moritz januar 2006
nr. 54
das greifswalder studentenmagazin
Hiwi oder Dowi? Lohnt es sich, ein Hiwi zu werden? Land will LHG-Änderung durchpeitschen Bartholomä: Pech für den König
statt des editorials
Provokationen
Ein Blick auf die Hochschullandschaft wirft Fragen auf: Muss denn jede Kleinstadt im Land eine eigene Fachhochschule ihr Eigen nennen dürfen mit ebenso einfalls- wie sinnlosen Angeboten wie dem „Bachelor of Science in Bioproduct Technology“ – aus Neubrandenburg, dem Welt-Epizentrum der Biotechnologie? Könnte man diese Art von FHs nicht wenigstens zusammenkürzen oder als ausgelagerte Institute der großen Universitäten betreiben? Muss ein Land mit 1,6 Millionen Einwohnern vom Ernährungstechniker bis zum Volkswirt alles ausbilden?
mus- und landwirtschaftsabhängiges Land wie M-V Arbeitsplätze schaffen, wenn nicht durch Studierte, die ihr Wissen anwenden und verkaufen wollen? Mit welcher Industrie, mit welchen anderen Wachstumsquellen will man aufwarten? Wie will ein im wahrsten Sinne des Wortes sterbendes Land junge Leute herbeiholen ohne angesehene Volluniversitäten? Das muss mir mal jemand einleuchtend erklären. Eine Greifswalder Universität sollte etwas anderes sein als eine Einrichtung, die auf maschinelle Weise bachelorgebürstete Psychologen, Osteuropaexperten und „Gesundheitswissenschaftler“ hervorbringt. Zu einer Universität gehören Lateiner, Historiker, Anglisten, Theologen, Romanisten, Mediziner, Betriebswirtschaftler und so weiter. Nur in einem Vollbetrieb Universität kann man fächerübergreifende Dialoge führen und nur mit einer „richtigen“ Universität kann man sich am Markt um die Studenten behaupten. „Greifswald – das ist doch dort, wo außer Slawistik, Skandinavistik, Physik und Medizin irgendwie nichts ist, hab ich gehört“ wird Manfred Musterersti sagen und woanders studieren und forschen. Greifswald kann von seiner Größe, Lage und Geschichte profitieren oder als spezialisiert-maschineller Kaderbetrieb namenlos und niedergespart untergehen.
Nein! Das Land braucht zwei große, prestigereiche Volluniversitäten. Leuchttürme für das Land, die nicht auf einer idyllischen Insel vor der Küste die Schiffe vorbei, sondern Wissenschaftler heranlocken sollen. Gut ausgestattete Universitäten haben Vorrang in der „real existierenden Wissensgesellschaft“. Vorrang auch davor, jede pommersche und mecklenburgische Dorfstraße mit Flutlicht auszustatten und jeden vor sich hinmodernden Betrieb mit Millionen Mecklenburg-Vorpommern ist nicht damit gedient, an Steuergeldern herunterzusubventionieren. wenn Millionen an den Unis brutal einspart werden, die dann an anderer Stelle für Arbeitslose wieder Jeder Politiker von dunkelrot, rot, grün, gelb bis ausgegeben werden müssen. Das Land braucht bestschwarz redet sich den Mund fusselig, wenn es um mögliche Unis, um nicht unterzugehen im Wettbedie Wichtigkeit der Bildungspolitik geht. Kommt es werb. Aufwachen! jedoch zur Kürzungsabstimmung, werden fraktionsJörg Weber gehorsam die Hände gehoben. Wo will ein touris-
editorial
Kann es sich ein Land wie Mecklenburg-Vorpommern, das mit großem Tamtam Existenzgründerprogramme und „Zukunftsfähigkeit“ propagiert, leisten, an den Hochschulen im Land zu sparen? Ist es wirklich immer der Fliesenleger, der sich selbständig macht oder sind es auch Germanisten, Biologen und Juristen?
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kurznachrichten / asta kurznachrichten Großdemo in Schwerin Zur zweiten Lesung zur Änderung des Landeshochschulgesetztes (LHG) organisiert der AStA eine Großdemo vor dem Schweriner Landtag. Diese wird am 25. Januar stattfinden, los geht es um 6 Uhr vom Nexöplatz bei der Europakreuzung. Auf der Landtagssitzung wird sehr wahrscheinlich eine Änderung des LHG beschlossen werden, die dem Bildungsministerium eigenmächtiges Schließen und Öffnen von Studiengängen an den Hochschulen ermöglicht. uli Querelen um Erstsemesterreferat im StuPa Auf der StuPa-Sitzung am 10. Januar musste AStA-Chef Thomas Schattschneider einen Rüffel von StuPa-Präsident Simon Sieweke einstecken, nachdem er die Stelle einer ErstiReferentin inklusive Aufwandsentschädigung ausgeschrieben hatte. Dies könne nur das StuPa, monierte Simon Sieweke, Thomas Schattschneider widersprach. Aber Simon Sieweke hatte sich bereits bei der Rechtsaufsicht der Universität abgesichert und sprach sich in der StuPa-Debatte, ob die Stelle nun vom StuPa auszuschreiben sei, dagegen aus. Eigentlich kein Problem, aber bei der Minimalbesetzung des Parlaments mit 12 StuPisten, die es noch bis 23 Uhr ausgehalten hatten, fehlte die entscheidende Stimme – woraufhin ein StuPist beantragte, das StuPa-Präsidium könne ja die Erstsemesterwoche ausrichten. Nach einer kurzen Pause stellte Thomas Schattschneider seinen Antrag erneut und verfehlte wieder die Mehrheit, woraufhin er und zwei weitere StuPisten aus Protest den Sitzungssaal verließen. Damit war die StuPa-Sitzung um 0.00 Uhr zuende, weil die restlichen neun Anwesenden nicht mehr beschlussfähig waren. uli
kurznachrichten / asta
Mehr Chancen für behinderte Studierende Die Lehr- und Prüfungssituation für behinderte und kranke Studierende soll verbessert werden. Dies ist das erklärte Ziel der AStA-Referentin für Studium und Lehre, Kristina Kühn, sowie des autonomen Referenten für behinderte und chronisch kranke Studierende, Alexander Schulz-Klingauf. Gemeinsam erarbeiten sie dazu eine Ordnung, die dem Senat zum Beschluss vorgelegt werden soll. ring
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AStA-Rücktritte Zum Ende des Jahres hat es im AStA zwei Rücktritte gegeben. Thomas Maier, Co-Referent für Ökologiefragen, und René Friedland, Co-Referent für Buchung und Beschaffung, haben ihre Ämter abgegeben. Beide Co-Referate werden kommissarisch weitergeführt. Wie AStA-Chef Thomas Schattschneider informierte, werden zu den Semesterferien auch die CoReferate für Bafög und Studienführung sowie für Internet und Technik frei. ring, uli
AStA
Allgemeiner Studierendenausschuss Ihr findet den AStA im Audimax in der Rubenowstraße 1. Telefon: 03834/861750 oder 561751 • Fax: 03834/861752 E-Mail: asta@uni-greifswald.de Internet: www.asta-greifswald.de Vorsitz: Thomas Schattschneider vorsitz@asta-greifswald.de Uni-Jubiläum und Alumni-Arbeit: Stefanie Hennig jubilaeum@asta-greifswald.de Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Anja Goritzka presse@asta-greifswald.de Internet und Technik: David Schlegel internet@asta-greifswald.de Soziales und Wohnen: Stephanie Dahn soziales@asta-greifswald.de BAföG und Studienfinanzierung: Katharina Markus bafoeg@asta-greifswald.de Kultur: Kathleen Bendick kultur@asta-greifswald.de Hochschulpolitik: Torsten Heil hopo@asta-greifswald.de Außenbeziehungen und Partnerkontakte: Natasja Ernst, partner@asta-greifswald.de Fachschaftsangelegenheiten und Gremienarbeit: Alexander Gerberding, fachschaft@asta-greifswald.de Politische Bildung und Nachwuchs: Nico Lamprecht bildung@asta-greifswald.de Studium und Lehre: Kristina Kühn studium@asta-greifswald.de Lehrevaluation und -entwicklung: André Kaminski evaluation@asta-greifswald.de Studierendenaustausch und Internationalisierung: Monika Peiz, austausch@asta-greifswald.de Finanzen: Martin Hackober finanzen@asta-greifswald.de Ausländer: Zoran Vasic auslaenderreferat@asta-greifswald.de Behinderte: Alexander Schulz-Klingauf behinderte@asta-greifswald.de Gleichstellung: Patrick Leithold gleichstellung@asta-greifswald.de Schwule und Lesben: Sandra Günther slreferat@asta-greifswald.de
StuPa – Studierendenparlament der EMAU Präsident: Simon Sieweke Stellvertreter: Kathrin Berger, Kai Doering E-Mail: stupa@uni-greifswald.de
inhalt t i t e l t he m a
Wenig Geld, viel Arbeit?
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Studentische Hilfskräfte zwischen historischer Begriffsbelastung und Arbeitgeberlaunen: Bis Hiwis für ihre Arbeit als richtige Arbeitnehmer anerkannt werden, wird noch viel Zeit vergehen.
ho c h sc hu l p o li t i k
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Das schriftstellerische Ouevre des von der Uni vor die Tür gesetzten Gerd Schultze-Rhonhoff entpuppt sich als billige Geschichtsumschreibe.
ho c h sc hu l p o li t i k
Durchgepeitscht
18/19 Trotz breiter gesellschaftlicher Ablehnung beharrt die Landesregierung auf der Änderung des Landeshochschulgesetzes. moritz recherchierte und befragte den Greifswalder LinksparteiLandtagsabgeordneten Gerhard Bartels zum Thema.
ho c h sc hu l p o li t i k
Streitbar
20 Der Greifswalder AStAChef Thomas Schattschneider trifft auf den SPDLandeshochschulpolitiker Mathias Brodkorb.
Wiedergeburt
Steven Soderbergh probt neue Vertriebswege für den Kinofilm, die das Genre umwälzen könnten.
ho c h sc hu l p o li t i k AStA, Kurzmitteilungen Interview: Rektor Westermann Interview: „Gewürzgurke“ gibt nicht auf Kommentar: Öffentlichkeitswirksam Kein Platz für Scharlatane Fazit 24-Stunden-Vorlesung Das StuPa und die Verbindungen Interview: FSK-Vorsitzende „Uni, wie geht es dir?“ Fachschaft Medizin und ihre Probleme Haushalt der Studierendenschaft Die neue unfertige Uni-Homepage Interview: Gerhard Bartels zum LHG LHG-Querelen Streitgespräch: Brodkorb versus Schattschneider Studiengebühren in Deutschland
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u ni ve r su m Interview: Michael Rodi in Montreal Rotaract weihnachtlich spendabel Mit Campus Europae on tour (Teil III): Von Novi Sad nach Riga Campus Europae diskutiert NMUN-Vorbereitungen in Greifswald Studentensegelboot „Wiking III“
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ku l t ur
u ni ve r su m
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Greifswalder Studenten lassen die „Wiking III“ wieder auferstehen.
Revolution
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28 Kulturleben in Greifswald 29 erste Greifswalder Kurzfilmnacht 29 98eins feiert Einjähriges 30/31 Bücher: Lesenswertes und Neues 32 Klavierkonzerte im Theater 32 Haydns Schöpfung begeistert 33 CDs: Hörenswertes und Neues 34 DVDs 35 Regisseur Soderberg auf Abwegen? 36/37 Kino: u. a. Match Point, Jarhead 37 Wandel in amerikanischen Serien 38 Poetry Slam fehlen die Dichter 38 Theater: Der König und ich
inhalt
Widerlegt
t i t e l t he m a Die Gegenwart der Vergangenheit Portrait: Germanistik-Hiwi Interview: Theologie-Hiwi Interview:Virenjäger-Hiwi an der RSF Portrait: Pharmazie-Hiwi Hiwi-Bürokratie leicht gemacht Umfrage: Was ist eigentlich ein Hiwi? Nebentätigkeiten
s pie l u nd s p a ß 39 Bartholomä: Pech für den König 40 kreuzmoritzel 41 m. trifft: Olaf Schmidt, Senf-Fan Arvids Kolumne: Too much history, man 42
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hiwis
Erste Hilfe für die Professoren Hiwis zwischen Vergangenheits- und Gegenwartsdebatten Sucht man im Internet nach der aus. Tutoren zum Beispiel sind studenAbkürzung „Hiwi“, stößt man bisweilen tische Hilfskräfte, wissenschaftliche auf Seiten, die mit dem universitären Mitarbeiter können dagegen Seminare Begriff des „Hilfswissenschaftlers“ wenig leiten. In den meisten Fällen jedoch zu tun haben. Stattdessen findet man die variiert die Art der Beschäftigung je Abkürzung in Büchern, die sich mit der nach Professor. Hauptsächlich stellen deutschen Besatzungsmacht in Russland die Professoren, die von der Uni die beschäftigen. Anzahl an Hiwis vorgegeben bekommen, „Hiwis, also sogenannte ‚Hilfswillige‘ studentische Hilfskräfte ein, um selbst waren im Dritten Reich Hilfskräfte aus Ve r a n t w o r t u n g Reihen der kooperationsbeabzugeben.Eher selreiten Zivilbevölkerung“, ten müssen studenerklärt Professor tische Hilfskräfte Thomas StammKaffee kochen und Kuhlmann vom kopieren. Historischen Laut Gesetz liegt Institut. „Sie die Obergrenze der leisteten in Arbeitsbelastung den besetzbei 82 Stunden ten Ländern pro Monat und Zuarbeiten für 19 Stunden pro Nazi-DienstWoche bei maxistellen, bei- Eine Zeitungskolumne mit heftigen Folgen. mal vier Semestern. spielsweise in Durchschnittlich Verwaltungsstellen, bei der Reichsbahn, arbeiten studentische Hilfskräfte zehn aber auch in Konzentrationslagern.“ Stunden pro Woche, denn Professoren Nach dem Krieg verschwand zwar stellen lieber mehr Studenten mit der Begriff des Hilfswilligen, aber die weniger Stunden ein, um eine bessere Abkürzung „Hiwi“ blieb in der deut- Arbeitsverteilung zu ermöglichen. schen Sprache erhalten. Im Juli letz- Aber sind studentische Hilfskräfte ten Jahres schrieb Stamm-Kuhlmann als eigentlich „Hilfskräfte“? Die Herkunft Reaktion auf die Definition von „Hiwi“ der Abkürzung „Hiwi“ ist ja schon ein einen Leserbrief an die Ostsee-Zeitung, kleiner Skandal, die damit verbundene und machte darin auf die ursprüngliche Degradierung für die Studenten eine Bedeutung der Abkürzung aufmerksam. Zumutung, leisten die meisten doch Die Reaktion nach der Veröffentlichung regelmäßige und dauerhafte Arbeit, sei war verheerend, stand Stamm-Kuhlmann es als Tutor, in der Bibliothek oder im doch plötzlich im Interesse rechts gesinnter Organisationen. „Dabei wollte ich den Leuten einfach nur hiwi ins Gedächtnis rufen, dass die Abkürzung ‚Hiwi‘ früher negativ konnotiert war“, rechtfertigt sich der Professor für Allgemeine Geschichte der Neuesten Zeit. Denn dass die Abkürzung heutzu- Benjamin ist seit Oktober 2005 Tutor tage leichtfertig gebraucht wird, zeigt die am Institut für Deutschen Philologie. Tatsache, dass damit sogar wissenschaft- Nachdem zuerst von der Dozentin der liche Mitarbeiter am Bundesgerichtshof Vorschlag kam,Tutor zu werden, lehnte er bezeichnet werden. ab. Im Sommer bewarb er sich dann aber An der Universität sind Hilfswissen- doch auf einen Aushang hin. Gründe für schaftler keine wissenschaftlichen die Wahl war zum einen die Möglichkeit, Mitarbeiter. „Hiwi“ ist vielmehr der sich auf diese Weise nebenbei auf seine Oberbegriff für studentische und wis- Prüfungen vorzubereiten und zum andesenschaftliche Hilfskräfte. Erstere ren der finanzielle Ausgleich. Außerdem benötigen keinen Hochschulabschluss, kann Benjamin so schon mal seine um eingestellt zu werden, wissen- Fähigkeiten als zukünftiger Lehrer testen. schaftliche Hilfskräfte jedoch schon. Seine Aufgabe ist es, „über das Tutorium Dementsprechend sehen auch die die StudentInnen des Grundstudiums Arbeits- und Verantwortungsbereiche Germanistik auf die Klausuren vorzu-
Rechenzentrum. Angemessener wäre wohl die Bezeichnung „studentische Mitarbeiter“. Gehälterwillkür und mangelnde Rechte als Arbeitnehmer – das waren die Kernpunkte der deutschlandweiten Debatte um Hiwis im letzten Jahr. Angefangen hat aber alles schon viel früher. In der Nachkriegszeit grübelten Studenten und Profs an Freier und Technischer Universität Berlin, wie man die Betreuung der Studenten an der Massenuniversität verbessern könnte. Sie kamen schnell auf die Idee, viele Studierende als Tutoren einzusetzen. Das trockene und kalte Klima zwischen Lehrenden und Studierenden sollte menschlicher werden. Mit Erfolg – schließlich sollte dann die Bezahlung auch grundsätzlich geregelt werden. 1979 erkämpften studentische Beschäftigte in einem Tutorenstreik einen Tarifvertrag, der bis heute als leuchtendes Beispiel dasteht. Ein Hiwi in Berlin verdient heute rund elf Euro pro Stunde, in anderen Bundesländern sind es zwischen drei und acht Euro. Die Berliner Beschäftigten mit Studi-Ausweis bekommen nicht nur Weihnachtsgeld, sie haben auch Anspruch auf Urlaubstage, Wochenend- und Feiertagszuschläge und geregelte Kündigungsfristen. In den anderen Bundesländern sieht es weniger rosig aus, dies förderte auch eine Studie der Marburger Politikwissenschaftlerin Ada-Charlotte Regelmann zutage. Im Frühjahr 2005
portrait
titelthema
Als Tutor in der Germanistik
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bereiten“. Durchschnittlich arbeitet er fünf Stunden pro Woche. 90 Minuten gehen davon für das Tutorium weg, bleiben 3,5 Stunden zur Vorbereitung. Nebenbei bietet der Job auch ein großes Lernpotential. Die Zusammenarbeit mit den Dozentin ist harmonisch, entgegenkommend, entspannt und freundlich. „Wenn mich jemand überfordert, dann bin ich das selbst“, sagt er. Um Hilfswissenschaftler – beziehungsweise in erster Linie Tutor – zu werden reicht nicht nur der bloße Wille, wenn er nicht mit Schweiß genährt wird, weiß Benjamin. kats
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Wer hat die meisten?
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Rosenstock und die fleißigen Bienen Interview mit Christian Gehrke – einer von fünf Hiwis am Lehrstuhl für Praktische Religion und Medienpädagogik. moritz: Du hast am Lehrstuhl von Professor Roland Rosenstock eine Stelle als Hiwi. Du studierst also Religion? Christian: Nein, ich studiere Germanistik und Latinistik auf Magister. Wie kommt man dann an diese Stelle als Hiwi? Weil ich Religion abgebrochen habe. Es fällt an so einem kleinen Institut wie dem der Theologie auf, wenn man nicht zufrieden ist. Herr Rosenstock hat mich angesprochen und nach den Gründen gefragt. Wir kamen ins Gespräch und er bot mir die Stelle an. Was bringt Dir die Stelle, wenn sie gar nicht den Inhalten Deines jetzigen Studiums entspricht? Ich möchte später als Journalist arbeiten. Da bringt mir die Stelle auf jeden Fall etwas. Was sind Deine Aufgaben? Zunächst einmal erstelle ich einmal im Moment ein Internetportal für Religionslehrer, in dem Lehrer Themen zu ihrem Fach nachschlagen können. Eine religionspädagogische Kollage. Die Artikel, die ins Netz gestellt sind, wurden von Dozenten in Greifswald und Rostock geschrieben. Außerdem redigiere ich Präsenzen und Internetartikel. Macht dir deine Arbeit Spaß? Im Großen und Ganzen schon. Allerdings fordert sie ganz schön viel Zeit. Neben Uni und Job bleibt nicht viel Freizeit. Oft arbeite ich am Wochenende, um all das Anstehende zu bewältigen und mache Überstunden. Interview: Uta-Cäcilia Nabert
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te sich in letzter Minute. Bis dahin war das vereinbarte Hiwi-Gehalt der Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst und damit der Inflation angepasst worden. Danach nicht mehr. Seit nunmehr 16 Jahren verdient ein Hiwi an einer Fachhochschule bis zu 5,58 Euro – es können aber auch nur 3,40 Euro sein, wie an der FH Weihenstephan in Bayern – und an einer Universität bis zu 8,02 Euro, während die übrigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst rund 15 Prozent mehr Lohn bis 2005 erhielten, von tariflichen Leistungen einmal ganz abgesehen. Nach den verpatzten Gesprächsrunden schöpfte die Allianz der studentischen Beschäftigten erst hiwi-statistik Anfang 2002 wieder Hoffnung. Mit der Umsetzung eines UB und FB, RechenPhilosophische Gerichtsentscheids 102 zentrum, FMZ 145 Fakultät des Europäischen Gerichtshofes fiel ein Großteil der studentischen Beschäftigten ab sofort unter den BundesangestelltenRuS tarifvertrag (BAT). Fakultät 92 Medizinische Doch die Trennlinie 225 Fakultät zwischen „Hilfskräften“ und „studentischen Beschäftigten“ MatNat Fakultät 118 ist darin scharf: Unter Quelle: Statistische Berichte M-V, BIII-j, Personal an Hochschulen, 2004 den BAT fallen diejenigen Hiwis, die in an den Hochschulen beschäftigt, so der Verwaltung arbeiten, nicht unter sind es Anfang 2003 schon 90.000 den BAT solche, die wissenschaftliche und letztes Jahr rund 150.000 gewe- Arbeit verrichten. Treffen sich also zwei sen. Einen Großteil der Arbeit an den Hiwis am Kopierer – der eine mit der Hochschulen verrichten heute die Hiwis. Kopiervorlage von seinem Prof und der Trotzdem hängen sie, was ihre Rechte andere mit Akten aus der Verwaltung als Arbeitnehmer angeht, neben den – so hat nur letzterer Anspruch auf Lehrbeauftragten im luftleeren Raum. tarifliche Leistungen. Arbeitgeber sind die Länder, die als Solch eine „willkürliche und ungerechTarifgemeinschaft 1986 zum ersten te Spaltung“ der Hiwis hält die 2002 Mal die maximale Höhe des Hiwi- gegründete Tarifvertragsinitiative der Gehalts festlegten. Gemeinsam mit den Studentischen Beschäftigen, „tarifini“, Gewerkschaften ÖTV und GEW hatten für falsch. die studentischen Beschäftigten 1993 In Greifswald scheint das Bewusstsein einen bundesweiten Tarifvertrag bis zur für niedrige Löhne und fehlende Unterschriftsreife verhandelt. Doch die Sozialleistungen der Hiwi-Arbeits-verHochschulrektorenkonferenz weiger- träge noch nicht angekommen zu
befragte sie rund 150 studentische Beschäftigte an der Philipps-Universität in Marburg und kam zu dem ernüchternden Ergebnis: „Man muss es sich leisten können.“ Das Spektrum der Tätigkeiten sei sehr vielfältig, so Regelmann, trotzdem zeichneten fast alle Befragten ein prekäres Bild ihrer Beschäftigung. Ihre Situation als Berufseinsteiger werde von den Universitäten rigoros ausgenutzt. Die Entlohnung sei unangemessen und die Vertragslaufzeiten seien zu kurz und unberechenbar, Bewerbungsverfahren schon gar nicht üblich. Und die Zahl der Hiwis an den deutschen Hochschulen steigt und steigt. Waren 1996 noch rund 55.000 Hiwis
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hiwis sein. Wer verhandelt schon gern mit seinem Prof, der womöglich in zwei Wochen die eigene Prüfung abnimmt, über Wochenendzuschläge und Urlaubstage? 2004 hatte jeder Greifswalder Professor im Durchschnitt drei Hiwis. Derzeit machen die mehr als ein Viertel der Beschäftigten unter dem wissenschaftlichen und künstlerischen Personal aus. „Auch wenn in anderen Bereichen der Uni Gelder gekürzt werden müssen, so haben wir das Budget für die Hiwis im Verhältnis immer etwas weniger beschnitten“, beruhigt Peter Rief, in der Uni-Verwaltung zuständig für Personalfragen. „Über eine Vertretung der Hiwis im Personalrat haben wir schon nachgedacht“, erläutert Gisela Patzelt, Mitarbeiterin des Personalrats Hochschulbereich in Greifswald, „aber
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Es werden immer mehr! 1996
Hiwis
Hiwis im Vergleich zu den Profs an der Uni Greifswald Quelle: Statistische Berichte M-V, BIII-j, Personal an Hochschulen, 2004, 2000,1996
uns sind durch das Personalvertretungsgesetz des Landes die Hände gebunden.“ In Mecklenburg-Vorpommern kommt die Diskussion derweil nicht in Schwung. Maik Walm, ehemalige Rostocker AStA-Vorsitzender, ist seit einem Jahr für die Gewerkschaft Erziehung und
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Dirk Stockfisch (25) kämpft als studentische Hilfskraft gegen Windows-Sicherheitslücken und veraltete Virenprogramme auf den Computern der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. moritz: Bist du einem konkreten Lehrstuhl angegliedert? Dirk: Nein, ich bin formal beim Rechenzentrum angestellt. Ich kümmere mich um alle 120 Computer der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Dirk Stockfisch. Wie genau hast du das angestellt? Ich wusste, dass Dr. Winkler vom PC-Pool der RSF immer mal Studenten für die Aufsicht sucht. Also habe ich ihn konkret auf freie Stellen angesprochen. Es war zwar nichts frei, aber zum Glück hat sich eben diese andere Sache ergeben.
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2004
Profs
Lebenslauftuning – Dirk Stockfisch versus Viren und Sicherheitslücken
Was genau hast du für Aufgaben? Ich muss auf allen Computern überprüfen, ob die automatische Update-Funktion von Windows und vom Antivirenprogramm aktiv ist und gegebenenfalls einstellen. Außerdem installiere ich ein Programm, das für den Zugriff auf eine Datenbank der Fakultät nötig ist. Wieviel Stunden arbeitest du in der Woche? Ich habe einen Vertrag über insgesamt 120 Stunden. Ich kann mir die Zeit pro Woche, in der ich meiner Arbeit nachgehe, also relativ frei einteilen.
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Warum machst du den Job? Es macht mir Spaß und man verdient Geld dabei. Außerdem ist es ja auch ein bisschen „Lebenslauftuning“. Interview: Sebastian Vogt
Wissenschaft (GEW) im Land aktiv. „In der GEW wird durchaus diskutiert, allerdings ist das Thema Hiwis eher ein Randthema“, so Walm, „auch wenn es durchaus Arbeitsverhältnisse gibt, in denen die Hiwis mit 7,14 Euro über den Tisch gezogen werden.“ kats, uli
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Hiwi in der Pharmazie Mit spannenden Laborexperi-menten schon während des Studiums Geld verdienen? Kein Problem mit einem Job als studentische Hilfskraft am Institut für Pharmazie. „Eigentlich gar nicht so schwer“, meint Jana Kumpfmüller, Greifswalder Studentin im siebten Semester der Pharmazie. Seit drei Semestern ist die 23-Jährige die rechte Hand von jungen und älteren Jana Kumpfmüller. Wissenschaftlern in verschiedenen Bereichen der Pharmazie. Anfangs unterstützte sie als Tutorin Studenten beim Lernen für Klausuren, jetzt vor allem Doktoranden bei der Vorbereitung und Durchführung von Forschungsexperimenten. Gute Noten und wenige Mitstreiter waren vorteilhaft für die Anstellung als Tutor und später als studentische Hilfskraft. Je nachdem in welche Projekte Jana eingeteilt ist, variieren ihre Arbeitszeiten. Momentan ist sie monatlich 12 Stunden im Labor. Obwohl sie bei Professoren angestellt ist, hat sie nur wenig Kontakt mit ihnen.Vielmehr entlastet sie wissenschaftliche Mitarbeiter und unterstützt sie, wo sie nur kann. „Wenn ich ehrlich bin, brauche ich für diese Arbeit nicht viel pharmazeutisches Wissen. Meist muss ich nur einzelne Flüssigkeiten von Reagenzglas zu Reagenzglas pipettieren und die Ergebnisse sammeln. Für die Auswertung sind dann wieder andere zuständig.“ Für ihre Bewerbung als studentische Hilfskraft stellte die junge Studentin einen formlosen Antrag und wies nach, dass sie das erste Staatsexamen mit mindestens gut gemeistert hat. Weitere Voraussetzungen musste sie nicht vorweisen. Engagement neben dem Studium ist für eine Bewerbung jedoch immer von Vorteil. So arbeitet Jana zusätzlich im Fachschaftsrat und anderen Projekten. Wie sie das alles schafft? Die gebürtige Rüganerin interessierte sich schon immer für die Naturwissenschaften und war vor allem von chemischen Reaktionen fasziniert. Dennoch benötigt sie viel Disziplin, Ausdauer und Organsisationstalent, um alles unter einen Hut zu bringen. ik
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Welche Hürden muss man nehmen, um studentische Hilfskraft zu werden? Klar, eine viel versprechende Bewerbung verfassen und dann nach einem positiv verlaufenen Gespräch die Zusage erhalten: „Wir würden uns freuen, wenn Sie für uns arbeiten.“ Dann, so glaubt man, hat man es geschafft. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Natürlich ist mit der Jobzusage das eigentliche Hindernis für eine Einstellung aus dem Weg geräumt, aber bis man seinem Arbeitsvertrag mit „dem Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch den Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, dieser vertreten durch die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, endvertreten durch den Kanzler“ in den Händen halten kann, gilt es noch einige Dinge zu erledigen. Dafür begibt man sich am besten direkt in die „Abteilung Personalangelegenheiten“ in der Domstraße 14. Personalfragebogen und Erklärung für das Landesbesoldungsamt bekommt man zum Ausfüllen gleich mit. Auf ihnen muss man Auskunft über weitere Arbeitsverhältnisse, zukünftige Arbeitszeiten, Studentenstatus, Gehaltsverzicht zugunsten der Altersvorsorge und Ähnliches geben. Für die Lohnsteuerkarte und das Führungszeugnis kommt man um lästige Behördengänge nicht herum. Man macht sich am besten auf den Weg zum Einwohnermeldeamt – in Greifswald in der Spiegelsdorfer Wende 1, ansonsten auch in der Heimatstadt. Die Lohnsteuerkarte gibt es bei Erstbeantragung gleich mit, in den folgenden Jahren wird sie mit der Post bequem nach Hause gesandt. Das polizeiliche Führungszeugnis ist leider nicht so leicht zu erhalten. Man muss einen Antrag stellen, zahlt dafür 13 Euro und erhält in den folgenden Wochen seinen „Auszug aus dem Bundeszentralregister“ – in dem hoffentlich keine Einträge vorliegen. Die meisten anderen Unterlagen hat jeder Student ohnehin zuhause: Studienbescheinigung aus dem Leporello, die Mitgliedsbescheinigung der Krankenkasse, die zur Immatrikulation vorgelegt werden musste und Lichtbild / Lebenslauf aus der Bewerbung um die HiwiStelle. Kleinere Probleme kann die Geburtsurkunde verursachen, sofern man keine beglaubigte Kopie zur Hand hat und das Original zuhause bei den Eltern lagert. Es bleiben also die Möglichkeiten, eine beglaubigte Kopie oder das Original aufzutreiben. Auch wenn dies ein wenig umständlich anmutet – es muss sein, schließlich bewirbt man sich ja um eine Anstellung im öffentlichen Dienst. Hat man schließlich alle Unterlagen beisammen und eingereicht, steht dem Abschluss eines Arbeitsvertrages nichts mehr im Wege. In diesem sind selbstverständlich Lohn (7,14 Euro/Stunde) und Stundenzahl pro Monat sowie der Beschäftigungszeitraum festgelegt. Bei der Unterzeichnung ist noch ein Eid auf das Grundgesetz zu leisten und die „Verschwie-genheitspflicht der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes“ zur Kenntnis zu nehmen. Außerdem gibt es einen Auszug aus dem Strafgesetzbuch mit, der die neue studentische Hilfskraft zur Einhaltung des Rechts ermahnt. Und dann? Dann ist man ganz offiziell Angestellter der EMAU und hat es endlich geschafft – und nach all den Hürden jeden Grund, sich zu gratulieren! tja
umfrage
Was macht eigentlich... ...ein Hiwi? Karoline Dürselen Deutsch/Biologie/Spanisch, 9. Semester „Ich habe noch keine eigenen Erfahrungen als Hiwi sammeln können, doch kann ich mir vorstellen, dass so ein Job eine Menge Aufwand erfordert. Wenn ich die Gelegenheit hätte, würde ich es aber auch machen. Schön ist, dass man sich die Arbeitszeit selbst einteilen kann.“ Luc Leipphold Jura, 1. Semester „Hiwis sind kluge Leute, die das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Klar, dass es auch Geld für die Arbeit gibt. Ich denke, wenn man HiWi werden möchte, sollte man einfach im Institut nachfragen. Wer tolle Klausuren schreibt, dem wird so ein Job auch angeboten.“
Andrea Stöckmann, Latein/Geschichte, 3. Semester & Gundula Fasold, Germanistik/Geschichte/Kommunikationswissenschaft, 5. Semester (v.l.) „Hiwis sind doch die, die immer für die Dozenten kopieren gehen. Meist sieht man sie nur an sich vorbeiflitzen. Ich hatte mal einen HiWi als Tutorin, die war total nett. Sicher kann man als Hiwi viele Erfahrungen sammeln, die auch das Studium unterstützen.“ Sven Dührkop, Deutsch/Englisch/ Schwedisch, 9. Semester „Ich bin seit dem letzten Sommersemester Tutor Fremdsprachenund Medienzentrum. Das FMZ arbeitet sehr viel mit studentischen Hilfskräften zusammen. Ich konnte während meiner Arbeit schon viele interessante Erfahrungen sammeln und bleibe fit in der Sprache.“ sars, ring
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Bürokratie, Bürokratie!
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Im Fadenkreuz er für drei Wochen den Hörsaal gegen Amerikanische Soldaten sind überall den Truppenübungsplatz um sich als im Einsatz: In Afghanistan, im Irak und C.O.B. zu verdingen. „Civilians on the in Hohenfels, einem Battlefield“ nennt die kleinen Landstrich amerikanische Armee zwischen Nürnberg und das Programm,in dessen Regensburg. Rahmen Zivilisten in Einige Male im Jahr verschiedene Rollen verwandelt sich die schlüpfen, um als Kulisse beschauliche bayrische für die Übungsmanöver Landschaft in den der Soldaten zu dienen. Kosovo oder die afgha„Ich war Arzt in einem nische Wüste und die kleinen Dorf“, berichtet amerikanische Armee Martin. „Um fünf probt den Ernstfall. mussten wir aufstehen, „Als ich dort war, eine Stunde später gab mussten die Soldaten es Frühstück und ab versuchen, einen Selbstsieben waren wir im mordattentäter zu stopEinsatz“, erläutert er Foto: ring den Tagesablauf. Dabei pen, der in seinem Jeep Martin Hackober. einen Hilfstransport ansei die Arbeit nicht greifen wollte“, erzählt Martin Hackober, schwer gewesen. „Meist waren wir eher der im dritten Semester BWL studiert. in Wartestellung, dass mal ein Amerikaner In der vorlesungsfreien Zeit tauschte vorbeikommt. Die Langeweile war dabei
ferienjob
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An der Cote d‘Azur
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Es ist 12 Uhr Mittags, ich bin seit fünf Stunden auf den Beinen, versuche gerade, einem französischen Kochbuch mit Hilfe des Wörterbuchs das Rezept für Lasagne zu entlocken, während ich meiner Gastmutter telefonisch versichere, dass „es mir gar nichts ausmacht, wenn sie heute Abend etwas später kommt“. Im Hintergrund mosert Charlotte, dass sie die Schuhe ihrer Barbie nicht finden könne. Ich beende das Telefonat, erläutere dem vierjährigen Zwerg neben mir, dass es Sommer und gar nicht schlimm sei, wenn Barbie barfuss laufe, sehe zu, wie sie zufrieden abzieht und wende mich wieder dem Mittagessen zu. Wie schön könnte es jetzt doch sein, in der Uni zu sitzen und eine ganz normale Konversation mit erwachsenen Menschen zu führen, denke ich kurzzeitig, während ich gleichzeitig schon überlege, was wir diesen Nachmittag noch alles unternehmen können. Multitasking ist als Au-Pair unerlässlich, genau wie die Fähigkeit, sich ständig und immer auf Neues einzulassen, man weiß nie so genau, was den lieben Kleinen als Nächstes einfällt. Seit drei Jahren verbringe ich meine Sommer jetzt damit, mir als Au-Pair bei verschiedenen
Familien im Ausland etwas Geld dazu zu verdienen und nebenbei Sprachkurse zu besuchen und so meine Sprachkenntnisse zu verbessern – wo kann man das besser als in dem Land, in dem die Sprache gesprochen wird? Dieses Jahr hat es mich nach Belgien verschlagen, genauer gesagt nach Brüssel, wo ich sieben Wochen lang bei einer Familie mit zwei Kindern gelebt und gearbeitet habe und dreimal die Woche zu einem Sprachkurs gegangen bin. Gearbeitet habe ich ca. 50 Stunden die Woche, das ist im Sommer normal, denn die Kinder haben Ferien. Wer sich überlegt, diesen Job zu machen, sollte also auf jeden Fall gerne den ganzen Tag mit Kids arbeiten – und auch genug Ideenreichtum mitbringen, um sie den ganzen Tag zu beschäftigen. Ein besonderer Vorteil des Lebens als Sommer Au-Pair ist die Tatsache, dass die meisten Familien im Sommer in Urlaub fahren und das Au-Pair mitnehmen, so kann man kostenlos einige Wochen z.B. am Meer verbringen, auch wenn man sich natürlich weiterhin um die Kinder kümmert, aber da die Eltern ja mit dabei sind, meist nicht in dem Umfange wie zu normalen Zeiten. So habe ich in den
unser größter Feind.“ Ansonsten seien die Regeln jedoch recht streng gewesen. „Handys und Laptops sind auf dem gesamten Gelände verboten, wir hatten also drei Wochen lang keinen Kontakt zur Außenwelt.“ Mit Bussen seien sie auf das Gelände gebracht worden, die sie nach Ablauf ihrer Zeit auch wieder abgeholt hätten. „Während der Übung haben wir im Dorf gewohnt und in Soldatenunterkünften übernachtet“, erzählt Martin. Bei einem Ferienjob sollte natürlich auch vor allem das Geld stimmen. „Ich habe pro Tag 90 bis 100 Euro bekommen - je nachdem, ob wir 24 Stunden in Bereitschaft waren oder einen normalen Tag hatten.“ Mehr als 2.000 C.O.B.s sind nach Informationen des Personaldienstleisters „Optronic“ seit 1999 wie Martin bereits zur lebenden Attrappe für die amerikanische Armee geworden. Gute Englischkenntnisse, Integrations- und Teamfähigkeit sowie Flexibilität sind einige der Voraussetzungen, die interessierte Bewerber mitbringen sollten. ring Mehr Infos unter: www.us-statisten.de. letzten drei Jahren meine Urlaube in Luxemburg, an der belgischen Nordsee und der Cote d’Azur verbracht. Die Wochenenden hat man als Au-Pair meist frei, genug Zeit also, um sein Gastland genauer kennen zu lernen, oder sich dem Lernen zu widmen. Wie wird man nun Sommer Au-Pair? Dank offenem Arbeitsmarkt ist der AuPair Aufenthalt innerhalb der EU relativ einfach zu regeln. Eine Familie findet man über eine der Hunderten von Onlinedatenbanken (zum Beispiel www. greataupair.com). Voraussetzungen gibt es offiziell keine, die meisten Familien nehmen allerdings lieber ein Au-Pair mit Erfahrung.Das Gehalt ist frei verhandelbar, richtet sich meist nach der Erfahrung des Au-Pairs, der zu arbeitenden Stunden und der Anzahl der Kinder. Wen es in die USA zieht, der muss den Weg über eine Agentur wählen, nur so kommt man an ein Visum. Das Programm dort ist viel stärker geregelt, es gibt nur zwei feste Ausreisetermine, die aber leider meist nicht mit den Semesterferien zusammen fallen. Die Arbeit als AuPair ist sicherlich nicht immer einfach, aber zumindest für mich einer der schönsten Sommerjobs der Welt. Ich habe alle meine „Sommerkinder“ ins Herz geschlossen und noch immer regen Kontakt zu den Familien – und ich habe meine Sprachkenntnisse nicht unerheblich verbessert. sari
nebentätigkeiten portrait
Der Pillentester Darf ich vorstellen? Justus. Justus Richter. 25 Jahre und unterwegs im Auftrag der medizinischen Forschung. Justus ist Student der Politikwissenschaft, kommt ursprünglich aus Hamburg und benötigt möglichst viel, möglichst schnell Geld. Deshalb ist er Teilnehmer an Probanden- Studien am Pharmakologischen Institut hier bei uns in Greifswald. Vor kurzem stellte Justus seinen Körper zum zweiten Mal der Medizin zur Verfügung. Damit wir später auf deren Wirksamkeit vertrauen können, testete Justus eine neue Art von Kopfschmerztabletten für uns. Pillentester sollten gesund sein, d.h. nicht rauchen, nur wenig Alkohol und Kaffee trinken, keine Medikamente nehmen und möglichst keinen verletzungsintensiven Sport treiben. Also der perfekte Studentenjob. Und so muss man sich das Procedere vorstellen:Als erstes wird Justus aufgeklärt
über Risiken, Art, Dauer und Aufwandsentschädigungen der Untersuchung. In Informationsbroschüren kann er alles noch einmal nachlesen und darüber nachdenken.Dann kommt der Hamburger, häufig gemeinsam mit männlichen Studenten der Pharmazie und Medizin, zur Voruntersuchung. Man greift besonders gern auf männliche Probanden zurück, weil deren Testergebnisse aufgrund geringerer Schwankungen bessere Akzeptanz finden. Justus werden Blut sowie Urin abgenommen und auf Giftstoffe und andere Sachen getestet. Dann wird unser Student in eine Gruppe, die ungefähr aus sechs Leuten besteht, eingeteilt. Damit beginnt der eigentliche, im Fachjargon, Kinetik- Tag im Krankenhaus. Mit Hilfe kinetischer Daten lässt sich das Verhalten des Arzneistoffes im Körper nachvollziehen, wie die Freisetzung aus der Arzneiform, dessen Konzentration im Blut oder anderen Körperflüssigkeiten
sowie dessen Abbau. Morgens erhält Justus das Medikament, entweder zum Schlucken oder gespritzt. Mit Hilfe regelmäßiger Blutabnahmen, dabei kann es sich schon mal um die 15mal handeln, wird tagsüber kontrolliert wie der Körper auf die Medikamente reagiert und sicher gestellt, dass es Justus auch gut geht. Nebenbei kann der Student sogar noch fürs Studium pauken, DVDs schauen oder nette Leute aus seiner Gruppe kennen lernen. Im Krankenhaus gibt es auch leckeres Essen. Ab 24Uhr kann er dann entweder nach Hause gehen oder auch im gemütlichen Krankenhaus übernachten. Nach einigen Wochen muss Justus noch einmal zu einer Abschlussuntersuchung. Abhängig von den gesundheitlichen Risiken des Medikaments und ethischen Aspekten wird er für die Teilnahme an den Studien bezahlt. Für das Schlucken der Kopfschmerztabletten erhielt Justus eine Aufwandsentschädigung von 250 Euro. Eigentlich ist das Pillentesten ungefährlich, ungünstig wäre es nur an mehreren Studien gleichzeitig teilnehmen, denn dann können schon mal unangenehme Nebenwirkungen auftreten. Bis zur nächsten Studie sollte der Proband eine Pause von mindestens drei Monaten einlegen. Demnächst werden Magensonden getestet. ik
titelthema
nebenjob
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neujahrsinterview
„Den Kern des Traditionellen bewahren“ Rektor Rainer Westermann über das Uni-Jubiläum, den neuen Internet-Auftritt und die Gespräche mit den Rektoratsbesetzern moritz: 2006 – ein bewegendes Jahr. Worauf freuen Sie sich als Rektor? Rainer Westermann: Auf Weihnachten. Aber doch auch auf das Uni-Jubiläum, das Sie im Angesicht von Finanznot und Stellenkürzungen feiern werden? Natürlich freue ich mich auf das Uni-Jubiläum! Was Stellenkürzungen und Finanznot betrifft, waren Prorektor Classen und ich gestern in Schwerin und haben die letzten Verhandlungen mit dem Bildungsministerium geführt. Das Jahresmotto lautet „550 Jahre – Tradition und Zukunft an der Ostsee.“ Was verstehen angesichts des Jubiläums unter Tradition? Eines der wesentlichen Merkmale einer guten Universität muss sein, dass sie sich einen Kern des Traditionellen, des Unabdingbaren bewahrt. Dieser Kern ist die Widmung unserer Arbeit der Wissenschaft. Das müssen wir verteidigen, uns aber auch immer wieder neuen Gegebenheiten anpassen.
hochschulpolitik
Das Rektorat wirkt lustlos gegenüber dem Jubiläum. Sie sollen einen längeren Festumzug durch die Innenstadt abgelehnt haben. Schadet das nicht dem Alumni-Gedanken? Das ist definitiv falsch. Wir haben in der Dienstberatung mit den Dekanen darüber gesprochen, ob wir so einen Marsch wie zum 500. Jubiläum machen wollen. Es war die durchgängige Meinung, dass dies keine zeitgemäße Form des Feierns einer wissenschaftlichen Einrichtung ist.
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Daraufhin wurde sofort der Zugang zu den Fakultäten erleichtert. Aber alles kostet Zeit, kostet Geld. Wenn man nicht viel Geld hat, kostet es mehr Zeit. Wir sind daher einfach noch nicht so weit. Gelobt wurde das freundliche und anmutige Design und die Tickerleiste auf der ersten Seite. Wie verlaufen die Gespräche mit den Rektoratsbesetzern? Ich kann verstehen, was die Studenten motiviert hat. Sie fühlten sich nicht informiert und plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt. Aber ich befinde mich seit drei Jahren durch unzählige Gespräche und Artikel im Diskussionsprozess. Ist es für Sie überraschend, wenn die Besetzer behaupten, ihre Vorschläge seien nicht breit genug in der Öffentlichkeit diskutiert worden? Ja, was heißt Öffentlichkeit? Erst einmal sind dafür die universitären Gremien zuständig, die ja hochschulöffentlich tagen und eine große Gruppe von studentischen Vertretern haben. Die Lokalpresse lesen die meisten Studierenden natürlich nicht. Ich wüßte nicht, dass ich etwas verheimlicht hätte. Was haben die Gespräche mit den Rektoratsbesetzern ergeben? Konkrete Ergebnisse haben wir nicht. Ein Gespräch vor Weihnachten ist krankheitsbedingt ausgefallen. Die Gruppe war sehr gut vorbereitet und hat sich sehr gute Gedanken gemacht.
Inwieweit werden Sie sich politisch von den Gesprächen beeinflussen lassen? Ehrlich gesagt, die wesentlichen poliJubiläums-Rektor Westermann: „Ich freu mich auf tischen Entscheidungen sind gefalSolche symbolischen Handlungen haben Weihnachten.“ Foto: Archiv len. Wir haben im letzten Senat vor ja ihren besonderen Wert. Weihnachten einen Vorschlag über Wir haben uns ja auch dafür entschieden, einige von ihnen Zielvereinbarungen diskutiert, wo festgeschrieben werden soll, aufrecht zu erhalten wie beispielsweise eine zentrale welche Fächerstruktur die Universität haben soll und wieviel Festveranstaltung am 17. Oktober.Wir werden dann auch vom Geld wir wofür in den kommenden Jahren bekommen. Wir Hauptgebäude zum Dom und zurück ziehen, wahrscheinlich haben gestern in Schwerin darüber das Abschlussgespräch anschließend auch mit allen Ehrengästen zum Pommerschen geführt und werden bei der nächsten Senatssitzung die letzte Landesmuseum. Fassung der Zielvereinbarung präsentieren. Wenn der Senat dem zustimmt, ist der Prozess abgeschlossen. Wenn er nicht Rechtzeitig zum Jubiläum ist die Uni-Homepage überarbeitet, aber zustimmt, dann wird es sehr schwierig und unübersichtlich immer noch nicht fertig. werden. Das Projekt wird nie fertig sein. Das System ist darauf angelegt, dass die Benutzer es für ihren Bereich annehmen und Dann entscheidet das Land nach der LHG-Änderung Ende des es füttern, pflegen und aktualisieren. Wir haben den neuen Monats über die Zukunft der Uni? Auftritt für Rektorat und Verwaltung eingeführt, aber noch Wenn der Senat die Zielvereinbarung verabschiedet, wird das nicht für die einzelnen Einrichtungen, Institute und Fakultäten. nicht passieren. In dem Moment, wo wir diese Zielvereinbarung Das will ich bewußt nicht erzwingen, weil viele an ihrer mit dem Ministerium unterschreiben dürfen, wird es seine Lehrstuhl- oder Instituts-Homepage hängen. Verordnungsermächtigung gegenüber unserer Universität nicht anwenden. Welche Verbesserungsvorschläge gab es? Ein Kollege schrieb, seine Klinik sei nicht schnell zu finden. Interview: Uwe Roßner, Ulrich Kötter
besetzer kommentar
Öffentlichkeitswirksam
Dem Rektor in den Kopf geschaut Wie geht es mit den Rektoratsbesetzern weiter? Nein, sie seien nicht die Protestgruppe, stellen Grit Alter und Christopher Trippe gleich zu Beginn des Gesprächs klar. Stattdessen habe man sich spontan „Gewürzgurke“ getauft. Am 16. November besetzten 25 Spreewalder Grüngewächse das Rektorat, verbrachten zwischen Ölgemälden und Büromöbeln eine unruhige Nacht und handelten schließlich mit Rektor Rainer Westermann einen Kompromiss aus: Es gibt Gespräche zwischen Westermann und den Protestlern, dafür wird das Sit-in ausgesetzt. Inzwischen haben fünf Gesprächsrunden stattgefunden, die letzte vor Weihnachten fiel krankheitsbedingt aus. Die Gruppe ist inzwischen auf 10 Mitglieder zusammengeschrumpft. moritz: Was haben die Gespräche mit dem Rektorat gebracht? Grit: Wir haben dem Rektor unsere Empörung über seinen Umgang mit den Geisteswissenschaften mitgeteilt. Wir haben durch die Besetzung erstmals Öffentlichkeit für dieses Thema hergestellt – Westermann gab dann auch zu, dass die Kommunikation innerhalb der Uni nicht immer optimal laufe. Was habt ihr konkret erreicht? Habt ihr Stellenkürzungen verhindert? Christopher: Es ging uns gar nicht um das Verhindern von Stellenkürzungen, weil wir zu der Diskussion gar nicht in der Lage sind. Wir wollten mit der Debatte um die Geisteswissenschaften eines erreichen: Dass Rektor Westermann seine Meinung überdenkt. Hat er sie überdacht? Grit: Überdacht wohl schon, aber nicht geändert. Wir können dem Rektor ja nicht in den Kopf schauen . Wir wollten ihn dazu bewegen, auf das Land einzuwirken und den Verantwortlichen klar
zu machen, dass die Hochschulen sich in eine Richtung entwickeln, die schlecht für M-V ist. Rektor Westermann wundert sich, dass ihr mit diesem Anliegen spät dran seid. Christopher: Seine Öffentlichkeitsarbeit war undurchsichtig. Er hat immer nur vage berichtet, ob er zu den Kürzungsvorschlägen Ministeriums konsequent Nein gesagt hat. Während der Gespräche mit uns hat er dann argumentiert, an diesem Defizit sei die unbesetzte Pressestelle Schuld. Wie geht es mit der „Gewürzgurke“ weiter? Grit: Eine Gesprächsrunde der „Gewürzgurke“ mit dem Rektor wird es vorerst nicht mehr geben. Warum nicht? Christopher: Wir müssen auch realistisch bleiben und können uns nicht gegenseitig totreden. Wir werden die Gespräche Revue passieren lassen und uns neue Aktionen überlegen – mit der Änderung des LHG steht uns ein noch größeres P ro b l e m bevor.
Kai Doering
hochschulpolitik
Haben einen Plan, wo die Uni hin soll: Christopher Trippe und Grit Alter von der „Gewürzgurke“. Foto: ring
Es waren hehre Motive, die eine Hand voll Kommilitonen leiteten, als sie im Handstreich das Rektorat besetzten und sich erst zum Abzug bewegen ließen, als ihnen die Uni-Führung Gespräche anbot. Kurz darauf begann dann auch ein Sitzungsmarathon, der nun im Januar nach fünf Treffen vorerst beendet wurde – Fortsetzung nicht ausgeschlossen. Doch was haben die Gespräche gebracht? Es sollte eine Richtungsdebatte um den Weg der Geisteswissenschaften in Greifswald angestoßen werden. Ist davon etwas zu sehen? Auch sollten die Gespräche einen Denkanstoß geben, ob die Kürzungen sinnvoll sind. Doch braucht es dafür tatsächlich erst eine Besetzung öffentlicher Gebäude? Am wichtigsten war den Besetzern jedoch eine Verlagerung der Debatte in die Öffentlichkeit. Sie wollten dem Rektorat die Position der Studenten mitteilen und forderten, dass diese Berücksichtigung finden solle. Die Frage darf erlaubt sein, ob zwanzig willkürlich zusammengefundene Kommilitonen tatsächlich die Meinung von über zehntausend Studierenden vertreten und ob eine Diskussion im Büro des Rektors die Hochschulöffentlichkeit bedeutet, die die Besetzer selbst gefordert hatten. Die Besetzung hat Greifswald deutschlandweit in die Schlagzeilen gebracht. Dies ist ein Verdienst der Besetzer, auf das sie zu Recht stolz sein können. Doch abgesehen davon wären sie besser beraten, ihre Energie und ihre Ideen in den demokratischen Gremien der Universität einzubringen.
Interview: Ulrich Kötter
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uni-debatte
Kein Platz für Scharlatane an der Uni
hochschulpolitik
Zum Fall des ausgebooteten Vortragsredners Schultze-Rhonhof
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Nachdem am 24. November die Universitätsleitung einen Vortrag des Generalmajors a. D. Gerd SchultzeRhonhof im Audimax untersagt hatte, rief dieser Akt sowohl im StuPa, als auch in der letzten Ausgabe des moritz ein lebhaftes Echo hervor. Schnell fielen im Zusammenhang mit dem Redner und der veranstaltenden Burschenschaft Rugia die Begriffe „rechtsradikal“ und „verfassungsfeindlich“, ja sogar die Apostrophierung „menschenverachtend“ konnte man lesen. Wurde aus dieser Perspektive zwar die Handlung der Universität zumeist verteidigt, meldeten sich allerdings auch viele Stimmen, die zur „Demontierung“ von Personen wie Schultze-Rhonhof eine Auseinandersetzung mit diesen in der Universität forderten. Dabei wurde eine Debatte entfacht, die sich in eine vollkommen falsche Richtung entwickelte. Natürlich ist es begrüßenswert, Personen mit Kontakten zum Rechtsextremismus, wie dieses ja offensichtlich bei der Burschenschaft Rugia naheliegt, keine Plattform in einer Hochschule zu gewähren. Statt sich allerdings in die rechtlich schwierige und letztlich müßige Diskussion über die vermeintliche „Verfassungsund Menschenfeindlichkeit“ von veranstaltenden Organisationen und eingeladenen Referenten zu versteigen, sollte es vielmehr Aufgabe der Universität – und damit auch des StuPas und des moritz – sein, zu prüfen, welchen fachlichen Nutzen ein UniversitätsExterner wie Schultze-Rhonhof mit sich bringt und welchen nicht. Wer aber jemals einen Blick in die „Publikationen“ von Schultze-Rhonhof geworfen hat, kommt sehr schnell zu dem Ergebnis, dass seine Schriften keineswegs akademischen Ansprüchen genügen. Eine Person aber, die systematisch wissenschaftliche Standards bricht (und dieses sogar noch im Vorwort offen zugibt!), hat allerdings nichts
an einer wissenschaftlichen Hochschule verloren. Die Erfüllung der vielfach vorgebrachten Forderung, dass es Aufgabe der Universität sei, mit Personen wie Schultze-Rhonhof in eine direkte Konfrontation zu treten, würde dagegen eine fatale Aufwertung dessen scheinwissenschaftlicher Thesen bedeuten. Kreationisten, die glauben, dass Dinosaurier und Neandertaler zur gleichen Zeit gelebt haben, werden schließlich auch nicht mittels Einladung zu Paläontologenkongressen aufgewertet, sondern in der Wissenschaft als „Lunatic Fringe“ ignoriert.
Sachliche Begründung einer „durchgefallenen“ Arbeit Obwohl eine Auseinandersetzung also letztendlich nur eine Aufwertung bedeuten kann, soll hier wenigstens kurz auf das Buch „Der Krieg, der viele Väter hatte“ eingegangen werden. Fängt man mit einer äußeren Kritik an,fällt augenblicklich das Literaturverzeichnis auf, mit dem sich Schultze-Rhonhof fast nur auf uralte Schinken gleichfalls revisionistischer, die deutsche Verantwortung am Zweiten Weltkrieg relativierender Literatur stützt. So findet man hier zum Beispiel neben dem Holocaustleugner Paul Rassinier, den ehemaligen SS-Mann und späteren Landserheftautor Erich Kern sowie den „klassischen“ Revisionisten David L. Hoggan. Allen genannten Autoren wurde bereits in den Sechziger Jahren nachgewiesen, nicht nur wissenschaftlich schlecht gearbeitet, sondern selbst vor systematischen Quellenfälschungen nicht zurückgeschreckt zu haben. Im Falle des von Schultze-Rhonhof in weiten Teilen reproduzierten Hoggans, konnten zum Beispiel Hermann Graml und Gottfried Jasper schon 1962/63 durch die einfache Gegenüberstellung von „echten“ und zitierten Quellen nachweisen, dass dessen These eines
Hitler „aufgezwungenen Krieges“ nur auf Hoggans gezielte Manipulation und Fälschung von Originalquellen beruhte. Da aber diese Fälschungen nunmehr seit mehr als vierzig Jahren bekannt sind, baut Schultze-Rhonhof in der unkritischen Verwendung eines Hoggans, Kerns oder Rassiniers seine Argumentation offensichtlich wissentlich auf Lügnern und deren Lügen auf. Gegenüber der mehr als zweifelhaften revisionistischen Literatur finden sich dagegen keinerlei Verweise auf die größeren Darstellungen der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs (zum Beispiel Hermann Graml, Walther Hofer, Andreas Hillgruber und Klaus Hildebrand). Stattdessen hat sich Schultze-Rhonhof an „seriöser“ Literatur offenbar mit dem „dtv-Atlas zur Weltgeschichte“ begnügt. Spätestens an dieser Stelle wäre allerdings eine Seminararbeit an einem Historischen Institut als durchgefallen bewertet worden, gehört es doch zur Pflicht eines Historikers, wenn man schon nicht mit der herrschenden Meinung in der Wissenschaft übereinstimmt, diese wenigstens zu kennen und das auch kenntlich zu machen. Selbst diesem einfachen akademischen Anspruch kann der Autor demzufolge nicht genügen. Schultze-Rhonhof beansprucht allerdings auch gar nicht, dass er die historiographische Literatur zum Zweiten Weltkrieg überhaupt gelesen hätte. Ähnlich wie ein David Irving schreibt er nämlich im Vorwort stolz, dass er sich ja fast ausschließlich auf Primärquellen stütze. Ein Blick auf die Fußnoten zeigt aber, dass er an Quellen keinesfalls irgendwelche Archive aufgesucht, sondern de facto nur die längst publizierten „Akten zur deutschen auswärtigen Politik“ (ADAP) verwendet hat, die er allerdings wiederum an anderer Stelle als eine von den Siegern manipulierte, in Teilen sogar gefälschte Publikation diskreditiert. Hier, wie auch in der von ihm geäußerten
Foto: ring
24-Stunden-Vorlesung wieder ein voller Erfolg Am 13. und 14. Januar fand die inzwischen vierte 24-Stunden-Vorlesung im Audimax statt. Die Zuhörer konnten einem breit gefächerten Programm lauschen, dessen Themenspektrum von „Von Cowboys, Clowns und Nazis – Wenn Männer scheitern“ bis zu „Orchideen, Waschpulver, Medikamente – Bio- und Gentechnik im Alltag“ reichte. Organisiert hatte das Ganze wie jedes Jahr der AStA, der mit Suppentöpfen und Bierkästen auch für das leibliche Wohl sorgte. Die 24-Stunden-Vorlesungen erfreuen sich inzwischen so großer Beliebtheit,
dass es zu studentischen Stoßzeiten wie zwischen 21 und 0 Uhr kaum eine Chance gab, auch nur in die Nähe der Hörsäle zu kommen. Selig waren die, die einfach auf ihren Plätzen von den vorangegangenen Vorlesungen sitzen geblieben waren. Doch die feuchtfröhliche Atmosphäre dämpfte die Enttäuschung über unerfüllte Vorlesungswünsche. Alles in allem ist die Idee mittlerweile so erfolgreich, dass man beim nächsten Mal vielleicht überlegen sollte, größere Hörsäle zu organisieren. Sitzplätze für alle würden das Bild dann abrunden. kos
Unsensibel und überdreht Das Thema „studentische Verbindungen“ im Zusammenhang mit der studentischen Selbstverwaltung taucht eigentlich nur noch in schöner Regelmäßigkeit bei den Erstsemesterwochen auf: Dann mokieren sich wieder AStA-Referenten und StuPisten, dass es doch nicht sein könne, dass die Verbindungen offensiv auf Ersti-Anwerbung gehen. Zwischen den Ersti-Events ist es normalerweise ruhig, was vielleicht auch daran liegt, dass weder im AStA noch im StuPa ein einziger Verbindungsstudent vertreten ist. Irgendwann während des letzten Semesters soll gar ein AStA-Referent die Bewerbung eines Verbindungsstudenten für einen AStA-Posten vor dessen Augen zerrissen haben, bekennen will sich jedoch keiner. Wider Erwarten stand das Thema nun plötzlich mitten im Semester gleich zweimal auf der StuPa-Tagesordnung, das sich auf seiner Sitzung am 29. November – im Zusammenhang mit dem abgesagten Rugia-Vortrag (siehe Nebenseite) – gegen Vorträge rechter Redner an der Uni ausgesprochen hatte. Der vermeintliche Eklat um die verhinderte Rhonhof-Lesung zog unerwartet eine Studentin auf den Plan, die sich berufen fühlte, in den Kampf um die Meinungsfreiheit an einer aufgeklärten Universität einzugreifen. Eine von ihr gestaltete Homepage zum Thema erschien im Internet, der AStA sah sich auf seiner montäglichen Sitzung mit der Frage konfrontiert, warum er gegen die zugeschlossene Tür nichts unternommen habe. Weil die Referenten einen eigenen Tagesordnungspunkt zum
Thema anberaumten und mal wieder alles zu lange dauerte, war am nächsten Morgen im Internet zu lesen, dass einzelne Referenten persönlichen Hass gegen Burschenschaften hätten. Der Homepage-Text kursierte auf den E-Mail-Verteilen der HoPo-Aktiven und im AStA erwog man gar, einstweiligen Rechtsschutz gegen die Studentin zu fordern.Die löschte derweil die Internetseite und lud mehrere Verbindungen, unter anderem die Burschenschaft Rugia als Hauptbetroffene zur abendlichen StuPaSitzung ein, um sich den rechte-RednerBeschluss erläutern zu lassen. Während sich der Pressesprecher der Rugia mit Meinungsfreiheitsfloskeln mühte, dem Vorwurf entgegenzutreten, seine Vereinigung sei eine Kaderschmiede der rechten Szene in Deutschland, erklärte ein Vertreter der Vereinigung deutscher Studenten, er wisse gar nicht, was er hier überhaupt solle. Unter Türenknallen verließen die Verbundenen schließlich den Saal – die Studentin, die alles angeleiert hatte, kündigte an, die Buchvorstellung erneut zu organisieren. Das StuPa beauftragte daraufhin den AStA, das zu unterbinden, was ihm dann auch fast durch eine Raumbelegung mit Vortrag „Zur Geschichte der Azoren“ á la „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ gelungen wäre. Doch ein zu früh endendes Seminar ließ die Buchvorstellung dann doch passieren. Allerdings wurde das Werk Schultze-Rhonhofs von anwesenden Geschichtsstudenten demontiert – die Organisatorin selbst soll es übrigens nicht mal gelesen haben. uli
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und schlichtweg falschen Unterstellung, dass ja die deutschen Historiker von den ehemaligen Siegermächten gezwungen würden, ein den Siegern gefälliges Geschichtsbild zu vermitteln, erkennt man aber spätestens die Absurdität und Paranoia der Gedankengänge von Schultze-Rhonhof. Trotzdem hier noch zu einigen inhaltlichen Passagen: Schultze-Rhonhof geht zusammengefasst davon aus, dass es wahrscheinlich „ohne Roosevelt, Stalin, `die Kriegspartei in England ́ und die polnische Regierung den Kriegsausbruch von 1939 [...] nicht gegeben“ hätte. Hitler wäre also gar nicht der eigentliche Verantwortliche des Krieges. Zumal der deutsche Überfall auf Polen ja angeblich legitim war, da man nur die „Wahrung der Menschenrechte der Volksdeutschen, [die] Wiederangliederung Danzigs und [den] Bau exterritorialer Verkehrsverbindungen nach Ostpreußen“ beabsichtigt hätte.Dutzende von Belegen, die die seriöse Geschichtswissenschaft anführen kann, dass Hitler natürlich schon länger einen Eroberungskrieg mit dem Ziel der Schaffung von Lebensraum im Auge hatte (vergleich diverse Stellen in „Mein Kampf“, „Vierjahresplan“ et cetera), werden vom Autor entweder beiseite gewischt, oder – wie etwa die Hoßbach-Niederschrift aus dem Jahre 1937 – in die Nähe einer Fälschung gerückt. Hier offenbart sich die häufig anzutreffende, revisionistische Strategie, die erdrückende Quellenlage zu ignorieren, lediglich ein bis zwei Quellen herauszugreifen und diese als Fälschung zu erklären. Eine Kontextualisierung des Kriegsausbruchs im Jahre 1939 etwa mit der terrorerfüllten Innenpolitik Hitlers oder auch ein Eingehen auf den Vernichtungsfeldzug gegen Polen und die UdSSR fehlt. Resümiert man also den fachlichen Wert der Schriften Schultze-Rhonhofs, ist dieser gleich Null. Kommt man nun aber zu dem Urteil, dass eine solche revisionistische Literatur mit Wissenschaft nichts zu tun hat, sondern eine ähnliche Qualität wie der Kreationismus in der Paläontologie oder die Scharlatanerie in der Medizin besitzt, kann jede Diskussion auf gleicher Augenhöhe immer nur eine Aufwertung solcher Personen bedeuten, die letztendlich dazu führt, Wissenschaft und vor allem die Maßstäbe von Wissenschaftlichkeit zu untergraben. Da aber genau dieses die Strategie von Kreationisten, Scharlatanen und eben auch Revisionisten ist, kann man nur noch einmal wiederholen, dass eben solche in und an der Universität nichts zu suchen haben. Dirk Mellies
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„Wir wollen die schlechten Studienbedingungen weiter publik machen.“ Katja Gäbler und Anna Schulze sind seit Mitte Oktober letzten Jahres Vorsitzende der Fachschaftskonferenz (FSK). Jeweils am ersten Montag im Monat kommen dort alle Vertreter der Fachschaften zusammen. moritz: Welche Themen werden auf der FSK behandelt? Anna: Auf jeder der vergangenen Sitzungen ging es um die zum Teil haarsträubenden Studienbedingungen an den Instituten und wie wir etwas dagegen tun können. Beim letzten Mal haben wir auch über Probleme mit den Prüfungsordnungen diskutiert. Wird in der FSK die pragmatische Politik gemacht, die das StuPa öfters mal vermissen lässt? Katja: Lange wurden auf den Sitzungen nur Informationen ausgetauscht. Sicherlich sind die Sitzungen nicht ganz so formal wie die des StuPa, eine Tagesordnung haben wir aber durchaus. Anna und ich haben uns neben dem Informationsaustausch bemüht, aktionsreicher zu werden. Inwiefern? Anna: Wir versuchen, Probleme der Fachschaften an die Öffentlichkeit weiterzutragen und dadurch mehr zu bewegen. Auf der FSK hat man alle Fachschaften von allen Fakultäten zusammen, wodurch sie die Interessen der Studierenden viel ausgewogener und direkter spiegelt als das StuPa. Wird denn auf die FSK eher gehört als auf das StuPa? Katja: Eher nicht, denn die FSK hat gegenüber den anderen
FSK-Vorsitzende Anna Schulze, Katja Gäbler (v.l.): Direkteres Bilde der Uni auf den Sitzungen. Foto: uli studentischen Gremien nur eine beratende Funktion und ist auch nicht so bekannt. Oft fragen uns Leute, was die FSK denn überhaupt sei. Wäre eine gewichtigere Rolle in der studentischen Selbstverwaltung nicht angemessen? Anna: Die Struktur der FSK lässt das nicht zu. Denn die Fachschaften werden nicht gleichzeitig gewählt und wechseln ständig, so dass auf den Sitzungen immer auch neue Leute sitzen. Somit ist es schwierig, gemeinsame Pläne und Aufgaben festzulegen. Daher ist und bleibt die wichtigste Aufgabe der FSK der Informationsaustausch. Als Verbindungsstelle zu den anderen studentischen Gremien ist die FSK unerläßlich. Was habt ihr in eurer restlichen Legislatur noch vor? Katja: Wir wollen die schlechten Studienbedingungen noch weiter publik machen. Am 9. Januar war unsere vorerst letzte Sitzung in diesem Semester und unsere Legislatur endet im April. Da wir uns gerade gut in die Arbeit eingefunden haben, könnten wir uns vielleicht vorstellen, uns noch einmal zur Wahl zu stellen. Interview: Ulrich Kötter
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Uni, wie geht es dir?
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Über die Studienbedingungen an der Universität Greifswald ist bereits viel gesprochen worden. Offensichtlich noch nicht genug. Deswegen will die Fachschaftskonferenz, bei der alle Vertreter aller Fachschaftsräte zusammenkommen, noch weiter darauf eingehen. Nahaufnahmen vom Juristischen Instiitut hätten ebenso gut auch in den meisten anderen Instituten gemacht werden können. Wie in der Nordistik, bei der das Gebäude zusammenbrechen würde, gäbe es nicht inzwischen feuerpolizeiliche Beschränkungen, die die Anzahl der Personen, die gleichzeitig im Gebäude sein dürfen, festlegt. Zu dumm nur, dass diese Zahl bei 150 liegt. Gar kein Problem, es gibt ja schließlich nur circa 400 Studierende am Nordischen Institut. Doch sind es ja nicht alleine die baulichen Mängel, die das Studieren „ein wenig“ erschweren, sondern vor allem
die Lehrsituation selbst. Überfüllte Lehrveranstaltungen an allen Instituten, in denen man sich manchmal nur ein paar Zentimeter neben dem Lehrenden oder dem verdreckten Heizungsrohr auf dem Boden wieder findet, sind dabei schon der Normalfall. Es kann aber auch vorkommen, dass man erst gar nicht zu den Veranstaltungen gehen muss, da sie auf Grund von Lehrkräftemangel nicht stattfinden. Für die Klausuren, die man in diesen Fächern schreiben soll, ist es dann natürlich von Vorteil autodidaktische Fähigkeiten zu besitzen. Diese kann man sich in der Regel in den Fachbibliotheken aneignen, sofern diese auch länger als vier Stunden pro Tag geöffnet haben. Schade für die Altertumswissenschaften bei denen es nicht so ist. Sollte man sich dazu entschließen, oder sich im Rahmen seines Studienfaches dazu entschließen müssen, an unserer
Universität eine Sprache zu erlernen, kann man mit vielen Gleichgesinnten rechnen, so dass man sich in gemütlicher Kuschelatmosphäre mit 100 bis 180 anderen Studierenden mehr oder eher weniger intensiv dem Spracherwerb widmen kann. Sollte Ende Januar das neue Landeshochschulgesetz in Schwerin verabschiedet werden, verschlechtert sich die Situation der Universität zusätzlich. Denn mit diesem wird der Uni die Autonomie genommen, universitätsinterne Entscheidungen zu fällen. Und ob ein Ministerialbeamter besser weiß, wo die Probleme liegen, ist fraglich. Wir sind dann abhängig von der Landesregierung, die den Hochschulen im Moment offensichtlich nicht besonders wohl gesonnen ist. Anna Schulze und Katja Gäbler (Vorsitzende der Fachschaftskonferenz)
finanzielles
Reden ist Silber Der Fachschaftsrat Medizin und seine Probleme Es gab mal einen Fachschaftsrat Medizin, den gab es offiziell gar nicht. Obwohl gewählt wurde. „Mir fehlten die nötigen Protokolle vom Wahlprüfungsausschuss, um die gewählte Fachschaft anzuerkennen“, sagte Alexander Gerberding, AStA Co-Referent für Fachschaftsangelegenheit en und Gremienarbeit, Ende letzten Jahres. So hatte er keinen Nachweis über die Legitimation der Wahl. Was er bekam, waren immer nur Aushänge oder andere Unterlagen. Durch ein Missverständnis Alexanders kam es sogar zu dem Gerücht, er hätte die Protokolle verschlampt. Doch ihm lagen noch immer nicht die richtigen Unterlagen vor. Verständlich, dass der FSR den Kopf hängen ließ und resignierte. Mittlerweile, fast ein Jahr später, sind die Protokolle da und die Medizin hat einen offiziellen Fachschaftsrat. Über die Gründe, weshalb das so lange dauerte, kann nur gemutmaßt werden. Am nahe liegendsten ist, dass der alte Fachschaftsrat 2004 seine Aufgaben nicht ordnungsgemäß an die Neuen
übergeben und ihn sprichwörtlich „ins kalte Wasser geworfen“ hat, als es um die Protokollierung der Wahl ging. Ein weiterer, nicht unerheblicher Grund für die Verzögerung wird sein, dass der FSR kaum erreichbar war und weder auf E-Mails noch auf Anfragen reagierte, sodass Missverständnisse vorprogrammiert waren. Mittlerweile ist eine neue Wahl für Februar angesetzt. Die Protokolle sind schon da. Bereits die Ausgangslage für die Arbeit des damals noch „inoffiziellen“ FSR war schwierig, denn für die Auszahlung von Geldern ist ein gewählter, anerkannter Fachschaftsrat und ein ordnungsgemäßer Jahresabschlussbericht Voraussetzung. Da Zweiteres zu mehrmaligen negativen Prüfungen führte, wurde das Konto 2004 gesperrt. Bis heute. Das mag nach sturem Bürokratismus klingen, „aber bei der Höhe der verwalteten Gelder ist das nicht hinnehmbar und nicht umsonst haben wir eine Finanzordnung der Studierendenschaft“, rechtfertigt sich Eric Kibler, ehemaliger Finanzreferent beim AStA. Gelder für 2006 könnten
nun normalerweise ausgezahlt werden, doch es fehlen noch die Abrechnungen vom letzten Jahr. Vom AStA ist einstimmig zu hören, dass sowohl Alexander, als auch Eric und Martin Hackober, derzeitiger Finanzreferent, kooperationsbereit seien, doch der Fachschaftsrat Medizin stehe in der Bringepflicht, um die Sachlage zu klären. „Dann sehen wir weiter, aber es wird sich schon eine Lösung finden“, gibt sich Martin optimistisch. Trotz aller Schwierigkeiten hat der Fachschaftsrat 2005 gute Arbeit geleistet. Für die Medizinstudenten im ersten klinischen Jahr boten sie per Vorauskasse den Verkauf von Reflexhämmern und Stethoskopen an, sorgten für die Verteilung von Kitteln und organisierten sogar den Medizinerball für alle Mediziner, der ein voller Erfolg gewesen sein soll. Und auch die Kommunikation zwischen den studentischen Vertretern des Fachschaftsrates und den Dozenten funktioniert gut, was umso erstaunlicher ist, da die Hauptursachen für die Probleme mangelnde Gesprächsbereitschaft und Kommunikationsbarrieren zu sein scheinen. Dieser Artikel hätte ausgewogener sein können, doch aufgrund wiederholter geplatzter Termine und Unerreichbarkeit war ein Interview mit dem Fachschaftsrat nicht möglich. kats
Geld für GrIStuF und Unijubiläum steht zur Verfügung Mitte Dezember des vergangenen Jahres verabschiedete zur Durchführung der Woche Ende März. „Der Haushaltsplan das Studierendenparlament (StuPa) einstimmig den neuen 2006 geht jetzt in die Universitätsverwaltung und tritt in Kraft, Haushaltsplan für 2006. Somit stehen der studentischen wenn der Rektor ihn genehmigt hat“, so Martin Hackober. Selbstverwaltung für dieses Nicht nur die studentische Jahr circa 277.600 Euro zur Selbstverwaltung sondern Die wichtigsten Zahlen 2006 im Überblick Verfügung. auch die Fachschaften erhalten „Rund 166.000 Euro stammen finanzielle Unterstützung aus 277.602,67� aus den Rückmeldegebühren Gesamthaushalt 2006 den Beiträgen der Studierender Studierenden dieser denschaft. „Rund 28 Prozent Universität“, erklärt der davon gehen an die Fachschaften. Das 166.400 � Finanzreferent des Allgemeinen Studierendenschaftsbeiträge sind also gute 47.000 Euro“, S t u d i e re n d e n a u s s c h u s s e s rechnet Martin Hackober vor. (AStA), Martin Hackober. Denn Mit diesen Geldern können von den 50,50 Euro kommen �������� ���� die Fachschaften zum Beispiel 45.000 � jeweils acht Euro der studen- Uni-Jubiläum die beliebten traditioneltischen Selbstverwaltung zu GrIStuF 2006 len Frühjahrsbälle organisie6.500 � gute. „Wie im Vorjahr unter- Radio 98eins ren oder andere kulturelle 5.000 � stützen wir wieder Stellen Erstsemesterwoche und fachliche Veranstaltungen 8.000 � außerhalb der Uni wie Radio rund um die Greifswalder 98eins, GrIStuF und das Universität. „Der sinnvollen Förderprogramm Studentenclubs“, berichtet er weiter. Aber Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist auch innerhalb der Universität werden die Gelder eingesetzt. nur, dass die Fachschaften bis zum 31. März bei mir ihre Die Vertretung der Studierendenschaft investiert 22.000 Euro Haushaltsunterlagen von 2005 einreichen, damit sie ihr Geld in den 550. Geburtstag der Greifswalder Alma mater und bekommen“, erklärt der Finanzreferent des AStAs. außerdem erhält die zukünftige Erstsemesterreferentin Mittel Anja Goritzka, AStA-Co-Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
hochschulpolitik
StuPa verabschiedete Haushaltsplan 2006
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homepage
Was lange währt, wird endlich gut
hochschulpolitik
Die Universität hat eine neue Internetseite
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Am 13. Dezember 2005 um 16 Uhr war es so weit – Die neue Homepage der Universität Greifswald war fertig und ging online! Damit hat sich die Uni zum diesjährigen 550. Jubiläum selbst ein längst überfälliges Geburtstagsgeschenk gemacht. Sicherlich ist die Seite bei der Handhabung noch ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber dennoch kann sie sich sehen lassen. Lange genug gedauert hat es ja: Seit fast zehn Jahren wurde die Internetseite vom Layout her nicht modernisiert und mitunter ein wenig stiefmütterlich behandelt. Aber als sich im Herbst 2004 eigens dafür eine universitätsinterne Kommission gründete, kam endlich frischer Wind und neue Energie in die zum Teil festgefahrene Angelegenheit. Die vorangegangene Bemühungen, eine neue Internetseite zu gestalten, versandeten aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen Rektorat und dem inzwischen entlassenen Leiter der Pressestelle, Dr. Edmund von Pechmann. Erst die Kommission schaffte es innerhalb eines halben Jahres, die Ausschreibung zu tätigen und den Auftrag zur Neugestaltung der Uni-Homepage zu vergeben. Dabei machte es sich die Kommission nicht leicht. Die Bewerber mussten mehrere Runden durchlaufen bis eine Berliner Firma letztendlich den Zuschlag bekam. Nach weiteren sechs Monaten kann sich das Ergebnis vom 13. Dezember 2005 sehen lassen: Klarheit und Moderne bestimmen das Design der neuen „Visitenkarte“ und vergessen dennoch die Tradition nicht. Bilder aus dem universitären Leben erhöhen den Wiedererkennungswert und frischen die Seiten optisch auf. Auch das Motto „Universität der kurzen Wege“ wurde bei der Gestaltung der neuen Internetseite umgesetzt. Mit wenigen Klicks findet man die gesuchten Inhalte – so die Theorie. Jedoch gab es bereits in den ersten Tagen einige kritische Stimmen, die zu Recht bemängelten, dass sich vor allem die Fakultäts- und Institutsseiten nur schwer finden lassen. Obwohl Kommissionsmitglied Stefan Hatz dies schnell beseitigte, indem er der Rubrik „Schnelleinstieg“ den Link „Fakultäten“ hinzufügte, ist die Verlinkung zu den entsprechenden Seiten immer noch mangelhaft.Von einigen Instituten sind nur Fragmente der eigenen Seiten zu finden. Schade auch, dass das Design von Uni- und Instituts-Homepages nicht einheitlich gestaltet ist. Dabei wäre jetzt die Chance dazu gewesen. Doch muss man den einzelnen Fachbereichen ihre Freiheit der persönlichen Gestaltung ihrer Seiten zugestehen. „Die neue Homepage ist ein wesentlicher Fortschritt – sowohl vom Design als auch von der Funktionalität her“, so Rektor Westermann im Gespräch mit dem moritz. Das neue Content-Management-System ist darauf angelegt, dass die Mitarbeiter ihren Bereich selbständig weiterentwickeln und aktualisieren können. Somit kann die Internetseite unabhängig von Externen gepflegt und gewartet werden. Die nächste Aufgabe ist die Erstellung einer englischen Version, die leider noch auf sich warten lässt. „Das stimmt, aber alles kostet Zeit und Geld. Und wenn man kein Geld hat, kostet es mehr Zeit“, so Westermann. Dennoch soll eine Übersetzung der Homepage keine Vision bleiben und wenn alles klappt wie geplant, wird es die englische Homepage bis zum UniJubiläum geben. Es schweben sogar Ideen durch die Köpfe der Verantwortlichen, die Hauptseiten auch in die Sprachen der Nachbarländer zu übersetzen. lil
„Die Regierung hat kein Konzept“ Interview mit Dr. Gerhard Bartels, fraktionsloser Landtagsabgeordneter der Linkspartei und Hochschulexperte moritz: Wird die Änderung des Landeshochschulgesetzes (LHG) am 25. oder 26. Januar vom Landtag verabschiedet werden? Dr. Gerhard Bartels: Ich gehe davon aus - sowohl die Eile als auch der Diskussionsverlauf sprechen dafür. Wie bewerten Sie die Anhörung der Rektoren im Bildungsausschuss am 11. Dezember des vergangenen Jahres? Ich habe im Laufe der letzten 11 Jahre schon viele Anhörungen erlebt, aber eine so einmütige und drastische Ablehnung eines Gesetzentwurfes eigentlich nie. Wird die Koalition die Anhörung ernst nehmen? Sie hat auf der Sitzung des Bildungsausschusses am 12. Januar eine Änderung beschlossen, steht aber weiterhin unter dem Druck der Regierung: In deren Personalkonzept für das Jahr 2004 steht bei den Einsparkonzepten zu den Hochschulen eine Fußnote: Eine Änderung des LHG sei notwendig, um das Personalkonzept durchzusetzen. Dabei sei auf die Regelung des alten LHG zurückzugreifen, dass das Ministerium nach Anhörung der Hochschulen über Öffnungen und Schliessungen entscheidet. Für die Streichung eben dieses Satzes haben wir bei der Neufassung des LHG vor vier Jahren erbittert und erfolgreich gestritten! Bildungsminister Metelmann denkt über Spitzenforschung in M-V nach. Sind das realistische Konzepte für die Hochschulen? Für die vielbeschworene Foto:uli Effizienz braucht es erstmal eine Gerhard Bartels. bestimmte Grundausstattung. Eine Universität faktisch ohne Philosophische Fakultät, wie es hier in Greifswald geplant ist, taugt dafür nicht. Was kommt auf Greifswald nach der LHG-Änderung zu? Es wird wohl das Konzept von Bildungsminister Metelmann durchgesetzt, was beispielsweise das Ende der Anglistik bedeutet. Das Ministerium hat dann alle Freiheiten, so etwas durchzusetzen: Jegliche Hochschulautonomie ist ad acta gelegt. Rostocks Rektor Hans-Jürgen Wendel spricht von „Notstandsgesetzgebung“. Wer hat diesen Notstand verursacht? Wir haben den Einnahmenrückgang in Deutschland mit der Steuerreform 2001 selbst verschuldet. Sich hier im Land die Haushaltskonsolidierung einseitig als oberstes Ziel von Politik zu setzen, halte ich für Unsinn. Die Regierung hat kein Konzept für die langfristige Entwicklung des Landes. Wir müssen jetzt Strukturen schaffen, die uns auch nach dem Ende der Solidarpaktmittel Einnahmen garantieren – und das geht nur über Hochtechnologie im Umfeld der Hochschulen. Interview: Ulrich Kötter
landeshochschulgesetz
Alibiveranstaltung: Die Anhörung im Bildungsausschuß am 8. Dezember 2005.
Foto: uli
Notstand der Ermächtigten Nachdem Bildungsminister HansRobert Metelmann Ende Juni letzten Jahres seinen Entwurf zur Änderung des Landeshochschulgesetzes (LHG) vorstellte, kochen die Gemüter an den Hochschulen und in den Städten hoch, während sich Metelmann und die Regierungskoalition im Tal der Selbstzufriedenen wähnen. Metelmann und seine Mitarbeiter im Bildungsministerium wollen zukünftig selbst entscheiden, welche Fächer an den Hochschulen geschlossen und geöffnet oder gar zwischen zwei Hochschulen aufgeteilt werden sollen. Dieses soll still und heimlich am Landtag vorbei per Verordnung geschehen. Metelmann begründete seinen Vorstoß in der Landtagsdebatte am 5. Oktober 2005 damit, dass „die Hochschulen ihre organisatorischen Fragen nicht aus eigenen Kräften lösen könnten“. Wie die Hochschulen das vollbringen sollten, nachdem ihnen der im jetzigen LHG vorgezeichnete Weg systematisch verbaut wurde, verschweigt der Minister lieber. Dabei hatte 2002 mit der lang umkämpften Neufassung des LHG alles so gut ausgesehen: Mehr Autonomie für die Hochschulen und endlich Schluss mit willkürlichen Entscheidungen des Bildungsministeriums. Die Hochschulen fingen – wie im neuen LHG vorgesehen – an, Hochschulentwicklungspläne zu schreiben, unter der Maßgabe, dass bis 2020 im Land 180 Stellen zu streichen seien. Kaum war die Tinte der Pläne trocken, enthüllte das Land die nächsten Kürzungsvorhaben: Binnen vier Jahren erhöhte sich die Zahl der zu kürzenden Stellen bis Ende Januar 2005 auf 600. Darauf konnten die Entwicklungspläne nicht mehr eingehen. Zu den Eckwerten kam es dann gar nicht mehr. Inzwischen weigert sich das Finanzminis-
terium, solche Eckwerte über 2007 hinaus zu vereinbaren, enthielten sie doch konkrete finanzielle Zusagen beim Hochschulbau, die wiederum auf die vermutete Zahl der Studierenden schließen ließen. Wenn sich Rektor Rainer Westermann nun rühmt, endlich kurz vor dem Abschluss einer Zielvereinbarung mit dem Ministerium zu stehen, muss das hinterfragt werden: Diese kann ohne Eckwerte über das Jahr 2007 hinaus schnell verpuffen, denn die Landesregierung geht bekanntlich von sinkenden Studierendenzahlen aus und hat nach der LHG-Änderung ein wirksames Mittel in der Hand, Personalkürzungen durchzusetzen. Mehr als unwahrscheinlich ist die gegenüber Westermann gemachte Zusage, eine Zielvereinbarung rette ihn vor ministeriellen Verordnungen. Nach den ermüdenden Hochschuldebatten im vergangenen Jahr sorgte die erste Lesung zur LHG-Änderung im Schweriner Landtag am fünften Oktober 2005 für einen Eklat, nahm doch der CDU-Abgeordnete Eckhard Rehberg das Wort „Ermächtigungsgesetz“ in den Mund. SPD und PDS zeigten sich dagegen fest entschlossen, die LHG-Novelle vorzunehmen. Das Gesetz wurde in die Ausschüsse überwiesen, die Anhörung des Bildungsausschusses am 8. Dezember entpuppte sich als Alibi-Veranstaltung. Die über 40 geladenen Rektoren, Kanzler, Senatsund AStA-Vorsitzenden sowie gesellschaftlichen Vertreter sprachen sich einhellig gegen den Gesetzentwurf aus. Die Abgeordneten der Regierungskoalition, Mathias Brodkorb (SPD) und Andreas Bluhm (PDS) blieben ungerührt. Auf der darauffolgenden Sitzung des Bildungsausschusses am 12. Januar ließen sich die Koalitionäre dann aber doch auf Änderungen ein: Es sollen Fristen gesetzt
werden, bis zu denen die Hochschelent wicklungspläne, Eckwerte und schließlich Zielvereinbarungen ausgehandelt sind. Falls der modus operandi scheitert, kann Metelmann den Hochschulen immer noch per „Zielverordnung“ diktieren, was sie öffnen und zu schließen hätten. Diese Zielvereinbarungen müssen aber durch den Landtag, der seine eigene Entmachtung langsam zu begreifen scheint. uli
hochschulpolitik
Warum die Regierung die LHG-Änderung gegen alle Widerstände durchpeitscht
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streitgespräch
„Germanisten allein werden uns nicht voranbringen!“ Mathias Brodkorb und Thomas Schattschneider im Gespräch über Reformzwänge an den Unis, Studiengebühren und Regionalentwicklung Mathias Brodkorb (28) ist hochschulpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern. Von 1997 bis 2005 studierte er mit Unterbrechungen Philosophie und Altgriechisch an der Universität Rostock. Am 9. Dezember 2005 traf er in der moritz-Redaktion mit dem Greifswalder AStA-Vorsitzenden Thomas Schattschneider (23) zusammen, um mit ihm ein Streitgespräch über die geplanten Reformen im Hochschulbereich zu führen. Sie einigten sich auf das studentische „Du“.
Brodkorb: Bei der Frage muss man aber auch mal zurückdenken, wie der Prozess verlaufen ist. Vor einem Jahr haben die Universitäten den Versuch gemacht, sich zu einigen. Erst als dies gescheitert ist, hat der Bildungsminister versucht, eine Einigung herbeizuführen – ebenfalls erfolglos. Erst dann kam die LHGÄnderung ins Spiel. Irgendwie muss es schließlich ein Ergebnis geben. Viel entscheidender ist jedoch die Frage, ob man eine Koordinierung unter den Hochschulen im Land für nötig hält oder nicht. Schattschneider: Die Frage ist, ob es eine Regelung per Gesetz geben muss oder ob sich dies nicht auch mit Zielvereinbarungen umsetzen lässt. Rechtlich ist dies ohne weiteres möglich.
Sitzt für die SPD im Schweriner Landtag: Mathias Brodkorb.
hochschulpolitik
moritz: Mathias, du hast vor kurzem gesagt, die angestrebten Reformen im Bildungsbereich seien eine strategisch richtige Entscheidung im Sinne der Hochschulen. Wie meinst du das?
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Mathias Brodkorb: Ich glaube, dass man auch die Hochschulen an der Entwicklung der Landesfinanzen beteiligen muss. Deshalb ist es wichtig und richtig, die Weichen einmal konsequent zu stellen und den Hochschulen dann die Möglichkeit zu geben, sich in Ruhe zu entwickeln. Thomas Schattschneider: Im Kern kann ich zustimmen. Wir können nicht jedes Jahr wieder in den Kürzungsstrudel geraten. Insofern ist eine verbindliche Entscheidung sinnvoll. Entscheidend ist nur, wer für neue Strukturen sorgt: Die Hochschulen oder der Landtag mit einer Änderung des Landshochschulgesetzes.
Brodkorb: Ich hätte es besser gefunden, wenn die Hochschulen im Frühjahr einen Kompromiss gefunden hätten. Jeder vernünftige Mensch muss für eine Hochschulautonomie sein, die den Beteiligten die Regelung wissenschaftsinterner Angelegenheiten überlässt. Kein Mensch kann alles überblicken, doch solange Hochschulen öffentlich finanziert werden, hat das Land auch die Pflicht, in gewissem Umfang Einfluss zu nehmen. Schattschneider: Vielleicht sollten wir mal über die Praktikabilität von gemeinsamen Fachbereichen sprechen, wie sie der Vorschlag zur Änderung des Landeshochschulgesetzes vorsieht. Dies hätte in Mecklenburg-Vorpommern zur Folge, dass Studenten zwischen Rostock und Greifswald pendeln. Brodkorb: Es kommt natürlich vor, dass Dozenten aus Rostock in Greifswald unterrichten oder umgekehrt. Hierin sehe ich auch wichtige Kooperationspotenziale, wie sie von den Theologen schon lange ausgeschöpft werden. Für Studenten kann ich mir das aber nicht sinnvoll vorstellen. Und man
Steht dem Greifswalder AStA vor: Thomas Schattschneider. Fotos: kos kann sicher auch bezweifeln, dass sich solche Fachbereiche von oben verordnen lassen. moritz: Ende November hat die Landesregierung eine Erklärung herausgegeben, in der sie sagt, der Umstrukturierungsprozess im Hochschulbereich sei ein Erfordernis der Haushaltskonsolidierung. Darf bei der Bildung gespart werden? Brodkorb: Wenn 50 Schüler von zwei Lehrern betreut werden und eine Lehrerstelle gestrichen wird, dann ist das inakzeptabel. Wenn sich aber die Zahl der Schüler halbiert, können auch die Lehrerstellen halbiert werden, ohne dass sich die Bildungssituation verschlechtert. Ein echter Abbau an Bildungsleistung findet dann gar nicht statt, sondern es handelt sich um eine Strukturanpassung. Zwar ist dieser Zusammenhang bei Hochschulen durch die Mobilität der Studierenden sehr viel komplizierter, aber auch hier gilt letztlich: Entscheidend ist, wie viel Geld pro Student ausgegeben wird oder wie viel Studenten auf einen Hochschullehrer kommen. moritz: Aber zurzeit steigt die Zahl der Studierenden, was ja auch ein erklärtes Ziel der Bundesregierung ist. Brodkorb: Da hat die Bundesregierung auch Recht. In Westdeutschland wird die Anzahl der jungen Menschen im studierfähigen Alter bis 2020 steigen, bei uns wird sie sich jedoch halbieren. Wir können nicht auf Dauer als finanzschwaches Land für die anderen Bundesländer das Studium ihrer Abiturienten bezahlen. Wir haben eine Halbierung der Zahl potenzieller Studierender, reduzieren die Finanzierung aber „nur“ um 18 Prozent. moritz: Wäre es für das Land denn nicht attraktiv, Studenten aus anderen
streitgespräch
Schattschneider: Ich denke, dass es doch attraktiv wäre. Sicher hängt es von den angebotenen Studiengängen ab, doch sollten über den Länderfinanzausgleich und die Steuervolumina der Hinzugezogenen sowie den erzeugten Umsatz so viele Mittel in des Land fließen, dass es volkswirtschaftlich durchaus lukrativ sein kann
Menschen an ihre Universität holen und das mitgebrachte Geld in die Region fließt. Brodkorb: Dagegen habe ich auch nichts. Aber wenn man das konsequent gestalten wollte, müsste man alle teuren Studiengänge wie Medizin oder Naturwissenschaften abschaffen und nur noch Betriebswirte und Juristen ausbilden. Das kann doch keine ernsthafte Option sein! Wir müssen eine auch inhaltlich ausgeglichene Entwicklung erreichen. Das muss die Hochschulpolitik leisten. Schattschneider: Die übergreifende Frage lautet: Sind Hochschulen nicht entscheidende Standortfaktoren?
Brodkorb: „Studierende aus anderen Bundesländern sind nicht attraktiv.“ – und dies auch ohne Studiengebühren! Brodkorb: Erstens gleicht der Länderfinanzausgleich leider nur etwa 2.300 Euro der Kosten aus. Zweitens frage ich mich, ob diese Ökonomisierungsdebatte bei Wissenschaft wirklich angemessen ist – gerade wenn sie von Studierendenvertretern geführt wird. Schattschneider: Das tue ich gar nicht! Viele Städte arbeiten so, dass sie junge
Brodkorb: Natürlich. Greifswald ohne Uni kann sich niemand vorstellen. Doch kann ich die Struktur einer Hochschule nicht allein davon abhängig machen. Was die Geisteswissenschaften angeht, finde ich die Position von Rektor Westermann hoch plausibel. In kaum einem Bereich geht die Anzahl der Studenten und die der Absolventen so sehr auseinander. Dabei geht es keinesfalls immer nur um Geld. Bei den Geisteswissenschaften war die Auslastung in Greifswald 2002 nur halb so groß wie in Rostock. Bei keiner anderen „Doppelung“ gibt es diese extremen Unterschiede. Schattschneider: Es geht aktuell aber nicht um eine Qualitätsverbesserungs offensive des Landes, sondern um die Exekution von Kürzungen. Es ist für mich bedenklich, die Absolventenquote durch Streichungen verbessern zu
wollen. Weder breite Vernetzung in Forschung noch Kombinationsfähigkeit in Lehre werden die Folge sein. Ist es also logisch für Greifswald bei den Geisteswissenschaften nur noch auf Baltistik und Slawistik zu setzen? Brodkorb: Eine politisch und ökonomisch globalisierte Welt braucht kulturelle Vermittlung. Das wird häufig unterschätzt. Wenn die Geisteswissenschaften ihre Effizienz steigern, können sie ihre Bedeutung gerade in Zeiten der Globalisierung auch stärken. Schattschneider: Eine solche Einstellung ist ein kulturelles Armutszeugnis für unser Land!
Schattschneider: „Einstellung ist kulturelles Armutszeugnis für das Land!“ Brodkorb: Ich denke, unser Hauptproblem ist derzeit nicht die mangelnde spirituelle Fitness. Unsere Probleme liegen vor allem in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Germanisten und Philosophen allein können MecklenburgVorpommern nicht voranbringen. Interview: Kai Doering
Sprechzeiten Mo, Di, Mi 7.30 – 18.00 Uhr Do 9.00 – 18.00 Uhr Fr 7.30 – 15.00 Uhr
hochschulpolitik
Bundesländern anzuziehen? Brodkorb:Ja,aber langfristig nur dann,wenn wir kostendeckende Studiengebühren von 10.000 Euro pro Jahr hätten. Das will ich nicht.
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studiengebühren
Der Klassiker tauchte sogar im FOCUS als „Bild des Jahres 2005“ auf: Die Bildung geht baden für Studiengebühren. Foto: Archiv
Mecklenburg-Vorpommern: Ein Schützengraben?
hochschulpolitik
Die Einführung von Studiengebühren beginnt dieses Jahr – anderswo
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Die Einschläge kommen näher. Zum Oktober dieses Jahres wollen vier Bundesländer – Baden-Württemberg, Hamburg,Niedersachsen und NordrheinWestfalen – allgemeine Studiengebühren einführen. Ab Oktober sollen Studenten in diesen Ländern bis zu 500 Euro Gebühren pro Semester dafür hinlegen, studieren zu dürfen. Nicht nur die Langzeitstudenten. Nicht nur diejenigen, die von außerhalb zum Studieren ins Land kommen. Und erst recht nicht nur diejenigen, die schon ein Zweitstudium anfangen oder angefangen haben. Nein, jeder einzelne, jede einzelne, alle. Die Zeiten, in denen das gebührenfreie Studium als zivilisatorische Errungenschaft betrachtet wurde, scheinen vorbei. So werden heute immer wieder die gleichen Argumente von den gleichen Leuten für die Studiengebühr ins Feld geführt, allen voran die selbsternannten Vernunftspolitiker in CDU und SPD. Ja, auch in der SPD. Es heißt, man komme um Sparzwänge nicht herum, man müsse die jungen Leute außerdem auf Leistungsfähigkeit trimmen. Auch sei es ja wohl sehr einfach, Studiengebühren sozialverträglich zu gestalten. Der Gefahr, die Anzahl der Studierenden aus sozial schwächeren Familien könnte noch weiter zurück gehen, könne man ganz einfach durch Modelle von Studienkonten, Studienkrediten und mehr Stipendien begegnen. Die Unerheblichkeit der Kosten, die einer Universität durch länger Studierende entstehen, ignoriert man, weil es sich bei der Wählerschaft am Stammtisch gut macht, wenn man sich über faule Studenten aufregt.
Ein grundlegendes Problem wird dabei ignoriert oder ausgeblendet. Abgesehen davon, dass die Verfassungsmäßigkeit von Studiengebühren in Deutschland auf keinen Fall sicher ist, sind seit 1976 auch menschenrechtliche Verträge in Kraft. Mit anderen europäischen Staaten verpflichtete sich Deutschland im internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, den Hochschulunterricht „auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich“ zu machen. Dies begründet sich auf der Anerkennung des Rechtes eines jeden auf Bildung. Dem Studenten bleibt nur zu hoffen, dass sich Politiker mit ihren Forderungen nach Studiengebühren spätestens wegen dieses Vertrages in die Nesseln setzen. Hoffnung darauf besteht noch. So stellte das Bundesverwaltungsgericht in der Begründung einer Entscheidung zu Rückmeldegebühren fest: Der völkerrechtliche Charakter dieses Vertrages schließe nicht aus, dass einzelne aus diesem unmittelbar Rechte ableiten könnten. Damit wäre zumindest neben der Frage der Verfassungsmäßigkeit ein weiterer Angriffspunkt für die wenigen verbleibenden Gebührengegner vorhanden, die noch nicht in den Chorus über Sparzwang, so genannte Vernunft und Schluderstudenten eingefallen sind. Was interessiert das jetzt die Studenten in Mecklenburg-Vorpommern? Schließlich spricht sich die Landespolitik hier seit Jahren immer noch gegen die Einführung allgemeiner Studiengebühren aus. Es ist einfach nicht damit zu rech-
nen, dass die Landesregierung, die dieses Jahr neu gewählt wird, sehr lange auf ihrem Standpunkt bestehen bleiben wird. Trotz der Notwendigkeit für das Land, mehr Studenten anzuziehen, gibt es jetzt schon genügend Menschen, die darin kein Konfliktpotential sehen. So arbeitete zum Beispiel der Greifswalder Professor Wolfgang Joecks, nebenbei Senatsvorsitzender, mit einer Arbeitsgruppe ein Modell zur „nachhaltigen Finanzierung unserer Universität“ aus (siehe moritz 49). Darin sprach er sich ungeachtet möglicher Abschreckungseffekte für eine nachträgliche Finanzierung der Universität durch ehemalige Studenten der Greifswalder Alma Mater mit einem bestimmten Mindesteinkommen aus. Weiterhin forderte er die Erhöhung des Semesterbeitrages um rund 90 Euro – mit der einfachen Begründung, weitere Ausgaben von 50 Cent pro Tag könne jeder Student aufbringen. Was ihm diese Einsicht in eines jeden Studenten Geldbeutel verschaffte, ließ er ebenso offen wie den Grund für seine Sicherheit, mit der er über mögliche Probleme für die Studierendenzahlen in M-V hinwegsehen konnte. Ebenso wurde nicht klar, warum er einerseits die Landesregierung kritisierte, nie Beweis darüber geführt zu haben, dass kein Geld für die Hochschulen da sei. Andererseits legte er nicht dar, warum sich bei einer nachträglichen Finanzierung durch fertige Studenten das Land nicht noch weiter aus der Hochschulfinanzierung zurückziehen sollte. Doch auch ohne diesen Beitrag von Joecks ist zu erwarten, dass in der Landespolitik die normalen Abschleifprozesse der Tagespolitik dazu beitragen werden, Meinungen zu relativieren und Positionen zu schwächen. Das Diktat der vermeintlichen Vernunft, hinter dem ein alles ökonomisierendes Weltbild steht, wird es sich nicht nehmen lassen, die verbleibenden Widerstände aufzureiben. Wer das kostenfreie Studium als etwas Positives ansieht, das es um jeden Preis zu erhalten gilt, gerät schnell ins Kreuzfeuer. Diejenigen, die sich nicht mehr entsinnen, dass derartige Errungenschaften erkämpft werden mussten und so schnell nicht wiederhergestellt werden, müssen sich mit dem Vorwurf auseinander setzen, primär an sich zu denken und nicht auch an jene, die sozial schwächer gestellt sind. Auf die Kurzsichtigkeit der Menschen kann man sich wohl verlassen. Mecklenburg-Vorpommern wird so zu einem Schützengraben gegen Studiengebühren werden, der früher oder später von hinten ausgebombt wird. Die Klagenden können dann die Reste eines Systems zusammenkratzen. kos
„Es war ein unglaublicher Marathon“
moritz: Mit welchen Erwartungen sind Sie nach Montreal gefahren? Professor Michael Rodi: Es war hauptsächlich Neugierde. So eine Konferenz ist eine seltene Gelegenheit, Forscher und Vertreter von Umweltorganisationen aus der ganzen Welt zu treffen. Natürlich war es auch höchst spannend, zu erleben, was auf der ersten Vertragsstaatenkonferenz nach Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls passiert – dabei ging es um Sein oder nicht Sein. Wie muss man sich solche Verhandlungen vorstellen: Sitzt man wirklich 24 Stunden und diskutiert? Es sind sehr intensive Diskussionen für die Verhandlungsteilnehmer. Die Vertragsstaaten sind ja in verschiedenen Gruppen zusammengeschlossen, also die EU, die Amerikaner mit ihren
Verbündeten oder die Dritte WeltLänder. Jeder musste ständig die eigene Position mit seiner eigenen Delegation und gleich gesinnten Staaten rückversichern, was für die Teilnehmer ein unglaublicher Marathon war.
immer vor Augen halten, dass die BushRegierung nur einen Teil Amerikas vertritt.
Ex-US-Präsident Clinton hat die Konferenz gerettet, indem er die Amerikaner am letzten Tag zum UmDie Amerikaner denken bewegte? stellten sich auf Die Verhandlungen der Konferenz über die Zukunft stur. Was sind ihre von Kyoto werErfahrungen? den fortgeführt Die USA begleite– es gibt also einen ten einen Prozess, Beschluss, weiter den sie politisch zu reden. Darauf nicht wollten. haben sich die Dennoch kamen Greifswalder Jura-Professors Michael Rodi: Amerikaner eingesie mit einer gro- „Persönlich bin ich Realist.“ lassen. Allerdings Foto: privat ßen Delegation, bin ich persönlich deren einziges Ziel Realist: Selbst wenn es war, destruktiv zu sein und Konsens das Kyoto-Protokoll bis 2012 umgesetzt zu verhindern. Ihnen war kein Trick zu würde, wäre das Klimaproblem damit dumm und zu schade. Ihr Lieblingstrick noch nicht gelöst. war, bei den Diskussionen am Anfang erst einmal Geschäftsordnungsanträge Wie ernst haben die Medien die Konferenz zu stellen. Ging es dann endlich inhalt- genommen? lich zur Sache, haben sie ständig nach Leider war das Interesse der Medien wankelmütigen Staaten im Lager der durch die fast zeitgleichen Verhandlungen Kyoto-Vertragsstaaten gesucht. der WTO in Hongkong abgelenkt. Außerdem besteht allgemein das Gefühl, Überschatten diese unangenehmen Erfah- dass die internationale Klimapolitik rungen ihr Bild von den USA? wegen den USA stagniert. Dennoch Nein, denn bei den Side-Events der setzt sich langsam bei Wissenschaftlern Konferenz waren unglaublich viele enga- und Medien die Meinung durch, dass gierte Amerikaner aus der Wissenschaft Klimapolitik die wichtigste Umweltpolitik und von den NGOs, die mein USA- überhaupt ist. Bild wieder versöhnten. Man muss sich Interview: Ulrich Kötter
Ihr Kinderlein kommet Weihnachten ist das Fest der Kinder. Grund genug also, die Jüngsten in den Mittelpunkt zu stellen, dachten sich die Mitglieder des Rotaract-Clubs Greifswald und verkürzten mit gleich zwei Aktionen vielen Kindern in der Hansestadt das Warten auf den Weihnachtsmann. Für die Weihnachtsfeier der „Greifswalder Tafel“ hatten die 15 Aktiven, deren Leitideen helfen, lernen und feiern sind, Päckchen für 88 Kinder mit Spielzeug, Süßigkeiten und Obst gepackt. Mit tatkräftiger Unterstützung des Weihnachtsmanns verteilten sie diese dann am 16. Dezember. „Die Kinder haben sich riesig gefreut“, strahlt Anja Groß, die Präsidentin des Rotaract-Clubs in Greifswald. Doch es soll nicht bei der einmaligen Aktion bleiben. „Wir wollen den Kontakt aufrechterhalten und werden die Tafel weiter unterstützen.“ So ist für den Frühling eine Kleidersammelaktion für die Greifswalder Tafel geplant. Am 19. Dezember hieß es dann „Film ab!“. In Zusammenarbeit mit dem CineStar zeigte Rotaract über 100 Kindern aus zwei Greifswalder Kindergärten den Film „Der kleine Eisbär 2“
– für zwei Euro pro Nase. „Die leuchtenden Augen der Kinder sind der schönste Dank“, freute sich Anja Groß hinterher. Diese wögen den Stress der Vorbereitung mehr als auf. Auch nach Weihnachten geht das soziale Engagement der jungen Leute weiter. „Wir engagieren uns auch 2006 in unserem Dauersozialprojekt“, erzählt Anja. Seit einigen Jahren schon besuchen die Vereinsmitglieder Bewohner der „Seniorenresidenz Kursana“ um ihnen vorzulesen oder mit ihnen Spaziergänge zu machen. Besonders die Hilfe vor Ort ist dem Verein wichtig. Im vergangen Sommer führten sie gemeinsam mit dem Uni-Klinikum eine Aktion durch, bei der sich mögliche Stammzellen-Spender kostenlos typisieren lassen konnten, um Krebspatienten zu helfen. Statt der erwarteten 50 hatten am Ende 75 Personen so den Weg in die deutschlandweite Spender-Kartei gefunden.Um gezielt helfen zu können, sucht Rotaract stets neue Ansprechpartner und Möglichkeiten, sich zu engagieren. Doch der Verein lebt von der Mitarbeit jedes einzelnen. „Gäste sind uns deshalb jederzeit willkommen“, so Alexander Hegenbart, der Vizepräsident des Clubs. ring
universum
Was verschlägt einen Greifswalder Professor für öffentliches Recht,Finanz- und Steuerrecht aus Greifswald zur Weltklimakonferenz nach Montreal? Seine wissenschaftliche Arbeit: Michael Rodi beschäftigt sich nicht nur mit Umweltsteuern, sondern der studierte Politologe und Jurist ist auch sehr an Green Politics interessiert, also einer nachhaltigen Energie-, Landwirtschafts- und Verkehrspolitik. Übrigens war Michael Rodi nicht der einzige Greifswalder Professor in Montreal: Sein Philosophie-Kollege Konrad Ott, der sich mit Umweltethik beschäftigt, war ebenfalls unter den rund 40 deutschen Delegierten.
Mehr Infos unter: www.greifswald.rotaract.de
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lehrerausbildung campus europae
Quer durch Europa Teil III Von Italien nach Serbien, Deutschland und Lettland Der Blick auf das andere Ufer Rigas.
In der letzten Ausgabe…
universum
Vom sonnigen Trento in Norditalien aus, sind wir weiter nach Novi Sad in Serbien- Montenegro gereist, um auch dort für unsere Uni zu werben. Doch zuerst der entspanntere Teil.
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Trotz Weinverköstigung am Vormittag und Freibier am Abend ist der Tag noch nicht zu Ende. Weiter geht´s mit dem Bus in einen Club, wo wir zu orientalisch anmutender Musik die Hüfte schwingen. Ich kaufe mir eine Cola mit Alkohol und bezahle für Alkohol mit Cola 180 Dinar - das sind ein bisschen mehr als 2 Euro. Später unterhalte ich mich mit dem Freund von Nataša, der von Deutschland weiß, dass viele Menschen bei den Wahlen die NPD gewählt haben und Deutschland ein großes Leistungspotenzial hätte, wenn man die Sache „richtig anpackt“. Am nächsten Tag schleppen wir uns zum Frühstück ins Rektorat der Uni in Novi Sad. Eine Stunde später sind wir an einer Diskussion beteiligt zwischen einem Vertreter der Europäischen Kommission in Serbien und der Uni-Leitung über die EU und ihre Grenzen und Möglichkeiten. Danach haben wir einen VIP-Empfang beim Präsidenten der Region Bojan Pajtic.Ein Kamerateam ist dabei und ein Butler sagt uns, wie wir uns benehmen müssen. Aufstehen, Hand schütteln, Name und Land nennen, hinsetzen und lächeln. Als dann der Präsident eintritt und die Begrüßungsformalitäten beendet sind, erzählt er uns einiges über das Land. Zwischen den Zeilen hört man großes
Foto: privat
Interesse an den westlichen Staaten heraus. Derweil bringen uns Butler Gebäck, Küchlein, Blätterteigtaschen und Getränke. Danach sind wir mit Fragen dran. Eine Stunde später gehe ich mit Julia durch die Stadt. Hier wechseln sich Stalinbauten mit modernen Bürohäusern ab – auch die Preise in den Läden sind sehr „modern“. Beim Abendessen bringt mir Zac einen portugiesischen Werbejingle bei und Marie aus Belgien sucht verzweifelt nach der Melodie eines deutschen Kinderliedes. Was sie meint ist „Frau Holle“.
Panikmache und fast 36 Stunden ohne Schlaf Doch lange können wir uns nicht aufhalten. Die Reise geht weiter. Abends verabschieden wir uns von Novi Sad und fahren mit dem Zug im Schlafwagen Richtung Budapest, von wo aus unser Flieger nach Berlin geht. Doch die fünf Stunden Fahrt dahin, sind die nervenaufreibensten Stunden der ganzen Tour. Im Wagen warnt uns die Servicedame ausdrücklich vor Dieben an der ungarischen Grenze. Sie gibt uns die Anweisungen, niemandem in ihrer Abwesenheit die Tür zu öffnen, auf den unter den Decken versteckten Taschen zu schlafen, die Wertsachen direkt in die Hand zu nehmen, auf keinen Fall die Fenster zu öffnen und die Tür fest zu verriegeln. Ich mache mich auf eine Fahrt voller Gefahren bereit. Die vier Ausweiskontrollen überstehe ich nur durch ständiges Kontrollieren meiner Wertsachen und als wir um fünf Uhr in Budapest aussteigen, fühlen wir uns
wie gerädert. Natürlich ist niemanden irgendetwas passiert. Trotzdem, die Sightseeingtour durch Budapest unter diesen Umständen und vor allem um diese Uhrzeit ist zuviel des Guten. Um neun Uhr putzen wir uns die Zähne in einem Hotel und können endlich ausgiebig frühstücken. Wir diskutieren über Studiengebühren und darüber, dass man in Örebro 700 Euro Studienunterstützung pro Monat bekommt, die man zu 50 Prozent zurückzahlen muss. Am Flughafen läuft alles wie gewohnt. Jedenfalls denke ich das. Bis ich mich mit zwei Polizisten in einem separaten Raum befinde und ihnen mein Gepäck präsentieren muss. Das verdächtige, orange Ding, das sie auf dem Monitor sehen, ist letztendlich mein Fön und keine Waffe. Was für ein aufregender Tag. Auch im Flugzeug nach Berlin ist an Schlaf nicht zu denken und so landen wir erschöpft in Deutschlands Hauptstadt. Prof. Erhardt, Organisator der Tour, begrüßt uns und führt uns in die Jugendherberge, die wie eine Kulisse für GZSZ aussieht. Abendessen gibt’s dann in einem Restaurant in der Nähe der Humboldt-Uni, bevor wir dann endlich schlafen dürfen. Nach neun Stunden Schlaf fühle ich mich wie neugeboren. Passend dazu scheint die Sonne und es ist warm. Deshalb nutzen wir das Wetter, einige erkunden die Stadt und andere gehen Shoppen. Spätnachmittags treffen wir uns am Flughafen wieder. Und alle berichten von einem tollen Tag in einer beeindruckenden Stadt. Der Flug geht nach Riga, wo wir eine Stunde
Der traurige Höhepunkt des Zeitverschiebung haben. Befreit Tages folgt allerdings noch, als wir applaudieren wir nach der unsanften kurze Zeit später in einem frisch Landung und dem schaukeligen Flug. renovierten Raum sitzen und Unsere Unterkunft ist zwar mitten tatsächlich die Frage beantworten in der Innenstadt, aber die Zimmer müssen, ob der Vortrag in Deutsch erinnern trotzdem stark an den gehalten werden soll, oder ob doch Warschauer Pakt, vor allem die alle Englisch können. Hier scheint Duschen lassen zu Wünschen übrig. niemand das Wort „global language“ Aber die Umgebung, die Stadt und das zu kennen. Die Präsentation ist dann Programm werten das Ganze wieder nur noch ein formeller Akt für die auf. Wir essen lecker zu Abend in anwesenden Professoren im Raum. einem jugendlich-modernen Selbstb Abends feiern wir den Geburtstag edienungsrestaurant und lassen den Foto: privat von Nils, der eigens dafür im Tag ausklingen – wie soll’s anders VIP-Besuch in Novi Sad. Gewölbekeller einen Tisch und Bier sein – in einem Club. Hier ist auch Sauna, einem Pool und einem Ruheraum aus dem Fass gemietet hat. das Bier so billig wie nirgends. besteht. Der Ruheraum wird kurzerhand Mit dem Bewusstsein, dass der Abschied zum Partyraum umfunktioniert, wo man naht und sich unsere Wege trennen Die schönste Stadt des Nordens sich nach einer Sauna-Pool-Session mit werden, feiern wir noch ein letztes Mal Das Frühstück am nächsten Tag gibt Alkohol und belegten Broten erholen ausgelassen. Wir stehen auf den Bänken es in der Uni und auf dem Weg dahin kann. Nebenbei läuft Partymusik vom und singen „Que sera“, während uns und auch hinterher bekommen wir PC. Wir machen die Erfahrung, dass Gäste an anderen Bänken mit deutschen einiges von der wunderschönen Stadt Alkohol und Sauna keine gute Mischung Seemannsliedern zu „übersingen“ verzusehen. Gebäude wechseln sich in ist. Schon nach zwei Stunden sind wir suchen. Aber gegen 26 Mann aus 14 ihren Baustilen ab, stehen in Einklang mit fix und fertig. Wir hätten es wie die Ländern in Partylaune sind sie machtlos. den hanseatischen Häusern der Altstadt lettischen Geschäftsleute machen sollen, Am nächsten Tag stehen keine Termine an, und harmonieren mit den gepflegten die zuerst ihren Feierabend feiern und sodass wir Zeit zum Erholen haben. Am Parkanlagen, in denen man überwiegend zum Schluss in die Sauna gehen. Aber Abend besprechen wir die Zukunft von junge Menschen trifft. Und auch die hinterher ist man immer schlauer. Campus Europae und wir beschließen, Uni steht diesem positiven Eindruck Beim „chillen“ fragt mich Zac, was uns mit einer PowerPoint-Präsentation in nichts nach. Lange Korridore, eine „attention“ auf Deutsch heißt, und bei den Verantwortlichen aus Luxemburg riesige Festtagshalle, bemalte Fenster sein „Achtung“ klingt wie ein Niesen: für die einmalige Tour zu bedanken. und renovierte, großzügig gestaltete „Aschtung“. Vier von uns machen deshalb die Nacht Räume machen den Gang durch die Uni durch und das Ergebnis kann sich sehen zu einem Gang durch ein Museum. lassen. Der Abschied naht Nach dem Mittagessen hören wir Dann treten wir unsere letzte gemeinsame uns in der Festtagshalle den Vortrag Nach einer sehr langen Nacht und nur Fahrt im Zug Richtung Luxemburg an. über die Uni und Campus Europae wenig Schlaf, kommen wir mittags mit Die Stimmung ist gedrückt, Adressen an. Auch danach strömen massenhaft dem Flieger in Hamburg an, von wo und andere persönliche Daten werden Studenten zu uns an die Stände, die uns der CE-Koordinator von Hamburg ausgetauscht, wir singen unzählige Male meisten interessieren sich für unsere zu unserer Unterkunft bringt. In der unsere neue Hymne „Campus Europae Masterstudiengänge. Doch danach ist es Jugendherberge teilen wir uns vier Bäder olé olé“ und erinnern uns noch mal an Zeit für die Saunaparty. mit zahlreichen Vierzehnjährigen, die die tollen Tage. Mit eingezogenen Bäuchen und gerade auf Klassenfahrt sind. Mit Zucht Die gediegene Abschlussfeier in Luxem„swimming-dress“ stehen wir im Keller und Strenge macht uns die Hausherrin burg zusammen mit „group1“ und den eines Hotels, das aus einer großen auf die Hausregeln aufmerksam und Organisatoren ist ein trauriges Ereignis. ignoriert hartnäckig Nach tränenreichen Abschieden den Fakt, dass am nächsten Morgen verlässt die wir Studenten „German delegation“ mit zahlreichen sind. Klischee des unvergesslichen Erlebnissen, neuen „ d i s z i p l i n i e r t e n Freunden und Erfahrungen aber auch Deutschen“ be- mit der Vorfreude auf das eigene Bett stätigt, denke ich Luxemburg. mir und bin selbst So endet die „Tour d´Europe 2005“. peinlich berührt. kats Die dringend notwendige Dusche, bevor wir Auch wenn es mehr nach Vergnügen aufbrechen müssen, und Party aussah, war die Tour mit wird verhindert viel Arbeit und Stress verbunden, durch pubertäre aber unbestritten bleibt, dass Campus Mädchen in Mini- Europae jedem Studenten diese röcken, die sich unbezahlbaren Erfahrungen in einer der stundenlang im Bad 15 teilnehmenden Städte ermöglichen schminken müssen. kann. Weitere Informationen findet ihr Kein guter Tag unter: www.campuseuropae.org Foto: privat heute. Shoppingmeile in Novi Sad.
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campus europae
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campus europae / nmun
Der Traum vom europäischen Campus „Campus Europae“ auf dem Weg nach oben Im November letzten Jahres fand in Luxemburg das Nachtreffen der Tour d´Europe, der Promotionstour für Campus Europae statt. Die Freude war groß, als man noch einmal die Leute wieder traf, mit denen man soviel erlebt hatte. Doch nebenbei wollten wir auch unsere Erfahrungen an den Unis, die wir besucht hatten, auswerten und über die Zukunft von Campus Europae diskutieren. „Group one“ machte während der Tour d´Europe unter anderem in Greifswald Halt. Die Resonanz war durchweg positiv und alle schätzten Greifswald als freundliche, übersichtliche Studentenstadt. Einziges Manko seien die fehlenden Studenten gewesen, aber das sei verständlich in den Semesterferien. Zurzeit führt die Austauschorganisation Campus Europae Verhandlungen mit St. Petersburg und mit Alcalá in Spanien. Damit würde sich das Netzwerk von 15 auf 17 Unis erweitern, an denen
Studenten zukünftig für zwei Semester studieren könnten. Als Ziel nahm sich Campus Europae unter anderem vor, die gesetzlichen Bestimmungen für Nebenjobtätigkeiten im Ausland für Austauschstudenten zu verbessern. Momentan dürfen sie nur sehr wenig im Ausland nebenbei arbeiten, sodass sie auf Auslands-Bafög angewiesen sind. Vorübergehend wird das Pilotprojekt Campus Europae von der Austauschorganisation Sokrates-Erasmus unterstützt, bis es auf eigenen Beinen steht. Auch hier werden Verhandlungen geführt, um „Campus-EuropaeAustauschstudenten“ einen zwei- statt einjährigen Auslandsaufenthalt zu ermöglichen. Zudem wurden auf dem Treffen Promotion, Management und Struktur des „student council“, der studentischen Vertretung von Campus Europae, diskutiert. Auch auf dieser Ebene muss noch viel getan werden.
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Für Namibia nach New York
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„Iran erhält Nicht-Angriffs-Garantie“ hätte garantiert eine der Schlagzeilen am nächsten Tag gelautet. Nach stundenlanger Diskussion hatte sich der UNO-Sicherheitsrat auf eben diese geeinigt und das Mullah-Regime einen entscheidenden Etappensieg davon getragen. Dass sich die Zeitungen im Dezember nicht mit derartigen Meldungen überschlugen, lag daran, dass die Einigung am 11. 12. im Rahmen von GreiMUN, der lokalen Ausgabe des Rollenspiels National Model United Nations (NMUN), zustande kam. „GreiMUN war die Vorentscheidung, wer für uns in diesem Jahr in New York dabei ist“, erzählt Zoran Vasic, einer der sieben Organisatoren. Über 40 Interessierte hätten daran teilgenommen, doch am Ende mussten 21 ausgewählt werden. „Nach der Simulation haben wir noch bis um halb drei diskutiert.“ Erst dann hätten die 21 Glücklichen festgestanden, die nun im April für eine Woche in die Rolle von UNO-Diplomaten schlüpfen
Anfang Dezember 2005 traf er sich mit den universitären Vetretern aller teilnehmenden Unis im schwedischen Örebro. Dort wurde auch der neue Präsident des „student council gewählt. Wichtigste Neuerung ist die Einführung eines Mentorsystems an den teilnehmenden Unis. Dieses System setzt sich aus Studenten zusammen, die jeden „Incoming-student“ vom ersten Tag seiner Bewerbung an mit Rat und Tat zur Seite stehen, ihm bei seiner Bewerbung und bei der Jobsuche zu helfen und vor allem, ihn bei seiner Integration in das Studentenleben zu unterstützen. Als Letztes kam der Vorschlag, ein multimediales Netzwerk zu errichten, um einen schnellen Informationstransfer zwischen den Unis, allen interessierten Studenten und der „European University Foundation“, Kopf von Campus Europae, zu gewährleisten. Doch das wichtigste Ziel ist, dass das Interesse an Campus Europae wächst, damit bald ein optimaler Austausch von Studenten stattfinden kann. Hier funktioniert der Austausch schon recht gut, trotzdem herrscht immer noch Skepsis. Doch mit den Veränderungen kommt hoffentlich ein neuer Wind auf.
Stunden im Audimax getroffen um die „rules of procedure“ zu erlernen. „Wir waren ziemlich streng“, resümiert Zoran. Hausaufgaben und regelmäßige Tests werden und in New York die Positionen seien fester Bestandteil der Vorbereitung ihres Landes umsetzen müssen. gewesen. Auch die Fehlzeiten seien „Die Greifswalder Uni wird in diesem Jahr letztendlich mit ausschlaggebend Namibia vertreten“, berichtet Zoran, der gewesen. Doch die harte Vorbereitung selbst im vergangenen wird sich auszahlen, Jahr Mitglied der ist Zoran überzeugt. Greifswalder Delegation „In New York kann war. Damals galt es für es dir passieren, dass die Ziele des Libanon du nachts im Hotel einzutreten. „Namibia angerufen wirst und stand neben Pakistan dich jemand auf seinen und Schweden auf Kurs bringen möchte“, unserer Wunschliste. Ich er von berichtet denke, dass man da viel seinen Erfahrungen. draus machen kann“, so Durchhaltewillen sei Zoran. also gefragt. „Wir Um in New York dabei sind aber sicher, dass zu sein, wo Abgesandte Beratung im Greifswalder Sicher- wir eine gute Auswahl Foto: NMUN von Universitäten heitsrat. getroffen haben, die aus der ganzen Welt das Potenzial hat, aufeinander treffen werden, mussten zu gewinnen.“ Doch auch wenn die die Teilnehmer einiges auf sich nehmen. Namibier aus Greifswald nicht mit Bereits seit Anfang des Wintersemesters einem Preis zurückkehren, werden hatten sich die damals noch über 70 sie zumindest eines gewonnen haben: Interessenten jeden Donnerstag für zwei wichtige Erfahrungen. ring
„Wiking III“ Greifswalder Studenten renovieren älteste Segelyacht Greifswalds 1956 war ganz Greifswald auf den Beinen um den 500. Geburtstag der Ernst-Moritz-Arndt Universität zu feiern. Einer der Höhepunkte war eine große Schiffsparade. Angeführt wurde diese durch das Segelschulschiff „Wilhelm Pieck“. Nach der heutigen Greif folgte das Flaggschiff der studentischen Segelsportler, ein zwölf Meter langer Seekreuzer mit zwei Masten, die „Wiking III“. Der Name „Wiking“ hat bei Segelschiffen der Uni-Greifswald Tradition. Zwischen 1909 und 1921 segelte bereits die erste „Wiking“, ein acht Meter langer Bornholmkutter mit Studenten über Bodden und Ostsee, bis sie an den Steinen der Insel Ruden zerschellte. Man ließ sich jedoch nicht entmutigen, und so schaffte der 1908 gegründete „Akademische Seglerverein“ zu Greifswald, kurz ASV genannt, die „Wiking II“ an. Sie hielt stolze drei Segelsaisons durch, bevor sie abgewrackt wurde. Die Überreste wurden während einer Protestkundgebung gegen die Versailler Verträge auf dem Greifswalder Marktplatz öffentlich verbrannt. Nach den Wirtschaftskrisen der Zwanziger Jahre hatte der ASV 1931 schließlich wieder genug Geld zusammen, um ein solides Schiff aus Eiche zu kaufen. Die „Bonzo II“ welche 1923 auf einer Rostocker Werft gebaut worden war. Bei Ankunft in Greifswald wurde sie unverzüglich auf den Namen „Wiking III“ umgetauft. Bis 1942 erlernten viele Studenten der Uni auf dem Zweimaster das Segeln. Dann setze der Krieg dem Vergnügen ein Ende. Das Schiff wurde nicht mehr aus dem Wasser gehoben und so zerdrückte das Eis des strengen Winters 1944/45 die Bordwand. Im Frühjahr sank die „Wiking III“ auf den Grund des Rycks.
Viele Jahre vergingen, in denen es an der Universität Greifswald andere Probleme gab, als gesunkene Segelschiffe zu heben. 1954 beschlossen die Mitglieder der „Ho chschulsportgemeinschaft Wissenschaft Sektion Segeln“, wie sich der ASV von nun an nennen musste, die „Wiking III“ zu heben und zu restaurieren. Als die
Arbeiten 1955 beendet waren, fand die zweite Jungfernfahrt statt. Das Schiff wurde in den folgenden Jahren ausgiebig genutzt. Leider nicht ohne Havarien. Von Mastbruch bis Kollision war alles dabei. Der verheerendste Unfall ereignete sich 1964. Man hatte die Erlaubnis für eine Reise nach Helsinki bekommen. In Vorfreude auf die schöne Überfahrt strandete „Wiking III“ beim Leuchtturm „Freesendorfer Haken“ nahe der Peenemündung. Der Verein konnte das Schiff aus finanziellen Gründen nicht mehr instand setzen. Danach gab es verschiedene private Eigner, die das Schiff immer wieder mit viel Einsatz zum Segeln brachten. 2002 wurde der Zweimaster nicht mehr zu Wasser gelassen. Im Sommer letzten Jahres machte das Gerücht die Runde, der letzte Eigner würde das Schiff verschenken, sollten sich engagierte Segler finden, welche die Segelyacht in Greifswald wieder flott machen würden. Die Studenten des mittlerweile wieder neu gegründeten „Akademischen Seglervereins“ nahmen die Nachricht mit viel Interesse auf. Man vereinbarte einen Besichtigungstermin, bei dem zwei Fachleuten die Planken
gründlich unter die Lupe nahmen. Sie kamen zu dem Schluss, dass eine Restaurierung im Bereich des Möglichen liegt. Der im Frühjahr 2005 gegründete „Förderverein des studentischen Segelns in Greifswald“ (FSG) unter der Leitung von Prof. Helmut Pratzel, übernahm dankenswerterweise die Trägerschaft. Pratzel erlernte während seiner Studentenzeit in Greifswald auf der „Wiking III“ in den 50-er Jahren das Segeln. Der Förderverein bemüht sich in erster Linie darum, die nötigen Spendengelder zu sammeln, von denen sich das Projekt finanzieren soll. Die Übergabe des Schiffes erfolgte letzte Woche. Damit ist „Wiking III“ nach über 40 Jahren wieder in der Hand der Studenten der EMAU. Da die Wiederherstellung durch eine Werft fern des finanziell Machbaren liegt, sollen alle Arbeiten durch freiwillige Helfer aus der Studentenschaft der Universität Greifswald geleistet werden. Während der kommenden Semesterferien wird es mehr als genug zu tun geben. So können wir jede helfende Hand gebrauchen. Eine Informationsveranstaltung dazu findet am 6. Februar 2006 um 20 Uhr im Universitätswassersportzentrum statt. (Yachtweg 2, Greifswald-Wieck). Die Restaurierung wird von einem Holzbootsbauer- und einem Tischlergesellen geleitet, die damit rechnen, dass etwa 1.500 Arbeitsstunden nötig sein werden, um das Schiff bis zum Sommer segelfähig zu machen. Die größte Herausforderung wird dabei die Erneuerung des Heckbereiches sein. Sehr arbeitsaufwendig ist auch die Generalüberholung und Stabilisierung des Schiffsrumpfes. Als Ausgleich für Arbeits- bzw. Spendenleistungen werden kostenlose Segeltörns auf der „Wiking III“ angeboten. Mittlerweile ist der Zweimaster die am längsten in Greifswald beheimatete Segelyacht. Auf der untenstehenden Internetseite ist auch die Nummer unseres Kontos zu finden. Jede Spende und jede helfende Hand zählt, damit es diesen Sommer, zur 550. Jahrfeier der Universität, wieder eine Schiffsparade unter der Beteiligung der studentischen Segelyacht „Wiking III“ geben kann. Weitere Infos gibt es im Internet unter www.projekt-wiking.de. Wer Fragen hat, kann sich per Mail (cvg@projekt-wiking.de) oder telefonisch/SMS (0176/20053346) an uns wenden. Henriette Subklew, Fritjoff Gehrke
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traditionsschiff
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kulturleben
Nichts ist unmöglich Studi-Kultur in Greifswald
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Man sagt ja immer, in Greifswald weint man zweimal – einmal wenn man kommt und einmal wenn man geht. Das lässt sich auch sehr gut auf das Greifswalder Kulturleben übertragen. Auf den ersten Blick gleicht die Kulturlandschaft hier eher einem unfruchtbaren Boden, auf dem nichts wächst. Sieht man einmal genauer hin, so sind wir in einer sehr fruchtbaren Börde: Überall sprießen die unterschiedlichsten Pflanzen, ja sogar Rosen sind darunter. Doch was will ich eigentlich sagen?
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Greifswald ist toll, ja wirklich. Es ist für jeden etwas dabei. Für fast jede Glaubensrichtung gibt es eine Institution, von der evangelischen über die katholische Kirche über die Moschee bis zur buddhistischen Meditation. Es gibt Gottesdienste, Konzerte und Grillparties und jeder kann hingehen, seinen Horizont erweitern, versuchen den Sinn des Lebens zu finden. Wer es musikalisch mag, ist bei den zahlreichen Clubs und Vereinen gut aufgehoben. Nicht nur im Klex spielen ab und zu ein paar Bands, im Pariser kann man selbst üben und im IkuWo werden regelmäßig Trommelworkshops angeboten. Es gibt das Blasorchester, das Unisinfonieorchester und so weiter. Wer lieber singt, kann entweder im Mitt‘n‘Drin oder ab sofort auf der AStAKaraokeparty, die alle 2 Monate stattfindet, mal so richtig Dampf ablassen. Musik und Religion sind nicht eure Welt? Wie wäre es mit kreativen Hobbies? Schaut doch mal bei den Kunstwerkstätten vorbei: Hier gibt es
Die Ikuwo-Trommelgruppe auf dem Markt beim Students Festival 2005. Töpfer-, Foto- und allerlei handwerkliche Workshops. Körper und Stimme könnt ihr beim Studententheater StuThe verwöhnen, auch sie freuen sich immer über neue Mitglieder. Für die multikulturell Interessierten gibt es jeden Dienstag Sprachkultur beim ERASMUS-Stammtisch, der dazu einlädt über Gott und die Welt zu quat-
Foto: uli
jeder Club wird euch dankbar sein und bestimmt einige Wünsche erfüllen. Schon von der CultureBeatz AG gehört? Eure Party zum Mitmachen. Die AG trifft sich jeden Freitag um 18 Uhr im Audimax. Auch viele Fachschaftsräte veranstalten schöne Parties und Bälle, auch helfende Hände werden immer gebraucht. Also ran. Ohne uns Studenten läuft doch hier gar nix. Und genau das ist das Tolle: Man kann hier alles ausprobieren, Neues wagen, anregen, motivieren und viel für sein Leben lernen. Das will man doch als Student. Warum nicht so, dass es einem Spaß macht? In Greifswald ist es möglich. Kathleen Bendick Für mehr Fragen und Anregungen hat immer ein offenes Ohr: Kathi „Kultur“ Bendick, kultur@asta-greifswald.de. Sprechzeiten Mi 10-12 Uhr. Wenn dein Bandauftritt oder deine Party im AStA-Veranstaltungskalender stehen soll, meld dich bei mir oder schreib alternativ eine Mail an flyer@moritz-magazin.de, wenn du sie im flying moritz veröffentlicht haben willst.
schen und ganz nebenbei auch noch seine Sprachkenntnisse aufzufrischen. Daneben gibt es viele Länderabende und Tutoren werden auch immer gesucht. Nächstes Jahr wird es wieder eines geben: das Greifswalder International Students Festival, jetzt ist eure Chance ,alles mitzugestalten. Von den Countdownparties bis zur Goodbyeparty und Viele mehr. Ganz zu schweigen vom Running Dinner – Esskultur pur. Ist ja alles ganz nett, aber eure Rose stellt sich mehr in Form einer richtig guten Partynacht dar? Da kann Greifswald auch einiges bieten: Donnerstag und Samstag die Mensa, Mittwoch und Samstag die Mira, der Geokeller am Freitag und der TV-Club, ganz zu schweigen von der Kiste. Das ist euch alles zu langweilig? Dann werdet doch selbst aktiv! Sagt was ihr wollt, schreibt „Ovid‘s Eleven“ – das StuThe beim Students Festival. Mails, telefoniert, schaut vorbei, Foto: uli
In der Kürze liegt die Würze Erste Greifswalder Kurzfilmnacht Was haben eine Frau, die einWalross mimt, eine Dokumentation über wachsende Körperteile und zwei Vegetarier namens Johannes Starke,gemeinsam? Sie alle warenThema bei der ersten vom Radio 98eins und dem Caspar-David-Friedrich-Institut organisierten Greifswalder Kurzfilmnacht. Am 9. Dezember konnte man sich im Fremdsprachen- und Medienzentrum eine Auswahl der deutschlandweit eingesendeten Filme ansehen.Insgesamt wurden 21 Filme präsentiert und die Themen der Filme waren sehr vielfältig. Den Beginn machte ein Film mit dem Titel „Solo“, in dem eine niedliche rote Kugel aufgeregt durch ein Labyrinth irrt. Es folgten Beiträge zum Beispiel über Jenny, die einen Mann sucht und hierfür mit einer Videokamera bewaffnet wildfremde Männer anspricht.Nach 12 Kurzfilmen und dem Einläuten der Pause begann dann der Ansturm auf das umfangreiche Buffet Im zweiten Teil der Veranstaltung liefen Beiträge, wie „Ich bin ein Mann, Baby“ in dem der Gemütszustand des Hauptdarstellers stetig zwischen Liebessucht und Aggression wechselt. Am Ende der Filmvorführungen durfte jeder Zuschauer auf Stimmzetteln seinen Favoriten wählen. Während der Stimmenauszählung fand dann die Diskussionsrunde statt. Zwei Moderatorinnen vom Radio 98eins leiteten das Gespräch, zu dem die Produzenten von vier Kurzfilmen eingeladen wurden. Interessant waren die verschiedenen Beweggründe zur Produktion der Kurzfilme. Für die Einen ist es das Ergebnis
Ingo Schiller nimmt seinen Zuschauerpreis entgegen. eines Studienprojektes, für die Anderen das Produkt einer spontanen Eingebung. Dem Gespräch folgte die Bekanntgabe der Gewinner. Neben dem Zuschauerpreis wurde auch ein Preis von der Kulturbeutelredaktion für den besten Film vergeben. Letzteren nahmen die „Videotouristen“ mit nach Hause. Mit ihrem Film über eine Schauspielerin, die zur Erweiterung ihres Erfahrungshorizontes eine holzfressende Raupe spielt, überzeugten sie die Kulturbeuteljury. Über den Zuschauerpreis darf sich Ingo Schiller freuen, der in seinem Film „Durch das Warten wachsen“ auf detaillierte und unterhaltsame Weise zeigt, wie sich Haare, Fingernägel und ähnliches innerhalb von neun Monaten verändern können. Anschließend fand der Abend mit Kuchen, Obst und 98einsMusik einen ruhigen Ausklang. susa
Nach langem Kampf um eine Frequenz war es am 07. Januar 2005 endlich soweit: pünktlich um 19 Uhr ging radio 98eins auf Sendung. Seitdem ist viel passiert in dem kleinen Funkhaus in der Domstraße 12. Die ausschließlich ehrenamtliche Hörfunkalternative hat sich zum größten nichtkommerziellen Lokalprogramm in Mecklenburg-Vorpommern gemausert. Die Anzahl der engagierten Radiomacher steigerte sich innerhalb des ersten Sendejahres auf mittlerweile über 80. Angefangen als Festivalradio zur Zeit des International Student Festivals 2002, sendet radio 98eins heute fest auf der Frequenz 98.1 MHz. Der Lokalsender versorgt Greifswald seitdem jeden Montag bis Freitag von19 bis 23 Uhr mit allem, was rund um die Themen Hanse- und Universitätsstadt Greifswald und Musik wichtig, aktuell und hörenswert ist. Die Nachrichten zu jeder vollen Stunde berichten über das Wichtigste zum Thema Hochschule, Kommunal-, Landes-, und Bundespolitik sowie aus den Bereichen Wirtschaft
und Kultur. Damit ergänzen sie die zahlreichen Magazinsendungen des Senders, die im vergangenen Jahr immer wieder spezielle Themen in den Fokus rückten. Die Greifswalder Bachwoche, der Programmschwerpunkt Rechtsradikalismus anlässlich der 60-jährigen Kriegskapitulation und die intensive Berichterstattung zum International Students Festival 2005 in Greifswald sind nur einige der Höhepunkte aus einem Jahr. Aber auch Musikliebhaber aller Art bekommen bei radio 98eins ein vielfältiges Programm jenseits des Mainstream geboten. Ob Schlager, Electro, Reggae, Gothic oder Pop: kaum ein musikalisches Genre das nicht seinen Platz im Sendeplan gefunden hätte. Durch das große Engagement der hauptsächlich studentischen Mitarbeiter konnte selbst während der Semesterferien im letzten Sommer der Sendebetrieb mit einem Sommerferien-Musik-Spezial aufrecht erhalten werden. Aber auch nach den Semesterferien ruhte sich radio 98eins
nicht auf seinen Lorbeeren aus und etablierte mit der Kindersendung „Gibt’s das?!“ erstmalig eine Wissenssendung für Kinder ab fünf Jahren und deren Eltern in seinem Programm. Das in Zusammenarbeit mit dem Theater Vorpommern produzierte Hörspiel „Er. ich“ um den Greifswalder Theaterskandal von 1928 sowie die veranstaltete Kurzfilmnacht sorgten dafür, dass sich radio 98eins weiter in der Greifswalder Kulturlandschaft etablieren konnte. Auch als Anbieter von Praktika hat sich der Sender einen Namen gemacht. Im Jahr 2005 ermöglichte radio 98eins neben 3 Schülerpraktika auch mehrere studentische Praktika. Für das kommende Jahr hat sich radio 98eins viel vorgenommen: Der Sender plant eine Reihe neuer Veranstaltungen, Fortbildungen sowie Kinder- und Jugendprojekte zur Förderung der Medienkompetenz. Der erste Geburtstag des Senders wurde bereits am 07. Januar mit einer „Wir-sagen-Danke-Party“ im IKUWO gefeiert. Nach einem erfolgreichen ersten Jahr steht damit einem dauerhaften „funk for pommern“ nun nichts mehr im Wege. Kathrin Klein
kultur
radio 98eins feiert 1. Geburtstag
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bücher
Was Oma besser für sich behalten hätte Der Untertitel sagt alles: „Antworten auf alltägliche Gesundheitsfragen“. Das Buch gleicht mehr einer umfangreichen Informationsbroschüre als einem wirklichen Ratgeber für die Gesundheit. Frau Dr. Hahn-Hübner beantwortet aufschlussreiche Fragen wie „Bei Aphten im Mund hilft fast nur warten“ oder „Basilikum: gut für den Magen, aber ohne Wirkung für die Potenz“ ohne aber wirklich problemorientierte Lösungen anzubieten. Die Themenbereiche erstrecken sich von gesunder Ernährung über Naturheilmittel und Diäten bis hin zu Allergien und alternativen Heilmethoden. Bleibt nur zu hoffen, dass andere Literatur des Verlags mehr Hilfestellung bietet, ansonsten empfiehlt sich der Weg zum entsprechenden Facharzt. michi Das Buch „Bleiben Sie Gesund“ von Martina HahnHübner ist im Riva-Verlag erschienen und kostet 8,95 Euro.
Paris trés sexy Am Anfang war alles nur Spaß. Stephen Clarke, ein 45jähriger Engländer,schreibt alias PaulWest seine fast wahren Abenteuer als Marketing-Experte englischer Tee-Salons auf und druckt das Buch 200 Mal für Freunde und Bekannte. Es geht weniger um trockene Tatsachen als um das Leben in Paris, die Stadt der Streiks. Mit viel Humor tänzelt der Protagonist an liegengelassenen Hundehaufen vorbei – und wie es sich gehört eine viertel Stunde später als vereinbart – zur Essensverabredung, wo eine bezaubernde Schöne ihm erklärt, Salat zu schneiden wäre eine Todsünde, er dürfe höchstens gezupft werden. Ein simples Schulterzucken klärt so manches Kommunikationsproblem im Job und bei mehr oder minder freiwilligen Dessous-Erkundungen offenbart sich, ob es sich dabei wirklich nur um ein Klischee handelt. Und oui, sie küssön sisch dön ganzön Tag. juk Das Buch „Ein Engländer in Paris“ von Stephen Clarke ist im KabelVerlag erschienen und kostet 17,90 Euro.
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Eine Frau geht ihren Weg
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„Als Frau meiner Generation war ich etwas Neues, Ungewöhnliches und Suspektes. Ich fiel sozusagen aus dem Rahmen.“ Mit diesen Worten charakterisiert sich Else Schrobsdorff, deren ungewöhnliches Leben dieser Roman zu beschreiben versucht. Die Autorin Angelika Schrobsdorff setzt aus vielen Puzzlesteinen das Bild ihrer Mutter Else zusammen: Briefe, Fotoalben, Erinnerungen von Freunden und der Tochter selbst beschreiben Else Schrobsdorff als eine extrovertierte Frohnatur, die das Leben auszukosten weiß. Die Lebensgeschichte dieser in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Frau ist eine Gratwanderung zwischen Konvention und Leidenschaft, Liebe und Gleichgültigkeit, Juden- und Christentum, Frieden und Krieg sowie Exil und Heimkehr. Zunächst verlebt Else eine glückliche jüdische Kindheit in Berlin. Bald aber, eingeengt durch jüdische Tradition und Konvention, flüchtet sie sich in eine Ehe mit dem Künstler und Luftikus Fritz. Die Ehe droht an der Untreue von Fritz zu scheitern, doch auch Else ist kein Kind von Traurigkeit. Aus einer Zweier- wird bald eine Dreier-, Viererund Fünferbeziehung. So lebt Else ein Leben, angefüllt mit Theater und Konzerten, Ferien im
Sommerhaus am See und großen Gefühlen. Doch die Nazis setzen dem Überschwang ein jähes Ende. Else, inzwischen mit dem feingeistigen Erich Schrobsdorff verheiratet, muss mit ihren Töchtern nach Bulgarien fliehen und fortan eine entbehrungsreiche Zeit voller Schrecken und Zweifel bewältigen. Mit viel Mitgefühl, Bewunderung und Leidenschaft, dennoch immer auch mit kritischem Blick, versteht Angelika Schrobsdorff das Leben ihrer Mutter zu beschreiben. Amüsant ist der Blick in die Goldenen Zwanziger Jahre in Deutschland, in denen Else die Blüte ihres Lebens feiert. Erschreckend hingegen erscheint die Zeit des Exils, die Armut und der nackte Kampf um das Überleben in Bulgarien. Angelika Schrobsdorff ist es gelungen, die facettenreiche Vita ihrer Mutter in bewegender, beeindruckend klarer Sprache zu beschreiben. Die Autorin trägt zahlreiche Einzelheiten zusammen, die das Bild einer charismatischen Frau ergeben. Entstanden ist ein Zeitzeugnis, das berührt und zugleich erschüttert. grip
„Ich verstand den alten Mann sofort. Eine Katastrophe! Nicht auszudenken! Die Erde vollgestopft mit unsterblichen Idioten!“ Das Buch, in dem Wolf Biermann über Gott und die Welt sinniert, ist voll von bissigem, herzerfrischendem, herzaufgehenlassendem Sarkasmus. Der bekannte deutsche Liedermacher und Autor aus der ehemaligen DDR schreibt in seinem Werk „Der Sturz des Dädalus oder Eizes für die Eingeborenen der Fidschi-Insel“ über Deutschland und deutsche Geschichte, unsere Außenpolitik, aber auch über andere Länder. Das Buch ist 1992 erschienen. Auch wenn Biermann sich auf tatsächlich Passiertes der damaligen Gegenwart und Vergangenheit bezieht, hat das Buch Aktualität. Man erfährt auch so manches über Biermann selbst, einige seiner Lieder sind abgedruckt. Wer gerne gestandenen Menschen mit einer Spur Zynismus, vor allem aber Sarkasmus beim Zurückschauen aufs Leben und beim Betrachten der Welt zuhört, wird das Buch lieben. ilia
Das Buch „Du bist nicht so wie andre Mütter“ von Angelika Schrobsdorff ist bei dtv erschienen und kostet 10 Euro.
Das Buch „Der Sturz des Dädalus“ von Wolf Biermann ist bei Kiepenheuer und Witsch erschienen.
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Heinzer, Mucker und Starrer Mucker und Starrer, das war Heinz Strunk, wenn man ihm das alles so glauben darf, fast sein ganzes Leben lang. Er tingelte mit „Tiffanys“, einer Showband, durch das norddeutsche Umland seiner Heimat Hamburg-Harburg. Davon und vom Starrertum handelt sein Buch „Fleisch ist mein Gemüse“. War er nach einer mehr als anstrengenden Kindheit mit „Tiffanys“ unterwegs, so waren es immer Leiden und Glauben zugleich, diesein Leben bestimmten. Leiden unter der Verachtung, die jeder mühelos für so eine Showband aufbringen kann. Glauben daran, dass einem irgendwann doch einmal etwas Gutes widerfahren müsste. Es lässt auf sich warten. Strunks ganz persönliches Elend zieht sich durch das komplette Buch. Er ist
intelligent und trotzdem verloren. Der Hierarchie, sie sind Leser schließt den selbsternannten das ausgemusterte Starrer Heinzer in sein Herz, so mitrei- Subproletariat.“ ßend klagt und verachtet er zugleich. Man Den weitewinselt, man geifert, man keift und man ren Ausführunliebt mit Heinzer, wenn er einem von gen zum Thema Kasinoeskapaden, Starrer stellt er A l ko h o l l e i c h e n , sein großartiges Fickspechten und Gedicht „Stupor“ immer wiederhintenan, das kehrend von den zwar nicht durch Biestern erzählt. Zurückhaltung Auch der vom glänzt,dafür aber bei Gesundheitswahn jedem mit eigenem entnervte wird Erfahrungsschatz hier bedient: „Der für brüllendes Mensch ist kein Lachen sorgt. Beilagenesser“. AbwechslungsJede Szenerie reich, wortgewandt, wird der eigenen Heinz Strunk: Definitiv kein Beilagenesser. jedoch nicht abgeImagination so hoben und mit gnatreffgenau beschrieben, dass man ihn - denlosem Brechreizsarkasmus prügelt die Musikkellerluft schon fast riechend - Strunk den Leser durch sein Leben. noch einmal durch sein Leben begleitet. Pessimismus wird zum Lebensstil. Nicht Zu einem der unterhaltsamsten Momente freiwillig, dafür aber umso nachvollziehkos zählt die Definition des Starrers. Starrer barer. „empfinden jede halbwegs attraktive Frau gleichzeitig als Provokation und als Das Taschenbuch „Fleisch ist mein Gemüse“ Demütigung.“ Und: „Starrer stehen auf von Heinz Strunk ist im Rowohlt Verlag der alleruntersten Stufe der sexuellen erschienen und kostet 8,90 Euro.
“Until I find you”, John Irving’s 11th novel is, if at first sight only because of its volume, an ambitious and impressive piece of work. Over 800 pages long in the English version – it will probably be close to 1.000 in the German one – it chronicles the life of Jack Burns, from his early childhood until the year 2003, when he is a famous actor. In that regard, it is vintage Irving: an epic life story told in loving detail. There is also the requisite mentioning of Maine and wrestling, and as almost all of his male protagonists, Jack grows up fatherless. But unfortunately, it lacks other characteristics that make Irving’s novel so unique and such a pleasure to read: the witty portrayal of imperfect, eccentric yet lovable characters that make us laugh and cry at the same time. Make no mistake; the characters in this novel are all imperfect to the extent of being dysfunctional: Alice, Jack’s Scottish mother and a tattoo
artist, drags her son around Europe in search of his runaway father, a musician and alleged womanizer. Jack himself has a fatalistic weakness for older women despite being molested by one at age 10, and is an occasional transvestite. But we can never feel with these people, never laugh at their misadventures and cry about their struggles, because everything in this novel is blown out of proportion, everything is just a little too much to still be realistic. The figures aren’t tragic heroes trying to gain control of their lives anymore, they have become grotesque. The book is divided into 5 chapters, each a landmark in Jack’s life. The story just keeps droning on in a foreseeable and repetitive fashion. Only in the final chapter, when his whole life and everything he has believed to be true about it has fallen apart, does Jack finally break out and tries to get a grip on his life, first, with the help of psychologist, then by doing some soul-searching
in the places of his childhood and searching for his father. This is when the novel finally picks up speed and gets interesting. But unfor tunately, this change John Irving. in the story comes too late and is too short to justify the 700 pages that came before it. By then, the reader is genuinely bored by Irving’s endless and most of the times unnecessary descriptions of the places and people Jack encounters in his life. “Until I find you” could have been a gripping novel about deception, lies, a stolen childhood and all the consequences – if it had been about 500 pages shorter. As it is, it is a long winded, melodramatic description of a life gone wrong and spent mostly in self pity. Only for die hard Irving fans. sari “Until I find you” is currently only available in English, published by Random House and costs 14,95 Euros.
kultur
Still haven‘t found what I‘m lookin‘ for
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konzerte
kultur
Bedenkenswert
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Dem Theater Vorpommern fehlt ein guter Konzertflügel. Seit Jahren floss deshalb Geld für die Ausleihe eines solchen. Ein auf drei Jahre angelegter, 2004 begonnener Konzertzyklus soll dem möglichst bald Abhilfe leisten. Die Aufführung der fünf Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven (1770-1827) in insgesamt drei Sonderkonzerten des Orchesters Vorpommern unter seinem Generalmusikdirektor Mathias Husmann versucht, diesem Ziel näher zu kommen. Am 10. Januar spielte Professor Matthias Kirschnereit im Greifswalder Theater, der an der Rostocker Hochschule für Musik und Theater (HMT) lehrt. Mit der zweiten Leonoren-Ouvertüre op. 72 und dem zweiten und vierten Klavierkonzert Beethovens deutete sich programmatisch eine reizvolle Mußestunde an. Vor allem, weil es sich bei Matthias Kirschnereit um einen international gefragten Künstler handelt. Jedoch schien der Abend dem Solisten nicht so recht gewogen zu sein. Nach einem unmerklichen Stolpern in der Solokandenz des ersten Satzes des zweiten Klavierkonzerts fing sich Kirschnereit zwar wieder, konnte sich aber diesen Schrecken bis zum Ende seines Auftritts nicht aus dem Fingern spielen. Der stürmische Kirschnereit und das zupackende Orchester harmonierten wunderbar, konnten sich aber dem Lyrischen insgesamt nicht so recht hingeben. Pathetisch hatte Beethoven zu klingen. Daher wirkten auch die langsamen Sätze oder Passagen wie unvermittelt hinein komponierte Inseln des Schwelgens. Zu wenig Prozess bereiteten diese vor und gaben dem Musizieren einen leicht herzlosen Beigeschmack. Trotz der großen Zustimmung des Publikums ging nicht jeder nach der Aufführung beglückt nach Hause und nicht wenige Orchestermusiker zollten beim genaueren Hinsehen dem Pianisten nur den mindesten Respekt. Applaus für einen guten Zweck ist richtig und wichtig, jedoch darf es an künstlerischer Anstrengung nicht fehlen. Die Karte kostet Geld, Zweck hin oder her. Leider stellte sich das wohlwollende Publikum als ältlich heraus. Der Missstand der öffentlichen Förderung von Kultur ist äußerst bedenklich. Gewiss. Bei all dem Beethoven sollte die junge Generation nicht vergessen werden. Sie blieb bis auf sporadische Einzelausnahmen zu Hause. Bei fast ausverkauftem Saal ist das langfristig bedenklicher als ein neuer Flügel. ur
Jubilate Deo! Haydns „Schöpfung“ ergriff Hallte noch eben der herrliche Seit den ersten privaten, später dann auch Schlusschor mit „Singet dem Herrn öffentlichen Aufführungen genoss „Die alle Stimmen!“ durch das Kirchenschiff Schöpfung“ eine erhebliche Zustimmung von St. Jacobi, so füllte ihn anschlie- und brachte Haydn zu immer neuen ßend rauschender Applaus. Rasch war Ehren. Im Zuge ihres Erfolgs grünsich die bunt gemischte Zuhörerschaft deten sich immer mehr Chöre und einig: Die Aufführung des Oratoriums Musikinstitute. Musikgeschichtlich fol„Die Schöpfung“ von Joseph Haydn genschwer war zudem das Durchsetzen durch den Universitätschor und die einer deutschen Oratorienschule, die der italienischen Kammersymphonie ebenbürtig wurde. Greifswald unter der Allerdings geschah Leitung von Univers dies nur durch die itätsmusikdirektor geweckte Neugier an Harald Braun am 14. Händels Werken. Januar stellte eine Mit großem Jubel beachtliche Leistung dankten der Unidar. Früh fand sich das versitätschor, die große Publikum ein, Kammersymphonie um noch einen guten und die Solisten Gott Platz zu ergattern. für die Schaffung von Dem-entsprechend Licht und Finsternis, rasch waren dann auch Land und Meer, die Sitzgelegenheiten Tieren und Pflanzen vergeben, gespannt und den Menschen. auf die gut zweistünJoseph Haydn: Eine „Schöpfung“ mit Wunderbar stiegen dige Aufführung. „Die Schöpfung“ ist Langzeitwirkung. Sonne und Mond im nicht das erste Orazwölften Rezitativ torium Joseph Haydns (1732-1809). von Erzengel Uriel empor, lieblich vereint Bereits 1775 fand die mit bescheidenem sangen Adam und Eva „Mit dir erhöht Erfolg beschiedene Uraufführung von „Il sich jede Freude“ und einem etwas ritorno di Tobia“, einem Jugendwerk, das vorsichtigen Orchesterfortissimo schied sich stark an den damals vorherrschen- sich nach der musikalischen Darstellung den Oratorienstil anlehnte, statt. Anders des Chaos das Licht von der Finsternis. als bei jenem schlägt der Einfluss Georg Gut aufgelegte Solisten, im Tone manchFriedrich Händels in der „Schöpfung“ mal vielleicht etwas dünn, ein prächtiger zu Buche. Bereits in Esterházy und Wien Chor und ein waches Orchester kredenzlernte Haydn Händels Musik kennen. ten Haydns Meisterwerk anrührend. Ein Während der Londoner Jahre wuchs Semester Arbeit ging damit erfolgreich sein Interesse daran weiter. Baron van zu Ende. Für die Festveranstaltung zum Swieten bewegte den Komponisten Universitätsju-biläum am 17. Oktober ist nach der Übertragung von John Miltons Mozarts Krönungsmesse geplant. Eine „Verlorenem Paradies“ ins Deutsche gute Visitenkarte dafür wurde erbracht. zur folgenden dreijährigem Arbeit am Gratulation. Tonwerk. ur
cd neu
The Rising Bruce Springsteen Sony/BMG
Manche Alben vergisst man schon nach dem ersten Hören nie. „The Rising“ von Bruce Springsteen, erschienen 2002, kurz vor dem ersten Jahrestag der Anschläge des 11. Septembers, gehört dazu. Anders als der zur inoffiziellen Hymne des 11. Septembers gewordene Song „Only Time“ von Enya schaffen es die Lieder auf diesem Album ganz ohne Pathos oder Hurrapatriotismus, der Trauer und Fassungslosigkeit eines ganzen Landes eine Stimme zu geben. Die düsteren Balladen (besonders beeindruckend: „Empty Sky“)vermitteln ein eindrucksvolles Bild davon, wie es den Menschen ergangen ist, die an diesem Tag die Türme brennen sahen, und jenen, die danach tagelang zwischen Hoffen und Bangen um ihre Angehörigen schwebten („You’re missing“). Auch den Helden von 9/11, den Feuerwehrmännern, setzt „The Boss“ mit „Into the Fire“ ein ehrenvolles Denkmal. Der Titelgebende Song des Albums „The Rising“ ist eine wunderbare Hymne, die die Aufbruchstimmung verbreitet und Mut für den Neuanfang nach der Katastrophe gibt. Unbedingt hörenswert ist auch Springsteens Hommage an den Big Apple und seine Bewohner: „My city of ruins“. Ein trauriges, aber wunderschönes Album. sari
A Rush Of Blood To The Head Coldplay EMI
Zurücklehnen, Augen zu und einfach genießen – das gilt für alle Alben der britischen Erfolgsband Coldplay. Unter den Fans ist indes die Frage nach der gelungensten Platte der Band umstritten: Ist es das Debütalbum „Parachutes“ mit dem Hit „Yellow“, das 2002 erschienene Album „A Rush Of Blood To The Head“ oder das aktuelle Werk „X & Y“? Meine eindeutige Nummer 1 ist „A Rush Of Blood To The Head“. Selten bietet eine CD so viel Gefühl, Wärme und Herz. Traurig-schöne Lieder mit lyrischen Texten zelebrieren eine bewegende Atmosphäre. Die Platte verzaubert durch herausragende Kompositionen und Melodien sowie durch eine perfekte Symbiose aus Piano- und Akustikgitarrenklängen und einen trockenen Schlagzeugsound. Hinzu kommen die unverwechselbare Stimme Chris Martins und die sphärisch-streicherartigen Klänge, die die Songs in mitreißend luftige Höhen heben. Jeder dieser zeitlos schönen Songs hat seinen eigenen Reiz, von deren Qualität sich, ähnlich wie bei einem schüchternen Mädchen, bei jedem erneuten Aufeinandertreffen ein bisschen mehr zeigt. Vom monumentalen Intro „Politik“, über Single-Hits „In My Place“, „The Scientist“ oder „Clocks“ bis hin zu den ausdrucksstarken Traumballaden „Warning Sign“ oder „Amsterdam“ ist diese Platte purer Hörgenuss und Pflichtbestandteil jeder gut sortierten Plattensammlung. grip
Evgeny Kissin: Skrjabin – Medtner – Strawinsky RCA – Red Seal
Ausgesuchtes trägt Evgeny Kissin vor. Nach Robert Schumann, Johannes Brahms und Franz Schubert widmet sich der 1971 in Moskau geborene Pianist der eigenen, russischen Klaviermusik. Mit den Fünf Preludes Alexander Skrjabins (1872-1915) erklingt ein raffinierter Einstieg, der neugierig auf das Folgende macht. Trotz höchster technischer und ästhetischer Ansprüche fristen Skrjabins Klaviersonaten heute noch ein Mauerblümchendasein. Leider. Die zarten Préludes und die aufgewühlte dritte Klaviersonate zeugen von Chopins Geist, erinnern partiell an Debussy und künden nur ansatzweise von späteren, genialen Ekstasen des Komponisten. Hierzulande mögen zwar unter anderem Claude Debussy und Arnold Schönberg berechtigterweise als Wegbereiter der Musik des 20. Jahrhunderts gelten, ihnen stehen jedoch Igor Strawinsky (1882-1971) und Alexander Skrjabin keinesfalls nach. Von Strawinskys Petruschka tänzerisch gerahmt bildet die SonataReminiscenza op. 38 Nr. 1 des 1921 nach Berlin emigrierten Nikolai Medtners (1880-1951) die programmatische Mitte des bereits im August 2004 aufgenommenen Albums. Ein reizendes Novum. Kissins getroffene Programmwahl und feinsinniger Vortrag erlaubt keine zu geringe Würdigung, hegt jedoch den Wunsch, die russische Moderne pianistisch bald zu erkunden. Hier warten noch Schätze auf ihre Entdeckung! ur
call it [em] Wollny/Kruse/Schäfer ACT
Deutschland ist Exportweltmeister? Nicht in jeder Hinsicht! Denn gerade beim Jazz hapert es kräftig. Die Musikerausbildung mag zwar auf einem hohen Niveau sein, international durchschlagende Ergebnisse fallen vergleichsweise eher recht bescheiden aus. Mit dem kürzlich verstorbenen Posaunisten Albert Mangelsdorff, dem Pianisten Joachim Kühn und der Formation „Der rote Bereich“ leuchten die ersten Hoffnungslichter am deutschen Jazzhimmel. Künftig sollen es mehr werden. Das Label ACT will mit der Reihe „Young German Jazz“ Schule machen. Studiert, mit Bühnenerfahrung und verkaufbarem Künstlerkonzept treten die ersten Unter-dreißig-Jährigen zur Begründung ihrer eigenen musikalischen Tradition an. „[em]“ alias Michael Wollny (Klavier), Eva Kruse (Bass) und Eric Schaefer (Schlagzeug) sind ein erstes gutes Beispiel. Auf der Debütplatte „Call it [em]“ knistert und streicht es. Eröffnet wird mit „Wakey, Wakey“, einer prasselnden Klangwolke, der sich das groovige „The Mean Spider of Tandorine“ anschließt. Insgesamt legt das komponierende Trio ein prickelndes, liebenswert experimentelles Album vor. Wer mystische Ruhe sucht, befindet sich inmitten eines flackernden Großstadttaumels. Nur eine deutliche Richtung gibt es: weg vom Mainstream. Nun gut, klingt auch ein bisschen erzwungen. Wer es ganz genau wissen will, kann die Formation am 8. Februar im Rostocker Kleinkunsttheater „Ursprung“ erleben. ur
kultur
wertvoll
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dvd
Visuelle Begegnung mit dem Schrecken eines Barsches Darwins Alptraum
Lebendig, Offensiv, Spannend, Tragisch
kultur
Lost – 1. Staffel
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48 Menschen überleben einen Flugzeugabsturz und stranden auf einer Insel. Das mag sich zunächst wie ein weiteres Remake von „Herr der Fliegen“, „Cast Away“ oder „Robinson Crusoe“ anhören und doch ist „Lost“ anders. Mit jeder der 25 Folgen wird die Vergangenheit eines anderen Passagiers beleuchtet und die Geschichte, die ihn auf diese scheinbar verwunschene Insel verschlagen hat. Doch damit nicht genug, offenbart auch die Insel selbst immer mehr von ihrem düsteren Geheimnis. Von Eisbären mitten im Pazifik bis hin zu abgestürzten Flugzeugen voller Drogen – diese Insel scheint wahrlich nicht normal. Und dies ist durchaus gewollt: Regisseur und Entwickler J. J. Abrams, der demnächst mit „Mission: Impossible 3“ in die Kinos kommt, wollte der Insel „einen eigenen Charakter verleihen“. Dies gelingt ihm durch nervenzerreißende Musik und sehr gute Kameraeinstellungen, die von wild verwackelt bis zu entspannten Panoramaaufnahmen reichen. Seit Dezember gibt es die erste Staffel nun auf sieben DVDs zu kaufen, deren Menüdesign genauso psychotisch unterlegt und stellenweise ebenso still beruhigend ist, wie die Serie selbst. Für rund 45 Euro erhält man so 25-mal Spannung pur, der es lediglich an etwas Bonusmaterial fehlt. Die Handlung ist stark in einander verstrickt und wird Stück für Stück entwirrt, was am Ende ein detailliertes Puzzle an sozialen Beziehungen ergibt. Innovativ, qualitativ hochwertig und super spannend ist Lost auch für Nichtsammler zu empfehlen. jmk
Was veranlasst einen österreichischen Regisseur, sich mit einer Süßwasserfischart in einem afrikanischen Land zu beschäftigten? Warum wird das entstandene Machwerk mit Filmpreisen überhäuft? Die Antworten muss sich jeder Zuschauer des Films „Darwins Alptraum“ selbst geben. Die dokumentierte gesellschaftliche und wirtschaftliche Realität im Staat Tansania kommt der eines Horrorfilms gleich. Ein zu Forschungszwecken ausgesetzter Barsch vermehrt sich im Viktoriasee stark, setzt sich gegen andere Fischarten durch und die vorherige Artenvielfalt ist nicht mehr vorhanden. Das bisherige Ökosystem steht Kopf. Der neue Viktoriabarsch konnte sich am besten an die dortige Umwelt anpassen, ein Musterbeispiel für Charles Darwins These vom „survival of the fittest“. Mit dieser Ausgangslage lässt der Österreicher Hubert Sauper seinen Dokumentarfilm beginnen und betrachtet danach die Folgen der Fischvermehrung für die Einwohner des westafrikanischen Staates Tansania. An den Ufern des Viktoriasees gedeiht die fischverarbeitende Industrie zur vollen Blüte. Das Filet des Viktoriabarsches landet durch finanzielle Hilfe der Europäischen Union auch auf deutschen Tellern. Der florierende Wirtschaftszweig beschäftigt Tausende von Menschen. Doch neben den Fabriken zeigt Sauper ein trostloses Bild: Frauen bieten ihren Körper für 10 Dollar an, obdachlose Kinder schmelzen Verpackungsreste zum Schnüffeln ein, Menschen ernähren sich vom Fischabfall. Der Widerspruch zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und partiellem Wohlstand auf der einen und Hunger, Krankheiten und Staatsohnmacht auf der anderen Seite wird in drastischen, teilweise ekelhaften Bildern dargestellt. Sauper widmet sich nur den negativen Erscheinungen, kein einziges Bild vermittelt Hoffnung auf Besseres. Weder für den Menschen, noch für die Natur.
Verschwörung im Berlin-Express Und szenisch grüßt der Ludwig.Welcher? Natürlich Ludwig Wittgenstein. Der schwedische Regisseur und Schauspieler Peter Dalle nimmt in seinem ersten Kinofilm „Verschwörung im BerlinExpress“ den Philosophen beim Wort: Nichts ist scheinbar wie es ist. Im Winter 1945 reisen der ehemalige Literaturkritiker Gunnar, der zynische Arzt Henry, seine Ehefrau Karin und die Geliebte Marie, ein exzentrisches Schwulenpärchen, zwei Nonnen, eine Gruppe baltischer Flüchtlinge und ein witziger, wenn auch verwundeter Soldat mit dem Zug von Stockholm nonstop nach Berlin. Das 96-minütige Gedankenexperiment gewinnt immer schelmischere Züge, je weiter die Bahn auf das Nachkriegs-Berlin zurollt. Der Zauberlehrling Peter Dalle ahmt sein Vorbild Hitchcock in ausgesuchten Nahaufnahmen sicher nach, hält das Genre aber bewusst-raffiniert zwischen Thriller und Komödie offen und schafft es dabei, die alten Zeiten des schwedischen Schwarz-Weiß-Films der 40er und 50er Jahre wieder zu beleben. Sprachlich sei daher für alle DVD-Fans, die nicht des Schwedischen mächtig sind, die Originalfassung mit deutschem Untertitel empfohlen. Der mit ausgesuchten Schauspielern besetzte, innerhalb eines Monats abgedrehte Streifen besitzt ein besonderes ideengeschichtliches Gewicht, indem er den Wiederaufbau Europas nach 1945 aus schwedischer Sicht nachgezeichnet. Die Frage, ob nicht vielleicht Wittgensteins Zitat im Film oder heute im allgemeinen noch zutrifft, steht im Raum. Was für ein geschickter cineastischer Schachzug, Herr Dalle! ur Gerade deswegen ist „Darwins Altraum“ aber interessant. Schonungslos macht der Regisseur auf die Missstände aufmerksam. Dabei verzichtet er auf einen Kommentar aus dem Off, der auch nicht notwendig ist. Die Bilder sprechen für sich und der passive Zuschauer kann nicht eingreifen. bb
medien
Quo vadis, Hollywood? Steven Soderbergh revolutioniert Seh- und Kaufgewohnheiten einer Kinoproduktion. Durch technische Innovationen kamen neue Auswertungsarten hinzu. Die wirtschaftliche Verwertung des Produkts Film durch Kinotheater sorgt heute nur noch für rund 20 Prozent der Erlöse. Über die Hälfte entstehen durch die Zweitauswertung auf DVD. Die restlichen Einnahmen fließen durch den Verkauf der Fernsehrechte und Merchandising hinzu. Zwischen den Nutzungsstufen bestanden relativ feste und exklusive Zeitfenster der Auswertung. Erst der Kinostart, danach die Veröffentlichung auf Video und DVD, dann Pay– Per–View und Pay–TV und zum Schluss die
e“. ubbl B „ Film ten s Ausstrahlung e u e mn e im Free–TV. Dies n i e ss u a ermöglichte jedem Teil der s Still m l i Auswertungskette, Einnahmen zu F h, berg r erzielen. In den letzen Jahren ist vor e d r So wortlich. allem eine Verkürzung der einzelnen isseu g e R d Dass sich der Auswertungsfenster zu beobachten. o ywo Oscar-Gewinner jetzt Nur vier Monate nach dem Kinostart Holl an diesem Experiment der erschien zum Beispiel der Film „Sin Filmauswertung beteiligt hat, sorgte in City“ auf DVD. Den deutschen der Filmindustrie für Verwunderung, Kinoketten war dies zu früh – die aber auch Anerkennung. Comic-Verfilmung wurde boykottiert „Bubble“ erzählt die Geschichte der und erst Nachverhandlungen führten Einwohner einer Stadt im US-Bundesstaat zu einem Kinostart bei den drei großen Ohio und deren mysteriösen Erlebnisse Kinoketten. in der örtlichen Spielzeugfabrik. Im Jahr 2005 hatte die Filmindustrie auch Regisseur Soderbergh bediente sich aus- noch mit sinkenden Kinobesucherzahlen schließlich Laienschauspieler und drehte zu kämpfen. Das Markforschungsinstitut seinen Film in nur drei Wochen mit Nielsen EDI zählte für das verganDigitalkameras ab. Beides ermöglichte gene Jahr nur 121 Millionen gelöste eine kostengünstige Filmproduktion. Kinokarten in Deutschland. Mit diesem Im Hintergrund agierten Mark Cuban Rückgang von 20,4 Prozent gegenüber und Todd Wagner. Sie sind Inhaber einer dem Vorjahr steht Deutschland nicht Filmproduktionsfirma, eines Filmverleihs, allein dar. Auch in der umsatzmäßig einer Kinotheaterkette und verfügen größten Kino-Nation der Welt, den über Verträge mit einem Fernsehkanal USA, wurden rund 11 Prozent weniger und einem DVD-Vertrieb. Kinotickets verkauft. Parallel dazu ist Bis in die 1950er Jahre sorgte allein der DVD-Markt in den letzten Jahren die Kinoauswertung für die Erlöse unaufhaltsam gewachsen. Neue Filme
erzielen gegenüber dem Kinorelease nicht nur höhere Einnahmen, sondern auch das Erscheinen von unzähligen älteren Filmen und Serien ermöglicht stetigen Cash-Flow. Schon wird davon ausgegangen, dass Soderberghs Film „Bubble“ eine ebenso starke Veränderung der Filmindustrie einläuten wird, wie das Ende des Stummfilms durch den ersten Tonfilm „The Jazz Singer“ im Jahr 1927.
Durch kostengünstige Home-Enter-tainment-Systeme wird heutzutage aus jedem Wohnzimmer ein kleiner Filmpalast. Hinzu kommen die seit Jahren sinkenden Preise für DVDs, die den Aufbau einer persönlichen Filmbibliothek ermöglichen. Wer die heimischen vier Wände verlässt, um einen Film im Kino zu sehen, dem müssen schon gute Argumente geliefert werden. Die meisten Kinofilme sind sehr schnell illegal und wenige Monate später auch legal erhältlich. Auch die Produzenten haben an dem day-anddate-Erscheinen ein Interesse: einmalige Marketingausgaben anstatt für jede Auswertungsart einzeln, dem illegalen Verkauf kann ein Riegel vorgeschoben werden und vor allem kleinere LowBudget und Independent-Produktionen kommen sofort an mehr Interessierte heran. Wenn die zeitgleiche Auswertung eines Filmes von den Kinos nicht als Konkurrenz verstanden wird, sondern als Möglichkeit, die Vorteile eines Kinobesuchs herauszustellen, mag Soderbergh ein Wegbereiter sein. Bei Erfolg plant er nämlich schon weitere Kinofilme für die gleichzeitige Auswertung. Sein gerade abgedrehter Spielfilm „The Good German“ mit George Clooney in der Hauptrolle läuft jedenfalls erst einmal exklusiv im Kino. bb
kultur
Welch paradiesische Zustände scheinen ab dem 31. Januar dieses Jahres in den USA möglich. Der filmbegeisterte Konsument erhält drei Möglichkeiten den nagelneuen Kinofilm „Bubble“ zu sehen: Er kann sich zwischen dem Kinobesuch, dem Kauf der DVD oder der Pay–Per–View–Ausstrahlung entscheiden. Es ist nicht das erste Mal, dass eine Filmfirma ihr Produkt zeitgleich in allen Verwertungsstufen an die Käufer bringen möchte. Doch hinter diesem Plan entdeckt man eine bedeutende Persönlichkeit aus der Unterhaltungsbranche: Steven Soderbergh. Der US-amerikanische Regisseur und Produzent war sowohl für Box-Office-Erfolge wie „Ocean‘s Eleven“ und deren Fortsetzung, „Out of Sight“ und „Erin Brokovich“, als auch für künstlerische Werke wie „Sex, Lügen und Video“ und „Traffic“ ve r a n t -
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kultur
kino
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Überwältigend: King Kong.
Verunsichert: Scarlett Johansson.
Bombast auf vier Pfoten
Das Leben ist ein Tennisspiel Solange du da bist
New York bebt erneut: 72 Jahre nach dem Kultklassiker „King Kong und die weiße Frau“ lässt Peter Jackson den Riesenaffen für rund 200 Millionen Dollar wieder auferstehen. Doch er hat es schwer. Nach seinem Epos „Der Herr der Ringe“ muss sich der neuseeländische Regisseur zwar nicht mehr beweisen, doch die Ansprüche des Publikums sind gestiegen. Also hat er sich für trickgespickten Bombast entschieden, bei dem eher auf Effekthascherei gesetzt wird als auf stimmungsvolle Details. Und doch reichen Rieseninsekten, Dinosaurier im Überfluss und ein Riesengorilla noch nicht für einen guten Film. Auch wenn Jacksons Remake nicht wirklich schlecht ist, ist es auch entfernt davon, gut zu sein. Zu deutlich soll mit gigantischen Special Effects die Lizenz zum Gelddrucken erworben werden, wobei zahlreiche Kleinigkeiten, die den Herrn der Ringe noch ausgemacht haben, zu kurz kommen. Auch wenn die Machart bisher ungeahnte Möglichkeiten andeutet, bleibt der Spaß auf der Strecke. Manchmal ist weniger eben mehr. jmk
Wenn Woody Allen einen neuen Film dreht, hat man eine gewisse Erwartungshaltung. Mit „Match Point“ errichtet sich Allen jedoch ein Denkmal in eher ungewohnter Art und Weise. Auf den ersten Blick erkennt man nur wenig Gemeinsamkeiten mit seinen bisherigen Werken. Nur der Allen-typische Vorspann deutet darauf hin, wer hier am Werk war. Die Eröffnung macht ein Tennisball. Er prallt in Zeitlupe am Netz ab und für einen ewig scheinenden Moment ist nicht klar, auf welcher Seite er niederfallen wird. Das Glück ist der rote Faden des Films. Der junge Chris Wilton (Jonathan RhysMeyers) wird vom Tennistrainer des jungen Tom Hewett (Matthew Goode) zum Ehemann von dessen Schwester Chloe Hewett (Emily Mortimer), Nutznießerin der Kulanz der reichen Eltern der beiden und zum Liebhaber der Verlobten Toms, Nola Rice (Scarlett Johansson). „Match Point“ ist aufregend, hinreißend, menschlich und animalisch, böse und sensibel. Woody Allen scheint sich neu erfunden zu haben. kos
Geisterhaft: Reese Witherspoon.
David, der den Tod seiner Frau noch immer nicht überwunden hat, versucht seine Trauer mit Bier und Fernsehen zu überwinden. Gerade als er in seiner neuen Wohnung die nächste Dose öffnen will, steht Elizabeth Masterson – oder vielmehr ihr Geist – vor ihm und will ihn aus der Wohnung schmeißen. Die junge Notärztin liegt nach einem Unfall seit drei Monaten im Koma. Zunächst versucht David, die geisterhafte Erscheinung seiner Vormieterin zu ignorieren. Doch so einfach ist das nicht: Denn Elizabeth wirbelt das Leben des Witwers gehörig durcheinander. Als die lebenserhaltenden Geräte abgeschaltet werden sollen, begreift David, dass er sich in seine Quasimitbewohnerin verliebt hat und versucht sie zu retten. Mit Witz und Charme spielen Mark Ruffalo und Reese Witherspoon zwei Menschen, die vergessen haben zu leben und zu lieben – der eine vor Trauer und die andere vor Arbeit. Durch die ungewöhnliche Begegnung erkennen beide, dass das Leben an ihnen vorbeigezogen ist und wesentlich mehr bereit hält als Arbeit und Selbstmitleid. lil
Nettes Märchen für Kinder
Komm mit ins Abenteuerland
Vier Kinder, die durch einen Schrank in eine verzauberte Märchenwelt gelangen, die von einer bösen Eishexe heimgesucht wurde, sollen für Disney vor der Jahreswende noch das Kinojahr gebührlich abschließen. Der Konzern bleibt dabei seiner Zielgruppe treu. Für Kinder bietet „Der König von Narnia“ ein gutes Maß an märchenhafter Unterhaltung mit Spannung und der angebrachten Portion Kitsch. Gäbe es eine Liste der ungeschriebenen Märchengesetze, würde er sie wohl alle erfüllen: eine böse Hexe, die guten Tiere, ein Happy End und eine Weisheit. Für jeden über 14 Jahren wird die erste Verfilmung der siebenteiligen Fantasy-Kinderbuchreihe aber wenig neues bereit halten und lediglich unterhaltend sein, aber nicht wirklich fesselnd. Mit der nötigen Portion Kindlichkeit wird man den Film zwar mögen, aber nicht unbedingt lieben. Jeder Erwachsene, der sich noch ein bisschen kindliche Fantasie bewahrt hat, kann sich bereits im Dezember 2007 auf den Nachfolger „Prinz Kaspian von Narnia“ freuen. jmk
Der Alltag schreit nach Arbeit, Stress,Theorie und Trockenheit. Wer kommt mit und entflieht dem Ganzen für ein paar Stunden? Es mag unheimlich klingen, aber der Weg führt tatsächlich über einen alten Schrank. Man braucht nur die Tür zu öffnen, ein bisschen daran zu glauben und schon findet man ein Land voller Magie, Fantasie und Abenteuer. Nur Löwe Aslan kann Edmund noch retten.
kino / medien
Der amerikanische Traum auf dem Seziertisch
Welcome to the suck Sie wollen Saddam Hussein „den Arsch aufreißen“. In die arabische Wüste verfrachtet, sind sie hungrig darauf, ihre hart erworbenen Fähigkeiten in die Tat umzusetzen. Doch zunächst heißt es warten. Trainieren und warten. Bald ist es weniger der ominöse Feind, der dort irgendwo hinter den Dünen lauert, sondern die Angst um die eigene Freundin, die ihnen den Schlaf raubt. Als der Krieg dann endlich losgeht, wird der erste tödliche Beschuss mit dem schönen Terminus „friendly fire“ versehen werden. Mit seinem Portrait des ersten Golfkrieges hat Regisseur Sam Mendes eine eindringliche Umsetzung der Autobiographie des Marineinfanteristen Anthony Swofford (Jake Gyllenhaal) geschaffen. Trotz all seiner Absurdität ist das Szenario erschreckend authentisch. Die Charaktere sind keine moralisierenden Stereotypen, sondern zeigen sich als abgedrehte GIs ebenso wie als menschliche Unteroffiziere. Das Werk versteht sich als Adaption von Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ und kann dem als Betrachtung der Folgegeneration durchaus gerecht werden. aha
Dieses Land heißt Narnia und öffnet sich seit dem 8. Dezember 2005 dem mutigen Besucher als eine verschneite Welt, wie sie nur Kinderaugen erträumen könnten. Hat man sich erst einmal darauf eingelassen, erlebt man ein Genre, das im Hollywood- Wahn mit all den Jedi-Rittern, FBI-Agenten und scheinbar so mutigen Helden beinahe ausgestorben war. „Die Chroniken von Narnia“ kommt gänzlich ohne Brutalität und Terror aus und überzeugt durch liebevolle Charaktere
wie „Queer Eye for the Straight Guy“ noch eher lächerlich gemacht, beschäftigen sich die neuen Serien wie „Queer as Folk“ ganz selbstverständlich mit dem ganz normalen Leben der Homosexuellen und zeigen, dass diese genau die gleichen Probleme haben wie jeder andere auch. In Amerika fahren die Serien Traumquoten ein und werden mit Preisen überhäuft, obwohl – oder gerade weil – sie heftig umstritten sind. Die christliche Rechte verteufelt sie, die Liberalen jubeln, dass sich Hollywood, das jahrelang unter den strengen Augen der
helfen: Die Desperate Housewives. Filmaufsichtsbehörde FCC kaum wagte, irgendetwas Anstößiges auch nur im Ansatz zu zeigen, endlich wehrt. Der Trend, der sich im letzten Herbst abzeichnete, wird mit Beginn des Serienfrühlings fortgesetzt. Die neuen Formate sind deutlich realistischer, sarkastischer und vor allem unterhaltsamer als ihre Vorgänger. Es könnte sich in Zukunft also wirklich mal wieder lohnen, den Fernseher einzuschalten. sari
und eine ebenso wunderbare Landschaft, welche in beeindruckenden Bilder den Zuschauer fesselt. Die Figuren stammen aus der Feder von Clive Staples Lewis, welcher spätestens nach seiner „Narnia“-Chronologie als einer der größten britischen Schriftsteller der neuen Zeit gilt. Die eine oder andere Parallele zu „Herr der Ringe“ ist erkennbar: Musste sich doch Neuseeland als Drehort einmal mehr als perfektes Märchenland beweisen. Wer außerdem alte Bekannte wie die Eiskönigin oder Väterchen Frost wieder zu erkennen glaubt, der liegt richtig. Wem all diese Dinge zusagen, der kann in diesem Film ein Feuerwerk aus Kindheitsträumen und Erwachsenenwünschen finden. Ein wenig Vertrauen und ein bisschen Kinderdenken im Herz und man befindet sich im Abenteuerland, wo noch das Gute gegen das Böse siegt und die Kleinsten das Größte vollbringen. Wer sich dorthin erst einmal verirrt hat, möchte meistens nicht mehr zurück. Wie gut, dass alles mit den Büchern begann, die auch nach 50 Jahren noch zum Lesen einladen. Mit ihnen lässt es sich jederzeit schnell in die ferne Welt abtauchen und wieder ein Stück Kindheit genießen. Denn für ein bisschen Zauber ist man doch nie zu alt, oder? jes
kultur
Golfkrieg 1991: Jarhead.
Etwas ist faul im Staate Amerika – und schwappt seit letztem Sommer auch auf unsere Fernsehbildschirme herüber. Mit dem Beginn der letzten Fernsehsaison erschienen auf einmal Serien auf der Bildfläche, die es so noch nicht gegeben hatte. Systematisch und schonungslos demontierten die neuen Erfolgsserien wie „O.C. California“, „Nip/Tuck“ und besonders „Desperate Housewives“ das Bild der perfekten amerikanischen Familie und machen den Blick frei für all die Hässlichkeiten hinter der Fassade. Jetzt, zu Beginn der neuen Seriensaison, sind sie zurück. Es scheint sich eine Trendwende abzuzeichnen in der amerikanischen Fernsehlandschaft: Die alte Traumwelt, die wir bisher aus dem üblichen Serienfutter kannten, wird systematisch demontiert. Brutal wird der amerikanischen Gesellschaft die Wattewunschwelt unter den Füßen weggezogen und ihr der Spiegel vor- Wissen sich zu gehalten. Und das Bild, das sich darin zeigt, ist keineswegs angenehm: Es wird betrogen und gelogen, und Suburbia, das Vorstadtparadies der oberen Mittelschicht, ist eigentlich nur ein anderes Wort für Kriegsschauplatz. Auf einmal sind Schwule auch nicht mehr nur als Erfinder von Serien und somit hübsch versteckt hinter der Kamera erlaubt, sondern werden sogar zu den Protagonisten der neuen Erfolgsserien. Wurde ihre Lebensweise in Formaten
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theater
kultur
Dichterwettstreit ohne Dichter Ist Deutschland noch immer das berühmte „Land der Dichter und Denker“ oder vielmehr die pisageplagte Republik der Sprachlosen und Denkfaulen? Der 6. Poetry Slam, organisiert durch das Kulturprojekt „kunstleutekunst“, ließ diese Frage weitgehend unbeantwortet. Angekündigt war ein Dichterwettstreit – einziges Problem: es waren zu wenig Dichter anwesend. So musste Moderator Mischa Weggen das Publikum mit Hinweis auf nur drei teilnehmende Dichter vertrösten und auf einen improvisierten Abend vorbereiten. Einen wirklichen Dichterwettstreit bot der Abend im Folgenden also nicht, unterhaltsam war es jedoch allemal. So präsentierte ein Lehrer einer 5. Klasse Gedichte, die seine Schüler als „Artemis, Poseidon oder Hermes, der schnelle jugendliche Helle“ charakterisierten. Auch der Freestyler Willy aus Teltow wusste mit spontaner Wortakrobatik in dem Sinne „ich bin glücklich, indem ich erzähl und Wörter ganz spontan auswähl“ zu unterhalten. Höhepunkt das Abends waren jedoch zweifellos die Beiträge von Volker Strübing, dem deutschen Meister des Poetry Slam 2005. Viel gelacht, gestaunt oder zustimmend genickt wurde bei seinen Kurzgeschichten, die „Herpes als ästhetischen Super-GAU“, „Klone als Alternative zu Kindern“ oder die weibliche Argumentationstechnik als „Windmühlenflügel“ amüsant beschrieben. Nicht weniger beeindruckend waren Beiträge mancher Zuschauer, die Gedichte rezitierten und dafür Freigetränke erhielten. Abgerundet wurde der Abend schließlich durch einen „Worst Poem Contest“. Auch hierbei musste das Publikum aktiv werden und mit den Wörtern „Achseldackel, Raps, Pustekuchen und burschikos“ möglichst schlechte Gedichte schreiben. Dies gelang mühelos und so stand am Ende nicht der beste Dichter, sondern der schlechteste Poet fest. Aus der Not wurde letztlich eine Tugend. Für den nächsten Poetry Slam bleibt zu hoffen, dass mehr Dichter den Mut zur Teilnahme finden und beweisen helfen, dass Deutschland eben doch das „Land der Dichter und Denker“ ist. grip
CineExtra im CineStar Greifswald jeden Mittwoch um 17.15 Uhr und 20.15 Uhr für nur 4,50 Euro
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Findet sich alsbald in der fremden Kultur zurecht: Anna Leonowens (Annette Gerhard). Foto: Theater Vorpommern
Ein königliches Schauspiel Auf die erste Premiere des neuen Jahres haben die Theaterfreunde Greifswalds nicht lange warten müssen. Bereits am 6. Januar hob sich auf der Bühne des Theater Vorpommern zum ersten Mal der Vorhang für das Musical „Der König und Ich“, inszeniert von Thomas Enzinger. Erzählt wird die Geschichte der englischen Lehrerin Anna Leonowens, die mit ihrem Sohn Louis nach Siam reist, um dort die Kinder des Königs Rama IV. Mongkut zu unterrichten. Nicht ohne Schwierigkeiten findet sich Anna in dieser fremden Kultur zurecht. Vor allem das rabiate Verhalten des Königs und die untergeordnete Stellung der Frauen sind für die aufgeklärte und selbständige Lehrerin schwer zu ertragen. Dennoch erkennt sie bald, dass der König ein kluger und toleranter Mann ist, der Traditionen hinterfragt und sein Land vorsichtig in eine neue Zeit führen will. Bei den Vorbereitungen zu einem Fest zu Ehren des britischen Botschafters kommen sich die beiden erstmals näher. Trotz aller gegensätzlichen, kulturell geprägten Ansichten werden sie zu Freunden. Ein weiteres Aufeinanderzugehen wird jedoch durch den Tod des Königs verhindert. Schön, traurig und bisweilen witzig ist die
Geschichte, die das Musical, basierend auf der Musik von Richard Rodgers und den Gesangstexten von Oscar Hammerstein II., erzählt. Aus der Zusammenarbeit des Opernchors, des Kinder- und Jugendchors, des Ballettensembles sowie des Philharmonischen Orchesters und der Statisten des Theaters Vorpommern ist ein eindrucksvolles Musical von hoher Qualität hervorgegangen. Schnörkellos, ohne Kitsch und Pathos verstehen die Protagonisten in liebevoll gestalteten Kostümen die ungewöhnliche Geschichte der Lehrerin Anna zu erzählen. Beeindruckend sind nicht nur die gesanglichen, schauspielerischen und tänzerischen Leistungen, sondern vor allem die Bühnengestaltung sowie die musikalische Begleitung. So wirkt die Bühne beinahe märchenhaft; sie ist atmosphärisch ausgeleuchtet und mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Die fehlerfreie, musikalische Begleitung unter Leitung von Egbert Funk ließ indes die Geschichte und die Protagonisten zum Leben erwecken. Dem Theater Vorpommern ist mit diesem Musical, bei dem jedes Detail durchdacht scheint, eine sehr originelle und eindrucksvolle Aufführung gelungen, die sich den herzlichen Applaus der zahlreich erschienenen Zuschauer ohne Zweifel verdient hat. grip
25.1. Duft von Lavendel - 1.2. A History Of Violence 8.2. Der Fischer und seine Frau - 15.2. Stolz und Vorurteil 22.2. Keine Lieder über die Liebe
kreuzmoritzel
Logisches aus Japan „Sudoku“ heißt das Puzzle, das zurzeit überall im Trend liegt. Das wollen wir Euch natürlich nicht vorenthalten. Das „Lösungswort“ ist die waagerechte Zahlenreihe, die grau hinterlegt ist. Wer alles mit Zahlen gefüllt hat, der schreibe uns die Lösungszahlen in der richtigen Reihenfolge wie gewohnt an moritz@uni-greifswald.de. Zu gewinnen gibt es zwei mal zwei Kinokarten für‘s CineStar. Viel Spaß beim Knobeln!
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So wird´s gemacht
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In jedes Kästchen muss eine Zahl eingefügt werden und zwar so. dass sich waagerecht, senkrecht und innerhalb der fett markierten Kästchen die Zahlen 1 bis 9 ergeben, Keine Angst. Man muss kein Mathe-Ass sein, um das lösen zu können.
Gewinner ...gab‘s natürlich auch beim letzten kreuzmoritzel:
Diana Schnese (Psychologie) und
Jenni Reifenberger Ihr könnt Euch jeweils 2 Kinokarten zu den Sprechzeiten der moritzChefredakteure abholen (Di 10-11 Uhr im AStA-Büro, Fr 14-15 Uhr in der moritz-Redaktion).
moritz – Studentische Medien Greifswald
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spielundspaß
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moritz erscheint während des Semesters monatlich in einer Auflage von derzeit 3.000 Exemplaren. Redaktionsschluß der nächsten Ausgabe ist der 3. April. Die nächste Ausgabe erscheint am 18. April.
IMPRESSUM Geschäftsführer: Bernhard Schrieber Stellvertreter: Carsten Mielsch
Herausgeber: Studierendenschaft der Universität Greifswald (vertreten durch das Studierendenparlament, Rubenowstraße 1, 17487 Greifswald) V.i.S.d.P.: Ulrich Kötter
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m. trifft
Welchen Traumberuf hatten Sie als Kind? Feinmechaniker. Damals wollte ich immer Radios reparieren. Leider war die Lehrstellensituation in diesem Bereich schlecht.
Olaf Schmidt, Inhaber des „Senfladen“
Wie sieht Ihr typischer Tag aus? Ich stehe Montag bis Samstag so gegen 6.30 Uhr auf und verkaufe von 9-19 Uhr Senf und Bratwürste im „Senfladen“. Nach dem Aufräumen bin ich so gegen 21 Uhr zu Hause, beende die Tagesabrechnung für den Laden und falle schließlich müde ins Bett. Diese Zeiten hängen aber stark von der Jahreszeit ab.
Alter: 50 Jahre. Berufsbezeichnung: Einzelhändler.
Kochen Sie gern? Ja, eigentlich schon! Am liebsten Rouladen oder Gulasch – Hauptsache richtiges Fleisch kommt auf den Tisch!
Lieblingsessen: Makkaroni mit Tomatensoße. Das könnte ich alle zwei Tage essen. Lieblingssenf: Die Senfmarmeladen sind lecker. Vor allem den Holunder-Konfitüre-Senf mag ich. Morgenmuffel oder Frühaufsteher? Ich bin auf jeden Fall ein Morgenmuffel. Durch den Laden bin ich gezwungen, früh aufzustehen. Meine Laune ist morgens auch entsprechend. Welchen Menschen unserer Zeit oder der Geschichte bewundern Sie? Albert Einstein. Er war ein toller Mensch! Wir verkaufen übrigens auch EinsteinSenf. Auf dem Etikett steht: „Für jede Gehirnzelle geeignet“. Welches Fach würden Sie in Greifswald studieren? Irgend etwas, was sich mit Verwaltungswesen beschäftigt. Jura oder öffentliches Recht würden mich vielleicht interessie-
m. fragt Es kontrolliert uns. Ein anderer macht es vor und wir schließen uns an. Ob wir wollen oder nicht. Gähnen. Aber warum ist es so ansteckend? Gähnen ist ein Zeichen von Müdigkeit. Durch das tiefe Einatmen steigt der durch Müdigkeit gesunkene Sauerstoffgehalt im Gehirn wieder. Das ansteckende Gähnen ist für unsere Vorfahren wichtig gewesen, da sich alle zur gleichen Zeit zur Ruhe begeben sollten. Die Gene sind also mal wieder schuld – jetzt wissen wir es. susa
ren. Als Ladenbesitzer hat man mit sehr vielen Verwaltungsvorschriften zu tun. Wie muss exzellenter Senf schmecken? Ein richtig guter Senf hat eine bestimmte Geschmacksrichtung. Der ist nicht einfach bloß scharf. Da muss man etwas herausschmecken können, wie das bei Wallnuss-Senf oder Honig-Senf der Fall ist. Das macht guten Senf aus! Die meisten Kunden finden unseren Bauern- und Waldpilz-Senf ausgezeichnet. Wie lautet ihr Credo als Senfspezialist? Ich verkaufe nur Altenburger Senf. Etwas anderes kommt mir gar nicht auf den Tisch! Von diesem Senf bin ich selbst überzeugt. Das ist gute Qualität. Welche Fähigkeiten würden Sie gern beherrschen? Ich würde gern E-Gitarre spielen können, wie mein Sohn. Den Wunsch habe ich schon seit der Kindheit, als mein Bruder noch in einer Band spielte. Heute habe ich dafür leider keine Zeit mehr.
m. kocht
Pesto mal anders für 3 Personen Zutaten 1 Glas Pesto alla Genovese 1 Becher Schmand oder Sahne 2 EL Weißwein oder Balsamico Bianco 2 TL Zucker 1 Packung Kochschinken 1 große Zwiebel 500g Spaghetti
Wieviel Senf verspeisen Sie privat? Grob über den Daumen hält ein Senfglas bei mir 14 Tage. Wobei ich den meisten Senf verspeise. Meine Familie ist da etwas zurückhaltender. Haben Sie in Greifswald einen Lieblingsplatz? Der Markt ist wunderschön. Dort ist immer viel Betrieb und im Sommer kann man so wunderbar draußen hinsetzen. Ihr Lebensmotto? Immer positiv denken und aus allem das Beste machen! Viele haben beispielsweise gezweifelt, als ich begonnen habe den „Senfladen“ aufzubauen. Aber ich habe immer gesagt, ich schaffe das! Und ich habe es geschafft. Könnten Sie sich diese Welt ohne Senf vorstellen? Nein, ohne Senf geht es nicht. Das wäre wie eine Welt ohne Auto oder Motorrad. Senf gehört einfach zum Leben dazu. Gespräch: Sebastian Vogt Die Zwiebel und den Kochschinken klein schneiden und zusammen in einer Pfanne mit etwas Olivenöl anbraten. Wenn die Zwiebeln glasig sind, den Essig oder den Wein hinzugeben und in der Pfanne reduzieren. Nach 2 Minuten die Sahne oder den Schmand hinzufügen und gut mit dem Pesto vermengen. Mit Zucker und Salz abschmecken. Die Spaghetti in Salzwasser kochen und abgießen. Anschließend Pasta und Pestomischung vermengen und 5 Minuten ziehen lassen. Mit Parmesan michi oder Basilikum servieren.
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Lieblingsmusik: AC/DC und Rammstein.
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arvids kolumne
„Too much history, man“
spielundspaß
Von Arvid Hansmann
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Mit den weißen „Lost-in-translation“- the life to Adam.” Vor meinen Augen ließ So hatte der als „böser Antichrist“ verHausschuhen schlurfte ich über den Flur ich den vorangegangenen Tag Revue pas- schrieene Kaiser Diokletian wesentliche des Hostels. Unweigerlich wurde ich mit sieren, wo ich mit verrenktem Hals die Reformen durchgesetzt, die Konstantin Lewis konfrontiert. „Good morning!“, I unzähligen Details dieser „Kapelle“ be- in vielen Teilen übernahm. Die Ausmaße said, äh, sagte ich. Schwer atmend erwi- trachtete, die in unseren Breiten etliche der von ihm gestifteten Thermenanlage, derte er den Gruß. Der korpulente Herr Kirchen in den Schatten stellen würde, deren Reste hier „gleich um die Ecke“ von circa 35 Jahren saß vor einem lagen, sind heute noch beeindruWirrwarr aus Klamotten und anckend. deren Utensilien, das er versuchIn diesem Moment wurde mir jete in seinen Koffer zu verstauen. doch klar, dass all dies für Lewis Als ich aus dem Bad zurück zum kaum nachvollziehbar war. Wie Zimmer ging, war ihm dieses sollte er erkennen, dass die baWunder fast gelungen, jedoch rocke Kirche „Santa Maria degli machte er einen aufgelösten EinAngeli“ in ihrer heutigen Form druck. „You are leaving today?”, erst über 1000 Jahre später in fragte ich. „Yes, man. But I can’t die spätrömische Badehalle einfind my battery charger.“ Er vergebaut wurde? War ihm bewusst, wies auf das „iPod“-Gerät, das dass Julius Caesar das Kolosseum offenbar multifunktional war und nie gesehen hat? War für ihn Kaiteuer aussah. „Maybe it’s betser Nero eine ebenso historische Gestalt wie Sir Peter Ustinov? ween all your things“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Die Unruhe Ich frage mich, ob bei ihm überin seinem Wesen ließ auch nicht haupt ein derartiges chronologinach, als er einsah, dass das Teil sches Bewusstsein existierte, wie momentan nicht auffindbar war. es hierzulande vermittelt werden „OK. Come on! Let’s go up to soll. Waren für ihn die Hollytake breakfast!” sprach er mit ofwoodbilder nur Schlaglichter in fenbar chronischem Bewegungseinem unförmigen Nebelwald, drang. „Just one moment!“ beruder als „ancient times“ abgetan higte ich ihn. Ich ging leise in mein wurde? Waren sie Exempla für eiZimmer, um die beiden asiatischnen moralisierenden Geschichtsstämmigen Kalifornier und den entwurf, wie er beispielsweise in Brasilianer nicht aufzuwecken, der Frühen Neuzeit ausgeprägt zog meine Schuhe an, nahm die war? „Keycard“ aus dem Kulturbeutel It‘s ancient, isn‘t it? Bei der Greifswalder Fachtagung Charlton Heston und Stephen Boyd am Set von „Ben Hur“ (1958) „Wahre Geschichte – Geschichund folgte ihm die alte Treppe des historistischen Gebäudes hinauf te als Ware“ am zweiten Januarzu Rezeption und Frühstücksraum. hier aber im Verhältnis zum hypertro- wochenende 2006 wurde mir jedoch vor Als wir uns mit Brötchen, Marmelade phen Petersdom wie „rangeklatscht“ Augen geführt, dass selbst im Elfenbeinund Latte Macchiato aus einem Auto- wirkt. turm des Historikers die Grenze zwimaten, an dem der Kaffee um diese Zeit „You know a lot, man. – But I don’t like schen der abstrakten wissenschaftlichen „for free“ war, eingedeckt hatten, nah- Rome. Too much history, man. Too much Erkenntnis und den vermeintlich als klar men wir in einem Raum Platz, wo auf history.” Ich meinte seine Einstellung fiktiv abgetanen Bildern verschwimmt. einem Fernseher permanent MTV lief. etwas nachvollziehen zu können. Die Sollte diese vermeintliche Rationali„You come from America?“ fragte ich Zahl der Kirchen, die ich mir in diesen tät nichts weiter als der „intellektuelle ihn. „Right, man. From New York.“ wenigen Tagen ansah, kann ich auch Hochmut“ des zephirgleichen Williams „How did you like Rome?“ Ich befand heute nicht klar definieren. „Yes, it was von Baskeville bei Umberto Eco sein, mich seit vier Tagen in der “Ewigen also for me a lot. I have just focussed der auch für unsereinen in PersonaluniStadt” und wollte nun erfahren, welchen on the Christian art. You know the big on mit Sir Sean Connery tritt? Eindruck sie auf einen Bewohner der churches from the emperor Constan- Jedenfalls kam es dem wenig konzentNeuen Welt machte. „Too much history, tine...” – „Constantine? Was it a good rationsfreudigen Lewis in den Sinn, vor man. Too much history.” Sein unruhiger guy or a bad guy?” – “Oh...” Ich musste seiner Abreise nach Madrid einen InBlick richtete sich auf eine Wand des überlegen, wie ich ihm antworten sollte. ternet-Zugang zu suchen. „Just go to Raumes. „What does this mean? I was „It was a good guy“, sagte ich dann. Es the Termini station. There is an internet there, but tell me, man.You know it.” Vor machte wohl wenig Sinn, ihm zu erklä- pool in the big hall.” - “OK, man. Let’s go uns war eine mittelmäßige Adaption des ren versuchen, dass so ein pauschal-dua- there.” – “Oh, not so fast. Let me eat my berühmten Details aus den Fresken der listisches Urteil eigentlich nicht zu fällen breakfast. We meet there in half an hour, Sixtinischen Kapelle von Michelangelo. war, sondern dass es immer erst aus der OK?” – “All right, man.” Da war er auch „It’s just the moment, when God gives historischen Nachbetrachtung entsteht. schon verschwunden.