moritz januar 2004
nr. 41
das greifswalder studentenmagazin hochschulpolitik, kino, musik, literatur, kreuzmoritsel
greifswalder
studentische traditionen
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Greifswald
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Impressum moritz – Studentische Medien Greifswald Wollweberstraße 4, 17487 Greifswald Tel: 0 38 34 / 86 17 59 (Reda); -58 (GF) Fax: 0 38 34 / 86 17 56; e-mail: moritz@uni-greifswald.de Chefredakteur: Norman Gorek. Stellvertreter: Alexander Böber Geschäftsführer: Fabian Maus Stellvertreter: Matthäus SeebergElverfeldt Herausgeberin: Studierendenschaft der Universität Greifswald (AStA, Rubenowstraße 1, 17487 Greifswald; Tel: 0 38 34 / 86 17 51 Fax: 0 38 34 / 86 17 50, e-mail: asta@uni-greifswald.de) V.i.S.d.P.: Norman Gorek. Redaktion: Alexander Böber (AB), Silke Bode (sid), Finn Breyer (finn), Kai Doering (ring), Alina Götze (aliG), Norman Gorek (nogo), Mirko Gründer (MiG.), Annett Habermann (nett), Claudia Hänchen (cla), Arvid Hansmann (aha), Juliane Hesse (juli), Delia Holm (dee), Sebastian Jabbusch (sj), Melchior Jordan (mel), Joel Kaczmarek (jmk), Ulrich Kötter (UK), Wenke Krämer (wer), Verena Lilge (lil), Nikolaus Roos (kola), Uwe Roßner (ur), Moritz Russig (russ), Anne Schuldt (enna), Britta Voß (boß), Eric Wallis (ede) Gestaltung: Norman Gorek, Uli Kötter, Kai Doering Titelbild: Norman Gorek, Alexander Böber Zeichnungen: Franziska Salopiata. Anzeigen: Geschäftsführung. Druck: Linus Wittich KG, Röbeler Straße 9, 17209 Sietow. moritz erscheint während des Semesters monatlich in einer Auflage von derzeit 3.500 Exemplaren. Anzeigen- und Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe ist der 7. April. Die nächste Ausgabe erscheint am 21. April. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Die Redaktion behält sich vor, eingereichte Texte und Leserbriefe redaktionell zu bearbeiten. Namentlich gekennzeichnete Artikel und Leserbriefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die in Artikeln und Werbeanzeigen geäußerten Meinungen stimmen nicht in jedem Fall mit der Meinung des Herausgebers überein. Alle Angaben sind ohne Gewähr.
Schwarze Messe? Nein, Lichterkette!
Foto: AB
Hallo Leute! Grundsätzlich sind Lichterketten zwar eine etwas eigenartige Sache. Doch in diesem Falle ging es um die Zukunft unserer Uni und da sollte man nicht lange fackeln. Denn wenn die Heinis in Schwerin weiter so wild rumkürzen, dann wird Greifswald bald zur Geisterstadt und das kann noch nicht mal ich, der Geist der Universität, gutheißen. moritz hat die Proteste gegen die Kürzungspläne der Landesregierung begleitet und dabei selbst ordentlich mitgemischt. Dazu gibt’s einen Überblick über die Studentenproteste bundesweit.
Es war nicht immer leicht in den letzten Wochen. Dass das Studentendasein zu einem großen Teil aber auch aus Spaß aller Art besteht, beweisen wir im Titelthema, welches sich mit den studentischen und universitären Traditionen Greifswalds beschäftigt. Ob Biermesse oder Schwedenulk, Maikloppen oder Geologentaufe – die Greifswalder Studentenschaft war nie ein Kind von Traurigkeit. Viel Spaß beim Lesen und schöne Ferien wünscht
kurznachrichten
AStA
Studierendenausschuss
Kanzlerwahlen Amtierender Kanzler bis zur Neuvergabe des Postens ist Regierungsdirektor Lothar Schönebeck. Am 21. Januar stellten sich mögliche Kandidaten für die Kanzlerwahl vor. Geplanter Dienstantritt des neuen Kanzlers ist der Beginn des Sommersemesters.
PDS-Fraktion die EMAU
besucht
Am 23. Januar besuchte die PDSLandtagsfraktion die Greifswalder Universität. Sie sprach mit Studenten, Mitarbeitern und Professoren, um sich über die Zustände an der Hochschule zu informieren. Nach einer Diskussion und einem Mittagessen in der Mensa, stand ein Besuch der Unibiliothek, der Geologie und der Medizin auf dem Programm. Alle Beteiligten waren sich einig, dass kurzfristige Streichungen katastrophale Folgen für alle Hochschulen haben würden. Die PDS versprach, sich für eine Einigung im Interesse aller Beiteiligten einzusetzen.
Gremienwahlen Vom 12. bis zum 16. Januar fanden die StuPa-Wahlen statt. 664 Studierende gaben ihre Stimme ab. Bei einer Zahl von 9279 Wahlberechtigten entspricht dies einer Wahlbeteiligung von 7,16 Prozent. “Dies war die schlechteste Wahlbe-
Referate und Feriensprechzeiten teiligung seit Jahren.”, so der AStA. Gewählte Kandidaten sind: Rosemarie Gaupp, Tobias Linke, Robert Waldheim, Simon Sieweke, Svenja Winter, Christina Bennewitz, René Friedland, Toralf Stark, Alexander Böber, Josephine Schwebler, Maik Harfmann, Antje Weingart, Ireen Jordan, Ulrike Brunnckow, Jürgen Hofmann, Rüdiger Kunde, Eric Kibler, Thomas Schattschneider, Felix Prokoph, Dominik Kolm und Phillipp Wichter. Die Nachrücker sind: Kerstin Zuber, Simon Hefer, Philipp Kohlbecher, Karsten Schlegel und Ingmar Scholtz. Parallel zu den StuPa-Wahlen fanden vom 13. bis zum 15. Januar die Wahlen der Fakultätsräte und des Senats statt. Die Wahlbeteiligung bei den Senatswahlen lag mit 7,88 Prozent unwesentlich höher, als bei den StuPa-Wahlen. In den Senat wurden Simon Sieweke, Tobias Linke, Julia Preu, Robert Waldheim, Alexander Böber, Felix Prokoph, Georg Müller, Melanie Klauk, Bastian Schröder, Agnes Marcinek, Maik Harfmann und Thomas Schattschneider gewählt. Stellvertretende Senatsmitglieder sind: Jakob Schmidt-Hieber, Chris Feichtinger, Dominik Kolm, Josefa Peter, Christian Hanke und Susann Pawletta. moritz gratuliert den gewählten Kandidatinnen. AB
nachrichten
Kurz und bündig Kleinere Unregelmäßigkeiten im “Wahlmoritz” Im letzten Sondermoritz zur Universitätswahl gab es bei der Vorstellung der Kandidaten einige Unstimmigkeiten. Dem moritz lagen zum Redaktionsschluss, wie auch in den vergangenen Jahren, nicht alle Texte der Kandidatinnen vor. Die Redaktion vermerkte diese Einträge mit "Die Kandidatin hat der moritz-Redaktion keine Wahlziele eingereicht." Es stellte sich nach der Drucklegung heraus, dass drei Vorstellungsartikel zwar abge4
Allgemeiner
geben, aber auf Grund von Kommunikationsproblemen an die falschen Stellen weitergeleitet wurden. Dies tut uns leid. Doch bedenkt: der Wahlmoritz ist ein Service für die Studierenden und keine offizielle Auflistung der zu Wahl Stehenden. Wir bedauern es, wenn den betreffenden Kandidatinnen durch diese Probleme Nachteile für die Gremienwahlen entstanden. Die moritz-Redaktion
Vorsitzender: Simon Sieweke 9. - 13. Februar, tgl. 10 - 14 Uhr Referentin für Ausländerfragen: Jana Elena Koser 8. - 12. März, tgl. 10 - 14 Uhr Referentin für Bafög und Studienfinanzierung: Christin Püschel 22. - 26. März, tgl. 10 - 14 Uhr Referentin für Erstsemesterarbeit: Conny Kampe 15. - 19. März, tgl. 10 - 14 Uhr Referent für Finanzen: Tobias Linke 16. - 20. Februar, tgl. 10 - 14 Uhr Referent für Hochschulpolitik: N.N. Referentin für Soziales: Alexandra Lück 23. - 27. Februar, tgl. 10 - 14 Uhr Referent für Studium und Lehre: Thomas Schattschneider 2. - 6. Februar, tgl. 10 -14 Uhr Referentin für Umwelt: N. N. Präsident des Studierendenparlamentes: Maik Harfmann (nach Vereinb.) stupa@uni-greifswald.de Gleichstellungsbeauftragte: Katja Schröder (nach Vereinb.) gleichstellung-hgw@gmx.de Beauftragte für Schwule und Lesben: Heike Mattke SL.beauftragte@asta-greifswald.de Beauftragter für Internetpräsenz: N. N. Ihr findet den AStA im Hörsaalgebäude in der Rubenowstraße 1, Raum 13a. Tel.: 0 38 34 / 86 17 50 -51 Fax: 0 38 34 / 86 17 52 e-mail: asta@uni-greifswald.de moritz
inhalt moritz gelesen? Nachgedacht? Meinung schreiben!
moritz@uni-greifswald.de, Betreff: Leserbrief
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Traditionell
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Tragisch
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... waren die Studenten, die bei eisigem Wetter gegen die Kürzungspläne der Landesregierung auf die Straße gingen. moritz war bei den Protesten dabei.
... geht es im Titelthema zu. moritz hat studentische und universitäre Traditionen Greifswalds unter die Lupe genommen und dabei viel gelacht.
... ist Michael Jacksons Niedergang nicht erst seit der Sänger von einem geltungssüchtigen Staatsanwalt vor Gericht gezerrt wurde. moritz über eine Falle mit Ansage.
politik
titel
feuilleton
Interview: StuPa-Präsident Maik Harfmann: “Die Kommunikation muss besser werden” 7 Nena wäre stolz gewesen — Greifswalder Proteste 8 Kommentar: 8000 haben gefehlt 9 Keine Alternativen? Die Podiumsdiskussion vom 16. Januar 10 Im Eifer des Gefechts – 24-Stunden-VL, Lichterkette, Demo 12 Und ewig grüßt die Finanzministerin – Proteste in Schwerin 14 Interview: AStA-Vorsitzender Simon Sieweke: “Keine Erfüllungsgehilfen der Landesregierung” 16 Auf die Barrikaden! – Deutsche Studenten proben den Aufstand 18 Interview: Matthias Brotkorb, HoPo-Sprecher der SPD in MV: “Kürzungen sicher” 22
Wenn Herr Bodden das Lichterfest feiert – Ein Überblick 26 “Clubs dieser Stadt, vereinigt euch!” – Clubs-U-Nite 28 Heiliges Biertrinken – Kneipen und illegale Liederbücher 29 Knast für Vorlesungsschwänzer – Der Karzer 32 Die Investitur – Wahl eines Oberhauptes nach eigener Verfassung 34 Fast schon Tradition? – Die Debatte um Ernst Moritz Arndt 35 Atmosphäre wie Oxford gegen Cambridge – Das Alumni-Fest 36
Kino aktuell: “Honey”, “The Last Samurai” 38 Kino: Schrei! – Die Renaissance des Splatter-Horrors 39 Theater: “Ladies Night” 41 Musik: Tot oder lebendig – Der Fall Michael Jackson 42 Musik: Kings of Britain – The Libertines 44 Musik: Neue CDs – Kelis, Beautiful South, Twilight Singers 45 Literatur: Neue Bücher – O’Nan, Woodward, Kastner 46 Literatur: Man spricht russisch – Straßennamen 47 Porträt: J. R. R. Tolkien 48 Radio 98eins, Computer Games: “Prince Of Persia” 49 Politik: Nichts ist wie es scheint – Theorien zum 11. September 50 Greifswald von unten: “Ausnahmezustand” 53 Arvids Kolumne/Extended: “Realität interessiert mich nicht” 54
rubriken Impressum Editorial Leserbriefe Kreuzmoritsel
Januar 2004
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inhalt
Tapfer
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Leserbriefe Betreff: Interview mit Göran Witt (moritz 40) Sehr schön, endlich mal wieder ein hochschulpolitisches Interview im moritz. Schade, dass es schon wieder Göran Witt war, der es gab. Statt dass der moritz sich an die studentischen Senatoren, welchen durch die neue Grundordnung eine noch höhere Mitsprache in der Hochschule zuteil wird, die (neuen) Mitglieder des Studierendenparlaments oder des Allgemeinen Studierendenausschuss wendet, gibt er hier dem nicht wiedergewählten Göran Witt eine Bühne, zu einer rundum Endabrechnung mit den studentischen Hochschulgremien. Göran empfand die Bitte Simons nicht noch einmal zur Wahl anzutreten als Vertrauensbruch. Dies mag richtig sein, bedarf jedoch un-
Studierende. Leider war nach dem Wochenende nichts mehr von den Teilnehmern zu sehen oder zu hören. Das mag daran liegen, dass kurz nach dem Wochenende Görans Wiederwahl scheiterte und alsbald nach einer privaten Sicherungskopie, sämtliche Referatsdaten (Daten zu den Fachschaften, Adressen, sämtliche Korrespondenzen und Konzepte) gelöscht wurden und die Teilnehmerlisten für die übrigen AStA-Referenten nicht mehr rekonstruierbar waren. Göran bezeichnet diese Liste genau wie alle anderen gelöschten Daten seither als sein Eigentum und verweist darauf, dass viele Daten ja auch in Papierform vorlägen. Somit fällt es den Referatsvertretern, die sich momentan die Referatsarbeit aufteilen, schwer, konstruktiv in seinem Referat zu arbeiten.
Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende: “...ansonsten werden gerichtliche Schritte eingeleitet”. Foto: UK
politik
bedingt einiger Ergänzungen: Göran erledigte die ihm gestellten Aufgaben nicht zuverlässig und wurde letztlich nach 40minütiger Personaldebatte durch das Studierendenparlament nicht wiedergewählt. So oblag es ihm während seiner Amtszeit ein Alumni-Konzept zu erarbeiten. Nach seiner gescheiterten Wiederwahl nun ein solches zu fordern kann man nur mit Kopfschütteln abtun. Gleichsam verhielt es sich mit dem hochschulpolitischen Nachwuchs: Das halb von ihm organisierte hochschulpolitische Wochenende war lediglich eine kostspielige, 2000 Euro verschlingende Veranstaltung für etwas mehr als ein Dutzend 6
Wenn Göran vollmundig von einem Vertrauensbruch spricht, dann doch auch seinerseits. Er fiel nämlich beim ersten Wahlgang im StuPa im letzten Semester durch und wurde erst nach der ausdrücklichen Fürsprache durch Simon Sieweke im zweiten Anlauf gewählt. Die ihm anvertrauten Aufgaben wurden während seiner Amtszeit nicht zuverlässig umgesetzt und nach der Datenvernichtung sollte Göran überlegen, wer hier wem das Vertrauen brach! Abschließend noch ein Wort zum StuPa, das von Göran als “ein in sich geschlossener, elitärer Kreis” beschrieben wird: Göran gehört seit Anfang August selbst als Parlamen-
tarier dem Studierendenparlament an. Fragt ihn doch im nächsten Interview – ich fürchte, das wird kommen – wie oft er seither im wöchentlich tagenden Parlament anwesend war. Um schon einmal vorzugreifen: Nicht all zu oft und dann nur stundenweise. Ich hoffe darüber wird er der Studierendenschaft als deren Mandatsträger Rechenschaft ablegen. Thomas Schattschneider - Ein bisher mit dem moritz zufriedener Referent für Studium und Lehre. Anmerkung der Redaktion: “Selten”, so einige Stimmen, “hat es ein so gutes hochschulpolitisches Interview gegeben.” Die Geschmäcker sind eben verschieden, die Ansichten auch. Angesichts des vorliegenden Leserbriefes bedarf es nun keiner erneuten “Richtigstellung”, aber vielleicht einer abschließenden Bemerkung. In seiner Sitzung am 6. Januar ‘04 beschloss das StuPa, Göran mit “gerichtlichen Schritten” zu drohen, falls er die mitgenommenen Arbeitsunterlagen nicht herausgebe. Damit nicht genug: Wegen “nicht angemessener Tätigkeiten” als kommissarischer Referent forderte das StuPa die Summe von 187,10 € zurück. Der Beschluss fiel nicht ohne Diskussion - unter anderem wurde von den StuPisten angemerkt, dass dieser Vorgang einmalig sei und auf keiner juristischen Grundlage beruhe. Nach diesem Verfahren könne von etlichen früheren AStA-Finanzreferenten, die keine Jahresabschlüsse erarbeitet hätten, die Aufwandsentschädigung zurückgefordert werden. Am 08.01. fand im AStA-Büro ein kurzes Gespräch zwischen Simon Sieweke und Göran statt, wo beide versicherten, die “Schlammschlacht” sei jetzt vorbei. Göran versprach, die geforderten Daten alsbald dem AStA zu überreichen, womit das angedrohte Strafgeld ebenfalls hinfällig wäre. UK
moritz
“Die Kommunikation muss besser werden” StuPa-Präsident Maik Harfmann über lange Diskussionen, politische Streitkultur und einen fleißigen AStA
Welche Arbeitsergebnisse hat das StuPa vorzuweisen? Wir hatten trotz einer recht aufwendigen Satzungsreform und einer langwierigen Diskussion zum Hochschulentwicklungsplan eine gute Legislaturperiode. Der Entwurf zum HEP ist produktiv diskutiert und abgestimmt worden. Auch wenn der Vorschlag des AStAVorsitzenden zunächst keine Mehrheit als Diskussionsgrundlage fand, so geschah dies mit dem der studentischen Senatoren. Daneben haben wir im Tagesgeschäft die Finanzanträge alle erledigen können. Welche Arbeitsgruppen gab es und was haben sie erreicht? Zunächst einmal waren wir uns alle einig, die Arbeitsgruppen zeitlich zu begrenzen und nicht zu viele einzurichten, weil sie schon einen hohen Arbeitsaufwand bedeuten. Erwähnenswert wäre die AStA-ReformKommission, deren Arbeitsergebnisse in der Satzungskommission aufgegriffen wurden. So waren in dem neuen Satzungsentwurf mehr AStA-Referate vorgesehen, weil man erkannt hatte, dass dort personelle Einsparungen einfach falsch waren. Waren die Sitzungen des StuPa tatsächlich so dröge und langweilig, wie sie manchmal dargestellt wurden? Das StuPa hat 21 Mitglieder und jeder seine eigene Meinung – da Januar 2004
können sich die Diskussionen schon mal in die Länge ziehen. Selbstdarsteller und Paragraphenreiter gibt es immer, trotzdem hat die Mehrheit engagiert mitgearbeitet. Außerdem mussten sich die Neueinsteiger nach dem Anfang vor einem Jahr erst mal entwickeln. Am Schluss hatten wir eine durchaus gefestigte Gruppe.
muss besser werden. Was wir in Zukunft brauchen, ist eine vernünftige Öffentlichkeitsarbeit. Dazu muss es uns gelingen, die gesamte Arbeit der studentischen Vertreter neu zu strukturieren und zu vernetzen, weil die alten Konzepte aus Zeiten stammen, wo die Uni halb so viele Studenten hatte. Das AStA-Nachwuchskonzept muss endlich her und es muss ganz klar drinstehen, wer welche Aufgaben in welchem Gebiet zu erledigen hat. Die Stellenbeschreibungen sind einfach nicht mehr zeitgemäß und dringend zu überarbeiten. Das neue StuPa wird sich daran messen lassen, ob ihm das gelingt. Was ist für dich politische Streitkultur? Ist es die Trennung von Arbeit und Person? Das ist schwer zu sagen. Für mich bedeutet es am ehesten, mehr an der Sache orientiert zu diskutieren und nicht auf persönliche Beleidigungen zurückzugreifen.
Maik Harfmann.
Foto: privat
Wie gut haben AStA und StuPa zusammengearbeitet? Was sollte in Zukunft besser werden? Das Verhältnis war nicht immer ganz einfach, weil keiner so richtig die politische Streitkultur beherrschte. Ich wünsche mir, dass sich die StuPisten in Zukunft mehr für die Arbeit des AStA interessieren, womit die Basis für eine konstruktivere Zusammenarbeit gelegt wäre. Kurzum: Die Kommunikation
Was ist dein persönliches Resumée des vergangenen hochschulpolitischen Jahres als StuPa-Präsident? Ich möchte zunächst einmal allen StuPisten für ihre Arbeit danken, auch denjenigen, die wir “verschlissen” haben. Dann denke ich, dass wir die ganze Zeit über einen hervorragend arbeitenden AStA hatten und haben. So sind zum Beispiel die studentischen Finanzen, deren Unterlagen sich vor Tobias Linke als lose Blattsammlung in einem großen Pappkarton befanden, saniert und geordnet worden. Wir waren wohl knapp davor, dass man uns den Haushalt entzieht.
politik
Maik Harfmann, 36, schloss ein Studium zum Heilerziehungspfleger ab und arbeitete danach mehrere Jahre. Er studiert seit dem Wintersemester ‘02/’03 Psychologie und war seit April 2003 Präsident des StuPa.
Interview: Ulrich Kötter 7
Nena wäre stolz gewesen Der Beginn der Greifswalder Protestwochen / Von Kai Doering
“Keine Kürzungen an den Hochschulen – MV braucht Zukunft” lautete das Motto der Studenten, die sich am 18. Dezember vor dem Greifswalder Rathaus versammelt hatten um gegen die Sparpläne der Landesregierung zu demonstrieren. 373 Stellen will diese bis Oktober 2004 im Hochschulbereich einsparen und das würde auch die ErnstMoritz-Arndt Universität massiv treffen. In Zahlen ausgedrückt würden wohl in der Medizinischen Fakultät 70 Stellen gekürzt, weitere 70 würden nach Angaben des AStA in weiteren Bereichen gestrichen.
Besonderes Weihnachtsgeschenk
politik
Als "tolles Weihnachtsgeschenk der Landesregierung" bezeichnete dann auch AStA-Vorsitzender Simon Sieweke vor etwa 400 Versammelten die Pläne, die erst am vorherigen Tag durchgesickert waren. “Hopp, hopp, hopp – Bildungsabbau stopp” und “Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut”" wurde skandiert, als sich Bürgermeister Dr. Arthur König den Studenten stellte. Er zeigte sich gesprächsbereit, nachdem der StuPist Dietmar Schmidt das Rathaus symbolisch besetzt hatte, wobei ihm einige der Demonstranten folgten. König bekundete seine Solidarität und beteuerte, selbst gegen die Sparpläne zu sein. Anschließend bewegte sich der Protestzug zur SPD-Zentrale am Mühlentor, wo nach Polizeischätzungen noch etwa 150 Studenten demonstrierten. Dort stellte sich der Fraktionsvorsitzende der Bürgerschafts-SPD Dr. Jürgen Bremer den Studenten und lud sie ein, in seinem Büro mit ihm zu diskutieren. Er gab zu, selbst von den Absichten der Landesregierung überrascht worden zu sein und unterstützte die Forderungen der Versammelten. Danach löste sich der Protestzug auf 8
und die meisten wärmten sich erstmal in der Mensa auf. Als "Super-Aktion" bezeichnete Simon Sieweke den Verlauf der Demonstration im Nachhinein. "Mit Blick auf die Kürze der Zeit, hätte man das nicht besser machen können." Die Entscheidung weiterer Stellenkürzungen sei von der Landesregierung bewusst auf die Zeit kurz vor Weihnachten gelegt worden, da hier mit dem geringsten Protest zu rechnen gewesen sei. “Das war ein unfairer Zug.”
373 Luftballons auf ihrem Weg zum Horizont Nena hätte ihre helle Freude gehabt, wäre sie am 8. Januar auf dem Wall an der Mensa gewesen. Nicht 99, sondern ganze 373 Luftballons erhoben sich dort in den Greifswalder Himmel. 373 Ballons für 373 Stellen, die die Landesregierung einsparen möchte. Unter dem Motto “Alles Gute kommt von oben” hatte der AStA zu
der Aktion aufgerufen und etwa 200 Studierende kamen, um ihre Forderung in die Luft gehen zu lassen. “Hoffen wir, dass die Ballons nicht nur die Bürger, sondern auch die SPD erreichen”, sagte AStA-Vorsitzender Simon Sieweke zum Start der bunten Ballons. Die Greifswalder Sozialdemokraten befanden sich in Form des Vorsitzenden der SPDFraktion im Greifswalder Stadtrat Dr. Jürgen Bremer selbst unter den Demonstrierenden und bekundeten so ihre Solidarität. Diese fehlte allerdings etwas auf Seiten der Studienrenden, denn viele verließen die Mensa gar nicht erst um aktiv an dem Protest teilzunehmen. Trotzdem zeigte sich Simon Sieweke nach der Aktion zufrieden. “Für den geringen Aufwand haben wir viel erreicht”, erklärte er hinterher. Die zahlreichen Medienvertreter von Zeitung und Fernsehen gaben ihm da Recht. Und auch wenn sich viele der Ballons bereits nach einigen Metern ihres Fluges in den kahlen Bäumen vor der Mensa verfingen – Nena wäre stolz gewesen.
373 Luftballons wurden am 8. Januar losgelassen um gegen die geplanten Foto: ede Stellenkürzungen zu protestieren moritz
Kommentar
8000 haben gefehlt Zur Demonstriermüdikeit der Greifswalder Studenten / Von Eric Wallis
Das Sprachrohr des AStA
Foto: ede
Uni total – Die 24-Stundenvorlesung Welcher Student träumt nicht davon, mitten in der Nacht aufzustehen, in die Uni zu fahren und sich um drei Uhr im Hörsaal eine Vorlesung anzuhören? Unter normalen Umständen undenkbar, doch derzeit herrschen an unserer Universität sicher auch keine normalen Bedingungen. Normalerweise bliebe der Hörsaal also sicher leer, doch wenn die Vorlesung teil des Protests gegen die Stellenkürzungen ist und das Thema etwa “Traum und Traumdeutung” lautet, kann es doch passieren, dass der Hörsaal gerappelt voll ist und jeder andächtig dem Dozenten lauscht. 24-Studenvorlesung heißt das Zauberwort, das dieses Phänomen erklärt. Organisiert hatte sie der AStA und dass er das gut gemacht hatte, zeigte sich zum Einen daran, dass tatsächlich durchgängig vom 16. Januar um 20 Uhr bis zum darauf folgenden Samstag um 20 Uhr Veranstaltungen angeboten wurden und zum Anderen auch der Rahmen stimmte. Wann hat man sonst schon einmal die Möglichkeit, sich bei der Vorlesung Chili con Carne oder Bier schmecken zu lassen? Auch die Referenten der Universität und auch von außenstehenden Einrichtungen ließen sich nicht lumpen und griffen tief in den Fundus ihres jeweiligen Fachgebiets. So konnte man je nach Neigung etwas über “Prinzessinnen im Mittelalter” oder auch über den “Studenten als Wirtschaftsfaktor” erfahren. So war also für jeden etwas dabei, das das nächtliche Aufstehen rechtfertigte. Januar 2004
“Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Bildung klaut.” “Bildung für alle - sonst gibt’s Krawalle” “Grün-Weiß der Partybus schalalala” Ja, gut war sie die Stimmung. Und zu schade laut zu sein, war sich keiner von denen, die dabei waren. Bloß irgendetwas stimmte nicht, irgendetwas hat gefehlt. Ach ja. Wo waren die anderen 8000 Studenten? Mhhhmm… Stimmt ja. Das sind die 8000, die es lieben, in überfüllten Hörsälen Fußbodenluft zu schnuppern, die geil darauf sind, sich um den letzten Platz zu prügeln, die es verkraften, wenn weiter Professuren gestrichen werden und die sich eh alles selbst beibringen. Vergessen wir nicht die, die genug Kohle und so richtig Bock auf Studiengebühren haben. Die, die “JA” schreien, wenn irgendwer “bezahlte Bildung” sagt.
Lieber Oma besuchen? Vielleicht waren es aber auch nur 8000 Studenten, die einfach was Besseres zu tun hatten. Dinge wie Vorlesung, Oma besuchen oder “Vera am Mittag”. Aber ihr 8000, egal was ihr getan habt: Ich hoffe, ihr hattet so richtig Spaß dabei, als sich 400 Leute für euer Grundrecht auf Bildung eingesetzt haben. Was? Ich würde euch nicht verstehen?! Ihr, die ihr euch jetzt ungerecht behandelt fühlt? Ihr hattet da ‘nen Termin, beim Arzt, Prof, was wirklich, wirklich Wichtiges. Okay. Ok ok ok . Is ja klar. Aber doch nicht alle 8000. Ich meine, 4000 wären
doch auch ganz schön gewesen. Ihr habt es echt drauf. Ihr schafft es, 20 Kneipen jeden Abend für mehrere Stunden zu füllen und Reichtum und Wohlstand über deren Besitzer zu bringen. Aber ihr versagt, wenn es um euren Reichtum geht. Um die Bildung. Das krasse daran ist ja, dass die Leute, die diese jetzt verkaufen wollen, selbige noch gratis bekommen haben und Zeit zum Demonstrieren war damals auch noch drin. Fassen wir diese Leute unter dem Begriff Politiker zusammen. Was ist nur aus euch geworden, ihr deutschen Studenten? Wo seid ihr hingeraten? Merkt ihr nicht, wie sich das ganze Volk für euch wehrt? Und euch ist es egal.
Erst die Rentner, jetzt die Studenten Bei den Rentnern hat es angefangen. Die lassen sich das eh gefallen. Aber der Rentnerdrops ist gelutscht, quasi ökonomisch ausgelutscht. Mehr ist da nicht zu holen. Ja, dann ab zu denen, die Wörter wie “egal” und “fun” geprägt haben. Studenten. Das ist gut. 400 von 9000 protestieren, das sind ähhh... 4,4 Prozent. Macht eine Mehrheit von 96,6 % die für die Pläne der Damen und Herren Politiker sind. Cooooooool, das passt ja. Leider ist es so, dass nur der, der das Maul aufmacht auch gehört wird. “Ja aber…, das bringt doch eh nix. Die machen doch, was sie wollen.” Ja mein Kind, die machen solange, was sie wollen, bis du das Maul aufmachst. Und da man nicht nur dir ans Leder will, sondern in Greifswald ganzen 9000, wäre es doch zu begrüßen, wenn mal 9000 das Maul aufmachen würden. Das wirkt.
politik
“Hopp Hopp Hopp - Bildungsabbau stopp”
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Keine Alternativen? Nichts Neues bei einer Podiumsdiskussion im Vorfeld der 24-Stunden-Vorlesung am 16. Januar / Von Uli Kötter
Ministerin Keler: “Wollen sie mit mir tauschen, Herr Matschke?” “Die Finanzdaten haben sich dramatisch verschlechtert.” Das war die unveränderte Hauptaussage von Finanzministerin Sigrid Keler, die sich am Freitag, dem 16. Januar auf der Podiumsdiskussion im Hörsaal Löfflerstraße aufgebrachten Studen-
ten und frustrierten Professoren stellte. Als Auftakt der 24-Stunden-Vorlesung hatte der AStA Ministerin Keler und Bildungsminister Metelmann zur Podiumsdiskussion geladen. Daneben beteiligten sich Gerhard Bartels, hochschulpolitischer Sprecher der PDS-Fraktion, sowie Ilka Lochner-Borst, hochschulpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Mit Simon Sieweke und Maik Walm, dem AStA-Vorsitzenden aus Rostock, sowie Dietmar Schmidt als Moderator war die siebenköpfige Runde vollständig. Finanzministerin Keler verkündete in gewohnter Manier Altbekanntes und keinerlei Lösungsvorschläge: “Wegen der unerwarteten Steuermindereinnahmen können wir keine weiteren Schulden aufnehmen und müssen an einer der Stellen sparen, wo wir im Ländervergleich übermäßig viel ausgeben: bei den Personalausgaben.” Schuld an den Einnahmeeinbrüchen ist mal der Länderfinanzausgleich und damit die wirtschaftlich dahindüm-
politik Neben zahlreichen Professoren, Mitarbeitern und Studenten erschien auch der Greifswalder Oberbürgermeister Dr. Arthur König (am li. Türrahmen), der sich jedoch mit einem Stehplatz zufrieden geben musste. Fotos: AB 10
BWL-Professor Matschke: “Politik des Reagierens”. pelnden West-Länder, mal sind es die unerwarteten Folgen der Steuerreform oder auch die nicht mit Erstwohnsitz angemeldeten Studenten. Als Frau Keler auch noch den 11. September und den darauffolgenden Konjunktureinbruch anführte (“Wissen Sie, wie viel Geld da an der Börse verpulvert wurde?”), wurden die Pfiffe und Buhrufe unüberhörbar laut. Der streitbare BWL-Professor Matschke brachte es auf den Punkt, als er Keler eine “Politik des Reagierens statt des Agierens” vorwarf. “Letztendlich,” so Matschke, “ist es völlig unerheblich, ob das Geld wegen geringem Wirtschaftswachstum fehlt.” Tatsache sei jedoch, dass in § 16 Landeshochschulgesetz die Geldfrage klar geregelt ist – die Hochschulausgaben seien nämlich von deren Aufgaben abhängig. “Im LHG hat man die Aufgaben zunächst großzügig ausgebreitet und kürzt jetzt einfach das Geld.” Ilka Lochner-Borst ergänzte, dass dem Finanzministerium schon seit langem ein Gesamtkonzept der Geldverteilung für jetzt und die Zukunft fehle. “Nach der neuen Kürzungsrunde sind die mühsam moritz
Metelmann im moritzGespräch
Rektor Rainer Westermann zwischen den Fronten: “Gezieltes Erzeugen von Angst und Druck aus dem Finanzministerium.”
Ministerin Keler garantierte im weiteren Verlauf der Diskussion den Bestand der Hochschulen und bejahte eindringlich, dass alle heutigen Studenten zu Ende studieren könnten. Ilka Lochner-Borst forderte Frau Keler auf, finanziell die momentanen Standards sicherzustellen und den Hochschulen Finanzautonomie zuzugestehen. Bildungsminister Metelmann erläuterte, dass er sich Studiengebühren im Januar 2004
Rahmen seines Alumni-Konzeptes nur als freiwillige Zahlung vorstellen könne, also als Erfolgshonorar des abgeschlossenen Studiums. Er übergab – eher unerwartet – das Mikrofon an Rektor Westermann, der seine Chance nicht ungenutzt ließ. Westermann kritisierte die Unzuverlässigkeit und mangelnde Weitsicht der Finanzpolitik: “An einer Universität zeigen sich Effekte langfristig – wie sollen wir da Qualität erreichen und sichern?” Seine Empörung über die “Anleitung für betriebsbedingte Kündigungen”, einen Vorgabenzettel aus dem Finanzministerium, mündete im allgemeinem Schlussapplaus.
politik
erarbeiteten Hochschulentwicklungspläne Makulatur”, pflichtete ihr PDS-Kollege Bartels bei. Schließlich: Überraschende Finanzspritzen in erheblichem Umfang seien schon öfters über Nacht beschlossen worden. Wurde im Vorfeld der Diskussion noch spekuliert, ob Bildungsminister Metelmann nun erscheine oder doch die direkte Konfrontation mit Keler scheue, so war spätestens nach seinem Statement klar, dass er letzteres nicht tat: “Schon die Streichungspläne von vor einem Jahr sind zum Teil rechtlich nicht umzusetzen – so können 250 bestimmte Stellen nicht gestrichen werden und die Pläne sind auf die Klinken auch nicht anwendbar.” AStA-Chef Simon Sieweke untermalte seinen Kurzvortrag mit allerhand “Visuellem”. Besonders beeindruckend zwei gegenläufige Kurven: Auf der einen Seite der stetige Zulauf an Studenten zur Universität Greifswald und auf der anderen Seite die stetige Abnahme der nichtstudentischen Mitarbeiter.
Bildungsminister Metelmann erklärte dem moritz nach der Podiumsdiskussion, dass sich auch jetzt wieder zeige, dass Studenten und Universitäten eine schlechte Lobby hätten. Das sei vor allem deshalb so, weil die Wissenschaften eher selten über ihr Fachgebiet hinaus schauten und keinen Dialog mit anderen, auch nichtwissenschaftlichen Institutionen oder einfach der Gesellschaft allgemein suchten. In Greifswald sei das Verhältnis zwischen Stadt und Universität noch verhältnismäßig gut, die “Reichweite” der Hochschule gehe aber nicht weit über Greifswald hinaus. Wünschenswert wäre eine Bekanntheit im ganzen Land, so dass man die vorhandenen Potentiale erst den äußeren Rahmenbedingungen anpassen und dann praktisch landesweit im Verbund mit den anderen Hochschulen abschöpfen könne: "Es gibt da unter den Hochschulen einen starken Zusammenhalt." Zum Beispiel seien Fachleute, die finanzpolitische Konzepte zur Geldumverteilung entwickeln könnten, an den Universitäten durchaus vorhanden. “Die Wissenschaftler sind seit Jahrhunderten geübt im Dialog, doch leider oft nur untereinander und nicht mit der Politik.” resümiert Metelmann und forderte eine viel stärkere Beteiligung der Universitäten am allgemeinen gesellschaftlichen Dialog.
Überraschender Redner: Rektor Westermann. Im Hintergrund die Podiumsteilnehmer. Fotos: AB 11
Im Eifer des Gefechts Neuaufgelegte Protestveranstaltungen: 24-Stunden-Vorlesung, Licherkette und Demonstration / Von Alexander Böber
politik
Der Podiumsdiskussion am 16. Januar schloss sich ab 20 Uhr im Audimax die vom AStA organisierte 24-Stunden-Vorlesung an. Wie im letzten Jahr lud der Allgemeine Studierendenausschuss Dozenten aus allen Fakultäten ein, um Vorträge zu Themen aus ihren Fachbereichen vor interessierten Besuchern zu halten. "Mit der 24Stunden-Vorlesung haben wir die Möglichkeit, die Fächervielfalt unserer Universität zu zeigen." so Thomas Schattschneider, Referent für Studium und Lehre des AStA. Vor einem Jahr zog diese Veranstaltung mehr Studenten in die Hörsäle des Audimax als irgend eine andere Protestveranstaltung. Die Befürchtungen, in diesem Jahr würden spürbar weniger Studierende an der Marathonvorlesung teilnehmen, zerschlug sich schon mit der ersten Veranstaltung. Professor Matschke aus der BWL, der noch in der Podiumsdiskussion für die Vorlesungsveranstaltung warb, hielt einen Vortrag über den Studenten als Wirtschaftsfaktor. Geschickte Anspielungen im Verlauf der Vorlesung auf die vorherige Diskussion im Vorlesungssaal der Betriebswirtschaft lockerten die Stimmung unter den Zuhörern und so manche Parallele zur derzeitigen Situation in Mecklenburg-Vorpommern, gab Grund zum Nachdenken und zur Einsicht von Seiten der Zuschauer. Doch diese Einführungsvorlesung sollte nicht das letzte Highlight der 24-StundenVorlesung sein. Neben dem Audimax öffnete auch die Sternwarte ihre Türen. Zwar ließ das Wetter keine Betrachtung des nächtlichen Himmels über Greifswald zu, jedoch konnten Interessierte Fragen rund um das Teleskop und die Astronomie stellen, oder einfach über Himmel und Sterne fachsimpeln. Trotz der fortgeschrittenere Stunde und sich einstellender Müdigkeit, bei manchen war es 12
vielleicht auch der Alkohol, waren die Vorlesungen bis spät in die Nacht gut besucht. So war es um ein Uhr kaum noch möglich einen Sitzplatz zu ergattern, als Professor Spieß, Dekan der Philosophischen Fakultät, aus seinem Fachbereich der Geschichte über Prinzessinnen im Mittelalter referierte. Auch er ließ es ich nicht nehmen, in seinen einleitenden Worten den Grund der Veranstaltung hervorzuheben und die gefährliche Situation in der sich die Hochschule befindet zu analysieren. "An einer Fakultät deren Strukturen so feingliedrig sind wie der Philosophischen Fakultät können Kürzungen, wie sie uns durch
tion nicht verlängert wurde, hielt eine Vorlesung über den Mentalitätswandel und die ideologische Motivation der nordamerikanischen Kolonien und später der Vereinigten Staaten bis zum Ende des Kalten Krieges ab. Auch er wies auf die Auswirkungen der Kürzungen auf Bildung und Forschung in Greifswald hin. Die übrigen Vorlesungen anderer Fachbereiche waren nicht minder stark frequentiert. Vertreter der Psychologie, der Rechtsmedizin und der Theologie brauchten sich über eine mangelnde Zuhörerschaft nicht zu beklagen. Viele Studenten waren über die spannenden Vorlesungen mehr als
Hallo Maik!
Willkommen liebes Erstsemester! Wenn die Kürzungen greifen, könnte es in ein paar Semestern auch damit vorbei sein. Fotos: AB die Landesregierung aufgezwungen werden, zu einer Gefährdung des Lehrbetriebes und zu weiteren Institutsschließungen führen." Professor Spieß war nicht der letzte Dozent, der die Kürzungen zum Gegenstand seiner Ausführungen machte. Dr. Depkat vom Historischen Institut, dessen Vertrag nach seiner erfolgreichen Habilita-
erfreut, dem entsprechend angeregte Diskussionen konnte man auch in den Pausen auf den Fluren des Audimax mit verfolgen. Für das leibliche Wohl sorgten die engagierten Mitglieder der Protestgruppe am Stand des Protestcafés. Als unserer moritz-Redakteur das Audimax nach knapp 13 Stunden und einer halben Flasche Absinth moritz
verließ, wurden gerade die Vorbereitungen für das Frühstück getroffen und aus den Hörsälen klang noch immer die gedämpften Stimmen der Dozenten, nur unterbrochen vom Beifall der Studenten und Besucher. Insgesamt ist der Protestgruppe und den verantwortlichen Referenten des AStA ein Lob für die vortreffliche Organisationsarbeit auszusprechen. Es wurden bereits mehrfach Stimmen laut, die diese Veranstaltung im festen Veranstaltungsplan der Universität sehen wollen. Auch Rektor Westermann lobte in der Dienstberatung am darauffolgenden Dienstag die Arbeit der Studierenden im Rahmen der Kürzungsproteste. Die Arbeit der Protestgruppe fand mit der 24-Stunden-Vorlesung aber noch kein Ende. Für den Montag, 19. Januar organisierte die Protestgruppe und der AStA eine weitere Kundgebung. Unter dem Motto "1000 Lichter für MecklenburgVorpommern" rief die Studierendenschaft Greifswalder Bürger, Händler und alle Mitglieder der Universität zu einer Licherkette auf, die sich vom Marktplatz über die Lange Straße bis zum Audimax erstrecken sollte. Trotz der arktischen Temperaturen waren knapp 250 Protestierende anwesend. Zwei Tage später fand eine groß angekündigte Demonstration der Studierenden statt, zu der die Protestgrup-
pe noch in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch mit einer Plakataktion warb. Aufgerufen waren alle Mitglieder der Universität. Zum Zeitpunkt der größten Ansammlung zählten die Organisatoren knapp 1.200 Studiernde, Professoren, Mitarbeiter und Greifswalder Bürger, die ihren Unmut über die Schweriner Sparpläne gelegentlich mittels Pfeifkonzerten, vereinzelten Gesangseinlagen und dem Klang ihrer Sohlen auf Greifswalds Straßen Gehör verschafften. Parallel zur Demonstration in Greifswald, gingen an allen Hochschulstandor-
ten im Land die Studierenden auf die Straße. Rostock berichtete von 5.000 Demonstranten. In Wismar entschlossen sich 120 Studenten zum Protest. Stralsund und Neubrandenburg rundeten das Ergebnis zu insgesamt 8.000 Demonstranten in gesamt M-V auf. Spätestens wenn Mitte Februar in Schwerin der Haushaltsplan beschlossen wird, werden wir wissen, ob die Proteste eine Wirkung erzielt haben. Als letztes Mittel bleibt sonst jedem Bürger noch das Votum zur Landtagswahl.
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Prinzessinen im Mittelalter bei Prof. Spieß. Trotz des schlechten Wetters waren die Hörsäle zur 24-Stunden-Vorlesung auch in der Nacht voll besetzt.
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Und ewig grüßt die Finanzministerin Verschneite Proteste und eine überrumpelte Frau Keler am 22. Dezember in Schwerin / Eine Reportage von Uli Kötter Lokaltermin Greifswalder Bahnhof, es ist der 22. Dezember 2003 kurz vor sieben Uhr früh. In der Bahnhofshalle 11 Protestler, die bei Temperaturen um den Nullpunkt und Schneetreiben hierher gekommen sind, um mit dem Zug um 7.08 Uhr nach Schwerin zu fahren. “Wir haben eine gut dreistündige Fahrt vor uns” erklärt mir AStA-Chef Simon Sieweke, als der Zug einrollt so gibt es erstmal genug Gelegenheit, sich über den Anlass der Protestaktion zu informieren. Es ist außerordentliche Landtagssitzung in Schwerin, weil die Regierung in der vorangangenen Woche per Kabinettsbeschluss unter anderem die Stellenstreichung von 2000 Landesangestellten, darunter 373 an den sechs Hochschulen, angedroht hatte. Die wegbrechenden Steuereinnahmen hatten die Finanzministerin nicht nur zu einem zweiten Nachtragshaushalt für 2003 gezwungen, sondern auch zu den Stellenkürzungen und weiteren Einsparungen in den Eckwerten für die Jahre 04/05. Am 22. Dezember sollte nun zunächst der Nachtragshaushalt 2003 in den Landtag eingebracht werden;
dennoch nutzten die studentischen Vertreter die Sitzung, um medienwirksam auf die Kürzungen, die allerdings erst endgültig am 28. oder 29. Januar ‘04 beschlossen werden, aufmerksam zu machen. In Rostock steigen nochmals 25 Mitprotestler zu. Nach der Ankunft in Schwerin kurze Lagebesprechung am Bahnhof: Die Landtagssitzung beginnt um 11.00 Uhr - vor der Einfahrt zum Schloss sollen die ankommenden Politiker zunächst mit Transparenten und Trillerpfeifen empfangen werden, dann soll eine Delegation von vier Personen ein Protestplakat auf der Besuchertribüne des Landtages entrollen. Um 11.30 Uhr ist ein Gespräch mit der PDS-Landtagsfraktion vereinbart. “Danach”, so unser AStA-Vorsitzender, “geht's Richtung Finanzministerium!” Etwa eine halbe Stunde später an der Einfahrt zum Schweriner Schloss: Erste Protestplakate werden entfaltet, Pfeifen werden verteilt. Bildungsminister Metelmann wünscht im Vorübergehen viel Erfolg und meint, dass genug Studenten schon Chancen hätten, sich Gehör zu verschaffen. Eine etwas
politik Vor dem großen Schneetreiben: Ein Teil der Protestgruppe an der Einfahrt zum Schweriner Schloß. Fotos: UK 14
gereizte Finanzministerin kanzelt die studentischen Forderungen als “an der Realität vorbei” ab und will sich erst Recht nicht auf Zahlenspielereien einlassen. Der hochschulpolitische Sprecher der PDSFraktion, Dr. Gerhard Bartels, zeigt
PDS-Abgeordneter Dr. Bartels: “Wenig Chancen in der Fraktion”. vollstes Verständnis für das Anliegen der Studenten, räumt uns aber dennoch auch in seiner Fraktion wenig Chancen ein. Inzwischen ist ein Bus aus Neubrandenburg mit 19 weiteren Demonstranten eingetroffen, mit dabei der Prorektor der FH, RomanFrank Oppermann. “Zu den Stellen, die sowieso schon gestrichen werden, kommen jetzt noch weitere 67 für die Fachhochschulen hinzu”, erklärt er resigniert. “Bei uns müssen dann Professorenstellen wegfallen und damit ganze Studienfächer wie zum Beispiel Pflegemanagement – eines der ersten akkreditierten Fächer dieser Art in Deutschland”, fügt er hinzu. Marcel Narho aus dem StuPa ärgert sich über das “Kalenderprinzip” beim Stellenabbau. Die Fachhochschulen seien 1991 mit äußerst schlankem Personal gegründet worden, da ginge jede neue Kürzung an die Substanz. Enrico Schuldt aus Schwerin hält moritz
Vorweihnachtliche Protestrunde im Finanzministerium (v.l.): Dominik Richers, Maik Walm (AStA-Vorsitzender Rostock), Niels Degner (AStAVorsitzender Wismar), Manuela Krüger (StuPa- und AStA-Vorsitzende Neubrandenburg), Thomas Schattschneider, Simon Sieweke
früher als erwartet erscheint die Ministerin gegen 3 Uhr mit ihrem Mitarbeiterstab. Mit scharfem Ton rügt sie zunächst den “Einbruch” in ihr Büro und fragt, warum wir denn nicht beim Bildungsminister seien. Niels Degner, AStA-Vorsitzender aus Wismar, entgegnet, dass sich die “Einbrecher” kooperativ gezeigt hätten. Die “Besetzung” Außerdem wäre sie und nicht des Ministeriums Minister Metelmann für die aktuelle Personaldebatte verantwortlich. Gegen halb eins geht eine kleine Frau Keler erklärt, sie stünde in Gruppe um Simon Sieweke und ihrem Ministerium vor einem finanMaik Walm zielgerichtet auf das ziellen Ausnahmezustand, bei dem Finanzministerium zu und besetzt sich keinerlei Absprachen mehr einmit einigen Umwegen das Büro der halten ließen – auch nicht die des Ministerin. Dort werden sie jedoch Hochschulkorridors bis 2006. Nach alsbald hinausgebeten und mit dem Kürzungen bei den Beamten seien Versprechen, Frau Keler sei zu nun die Angestellten des Landes an einem Gespräch bereit, in einen der Reihe, wobei man zunächst nur Konferenzraum geleitet. Kaffee und die Arbeitszeit mit entsprechender Kekse werden serviert und etwas Lohnabsenkung verkürzen wollte. Erst die Gewerkschaften, die diesen Vorschlag in allgemeiner Form nicht akzeptierten, hätten sie zur konkreten Benennung von Zahlen herausgefordert. Dem Einwand der AStA-Vorsitzenden, es sei vor allem vonnöten, die richtigen Prioritäten zu setzen – sprich: den gestiegenen Studentenzahlen auch entsprechend mehr anFinanzministerin Keler (mit Haushaltsabteilungs- statt kontinuierlich weleiter Wille): “Ich breche mein Wort, weil ich weiß, niger Personal gegendass es sonst 2006 nicht mehr weiter geht.” Fotos: UK überzustellen – erteilte Januar 2004
Keler eine barsche Absage. “Setzt die richtigen Schwerpunkte!” höre sie von allen möglichen Seiten, jedoch immer nur mit dem Ziel, für die jeweilige Klientel mehr Geld bereitzustellen. “Der Kuchen ist so groß wie er ist, wo sollen wir denn was wegnehmen?” beklagte die Ministerin und verwarf im gleichen Augenblick das Allheilmittel Hochschulautonomie. “Vergessen Sie die Vorstellung von einem festen Budget und festen Steigerungsraten das pendelt alles mit den jeweiligen Steuereinnahmen.” Zum Schluss appellierte Keler, sich im ersten Vierteljahr 2004 mit den Gewerkschaften an einen Tisch zu setzen. Beim Rausgehen schwärmte Haushaltsabteilungsleiter Ingo Wille von der “mittelfristigen Finanzplanung der Jahre 03 – 07” als Weihnachtslektüre: “Das liest sich wie ein Krimi!”
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ein ver.di-Plakat in der Hand und erklärt, dass die Kürzungen schließlich nicht nur die Studenten etwas angingen, sondern dass auch andere Landesangestellte betroffen seien. Er wolle sich jedenfalls solidarisch zeigen. Gegen halb zwölf setzt dichtes Schneetreiben ein, Studenten und Polizisten wärmen sich mit Tee die geforenen Finger wieder auf. Verständnisvolle Blicke von den wenigen Ordnungshütern: “Vor ein paar Wochen haben wir hier auch demonstriert – gegen die Kürzungen bei der Polizei”, erzählt einer. Maik Walm, AStA-Vorsitzender aus Rostock, kommt mit Simon ernüchtert aus der PDS-Fraktion wieder. Die positive Haltung Bartels' habe keine Mehrheit in der Fraktion gefunden, lediglich Umweltminister Methling habe – wohl mehr im Spaß – angeboten, von seinem Ressort “was abzugeben”. Langsam löst sich der Großteil der ohnehin schon bibbernden Gruppe im Schneetreiben auf und man macht sich per Bus und Bahn auf den Heimweg.
AStA-Chef Simon Sieweke: “Die richtigen Prioritäten setzten”. 15
“Wir machen uns doch nicht zum Erfüllungsgehilfen der Landesregierung” AStA-Vorsitzender Simon Sieweke im moritz-Interview Simon Sieweke, 22, wurde in Detmold geboren und lebte seit 1988 auf Fehmarn. Er studiert im fünften Semester Jura und ist seit April 2003 AStA-Vorsitzender. Desweiteren ist Simon studentischer Senator. moritz: Am Anfang vielleicht die Kernfrage der aktuellen Protestwelle: Wie viele Stellen sollen in Greifswald genau gestrichen werden? Simon: Es entfallen wohl 68 Stellen im Hochschulbereich auf Greifswald, dazu kommen weitere 132 Stellen, die sich die medizinischen Fakultäten Rostock und Greifswald etwa halbe-halbe teilen werden. Das macht rund 135 Stellen insgesamt. Wer entscheidet darüber, welche Stellen gestrichen werden sollen? Die Finanzministerin sieht da ganz klar die Hochschulen in der Verantwortung. Der Rektor stimmt mit mir überein, dass von unserer Seite keine Stellen genannt werden, weil wir einfach keine Verantwortung dafür tragen wollen.
aktionen bisher anschaut, mag man glauben, dass Studenten an Hochschulpolitik nicht interessiert sind. Das kann man so pauschal nicht sagen. Im Moment mag es daran liegen, dass alle mit der Prüfungsvorbereitung beschäftigt und daher einfach im Stress sind. Es gibt hier zum Glück etliche Studenten, die ihr oft sehr aufwendiges Studium in der Regelstudienzeit durchziehen. Da bleibt nebenbei nicht viel Zeit für die große
Liegt die geringe Beteiligung vielleicht auch daran, dass die jetzigen Proteste wie eine angestaubte Neuauflage der Proteste vor einem Jahr wirken? Na ja, die Proteste von damals wurden ja eigentlich nie beendet . . . Soviel Neues kann man sowieso nicht erfinden. Die Luftballonaktion hat es zum Beispiel noch nicht gegeben und auch den Bildungsasylantrag in Sceczin nicht. Außerdem: Was kann an der Wiederholung erfolgreicher Aktionen wie der 24-StundenVorlesung falsch sein? Sind die Politiker im Land inkompetent, wie du in der Ostsee-Zeitung vom 9. Januar behauptest? Das bezog sich in erster Linie auf die Bemerkung des Greifswalder SPD-Justizminsters Erwin Sellering, der die aktuelle Kürzungsrunde an den Universitäten als Bürokratieabbau begrüßte. Das zeigt einmal mehr, wie weit die Politiker von der Realität weg sind.
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Wie ist das Verhalten des hochschulpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Matthias Brotkorb, Aber wird das Land dann zu erklären, der Stellennicht willkürlich Stellen streichungen als “so streichen, wenn von Seiten AStA-Vorsitzender Simon Sieweke: “Zur Zeit defini- sicher wie das Amen in der der Uni keine benannt tiv überarbeitet.” Fotos: nogo Kirche” vorhersagt? werden? Es ist nicht zu erklären – Jede einzelne Stelle – egal in Matthias Brotkorb ist selber welchem Bereich – tut weh. Wir Politik, sondern da sind Kleinignoch Student an der Philosind in vielen Fächern am Mikeiten wie genügend Bücher, funksophischen Fakultät in Rostock, nimum angelangt und zum Teil ist tionierende Toiletten und gute einem derart maroden Zweckbau schon jetzt das Grundlehrangebot Betreuung durch die Professoren aus DDR-Zeiten, dass schon die in Gefahr. Da können wir uns doch einfach wichtiger. Fenster aus den Rahmen fallen. nicht zum Erfüllungsgehilfen der Außerdem: 200 – 400 Protestler Und obwohl er so nah an der Landesregierung machen und auch machen schon Eindruck, auch Realität dran ist, raspeln er und die noch überlegen, welche Fingerwenn es immer dieselben sind. Es SPD fleißig Süßholz bei der kuppe wir uns denn als nächstes ist einfach schwierig, eine gute Landesregierung. Studenten haben abschlagen werden. Informationspolitik zu machen, so nun mal keine Lobby im Land, da dass im Moment viele einfach wäre von ihm ein engagierter Wenn man sich die dürftige nichts von den einzelnen Aktionen Einsatz gegen Stellenkürzungen Beteiligung an den Protestmitbekommen haben. vonnöten. 16
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In der Mensa liegen seit neuestem Beistandsbekundungen von ver.di aus. Welche Rolle spielen die Gewerkschaften bei den Greifswalder Streikaktionen? Oft leider eine eher unbedeutende. Sie könnten eine wesentlich größere Rolle spielen. Immerhin leihen sie uns bei den Protest-Aktionen das Megaphon und versorgen unsere Leute mit heißen Getränken. Das ist natürlich nicht schlecht. Was hältst du von dem Vorschlag der SPD-Bundespolitiker, Elite-Universitäten zu schaffen? An sich keine schlechte Idee, nur dann bitte gleich alle Universitäten. Ich kann es mir nur vorstellen, wenn alle deutschen Unis der Weltspitze angenähert werden. Elite darf keinesfalls bedeuten, dass bestimmten Studenten ein Studium verwehrt wird. In diesem Zusammenhang muss man auch die neuen, konsekutiven Studiengänge mit Vorsicht genießen: Der Bachelor ist dann nur noch für das “Mittelmaß” und der Master für die “Eliten”. Ausserdem zielt diese Entwicklung langfristig auf Studiengebühren ab: Der Bachelor bleibt gebührenfrei, aber der Master nicht mehr. Wie ist die geringe Bewerberzahl bei den StuPa-Wahlen zu erklären? An der Werbung kann es nicht gelegen haben, sondern vielleicht einfach daran, dass anders als im letzten Jahr kein richtiges Thema da war, um die Leute zu mobilisieren. Zusätzlich ist uns wohl die Koppelung an die Senats- und Fakultätsratwahlen zum Verhängnis geworden – auch nach der Frist hatten wir noch Bewerbungen. Viele der Erstsemester wollen sich das ganze erstmal anschauen und dann zum 3. Semester einsteigen. Hinzu kommt, dass etliche der jetzigen Januar 2004
StuPisten nicht wieder zur Wahl angetreten sind. Welche Aufgaben stehen vor dem neuen StuPa und auch dem neuen AStA? Es wird vor allem darum gehen, den Hochschulentwicklungsplan konkret umzusetzen. Daneben sollen die Fachschaftsräte gestärkt werden, denn von ihnen profitieren die Studenten am meisten und sie nehmen dem AStA ein großes Stück Arbeit ab. In der Bibliothek gibt es immer noch keine Lösung, wie in Zukunft ausreichend Bücher und Zeitschriften angeschafft werden sollen. Beim Thema Lehrevaluation müssen wir die Professoren von der leistungsbezogenen Entlohung überzeugen. Der AStA wird wohl ein Weile damit beschäftigt sein, die jetzigen Konzepte vollständig abzuarbeiten. Vor allem im Bereich Kultur und politische Bildung besteht Nachholbedarf. Wie können neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit von AStA und StuPa aussehen, um ein stärkeres Interesse an der Hochschulpolitik zu wecken und deutlich zu machen, dass ihr etwas bewegen könnt? Am meisten erreicht man nach wie vor durch das persönliche Gespräch mit den einzelnen Studenten. Gegen Vorurteile helfen auch Unmengen Plakate und Flyer nichts. Leider
waren die AStA-Referenten und die StuPisten in letzter Zeit zu wenig daran interessiert, sich mal mittags in die Mensa zu setzen und mit den Leuten zu reden. Ist der AStA im Moment überarbeitet? Definitiv. Wir sind einfach zu wenige, um die anstehenden Aufgaben mehrerer Streikwochen zu erledigen. Darunter leidet dann schon mal die Öffentlichkeitsarbeit. Auf der vorletzten StuPaSitzung wurde moniert, der moritz entwickele sich immer mehr zu einem LifestyleMagazin und die Hochschulpolitik käme zu kurz. Was ist daran falsch? Sicherlich gilt das Interesse der Studenten beim moritz allgemein eher dem Feuilleton und gegen kreative Ideen ist auch nichts einzuwenden. Dennoch: Lifestyle-Magazine gibt es wie Sand am Meer und aus unserer Sicht ist es sehr wichtig, einen umfangreichen hochschulpolitischen Teil im moritz zu haben, um die Studenten ausführlich über die Arbeit von StuPa, AStA und Senat zu informieren. Die Strukturen der Universität sind äußerst verstrickt und verschachtelt, da muss zumindest der moritz versuchen, den Überblick zu behalten.
Interview: Uli Kötter
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Warum haben Studenten so eine schlechte Lobby? Bildung ist einfach ein Randthema, weil die Politiker nicht begriffen haben, welche Bedeutung es als stabilisierender Faktor unserer Sozialgemeinschaft hat. Nach der Pisa-Studie gab es den großen Aufschrei, doch jetzt sieht man, was aus den Versprechungen für mehr Geld geworden ist.
ASta-Vorsitzender Simon Sieweke im Gespräch mit dem moritz: “LifestyleMagazine gibt es wie Sand am Meer.” 17
Auf die Barrikaden! Deutsche Studenten proben den Aufstand Von Sebastian Jabbusch
politik Normale Studentenproteste Studentenproteste oder ein echter “Flächenbrand”? In ganz Deutschland wird gegen die Bildungspolitik mobilisiert. mobilisiert. Ein Überblick...
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Die Studenten skandieren weiter ihre eingeprobten Rufe: “Die Wissenschaft hat festgestellt, dass die Stadt nicht zu ihr hält”, “Bildet die Rettung, rettet die Bildung!”, “Wir sind viele, wir sind laut, weil man unsere Bildung klaut”. Erste Studenten werden zurückgedrängt, einige bekommen erste Platzverweise. Drinnen beginnt währenddessen die Live-Sendung zum Thema “Terrorismus”. Nach einer knappen Stunde ist das bizarre Theater vorbei, die Akademiker verlieren sich in die Nacht. In den Gesichtern die Enttäuschung. Die Hoffnung mit Hilfe des Fernsehens endlich in die bundesweite Presse zu kommen, wurde enttäuscht: das große Panoramafenster ist schallgedämmt... Es war eine von hunderten Aktionen gewesen, die zur Streikwelle des Wintersemesters 2003 gehörten. Ist sie schon vorbei? Wann hat sie überhaupt begonnen? Wann werden vereinzelte Proteste zu einem “Flächenbrand”? Statistische Erhebungen gibt es kaum. Sogar die großen Magazine wie Spiegel und Stern scheuten sich Grafiken oder Tabellen zu veröffentlichen. Denn auch für diese Studentenproteste gilt, wie für alle anderen: sie sind völlig unübersichtlich. Vor allem Januar 2004
liegt das wohl daran, dass sie meist dezentral und spontan organisiert sind. Da Bildungspolitik eben Landespolitik ist, sind die meisten Studentenproteste eben auch nur auf Landesebene koordiniert. Und so sind es entsprechend auch meist Landesmedien, die über die Aktionen berichten. Die überregionalen Medien beschränkten sich darauf die jeweils spektakulärsten Szenen exemplarischen zu dokumentieren. Meist werden noch die StreikSchwerpunkte erwähnt: “Berlin, Hannover, München und Frankfurt” – brav vom DPA-Ticker abgeschrieben. Personal- und damit kostenintensive Recherche traute sich in diesem Herbst niemand zu. Und somit fehlte auch dem aufmerksamen Zeitungsleser stets der Überblick. Waren die Proteste diesmal größer als im Jahr 97/98 (der berühmte “Lucky Strike”), oder breiter organisiert, oder etwaw ganz anders? Fakt ist, dass die Wirklichkeit anders aussah, als sie von den überregionalen Massenmedien dargestellt wurde. Denn die Protestwelle erstreckte sich auf weite Teile der Bundesrepublik und beschränkte sich nicht auf einzelne Hauptstädte. Auch gab es nicht ein oder zwei Aktionen, sondern unüberschaubar viele. Es wurde eigentlich fast täglich und mit stetig wachsendem Nachdruck demonstriert (siehe Demo-Tagebuch – nächste Seite) Allein in Berlin liefen während des Streiks bis Ende Dezember täglich zehn bis zwanzig öffentliche
Fakten Ein erster Überblick, welche Bundesländer wo und in welchem Umfang kürzen wollen. Niedersachsen: ab 2004: Kürzung des jährlichen Etats um 40 Mio. Euro, ab 2005: Kürzung um weitere 10 Mio. Euro. Folge u.a. 1100 Stellenstreichungen und 3 Standortschließungen, Einführung von Studiengebühren (ca. 650 Euro/Semester) Bremen: Einführung von Studiengebühren (Höhe noch unklar) Hamburg: Schließung der Hochschule für Wirtschaft und Politik Hessen: Kürzungen des jährlichen Etats um 30 Mio. Euro, Folge: Schließung mehrerer Studiengänge & Streichung von über 1000 Stellen, Einführung eines “Verwaltungsbeitrages” von 50 Euro pro Semester, nach Regelstudienzeit 500 Euro pro Semester, pauschale Anhebung aller Gebühren um 10 % Thüringen: Nicht Anhebung der Uni-Etats seit zwei Jahren. Folge: De facto Kürzung zwischen 9 bis 12% allein durch steigende Gehälter & fehlenden Inflationsausgleich. Daher Abbau u.a. von 100 Stellen allein an der TU Illmenau. Sachsen-Anhalt: ab 2006: 10 % weniger Gesamtbudget, Einführung von Gebühren für Prüfungen Rheinland-Pfalz: Neuer Höchststand der Studienanfänger & trotzdem keine Erhöhung der Kapazitäten, Einführung von “Studienkonten” Baden-Württemberg: 2004: Kürzungen des jährlichen Etats um 91,4 Mio. Euro, Einführung von "Langzeitstudiengebühren" (StudienCredits): kostenlos bis zum Bachelor ab‚ Master ca. 600 Euro pro Jahr. Kürzungen im Bereich der Studentenwerke, neues Landeshochschulgesetz (Einschränkung der Studentischen Mitbestimmungsrechte), des jährlichen Etats um 150 Millionen Euro
politik
23. November, Berlin: Etwa 1000 Studenten haben sich im Laufe des Abends an der Budapester Straße versammelt. Ihr Ziel? Das Fernsehstudio der TalkShow von Sabine Christiansen. Seit mehreren Stunden fordern sie lautstark ihr Rederecht ein. Doch drinnen bleibt man stumm. Sabine Christiansen will ihre Sendung nicht platzen lassen. Die Stimmung ist aufgeheizt. Die Situation spitzt sich zu, als einige Studenten versuchen durch die Türen in das Studio einzudringen. Die Redaktion fürchtet einen Sturm auf das TV-Studio und alarmiert die Polizei. Selbige rückt mit knapp 100 Mann in Mannschaftswagen an, sichert sofort die Eingänge und bildet eine Reihe zwischen den Studenten und dem Studio.
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Fakten! Fortsetzung der letzten Seite
Bayern: schrittweise bis 2008: Kürzungen des jährlichen Etats um 150 Millionen Euro, Einführung von Langzeitgebühren, Folgen allein kommendes Jahr u.a. Streichung von mind. 600 Stellen Berlin: bis 2005: Kürzungen des jährlichen Etats um 79 Millionen Euro, bis 2009: Kürzungen des jährlichen Etats um insg. 129 Millionen Euro, Folgen u.a. Streichung von ca. 300 Professuren und ca. 500 bis 800 Stellen im universitären Mittelbau. Schließung von ca. 50 Studiengängen, Schließung mehrere Fakultäten. Klaus Wowereit offen für Erstsemestergebühren, schon jetzt über 135.000 Studenten auf nur 85.000 ausfinanzierten Plätzen (Durch Personalkürzung um 50 %
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seit 1991) Brandenburg: Einziges Bundesland, dass 2004 den Bildungshaushalt um 10 % erhöht Mecklenburg Vorpommern: Streichung von 373 Stellen (zusätzlich zu den 2002 beschlossenen Kürzungen), Einführung von Studiengebühren, Abschaffung des Magister an der Uni Greifswald Schleswig Holstein: Einführung einer restriktiven Studiengebühr (i.P.) Nordrhein-Westfalen: Einführung von "Studienkonten", Hochschulkonzept 2010: Streichung von 316 Professorenstellen nebst den dazugehörigen wissenschaftlichen Angestellten
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Aktionen. Die Proteste fanden auch nicht “seit einigen Tagen” statt, wie RTL dies in seinen Abendnachrichten Ende November kundgab, sondern zu diesem Zeitpunkt bereits seit über einem Monat. Wer sich Kampagnen der diesjährigen Streiks ansah, konnte auch qualitativ einen Unterschied registrieren. Die Streiks waren diesmal – vielleicht auch angesichts der sich verschärfenden Finanzsituation und der zunehmenden politischen Aussichtslosigkeit – wesendlich energischer, fast schon aggressiv. Es waren eben nicht “nur” die üblichen Demos, Seminare unter freiem Himmel und 24 Stunden Vorlesungen. Viel stärker wurde auf die Medienwirksamkeit der Aktionen geachtet, der politische Schulterschluss mit Gleichgesinnten gesucht, bundesweite Demonstrationen koordiniert und konkrete Forderungen gestellt, um den politischen Druck zu erhöhen. Durch die Medien ist unter anderem die Besetzung einer neu eröffneten IKEA-Fiale gegangen. Die Besetzer beantragten Bildungs-Asyl in Schweden und legten sich auf IKEABetten in den “Bildungsschlaf”. Aber auch der Aufbau einer “SlumUNI”, die Besetzung von Rathäusern, Politiker-Büros, der taz, und die “nackten Flitzer” auf dem Berliner Weihnachtsmarkt dokumentieren diese Bemühungen (siehe auch “Höhepunkte” rechts). Verschärft wurde auch die “Personalisierung” des Gegners. Seit Beginn des Streiks kann der Berliner Bürgermeister nicht mehr auftreten, ohne mit einem Pfeifkonzert begrüßt zu werden. In Bayern heißt es “Edmund Stoiber – Bildungsräuber” und Ministerpräsident Koch hat an der Uni Kassel kurzerhand Hausverbot bekommen. Gesäumt wurden all diese Bemühungen von allwöchentlichen Groß-Demonstrationen, die durch ihre Regelmäßigkeit – in Berlin jeden Samstag – ein wenig an die Leipziger Montagsdemonstrationen erinnerten. In SachsenAnhalt war es mit 5.000 Studenten sogar die größte Studentendemo der Landesgeschichte. Neu war in diesem Jahr auch die Kooperation der Studenten mit anderen Organisationen, wie Attac, Arbeitslosengruppierungen und den Gewerkschaften. Es wurde nicht nur
für den Erhalt der Universitäten demonstriert, sondern auch für mehr soziale Gerechtigkeit. Eine Forderung, die vor allem in der Ablehnung der “Agenda 2010” ihren Ausdruck fand. Trotzdem war es keine neue 68er Bewegung, wie es Eberhard Diepgen in der Onlineausgabe des ‚UniSpiegel’ im Oktober prognostizierte. Dazu fehlte ein alternatives Gesellschaftsbild. Man wollte schließlich nicht “das Kapital” abschaffen, sondern lediglich mehr “Kapitalausstattung” für die Universitäten erstreiten. Jegliche – auf die Glorifizierung der Streiks abzielende – Vergleiche mit den 68ern sind demnach unangemessen. Man demonstrierte auch dieses Jahr wieder vor allem für eigene Interessen: so wie es die Ärzte, Krankenschwesern und Apotheker tun. Es war nicht mehr – aber auch nicht weniger. Bleibt eigentlich nur noch die Frage, ob der Streik “beendet” ist. Diese Frage kann zum Redaktionsschluss (21. Januar) nicht abschließend geklärt werden. Vieles spricht dafür, dass auch dieses Jahr wieder die Streikfront einbricht. So wurde in Niedersachen der Sparhaushalt von 40 Millionen Euro bereits entgültig beschlossen. Die Uni Göttingen, die die Hälfte dieser Einsparungen schultern muss, ist enttäuscht. Alle Bemühungen waren umsonst. Die Proteste wurden eingestellt. Auch sonst werden die Demonstrationen kleiner (in Berlin z. B. am Samstag “nur noch” knapp 1000 Studenten). Entscheidend dürfte sich auch der Entschluss der Berliner TU auswirken. Dort wurde am 5. Januar der Streik abgebrochen. Die TU war als eine der ersten Unis in den Streik getreten. Vor allem aber durch die vielen medienwirksamen Aktionen bildete die Uni bisher ein starkes Zugpferd der Bewegung. Auf der anderen Seite könnte jedoch die neue Initiative von Bundeskanzler Gerhard Schröder neuen Wind in die Diskussion bringen. Er brachte für 2004 das Thema “Innovation & Bildung” im Rahmen seiner Agenda 2010 in die gesellschaftliche Diskussion ein. Damit verbunden sind eine Menge Fragen: Brauchen wir “Elite-Universitäten”? Brauchen wir Studiengebühren? Sollte ihm Rahmen der Föderalismusdebatte ein Teil der Bildungskompetenz & Finanzierung dem Bund zugeschlamoritz
1. Die Wissenschaft hat festgestellt, dass das Land nicht zu ihr hält 2. Good Bye Learning! 3. Stoiber du Bildungsräuber 4. Ab in den Süden… der Bildung hinterher 5. Geist ist geil! 6. Bildet die Rettung – Rettet die Bildung 7. Lernst du noch, oder sparst du schon? 8. KILL BILLdung gen werden? Genug Streit, der die Studenten noch einmal auf die Straße zerren könnte. Es ist aber abzuwarten, in welchen Bundesländern es den Streikführern gelingt, die Studenten im Monat vor den Klausurrunden noch zu mobilisieren.
Drei Streiktage: Ein exemplarischer Auszug aus dem Protest-Tagebuch: 24. bis 26. November 24. November: Die Vollversammlung der TU Darmstadt beschließt den Streik. In der LMU München und anderen Hochschulen in Bayern beginnt die Aktionswoche gegen Uni-Kürzungen. 400 Studenten bilden eine Menschenkette um den Reichstag. Die VV der Uni Kassel beschließt den Streik. Die VV der Uni Göttingen schließt sich den Streiks an. Im “Tagesspiegel” sind erstmals Bilder einer Protest-Aktion auf der Titelseite. In Göttingen nehmen 25.000 Studenten an einer Demo durch die Stadt teil. In Berlin beginnt vor dem roten Rathaus eine nonstop besetzte Mahnwache. In Emden demonstrieren 17.000 Studenten gegen die Kürzungen. 25. November: In Marburg und Gießen werden gleichzeitig die Geschäftsstellen der CDU besetzt. Studentenproteste erstmals auf der taz-Titelseite. In Frankfurt verhindern Studenten eine Rede von Roland Koch.
SPIEGEL Online titelt: “Mittlerweile ist eine bundesweite Protestbewegung entstanden.” Durch die Skyline von Frankfurt zieht ein Trauerzug der Studenten In Berlin besetzen Studenten der FU das Institut für Soziologie. In Darmstadt besetzen Studenten das Schloss. Anschließend gibt es eine Demo. In Kassel solidarisiert sich der UniPräsident öffentlich mit den Studenten. In Göttingen findet eine Spontandemo statt. Auch in München gibt es einen Trauermarsch. In Berlin wird das Büro des Wissenschaftssenators besetzt. 26. November: In Berlin besetzen die Studenten die PDS Parteizentrale. In München beginnt eine 24 Stunden-Vorlesung. Auch an diesem Tag kommt es nach einer öffentlichen Vorlesung zu einer spontanen Demonstration vor dem Reichstag. Die Süddeutsche Zeitung titelt: “Studenten-Proteste zeigen Erfoge”. Niedersachen legt weitere Einschnitte auf Eis.
politik
Die TOP 8 Parolen 2003/04:
Höhepunkte der Protestwelle In Berlin gehen Professoren in den Arbeitsstreik. Sie begründen ihn mit "lernfeindlichen Bedingungen & grundrechtswidrigen Etatkürzungen" Während der bayrische Wissenschaftsminister im Rundfunk ein Interview gibt, stürmen rund 30 Studenten das Gebäude und unterbrechen das Gespräch. Seit dem 24.11. sitzen Studenten in einer kleinen Zeltstadt vor dem Berliner Rathaus und halten mit großen Transparenten eine MahnJanuar 2004
wache. Bis heute ununterbrochen, auch über Weihnachten und Silvester. Als der Berliner Bürgermeister den Weihnachtsmarkt eröffnen will, wird er ausgepfiffen. 300 Studenten skandieren “Beleuchtet - aber unterbelichtet”. Gleichzeitig hält ein Professor eine öffentliche Vorlesung zum prekären Thema: “Insolvenzrecht für alle” Zur Finanzierung der Landwirtschaftliche Fakultät in Berlin verkaufen Studentinnen selbst aufge-
nommene "Pin-Up"-Kalender In Berlin wird die Redaktion der taz besetzt. Man erpresst vier Seiten & einen Hinweis auf der Titelseite. In Bayern gegen über 40.000 Studenten auf die Straße. 21
“Die Kürz ungen sind so sicher, wie das Amen in der Kirche”
Allem Protest zum Trotz: Die Landes-SPD will kürzen. Ein Interview mit Mathias Brotkorb, hochschulpolitischer Sprecher der SPD-Faktion von Mecklenburg Vorpommern
politik
Können Sie die Kürzungen im nächsten Jahr bestätigen? Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass es Kürzungen geben wird. Die Frage ist nur wo. Es sind rund 400 Stellen im Gespräch. Wie können Sie das verantworten? Also, wir werden wahrscheinlich in den nächsten zwei Jahrzehnten an die 10.000 Stellen abbauen und nicht 400. In der nahen Zukunft sind 2000 in der Diskussion. Im Bereich der Bildung sind rund 350 bis 400 Stellen betroffen. Das ist natürlich eine äußerst schwierige Situation, weil man den Hochschulen zugesichert hat, dass es zu einem stabilen Finanzkorridor kommt und dieser jetzt in Frage gestellt ist. Es wird also wohl eine spannende 22
Diskussion geben.
cherweise sagen, dass wir das Land sind, das am zweitmeisten je StuWie ist denn Ihre persönliche dent ausgibt. Die Hochschulen sind Einstellung zu dem Thema? gegenüber den anderen PolitikDas wir alles dafür tun müssen, dass feldern weit überprivilegiert. Im sich die Hochschulen in diesem Bundesvergleich liegen wir bei der Land weiter anständig entwickeln wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit können. auf Platz 15, bei der Hochschulfinanzierung je Student “ Wir werden in liegen wir aber auf Platz Indem Sie kürzen? den nächsten Das müssen wir über2. Wir haben das zweitall. Wir tun das ja auch zwei Jahrzehnten beste Betreuungsschon, indem wir den verhältnis der Republik. 10.000 Stellen Hochschulkorridor abbauen! ” festgelegt haben – das Und jetzt wollen sie bedeutet ja reell eine auf letzten Platz Einsparung. kommen? Ich freue mich über so sachliche Wie will man die HochschulFragen… Ich habe mich als Student qualität sichern, wenn man auch für die Interessen der Univergleichzeitig kürzt? sitäten eingesetzt. Ich war damals Dazu muss man dann aber ehrlibei den Streiks immer dicke mit moritz
dabei und habe jede Botschaft die aus Schwerin kam strikt zurückgewiesen. Es muss aber auch im Interesse aller Hochschulen sein, dass das Land solide Finanzen hat. Denn wenn es das nicht hat, dann werden wir nicht heute über leichte Kürzungen im Hochschulbereich diskutieren, sondern wegen der Verschuldung und der Zinsen in fünf oder zehn Jahren über ganz massive Einschnitte, die das, was wir heute tun müssen, noch weit in den Schatten stellen. Wo sehen sie denn die Zukunft von Mecklenburg-Vorpommern? Wer soll denn in Zukunft die Steuern erwirtschaften? Das verarbeitende Gewerbe und insbesondere auch der Tourismus entwickelt sich sehr gut. Natürlich aber haben auch die Hochschulen einen erheblichen Beitrag geleistet. Aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass wir an den Hochschulen Mittel haben, wo man sicher überlegen könnte, ob man sie nicht umschichten muss. Wo kann man denn umschichten? Ja, da kann ich Ihnen eine Reihe von Bereichen nennen. Zum Beispiel die Physik in Greifswald hat eine Auslastung von 15 bis 20 %, und die Theologie permanent 25 %. Aber die wesentlichen Entscheidungen werden ja von den Hochschulen selber getroffen. Das heißt, die hochschulpolitischen Gremien
und insbesondere die Studierenden sind aufgerufen hier konstruktive Vorschläge für eine Umverteilung zu machen.
der Bund ein paar Milliarden oben drauf packt und diese Mittel über das BAFöG-Umverteilungssystem an die Hochschulen weitergegeben werden. Das hängt aber von so vielen Voraussetzungen ab, dass ich mir mittelfristig nicht vorstellen kann, dass es zu einer solchen Regelung kommen wird. Was es nicht geben darf, ist, dass Jugendliche aus sozial schwachen Familien sich das Studium nicht leisten können!
Anderes Thema. Wie stehen Sie zu Studiengebühren? Differenziert – wie so meist. Normale Studiengebühren finde ich “abartig”. Aber es ist durchaus zu überlegen, ob wir nicht ein sozial verträgliches Gesamtmodell einführen. Wenn man zum Beispiel das BAFöG von einem Kredit in einen Vollzuschuss umwandelt, den man Und das können sie auch nicht mehr zurückzahlen muss. Und garantieren? wenn man die Sätze und die AnMit einer rot-roten Koalition wird spruchsberechtigungen nach oben dies mit Sicherheit nicht passieren. setzt und wenn Weder mit der SPD “ Die Hochschulen man gleichzeitig noch mit der PDS. sind gegenüber ins BAFöG Studiengebühren inte- anderen Politikfeldern Das nehmen wir griert, dann müsweit überprivilegiert. ” dann mal wörtsten Leute aus lich und schauen armen Verhältnissen keine Studienin zwei Jahren noch mal vorgebühren mehr bezahlen, sondern bei. Vielen Dank für das bekommen sie von der BundesInterview. ebene und geben sie bei ihren UniNein, Moment. Die Welt dreht sich. versitäten ab. Was ich mir aber Was ich hier sage, mache ich unter nicht vorstellen kann ist, dass man dem Vorbehalt meiner momentaeinfach nur Studiengebühren einnen Einschätzung der Weltlage. Die führt, weil das dazu führt, dass soziWeltlage kann in zwei Jahren ale Spaltung entsteht. anders sein. Also, und wenn sich die Welt verändert, muss man auch das Wie stehen die Chancen, dass Denken verändern... Also bitte ich, Ihr Modell kommt? auch in zwei Jahren diesen NachDas kann ich ihnen gar nicht sagen. satz mit abzudrucken. Was ich ihnen vorgestellt habe, Das Interview führte Sebastian kann vom Land gar nicht alleine Jabbusch für moritzTV. Ausschnitte entschieden werden. BAFöG ist aus dem Interview sind in der weitestgehend eine Bundessache. Januar-Sendung am Ende des Und das Modell setzt ja voraus, dass Monats auf GTV zu sehen.
Uni Augsburg, FH Nürnberg Berlin: TH, HU, FU, HdK Berlin, KH Weißensee, ASFH Sachsen: HTWK Leipzig, Uni Dresden im WS 03/04 an Demos beteiligten Ausland: In FrankErfurt reich streik(t)en etwa 17 Universitäten. Sachsen-Anhalt: Uni Magdeburg, In England wehren sich Studenten Uni Halle, FH Dessau, FH Köthen, FH gegen die Verdopplung der StudienBernburg gebühren. Auch in Italien und TscheMecklenburg-Vorpommern: Uni chien kam es zu im November und Rostock, Uni Greifswald, FH Stralsund, Dezember zu Protestaktionen. Alle Uni Neubrandenburg, FH Wismar Details unter: “indymedia.org” Rheinland-Pfalz: Trier, Landau Baden-Württemberg: Uni Nürtin- Und hier ist es ruhig geblieben: In gen, Uni Konstanz, Uni Freiburg, Uni Brandenburg, Schleswig Holstein & im Tübingen, Uni Mannheim & 12 Fach- Saarland, da hier noch Etatplanungen hochschulen der Vorjahre gelten. In NordrheinBayern: LMU München, Uni Regens- Westfalen bliebs auch ruhig, denn dort burg, FH Regensburg, Würzburg, Uni wurde bereits im Wintersemester Bamberg, Uni Erlangen, Uni Passau, 02/03 lange und erfolglos gestreikt.
Alle Hochschulen, die sich Niedersachsen: Uni Göttingen, TU Clausthal, FH Hildesheim, Uni Osnabrück, FH Oldenburg, TU Braunschweig, HfB Braunschweig, FH Wilhelmshaven, Uni Lüneburg, FH Lüneburg. Bremen: Uni Bremen, HS Bremen Hamburg: Hochschule für Wirtschaft und Politik Hessen: Uni Frankfurt (Main), FH Frankfurt, Uni-Kassel, Uni Marburg, FH Darmstadt, TU Darmstadt, Uni Gießen, FH Gießen, FH Wiesbaden, HfG Offenbach, FH Fulda Thüringen: TU-Ilmenau, BU Weimar,
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politik
Never walk alone:
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moritz
titelthema studentische und universitäre traditionen in greifswald
Lucia-Fest / Schwedenulk / Boddentaufe / Ersatzlöwe / Geologentaufen Clubs-U-Nite
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Studentenkneipen / Liederbücher / Maikloppen / Biermesse Bierpraktikum der Physiker Studentenkarzer Investitur / Fackelzüge Ernst Moritz Arndt Festumzug anläßlich der 500-Jahrfeier der EMAU
Alumni-Fest
Foto: Uni-Archiv
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Wenn Herr Bodden das Lichterfest feiert . . . Studentische Traditionen im Wandel der Zeit / Von Silke Bode und Kai Doering
Was ist eigentlich eine Tradition? Der Duden sagt dazu folgendes: Tradition (von lat. traditio: Überlieferung), Weitergabe von Erfahrungen, Sitten, Bräuchen und Kenntnissen an die Nachfahren. Die Familie bildet dabei die zentrale Institution für die Übermittlung von Traditionen durch Ältere an
ist, könnt ihr auf den folgenden Seiten lesen.
Skandinavisches Traditionen gibt es sicher an den meisten Universitäten, doch stößt man in Greifswald auf einige Besonderheiten, die zum Teil auf der
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Brauch aus Schweden: Die Skandinavisten feiern jährlich “Lucia”. Jüngere. Aber auch andere Einrichtunge wie zum Beispiel Schulen, Universitäten und Kirchen geben traditionelle Werte weiter. Es werden also Sitten und Bräuche von Älteren an Jüngere weitergegeben, wobei die Universität eine wichtige Rolle spielt. Dies kann auch in Greifswald mit seiner langen Geschichte nicht anders sein, dachten wir uns und haben deshalb einen Streifzug durch die studentischen und universitären Traditionen unserer EMAU unternommen. Was dabei herausgekommen 26
Foto: veli
Lage am Meer, aber auch auf der “pommerschen Eigenart” beruhen. Entscheidend ist, dass die Stadt eher klein und ländlich geprägt ist. Auch der Einfluss des nahen Skandinaviens spielt keine unwichtige Rolle. So wurden einige Weihnachtsbräuche aus dem hohen Norden übernommen. Ein Beispiel hierfür ist das Lichterfest “Lucia”. Die Ursprünge der Luciatradition liegen zwar in Sizilien, doch im 16. Jahrhundert gelangte die Legende von der Märtyrerin, die sich weigerte, dem Kaiser zu huldigen und für
ihren Glauben starb, nach Schweden. Dort wird das Fest groß gefeiert. Jede Schule, jede Klasse und sogar jede Familie hat ihre Lucia. Und auch das Nordische Institut hat jedes Jahr seine eigene Lucia, gespielt von einer Schwedischstudentin. Am 12. Dezember verwandelt sich das Institut in eine schwedische Schule. Durch das abgedunkelte Treppenhaus zieht der Luciazug ein. An der Spitze geht Lucia mit dem charakteristischen Lichterkranz auf dem Kopf und im Gefolge ihre Begleiterinnen, in weißen Kleidern und mit Kerzen in der Hand. Die oben Wartenden sehen nur das Licht der Kerzen und hören den Gesang des Chores. Nach dieser feierlichen Eröffnung wird echter schwedischer Glühwein (Glögg) mit Mandeln und Rosinen getrunken. Danach gibt es Theater, Musik und Buffet. Nicht zu vergessen ist auch der finnische Weihnachtsbock, der die Feiernden mit kleinen Geschenken überrascht. Übrigens ist das Luciafest nicht nur etwas für Skandinavisten, auch andere Studierende sind stets dazu eingeladen.
Rektor fuhr Karussel Der Nähe zu Schweden verdankten die Greifswalder auch einen anderen Brauch, den so genannten “Schwedenulk”, der auf die Feier des Abzuges Wallensteins aus Stralsund im Jahre 1628 zurückgeführt wird. Es handelt sich hierbei um ein Volksfest, das zunächst drei Tage und später eine Woche dauerte. Es gab verschiedene Buden und Karussells und die mutigsten konnten sich mit Preisboxern prügeln. Am Professorentag, erschienen alle Angehörigen des Lehrkörpers und sogar der Rektor fuhr Karussell. Dann ging es in die Semesterferien. moritz
Ersatzlöwen: Traditionen nach 1945 Einige Traditionen haben den zweiten Weltkrieg überlebt, andere sind ausgestorben. Nach 1945 etablierten sich in der DDR jedoch neue Bräuche, die inzwischen ebenfalls zu Traditionen geworden sind und gerne von den Nachkommen der einstigen Erfinder fortgeführt werden. Besonders zu erwähnen ist hier der Chemiker-Fasching, der seine Wurzeln unter anderem in einer inzwischen abgeschafften Fakultät hat. Die ursprüngliche Idee entstand nämlich während der DDR-Zeit in der Arbeiter- und Bauernfakultät, deren “ABF-Fasching” zu den kulturellen Höhepunkten im Greifswalder Stadtleben gehörte. An jedem 11.11. um 11.11 Uhr war eine Fortsetzung des Unterrichts unmöglich. Höhepunkt war jedoch die Zeit zwischen Rosenmontag und Aschermittwoch. Es wurden Umzüge durch die Innenstadt veranstaltet, bei denen Dozenten der ABF an Stricken oder Ketten mitgeführt wurden. Ziel war die damaligen Mehringstraße, wo eine Bühne aufbaut war, auf der das Hochgericht tagte. Prinzenpaar, Henker und Berater hielten Gericht über die Lehrenden. Ein beliebtes Strafmaß war die Verpflichtung, am Mensaessen teilzunehmen. Es war nicht zu Januar 2004
übersehen: Die Studenten hatten in dieser Zeit die Macht. Eine weitere große Faschingsfeier entstand Ende der 50er Jahre im Wohnheim Fleischerwiese: Der "Schlammtreterball". Hier ging es meist politisch zu und kritische Stimmen in den Büttenreden führten teilweise zu einer Zensur durch die FDJ-Hochschulgruppe. Die Tradition des Balls setzte seit 1964 die “Grypsiade” fort. Ihr Ton war milder, deshalb wurde sie auch von der FDJ mitgetragen. 1972 schließlich kamen die Chemiker ins Spiel. Sie übernahmen die Trägerschaft der Grypsiade und riefen ihren Fasching, die “Chemo”, ins Leben. Ein Jahr später fand auch die erste Löwenverleihung statt, die bis heute ein Muss für jeden Chemie-Ersti ist. Drei Chemiestudenten des damaligen zweiten Studienjahres hatten die Idee, einen Gipslöwen an das erste Studienjahr zu übergeben. Schon 1974 jedoch wurde dieser zerstört und musste durch die Figur eines Griechen, die fortan den Namen “Ersatzlöwe” führte und noch heute existiert, ersetzt werden. Von Anfang an durften sich alle männlichen Chemiestudenten auf dem Griechen verewigen, indem sie ihren Namen einkratzten. Dem verdeckten Löwen ist stets ein feierlicher Einmarsch gewiss, dem seine Enthüllung folgt. Die Berührung durch weibliche Studenten ist strengstens untersagt! Die Löwenverleihung ist für die Erstsemester eine anstrengende Zeremonie. Sie knien auf Korkringen und müssen
Fragen beantworten, ihre Sangesfähigkeiten unter Beweis stellen sowie eine große Menge Bier vertilgen. Nach mehr als einer Stunde wird der aufstrebende Student durch den Finkenschlag mit einem Vakuumschlauch in den Rang eines "Grünfinken" erhoben und darf sich fortan als vollwertiger Chemiestudent betrachten.
Taufe im Keller Die Chemiker sind jedoch nicht die einzigen, die ein vielfältiges Brauchtum vorzuweisen haben. Bereits 1955 wurde die erste Geologenfahne angefertigt – eine Idee, die sich spätestens nach 1968 zu einer festen Tradition entwickelte, denn seit diesem Jahr besaß jedes Studienjahr eine eigene Fahne. Sie waren mit Aufnähern von Exkursionszielen versehen und trugen außerdem noch einen zugeschnittenen Wahlspruch wie etwa "mente et malleo" (mit Geist und Hammer). Benutzt wurden die Banner zum Beispiel während der Himmelfahrtstour der Geologen, während der es in den achtziger Jahren auch einmal zu einem Halt vor der Kreisdienststelle der Stasi gekommen sein soll, bei dem die Geologen lauthals "Die Gedanken sind frei" gesungen hätten. Heute ist diese Tradition eingeschlafen. Auch die Geologen feiern jedes Jahr ihren Fasching. Sie ziehen zwar nicht mehr wie früher am 11.11. durch die Stadt, doch der Fassanstich im Geologenkeller um 11.11 Uhr hat sich bis heute erhal-
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Der Sommer war natürlich auch Wassersportzeit. Durch die Lage an der Ostsee bildete sich eine Tradition heraus, die zwischen 1880 und 1890 verfestigt wurde. Die Korporationen erwarben Ruderboote und bereits in den zwanziger Jahren des folgenden Jahrhunderts war ein Segelboot für Verbindungen ein Muss. Die Bootsfahrten, die in erster Linie Rügen oder Vilm zum Ziel hatten, starteten und endeten in den Kneipen in Wieck. Zum eigentlichen Kult wurden die Bootsfahrten jedoch erst nach der Gründung des Akademischen SeglerVereins am ersten Juli 1908. Dieser etablierte die “Boddentaufe” für die Neulinge unter den Seefahrern. Die Teilnehmer einer Bootsfahrt erhielten Sektgläser um auf das Wohl des “alten Herrn Bodden” anzustoßen. Der Clou dabei: Der Neuling trank Boddenwasser, während die alten Hasen mit Sekt, Bier oder ähnlichen Getränken anstießen.
Die Geologentaufe gehört fest zum Repertoire der Greifswalder StudentenFoto: Geologenkeller traditionen. 27
Fortsetzung von Seite 27
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ten. Dabei kommt es dann auch immer zu einer besonderen "Vorlesung" bei der ein Dozent zu einem (nicht ganz ernst gemeinten) "bierernsten" Thema referiert. Dabei kann es dann auch mal vorkommen, dass Dekane mit Fässern oder Bundeskanzler mit Dinosauriern verglichen werden. Ohne Taufe wird niemand zum richtigen Geologen. Zu diesem erlauchten Kreis gehört erst, wer im Namen der Schutzheiligen der Bergleute, der Heiligen Barbara, getauft wurde, wobei früher ältere Studenten die Patenschaft übernahmen. Dass auch bei dieser Zeremonie eine nicht gerade kleine Menge Bier im Spiel ist, erklärt sich fast von selbst. Dadurch artete der Brauch allerdings zwischenzeitlich zum Gelage aus und musste 1979 mit einem neuen Inhalt gefüllt werden. Seitdem werden den Erstsemestern vom dritten Semester Aufgaben gestellt, die diese zu erfüllen haben. So mussten sie in einem Jahr auf der Entbindungsstation fragen, wer der jüngste Greifswalder sei. Um etwas ernstere Aufgaben geht es beim S.C.-Schlagen. S.C. steht hierbei für “saufus cumpanus”. Bei diesem Brauch, der von Berliner Geologiestudenten nach Greifswald gebracht wurde, stellt das vierte Studienjahr dem zweiten Aufgaben, die zum Beispiel daraus bestehen können, in Greifswald ein Stück Granit aufzutreiben und dieses zu behauen. Haben die Studenten ihre Aufgaben gemeistert, erhalten sie den S.C.-Schlag mit einem Hammer auf den Kopf, wobei sie natürlich einen Helm tragen dürfen. Die meisten dieser Traditionen sind während der DDR-Zeit trotz so mancher Widerstände entstanden. Gerne werden sie jedoch heute von Studenten aus Ost und West weitergeführt, damit sie sich mit ihrem Studienfach auch über die Vorlesung hinaus verbunden fühlen können. Außerdem bringen sie natürlich jede Menge Spaß. Auf den nächsten Seiten erfahrt ihr, wo es früher das beste Bier gab, weshalb es nicht ungefährlich war, einfach eine Vorlesung zu schwänzen und wie Ernst-Moritz Arndt zu einem unfreiwilligen Bad kam.
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Die belgische Band Sincere bei der vorletzten Clubs-U-Nite.
Foto: cla
“Clubs dieser Stadt, vereinigt euch!” So lautete das Motto, das vor nunmehr sieben Jahren zu einer der moderneren Studenten-Traditionen führte: Clubs-U-Nite. Niemand geringeres als der AStA selbst gehörte damals im Jahre 1996 zu den Initiatoren, vertreten durch das damals noch existente Kulturreferat. Einmal Eintritt zahlen und damit dann in alle Clubs kommen, wo Live-Bands und DJs für Unterhaltung sorgen – oh waoh. Das war das bis heute noch praktizierte Konzept. Doch nachdem die ersten zwei Veranstaltungen ein Minus einbrachten, zog sich der AStA baldig aus dem Club-Geschäft zurück, sodass seit 1997 die Clubs selbst die so beliebte “neue Tradition” leiten. Zweimal im Jahr (um den ersten Mai herum und in der ersten Oktoberwoche) ziehen nun alle Diskotheken der Hansstadt an einem Strang. Das Feedback ist durchaus positiv: Besuchten zu Beginn noch rund 600 bis 700 Leute das Ereignis, befinden sich die Clubs mittlerweile jedes Mal an ihren Kapazitätsgrenzen. Auch die Abstimmung zwischen den Veranstaltern (beteiligt sind der Mensa-Club, der C-9, der Geographen- sowie der Geologenkeller) klappt inzwischen besser. Anfängliche kleinere Reibereien wurden beseitigt und gerade die etwas kleineren Diskos verdienen vor allem durch die Getränkeverkäufe weit mehr als sonst. Wer dahinter aber ein rein kapitalistisches Kalkül wit-
tert, irrt: Die Einnahmen werden zur Deckung der Kosten verwendet und der erwirtschaftete Gewinn soll in naher Zukunft eventuell in gemeinnützige Projekte gesteckt werden. Auch dies ist sicher schon ein Grund, das Projekt zu untersützen. Silvio Zenk, letztes Gründungsmitglied des Mensa-Clubs, schildert das Ereignis so: “Man hat eine Heidenarbeit und der Mensa-Club macht prinzipiell eher ein Verlustgeschäft. Die Vorfreude ist aber jedes Mal groß und sind die Gäste zufrieden, sind wir es auch. Ein so großes Ding ist es einfach Wert, erhalten zu bleiben.” Wer will da widersprechen? Ganz so gemeinnützig ist die Angelegenheit dann natürlich auch wieder nicht, aber auch für unbekannte Bands und DJs, bietet die Party-Nacht eine gute Plattform. Auf Unbekanntheit der Akteure wird großer Wert gelegt, da sonst die bereits so gefragte Veranstaltung endgültig völlig überlaufen wäre. Wer sein musikalisches Können zum Besten geben will, kann auf den entsprechenden Homepages der Clubs Informationen einholen und letztenendes siegt dann wohl das Talent. Für Großstädter vielleicht schon Alltag, für Greifswalder Verhältnisse aber durchaus sehenswert. Alles in allem also eine Tradition, die dem studentischen Säufer- und Partyimage gerecht wird und vielleicht deswegen schon erhalten bleiben sollte. jmk moritz
Wo das Biertrinken noch heilig ist Kneipen, Studentenclubs und illegale Liederbücher Von Uli Kötter
Januar 2004
sondern auch ganz allgemein wurde studentisches Liedgut gepflegt – natürlich insbesondere in den Kneipen und Studentenclubs. Im Jahr 1956 regte die FDJ-Leitung anlässlich der 500-Jahr-Feier der Universität den Druck eines Liederheftes mit dem Titel "Ergo bibamus" (lat. "also mögen wir trinken") an. Es enthielt ausschließlich traditionelle Studentenlieder und
Grundausstattung für Studenten: Bier und “blauer Würger”. Foto: Mensaclub
entging nur durch das Weltjugendlied der Zensur. Ab Mitte der fünfziger Jahre entstanden in Greifswald sogenannte Studentenzirkel, die das gesellige Beisammensein von Studenten und Lehrenden nicht ganz so regelgeleitet wie die Verbindungen auffassten, aber durchaus auch Biermessen zelebrierten und vor allem das Liedersingen kultivierten. Feten oder zum Beispiel die Faschingsfeier waren dazu immer ein guter Anlass. Eigene Fakultätslieder oder auch politisch-
satirische Lieder entstanden, die in einem eigenen Liederbuch 1963 illegal veröffentlicht wurden. Mit der Lockerung der Zensur Ende der siebziger Jahre wurde 1985 erneut ein Greifswalder Studentenliederbuch herausgegeben, in das nunmehr bewußt traditionelle Studentenlieder einflossen. Der heutige "blaue Würger" ist ein blauer A6-Hefter und enthält sowohl die traditionellen Studentenlieder als auch die Greifswaldtypischen. Der Name bezieht sich auf einen DDR-Schnaps der etwas härteren Machart. Innerhalb der letzten 10 Jahren ist der Hefter mehrfach ergänzt und überarbeitet worden und ist daher an einigen Stellen vom Kopieren unleserlich geworden. Im Mensaclub sind zur Zeit keine blauen Würger mehr erhältlich, man will ihn aber bis spätestens Ende April dieses Jahres komplett überarbeitet haben. Womit wir beim eigentlichen Zweck des "Würgers" wären: Er darf nämlich weder auf einer Biermesse noch beim traditionellen Maifest fehlen. Biermessen wurden zu allerhand Anlässen zelebriert: zu Geburtstagen eines altgedienten Clubmitglieds oder auch einfach reihum in den Studentenclubs. Die "Jünger" versammeln sich mit einem Glas Bier und einer Kerze in der Hand um den Priester, der mit bedeutungsvoller Stimme fragt: "Seid ihr bereit, die heilige Messe des Bieres zu lesen?" Der kollektiven Antwort "Sumus!" folgt das Entleeren des Glases. Gerade das "Reihum-Feiern" ist in letzter Zeit verloren gegangen, aber der Mensaclub möchte diese Tradition gerne wiederbeleben. Wer Akkordeon oder Gitarre spielt und damit das gesangliche Rahmenprogramm der Biermessen gestalten
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In Greifswald kann man auf eine lange studentische Kneipentradition zurückblicken. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zählte man über siebzig Gasthöfe und Kneipen, von denen ein großer Teil regelmäßig von Studenten besucht wurde. So war die Domburg in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts das Studentenlokal schlechthin und lud durch allerlei originelle Ausstattung zum Bleiben ein. Aber auch ein Ausflugslokal in Wieck mit dem dazugehörigen Bratbarsch erlangte Berühmtheit. Die Jahre 1933 und 1949 gingen an den meisten Kneipen relativ spurlos vorüber, doch in den folgenden zwanzig Jahren schlossen mehrere der Traditionskneipen. Nicht nur die staatliche verordnete Abkehr von studentischen Traditionen, sondern vor allem die Neugründungen der "Clubs" waren hierfür verantwortlich. In Wohnheimen oder Institutsgebäuden wurden zum Beispiel 1962 der Geologenkeller, 1970 der Geographenkeller oder 1978 die "Kiste" gegündet. Die jeweiligen Studenten der Fachrichtung oder Bewohner der Heime organisierten nicht nur Tanzabende sondern auch Vorträge und Gesprächsrunden. Der neue Mensakeller wurde ab 1976 vom FDJStudentenclub geführt. Insgesamt standen FDJ und Universität den Clubs positiv gegenüber. Nach der Wende entging zum Beispiel der ehemalige Mensakeller dem allgemeinen "Clubsterben" mangels Geld durch eine Neugründung mit Unterstützung des AStA. Die erste "Tanzveranstaltung" fand im Juli 1993 statt. Anfängliche Startschwierigkeiten sollten mit der Zeit durch ein gemischtes Programm überwunden werden. Nicht nur in den Verbindungen,
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will, möge sich im Mensaclub melden.
Fröhlich in den Mai Viel zu trinken gab es auch stets in der Nacht zum ersten Mai. Bei der Begrüßung des Wonnemonats haben die Greifswalder Studenten eine eigene Tradition entwickelt. In der Nacht des 30. April kurz vor Mitternacht ziehen sie singend mit Kerzen und gefüllten Biergläsern in der Hand über den Wall, im
tes "Es, es, es und es ist ein harter Schluss, weil, weil, weil und weil ich aus Greifswald muss." Eine ernstzunehmende Warnung, dass irgendwann das Studentenleben ein Ende hat und man noch früher aufstehen muss. Da es vorerst aber noch nicht so weit ist, ziehen alle, die nach dem Ende dieses Rituals noch nicht genug haben, mit dem alten Herrn Mai zusammen in den Mensaclub um dort weiterzufeiern. Und wer nach der durchfeierten Nacht am nächsten Morgen nicht verschläft,
Auch Stiefeltrinken ist eine alte Tradition in Studentenkreisen
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Schlepptau ein Fass auf einem begrünten Wägelchen. Wenn vom nahen Dom der zwölfte Glockenschlag erklungen ist, erscheint der alte Herr Mai höchstpersönlich, um die Greifswalder Studierenden zu begrüßen. Mit einem Gedicht rät er ihnen zur Flucht aus den staubigen Archiven und Bibliotheken. Das klingt überzeugend, da der Professor, der den Herrn Mai spielt, es ja wissen muss. Nachdem die Versammelten gelobt haben, diesem Rat zu folgen, wird dem alten Herrn Mai zu Ehren die Biermesse gelesen: "Seid ihr bereit, mit mir die heilige Messe des Bieres zu lesen?", fragt der Vorsänger singend die Menge. “Sumus" singt es zurück. Und nachdem ihm die Runde versichert hat, dass "die Kerzen angezündet" und "der Stoff präparieret" ist, wird das Bier in den "sieben heiligen Zügen" geleert. Die alte Tradition sich den Rest des Bieres über den Kopf zu schütten hat sich verloren. Danach werden viele, viele Lieder gesungen, als letz30
Foto: nogo
der geht auch noch zum traditionellen Maikloppen. Was hier so brutal klingen mag, fand im Elisenhain bei Eldena statt. Am Nachmittag des 1. Mai ging es zu Fuß, per Rad oder Bahn in das Wäldchen, wo sich zur damaligen Zeit ein Lokal befand. Dort spielte stets eine Kapelle Studentenlieder und zum Höhepunkt das Mailied ("Der Mai ist gekommen"). Nach dem Genuss des einen oder anderen alkoholischen Getränks begleiteten die versammelten Studenten dies, indem sie mit ihren Spazierstöcken den Takt des Liedes mit allen Kräften auf den Holztischen mitschlugen. Bei diesem Maikloppen entstand nicht nur ein ohrenbetäubender Lärm, es gingen auch viele Gläser und Tische zu Bruch, die den Studentenschaften anschließend in Rechnung gestellt wurden. Dass der Alkohol im Leben des Studenten stets eine zentrale Rolle spielte und spielt zeigt sich auch in einer Tradition des Akademischen Turnvereins. Es handelt sich dabei um die “Fuxtaufe”.
Dieser Aufnahmebrauch wurde mit viel Bier vollzogen und lässt sich in Greifswald bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Bei der Taufe, die unter Anwesenheit eines Bierpastors und Chorknaben vollzogen wurde, bekam der Neue einen Kneipnamen wie zum Beispiel “Klappe” für einen Vielredner oder “Schlot” für einen Raucher. Während der Zeremonie wurde der Täufling von einer männlichen Amme mit Gerstensaft gesäugt, während der Burschenrat den “Biernamen” auswählte. Zum Abschluss predigte der Bierpastor zu einem Vers aus der Bierbibel. Vers 11 lautet etwa: “Es wird fortgesoffen.”
Für alle Neulinge der Text der Biermesse: Seid ihr bereit, mit mir die heilige Messe des Bieres zu lesen? Sumus! Sind die Kerzen angezündet? Sumus! Ist der Stoff präparieret? Sumus! In wie viel heiligen Zügen soll das Bier geleeret werden? In den sieben heiligen Zügen! So setzet an. Eins-zwei-drei-vier, oh wie mundet uns das Bier! 5 – 6 – 7 – Ist auch keine Nagelprobe drin geblieben? Die Zicke, die Zacke, die Hoi! Hoi! Hoi! Greifswalder Studenten sind immer dabei. Die Zicke, die Zacke, die Hoi! Hoi! Hoi! Greifswalder Studenten sind immer dabei. Aber eins, aber eins, das ist gewiss: Die Greifswalder ist der letzte Schiss! Aber eins, aber eins, das bleibt bestehn: Die Greifswalder Uni wird nie untergehn! So sei es auch mir gestattet, einen Fetzen aus dem Stoffe zu reißen! Sumus! 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – Ist auch keine Nagelprobe drin geblieben? Die Zicke, die Zacke, die Hoi! Hoi! Hoi! Greifswalder Studenten sind immer dabei. Die Zicke, die Zacke, die Hoi! Hoi! Hoi! Greifswalder Studenten sind immer dabei. Aber eins, aber eins, das ist gewiss: Die Greifswalder ist der letzte Schiss! Aber eins, aber eins, das bleibt bestehn: Die Greifswalder Uni wird nie untergehn. moritz
Physik einmal anders: Das Bierpraktikum
Wer sagt, Physik sei langweilig? ratoren. Möbius, Rutherford oder Milikan waren längst vergessen, Professoren hat nichts mehr zu sagen – jetzt regierten Stralsunder und Lübzer. Ja, ja, bei den Physikern geht es wilder zu, als man annehmen sollte. Knallharte Burschen. Letztlich erscheint ihr Aussterben dann doch in einem ganz anderen Licht... Zu Tode lernen? Tödlich langweilig? Also bitte! Bis zum Schluss den Bilderbuchstudenten mimen, das ist die Devise. Und allein dafür müssen wir sie doch schon lieben, unsere Physiker. Da bleibt nur noch zu sagen “Prost!” jmk
Das Statut des Bierpraktikums: § 1 Dem Bierpraktikum stehen die Persönlichkeiten “Herr Präsident” und “Herr Fuxmajor” vor. § 2 Das Präsidium ist unantastbar ! § 3 Der Herr Fuxmajor hat immer Recht ! Im Zweifelsfalle entscheidet der Herr Präsident zugunsten des Herrn Fuxmajors. § 4 Beim Betreten sowie beim Verlassen des Raumes hat man sich beim Herrn Fuxmajor an beziehungsweise abzumelden. § 5 Anträge, Bemerkungen und sonstige Obliegenheiten sind nur über den Herrn Fuxmajor einzubringen. § 6 Zutrittsberechtigt sind alle Mitglieder des Institutes für Physik sowie geladene Gäste. Frauen sind geduldete, ansonsten jedoch stimmlose Gäste. § 7 Einzig zugelassenes Getränk ist der edle Gerstensaft, für dessen ausreichendes Vorhandensein der Kommilitone “Stoffepräparator” zu sorgen hat. § 8 Jeder Teilnehmer hat ein dem hohen Anlaß entsprechendes Benehmen an den Tag zu legen. § 9 Die Sitzung wird geschlossen, wenn alle Flaschen umgefüllt sind. § 10 Bei Zuwiderhandlungen haben sich die betreffenden Kommilitonen einem Strafex zu unterziehen, welches als Auszeichnung betrachtet werden darf.
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Auch unsere so beliebte Rasse der Physiker, welche seit Jahren schon vom Aussterben bedroht scheint, beteiligt sich an den studentischen, lang etablierten Traditionen dieser schönen Stadt. Unsere EinsteinJuniors haben sich das deutsche Vorzeigeprodukt Nummer 1 zum Untersuchungsgegenstand gemacht: Das Bier! Bis in die Mitte der 50er Jahre reicht die Tradition des "Bierpraktikums" zurück, Zeiten in denen man noch wusste, wie man ein anständiges Fest zu zelebrieren hatte. Wie jedes Jahr öffnete der Physikerball seine Forten und ihm wurde natürlich in Form eines dezenten Saufgelages Tribut gezollt. Nach einer durchzechten Nacht also, regiert von Freund Bier, stand am nächsten Tag wieder der bittere Alltag an, ja sollten die Naturwissenschaftler am nächsten Tag doch tatsächlich Experimente für das große Praktikum durchführen. Hallo!?! Unsere ehrgeizigen Freunde hatten noch eine Nacht zuvor geholfen, das Party-Klischee des jungen Studenten weiter zu etablieren und sollten nun um ihren verdienten Schlaf gebracht werden? Also so geht es ja nun nicht, sagte man sich, denn niemand der müden Vorzeigestudenten sah nach diesem Löwendienst an der Gesellschaft ein, noch zu arbeiten. Weshalb denn auch? Und dann kam sie, die glorreiche Idee das naturwissenschaftliche in ein Bierpraktikum umzuwan-
deln. Alle waren natürlich begeistert und, gesagt getan ward der Saal bevölkert von zarten Bierbuddeln anstelle von knallharten Kondensatoren oder hammerharten Gene-
Januar 2004
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Knast für Vorlesungsschwänzer Als Bestrafung für ungezogene Studenten gedacht, entwickelte sich der Karzer bald zur Kultstätte / Von Silke Bode Wenn am Montagmorgen der Wekker schrillt, wer bliebe da nicht gerne liegen? Weil das Bett viel zu warm, die Nacht viel zu kurz war und der Prof sowieso nicht merkt, dass man fehlt? Heute kein Problem, aber vor 200 Jahren etwa hätte man dafür im Gefängnis landen können. Denn damals gab es noch den berühmt-berüchtigten Studentenkarzer unter dem Dach des UniGebäudes in der Rubenowstraße. Noch heute ist eine der Zellen erhalten und um die Bilder und Sprüche, die jeden Zentimeter der Wände bedecken ranken sich viele Legenden.
Disziplinarstrafen
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Entstanden ist der Karzer in der Gründungszeit der Universität. Bis 1835 hatte sie noch die volle Gerichtsbarkeit über ihre Angehörigen. Danach war sie nur noch für Disziplinarstrafen zuständig. Da nicht immer nur die Studenten zu den Unruhestiftern gehörten, richtete man zusätzlich einen Magisterkarzer ein, in dem zumindest einmal ein Pastor wegen Ehebruchs saß. Besonders heiß her ging es am Anfang des 19. Jahrhunderts, als im Zuge der Restauration nach dem Wiener Kongress die Bewegungen, die Demokratie und Einheit forderten, unterdrückt wurden. Viele Mitglieder fortschrittlicher Studentenvereinigungen saßen monatelang in Untersuchungshaft. 1835 verurteilte das Berliner Kammergericht 15 Greifswalder Studenten sogar zum Tode, 53 weitere bekamen Freiheitsstrafen von bis zu 30 Jahren. Die Todesurteile wurden jedoch nie vollstreckt und die meisten Häftlinge kamen fünf Jahre später mit dem Amtsantritt des preußischen Königs Friedrich Willhelm IV. wieder auf freien Fuß. 32
Auch Rekordhalter Buby Bliedung durfte sich auf der Wand verewigen Foto: Uni-.Archiv
Später sah man das alles etwas lokkerer. Im Gegenteil, man konnte sich als Student sogar damit brüsten, wenn man einmal eine Zeit im Dachgeschoss an der Rubenowstraße verbracht hatte. Unter den verschiedenen Verbindungen entwickelte sich ein regelrechter Wett-
streit, denn schließlich wollte keine hinnehmen, dass ihr Wappen noch nicht an der Wand prangte. Wenn es in diesem Wettkampf einen Sieger gibt, so dürfte dies der Medizinstudent Buby Bliedung sein, der es fertig brachte, elf Mal in zwei Jahren einzusitzen. moritz
Gründe für eine Haft waren im Studentenalltag schließlich schnell gefunden: Nächtliche Unruhen aufgrund hohen Alkoholgenusses dürften wohl die Mehrzahl der Vergehen darstellen, aber auch Glücksspiel, Umgang mit "liederlichen Weibsbildern" oder vermeintliche Nichtigkeiten wie das Baden an nicht polizeilich genehmigten Plätzen standen auf der Verbotsliste. Wer seine Vorlesungen schwänzte, durfte ebenfalls mit Haft rechnen. Gäbe es also heute noch die Universitätsgerichtsbarkeit, so wären vermutlich entweder die Karzerzellen oder die Hörsäle überfüllt. Besonders beliebt, aber verboten war auch das Duellieren. Einer der es dabei besonders wild trieb, war Otto Stange. Er verletzte seine Gegner lebensgefährlich und saß dafür 14 Tage lang in Isolationshaft.
Ansonsten war die Karzerordnung äußerst "studentenfreundlich": Tagsüber durfte der Häftling Besuch empfangen und sogar Ausgangszeiten wurden gewährt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte schon der Haftantritt Volksfestcharakter: Wurde einer der ihren zu einer Karzerstrafe verurteilt organisierten die Burschenschaften wilde Umzüge mit maskierten Bierrichtern und blutbeschmierten, äxteschwingenden Henkern, die den, gefesselt in einem Käfig thronenden Häftling zu seinem Gefängnis geleiteten. Ein Großereignis, an dem ganz Greifswald Anteil nahm: Schnell schlossen sich Schulkinder und Schaulustige dem Spektakel an. Und apropos "armer" Häftling: In einem Fall schickten Professorenfrauen, die die Szene beobachtet hatten noch am selben Tag erste Ladungen voller Wein, Zigaretten,
Ziel jeder Verbindung: Eine Inschrift auf der Karzerwand. Kuchen und Schokolade. Kein Wunder also, dass Studenten in dieser Zeit nicht mehr von Haft, sondern von einem "fidelen Aufenthalt im Hotel zur akademischen Freiheit mit einem Pedell als Portier" sprachen. Bei einem Studenten setzte der Alkoholgenuss im Karzer 1837 anscheinend unerwartete Kräfte frei: Betrunken gelang es, ihm die Tür zu zerschmettern und zu fliehen. Bei einem derartig geringen Erziehungseffekt scheint es nicht verwunderlich, dass seit 1870 die Abschaffung der Karzerhaft diskutiert wurde. Im strengen Preußen hielt man dennoch lange an der Tradition fest. 1914 schließlich verließ der letzte Häftling den Greifswalder Karzer. Heute ist er jeden Montag zwischen 13 und 15 Uhr für Besucher geöffnet.
Manch eine Inschrift im Karzer gibt Rätsel auf. Januar 2004
Bismarck am Greifswalder Karzertisch? Auf einem Tisch eingeritzt ist die Signatur “v. Bismarck” zu lesen und immer wieder rätseln Besucher: Verbrachte etwa auch Otto von Bismarck einige Nächte im fidelen Gefängnis? In der Tat wohnte der spätere Reichskanzler Bismarck ein Jahr in Greifswald, und war, wenn man den Aufzeichnungen eines Nachtwächters Glauben schenkt, an nächtlichen Unruhen nicht ganz unbeteiligt. Dennoch ist es wahrscheinlicher, dass es sich bei dem Karzerhäftling um einen Namensvetter handelt, da Bismarck selbst bei der Armee stationiert war und daher der Militärgerichtsbarkeit unterstand.
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Süßigkeiten und Alkohol für Häftlinge
Fotos: Uni-Archiv
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Die Investitur Wahl eines Oberhauptes nach eigener Verfassung Von Kai Doering und Uli Kötter
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“Investitur” ist einem eher als kirchliche Vokabel geläufig, bedeutet es doch heute die feierliche Amtseinführung eines Pfarrers. Aber die Universität hat ihre eigene Welt und neben politischen Gremien wie dem Senat, dem eben keine Stadt wie Hamburg sondern die Uni “untersteht”, gibt es auch die eigene Investitur, womit die feierliche Amtseinführung des Rektors gemeint ist. Bis vor 70 Jahren gehörte die Investitur zu den alljährlichen Festveranstaltungen: Der Rektor wurde für jeweils ein Jahr gewählt, wobei auf den jährlichen Wechsel der Fakultäten, die den jeweiligen Rektor stellte, geachtet wurde. Dies gelang nicht immer, wie ein Blick auf die Liste der Würdenträger zeigt. Der Rektor wird laut Universitätsverfassung vom Senat gewählt und kann so durchaus eine zweite oder auch dritte Amtszeit erhalten. Durch die Überschaubarkeit der Uni in früheren Jahren konnte sich jeder Professor ausrechnen, wann er das höchste Amt bekleiden würde. In den ersten hundert Jahren der Universität wechselten die Rektoren halbjährlich, und zwar jeweils ab dem 18. Oktober – also einen Tag nach dem Gründungsdatum. Ab 1554 führte man den jährlichen Wechsel ein. Im Dritten Reich wurden dreijährige Amtsperioden geschaffen, nach 1945 zunächst zweiund dann auch wieder dreijährige. Dies bedeutete für den Senat, der einen unfähigen Rektor sonst alsbald wieder abwählte, einen herben Machtverlust.
Bruch mit der Tradition Die Situation der Rektorinvestitur Anfang letzten Jahres war ungewöhnlich: Nachdem der seit zwei Jahren amtierende Rektor HansRobert Metelmann im Herbst '02 34
ins Bildungsministerium berufen wurde, führte Prorektor Jörg Ohlemacher kommissarisch die Amtsgeschäfte während ein fieberhafter Wahlkampf entbrannte. Am 8. Januar '03 wurde der Psychologieprofessor Rainer Westermann vom Konzil zunächst als rector electus gewählt und schließlich am 31. Januar investiert.
der Senat an der Spitze und die Gäste im Gefolge. Nach der Abschiedsrede des scheidenden Amtsinhabers – in diesem besonderen Falle des kommissarischen – begann die eigentliche Investitur: Die Zeremonienmeisterin überreichte Rainer Westermann Talar, Goldring und Goldkette, die traditionellen Amtsinsignien des Rektors. Ehemaliger und Frisch-Investierter zeigen sich mit den Pedellen dem “Volk”. Der Bildungsminister wird zum Pult gebeten, um mit der Übergabe der Ernennungsurkunde den staatlichen Teil zu vollziehen. Es folgt die Ansprache des neuen Rektors, in der traditionell die Opfer der Universität gegenüber dem jeweiligen Zeitgeist beleuchtet werden. Der dreifache Schlag der Zeremonienmeisterin als Signal für den Auszug beendete die Investitur. An ein Gruppenfoto des neuen rector dominus magnificus mit seinen Amtsvorgängern schließt für gewöhnlich ein Fackelzug und Freibiertrinken an; letztes Jahr gab es – wohl den besonderen Umständen geschuldet – Unter den Talaren... – der frisch wählte nach Geleit durch eine Rektor anläßlich der 450-Jahr-Feier. Foto: UA Gruppe Studenten lediglich einen Empfang für geladene Gäste im Krupp-Kolleg.
Am Vorabend der Investitur feierte man im Dom den ökumenischen Investiturgottesdienst, womit die enge Verbundenheit der Uni mit der Kirche demonstriert wird. Um kurz nach 10 Uhr des 31. Januar schlug die Zeremonienmeisterin drei Mal mit ihrem Stab auf die Schwelle der Aula. Damit setzte sich der Zug in Bewegung: der rector electus, der Bildungsminister und ehemalige Rektor Metelmann sowie
Das Vermächtnis der pommerschen Herzöge Die Pedelle – heute Rollenspieler – waren bis vor hundert Jahren bittere Realität für die Studenten. Sie überwachten zepterbewehrt die Vorlesungen oder versorgten die Delinquenten in der Karzerzelle. So manches Zepter soll im Einsatz zerbrochen sein. moritz
Haus des neuen Rektors. Zusammen mit Amtsinhaber und Nachfolger zog die Gruppe zum Markt, wo zum Abschluss mit dem einen oder anderen alkoholischen Getränk auf das Wohl des Scheidenden und auf eine glückliche Führung des Neuen angestoßen wurde. Wie es sich gehört, übernahmen natürlich die beiden Geehrten die Kosten. Die besondere Ehrung durch Fackelzüge ist beinahe so alt wie die Universität selbst und wurde auch 1807 Schwedenkönig Gustav IV. Adolf und dem preußischen Herrscher Friedrich Wilhelm IV. 1843 zuteil. Auch Bismarck und siegreiche Schlachten wurden mit Umzügen gefeiert. Fackelzüge waren Höhepunkte im Leben der
Neue Mäntel braucht das Land: Die Designerin Martina Ziegenthaler (3. v. l.) mit Rektor, Prorektor und den fünf Dekanen. Foto: Kustodie Tradition, konnten sie doch damit eindrucksvoll ihre wiedererlangte Unabhängigkeit demonstrieren. Der Greifswalder Rektortalar wurde – europaweit einmalig – 1998 von einer bayrischen Künstlerin neu gestaltet, die Mäntel der Dekane folgten letztes Jahr.
Mit Fackeln geehrt Die Fackelzüge waren stets wichtiger Bestandteil und Ausklang der Rektorinvestitur. Eine Abordnung von Studenten zog in einer vorher festgelegten Reihenfolge mit Fackeln ausgestattet vom Hauptgebäude zum Haus des scheidenden Rektors. Hier wurde eine Rede über dessen Verdienste gehalten und anschließend ging es weiter zum Januar 2004
Greifswalder und wurden in der Stadt gerne gesehen. Nach dem zweiten Weltkrieg blieb das Brauchtum der Fackelzüge lebendig. Als erstem Rektor soll Gerhardt Katsch im November 1954 ein Fackelzug gebracht worden sein. Ende der sechziger Jahre büßten die Umzüge an Popularität ein. Erst 1979 war das allgemeine Klima in wieder besser und es wurde ein Umzug aus Anlass der Rektorinvestitur durch die FDJ-Hochschulgruppe organisiert. Seitdem ist die studentische Ehrung für scheidende und neue Rektoren wieder allgemein üblich. Bei der Investitur im Jahr 1990 dominierten dann allerdings statt der so oft missbrauchten Fackeln friedlicher anmutende Lampions.
Fast schon Tradition? Die Debatte um einen problematischen Namensgeber
Seit dem Juni 1933 ist unsere Universität nach Ernst Moritz Arndt benannt, nach 1945 wurde der Name inoffiziell aufgehoben, dann aber doch 1954 wieder eingeführt. Erst acht Jahre nach der Wiedervereinigung griff ein kritischer Artikel in der ZEIT das Thema auf und als die Bild-Zeitung im März 1999 nachzog, mündete die Debatte in einem Kolloquium an unserer Uni im Juni 2001, das als vorläufiger Endpunkt betrachtet werden kann. Das Ergebnis war, dass der Name bleibt, auch wenn durchaus noch Diskussionsbedarf besteht. Wer ist eigentlich dieser Ernst Moritz Arndt und wie kam es zu der Namensgebung? Beide Fragen sind im weitesten Sinne geklärt. So kann man zum Leben des gebürtigen Rüganers einige Fakten aufzählen und dabei feststellen, dass die Verbindung Arndts mit Greifswald kurz und “heftig” war. Arndt studierte von 1791 – 1793 nach eigenen Angaben recht lustlos Theologie in Greifswald, machte 1796 sein theologisches Examen und erwarb schließlich 1800 mit der Magisterprüfung an der Philosophischen Fakultät eine Lehrberechtigung. 1806 zum außerordentlichen Professor ernannt, floh Arndt noch im selben Jahr vor den anrückenden Truppen Napoleons nach Schweden. 1810 kehrte Arndt nach Greifswald zurück, ließ sich jedoch schon ein Jahr später wegen seiner Kritik an dem napoleonischen Herrschaftssystem von seiner Lehrtätigkeit entbinden. Er ging nach Rußland, pamphletierte für die deutsche Freiheitsbewegung und siedelte schließlich im Herbst 1817 nach Bonn um, wo er bis zu seinem Tod im Januar 1860 lebte. Arndts Werke sind zum Teil Reisebeschreibungen, Gedichte über die Rügener Heimat oder auch selbst verfasste Kirchenlieder. Aber erst die politischen Lieder und poli-
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Ein Talar als Vorläufer des Rektormantels, die Zepter und ein Barett als Amtsinsignien sind schon aus der Gründungszeit der Universität überliefert. Sie alle waren Stiftungen des pommerschen Herzoghauses. Der letzte Nachfahre Ernst Bogislaw von Croy vermachte der Universität 1681 neben dem berühmten Croy-Teppich auch den herzöglichen Siegelring und die goldene Kette. Als im Jahr 1968 die dritte Hochschulreform in der DDR und die 68er-Bewegung in Westdeutschland Investituren allgemein als reaktionär verdammten, verschwanden Talare und Zepter in den Schubläden. Mit der Wende 1990 besannen sich zuerst die ostdeutschen Universitäten der alten
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tischen Abhandlungen boten und bieten den Anlass, über Arndt kritisch zu reflektieren. Arndts deutscher Nationalgedanke, den er eng mit dem Freiheitsgedanken verknüpft, beinhaltet unter anderem einen latenten Hass auf andere Volksgemeinschaften, insbesondere auf die Franzosen und die Juden. Ob die Entscheidung zur Namensgebung 1933 auf starkes Bestreben der Nationalsozialisten fiel oder eine Idee antirepublikanischer Kreise war, die Arndts monarchistische Vorstellungen hervorhoben, ist ebenso umstritten wie die Vorgänge im Jahr 1954. War es die überwiegend konservative Professorenschaft, die 1954 die offizielle Wiedereinführung des Namens forderte und durchsetzte oder passten Arndts Kampfschriften gegen die
Medaille mit mehr als zwei Seiten: Ernst Moritz Arndt
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Leibeigenschaft und seine Verbindung zum russischen Volk in die Konzepte der DDR-Führung? Als zentrales Problem stellt sich also abschließend heraus, dass sich Arndts Werke scheinbar gut eignen, “zurechtgebogen” zu werden. Eine einheitliche Rezeption gibt es nicht; inwieweit seine politischen Werke schon damals unzeitgemäß waren oder doch in den Strom des aufstrebenden Nationalbewußtseins passen, bleibt umstritten. Doch die Universität steht mit ihrem Problem nicht alleine da: In Remscheid lief eine 2-1/2-jährige Namensdiskussion des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums zwar hitzig ab und brachte dann doch kein Ergebnis. Im Mai 1995 versenkte in Solingen eine “Aktionsfront ErnstMoritz-kann-nicht-schwimmen” eine kürzlich enthüllte Büste des Literaten in der Wupper. UK
Atmosphäre wie Oxford gegen Cambridge Eine Universitäts-Tradition jüngeren Datums ist das Alumni-Fest, das seit 1995 an jedem zweiten Samstag nach Pfingsten stattfindet. moritz sprach mit dem Schatzmeister des "Vereins der Freunde und Förderer der Ernst-Moritz-Arndt Universität", Justus Allmann, über die Hintergründe des Festes. moritz: Was bedeutet eigentlich Alumni? Justus Allmann: Alumnus kommt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie Zögling. Die Alumni sind damit die ehemaligen Studenten der Ernst-Moritz-Arndt Universität. Ist das Fest also nur für die Ehemaligen gedacht? Nein, natürlich nicht. Die Idee, die hinter dem Fest steht, hatte zwar Ehemaligentreffen an amerikanischen Universitäten wie Harvard im Blick, doch sollen diese in Greifswald auch für aktuelle Studenten offen sein. Natürlich möchten wir besonders Ehemaligen die Chance geben, sich zu treffen und einen Einblick in das aktuelle Uni-Leben zu bekommen. Unser Ziel ist aber auch, ehemalige und aktive Studenten zusammenzubringen. Wie läuft dann das Fest ab? Es gibt eigentlich kein festes Schema. Seit dem ersten Alumni 1995 sah das Fest jedes Jahr ein wenig anders aus. Normalerweise erstreckt es sich jedoch über einen Tag. Am Vormittag findet eine Verleihung akademischer Grade statt. Nachmittags hatten wir schon
die verschiedensten Angebote. So fand zum Beispiel bereits zwei Mal ein Ruderwettkampf zwischen den Unis von Rostock, Stettin und Greifswald auf dem Ryck statt. Da hatten wir beinahe eine Atmosphäre wie bei Oxford gegen Cambridge. In einem Jahr gab es auch einen Festumzug durch die Innenstadt. Ein schwedisches Mitglied des AStA hatte dann vor einigen Jahren die Idee zu einem “Tag der studentischen Initiativen”, der in das Fest integriert wurde. Hier konnten sich dann alle universitären Gruppen präsentieren. Wer hatte überhaupt die Idee für das Alumni? Soweit ich weiß, kam die Idee ursprünglich von Frau Schütt (Leiterin des Instituts für Immunologie und Transfusionsmedizin, Anm. d. Red.) und Herrn Conrads. Sie wurde vom damaligen Rektor Herrn Kohler gerne aufgenommen und von einem Organisationskomitee um den AStA, Vertreter der Stadt und des Kulturamtes, einiger Fakultäten und des Fördervereins in die Tat umgesetzt. Und diese Gruppe organisiert Alumni immer noch? Nein, leider schlief das Fest, das in den ersten Jahren durchaus erfolgreich war und angenommen wurde, nach dem Rektor-Wechsel von Herrn Kohler zu Herrn Metelmann ziemlich ein. Die Arbeit wurde für zwei Jahre unterbrochen und das Fest fand mehr im Rahmen eines Empfangs Ehemaliger durch den Rektor statt. Als in diesem Jahr jedoch das Wohnheim in der Fleischerwiese sein 50jähriges Bestehen feierte, war dies der Anlass, auch Alumni als Fest wiederzubeleben. Durch die Fleischerwiese gab es eine Initialzündung. UK
Beinahe Oxforder Verhältnisse herrschten bei der Ruderregatta während Foto: Uni-Archiv des Alumni 1996 36
moritz
feuilleton
Musik: Michael Jackson / Libertines / Twilight Singers / Beautiful South / Kelis Kino: Renaissance des Splatter-Horrors / Honey / The Last Samurai Literatur: Russische Dichter / O’Nan / Woodward / Kastner
Politik: 11. September Porträt: John Ronald Reuel Tolkien Arvids Kolumne: “Realität interessiert mich nicht” Computer Games: Prince Of Persia Radio 98eins / Kreuzmoritsel / Friedhelm Januar 2004
feuilleton
Theater: Ladies Night
kino
“The Last Samurai“
Fernöstliches ActionKino mit Anspruch
Honey Daniels (Jessica Alba) in Zivil...
A taste of “Honey” Ein moritz-Extratest / powered by Cine Star Greifswald Wer Filme mochte wie Center Stage, Coyote Ugly und vor allem Save The Last Dance, der kann auch getrost zu Honey gehen – und wird seinen Spaß haben. Als HipHopTanzfilm im Videoclip- Style erhebt er zwar keinen Anspruch auf anspruchsvolle Denkleistungen, aber das ist wohl von vornherein klar. Honey lebt stattdessen von seiner tuffigen Hauptdarstellerin, den in einen coolen Soundtrack gebetteten Tanzszenen und etlichen Gastauftritten von HipHop-Größen wie Jadakiss, Tweet, Ginuwine und der überaus witzigen Missy Elliott. cla
feuilleton ...und in, äh, Ausgehklamotten. 38
Ein typisches, amerikanisches Ghettomärchen. Sie trifft ihren Traummann, tut das, was sie am besten kann, nämlich tanzen und holt nebenbei noch ein paar Kinder von der Straße. Banal aber nett verpackt. Jessica Alba in der Rolle der Honey Daniels lässt so manches Männerherz höher schlagen. Zudem geben sich die Stars des Hip Hop die Klinke in die Hand. Aber auch unmusikalische Kinogänger werden auf ihre Kosten kommen. enna Mir hat Honey gefallen. Schon mit dem Vorurteil "flache Story" habe ich den Kinosaal betreten und meine Meinung hat sich danach auch nicht geändert. Denn eigentlich ist die Geschichte wirklich lasch und wurde schon zigmal in anderen Filmen verwendet, doch irgendwie war der Film doch richtig gut. Vielleicht liegt es an der leichten Kost des Themas, vielleicht an der Musik oder vielleicht sogar an der Besetzung – ich weiß es nicht. kat Warum tut man(n) sich solchen Unsinn im Kino an? Der Grund heißt Jessica Alba, hat ein süßes Gesicht, wallende braune Locken und einen Millionen-Dollar-Body. Der Film ist unterirdisch und die Schauspielkunst der Schönen zum Davonlaufen, doch Baywatch hat man sich damals auch nicht wegen der Handlung angeschaut. nogo
Es gab in den letzten Jahren wenige Filme, die Anspruch mit Unterhaltung verbanden und nach deren Besuch man zudem einige Zeit brauchte, um das Gesehene angemessen zu verarbeiten. Natürlich bewertet jeder Kinobesucher für sich selbst, woran er diese Empfindungen festmacht. In The Last Samurai gehen eine interessante Geschichte, eine gute Leistung internationaler Schauspieler und eine stimmige Komposition aus Bildern und Musik Hand in Hand mit dem Willen der Produzenten, das Aufeinandertreffen zweier Kulturen unvoreingenommen auf Zelluloid zu bannen. Regisseur Edward Zwick dokumentiert den Anbruch der Moderne im Japan des 19. Jahrhunderts durch die Geschichte zweier Männer, die nichts weiter verbindet, als eine zufällige Feindschaft und die Faszination für die Kultur des Anderen. Aus der Faszination wird Respekt, aus Respekt wird Achtung und aus der Achtung eine Freundschaft, die die alte Kultur Nippons neu darstellt. Mancher mag mit der Besetzung der Hauptrolle des amerikanischen Soldaten Captain Nathan Algren mit Tom Cruise seine Schwierigkeiten haben, doch schafft es Cruise den Wandel vom gefallenen Kriegshelden zum ehrenhaften Krieger einfühlsam darzustellen. Zwick verarbeitet neben dem menschlichen und dem kulturellen Unterschied auch den Wandel der Werte vom Mittelalter zur Moderne. Dabei bleibt der Film von der ersten bis zur letzten Minute spannend. Was nützten uns die Errungenschaften der modernen Zivilisation, wenn wir diese nicht auf dem Fundament unserer kulturellen Wurzeln aufbauen? Diese Frage ist eine möglicher Interpretationsansatz. Die passende Antwort mag sich jeder Besucher nach dem Abspann selbst geben. Fazit: The Last Samurai ist ein Film, der die westliche Sicht auf die japanische Kultur neu auszurichten vermag. Doch auch diese Sicht ist auf Grund des Unterhaltungsanspruchs noch nicht wertfrei zu betrachten. AB moritz
Schrei!
Die Renaissance des Splatter-Horrors – Ein untotes Genre kehrt zurück auf die Leinwand / Von Mirko Gründer
Januar 2004
Genres sorgte. Obwohl HorrorAltmeister Wes Craven, auf dessen Konto bereits 1984 die Erstbelebung des Traumschlitzers Freddy Krueger ging, mit diesem Film eine der meisterhaftesten Genreparodien seit "Little Big Man" (1971) hinlegte, näherte sein Film den klassischen Splatter doch zugleich der MTV-Generation an. Und die entdeckt nun den Splatter für sich.
Zombies im Kino Der klassische "Splash & Splatter"Film entstand Ende der 70er Jahre. Es war wohl Horrorfilmer George A. Romero, der den Begriff prägte. Sein Film "Dawn of the Dead" (1978) mit dem treffenden deutschen Titel "Zombies im Kaufhaus" ging als erster echter Splatter in die Filmgeschichte ein. Die Übersetzung des Genrenamens sagt schon alles: Vor allen Dingen muss Blut spritzen. Der echte Splatter zeichnet sich gewöhnlich dadurch aus, dass hilflose Opfer, bevorzugt Gruppen von Jugendlichen (wegen der Optik
und dem Sex-Appeal) oder Familien, mit grenzweltlichen Psychopathen konfrontiert werden, die es nur auf eines abgesehen haben: zu töten. Der Killer des Splatterfilms folgt keinem echten Motiv, nur seiner animalischen Mordlust. Es ist die Konfrontation mit einer Gegenwelt, die einfach nur unverständlich und feindlich ist, die er symbolisiert. Doch dürfte es ein Fehler sein, diesen vulgärphilosophischen Zug des Splatters überzubewerten. Während es den Klassikern des Horrorfilms wie etwa Hitchcocks "Die Vögel" (1963), Polanskis "Rosemary’s Baby" (1967) oder Spielbergs "Der weiße Hai" (1974) genau um diesen Zug der Konfrontation mit dem Fremden, Unverständlichen und Übermächtigen geht, geht es dem Splatter um die Inszenierung von Gewalt. Die Ästhetik des Splatters will ekelerregend sein und den Zuschauer an die Grenze dessen treiben, was er ertragen kann, ohne zu kotzen. Vergleichbar ist er also am ehesten pubertären Mutproben.
feuilleton
Vorbei sind die Zeiten, als sich Splatter-Fans in den dunklen FSK 18-Ecken der Videotheken herumdrücken mussten, immer in der entwürdigenden Nähe der HardcorePornos. Nach Jahrzehnten der Repression atmet die treue Fangemeinde des niveaulosen Horrors auf, denn sie ist wieder im Mainstream angekommen. "Texas Chainsaw Massacre", der seit Neujahr in den deutschen Kinos läuft, spielte bisher in Amerika 73 Millionen Dollar ein und belegt damit erneut, dass die Renaissance des "Splash & Splatter"-Films nicht mehr aufzuhalten ist. Dabei hatten ernstzunehmende Filmkritiker bereits gehofft, die Splatterfans gehörten einer aussterbenden Spezies an. Spätestens nachdem "Scream" (1996) uns gezeigt hatte, wie degeneriert und psychopathisch diese Fans gewöhnlich sind, war dieses Aussterben sowohl wahrscheinlich als auch wünschenswert. Doch gerade "Scream" war auch jener Film, der implizit für die Renaissance des
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Und doch ist der Splatter nicht mehr totzukriegen. Während der ersten Blüte des Genres in den 70er und 80er Jahren wurden Kinolegenden geschaffen, die auch absoluten Horrorverächtern ein Begriff sind: Mike Myers etwa, der als psychopathischer Killer Jamie Lee Curtis zum Star machte. Oder Narbengesicht Freddy Krueger, der mit seiner Krallenhand die Träume seiner Opfer unsicher macht. Oder Jason, den unkaputtbaren Schlächter mit der Hockeymaske. Allein die drei bringen es bis dato gemeinsam auf gut dreißig Filme, wobei man vor zwei Monaten ein Spektakel besonderer Klasse im Kino verfolgen konnte: In "Freddy vs. Jason" lieferten sich diese zwei prominenten Untoten das ultimative Gefecht.
So versackte das Genre in den Videoregalen, und aus den Billigproduktionen der 80er wurden Ultra-Billigproduktionen. Mit Splatter ließ sich immer Geld machen – man braucht weder eine besonders ausgeklügelte Story noch namhafte Stars. Drehs finden meist an nur einer Location statt und dauern nur wenige Tage. Die Gewinnspanne ist schnell erreicht. Auch wenn nur Freaks die Filme sehen wollen.
Die Zombies sind zurück Aber der qualitativ hochwertige Horror war niemals tot. Der Horrorboom der 90er, den Filme wie "Das Schweigen der Lämmer", "Misery" (beide 1990) und "Bram Stoker’s Dracula" (1992) einleiteten, sorgte
der voll da. Er schloss sich an die Jugendkultur an und feierte Erfolge. Craven legte zwei weitere Teile nach (1997 und 2000) und wurde mit "Scary Movie" (2000) dann schon selbst parodiert. Der Erfolg des Realo-Machwerks "Blair Witch Project" (1999) tat sein übriges, und selbst Kritiker waren begeistert über die Wiederauferstehung eines ganzen Genres. Splatter wurde wieder hoffähig, und selbst die SplatterQueen der 80er, die längst seriös gewordene Jamie Lee Curtis, kehrte in "Halloween: Resurrection" (2002) noch einmal ins Genre zurück. Seit Ende der 90er lässt sich mit Splatter im Kino wieder richtig Geld machen, und die Maschinerie des Billigstbrutalohorrors läuft wieder auf Hochtouren. Allein das letzte Jahr verzeichnete Dutzende von Splatterfilmen im Kino, und ein Ende ist nicht in Sicht, denn der Splatter neigt zur Selbstvervielfältigung. In den nächsten Monaten kann man sich daher freuen auf "Ring 2", "Resident Evil 2" sowie auf Remakes der Klassiker "Amytville Horror" (1979) und "Dawn of the Dead" (1978).
Parabel oder Kick?
feuilleton
Legenden unter sich: Freddy Krueger und Machetenmörder Jason beim Endkampf auf der Leinwand: “Freddy vs. Jason” (2003). Die untoten Haupthelden schienen dem Genre den Stempel aufzudrücken. Sie wurden zu Wiedergängern der Filmindustrie. Eine treue Schar von Fans sorgte dafür, dass sich stets ein weiteres Sequel lohnte, obwohl schon Ende der 80er diese kaum noch im Kino zu sehen waren. Der Videomarkt wurde zur Nische des Splatters. Hier war jede Krankheit erlaubt, solange sie entsprechend markiert war. Auf den FSK18-Regalen der Videotheken stapelten sich die Video-Releases. 40
auch für eine Wiederannäherung des Publikums an den Splatter. Die alten Splattermeister waren noch da und landeten plötzlich wieder Hits: Romero legte mit "Stark" (1993) eine anständige Stephen King-Verfilmung hin. Und Wes Craven ließ erst Eddie Murphy als Untoten in "Vampire in Brooklyn" (1995) wiederauferstehen, um schließlich mit "Scream" den ultimativen Hit zu landen. Mit "Scream", obwohl oder gerade weil Parodie, war der Splatter wie-
Wodurch die Renaissance des Splatters zu erklären ist? Möglicherweise ist es der "internationale Terrorismus", der als unsichtbares, ungreifbares Böses durch die Welt metzelt, der dem Splatter und seinen Helden wieder Tür und Tor öffnet. Dann wäre der Splatter eine Parabel. Splatterfans und Produzenten sublimieren ihr Genre gern in dieser Form. Doch als Parabel ist es anderen Genres weit unterlegen. Tatsächlich kehrt mit dem Splatter wohl nur der Genuss an blinder Blutrünstigkeit auf die Leinwand zurück. Der Splatter ist vor allem ein Zeichen der Dekadenz und ihrer stetigen Suche nach immer stärkeren Reizen, nach dem ultimativen Kick. Auch hier gibt uns "Scream" die Antwort: Splatter ist Kult, Trash und Kick in einem. Und der Splatter ist ein untotes Genre. Durch seine Eigenart, sich stetig selbst zu reproduzieren und dabei jede frühere Niveaumarke zu unterbieten, erledigt er sich permanent selbst. Er wird wieder untergehen, wenn sein Thrill nachlässt – und in einem Jahrzehnt erneut auferstehen. moritz
Januar 2004
theater
Ketchup oder Mayo? Stripper müssen eben auf die richtige Ernährung achten. (Markus Voigt, li., und Jörg F. Krüger in “Ladies Night”). Fotos: V. Leifer.
Verzücktes Kreischen ausdrücklich erlaubt “Ladies Night” als Wiederaufführung im Theater Vorpommern / Von Britta Voß hauptsächlich geht es um die allmähliche Metamorphose der durch Jobverlust entmutigten, jeglichem Selbstbewusstsein beraubten Männer zu sich trauenden, wieder vertrauenden "Ich-AGs". Die unterschiedlichen Motive zur gewinnversprechenden Selbstentblößung werden zwar ebenfalls berücksichtigt, doch in ihrer Gewichtung der inneren Entpuppung untergeordnet. Dass diese Wandlung nicht als selbsthilfegruppemäßiges Experiment der Lächerlichkeit preisgegeben wird, liegt an der Ironie, die den Versuch der Wagemutigen als Stripper das große Geld zu machen, begleitet. Etwas anderes als eine Schnapsidee scheint der Einfall, die Hüllen fallen zu lassen anfangs auch nicht zu sein, hat doch keiner eine chippendaleähnliche Körperansicht vorzuweisen. Doch davon lassen sich die durch Hühnerbrust und Hängebauch, Ungelenkigkeit und lange Unterhosen Vereinten nicht beirren, ist doch das, was sie anzubieten haben, Grundsubstanz eines jeden "echten Kerls". Und der findet Abnehmer. So wie das Greifswalder Publikum, das sich dem Charme und der Verve der
Aufführung nicht entziehen kann. Das lässige Spiel, die lebensnahen Charaktere, das hohe Tempo der Handlung sorgen für ein vergnügliches, überschwängliches Theatererlebnis, rundum stimmig und perfekt in Szene gesetzt. Lange hat Nacktheit auf der Bühne nicht soviel Spaß gemacht. Und nach einem verstohlenen Blick zum Sitznachbarn wird klar: Verzücktes Kreischen ausdrücklich erlaubt.
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Sex sells, diese Erkenntnis hat längst Einzug erhalten auf Theaterbühnen und Laufstegen, bestimmt Werbestrategien für so geschlechtsneutrale Produkte wie Blähungsblocker und verschont auch nicht die ehrwürdigen Mainzelmännchen, die prompt zu metrosexuellen Wichten umgepolt wurden. Als Urvater dieser weichgespülten Fernsehgnome könnte man großzügig die eingesichtige Klonparade der Chippendales betrachten, die seit Jahren als Untote durch trostlose Kulturzentren und semiprominente Hochglanzmagazine tingeln. Lange Zeit galten sie als Kulminationspunkt weiblicher Emanzipation, das verruchte Pendant zum "Playboy". Frauenabend unter Strippern, 30,50 Euro pro Person inkl. Mehrwertsteuer, wie wild! Die garantiert erotikfreie Ausziehnummer erregte hauptsächlich nur die Gemüter jener, die sich, auf einmal ihrer Individualität beraubt, als Abziehbild sexueller Phantasien wiederfanden, als männliche Gummipuppe. Die daheimgebliebenen Ehemänner und Freunde grämten sich gar sehr, ja wo blieben denn da die vielbeschworenen inneren Werte angesichts der anonymen Fleischbeschau? Derlei Skrupel geraten aber leicht ins Wanken, wenn finanzielle Not und gesellschaftliches Abseits lebensbestimmend zu werden drohen. So wie bei Barry, Craig, Gavin, Graham, Norman und Wesley, den eher unfreiwilligen Helden des Theaterstücks "Ladies Night". Die Komödie von Stephen Sinclair und Anthony McCarten erlebt dieser Tage ihre Wiederaufnahme auf der Greifswalder Bühne. Einem größeren Publikum bekannt geworden ist die bittere Parodie auf Arbeitslosigkeit und unkonventionelle Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durch den Film "Ganz oder gar nicht", der allerdings im Wettlauf um die begehrten Oscartrophäen gnadenlos ins Kielwasser der "Titanic" geriet. Sei’s drum, ein Qualitätsurteil ist das nicht. Die Kinovariante vermag sehr wohl durch Authenzität zu überzeugen, doch schafft erst die Theaterinszenierung fernab geschmeidiger Kameraschwenks und sanfter Lichtchoreographie eine atmosphärische Verdichtung, die im Film durch diverse Nebenschauplätze verloren geht. Denn
Oh, What a night! Matthias Nagatis in action. 41
Tot oder lebendig! Der Prozess gegen Michael Jackson zeigt, dass das Rechtsempfinden seiner Ankläger genauso verwahrlost ist wie das Gesicht des gefallenen Superstars / Von Norman Gorek
feuilleton
Michael Jackson vor Gericht. Angeklagt des Kindesmissbrauchs. Als Medienereignis wird dieser Prozess sogar den OJ-Simpson-Fall in den Schatten stellen. War es schon damals nicht möglich, von einem normalen Prominenten-Gerichtsprozess zu sprechen, werden im Falle des ehemaligen King of Pop nun alle Hemmungen über Bord geworfen. Dieser Tage führen die Akteure im Theater "Amerikanisches Rechtssystem" eine unerträgliche Schmierenkomödie auf, eine der Volksbelustigung geschuldete Freakshow. Hauptdarsteller dieses Spektakels: Ein großes Kind von 45 Jahren, das seine Ranch als Streichelzoo und Kinderparadies eingerichtet hat und in seinem Domizil tausende Spielzeuge hortet. Einer, der öffentlich erwachsen werden musste und so nie erwachsen werden konnte. "Ich habe mein ganzes Leben als Fisch im Aquarium verbracht, nie wirklich allein." Ein Star von Kindesbeinen an, der von seinem Vater Joe Jackson zum Erfolg geprügelt wurde. Mit fünf Jahren war Michael Leadsänger der Jackson Five, die Anfang der 70er zu einer der erfolgreichsten Gruppen der Welt avancierten. In einem Alter, in dem sich andere Jungen für Spielzeugautos und Baseball interessieren, sang Kinderstar Michael "I Want You Back". Mit seinem 1979er Album "Off The Wall" war der begnadete Sänger und Tänzer auch solo erfolgreich. 1982 dann die Stunde Null. Das Album "Thriller" brach sämtliche Rekorde und machte Michael unsterblich. "Thriller" verkaufte sich 60 Millionen mal und ist damit das erfolgeichste Album aller Zeiten. Michael Jackson, King of Pop. Wer würde unter diesen Umständen nicht wunderlich werden? Als Michael sich mit der Errichtung seiner Neverland-Ranch die verlorene 42
Kindheit zurückholte, war die Öffentlichkeit noch hellauf begeistert. Als der Erfolg in den 90ern ausblieb und die Auswirkungen der zahllosen kosmetischen Operationen des Stars schmerzlich sichtbar wurden, schlug die Bewunderung zunehmend in Häme um. Und dann kam der erste Kinderschänder-Skandal. Der damals 13jährige Jordan
Rache. Michael Jackson verewigte Sneddon zudem auf seinem Album "HIStory" (1995): "They wanna get my ass dead or alive/I bet he missioned with the CIA/Tom Sneddon is a cold man". Und machte sich damit einen Mann zum unversöhnlichen Feind, dessen zerstörerisches Werk nun von Erfolg gekrönt ist. Wie auch immer der Prozess ausgeht, Jacksons Karriere ist ein für allemal beendet. Der Staatsanwalt kann als zweiter Mark David Chapman in die Geschichte eingehen. Wie der Lennon-Killer hätte Sneddon dann einen der Größten zur Strecke gebracht.
Öffentliche Demontage
Im Teeniemagazin “Fave”, 1972: A star is born, ob er will oder nicht. Chandler bezichtigte im Jahre 1993 Michael Jackson unter mysteriösen Umständen des sexuellen Missbrauchs. Die Sache wurde außergerichtlich beigelegt, die Rede ist von 25 Millionen Dollar "Entschädigung". Danach waren die Weichen für den Weg nach unten gestellt, den Weg, der heute auf den Stufen des Gerichts von Santa Barbara an seinem vorläufigen Endpunkt angelangt ist. Der im Chandler-Prozess anklagende Staatsanwalt Thomas Sneddon empfand die außergerichtliche Einigung als persönliche Niederlage und sann seitdem auf
Nun ist es wahrlich leicht, sich über Michael Jackson lustig zu machen. Von seinem erschreckenden äußeren Verfall abgesehen, hat er seit mehr als einem Jahrzehnt musikalisch nur noch Müll produziert. Nicht erst die letzte Platte "Invincible" (2001) war ein Flop. Die abgedrifteten Auftritte in der Öffentlichkeit kulminierten in den beiden "Ehen" mit der Elvis-Tochter Lisa Marie Presley und der Krankenschwester Debbie Rowe, mit denen sich der Mega-Star vollends zum Gespött machte. Doch wegen akustischer Umweltverschmutzung steht der Mann nicht vor Gericht und seine Ehe-Eskapaden sind immer noch Privatsache. Was die gruseligen kosmetischen Operationen angeht, so hat schließlich auch Michael Jackson das Recht, so auszusehen, wie es ihm gefällt. Die wirklich bizarre Show führen seine Ankläger vor, allen voran Sneddon. Die Pressekonferenzen, die der Staatsanwalt einberief, waren die Auftritte eines Selbstdarstellers, der sich für John Wayne hält: "Sehen sie zu, dass sie herkommen und sich einchecken", moritz
Oberster Jackson-Jäger Sneddon: "Herkommen und einchecken". Januar 2004
1987 im von Regie-Legende Martin Scorsese inszenierten “Bad”-Video. dessen Erscheinung weder damals noch heute kraftstrotzende Virilität ausdrückte, ohnehin noch nie das praktiziert, was wir unter dem Begriff "Sex" kennen.
Der finale Vorhang Jackson ist in eine Falle gestolpert, die sozusagen mit Ansage gestellt wurde. Janet Arvizo, die Mutter des angeblich missbrauchten Gavin Arvizo, wurde von dem Sänger jahrelang finanziell unterstützt. Gavin war an Krebs erkrankt und Jackson übernahm die Kosten für die Therapie. Nach der Genesung des mittlerweile 13jährigen Jungen wollte Jackson die Zahlungen einstellen. Ein paar Wochen später bezichtigte ihn Janet Arvizo des sexuellen Missbrauchs an ihrem Sohn. Nachtigall, ick hör dir trapsen. Noch kurz zuvor hatte Arvizo in einem Fernsehinterview von dem Sänger in den höchsten Tönen gesprochen. Und wovon zeugt es wohl, wenn eine Mutter ihr Kind in die Obhut eines Mannes gibt, der bereits einmal wegen Kindesmissbrauchs vor Gericht stand? Entweder von Verantwortungslosigkeit – oder von Vertrauen. Für Michael Jackson läuft die ganze Sache im "günstigsten" Falle auf den endültigen Karrieretod hinaus. Im ungünstigsten Falle auf eine Verurteilung. Zu mindestens drei Jahren Haft. Das wäre dann wahrscheinlich ein Justizmord am ehemals beliebtesten und erfolgreichsten Star der Welt. Denn was
Michael Jackson in einem amerikanischen Knast blüht, kann man sich vorstellen, wenn man es sich denn vorstellen möchte. Schon spekuliert die amerikanische Presse, dass der gefallene Superstar Selbstmord begehen könnte. Was für ein Schlussakkord! Kreuzigt ihn! Der Jahrhundertprozess, die ultimative Show, der finale Vorhang. Und alles live im Fernsehen. Womöglich hatte Jackson recht, als er sang: "…dead or alive". Man sollte ihn, der geistig längst nicht mehr auf diesem Planeten weilt, endlich in Ruhe lassen. Michael Jackson, der mit "Off The Wall" und "Thriller" zwei epochale Pop-Alben gemacht hat und der einmal ein Idol war, ein Idol, so groß wie nie jemand vor ihm.
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waren die Worte, mit denen er Jackson aufforderte, sich der Justiz zu stellen. Von Thomas Sneddon könnte sich Ronald Barnabas Schill noch eine gewaltige Scheibe abschneiden. Kindesmissbrauch ist kein Kavaliersdelikt, doch der Angeklagte hat so lange als unschuldig zu gelten, bis ihm die Tat nachgewiesen wird. Nachgewiesen hat man Jackson nie etwas. Was für lächerliche Beweise aber werden nun der Öffentlichkeit präsentiert? Ein "geheimes" Schlafzimmer, vollgestopft mit Kuscheltieren und Spielzeug. Es gibt schlimmere Vergehen als den Besitz von Kuscheltieren. Auch das Schlafzimmer von Thomas Sneddon ist "geheim". Die Staatsanwaltschaft aber lässt Michael Jacksons Gemächer von 70 Polizisten stürmen, als gelte es, ein Al-Quaida-Lager auszuheben. Erreicht hat Sneddon mit dieser öffentlichen Demontage allerdings eins: Die Vorverurteilungen haben bereits in jeder guten Stube Amerikas begonnen. Wie der schon aussieht, wie ein Gespenst! Und hat er nicht schließlich selbst gesagt, dass er gern mit Kindern in einem Bett schläft? Hat er, und zwar in einem Interview mit dem ausgebufften britischen Journalisten Martin Bashir, dessen Profession es ist, Leute zu unvorsichtigen Sätzen zu animieren. Dass er wie ein bockiger Junge auf seinen Äußerungen beharrt, macht für ihn die Sache nicht leichter, beweist aber auch, dass sich der Sänger absolut keiner Schuld bewusst ist. Wie auch? Vermutlich hat Michael Jackson,
“They wanna get my ass dead or alive.” Der King of Pop vor Gericht. 43
Kings of Britain ...hätten die Libertines im Jahre 2003 werden können – stattdessen lieferte die Band die Rock’n’Roll-Story des Jahres Von Norman Gorek Sie waren Anwärter auf den Titel. Es schien, als würden die Libertines 2003 zum absoluten Höhenflug ansetzen. Ein Jahr später kann man froh sein, dass die Band überhaupt noch existiert. Dabei sah alles so gut aus. Die Libertines hatten das perfekte Paket: die Songs, die Typen, den Exzess.
verglichen sie nicht zu Unrecht mit den frühen Beatles. Doch der Triumph musste abgesagt werden. Im Gegensatz zu Barât, der das Star-Dasein, die Titelbilder, die Interviews genoss, liebte Doherty Konzerte in Kneipen und auf Parties. Immer öfter musste Barât TVoder Radioauftritte allein bestrei-
The Libertines mit Pete Doherty (vorn links) und Carl Barât (rechts).
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Carl Barât und Pete Doherty waren das Traumpaar des britischen Underground-Rock’n’Roll, zwei moderne Oscar Wildes. Doherty erzählte Interviewern, er habe mit Barât beschlossen, eine Band zu gründen, um "das gute Schiff Albion zu besteigen und nach Arkadien zu segeln." Der Drogenverbrauch der Band war in ganz Großbritannien sprichwörtlich. Intelligent und durchgeknallt und mit einer unglaublichen Livepräsenz gesegnet, hatten sie sich eine treu ergebene Fangemeinde erspielt. Unter ihnen Ex-Clash-Gitarrist Mick Jones, der schließlich das Debüt-Album der Libertines produzierte. Am 21. Oktober 2002 erschien "Up The Bracket", voll mit rauhen, lauten, absolut genialen Songs, ein Klassiker schon jetzt. Viele sahen die Libertines als britische Antwort auf die Strokes (nur besser), einige 44
ten, weil sein Kollege am Abend zuvor ein rauschendes WohnzimmerKonzert für 30 Fans gegeben hatte und total abgestürzt war. Hinzu kam, dass Dohertys Flirt mit dem braunen Stoff sich zu einer ausgewachsenen Liason entwickelt hatte. Heroin könnte eine schöne Sache sein, wenn es eben nicht so verdammt ungesund wäre. Der ohnehin labile Doherty wurde immer unberechenbarer. Schon früher war Pete auf Tourneen tagelang spurlos verschwunden und erschien, wenn überhaupt, erst Minuten vor der Show. Im Sommer 2003 war das Maß voll, als der mittlerweile auf Crack umgestiegene Pete nicht zum Start der Europatournee auftauchte. Barât tobte und bestritt die Konzerte mit einem Ersatzgitarristen. Als sich Doherty endlich meldete und kundtat, "spätestens" in Paris wieder dabei sein zu wollen, teilte
ihm Carl mit, er bräuche überhaupt nicht wiederzukommen, bevor er nicht seine Drogenprobleme in den Griff bekäme. Der letzte Sargnagel für Petes Zurechnungsfähigkeit. Im Verlaufe des Sommers tourten die Libertines durch die Lande und bei jedem Auftritt wurde Petes charismatische Erscheinung schmerzlich vermisst. Unterdessen kamen beunruhigende Nachrichten aus England. Mal wurde ein DohertyWohnzimmerkonzert von der Polizei gestürmt, mal veröffentlichte er irrsinnige, aber fantastisch geschriebene Manifeste auf der Webseite der Band. Was auch sonst noch libertine: (engl.) Wüstling Li|ber|ti|nís|mus: der; Zügellosigkeit. im Rausch der Ereignisse vorfiel, am 25. Juli brach ein bis oben zugedröhnter Pete in Barâts Wohnung ein, klaute einen Laptop, eine wertvolle Gitarre und 200 Pfund und wurde am nächsten Morgen festgenommen. Auf Kaution entlassen, verstieß er gleich wieder gegen die Auflagen, als er im Vollrausch ein Hotelzimmer zerlegte. Am 8. September wurde Doherty von einem offenbar ähnlich unzurechnungsfähigen Richter zu sechs Monaten Haft in Londons berüchtigtem Wandsworth-Gefängnis verurteilt. Die Libertines waren klinisch tot. Zwischendurch war die vor dem Zerwürfnis eingespielte Single "Don’t Look Back Into The Sun" erschienen und diese bis dato beste Aufnahme der Gruppe erschien vielen als tragischer Schwanengesang einer früh vollendeten Band. Doch Doherty und Barât hatten genug von Keith Richards gelernt, um zu wissen, dass sie im Jahre 2003 ungewollt eine perfekte Rock’n’Roll-Seifenoper abgedreht hatten. Als das Urteil annulliert wurde und Pete nach einem Monat Wandsworth verlassen konnte, wartete Barât am Gefängnistor auf den verlorenen Bruder. Noch am gleichen Abend stieg der von kaum jemand noch für möglich gehaltene Reunion-Gig in Petes Lieblings-Pub. Ob Pete Doherty die Crack-Pfeife in Zukunft verschmäht, ist ungewiss. Doch er ist wieder an Bord des guten Schiffes Albion mit Kurs auf Arkadien. Die Aufnahmen für das zweite Album haben begonnen. Es kann nur ein Meisterwerk werden. moritz
neue cds The Beautiful South Gaze
Kelis Tasty
5 von 10 – Harmlos.
8 von 10 – Lecker!
ben, was sich offenbar verheerend auf seine Kreativität ausgewirkt hat. Die letze wirklich gute Arbeit der Band war das 1996er "Blue Is The Colour". Seitdem veröffentlicht Heaton eine Belanglosigkeit nach der anderen. Vielleicht hat sich auch das Band-Konzept, eloquente Texte in fast schon unartig gefällige Musik zu verpacken, überlebt. Jedenfalls ist "Gaze" ein Dokument der Stagnation. Hintersinnige und gemeine Texte? Fehlanzeige. Melodien? Unentschuldigtes Fernbleiben. Dafür bekommen wir eine graue Mischung aus Schnulzen und einer Art Brit-Country, die so gar nichts unartiges mehr hat. Gleich der Opener "Pretty" klingt bedeppert und der political-correctnessMüll, den Heaton neuerdings so schätzt, ist mit dem Schwulen-Song "101 % Man" auch drauf. Klar, sie haben nicht alles verlernt. "Life Vs. The Lifeless" oder das von der neuen Bandfrau Alison Wheeler gesungene "Half Of Him" sind schon keine schlechten Stücke. Äußerst witzig die Covergestaltung; schön auch, dass es die Band überhaupt noch gibt. Vielleicht sollten sie einfach mal wieder einen saufen gehen und am Morgen alles vollkotzen. Katharsis. nogo Januar 2004
The Twilight Singers Blackberry Belle 9 von 10 – Großartig! Wenn es einen gibt, bei dem die große Pose nie peinlich wirkt, dann ist es Twilight Singer Greg Dulli, Ex-Frontmann der Afghan Whigs, einer der besten Bands der 90er Jahre. Obwohl sie den AlternativeKollegen auf fünf hervorragenden Alben zeigten, wie’s gemacht wird, blieb den Whigs der große Erfolg versagt. An sich also die perfekte Band: Immer gute Platten gemacht und dem MTV-Pöbel trotzdem unbekannt. Dulli als Midas-Wiedergänger – musikalisch wird alles zu Gold, finanziell kommt nicht mal Aluminium raus – so gingen die Whigs unter und der Chef hob die Twilight Singers aus der Taufe.
Die klingen allerdings auch auf ihrem zweiten Album "Blackberry Belle" wie eine exakte Kopie der Whigs. Dulli sucht immer noch das Mädchen, mit dem er die Stadt niederbrennen kann. Große Pose, "Black out the windows/It’s party time", Gitarren, Orchester, Orgeln. White soul, black love. Mörder, Liebhaber, Teufel, alle dabei und dazu auch noch Mark Lanegan beim Schlusssong. Unverzagt ausgepumpt, up all night. Ein fabelhaftes Album. Nur – kommerziell wird für den sentimentalen Macho und seine zwielichtigen Gesellen natürlich wieder nichts zu holen sein. nogo
"Ooh you make my body go/You make me come oh yeah alive" – Die platonische Liebe ist offenbar nicht Thema dieses Albums. Und erst die äußerst schmackhafte Covergestaltung (Kelis an einem Lolli lutschend! Kelis als Sahnehäubchen auf einem großen tropfenden Milkshake!!) – könnte es sein, dass es hier um … ähem … Sex geht? Bei R’n’B-Alben dieser Art liegt immer der Verdacht nahe, dass es sich um einen dieser erotisch aufge-
peppten Eintöner handelt. Hier ist die Skepsis unbegründet. Für bibeltreue Christen ist "Tasty" zwar nicht gedacht und Kelis beherrscht die Sparte "Lapdance-Music" aus dem Effeff. Die 23jährige Schönheit aus Harlem hat aber mehr zu bieten: eine klassische Soul-Stimme, die man an sich nur einer wesentlich älteren Sängerin zuordnen würde und ein Album, das alles andere als eintönig ist. "Tasty", wieder produziert von den zur Zeit omnipräsenten Neptunes, startet gleich mit vier potentiellen Hit-Singles. "Trick Me" (Reggae/ Funk), "Keep It Down" (Rap-Rock), "In Public" (R’n’B-Schweinereien) und das technoide "Milkshake" sind die ultimativen Opener. Vielleicht das winzige Manko des Albums: nach dem furiosen Start klingen die übrigen Songs zu "normal". Nicht weiter schlimm, "Tasty" ist eben wie guter Sex: abwechslungsreich, heiß, geradezu lachhaft einfach und fast, fast befriedigend. nogo
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The Beautiful South sind seit einiger Zeit Wackelkandidaten. Die ehemals beste britische Band hat keine Ideen mehr. Mainman Paul Heaton verkündete vor Jahren, das exzessive Trinken abgesetzt zu ha-
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neue bücher
Jörg Kastner Im Schatten von Notre Dame Knaur
Stewart O’Nan Ganz alltägliche Leute rowohlt
feuilleton
Nicht ganz unbekannt sind auch hierzulande diverse Mauerprojekte, immer wieder beliebt, um aus-, weg- und abzusperren, bestenfalls semipermeabel und garantiert effektiv. Im Falle des Pittsburgher Schwarzenviertels East Liberty besteht die symbolische Mauer aus einer neu gebauten Busspur, welche den konfliktreichen Stadtteil von den anderen, den reichen und weißen abtrennt, nunmehr die von gegenseitigen Vorurteilen bestimmten Trennungslinien einbetonierend. Das derart umschlossene Ghetto beherbergt die ganz alltäglichen Leute, deren Leben zwischen Bandenkrieg und Dealerei, Arbeitslosigkeit und Gefängnis oszilliert. Der erschaffene Mikrokosmos aus Ehemännern, die eigentlich schwul sind, Freunden, die auch der Tod nicht trennt, Müttern, die noch Kinder sind, zieht in seinen Bann, lädt den Leser ein, abwechselnd in die Gefühlswelt von Chris, Vanessa, Jackie oder Harold einzutauchen. Gerade diese bewegliche Perspektive ist es, die die Lektüre zur kurzweiligen Spurensuche werden lässt, ein undifferenziertes Urteil über Schuld und Schicksal der Figuren verbietend. O’Nan, selbst aus Pittsburgh stammend, ist ein unpathetisches Buch gelungen, keine flammende Anklage, sondern nüchterne Bestandsaufnahme, die verstört und befremdet, ist doch die proklamierte Alltäglichkeit der Charaktere schlicht unbegreiflich für jemanden jenseits der "Mauer". Punktabzug gibt’s für nur scheinbar authentische "Yo brother"-Sprachentgleisungen, einfallslose Kapitelüberschriften und den weißen Jüngling auf dem Cover (Lieber rowohlt-Verlag, das ist ein Schwarzen-Roman!) boß 46
Bob Woodward Bush at War SPIEGEL Verlag Der Starjournalist Bob Woodward hat mit seinem Buch eine interessante Chronologie über den Afghanistan-Krieg abgeliefert. Das Werk ist aufgrund seiner Interna und fast schon privat anmutenden Anekdoten eine besondere Veröffentlichung. Woodward hat nahezu die gesamte Bush-Administration interviewt und die Protokolle des Sicherheitsrates in die Hände bekommen, außerdem ist es ihm gelungen eine Vier-Stunden-Audienz bei George W. Bush zu erhalten, in deren Verlauf der Präsident Erstaunliches zu erzählen hatte. (Condoleezas Erlaubnis vorausgesetzt). Erstaunlich wieviel Klischees der Leser erfüllt sieht. So ist D o n a l d Rumsfeld wirklich ein knallharter Macho und Bushs Mann beim CIA, Cofer Black, wird nur "flies-onthe-eyeballs guy" genannt, nachdem er über die Taliban gesagt hat "Wenn wir mit ihnen fertig sind, werden Fliegen über ihre Augäpfel spazieren gehen!" Das Werk ist angenehm zu lesen und man möchte oft schmunzeln. Zum Beispiel die Szenen im Sicherheitsrat, wo es zugeht wie in der Schule: Disziplin, wenn Bush anwesend ist, wenn nicht, wird gestritten. Nur wenige sagen dem Präsidenten ihre Meinung, so wie Richard Armitage, der meinte, die Lage sei FUBAR = Fucked up beyond any recognition (vollständig verfahrene Lage), ein Ausdruck aus einem anderen Kapitel der amerikanischen Geschichte, dem Vietnam Krieg. russ
Bis jetzt dachte jeder, Victor Hugo hätte mit seinem Roman "Notre Dame de Paris" die ganze Geschichte von der schönen Zigeunerin la Esmeralda, dem Buckligen Quasimodo, dem Archidiakon Claude Frollo und der wohl berühmtesten Kirche der Welt erzählt. In seinem Roman "Im Schatten von Notre-Dame" bringt Jörg Kastner die ganze Wahrheit um die Geschehnisse im mittelalterlichen Paris ans Licht. Ihm liegen die Aufzeichnungen von Armand Sauveur de Sablé, des Privatkopisten Archidiakons, zu Grunde. Kastner erzählt die Geschichte aus Sicht des jungen Kopisten und mit ihm dringt der Leser in die dunkelsten Ecken, in die geheimsten Geheimnisse von Paris ein. Denn unter der Oberfläche spielt die eigentliche Geschichte. Welche Verbindung besteht zwischen den Morden, die "im Schatten von Notre-Dame", in dem Gassen der Ile-de-la-Cité, begangen werden und den Machenschaften von Claude Frollo? Warum müssen sich die Zigeuner vor dem kirchlichen Würdenträger in Acht nehmen und was passiert in der geheimen Turmkammer, die immer verschlossen ist? Kastner führt den Leser behutsam in die Pariser Unterwelt und zeigt nicht nur das Schöne und die Lebensfreude. Denn schon bald fiebert man mit Armand, geht mit ihm auf geheime Entdeckungstouren durch Paris, um die Morde zu klären, die in seiner unmittelbaren Umgebung geschehen sind. Gemeinsam kommen Leser und Armand der Geschichte und dem Schicksal vom Buckligen von Paris näher, begegnen Persönlichkeiten wie Leonardo da Vinci und dem französichen König. Ein historischer Kriminalroman, der mitreißender und spannender nicht sein könnte. lil moritz
Man spricht russisch Viele russische Dichter sind in Greifswalds Stadtbild verewigt / Eine Auswahl / Von Melchior Jordan
Neben bekannten Schriftstellern wie Tolstoi, Dostojewski und Puschkin sind auch einige weniger bekannte vertreten. Und da der Mensch dazu neigt, kleine Dinge, die eigentlich doch interessant sind, mit Hingabe zu ignorieren, lohnt sich eine literarische Reise in die Peripherie Greifswalds.
Michail W. Lomonossow (1711 – 1756) Lomonossow wurde 1736 von der St. Petersburger Universität nach Deutschland geschickt. Nach fünf Jahren kehrte er nach Russland zurück. Da die St. Petersburger Universität zu seiner Zeit durch AusJanuar 2004
länder "überfremdet" schien, schrieb er die erste russische Grammatik und eine russische Verslehre. Auf sein Betreiben wurde 1755 die Moskauer Universität, die heute seinen Namen trägt, gegründet. Als Dichter verfasste er im Stil des Klassizismus feierliche Oden, Hymnen, Lehrgedichte und zwei Tragödien.
und erblindete 1928. Von 1932 bis 1934 diktierte er den autobiographischen Roman "Wie der Stahl gehärtet wurde". Den zweiten Roman "Die Sturmgeborenen" konnte er nicht mehr vollenden. Der Roman
Anton Semenowitsch Makarenko (1888 – 1939)
war als schulische Pflichtlektüre zu DDR-Zeiten Ausgangspunkt für Diskussionen um die Moral des Revolutionärs.
Seit 1905 arbeitete A. S. Makarenko als Grundschullehrer und Schulleiter. 1920 wurde er zum Direktor
einer Arbeitskolonie ernannt. Diese diente der Resozialisierung verwahrloster und vorbestrafter Jugendlicher. In seinem Werk "Ein pädagogisches Poem" (1934 – 1936) verarbeitet er die Erfahrungen aus der "Gorki-Kolonie". 1927 errichtet er die Kolonie "F. E. Dzerdinskij". Ein zweiter Roman erscheint unter dem Titel "Flaggen auf den Türmen" (1938). Sein pädagogisches Konzept zielt auf die Schaffung des "neuen" Menschen ab. Der "neue" Mensch muss in der Gemeinschaft aufgehen. Er soll seine eigene Persönlichkeit entfalten, aber auch nach gemeinschaftlichen Regeln leben.
Maxim Gorki (1868 – 1936) Gorki gilt als der Begründer des sozialistischen Realismus. Nachdem er 1884 an der Universität von Kasan abgewiesen wurde, eignete er sich selbst umfangreiches Wissen an. 1891 begann er ausgedehnte Streifzüge durch Russland. Seit 1895 verbindet sich der russische kritische Realismus mit revolutionär-romantischen Zügen. 1906
feuilleton
In diesem Jahr stand Russland in nicht unbedeutender Weise im Interesse der Öffentlichkeit. So mancher Journalist und Politikwissenschaftler verzweifelte wohl wegen des vorsintflutlichen politischen Kasperletheaters in Moskau. Erwähnt seien an dieser Stelle nur die gefälschten Wahlen und die groben Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit. Doch es gibt auch Positives zu berichten. Dieses Jahr haben die großen deutschen Verlage alte und neue russische Autoren aus ihren literarischen Dornröschenschlaf geweckt. Bekannte Autoren wie Tolstoi, Puschkin und Dostojewski wurden wieder neu aufgelegt. Aber auch die "jungen Wilden" der russischen Literaturszene sind zur Genüge gelobt worden. In der moritz-Ausgabe vom November ist bereits über die Geschichte von Straßennamen berichtet worden. Besonders in Schönwalde I und Schönwalde II stehen für einige Straßen russische Dichter Pate.
erscheint der Roman "Die Mutter". In seinem Romanepos "Klim Samgin" stellt Gorki den ideologisch-gesellschaftlichen Kampf unter den Intellektuellen in den Jahrzehnten vor der Revolution dar.
Nikolai Ostrowski (1904 – 1936) 1904 in der Ukraine geboren, diente Nikolai Ostrowski zwei Jahre in der Reiterarmee Budjonnys. Aufgrund einer schweren Verwundung war er seit 1927 ans Bett gefesselt 47
Porträt
John Ronald Reuel Tolkien Von Melchior Jordan Für die Liebhaber der Fantasy-Literatur, also nicht für "berufsbegeisterte" Konsumenten, ist der Januar ein Monat der Besinnung, denn in diesem Monat wäre Tolkien 112 Jahre alt geworden. Am 3. Januar 1892 wurde er in Blomfontein (Südafrika) geboren. 1895 ging er mit seiner Familie nach England zurück. Nachdem zuerst sein Vater verstarb und einige Jahre später auch seine Mutter, wurde er von einer Tante und einem katholischen Geistlichen erzogen. Seine sprachliche Begabung zeigte sich schon früh, so dass er nach dem Ende der Schule neun Sprachen beherrschte. In diesem Zusammenhang sind die eigens für seine Bücher erschaffenen Kunstsprachen als "sprachwissenschaftliche" Spielwiese zu sehen. 1915 trat er in die Armee ein. Er kämpfte 1916 in der Schlacht an der Somme. 1917 wurde er wegen des "Schützengraben-Fiebers" entlassen. Nach seiner Entlassung beendete er sein Studium in Oxford. Von 1918 – 1920 arbeitete er am "wohlbekannten" New English Dictionary mit. 1924 machte er sich einen Namen mit einem mittelenglischen
Wörterbuch, sowie einer Neuausgabe von "Sir Gawain and the green Knight" (1925). Bis 1959 ist er an verschiedenen Universitäten Professor gewesen. Als Linguist befasste er sich mit dem Angelsächsischen und dessen Verbindungen zu verwandten Sprachen, sowie dem Mittelenglischen und der mittelenglischen Literatur. Er starb am 2. September 1973 in Bournemouth (England). An dieser Stelle etwas über sein Werk zu schreiben ist nicht nötig, da es allgemein bekannt ist. Doch es ist eine andere Frage, die interessant ist. Was macht eigentlich die Faszination an Tolkiens Werk aus? Seine Leistung besteht wohl darin, dass er eine mythosgetränkte Geschichte geschaffen hat, in einer Zeit, in der alle Mythen eine geringe Halbwertzeit haben. Seine Geschichte, die er erzählt, verkörpert das, was der "moderne" Mensch so schmerzlich vermisst. Es ist nicht der Mythos der Moderne, der den Menschen als autonomes und auf der "reinen Vernunft" agierendes Wesen definiert. Alle Handlungen werden in Symbolen wie Schicksal, Glück, Vorhersehung und Götterfügung aufgelöst.
Tolkien mit Gaumenschmaus. Sein ganzes Werk ist vom Kampf Gut gegen Böse durchzogen. Die Seiten erscheinen klar und der Kampf wird bis ins Detail beschrieben, doch wird dieser Kampf niemals in die Kategorien Gut oder Schlecht gewertet – der Gegensatz ist existent. Wegen dieser Geisteshaltung urteilt Tolkien nie negativ. Er beschreibt nur den ständigen Kreislauf von Geburt, Entwicklung und Tod. Das Seltsame an Tolkien ist, dass er nur eine Geschichte erzählen wollte und damit eine neue Literaturgattung geschaffen hat. Und obendrein hat er der Filmindustrie Stoff für drei Monumentalfilme geliefert.
feuilleton 48
moritz
Computer Games
Wie aus Tausend und einer Nacht “Prince of Persia: Sands of Time”
Januar 2004
Levels ist es nun die Aufgabe des Prinz Tunichtgut, die angerichtete Suppe wieder auszulöffeln. Und wie man löffeln darf. Es ist kaum zu glauben, wieviele Fallen, Rätsel und Feinde im eigenen Palast zu finden sind, sobald man die gesamte Umwelt gegen sich gebracht hat. Hilfe ist aber auch zu erwarten, in Person einer Prinzessin, die als zweiter Schatz aus dem feindlichen Palast entwendet wurde. Die Prinzessin, sie erinnert sich plötzlich wieder an die Gefahren des Dolches, spielt aber kaum eine Rolle für den eigentlichen Spielverlauf. Prince of Persia: Sands of Time zeichnet sich vor allem durch drei Features aus: Rätsel, Kampf und Akrobatik. Die Rätsel sind nicht all zu schwer und behindern kaum den Spielfluss. Kampf und Akrobatik sind besonders durch die gute Steuerung leicht zu erlernen. Klassisch mit Maus und Tastatur, kennt man schon nach fünf Minuten die Bewegungsabläufe im Spiel. Dies ist auch notwendig, da sonst die Fallen und Gegnermassen, sowie die gesundheitsschädigende Architektur des Palastes für häufiges Ableben sorgen. Sollte es trotz aller Vorsicht einmal zu einem verfrühten Spielende kommen, bringt der Sand der Zeit durch Zurückdrehen der Uhr , den Helden wieder auf die Beine. Man darf sich dies wie eine neue Art der QuicksaveFunktion vorstellen, denn Speichermöglichkeiten gibt es im Spiel kaum. Aber dies macht das Spiel nicht komplizierter. Ärgerlich ist nur die kurze Spieldauer von knapp zehn bis zwölf Stunden. Dafür sorgen aber Graphik und Sound für ein Gefühl wie aus Tausend und einer Nacht. Alexander Böber
...und hier die Meldungen: Radio-Geschenk: Kurz vor Weihnachten sind zig Briefe und Hörproben unter dem Motto "98,1 Briefe für eine Frequenz" quer durch die Republik geschickt worden. In dieser Briefaktion bittet Radio 98eins um Unterstützung bei der Erlangung der UKW-Frequenz. Erste positive Reaktionen sind schon eingegangen. Radio Gaga: Das alte Jahr lief nicht gänzlich friedlich aus, da überraschenderweise interne Auseinandersetzungen auftraten. Diese sind jedoch mittlerweile beigelegt. Radio-Geburtstag: Am 7. Januar 2004 ist das Radio (via Internetstream) ein Jahr alt geworden – und es kann sogar schon sprechen und Musik machen! Radio 2004: Das neue Jahr beginnt inhaltlich wie allgemein mit den obligatorischen guten Vorsätzen: Neue Programmplanung, mehr motivierte MitarbeiterInnen, Qualitätswuchs. Momentan bereitet sich Radio 98eins organisatorisch und inhaltlich darauf vor, Mitte April diesen Jahres auf der UKWFrequenz auf Sendung gehen zu können. Ferner ist in Zukunft eine engere Kooperation mit dem Studentenradio in Rostock, dessen Situation ähnlich ist, und deren Förderer Netzwerk e.V. geplant.
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Computerfreaks der ersten Stunde werden sich an den Spieleklassiker Prince of Persia erinnern. Was damals als Spielhit galt, würde man sich heute vielleicht gerade noch aufs Handy laden. Der Protagonist war zu diesem Zeitpunkt kaum mehr als ein Haufen Pixel, die sich für die damaligen Verhältnisse jedoch sehr geschmeidig durch die Level bewegten. Heute, fast fünfzehn Jahre später, ist aus der Ansammlung von Farbpunkten im Mario-Stil ein hochauflösender, eleganter Actionheld geworden, der es mit Lara Croft und Indiana Jones in jeglicher Beziehung aufnehmen kann. Prince of Persia: Sands of Time ist ein Third-Person-Geschicklichkeitsspiel, dass mit eigenem Kampfsystem, geschmeidiger Akrobatik, innovativem Spiel- und abwechslungsreichen Leveldesign durchaus alle Eigenschaften mitbringt, um ein Klassiker zu werden. Die Geschichte ist recht einfach aufgebaut. Prinz Übermut will seinen Vater durch große Taten beeindrucken und schlägt sich im Schlachtgetümmel bis zur Schatzkammer eines feindlichen Königs durch. Dort angekommen, entwendet der monarchische Langfinger den magischen Dolch der Zeit, um diesen seinem Vater zum Geschenk zu machen. Bei der Übergabezeremonie geht allerdings etwas schief. Unser Thronanwärter hört trotz einiger Proteste aus den Reihen des Fußvolkes auf den falschen Großwesir, worauf sich der besagte Dolch in einer ebenso magischen Sanduhr wiederfindet, der Sand der Zeit daraus austritt und alle Mitglieder des Hofstaates in gemeingefährliche Zombies verwandelt. In den darauffolgenden
Radio-Werbung: Radio 98eins sucht insbesondere Menschen, die sich in der Technik (Computer- und Tontechnik) auskennen. Philipp Dreesen Kontakt: info@98eins.de 49
Nichts ist wie es scheint Was passierte am 11. September? Wer nicht fragt, bleibt dumm Von Eric Wallis
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Tagebuch des US-Verteidigungsministers Henry Stimson nach einer Unterhaltung mit Roosevelt: “Die Frage war, wie man sie in eine Position manövrieren könnte, in der sie den ersten Schuss abgeben würden, ohne dass uns allzuviel dabei passiert.” Zwei Wochen später kam es zu diesem ersehnten ersten Schuss: Der Angriff auf Pearl Habour. Der Stützpunkt galt nach zwei Marineübungen 1932 und ‘38 schon als völlig überfordert im Angriffsfall. Admiral Kimmel, der später angeklagte Befehlshaber des Stützpunktes, wurde vor einem Untersuchungsausschuss jedoch freigesprochen als sich herausstellte, dass man ihm 188 entschlüsselte japanische Nachrichten vorenthalten hatte, die den genauen Termin der Tragödie enthielten. Holländische, britische und russische Nachrichtendienste hatten vor einem Angriff gewarnt. Doch die CIA blieb lieber auf ihren Infos sitzen. Zwei berühmte amerikanische Historiker und Professoren Charles Beard und Harry Elmer Barnes lehnten die offizielle Erklärung der Regierung ab und wurden natürlich medienwirksam als Spinner und Verrückte aus dem Lehrbetrieb entfernt. Drei Wochen vorher gewarnt und nichts getan, einfach nur um die für das Kriegsende unbedeutenden Atombomben in Japan ausprobieren zu dürfen? Doch es geht auch um den VietnamKrieg, um Kennedy, um den Irak, um Öl und um die eine oder andere Präsidentenwahl. Von Kennedys Tod wissen wir, dass das, was wir wissen zu 99 % nicht stimmt. Von zumindest der letzten Präsidentenwahl wissen wir, was alles möglich ist. Von Bush wissen wir auch, dass sein 50
Großvater als Bankier das Familienvermögen im Dritten Reich mit Nazigeschäften kassierte. Übrigens damals keine Seltenheit. Es galt als sehr ertragreich, mit den Nazis unter einer Decke zu stecken und dies auch öffentlich zu vertreten. Wofür auch immer die das Öl und die Waffen brauchten, die Drecksarbeit schienen sie alleine zu machen. So investierte Coca Cola in die Olympiade 1936 und General Motors unter dem (nicht bloß rechts angehauchten) Irené Du Pont lieferte der deutschen Wehrmacht den Opel Blitz. Das Öl kam von den Rockefellers. So ließe sich die Liste fortsetzen und der eine oder andere Name ließe einen erstarren.
vorgänger, sowie die heutigen Rothschilds in London und Rockefellers in New York. Letzteren gehörte schließlich das WTC, was jedoch als nicht erwähnenswert unter den Tisch gekehrt wurde. Verschwörungstheorien sind Theo-
11.09. 2001 11.09. 2001 - Quersumme "23"? Wer den Film kennt, hat wenigstens einmal über die fragwürdige Beziehung dieser harmlosen Zahl mit diversen Ereignissen in der Weltgeschichte nachgedacht. 23 steht für die Illuminaten, die geheimen Weltverschwörer. Verschwörungsansätze und Theorien gibt es viele. Da sind die Salomonischen Tempel in Jerusalem, die Ritter des Templerordens, die Freimaurer, die gralsuchenden Katharer, der Thule-Orden als Nazi-
rien. Nichts Greifbares. Sie treten da auf, wo die Menschen sich verdummt fühlen, wo allein das bloße Nachdenken mehr zutage fördert als fadenscheinige Regierungserklärungen. Und genau das ist der Knackpunkt. Doch kommen wir zu jenem 11.09. moritz
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Das Internet, ein Hort für Verschwörungstheorien, liefert uns Hunderte von möglichen Erklärungen. Bei aller Vorsicht, so zeigt sich daran doch eines: “Die Austauschbarkeit der Beweggründe” wie Mathias Bröckers, Kolumnist der taz, weiß. Nie gab es Zweifel an den Tätern, die nach internationaler Suche zuta-
ge gefördert worden sind. Diese 19 arabischen Namen aus den Passagierlisten, deren Träger auf den ersten Blick Hobbyflieger und Studenten waren. Das alles ist völlig ausreichend für die USA, die Verschwörungstheorie “Bin Laden” auf Platz eins zu setzen. Legitimiert von der
Regierung, ausgestrahlt von CNN und geglaubt vom Volk. Und urplötzlich melden sich die Waffenbosse zu Wort. Diese im Zuge der Ebayisierung fast vergessenen Magnaten der Wirtschaft. So schafft der “Überraschungsangriff” auf das Prunkstück des “Big Apple” ganz nebenbei ein neues und benötigtes Feindbild. Überraschungen machten sich schon die Nazis bei ihrem inszenierten Überfall auf den Sender Gleiwitz zu nutze. Leider kommt so etwas immer erst raus, wenn die Mächtigen nicht mehr mächtig sind. Auch der Überraschungsmord an Kennedy stimmt in diesem Zusammenhang fragwürdig. Aber was käme den Washingtoner politicians besser gelegen für einen erneuten Kampf um oil? Am 24.9. 2001 schreibt Mathias Bröckers in der taz: “Es würde mich nicht wundern, wenn demnächst Beweise auftauchen, dass auch der Irak in die Sache verstrickt ist, Amerika also jetzt den Bestrafungsfeldzug nutzt, um sich mit weltweiter Solidarität an den ölstrategisch unverzichtbaren Punkten im Golf und Vorderasien für das nächste halbe Jahrhundert festzusetzen.” Vorerst aber schien Bin Laden Sündenbock zu sein. Wobei die Beweislage sich recht mager darstellte. Der in der Tat sehr reiche CIA-Zögling Bin Laden aber steht in keinem beweisbaren Zusammenhang mit dem Anschlag. Selbst das FBI stellte fest, dass für die Ausführung weder ein Terrornetzwerk nebst Schurkenstaat noch Unsummen von Dollars vonnöten gewesen wären. Doch Bin Laden ist nicht genug. Zögling und Schurke Nr. 2, Saddam, schien ebenfalls merkwürdige AlQuaida-Beziehungen zu pflegen und das neben seinem Kontingent an MassenvernichtungsWaffen. Die Beweise dafür servierte man uns, der UN und der Welt 2003... Heute erinnert ein vielfach gerechtfertigter Krieg täglich seiner Folgen. Ein Krieg gegen Irak, gegen Terror, gegen Menschenrechtsverletzungen, gegen ein totalitäres Regime, gegen Saddam. Vor allem aber: Ein Krieg für Öl.
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Die Welt erschaudert bei den Fernsehbildern und bekommt gleichfalls ein Dutzend jubelnder Pälestinakids serviert. Logistisch einwandfrei werden gleichzeitig vier Flugzeuge entführt und keiner, aber auch keiner, bekommt was davon mit. Wo ist die amerikanische Flugsicherung, die Lupe über unserem Globus? Oder war einfach nur Frühstückspause? Kurz vorher noch telefonieren die Passagiere in den gekidnappten Flugzeugen in Todesangst mit Angehörigen. Komisch, dass niemand von ihnen, auch nicht die CNNJournalistin und Anwältin Babara Olsen erwähnt, dass es sich um fremdsprachige, dunkle Araber handelt. Verdächtig nahe liegt der Schluss, es könne sich um akzentfrei sprechende Weiße handeln. Die faschistischen Milizen in den USA schrecken seit dem Oklahoma Anschlag schließlich auch nicht mehr vor Massenmord zurück. Aber nein: es müssen Muslime sein, so wie es vor 20 Jahren die Russen gewesen wären. Und, ach ja, es gibt ja noch die Geheimdienste. Und siehe da, plötzlich fördern CIA, NSA und FBI einen fragwürdigen Araber nach dem anderen zu Tage. Viele Details scheinen es einfach nicht wert zu sein, darüber nachzudenken, wenn die Bilder von jenem 11.09. 2001 doch alles zu sagen scheinen. Warum findet man die Flugunterlagen der Megaterroristen in Mietautos? Warum findet man am Flughafen vergessene Reisetaschen mit Abschiedsbriefen? Wer sollte die Briefe lesen, wenn die Taschen nicht stehengelassen worden wären? Warum landeten diese Abschiedsbriefe an die Angehörigen nicht in einem Briefkasten? Warum buchen Terroristen Inlandsflüge und geben ihren Namen an, gefahrlaufend vom Geheimdienst abgefangen zu werden? Warum kein Bekennerbrief? Wer tut so etwas, ohne sich zu bekennen? Solche Medienwirksamkeit lässt doch das Herz eines jeden Terroristen höher schlagen. Doch keine Erklärung, keine Forderungen. Rein gar nichts.
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kreuzmoritsel
Lernpause Von Silke Bode Sorry für’s letzte Mal, doch der Genuss weihnachtlichen Glühweins nahm in dieser Zeit etwas überhand. Diesmal wieder ein Kreuzmoritsel, das (hoffentlich) aufgeht. Als Lösung erhaltet ihr die jährliche Freizeitbeschäftigung der Greifswalder Studenten. Viel Spaß! Rüber: 1. Feiern die Schweden am 21. Juni. 6. Wintersportart. 8. Ölhaltige Frucht. 10. Artig, lieb. 11. Christliches Fest. 12. lateinisch: "Weg". 13. Kleiner Fisch, der in den Kinos für Aufruhr sorgt. 15. Autor der Dreigroschenoper. 17. Englisches Bier. 19. Stadt auf Rügen. 20. Ungebraucht. 21. Ein Gift.
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22. Türkischer Schnaps. 24. Figur aus der Sesamstraße. 25. Bekannte Möbelhauskette. 26. Kleine Religionsgemeinschaft. 27. Eine einstellige Zahl. 28.Lateinamerikanischer Tanz.
Runter: 1. So werden Nicht-Zauberer bei Harry Potter genannt. 2. Gegner, Feind 3. Russischer Fluss zum Schwarzen Meer.
4. Italienische Stadt und Name einer Bildungsstudie. 5. Finnland ist das Land der tausend … 7. Spielkartenfarbe. 9. Fluss in Frankreich. 14. Schwedischer Krimiautor. 16. Eine Fischart. 18. Ein Musical. 19. Eine Käsesorte. 22. Ein Schmuckstück 23. Friedrich ..., deutscher Politiker (CDU).
Gewinner! Beim letzten Mal war das Kreuzmoritsel etwas misslungen.
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Trotzdem nahmen immerhin zwei kluge Leute wenigstens teil. Das Los entschied und moritz schuldet nun
KARIN HOLM, frohes fest!
Psychologie, einen mit ihm höchstpersönlich bedruckten Kaffeebecher. Der wartet im Redaktionsbüro.
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Lösungen bitte bis Anfang April an moritz@uni-greifswald.de, Stichwort: kreuzmoritsel. Oder in die Briefkästen in Mensa und Audimax. 52
moritz
Greifswald von unten
Ausnahmezustand Von Friedhelm (mit Manuela Wiese)
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“Schnee! Schutzsuchen bei Frauchen!” Leben oder Langeweile, Sex oder Samenstau, Knochen oder Trockenfutter??? Das sind Fragen, die einen Durchschnittshund wie mich am Jahresanfang beschäftigen. Und ich kann euch sagen, mein Jahr hat gar nicht so erfreulich angefangen. Kurz nachdem die Jahresuhr ihren schweren, dicken Zeiger auf 2004 geschoben hat, fuhr Frauchen mit mir ins verschneite Thüringen... was für eine Vorfreude ... und ich wurde an der Hüfte operiert. Ja, ja, da braucht ihr nicht zu lachen, viele von euch werden im fortgeschrittenen Alter auch noch dieses Vergnügen haben. (An dieser Stelle vielen Dank an die Doktoren vet., die mein neues Körpergefühl für ein Lächeln von Frauchen möglich gemacht haben.) Aber viel schlimmer ist, dass mir zu diesem Zwecke meine rotgoldenen Locken abrasiert wurden. Das ist ganz schön kühl, wenn ich über den Wall spaziere. Und die Damen würdigen mich keines Blickes... Aber ich will ja nicht rumjaulen. Das überlasse ich euch Menschen. Mein sogenanntes Hundeleben ist näm-
Foto: nett
lich gar nicht so schlecht. Kein Hund hat je was von einem 8Stunden-Tag gehört, und Vorlesungen und Seminare gibt’s in meinem Universum auch nicht. Nun kann ich euch eigentlich nur noch ein aufregend schönes neues Jahr wünschen... und wenn ihr mal irgendwo einen Knochen überhabt: Gebt ihn bei der moritz-Redaktion für mich ab.
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Tja, liebe Leute, nun hat wieder ein neues Jahr begonnen. Die Tage werden wieder länger und die Menschen haben die jährliche weihnachtliche Familienzusammenrottung mehr oder weniger gut überstanden. Ich persönlich muss euch sagen, dass ich für eure Silvesterbräuche relativ wenig übrig habe. Dieser 24stündige Ausnahmezustand, ein furchtbarer Lärm. Ein anständiger Hund verzieht sich da in ein stilles Eckchen und wartet, bis Frauchen wieder halbwegs zu Verstand gekommen ist. Dafür habe ich kein Verständnis, und es erscheint mir auch relativ sinnlos, nochmal so richtig über die Stränge zu schlagen und (erlaubt mir den Vergleich) den Bär tanzen zu lassen, um am nächsten Morgen mit besten Vorsätzen zu versuchen, sein ganzes Leben völlig umzukrempeln. Das kann ja nicht funktionieren. Ich habe ja schon herausgefunden, dass ihr euch eher selten für die naheliegende Lösung entscheidet. Aber ihr versucht es Jahr für Jahr aufs Neue: mehr Sport treiben, das Rauchen aufgeben, netter zu euren Mitmenschen sein, reich und berühmt werden und weniger trinken. Mir ist der Jahreswechsel natürlich auch nicht egal, und jedes neue Jahr ist ein besonderes Ereignis. Schließlich werden wir Hunde ja nicht so alt wie ihr Menschen, und da wissen wir so periodische Ereignisse natürlich viel mehr zu würdigen. Aaaach, diese Jahreswechsel stürzen mich immer in eine ganz nachdenkliche Stimmung. Seit über acht Jahren bin ich nun auf diesem schönen Planeten und irgendwann komme ich zu meinen Ahnen in die "Ehrwürdige Halle des großen Knochens". Dort gibt es immer was zu fressen, und die Hündinnen sind zahlreich und willig... Aber bis dahin werden noch viele Jahre ins Land ziehen. Da kann noch so viel passieren. Wird es ein Jahr voller
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Arvids Kolumne – Extended Edition
"Realität interessiert mich nicht" Gedanken zu einem Filmereignis / Von Arvid Hansmann “Tod!", rufen die Krieger von Rohan bevor sie, geführt von ihrem ehrenvollen König Theoden, auf das Schlachtfeld von Pelennor stürmen. Mit donnernden Hufen werden die gräßlichen Orks überrannt, die trotz ihrer Überzahl nur sporadische Gegenwehr leisten. Ohne Furcht stellen sich die blonden Recken den gigantischen Elefanten entgegen und nehmen es in Kauf, von diesen zerstampft zu werden ... Selbst routinierte Kinogänger werden von der Macht dieser Bilder ergriffen. Die Faszination reißt einen förmlich mit in das Geschehen hinein; man würde sich einfach der Streitmacht anschließen, ohne jeglichen Rationalismus "einfach drauflosschlagen". (Ich habe mich nie offiziell als Pazifist geoutet, hätte es aber tun müssen, wäre ich nicht ausgemustert worden.) Würde man jemanden in so einer Situation fragen, warum er dies tut, kämen Worte wie "Ehre", "Ruhm" oder "Volk und Vaterland" zur Sprache. Aber hier fragt keiner. Wenn die Kamera weiter über das digitale Schlachtfeld fährt, werden die Gedanken abstrakter: "Der Krieg muss sein; der Stärkere muss sich in
seinem Umfeld behaupten..." – Bellizismus – was im Atomzeitalter anachronistisch geworden ist, scheint in dieser Welt noch praktizierbar zu sein: Erst wenn der Gegner vernichtet ist, kann man Frieden finden. All dies ist nur Fiktion, für den Betrachter nicht greifbar – auch wenn sich (Kriegs-)Kunst und Architektur an Realem orientieren, ist diese "Realität" in einer fernen Zeit verankert, die pauschal als "Mittelalter" charakterisiert wird. Selbst die Wirklichkeit des Drehortes Neuseeland ist weiter entfernt als alles andere, diesmal in geographischer Hinsicht. Der Mensch verfügt jedoch über einen Abstraktionssinn, der es ihm ermöglicht, bestimmte Situationen auf sein eigenes Umfeld zu übertragen. Dabei kann er passiv die Dinge "so kommen sehen, wie es sich dort angedeutet hat", oder aktiv einzelnen Akteuren nacheifern. Hierbei kommt ein weiterer wesentlicher Punkt zur Geltung: die Schaffung von Protagonisten. Der kleinteiligen Welt der kriegerischen Heere werden Großaufnahmen von
"Helden" gegenübergestellt. Diese manifestieren sich zu großen Teilen in den Schauspielern – aber nicht nur: die Akteure werden Träger eines "Bildes". In Form dieses Bildes wirken sie sowohl auf ihr Umfeld in der Filmwelt, als auch auf den Betrachter. Ein Beispiel hierfür ist die Symbolfigur des Königs. Er ist es, der als führende Instanz für die Moral der Soldaten verantwortlich ist; sein Zweifel läßt auch ihren Mut schwinden. Schwächen sind es aber, die es dem Betrachter ermöglichen, sich mit dem Helden zu identifizieren. Sein ruhmreiches Agieren führt wiederum dazu, ihn zu verehren. Im Falle des Aragorn (gespielt von Viggo Mortensen) beispielsweise wird diese Verehrung (vor allem bei weiblichen Zuschauern) scheinbar mehr am Schauspieler, als an der Figur festgemacht. Jedoch ist es die Rolle, die ihm erst bestimmte "Attraktivitätsattribute" verleiht. Das Phänomen eines "Ideals" hatte ich ja bereits vor einiger Zeit im Bezug auf Natalie Portman als Padmé Amidala im ebenbürtigen Konkurrenzepos "Star Wars" erörtert.
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moritz
Hier ist ihr Pendant nun Liv Tyler in der Rolle der Arwen. Beide repräsentieren einen "gehobenen Stand", der sich einerseits politisch (bei George Lucas als Wahlkönigin/Senatorin) andererseits (bei Peter Jackson) "rassisch" manifestiert. Elben und Menschen bleiben "unter sich". Arwen muss zwangsläufig abtrünnig werden und auf ihre Immortalität verzichten, um sich mit einem Menschen vereinigen zu können. Hier wird nicht nur in groben Zügen angedeutet, dass der Mensch "ein Seil" ist, "geknüpft zwischen Ork und Elb", sondern auch innerhalb des Menschengeschlechts gibt es Differenzierungen. Die oben erwähnten "Bilder" werden auf die einzelnen Völker übertragen: Die Bewohner Rohans werden als "nordisch" stilisiert, die von Gondor als südalpin, "romanisch", wie der Baustil der basilikalen Thronhalle und der Stadt Minas Tirith. (Für die Gestaltung der "bösen" Menschen, gab’s sicher Subventionen seitens der amerikanischen Regierung ...)
Ein weiterer Sachverhalt, der in diesem Epos vordergründig kaum sichtbar wird, ist der Bezug zu biblischen Motiven. Relativ offensichtlich ist die Anlehnung an Kains Brudermord: auch dieser wird in ferne Lande verstoßen, ohne dabei umzukommen. Grundlage dafür ist Januar 2004
Liv Tyler in der Rolle der Arwen als “Bild” der Maria? jedoch der eigentliche Akteur dieser Geschichte: der Ring. Er ist in gewisser Weise Sinnbild für die "Frucht vom Baum der Erkenntnis". Wie die "Erbsünde", die nach theologischer Tradition im Menschengeschlecht immer weiter getragen wurde, wird auch der Ring zu einer verlockenden, aber schweren Last. Erst ein "Erlöser" aus dem "einfachen Volk" vermochte diese Last wegzunehmen. Frodos Versuchung im Schicksalsberg kommt dem menschlichen Bangen Jesu vor und während der Kreuzigung gleich. Sein Begleiter Sam wird zum Petrus, der ihn stützt und zum Evangelisten, der die Ereignisse tradiert. Die Krönung durch Gandalf gleicht der Salbung des Königs der Israeliten durch den Propheten Samuel – die Frage ist hierbei nur, ob es der unglückliche Saul oder bereits David ist, der hier diese Ehre erhält. Neben diesen inhaltlichen Motiven kommen hier auch ästhetische Anspielungen zur Geltung. Arwen wird in gewisser Weise zum Bild der Maria, zur Ikone (beistehendes Bild zeigt eine Mimik, die von tragischer Erkenntnis geprägt ist, der leicht geöffnete Mund spricht eine weltlichere Sprache...) Ikonen waren es, die im Kampf
Schutz versprachen. Sie wurden in Prozessionen um die Stadtmauern geführt, wenn es diese zu verteidigen galt. Selbst Stalin ließ bei der Belagerung Moskaus durch die Wehrmacht ein Bild der Gottesmutter über die Stadt fliegen. "Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs" - Die Faszination, die von diesem Werk ausgeht, basiert also zum einen auf der gigantischen Gruppendynamik, die sich aus diesem Wechselspiel von Angriff und Verteidigung ergibt. Zum anderen ist es die Identifikation mit denen "die Glück haben", oder wenn, dann mit "Pathos" untergehen – niemand möchte sich eingestehen, bei einer (hypothetischen) aktiven Teilnahme an so einer Schlacht nicht mehr als einen Reiter in der dritten Reihe oder irgendeinen Ork zu spielen, der ohne donnernde Chormusik um sein blankes Überleben kämpfen muss. Noch wird dies alles als eine bunte Schau angesehen, die man von der Realität zu unterscheiden weiß. Aber wie lange wird es noch dauern, bis die Frage "Wollt ihr den totalen Krieg?" nicht mehr ambivalent beantwortet wird: "Nicht wirklich..."
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Die "offizielle" Moral dieser Geschichte liegt offensichtlich darin, sich als Bewohner des Pommern- äh Auenlandes zu sehen, das als "kleine heile Welt" fernab der historischen Entscheidungsorte liegt. Auch wenn man gezwungen wird, ins große Räderwerk seiner Zeit einzugreifen, soll man hierher zurückkehren, um seinen Lebensinhalt zu finden – so hat es Tolkien wohl gewollt. Aber welcher Kinogänger will das? Im Buch ist die Rolle der Arwen erheblich kleiner und ihre Beziehung mit Aragorn zu weiten Teilen eine Konstruktion des Regisseurs – "klassisches Hollywood" ist es, was man sehen will, keine Kleinbürgermoral. Beim Thema Moral hat im Laufe der Trilogie eine weitere Gestalt sehr gelitten: der Zauberer Gandalf. Während er im ersten Teil noch über ethische Grundsätze philosophierte ist er am Ende zu einem radikalen Heerführer geworden.
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