenwert für die ansäßige Bevölkerung verloren. Vom Tal aus wirkt die Grenze fern, besonders da sie völlig aus dem Alltag der Menschen gerückt ist. Heute gibt es dort nichts zu holen: kein Heu, keine Schmuggelware, die Wege über die Berge stellen angesichts unserer ausgebauten Straßen nicht einmal mehr eine Abkürzung in das benachbarte Tal dar. Die Zollwache wurde bis auf sporadische Ausflüge völlig von der Grenze abgezogen, die Zollhütten verfallen oder werden verkauft. Gut ausgebaute alte Wege über die Berge, vereinzelte Rollen militärischen Stacheldrahts, verrostete Gedenktafeln auf Berg-Friedhöfen, Staumauern von „unsichtbarer Hand“ gebaut, befestigte Höhlen an Aussichtspunkten oder die
1 Girtler, Roland: Schmuggler. Von Grenzen und ihren Überwindern. Linz 1992. S. 14. 2 Bzw. Unterengadin vom Piz Buin zur Dreiländerspitze.
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