moritz april 2006
nr. 55
das greifswalder studentenmagazin
Potz Blitz! Was uns Energie kostet Mediziner im Senat unerw端nscht? Hautnah bei der Berlinale
editorial
Jacke wie Hose Jetzt sind sie raus. Die offiziellen Zahlen der angefochtenen Senatswahl. Im Januar konnte sich niemand so richtig über das Ergebnis freuen, dass tatsächlich drei Mediziner in den engeren Senat gewählt wurden und drei in den erweiterten – war die Angst vor Entscheidungen contra Geisteswissenschaften doch zu groß. Auswirkungen hätte das außerdem auf die aktuelle Frage gehabt, in welche Richtung unsere Uni steuert, denn der engere Senat legt unter anderem den Hochschulentwicklungsplan fest. Deshalb fand sich schnell ein Grund und schon fanden vor ein paar Wochen Neuwahlen statt. Das Ergebnis: Der engere Senat wird nun von vier Medizinern vertreten, zwei von ihnen sitzen außerdem im erweiterten Senat. Bleibt also Jacke wie Hose. Mussten deshalb Neuwahlen statt finden? Die Mediziner lassen sich nun mal nicht verdrängen. Die Wähler der Medizinischen Fakultät halten eben zusammen. Das die gesamte Wahlbeteiligung bei der ersten Wahl bei 9,32 Prozent lag und bei den Neuwahlen sogar bei 12,16 Prozent, ist größtenteils den Medizinern zu verdanken. Tja, das ist nun mal Demokratie. Katarina Sass
editorial
Kurzschluss des Monats
VORHER Pünktlich um 0.01 Uhr zum Start des neuen Semesters fiel in Greifswald erstmal der Strom aus – Schuld daran war ein Marder. Das possierliche Tierchen hatte beim Herumklettern in der Transformatorstation Gützkower Straße einen Kurzschluß ausgelöst. Der Transformator fing sofort Feuer,
NACHHER der Greifswalder Nachthimmel war taghell erleuchtet und ein Brummen lag in der Luft. Um der Feuerwehr die Löscharbeiten zu ermöglichen, stellte Strombetreiber E.ON edis vorübergehend den Strom ab, so dass 15.000 Greifswalder Haushalte für eine gute Stunde im Dunkeln lagen. Foto (l.): uli
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leserbriefe / asta leserbriefe Zu: Unsensibel und Überdreht (moritz 54) Sehr geehrte moritz-Redaktion, In dem Beitrag, der unter anderem den Verlauf einer StuPa-Sitzung im Dezember 2005 wiedergibt, bei der die Vortragsveranstaltung der Burschenschaft Rugia mit dem Hobby-Historiker Gerd Schultze-Rhonhof thematisiert wurde, findet sich auch eine Erwähnung unseres Vereins. Die genannte „Vereinigung deutscher Studenten“ heißt richtigerweise „Verein Deutscher Studenten“ (kurz: VDSt). Jedoch wollen wir uns hier nicht an Kleinigkeiten aufhalten, zumal deutlich wurde, wer gemeint ist. Da die Erwähnung unseres Vereins in dem Artikel in einem Zusammenhang erfolgt, der unseres Erachtens falsche Schlussfolgerungen der Leser nach sich ziehen könnte, bedarf es hier einer ergänzenden Stellungnahme. Der VDSt nahm an der genannten StuPa-Sitzung auf der Grundlage teil, es gebe eine allgemeine Aussprache zum Verhältnis des StuPa zu den örtlichen akademischen Korporationen. Erst während der Sitzung wurde deutlich, dass dies nicht der Fall war, sondern vielmehr der spezielle Anlass der Vortragsveranstaltung der „Rugia“. Daraufhin bemerkte ein Vertreter des VDSt – wohlgemerkt nicht im Plenum – dass er nicht wisse, was er hier solle, zumal der Anschein entstehen könne, der VDSt trete als moralische Verstärkung jener Burschenschaft auf. Da der VDSt selbst, wie im Laufe der Sitzung dann auch im Plenum erklärt wurde, keine Kontakte mehr zur „Rugia“ unterhält, wird wohl deutlich, dass die Bemerkung dahingehend verstanden werden muss. Der VDSt beobachtet das Abdriften gewisser Korporationen in rechtsextreme Kreise bereits seit einiger Zeit besorgt. Die Tatsache, dass der „Rugia“ ein Hausverbot beim VDSt erteilt wurde, steht damit in direktem Zusammenhang. Aufgrund unserer eigenen – sicherlich nicht rühmlichen – Geschichte in der Zeit des Deutschen Kaiserreiches und in der Nazizeit, ist es uns ein besonderes Anliegen, dem Ungeist dieser Epochen umso entschiedener heute entgegenzutreten. Wir begrüßen ausdrücklich, dass jeglichen verfassungswidrigen Umtrieben an dieser Universität – ob von links oder von rechts – keinerlei Raum gegeben wird. Der Convent des VDSt zu Greifswald
leserbriefe / asta
Zu: „Germanisten allein werden uns nicht voranbringen! – Matthias Brodkorb und Thomas Schattschneider im Gespräch (moritz 54)
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Einen kleinen Schönheitsfehler hatte das Streitgespräch im letzten moritz: In einer Bildunterschrift wurde ich mit den Worten zitiert: „Studierende aus anderen Bundesländern sind nicht attraktiv.“ Allerdings habe ich diesen Satz nie gesagt, schon gar nicht an einer Universität wie Greifswald, die von ihren auswärtigen
Studierenden lebt! Der Hintergrund war wie folgt: Das Land führt seine Hochschulfinanzierung aufgrund der Halbierung der Zahl junger Menschen aus M-V um 18 Prozent zurück. Weil man darüber trefflich streiten kann, stellte der Redakteur die Frage, ob auswärtige Studierende nicht finanzwirtschaftlich so attraktiv seien, dass ihre bloße Anwesenheit die verursachten Kosten wieder kompensieren würde. Ich habe dem widersprochen: Jeder Studierende kostet das Land im Schnitt 8.000 bis 10.000 Euro pro Jahr. Die Mehreinnahmen des Landes durch auswärtige Studierende können mit diesen Werten aber kaum mithalten. Derzeit studieren in M-V etwa 35.000 junge Menschen, hiervon 15.000 Studierende aus anderen Bundesländern oder dem Ausland. Im Jahr 2020 werden in M-V auch nach der Reform etwa 31.000 Studierende bei Vollauslastung studieren können. Selbst bei massiv steigender Studierquote werden sich die Zuwanderungspotenziale in den Hochschulsektor des Landes auf mindestens 18.000 Studienplätze belaufen – also mehr als heute auswärtige Studierende in M-V studieren. Mecklenburg-Vorpommern braucht daher in Zukunft trotz reduzierter Strukturen nicht weniger, sondern mehr auswärtige Studierende. Matthias Brodkorb Die Redaktion behält sich vor, eingereichte Leserbriefe redaktionell zu bearbeiten.
AStA
Allgemeiner Studierendenausschuss Ihr findet den AStA im Audimax in der Rubenowstraße 1. Telefon: 03834/861750 oder 561751 • Fax: 03834/861752 E-Mail: asta@uni-greifswald.de Internet: www.asta-greifswald.de +++ Die Referate des AStA wurden auf der StuPa-Sitzung am 11. April 2006 ausgeschrieben; die Namen der neuen Referenten lagen zu Redaktionsschluß noch nicht vor. +++ +++ Bitte entnehmt die Namen der neuen Referenten und ihre E-Mail-Adressen den Aushängen im Audimax und in der Mensa. +++
StuPa
Studierendenparlament der EMAU Präsidentin: Kathrin Berger Stellvertreter: Philipp Kohlbecher, Christopher Trippe E-Mail: stupa@uni-greifswald.de Internet: stupa.uni-greifswald.de
inhalt t i t e l t he m a
8/9 Energie Sparen lohnt sich – moritz packte das Strommessgerät ein und Förderte Erstaunliches zutage: Zwischen Aus und An liegt manchmal kein so großer Unterschied.
t i t e l t he m a
Mehr Atommüll
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Obwohl jahrelang von den EWN bestritten, wird das Zwischenlager Nord in der Nähe von Lubmin nun doch mit Atommüll aus den alten Bundesländern befüllt – und keinen interessiert‘s.
ho c h sc hu l p o li t i k
Erfolglos angefochten?
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Die Senatswahlen wurden erfolgreich angefochten, so dass wir im April die studentischen Senatoren neu gewählt haben. Das von einigen erhoffte Ergebnis zu Gunsten der Geisteswissenschaftler blieb jedoch aus, stattdessen reüssierten die Mediziner ein zweites Mal.
Rockt Rostock!
ho c h sc hu l p o li t i k
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Zum 1. Mai mobilisiert die NPD zur zentralen Demo Deutschlands nach Rostock. Das sollten wir uns nicht gefallen lassen. Also: Alle am 1. Mai nach Rostock fahren, und den Rechten den Spaß verderben!
Fast vergessen
Für moritz stand die diesjährige Berlinale ganz im Zeichen einer Sternenkriegerin. Und vieler anderer Stars sowie außergewöhnlichen Filmen.
ho c h sc hu l p o li t i k 6 Kurzmitteilungen Interview: Beinahe-Senatoren aus 20 der Medizinischen Fakultät 21 Suspekte Senatsneuwahlen Interview: Wahlanfechter 21 Bernhard Schrieber 22 Von Pechmann legt Berufung ein LHG-Kelch ging an Greifswald vorüber? 23 24/25 StuPa-Bilanz / Kommentar StuPa-Wahl / StuPa-Wochenende Kommentar: Konstituierende Sitzung 26 27 Umfrage zu sexueller Belästigung 28 Antifa-Demo 29 Aufruf zur 1. Mai-Demo in Rostock
u ni ve r su m Unauffällige Enthüllungsfeier 30 Vom Eise befreit sind Ryck und Bäche 31 32 Das Biotechnikum Auslandspraktikum / Die „Capufaktur“ 33 34 St. Petersburg Reportage Teil I 35 Die rumänische Schweiz Tango Argentino / Uniliga Volleyball 36/37
ku l t ur
u ni ve r su m
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In der Nacht zum 1. Mai soll das traditionelle Maisingen wieder stattfinden. Inklusive Weise Frau / Alter Herr Mai und exklusive studentischer Verbindungen.
An Natalies Fersen
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ku l t ur
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Berlinale ‘06-Impressionen Go im Koeppen Vorbereitungen zum Nordischer Klang Kino: Das Leben der Anderen, Brokeback Mountain DVD: Tim Burton‘s Corpse Bride, Das Wandelnde Schloss CDs: Hörbücher, Tomte, Zimerman Interview: Kate Mosh Bücher: Praktikumsknigge, Achleitner, Rjabtschuk, Grünbein, Weißrussland
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s pie l u nd s p a ß Bartholomä: Studio Infernale kreuzmoritzel m. trifft: Harald Braun, Uni-Dirigent Arvids Kolumne
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Editorial / „Kurzschluss“ des Monats AStA, Leserbriefe Impressum
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inhalt
Geld sparen!
t i t e l t he m a Umfrage: Energiequellen Energie sparen – Strom messen Mal den Stromanbieter wechseln? Energiemarkt ohne Freiheiten? Die Uni muss sparen… Atommüll kommt nach Greifswald 20 Jahre Tschernobyl Erinnerungen an das KKW Rheinsberg Windenergie: Segen oder Fluch?
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kurznachrichten Markt der Möglichkeiten findet erst am 26. April statt, damit alle Studis die Gelegenheit haben, das diesmal besonders vielfältige Programm anzuschauen.
150 Euro Umzugsbeihilfe Wer in Greifswald hauptwohnsitzlich gemeldet ist, kann bei der Stadt eine einmalige „Umzugsbeihilfe“ von 150 Euro kassieren. Die Regelung gilt auch für Studenten und Auszubildende, die schon seit dem 30. Juni 2003 in Greifswald gemeldet sind. Den Antrag könnt ihr Euch auf der Homepage des AStA downloaden oder ihr bekommt ihn im Einwohnermeldeamt in der Spiegelsdorfer Wende, Haus 1.
kurznachrichten
Chaotische Erstsemesterwoche – Markt der Möglichkeiten am 26. April „Murphy‘s Gesetz galt“, charakterisiert Erstsemesterreferentin Catharina Frehoff den Verlauf der Ersti-Woche vom 29. März bis zum 2. April, „es ging einfach alles schief, was schief gehen konnte.“ Die Sommersemester-Ersti-Woche war schon im Vorfeld heftig umstritten gewesen und sorgte im StuPa für einen Eklat Am Ende setzte sich der AStA durch. Rund 400 Erstsemester fanden den Weg nach Greifswald und etliche von Ihnen auch zu den Veranstaltungen der ErstiWoche. Eine Traditionsveranstaltung ist allerdings verschoben worden: Der
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Fakultätsräte wählten In vier der fünf Fakultätsräte der Universität gibt es neue Gesichter im Dekanat. Einzig in der Medizin wurde nur ein neuer zweiter Prodekan gewählt, Prof. Andreas Greinacher. Dekan Prof. Heyo Kroemer, Prodekan Prof. Reiner Biffar und Studiendekan Prof. ClausDieter Heidecke wurden wiedergewählt. Der neue Dekan der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät ist Prof. Roland Rollberg, ihm zur Seite stehen als Prodekan Prof. Hans-Georg Knothe und als Studiendekan Prof. Joachim Lege. Ebenfalls neu im Amt ist Theologie-Dekan Prof. Christfried Böttrich und sein Kollege Prof. Martin Onnasch als Prodekan und Studiendekan. Der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät wählte am 5. April Prof. Matthias Schneider zum neuen Dekan, Prodekan ist Udo Friedrich. Schließlich ist Prof. Klaus Fesser neuer Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, unterstützt von Prof. Werner Weitschies als Prodekan und Prof. Patrick Bednarski als Studiendekan. Die Fakultätsräte konstituierten sich nach den Wahlen Mitte Januar; danach wird turnusgemäß eine neue Führungsspitze gewählt. Konten von Fachschaftsräten mussten gesperrt werden AStA-Finanzreferent Martin Hackober, musste am Anfang dieses Monates die Konten von fünf Fachschaftsräten sperren lassen. „Laut unserer Finanzordnung müssen die Haushaltsunterlagen und auch die Abrechnungen bis zum 31. März fertig aufgestellt und damit korrekt sein“, berichtet der AStAReferent. Da dies bei der Anglistik/Amerikanistik, Erziehungswissens chaften, Geologie, Kirchenmusik/Musikwissenschaften und Po l i t i k w i s s e n s c h a f t nicht der Fall war und Martin Hackober keinerlei Rückmeldungen erhielt, wurden diese Konten nun gesperrt. Anja Goritzka
StuPa and AStA go family Schon auf seiner Sitzung am 29. November hatte das StuPa beschlossen, dem „Greifswalder lokalen Bündnis für Familien“ beizutreten, das die Rahmenbedingungen für Familien in Greifswald verbessern möchte. Im Januar fasste das StuPa dann den Beschluss, sich an einer Kindertagesstätte für Studierende zu beteiligen, die möglicherweise schon zu Beginn des Sommersemesters 2007 eröffnet wird. Die beiden AStA-Referenten Stefanie Dahn und Patrick Leithold entwarfen für den AStA das Projekt, bei dem Klinikum, Universität, Studentenwerk und die Studierendenschaft zusammenarbeiten sollen. Dem Vorschlag, in Konkurrenz zu einem der drei Beteiligten zu treten, erteilte das StuPa eine Absage. Zwischenzeitlich war jedoch unklar, ob das Studentenwerk bei der „großen Lösung“ dabei ist. Inzwischen hat sich aber eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, die zur Zeit über rechtliche Fragen der Trägerschaft diskutiert. Nicht geklärt ist bisher noch die Standortfrage: In der Kita des Uniklinikums in der Makarenkostraße stünden 150 Plätze zur Verfügung, so dass dort potentiell alle Kinder untergebracht werden könnten. Bei einer weiteren Lösung in der Rudolf-Petershagen-Allee stünden nur 60 Plätze zur Verfügung und man säße nicht mehr gemeinsam mit dem Klinikum im Boot. „Wir sprechen uns vor allem deswegen für die die Kita in der Makarenkostraße aus, weil die meisten Studi-Familien in Schönwalde wohnen und auch der neue Campus gleich um die Ecke ist“, erläutert Patrick Leithold. kleinere Kindergruppen, Durch die Möglichkeit der stundenweisen Betreuung und Fortbildungsangebote für die Mitarbeiter soll die Kita gegenüber denen der Stadt attraktiver sein. Für die Beteiligung der Studierendenschaft am Kita-Projekt wurde eigens die Finanzordnung geändert und wird wohl noch ein Nachtragshaushalt eingereicht. Um die 8.500 Euro Beteiligung an der noch zu gründenden GmbH aufzubringen, sollte die Finanzordnung so modifiziert werden, dass sich die Studierendenschaft zukünftig mit nur noch einem Drittel an Unternehmen beteiligen darf – vorher war die Hälfte festgeschrieben. Das heiße Eisen rührten die StuPisten dann auch nicht an und fügten einen Sonderpassus für das KitaProjekt ein, in dessen Rahmen eine solch niedrige Beteiligung möglich sei. uli
umfrage
Woraus bezieht Ihr eure Energie? moritz besuchte die Mensa und wollte von euch wissen, woher ihr eure Energie bezieht – wenn nicht gerade aus der Steckdose. Hier die Antworten! Interviews und Fotos: Katarina Sass, Katja Staack
Sara, 24, Geographie, Politikwissenschaft,Kommunikationswissenschaft: „Aus bewusstem Leben in dieser schönen Stadt, aus Laufengehen am Ryck und aus ständiger Horizonterweiterung mit verschiedensten Medien.“
Franziska, 25, Zahnmedizin: „Zum einen aus Kaffee, und dann vor allem auch Gespräche mit guten Freunden.“
Sandra, 24, Anglistik/Amerikanistik, Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft: „Das würde ich manchmal auch gern wissen, woher ich die nehme. Einfach ein bisschen Freizeit, die ich brauche. Freunde sind mir wichtig, und daher nehm ich dann meine Energie.“
Nikolas, 22, Jura: „Aus allem, was da angeboten wird. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten, ich hab mir darüber noch nicht so wirklich Gedanken gemacht.“
Verena, 25, Zahnmedizin: „Ich beziehe meine Energie durch den Sport, und meine Familie ist da auch ganz wichtig.“ Sarah, 23, Jura: „Ich beziehe meine Energie auch aus Gesprächen mit guten Freunden, und aus gutem Wetter.“
Moritz, 23, Medizin: „Aus gesunder Ernährung. Wir werden uns jetzt schön einen Salat kaufen. Dann gehen wir uns gerne auch mal ein paar Mohrrüben kaufen und ein paar Äpfel. Wir sind Mediziner, daher liegt uns gesunde Ernährung sehr am Herzen. Und die weitere Energie kommt aus Sport und Freizeitgestaltung. Daraus zieht man seine körperliche Energie, und die kann man dann ja auch in geistige Energie umsetzen.“
Steffen, 24, Medizin: „Aus meinem späteren Beruf.“
Kristin, 27, Lehramt Sport, Geographie: „Aus der Liebe, gesunder Ernährung, Sport und ja, Lebensfreude.“
titelthema
Susan aus Leipzig, 25, Verlagswirtschaft und Stefan, 25, Geographie: „Daraus, dass wir am selben Tag geboren sind.“
Michael, 24, Medizin: „Ich beziehe meine Energie von Freunden, mit denen zusammen ich studiere, die mir Kraft geben, wenn ich viel zu tun hab.“
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sparen
Energie sparen kann so einfach sein!
Trotz „AUS“ Verbrauch
moritz gibt Tipps zum Geldsparen
Im Wintersemester 05/06 konzentrierte Thomas Maier, der ehemalige Referent für Ökologiefragen im AStA, seine Arbeit auf den Verbrauch von Energie. Er mass mit Hilfe von Strommessgeräten der Stadtwerke die Geräte im AStABüro im Audimax, immerhin vier Computer mit Monitoren und ein Drucker, Kopierer und ein Fax. Es wurden drei Zustände erfasst: die Geräte sind aus, sie laufen im StandBy und sie werden genutzt. Ergänzt wurde das Ganze durch Langzeitmessungen zur Ermittlung des tatsächlichen Verbrauchs. Die Hochrechnung der Kosten erfolgte dann mit Hilfe der von den Stadtwerken ausgewiesenen Kosten je kWh – auch wenn die Uni als Großabnehmer den Strom billiger bekommt. Die Laufzeit eines PCs ließ sich dadurch ermitteln, dass der Verbrauch eines Monitors über 7 Tage gemessen wurde und die bei einem Flachbildschirm recht konstanten Verbrauchswerte im StandBy sowie im Arbeitsmodus eine Berechnung der Nutzungsdauer erlaubten. Ein PC im AStA läuft demnach täglich 8 Stunden, also 2920 Stunden im Jahr. Die Monitore im AStA verbrauchen im Arbeitsmodus im Schnitt 25,4 W/h. Bei einem Stadtwerketarif mit 17,42 Cent pro kWh sind das im Jahr 12,92€ für einen Flachbildschirm. Doch damit nicht genug. Oft hören wir von Stromverschwendung durch StandBy. Richtig ist, dass der StandBy-Modus nicht gerade wenig Strom benötigt. Falsch ist, dass der Aus-Modus keinen Strom braucht. Bei seinen Messungen stieß der ehemalige Öko des AStA immer wieder auf Geräte, die auch im AusModus Strom verbrauchen. So benötigen die AStA-Monitore im StandBy (es blinkt ein Lichtlein) 2,7 W/h und mit Betätigung des Hauptschalters immer noch 2,6 W/h. Wenn jetzt 16 Stunden nicht gearbeitet und der Monitor richtig aus ist, dann entstehen Kosten von 2,75€ im Jahr. Alle 4 Computer mit Monitoren im AStA verbrauchen im Jahr Strom für 291€. Davon werden 47€ im Aus-Zustand verbraucht. Nicht einmal der Schalter an der PC-Rückwand – falls vorhanden – garantiert bei allen Geräten ein wirkliches Aus. Was hier steht, gilt für jeden, der einen PC-Arbeitsplatz hat, also wohl fast alle Studenten. Werte für den PC selbst sind natürlich noch viel höher, als die eines Monitors. Wer zudem noch andere Geräte für den PC nutzt, der sollte ernsthaft über eine Schaltsteckdose nachdenken, sie wirklich kaufen und Thomas Maier aktiv nutzen.
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„Unsere größte Einsparmöglichkeit ist das Stromsparen.“ Mit diesen Worten bringen es Greenpeace und andere Umweltgruppen auf den Punkt. Wer bei Kochen und Co. ein bisschen nachdenkt, schont nicht nur Ressourcen, sondern auch seinen Geldbeutel. Zum Denkanstoß hier ein paar Tipps:
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• Wasserkocher nur so voll machen, wie Wasser benötigt wird. Jedes Übermaß verlängert die Zeit bis zum Siedepunkt. • Deckel drauf beim Kochen. Egal, ob Nudeln, Kartoffeln oder Reis. Mit Deckel geht‘s schneller. • Vorheizen beim Backen ist out. Pizza sofort in den Ofen schieben, dafür bei 10-20°C mehr backen. • Töpfe und Pfannen müssen genau auf Herdplatten passen, ihre Böden müssen ganz eben sein. • Restwärme beim Kochen und Backen nutzen – Geräte also schon etwas früher ausschalten. • Regelmäßiges Abtauen des Gefrierfaches entlastet das Gerät. • Sieben Grad im Kühlschrank reichen. • Im Winter: Zwei alte Tetra Pak mit Wasser füllen, auf dem Balkon hart gefrieren lassen und dann in das oberste Kühlschrankfach stellen. Beim Auftauen des Eises wird aus dem Kühlschrank Wärme aufgenommen und so wertvoller Strom (über 50 Prozent – mit dem Strommessgerät gemessen) gespart. In der Zwischenzeit gefrieren schon wieder die nächsten zwei Tetra Pak. • Was zieh ich heute bloß an? Stunden vor dem offenen Kleiderschrank verbringen greift ja höchstens die Zeitressourcen an, aber Stunden vor offenem Kühlschrank stehen? Fragen wie „Was koch ich heute bloß?“ kann man ja auch vorher klären. • Spülen unter fliessendem Wasser erhöht den Strom- und Wasserverbrauch unnötig. Deshalb: Immer den Stopfen in den Ausguss, auch bei wenig Geschirr. • Stecker raus nach Gebrauch bei Stereoanlagen, Druckern, Ghettoblastern. Geräte fressen auch im „off“ Strom Alternative: Steckerleisten mit Schaltern besorgen, die nach Gebrauch umgelegt werden. • Fernseher nicht auf Stand-by lassen. Würden alle deutschen Fernseher richtig ausgemacht werden, könnte man ein AKW vom Netz nehmen. • Seit Stunden am PC gehockt und mal ne Pause machen. Gönn dem Monitor auch eine! Wenn Du den Computer schon nicht herunterfahren möchtest, sparst Du wenigstens auf diese Weise Strom. • Was nützt das Licht im Bad, wenn ich seit drei Stunden in der Küche bin? • Energiesparlampen machen hässliches Licht? Stimmt, aber wenigstens Dekoleuchten, wenn sie schon brennen müssen, kann man mit den cleveren Glühwürmchen bestücken. • Wer oft Batterien benötigt: Ladegerät für Batterien zulegen, das mit Solarenergie betrieben wird. • Auch wenn wir nicht an der Herstellung beteiligt sind: Umweltschutzpapier im Kopierer oder Drucker verwenden. Für dessen Herstellung wird weniger Energie benötigt als für blütenweisses Papier. ilia
100 Kilowattstunden für lau Wer in Greifswald mit Hauptwohnsitz gemeldet ist und gleichzeitig Stromkunde der Stadtwerke, kann bei selbigen ein sogenanntes „Starterkit“ bekommen. Die Stadtwerke schenken einem dann 100 Kilowattstunden Strom, was rund 17 Euro entspricht. Allerdings gibt es den Energiebonus nur einmal pro Haushalt. Weitere Vorraussetzung ist,
dass die Stadtwerke ihre Leistungen per Einzugsermächtigung abrechnen, danach genügt nur noch die Vorlage der Anmeldebescheinigung vom Einwohnermeldeamt im Kundenzentrum der Stadtwerke. Die Aktion läuft schon seit 2003 und wird auf jeden Fall bis zum Jahresende fortgesetzt. uli
strom
Schon vorher wissen, wie die Abrechnung aussieht Wer Ende des Jahres schon wieder eine fette Nachzahlung beim Stromanbieter hatte, der sollte sich Gedanken machen, wie er dies ändern kann. Eine Hilfestellung ist der Nebenkostenrechner des AStA, der unter www.asta-greifswald.de heruntergeladen werden kann. Er hilft, den Stromverbrauch und die damit erzeugten Kosten auch unabhängig von den Stadtwerken zu berechnen und somit frühzeitig die monatlichen Abschläge
oder das eigene Verhalten anzupassen. So funktioniert es: Strom-zähler ablesen, Datum und Wert in die Tabelle eintragen und ab der zweiten Messung gibt die Tabelle Werte aus. Der Abstand der Messungen kann individuell festgelegt werden und muss nicht immer gleich sein. Es empfiehlt sich aber zum besseren Vergleich den Abstand der Zahlungen zu wählen. Die Grundgebühr wird auf die Tage heruntergerechnet und bei
Änderungen im Tarif können diese einfach selbst in der Tabelle vorgenommen werden. Viel Spaß! Thomas Maier
Stromverbrauch selber messen
konstante Verbräuche • zum Beispiel Fernseher, Lampen, StandBy-Schaltungen • eventuell Durchschnittsmessung bei leicht schwankenden Verbräuchen Prozessverbräuche • bedeutet, in einer bestimmte Zeit und mit bestimmten Bedingungen den Verbrauch messen • möglich bei zum Beispiel Monitoren und Computern • wichtig besonders bei Geräten, die scheinbar immer an sind, aber dann doch nur manchmal Strom brauchen: Kühlschränke; Heizradiatoren etc. Gerät Schreibtischlampe 60W Notebook 800 Mhz
• Weiterhin erforderlich für Geräte, die nur kurz benutzt werden und deren Verbrauch aufgrund verschiedener Bedingungen immer unterschiedlich ist: Wasserkocher,Toaster, evtl. Staubsauger Nachdem klar ist, welches Gerät wie gemessen wird, nun die Zustände, in denen man das Gerät messen sollte. „Aus“ ist manchmal ganz und gar nicht aus, so verbrauchten die Computer im AStA-Büro selbst mit ausgeschaltetem Netzteil noch Strom. Um also herauszufinden, bei welchen Geräten man den Stecker ziehen muss, messt folgende Zustände: • AUS: nichts leuchtet mehr, Einschalten nur über Hauptschalter • StandBy: Lämpchen leuchtet, einschalten schnell möglich • ungenutzt: Gerät sofort nutzbar • AN, genutzt: Gerät wird seiner Entsprechung nach genutzt • weitere Angaben, zum Beispiel „ladend“ beim Notebook oder „Bildschirmschoner“ bei Monitoren Bei Geräten, mit Prozessverbräuchen, müssen keine AN-Werte gemessen werden. Thomas Maier
Zustand an aus, ladend Trafo allein an der Steckdose an, am Netz, Bildschirm an an, am Netz, Bildschirm aus an, ohne Anwendung PC und Monitor Standby aus Fernseher StandBy an an, Buntwäsche, Sparprogramm, 30 Grad Waschmaschine aus Staubsauger, max. 1300 Watt minimale Saugkraft mittlere Saugkraft maximale Saugkraft an, ladend Handy (Nokia)
Zeit * 1h 1/2h 1/2h 1/2h 1/2h 3h 3h immer immer 3h 50 Min immer 1h 1h 1h 1/2h
Verbrauch/h in 60-W-Glübirnenstunde * 1,0 0,7 0,1 0,4 0,3 1,9 0,1 0,0 0,1 1,3 6,2 0,0 5,0 9,2 15,0 0,1
* Die Zeiträume, die sich bei den Geräten mit Prozessverbräuchen als sinnvoll erwiesen haben, stehen unter „Zeit“. Der Verbrauch pro Stunde der jeweiligen Geräte ist hier auf den Verbrauch einer 60-W-Glühbirne während einer Stunde bezogen.
titelthema
Strommessgeräte werden von den Stadtwerken kostenlos verliehen. Die Herstellerangaben sind oft unzureichend und beschreiben nicht jeden Zustand, in dem Strom verbraucht wird. Zum Vergleich: Eine Glühbirne mit 60 W/h verbraucht etwa 90€ im Jahr, wenn sie dauerhaft brennt. Ein PCArbeitsplatz, der im Aus-Modus 10 W/h zieht, schlägt im Jahr mit 15€ zu Buche. Einfach mal selbst nachmessen oder besser gleich Stecker ziehen!
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stromanbieter
Der Vergleich lohnt
titelthema
Warum nicht den Stromanbieter wechseln?
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Seit der Öffnung des Strommarktes vor dings eventuelle Kündigungsfristen bei fremdes Netz ist, ist noch nicht geregelt. acht Jahren hat sich in Deutschland viel seinem alten Anbieter beachten. Der Die Gebühren werden erst im Herbst verbindlich festgelegt. getan. Um die 1.000 Anbieter soll es neue Anbieter kündigt dann meistens derzeit geben. Das variiert von Region dem alten und regelt auch sonstige zu Region, und auch in Greifswald gibt Formalitäten. Ökostrom es mehr Anbieter als nur die allbekann- Beim Anbietervergleich ten Stadtwerke. Etwa 20 Anbieter gibt sollte man darauf achten, Doch nicht nur zwischen wie es mit der Preisstabilität es im Stadtgebiet. teuer und billig kann Doch bevor man im Dschungel von aussieht: Hat der neue Anman sich entscheiden, Kilowattstunden und Preisstabilität ver- bieter häufiger den Preis sondern auch zwischen sinkt, sollte man sich ein paar grund- erhöht oder hat er eine Pr „konventionellen“ Anbietern sätzliche Dinge zum Strompreis klar eisstabilitätsgarantie? Letzteund Anbietern von Ökostrom. machen. Wie viel man bezahlt, hängt res bietet dem Verbraucher, also „Konventionell“ ist der Strom aus davon ab, wie viel man verbraucht. Und uns, die Möglichkeit, über einen Braun- und Steinkohle, Atomkraft, der Verbrauch ist abhängig davon, wie bestimmten Zeitraum hinweg Strom Heizöl oder Erdgas. Ökostrom wird groß die Wohnung ist, wie viele Personen zu einem festen Preis zu erhalten, der Strom genannt, der aus erneuerbadarin leben und wie viele Geräte mit unabhängig davon, ob sich Abgaben oder ren Energien hergestellt wird. Darunter Strom betrieDurchleitungsge- versteht man Energie, die aus nachben werden. Der Stromrechner im Internet listen alle Anbie- bühren erhöhen. wachsenden Ressourcen gewonnen Durchschnittsver- ter für eine bestimmte Postleitzahl auf. wird. Dazu gehört Strom aus Wind, Der Preis brauch pro Person Sonne, Wasser, Biomasse, Geothermik wird mit ungefähr Also los, letzte Stromabrechnung raushound Kraft-Wärme-Kopplung. 1.000 bis 1.500 len, ins Internet gehen, und Stromrechner Denn die Anbieter Doch was Ökostrom heißt, besteht geben – wenn nicht nur aus Ökostrom. Das Stromnetz Kilowattstunden googlen: sie sich nicht funktioniert wie ein See: Stromerzeuger pro Jahr (kWh/a) • www.verivox.de auf eine Zeit an speisen an verschiedenen Orten verangegeben. Wie viel • www.stiftung-warentest.de einen bestimm- schiedene Arten von Strom in den See es tatsächlich ist, • tarifvergleiche.forium.de/strom/ ten Preis binden ein, also sowohl konventionellen als hängt stark davon • anbieterwechsel.strom-magazin.de/ – Veränderungen auch Ökostrom. Der Verbraucher entab, ob mit Strom • www.billig-strom.de am Energiemarkt nimmt dann Strom aus diesem See. Aber Wasser erhitzt • www.stromvergleich.de an ihre Abnehmer wie sich der Strom zusammensetzt, den oder gar geheizt weiter. Der Strom- er bekommt, ist nicht gesagt, denn in wird. preis setzt sich aus ganz verschiedenen diesem See befindet sich ja Strom, der Wie viel verbrauche ich? Faktoren zusammen. Der Arbeitspreis ist unterschiedlich, also sowohl konventiverbrauchsabhängig, hängt also davon ab, onell als auch ökologisch, erzeugt ist. Je nachdem wie viele Kilowattstunden wie viele kWh/a ihr tatsächlich abnehmt. Trotzdem unterstützt man die Umwelt, pro Jahr man tatsächlich verbraucht, gibt Der Leistungspreis wird allein für die wenn man Ökostrom bezieht, denn: es unterschiedliche Anbieter, die hierfür Bereitstellung von So viel Ökostrom wie den günstigsten Tarif anbieten. Meist Strom berechnet. Auch Ökostromanbieter in Greifswald abgenommen wird, muss wird man nach seinem Jahresverbrauch wenn ihr nie ein elekauch in den Stromsee in eine bestimmte Tarifkategorie einge- trisches Gerät anstel- • BS Energy eingespeist werden. teilt, so machen es beispielsweise die len würdet, müsstet • enercity Hier in Greifswald gibt Stadtwerke Greifswald. Aber es gibt ihr den Leistungspreis • E.ON Bayern es 10 Anbieter, die auch andere Wege für die Tarifbildung: bezahlen. Weiter wer- • EWS Schönau Ökostrom im Angebot FlexStrom bietet beispielsweise Pakete den Gebühren für • Greenpeace energy haben, unter anderem mit einem vorgegebenen Verbrauch von die Bereitstellung von • NaturEnergie auch die Stadtwerke. kWh/a an. Man erhält einen relativ Ablesegeräten und • Naturstrom Dass Ökostrom meisgünstigen Tarif, muss aber, auch wenn sonstigem techni- • Lichtblick tens immer noch etwas man weniger verbraucht, den vol- schen Zubehör sowie • Strommixer teurer ist als konvenlen Paketpreis zahlen. Diese Art der die Verwaltungskos- • SV Greifswald tioneller, mag ja dem Stromabrechnung ist gut für Leute, die ten fällig, das nennt einen oder anderen einen sehr konstanten Stromverbrauch man Verrechnungspreis. Hinzu kom- Umweltbewussten nicht so viel ausmahaben. Sobald man aber mehr ver- men Abgaben an die Kommune, die chen. braucht, wird extra abgerechnet, und es Konzessionsabgabe, und Steuern, die Also: Bei der Wahl seines Stromanbieters wird schnell teuer. Ökosteuer. Und schließlich verlangen die hat man inzwischen viele Möglichkeiten Der Wechsel von einem Anbieter zu Stromnetzbetreiber Durchleitungsge- und wenn man sich mal ein bisschen einem anderen ist häufig sehr einfach. bühren. Deswegen haben neue Anbieter informiert, tut man möglicherweise Man unterschreibt einen Vertrag bei immer noch einen Nachteil gegenüber nicht nur seinem Portmonnaie, sondern dem neuen Anbieter oder füllt onli- den alten, denn wie hoch der Preis für auch der Umwelt etwas Gutes. ne ein Formular aus. Man sollte aller- die Durchleitung von Strom durch ein beb
energiemarkt
Die Liberalisierung der Energiemärkte kommt nur langsam voran Ist ein Leben ohne Elektrizität vorstellbar? Sowohl private Haushalte als auch ganze Industrien sind abhängig von elektrischer Energie. Aber die Verfügungsgewalt über diese Lebensnotwendigkeit befindet sich in Deutschland im Besitz weniger Großkonzerne. Mit der Liberalisierung des Energiemarktes hat der Staat die „Ware Strom“ dem Gutdünken des freien Marktes überlassen. Mit dem „Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts“ aus dem Jahr 1998 wurde die Marktöffnung für Strom und Gas ermöglicht. Durch den Wettbewerb sollten die Energieverbraucher Preisvorteile erlangen, denn die Energieversorger verloren in ihrer Stadt oder Region ihr bisheriges Strommonopol. Kunden können seit der Liberalisierung den Energielieferanten wechseln. Um den Wettbewerb zu ermöglichen, wurden die Netzbetreiber verpflichtet, anderen Unternehmen das Versorgungsnetz für Durchleitungen zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug zahlen sie dafür eine Durchleitungsgebühr an den Netzbetreiber.
Doch die Öffnung der europäischen Energiemärkte schreitet nur langsam voran. Im Februar musste die EUKommission eingestehen, dass sich die Liberalisierung bislang nicht flächendeckend zum Wohle der Verbraucher entwickelt. Mittlerweile hat die EUKommission wegen mangelnder Öffnung der Strom- und Gasmärkte gegen nahezu alle Mitgliedsstaaten Vertragsverletz ungsverfahren eingeleitet – auch gegen Deutschland. Durch die Abschaffung der Monopole wollte Brüssel mehr Effizienz in den Energiemarkt bringen. Alle Verbraucher sollten von niedrigeren Preisen profitieren. Im Strommarkt führten die Veränderungen zu erheblichen Minderungen der Großmarktpreise. Diese Preissenkung kam besonders der Industrie zu Gute, private Haushalte profitierten davon vergleichsweise wenig. Die Preisreduktionen der Liberalisierung sind mittlerweile durch zusätzliche Abgaben und Steuern vollständig aufgezehrt. Haushalte zahlen heute mehr für den Strom als vor der Liberalisierung.
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Acht Jahre freier Markt
Ein seit vier Jahren konstanter Posten in der Stromrechnung ist die Ökosteuer, die private Haushalte mit 2,05 Cent je Kilowattstunde belastet. Der Anteil, der auf die Förderung erneuerbarer Energien entfällt, betrug im Jahr 2005 mit 0,56 Cent je Kilowattstunde rund 3 Prozent des Strompreises der privaten Haushalte. Für Rüdiger Liedtke, Autor des im Eichborn Verlag erschienenen Sachbuchs „Das Energie-Kartell“, wird die deutsche Energiewirtschaft durch monopolistische Strukturen bestimmt. Der Markt werde von vier großen Konzernen beherrscht: E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW, so Liedtke. Über 80 Prozent der gesamten Stromerzeugung liegen in ihren Händen. Die Folgen sind eine weitgehende Marktabschottung, steigende Preise und die Verhinderung des Markteintritts neuer Wettbewerber. Den Verbrauchern aus Industrie und Wirtschaft ist vor allem die Preisbildung an der Strombörse Leipzig (EEX) ein Dorn im Auge. Die vier großen Energieversorger steuern den Handel, um den Preis nach oben zu treiben. Doch nur etwa 10 Prozent des Stroms in Deutschland wird an der EEX gehandelt. Der dort ermittelte Preis gilt aber für den gesamten Strommarkt in Deutschland. sv
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Die Uni
neu-
muss
sparen!
Foto: uli
Wer sparen will, braucht Geld Die Universität und ihre ganz eigenen Energieprobleme
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„Die Menschen an unserer Universität sind noch lange nicht so energiebewußt, wie ich es gerne hätte“, seufzt Uni-Rektor Rainer Westermann. Doch der Psychologieprofessor hat gleich den richtigen Ratschlag parat: „Wir müssen den Menschen einen Anreiz geben, Energie zu sparen: Geld.“ Vorerst wird der monetäre Segen aus dem Rektorat aber ausbleiben, kämpft die Uni doch immer noch mit hohen Kosten für Wasser, Gas, Strom und Fernwärme. Sogar Personalstellen – also potentielle Professoren- oder Mitarbeiterstellen – müssen für den Energieverbrauch herhalten: Pro Jahr wird rund 1 Million Euro aus dem Topf für Personal in den Topf für Betriebskosten geschüttet. Dafür könnte die Uni rund 14 C4-Professoren einstellen oder etliche wissenschaftliche Mitarbeiter und Tutoren mehr beschäftigen oder viele Bücher und Zeitschriften kaufen. Schuld an der folgenreichen Umverteilung ist das Land, zwingt es die Uni doch durch seinen rigorosen Sparkurs, den Energie-Etat nicht weiter zu erhöhen. Energie an der Uni – das sind vor allem
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Warmwasser und Strom. Wenn der Putz im Hörsaal 5 des Audimax zu Boden fällt und warmes Wasser sich mühsam seinen Weg durch alte Heizkörper sucht, wirkt der Beamer geradezu skurril, der artig eine PowerPoint-Folie nach der anderen auf die Wand projiziert. Doch was äußerlich bröckelt, steckt im Inneren voller Hightech. 220-Volt-Steckdose und Heizkörper sind kleine Teile eines komplexen Regelungssystems, das mittels Computern fernsteuerbar ist. Das System stützt sich auf eine Reihe von Sensoren, die hier das durchfließende Wasser, dort den verbrauchten Strom messen. Einige der universitätseigenen Trafostationen wurden inzwischen mit Messinstrumenten ausgestattet. „Wir können damit den Verbrauch den jeweiligen Gebäuden zuordnen und eventuelle Einsparpotentiale lokalisieren“, erklärt Udo Mainusch, Mitarbeiter des Referats Technik und Bau. Derartige Messtechnik ist allerdings sehr teuer, weswegen die neuen Geräte noch nicht überall zum Einsatz kommen. Den rostigen und innerlich verkrusteten Heizkörpern im Audimax steht
ein modernes, ebenfalls ferngesteuertes Heizungssystem gegenüber. In tiefen Uni-Katakomben unter den Füßen des Universitätsalltags verrichten zahlreiche Kessel und Pumpen ihre Arbeit. Die Heizungssysteme wurden nach der Wende neu montiert und arbeiten gebäudeübergreifend. So werden das Audimax, die Verwaltungsgebäude in der Domstraße sowie die Deutsche Philologie von einer Heizungsanlage gewärmt, die sich unterhalb der alten Bibliothek befindet. Ein zweites System im Keller der alten Augenklinik versorgt das Hauptgebäude, die Institute der Historiker, Physiker und Slawisten mit ausreichend Wärme. Hier kommt Erdgas zum Einsatz. Der größte Teil bei der Wärmeversorgung der Universität wird aber durch Fernwärme abgedeckt. Alle Sensoren laufen in der Leitzentrale des Referats Technischer Betrieb im Uniklinikum zusammen. Von ihrer computergesteuerten Schaltzentrale in
Stromzähler für die einzelnen Gebäude in der Trafostation neben dem Prüfungsamt. Foto: uli
der Sauerbruchstraße aus können die Ingenieure flexibel per Mausklick die Temperatur im Historischen Institut absenken und der UB gleichzeitig kräftig einheizen. Aber auch sämtliche Havarien laufen hier auf, von der geplatzten Wasserleitung bis zur schmorenden Steckdose. Schließlich verraten die Flachbildschirme, auf denen ein Gewirr aus farbigen Linien, Kästchen und winzigen roten und grünen Zahlen zu sehen ist, auch die Stellen, an denen mehr Energie als nötig verbraucht wird. Energie sparen war schon zu Zeiten der Planwirtschaft en vogue, und zwar weitaus radikaler als heute. Vor der Wende Bis zur „Wende“ 1989 wurden viele Uni-Gebäude mit Kohleöfen beheizt. Die Türen, durch die der gab es eine Anweisung, stromHeizer die Kohle in den Keller schippte, sieht man heute noch (links, Alte Augenklinik). Foto: privat, uli fressende Experimente – bei-
Frank Wolf hat von der Leitzentrale im Energieströme im Blick. spielsweise in der Physik – zu bestimmten Tages- oder auch Nachtzeiten durchzuführen. Es drohte nicht nur ein Rüffel der Bezirksregierung Rostock, sondern bis Ende der 60-er Jahre reichte am Tag schlicht die Spannung nicht aus. Etliche Heizkesselanlagen für Warm-wasser waren 1989 mehr als 50 Jahre alt und die Heizer kämpften mit der mangelhaften Kohle. Feuchte und damit unbrauchbare Braunkohle wurde angeliefert oder Briketts, die mehr aus Kohlestaub als aus Brikett bestanden. „Das Energiesparen lag in den Händen des Heizers: Je nachdem wie er den Ofen befüllte, holte er die größte Energie aus der Kohle heraus“, erinnert sich Udo Mainusch, damals noch „Hauptenergetiker“. Zurück in die Marktwirtschaft: Die derzeit stark schwankenden Energiepreise machen der Universität bei Elektroenergie weniger stark zu schaffen, da Zwei-Jahres-Verträge abgeschlossen werden. Dabei werden günstige Konditionen durch die europaweite Ausschreibung für den Stromverbrauch aller Landesliegenschaften erzielt. Für die Fernwärme gelten sogar Verträge mit bis zu 10 Jahren Laufzeit, diese werden aber preislich den Weltmarktpreisen für Erdöl angepasst. Derzeit wird unsere Alma Mater von den Stadtwerken Greifswald mit Elektrizität, Erdgas und Fernwärme versorgt. Genaue Preise und die übrigen Vertragsdetails sind vertraulich, aber der Strompreis variiert je nach Tageszeit: So ist der Nebentarif von 22 bis 6 Uhr deutlich billiger als der Haupttarif von 6 bis 22 Uhr. Doch bei dem Gedanken, die Physiker wieder zur Nachtarbeit zu verdonnern, sind die Energiesparer der Uni noch nicht angekommen. Einstweilen bereiten ihnen ganz andere eklatante Probleme Kopfzerbrechen, wegen denen kurzfristig keine hohen Summen eingespart werden können. So hat sich beispielsweise herausgestellt, dass gerade die modernen
Hörsäle und nicht die seinen eigenen Durchlauferhitzer, weil altehrwürdigen Vor- diese günstiger in der Anschaffung lesungsräume regel- waren als ein zentrales Kesselsystem. rechte Energiefresser Doch sie verbrauchen nicht nur mehr sind. Beamer, Ton- und Strom, sie werden aufgrund des harten Klimatechnik kos- Greifswalder Wassers auch sehr schnell ten nicht nur in der ihren Dienst quittieren, was natürlich Anschaffung sondern weitere Kosten nach sich zieht. Dafür ist auch im Betrieb viel dann aber, genau wie für die sonstigen Geld. Einen eindeu- Nebenkosten, die Universität zustäntigen Energiefresser dig, die sich noch Jahre später mit den unter den Instituten hohen Energiekosten abplagen muss. mögen die Mitarbeiter Ebenso fraglich ist, ob auf dem neu im Referat Technik gestalteten Innenhof jeder Baum und und Bau indes nicht Strauch gleich mit zwei Lampen beleuchUniklinikum alle ausmachen; dennoch tet werden muss. Foto: uli ist die Heizung am Um die Universität doch noch auf teuersten. Sparkurs zu bringen, überlegt man in der Wo an Reparaturen gespart wird, macht Univerwaltung, ein Unternehmen mit der sich allerdings auch bei den Altbau- Suche nach Sparpotentialen zu betrauen. ten hoher Energieverbrauch bemerk- „Bisher fand sich aber noch niemand“, bar. Energie wird regelrecht verbra- räumt Peter Rief ein, in der Verwaltung ten, wenn undichte Dächer und maro- zuständig für Hochschulplanung. de Heizungssysteme eine effiziente Die Heizkosten bleiben nach wie vor die Wärmeverteilung unmöglich machen. größten Unkosten, erzielen aber auch Teilweise hat sich im Inneren der den größten Einspareffekt: So sparte die Heizungsrohre soviel Kalkschlamm Uni zwischen Weihnachten und Neujahr abgelagert, dass dem heißen Wasser nur durch eine gezielte Heizungstemperatur wenige Millimeter zum Durchfluss bleiben. Dass voll aufgedrehte Heizkörper kalt bleiben, ist dann kein Wunder mehr. Auch die zunehmende Attraktivität der Uni unter Studenten lässt die Energiekosten kräftig steigen – insbesondere den Wasserverbrauch. Nutzten vor einigen Jahren nur knapp 4.000 Studenten die universitätseigenen Toiletten, so sind es derzeit über 11.000 angehende Akademiker. Die steigenden Studentenzahlen beeinflussen auch andere Kostenfaktoren, wie die Gebühren für die Entsorgung des Hausmülls. Überfüllte Veranstal- Uni-Rektor Rainer Westermann: „Strickjacke Foto: Pressestelle tungen müssen zwei bis drei Mal überziehen!“ abgehalten werden und die wenigen Hörsäle und Seminarräume sind absenkung rund 40.000 Euro. Die neuen von den dunklen Morgen- bis in die spä- Heizungsanlagen, die nach der Wende ten Abendstunden ausgebucht. Auch das anstelle der maroden Kohlekessel einkostet die Universität zusätzlich Geld, gebaut wurden, sind außentemperaturvor allem an kalten, kurzen Wintertagen. gesteuert und senken die Temperatur Andererseits gibt es auch keine ener- nachts herunter. giesparenderen Abschlüsse als Bachelor Derweil sinniert Uni-Rektor Rainer und Master, verkürzt sich doch die Westermann über Umwelt- und Facility durchschnittliche Studienzeit erheblich. Management. „Es soll in Zukunft überall Ärgerlich sind dagegen bürokratische möglich sein, die Energiekosten auf die Planungspannen, die beim Bau der neuen Institute umzulegen“, so Westermann, Universitätsgebäude am Campus Beitz- „so dass wir sparsame Institute mit Platz passierten. Der für Planung und Bau mehr Geld belohnen können.“ Freilich der Gebäude verantwortliche Betrieb ist es bis dahin noch ein weiter Weg. für Bau und Liegenschaften (BBL) ist in Vorerst solle jeder nach Feierabend und Landeshand und – weil er ebenso wie zum Wochenende die Heizkörper ausdie Uni am Tropf der Landesregierung stellen, schlägt Westermann vor. „Wem hängt – mehr als bemüht, so wenig Geld das am Montag Morgen zu kalt wird, wie möglich auszugeben. Im Neubau der kann sich ja eine Strickjacke überder Biochemie hat jedes Waschbecken ziehen.“ sv, uli
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energie
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zwischenlager
Beschlossen: Atommüll kommt nach Greifswald Die Energiewerke Nord lagern hochradioaktiven Kernbrennstoff aus Karsruhe ins Zwischenlager ein – und keinen interessiert‘s beliebtesten Müll, den die Republik produziert. Am Tag danach drei erschrockene Leserbriefe, dann nichts mehr. So geht das in Mecklenburg-Vorpommern. Klaus Kühnemann war Vorsitzender der „Bürgerinitiative Zukunft Lubminer Heide e.V.“. Seit jeher kämpft er gegen die Ansiedlung von großer, lauter und schmutziger Industrie am Rande des verträumten Seebades Lubmin. 2004 wurde er Bürgermeister und hat sich seit dem verändert. Er kämpft jetzt leiser: „Als Bürgermeister hätte ich hier am liebsten natürlich gar keinen Atommüll. Aber der Müll stört mich nicht. Ich weiß, dass er im Zwischenlager sicher ist. Mich stört vielmehr, dass ständig unsere Gemeinde damit in Verbindung gebracht wird. Es war nicht Lubmin, die den Atommüll beantragte, sondern die EWN!“ Vielmehr Angstschweiß steht auf seiner Stirn, wenn er auf die Presse zu sprechen kommt: „Die Vogelgrippe auf Rügen hat gezeigt, was das für einen Hype gibt. Wenn die alle nach Lubmin kommen, können wir unser Seebad schließen“. Es geht ihm um die Standortfrage. Ginge es nach dem Interesse der Industrie, hat Lubmin als touristischer Magnet keine Chance zwischen Rügen und Usedom. „Lubmin sollte sich auf schmutzige
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Die eigentliche Nachricht dieses Artikels ist kurz. Obwohl es die Energiewerke Nord (EWN) fast elf Jahre verneinten, soll nun doch fremder hochradioaktiver Atommüll in das Zwischenlager auf dem Gelände des ehemaligen Kernkraftwerks bei Lubmin (nahe Greifswald) eingelagert werden. Der politische Konsens, dass hier nur Atommüll der alten Reaktoren aus Greifswald und Rheinsberg eingelagert werden sollte, ist damit aufgebrochen. Hochradioaktiver Müll? Das sind Castoren mit höchstradioaktivem Kernbrennstoff. Das riecht nach Schlagzeilen, Gorleben und Ahaus, nach Demonstrationen von zehntausenden Atomenergie-Gegnern,von GreenpeaceAktivisten, die sich auf Schienen ketten. Das klingt nach gigantischen Polizeieinsätzen und Behinderungen. Dutzende Fernsehkameras, die das Spektakel begleiten. Doch wie sieht es in Greifswald aus? In der Gute-Laune-Zeitung der Ostseeküste finden wir die Atommüllpläne am 22. März im Regionalteil auf Seite 17, hinter der Jugendseite. Daneben der Wetterartikel „Karl hat den Frühling entdeckt“, der etwa halb so viel Platz einnimmt, wie der Artikel über den gefährlichsten, teuersten und wohl un-
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Megadebatte: Seit 1991 fordert die Atomlobby, Atommüll in Greifswald einzulagern. Jetzt hat sie es geschafft. Collage: sj
Industrie konzentrieren. Die geht immer dorthin wo am wenigsten Leute wohnen. Das bringt wenigstens verlässliche Arbeitsplätze für die Region“, so ein Ingenieur eines Ölmultis gegenüber dem moritz. So gesehen hat MecklenburgVorpommern die bestenVoraussetzungen für ein Zwischenlager: Ein entvölkertes Land, dessen Bevölkerung irgendwie alles ist: Älter, dümmer, arbeitsloser. Hier sind 50 Arbeitsplätze im Zwischenlager noch ein echtes Argument. So standen beim bisher einzigen hochradioaktiven Atommülltransport im Jahre 2001 aus Rheinsberg nur 24 Demonstranten an der Strecke. Da schwindet auch die Motivation der „Bürgerinitiative Kernenergie Greifswald e.V.“, die nur noch aus einem Dutzend altgedienter Mitgliedern besteht. „Wir sind ruhiger geworden, weil die Resonanz in der Öffentlichkeit gering ist“, gesteht Dieter Schlott, Vorstandsmitglied der Bürgerinitiative, ein. Obwohl sich mit der Einlagerung von fremdem Atommüll alle Befürchtungen der Bürgerinitiative erfüllen, seien keine Aktionen geplant. Dabei sind sich alle sicher, dass es sich nicht um das Ende, sondern um den Anfang handelt. Bis zur Eröffnung eines Endlagers wird noch einige Zeit vergehen. So lange müssen Zwischenlager genutzt werden. Der Betreiber des Zwischenlagers Nord, die EWN GmbH, ist eine hundertprozentige Tochter des Bundesfinanzministeriums. Daher ist es für die Bundesrepublik billiger, bundeseigenen Atommüll in Greifswald zu parken anstatt kommerzielle Zwischenlager der Industrie, wie zum Beispiel Gorleben, zu nutzen. Zudem sind in Greifswald noch genug Kapazitäten frei. Ökonomisch gedacht rechnet sich ein volles Atomlager mehr als ein leeres. Außerdem hat sich im Bundesamt für Strahlenschutz die Meinung durchgesetzt, dass die EWN sich durch die Zerlegung des Atomkraftwerks einzigartiges Know-How angeeignet haben. Kostbares Wissen, denn der seit 1995 laufende Abbauprozess hat bisher nach verschiedenen Schätzungen zwischen drei bis sechs Milliarden Euro verschlungen. Der Rückbau in Greifswald nähert
zwischenlager sich dem Ende. Jetzt sollen mit dem erworbenen Wissen andere Anlagen zerlegt und zwischengelagert werden. Daher übergab das Bundesministerium für Bildung und Forschung Anfang Februar die stillgelegten Forschungsanlagen in Jülich und Karlsruhe zur Zerlegung an die EWN. Die Abfälle kommen nach Greifswald. Das stand schon vorher fest. „Eine Absichtserklärung des Bundesamtes für Strahlenschutz, hochradioaktiven Atommüll in Greifswald einzulagern, liegt dem Kernenergiebeirat M-V seit Februar 2005 vor“, bestätigte Norbert Meyer, Vorsitzender des Gremiums, gegenüber dem moritz. Der Kernenergiebeirat wird jedoch inzwischen von EWN-Mitarbeitern oder dem Werk nahestehenden Personen dominiert. Kein Wunder, dass der Antrag des Vorsitzenden, schon damals die Öffentlichkeit zu informieren, vom
ten „Zerlegefabrik“ viel Geld verdienen. Dazu soll schwach- und mittelradioaktiver Müll ins Zwischenlager verbracht, dort zerkleinert und zum Teil recycelt werden. Eine Genehmigung für eine zweijährige so genannte „Pufferlagerung“ haben die EWN bereits. Derzeit klagt die Firma gegen den Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern vor dem Verwaltungsgericht Greifswald, weil dieser eine Ausdehnung dieser Genehmigung auf zehn Jahre verweigerte. Experten und Juristen rechnen damit, dass das Land unterliegen wird.Vielleicht kommt ein Regierungswechsel dem aber auch zuvor und die Genehmigung kommt viel einfacher zustande. So oder so: Es gibt genug Potential, um im Geschäft zu bleiben. Mit der Hafenanbindung an die Ostsee (Vergleiche moritz vom Mai 2004) besteht auch die Möglichkeit, Atommüll nach Russland
Beirat abgelehnt wurde. Auf der nächsten Sitzung am 28. April berät der Beirat über die Einlagerungspläne und gibt dem Umweltminister seine Empfehlung ab. Eine Zustimmung ist abzusehen. Doch selbst wenn der Landesumweltminister sich gegen die Empfehlung stellt, die Kompetenz zur Entscheidung hat er nicht. Hochradioaktiver Müll ist Bundessache, nicht Ländersache. Doch das Zwischenlager kann nicht nur einlagern. Ein anderer Bereich ist ebenso verlockend. Noch laufen rund 17 Kernkraftwerke in Deutschland, die in den kommenden 30 Jahren abgeschaltet werden sollen, sofern der Atomausstieg der Rot-Grünen-Regierung umgesetzt wird. Hier könnten die EWN mit der ins Zwischenlager integrier-
zu exportieren oder Müll aus den Wiederaufbereitungsanlagen La Hague oder Sellafield aufzunehmen. Oder schlicht: Lubmin könnte zur Drehscheibe mit angeschlossenem Zwischenlager für Imund Exporte von Atommüll werden. Diese Möglichkeiten sind nicht neu, sondern wurden schon seit dem Bau des Zwischenlagers 1995, verstärkt aber seit dem Bau des Hafens 2004, von Bürgerinitiativen geäußert. Auch der moritz berichtete darüber. Lange wurden sie jedoch allerorten dementiert oder als „gewagte Theorien“ (OZ) bezeichnet. Seit der Übernahme von Jülich und Karlsruhe sind alle Planspiele jedoch wieder ein Stück wahrscheinlicher geworden. Die Bevölkerung bleibt aber erstaunlich passiv. sj
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Mit 20.000 Quadratemetern das größte Ziwschenlager Deutschlands: Das Zwischenlager Nord (ZLN) auf dem ehemaligen KKW-Gelände bei Lubmin. Grafik: Archiv
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Blick auf das explodierte Reaktorgebäude, „Liquidatoren“ bei der Ankleide.
Fotos: Internet, Igor Kostin (r.)
Lehrstunde in Sachen Atomenergie Am 26. April vor 20 Jahren geschah in Tschernobyl der GAU
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„…und wenn man einen Fehler macht, dann macht es „Bumm“ und die kleinen Kühe und Häuser fallen um.“ Was bei Loriot ein Scherz war,wurde vor 20 Jahren in Tschernobyl in der heutigen Ukraine Realität. Am 26. April 1986 explodierte dort der Block des Kernkraftwerkes und setzte enorme Mengen an Radioaktivität frei – ein technologischer Unfall bei einem fehlgeschlagenen Experiment. Vor allem die Isotope Iod-131 und Cäsium137 wurden in einer radioaktiven Wolke teilweise tausende Kilometer weit durch die Atmosphäre getragen. Die Wolke, die daraufhin auch über
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Foto: Igor Kostin.
Deutschland hinweg zog, versetzte Millionen Menschen in Panik, Kinder wurden nicht mehr aus dem Haus gelassen, ganze Ernten umgepflügt aus Angst, dass sie von dem radioaktiven Regen verseucht sein könnten. Fast vollkommen hilflos stand der Mensch einer Bedrohung gegenüber, die man nicht fühlen, nicht schmecken, riechen, hören oder sehen konnte und die er nicht verstand. Das Schreckgespenst Atomenergie hatte einen Namen bekommen: Tschernobyl. Wie konnte es zu der Katastrophe kommen? Kernkraft bedeutet zunächst nichts anderes, als das zwischen den Protonen und Neutronen eines Atomkerns starke Anziehungskräfte bestehen. Solange diese Kraft größer ist als die Abstoßungskraft zwischen den einzelnen positiv geladenen Protonen hält der Kern zusammen – das Atom ist stabil. Stoffe, die sehr viele Protonen haben, benötigen zum Ausgleich noch mehr Neutronen, um den Kern zusammenzuhalten, trotzdem sind sie meist instabil, sprich radioaktiv. Wird einem solchen instabilen Kern noch ein Neutron zugeführt, gerät er in einen hochangeregten Zustand. Dieser Zustand wird durch die berühmte Kernspaltung aufgelöst, durch die jedoch weitere Neutronen freigesetzt werden, die sich wiederum an andere Atomkerne anschließen und diese ebenfalls spalten. Eine Kettenreaktion, bei der Energie freigesetzt wird, ist geboren. Genau diese Kettenreaktion läuft im Atomkraftwerk kontrolliert ab, und zwar mit Hilfe von Steuerstäben, die aus einem Material
bestehen, dass die Neutronen absorbiert und so dazu führt, dass nur jeweils eine bestimmte Anzahl Neutronen zur weiteren Kettenreaktion zur Verfügung steht. So kann man die Leistung des Reaktors steuern. Des Weiteren befindet sich in einem Reaktor ein „Moderator“, ein Stoff, der die Neutronen abbremst, um so die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass sie einen neuen Atomkern treffen. Im Falle von Tschernobyl handelte es sich dabei um Graphit, die meisten westlichen Reaktoren verwenden Wasser als Hauptmoderator. Und genau hierbei lag das Problem. Bei dem Experiment waren die Generatoren, die die Wärmeabfuhr aus dem Reaktor regelten, abgeschaltet, wodurch sich die Temperatur im Inneren drastisch erhöhte und das Wasser, das als Kühlmittel verwendet wurde, zu verdampfen begann. Während dies bei Reaktoren, bei denen dasWasser zugleich als Kühlmittel und Moderator dient, zu einer Verringerung der Leistung führt und der Reaktor wieder kontrollierbar wird, verliert Graphit bei Erwärmung seine moderierenden Eigenschaften nicht. Binnen Sekunden kommt es dann zu einer Explosion. Schon wenige Stunden nach dem Unglück wurde mit den Aufräumarbeiten begonnnen, eine riesige Beton-StahlKonstruktion sollte über den zerstörten Reaktor gebaut werden und so die Radioaktivität einsperren. Heute ist der hastig errichtete Sarkophag um den strahlenden Block marode, er muss saniert werden. Also müssen Arbeiter in dem immer noch verseuchten Komplex arbeiten (von den ursprünglich 190
katastrophe
Festgehalten – Bücher zum Thema Igor Kostin: Tschernobyl – Nahaufnahme 20 Jahre sind bereits vergangen. 20 von 24.000. Dann strahlt es nicht mehr. In Tschernobyl. 20 Jahre sind seit dem Telefonanruf mitten in der Nacht für Igor Kostin vergangen. Der Fotoreporter flog mit dem Hubschrauber nach Tschernobyl. Kameras und Filme lagen bereit. Doch nur ein Bild entstand: das Foto des kaputten Reaktorblocks. Die restlichen Streifen blieben schwarz. Radioaktivität. Kostin überlebte die Strahlung. Aus Verpflichtung gegenüber seinen Landsleuten knipste er weiter, arbeitete in den verstrahlten Gebieten, besuchte Krankenhäuser und stieg in den Sarkophag. Seine anrührenden Nahaufnahmen und die dazugehörigen Anekdoten sind einzigartiges Beweismaterial, warnende Erinnerung und bewegende Mahnung zugleich. ur Weitere Empfehlungen: • Christa Wolf: Störfall – Nachrichten eines Tages • Gudrun Pausewang: Die letzten Kinder von Schewenborn • Gudrun Pausewang: Die Wolke
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Tonnen Reaktormasse befinden sich nach Schätzungen noch bis zu 180 Tonnen innerhalb des Sarkophags), um Stützstreben zu errichten und Löcher zu stopfen. Ein neues Gebäude soll gebaut werden, dass den alten Sarkophag umschließen und die Radioaktivität aufhalten soll. Im Jahre 2008 soll es fertig sein und dann die Ruine für immer begraben. Noch heute existiert eine 30 Kilometer große Schutzzone um das Kraftwerk, in der niemand leben darf. Trotzdem sind circa 1000 Menschen in ihre Heimat zurückgekehrt, sie werden stillschweigend toleriert. Nur Kinder, die aufgrund des immer noch vorhandenen Iods der Gefahr an Schilddrüsenkrebs ausgesetzt sind, dürfen in der Zone nicht leben. Die Dörfer, die nur wenige Stunden nach der Explosion evakuiert wurden, liegen fast vollkommen verlassen da, vieles ist noch in dem Zustand, in dem es vor 20 Jahren hastig verlassen wurde. In der alten Schule kann man noch die aufgeschlagenen Schulhefte der Kinder sehen, die gerade Mathematikunterricht hatten, als die Explosion stattfand. Der Aufenthalt in der Gegend um Tschernobyl ist heute weitgehend ungefährlich, nur in unmittelbarer Nähe des zerstörten Reaktors kommt es noch zu erhöhten Strahlenbelastungen, denen man sich nicht für längere Zeit aussetzen sollte. Die Zurückgekehrten können relativ bedenkenlos dort leben, da eine dauerhafte Belastung mit den Strahlen sehr viel ungefährlicher ist als die plötzliche Bestrahlung, die bei dem Unglück freigesetzt wurde. Trotzdem bleibt Tschernobyl eine Warnung dafür, was passieren kann, wenn menschliche Unaufmerksamkeit und die Kräfte der Natur aufeinandertreffen. sari
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erzeuger
„Ein friedliches Atom in jedem Haus.“ Eine Lesung über das erste Kernkraftwerk Deutschlands im Koeppenhaus Die Berliner Autorin Annett Gröschner las am Freitag, dem 31. März im Koeppenhaus aus ihrem neuen Werk „Kontrakt 903. Erinnerung an eine strahlende Zukunft“ vor. Die Lesung über das erste Kernkraftwerk der DDR wurde mit einer Diashow mit Bildern des Fotografen Arwed Messmer begleitet, der ebenfalls in Berlin lebt und auch das Buch bebildert hat. Das KKW Rheinsberg wurde in den sechziger Jahren in Nordbrandenburg gebaut, später zog es etwas mehr als 500 der dort Beschäftigten zum Arbeiten ins KKW Lubmin bei Greifswald. Damit es vor dem ersten KKW in Westdeutschland fertig gestellt werden konnte, wurden alle beantragten Gelder für den Bau auch bewilligt. Das führte dazu, dass der Bau wirklich ein halbes Jahr vor dem ersten westdeutschen Atommeiler zur Stromerzeugung genutzt werden konnte. Allerdings verschlang
das Vorhaben deswegen auch rund 1.000 Prozent der zuerst veranschlagten Baukosten von 158 Millionen Mark. Annett Gröschner versteht es, aus den vielen persönlich geführten Interviews mit damals am Bau beteiligten Arbeitskräften und den vielen Akten, die es zu Arbeit und Leben in und um den Reaktorbau in Rheinsberg gibt, ein romantisches Bild zu zeichnen. Sie erzählt einzig anhand der vielen von ihr gesammelten Fakten die Geschichte einer Generation von Arbeitern, einer fast schon eingeschworenen Gemeinschaft, die auch außerhalb des Atomkraftwerkes Rheinsberg ihr Leben gemeinsam lebte. Damit einher geht auch das persönliche Erleben der Bauarbeiten durch die vielen Beteiligten, die meisten ohne Parteizugehörigkeit und vernünftige Ausbildung für die jeweils ausgeübte Tätigkeit. Pannen beim Bau, Überwindung von systembedingten
Grenzen, nicht nur der nach Westberlin, und das, was man heute learning by doing nennt, bestimmten den Arbeitsalltag und lassen das Prestigeprojekt im Nachhinein ein wenig menschlicher wirken. Die Begleitung mit den faszinierenden Fotos von Arwed Messmer, sowie mit Archivbildern, war die gelungene Umsetzung einer lobenswerten Idee. Durch die Visualisierung des Lebens und des Kernkraftwerkbaus in Rheinsberg fühlte man sich fast in die Ära der Bauarbeiten zurückversetzt. kos Das Buch „Kontrakt 903. Erinnerung an eine strahlende Zukunft“ von Annett Gröschner und Arwed Messmer ist beim KONTEXTverlag erschienen und kostet 22 Euro.
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Windenergie – eine kostspielige Alternative?
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2004 gab es in Deutschland 16.543 Windenergieanlagen, 2005 waren es bereits 17.574 solcher Anlagen, die in das Stromnetz 6,7 Prozent des Gesamtverbrauchs einspeisten. Die Bundesregierung plant bis 2010 eine Steigerung dieses Anteils auf mindestens 12,5 Prozent und langfristig sogar auf 50 Prozent im Jahr 2050. Doch wie sinnvoll ist die Nutzung von Windenergie? Der Vorteil der Windenergie liegt auf der Hand: Der gewonnene Strom entsteht aus der kinetischen Energie des Windes, der theoretisch unbegrenzt vorhanden ist. Dazu kommt noch, dass bei der Erzeugung keinerlei umweltbelastende Nebenprodukte wie bei der Verbrennung von fossilen Ressourcen oder der Nutzung der Kernenergie entstehen. Eigentlich hören sich diese Fakten wie ein wahrgewordener Traum an: Ein Rohstoff, der unbegrenzt verfügbar ist und keine negativen Folgen hat. Doch die Realität sieht anders aus. Energieversorger in Deutschland sind dafür verantwortlich, dass Strom ständig zur Verfügung steht und auch bei steigendem Bedarf eine Versorgung garantiert und das Stromnetz ständig aufrechterhalten wird. Strom aus Windenergie hat aber die unangenehme Eigenschaft,
dass er bei einer Windflaute oder einem Sturm nicht zur Verfügung steht. Dies bedeutet für die konventionellen Kraftwerke, dass der Strom, der durch das Wegfallen der Windkraftanlagen zuwenig produziert wird, kompensiert werden muss. Für ein Kohlekraftwerk wie Rostock ist dies ein schwerwiegendes Problem, da ein An- oder Abfahren der Turbinen aus technischen Gründen Stunden dauern kann. Damit das Stromnetz aber nicht zusammenbricht, befinden sich eben diese Kraftwerke in einer Art Ruheprogramm und laufen mit minimaler Leistung. Laut Energieanbieter E.ON kostet eine Kilowattstunde Strom aus Windenergie durch erforderliche Regelenergie und Netzanbindung 11,4 Cent. Im Vergleich dazu kostet die Kilowattstunde aus Erdgas oder Braunkohle 3 Cent. Durch rund 18.000 Megawattstunden Leistung, die die Windräder in Deutschland 2005 eingespeist
haben, sind zusätzliche Kosten von 1,49 Milliarden Euro entstanden, die letztendlich der Endverbraucher in Form von höheren Strompreisen zu tragen hat. Weitere Kosten entstehen durch die Instandhaltung und Konstruktion der Windräder. Gegner der Windenergieanlagen behaupten sogar, dass der Bau der Anlagen nur durch die Förderung der Bundesregierung ermöglicht wird. Die Betreiber der Windanlagen sind sich dieser Defizite durchaus bewusst und versuchen den Wirkungsgrad der Windenergie zu erhöhen und die Stromgewinnung planbar zu machen, indem sie günstige Standorte, wie zum Beispiel im „Offshore“-Bereich, für Windparks auswählt. Es gilt, die Zuverlässigkeit der Windenergie zu erhöhen und die Nutzung berechenbarer zu machen, denn eine Energiequelle die trotz eines unbegrenzten Rohstoffes die Kosten für die Energie in die Höhe treibt, wird auf lange Sicht als zu unwirtschaftlich untergehen. michi
Stellen zu besetzen Das Studierendenparlament (StuPa) wird am 25. April 2006 den neuen Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) wählen. Insgesamt sind 18 Stellen zu besetzen. Informationen zu den zu besetzenden Stellen gibt es von den aktuellen AStA-Referentinnen unter asta@uni-greifswald.de asta@uni-greifswald.de. Die Stellenausschreibungen und weitere Informationen finden alle Interessierten im Internet unter stupa.uni-greifswald.de. Bewerbungen können bis zum 25. April 12 Uhr per E-Mail an stupa@uni-greifswald.de oder schriftlich (formlos) im AStA-Büro (Audimax, Rubenowstraße 1) z. Hd. der StuPa-Präsidentin, Kathrin Berger, abgegeben werden.
Das StuPa tagt am 25. April 2006, 20 Uhr s. t. im HS 1, Audimax, Rubenowstraße 1.
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senatswahlen
„Wir wollen das Beste für alle!“ Drei Mediziner, deren Karriere im Senat vorschnell beendet wurde Vom 10. - 12. April mussten die Senatswahlen wiederholt werden. Die Gründe dafür sind eher undurchsichtig. Die nun nicht mehr in den Senat gewählten Mediziner wehren sich gegen den Vorwurf, ihnen ginge es allein um die Medizinische Fakultät. moritz sprach mit drei von sechs Senatoren aus der Medizin vor der Neuwahl.
hochschulpolitik
moritz: Es ist ja schon ungewöhnlich, dass sechs Mediziner, also alle, die sich beworben haben, gewählt wurden. Ward ihr sehr überrascht? David Merschin: Ja sehr! Wir haben damit geElena Patzwahl. rechnet, dass einer oder höchstens zwei in den engeren Senat kommen.“ Elena Patzwahl: „In den letzten Jahren waren wir immer unterrepräsentiert im Senat und deshalb ist das Ergebnis umso überraschender.
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formieren können. Das ist moritz in den Wahlkabinen, der wichtigste Faktor. Dawas aber nicht wirklich relevant war und die lückenbei war nicht die Intention hafte Identitätskontrolle. Mediziner zu wählen, sonDavid Merschin: Mit dieser dern die Wahlbeteiligung Identitätskontrolle kann generell zu erhöhen. man im Prinzip aber den Elena Patzwahl: Außerdem ganzen Universitätsbetrieb können wir die Mediziner anfechten. leichter ansprechen, weil Elena Patzwahl: Die Wahlwir die meisten Veranstalkommission musste die tungen zusammen haben, Anträge ja prüfen und Alexander Laske. deshalb funktionierte der Fotos: privat Informationsfluss so gut. wenn sie plausibel waren, ist klar, dass sie nach der Alexander Laske: Wir haWahlprüfungsordnung dem Antrag statt- ben vor ein paar Jahren angefangen, Egeben mussten. Mail-Listen aufzubauen. Dadurch können die Mediziner untereinander besser Wie ist eure Haltung zu den Neuwahlen? kommunizieren und sich informieren. Alexander Laske: Wir werden versuchen noch weitere Leute für die Briefwahl zu Wie kommt es, dass einige Leute eine mobilisieren. Es ist schwierig, die wah- scheinbare Abneigung gegen die Mediziner ren Gründe zu finden. Es ist eigenartig, haben? dass nur der studentische Senat neu ge- Alexander Laske: Das kommt sicherwählt werden soll, obwohl das Problem lich daher, dass die Medizinische Fakulder Identitätskontrolle sicherlich auch tät in Greifswald immer schon eine Sonbei anderen Wahlen vorhanden gewesen derstellung einnahm. Wir sind nicht disein wird. rekt an den Geldhahn der Uni gebunden, Elena Patzwahl: Wir hoffen, die Leute sondern haben unseren eigenen Etat, aus schenken uns erneut ihr Vertrauen bei dem wir schöpfen. Das ruft vielleicht der Briefwahl. Missgunst hervor. Viele denken, dass wir David Merschin: Wir wol- sowieso überrepräsentiert sind. Auffallen, dass der Senat regu- lend ist aber schon, dass nur der studenlär weiterarbeiten kann tische Senat angefochten wurde. und deshalb werden wir Elena Patzwahl: Vielleicht ist es auch der das neue Ergebnis nicht Eindruck, dass wir relativ isoliert sind anfechten, egal wie es aus- und nichts mit den anderen Studenten fällt. Man hat sich im Senat zu tun haben, was aber nicht die Annahdarauf geeinigt, dass jetzt me rechtfertigt, dass es uns nur um die erstmal keine wichtigen Medizin in Greifswald geht. Entscheidungen getroffen David Merschin: Den Medizinern fehlt werden, solange die Mit- vermutlich die Möglichkeit zu mehr Kongliedschaft nicht geklärt takt mit Kommilitonen aus anderen Stuist. Aber dadurch ist der diengängen, da wir in unseren Fächern Senat natürlich vorerst und Kursen nahezu immer allein unter lahmgelegt. Medizinern sind.
Wie habt ihr von den Neuwahlen erfahren? Elena Patzwahl: Wir haben von der Uni noch keine Nachricht bekommen, dass wir nun nicht mehr gewählt sind. Nur durch Dritte und durch die letzte Senatssitzung Mitte März haben wir von dem Beschluss über die Neuwahlen erfahren. Alexander Laske: Wir hängen gewissermaßen in der Luft. Wir haben eine offizielle Nachricht Fühlt ihr Euch ungerecht bebekommen, dass wir ge- David Merschin. handelt? wählt wurden, aber noch David Merschin: Wir müskeine Nachricht, dass sen davon ausgehen, dass wir nun doch nicht im Amt sind. Der In- die Anträge gerechtfertigt sind und dass formationsfluss könnte besser sein und es nicht allein um die Neukonstituierung das wollen wir auch erreichen durch un- des Senats ging. sere Informationskampagne. Wie kommt es, dass die Wahlbeteiligung bei Kennt ihr die Anträge, die zu den Neuwah- den Medizinern so hoch war? len geführt haben? David Merschin: Es ist wichtig, dass die Alexander Laske: Zwei Gründe sollen zu Studenten Anteil nehmen an der Uni und Neuwahlen geführt haben: Der Wahl- diesmal haben wir die Studenten gut in-
Was sagt ihr zu dem Vorwurf, dass einige Medizin - Professoren unrechtmäßig für die Wahl geworben haben? Alexander Laske: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Professoren für die Wahl geworben hätten. Vielmehr haben wir das in die Hand genommen und wir kamen uns teilweise schon ziemlich eintönig vor, die Studenten jedes Mal an die Wahl zu erinnern, aber wir haben nie persönlich für uns geworben. Interview: Katarina Sass
senatswahlen
Gerechtigkeit gegen Demokratie? Interview mit dem Jurastudenten Bernhard Schrieber, der die Senatswahlen an der Uni Greifswald zum ersten Mal erfolgreich angefochten hat.
Die Neuwahlen liefen diesmal strenger ab. Hin und wieder passiert es, dass Wahlen wiederholt werden müssen. Das ist an sich keine besondere Sache und es ist noch nicht mal spannend für den Wähler, der einfach noch mal ein Kreuz hinter seinem Kandidaten macht. Interessant wird es erst dann, wenn die Gründe für die Neuwahlen fraglich sind. Nachdem die Wahl des Senats regulär im Januar stattfand, staunte man nicht schlecht über das Ergebnis, dass sechs von 12 gewählten Mediziner waren oder besser gesagt, sein sollten. Die andere Hälfte des Senats bilden Biomathematiker und Biochemiker, sowie Studenten der Rechtswissenschaft und der Politik. Das ebenfalls Simon Sieweke in den Senat gewählt wurde, erklärt sich von selbst. Über das grandiose Ergebnis freuten sich allerdings nur die Mediziner. Unmut machte sich breit. Nebenbei lief die Wahl sowieso nicht nach Vorschrift ab. Wahlmoritze lagen in den Wahlkabinen und Personalausweise mussten teilweise nicht vorgelegt werden. Grund genug, die Wahl anzufechten. Der Antragsteller Bernhard Schrieber besorgte sich eidesstattliche Erklärungen, dass Persos nicht vorgelegt werden mussten und seinem Antrag wurde stattgegeben. Anschließend einigte man sich im noch amtierenden Senat terminlich auf den 10. April für die Neuwahlen. Ungünstig, vor allem für die Mehrheit der Mediziner, die im April nicht zwangsweise in Greifswald ist und nur per aufwendiger Briefwahl an den Neuwahlen teilnehmen kann. Doch der Termin schien offenbar niemanden zu stören, stimmten doch auch die Senatoren aus der Medizin dafür. Über die wahren Gründe für die Neuwahlen kann man nur spekulieren. Nicht neu ist der Verdacht, solche universitären Wahlen liefen weniger ordnungsgemäß ab, als die Bundestagswahlen. Noch nie wurde die Identitätskontrolle so ernst genommen, dass es zu Neuwahlen kommen musste. Denn das Prozedere der Senatswahl war nicht anders, als in den Jahren zuvor auch. Der Glaubwürdigkeit halber hätten außerdem auch die StuPa-Wahlen
Foto: uli
moritz: Bernhard, hast Du schon etwas von den Senatsneuwahlen gehört? B. Schrieber: Ich weiß nur, dass heute gewählt wird. Und ich habe per E-Mail mitgeteilt bekommen, dass meine E-Mail, in der ich die geisteswissenschaftlichen Fachschaftsräte gebeten hatte, ihre Kommilitonen zum Wählen zu animieren, bei den Fachschaftsräten der Medizinischen Fakultät gelandet ist und dort für Verärgerung gesorgt hat.
angefochten werden müssen. Überhaupt, wer wird eigentlich zur Verantwortung gezogen für den „schlampigen“ Wahlablauf? Reagiert die Uni mit einem müden Achselzucken auf die Tatsache, dass die Uni für Post und Porto Geld bezahlt? Ist es also die Angst vor den Medizinern im Senat, Du hast ja die Senatswahlen erfolgreich die den Antragsteller zur Anfechtung angefochten. Was hat dich dazu gebracht trieb? Geht diese Angst soweit, dass und was versprichst du dir davon? eine demokratische Entscheidung Ich war der Ansicht, dass sechs gewählte über den Haufen geworfen wird? Eine Mediziner ein Ungleichgewicht in den klare Antwort darauf kann nur der Senat brächten. Da den studentischen Antragsteller selbst geben. Vertretern nur zwölf Sitze im Senat Aber man kann zumindest ein paar zustehen, war die Medizinische Fakultät Mutmaßungen über die Abneigung überrepräsentiert. gegen die Mediziner äußern. „Das ist eine grundsätzliche Sache. Die Medizin Hast du darum auch die schon erwähnte Ein Greifswald ist ausgegliedert. Sie hat Mail an die Fachschaftsräte verschickt? ihren eigenen Etat, gleichzeitig hat sie Das ist richtig. Ich wollte die Fachaber Stimmrecht für die Haushälter der schaftsräte zur politischen Arbeit ermunanderen Fakultäten“, sagt Alexander tern, damit ein ausgeglicheneres Ergebnis Gerberding, im AStA verantwortlich zustande kommt. Vor der ersten Wahl für Fachschaftsarbeit und Mitglied des waren sie kaum informiert und ich habe Wahlprüfungsausschusses. Außerdem sei gehofft, das ändern zu können, da der die Medizinische Fakultät im Gegensatz nächste Senat unter anderem den neuen zur Philosophischen Fakultät nicht von Rektor wählt und es da auch um eine Schließungen bedroht. Oder doch? Richtungsentscheidung für oder gegen Schließlich munkelte man auch über eine die Volluniversität geht. Schwerrpunktverlagerung der Medizin nach Rostock. Wenn künftig Entscheidungen im Senat getroffen werden, würden Entscheidungen Anklamer Straße 70-71 zugunsten der Mo–Fr 9.00–18.30 Uhr Philosophischen Fakultät eventuell Sa 9.30–13.00 Uhr erschwert werden. Aber es sollte Telefon doch im Interesse 03834-412001 aller Studenten 0170-2677581 liegen, sich für die gesamte Uni E-Mail und deren Erhalt kontakt@ostpc.de einzusetzen. Und im Zweifelsfall Frank Höpfner wird jeder zum Einzelkämpfer.
OstPC
kats
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Suspekt
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senatswahlen / pechmann Hältst du es denn für den richtigen Weg, eine Wahl wegen Formalgründen anzufechten, wenn es dir eigentlich um das Ergebnis der Wahl geht? Eigentlich nicht. Ich habe lange überlegt, am Ende war mir aber das Ergebnis wichtiger als der Weg. Dass das nicht sauber ist, ist mir klar. Trotzdem wollte ich die Gelegenheit für ein in meinen Augen besseres Ergebnis für die gesamte Universität nicht ungenutzt lassen. Die gewählten Mediziner sagen aber, sie würden sich nicht zu Marionetten der Fakultätsleitung machen lassen. Hast du die Mediziner da nicht etwas vorverurteilt? Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann ihnen nichts unterstellen, würde aber erwarten, dass sie sich im Zweifelsfalle für die Medizin und gegen die Geisteswissenschaften entscheiden würden. Das würde ich für Jura ja genauso tun, wenn es um eine Entweder-oderLösung ginge. Derartige Entscheidungen
werden anstehen. Sie würden wohl auch eher einen Rektor wählen, der naturwissenschaftlich orientiert ist, wenn im Januar die nächste Rektorenwahl ansteht. Generell ging es mir daher um eine ausgeglichenere Besetzung der studentischen Senatorenposten, aber nicht darum, die Mediziner zu benachteiligen. Ein Ungleichgewicht, wie nach den Januarwahlen, gefährdet in meinen Augen die Arbeit der studentischen Senatoren als Gruppe. Das hört sich so an, als könntest du dir auch eine Quotenbindung der Senatssitze an die Größe der Fakultäten vorstellen. Um Gottes Willen, nein! Freie Wahlen sind wichtig, und Quoten generell nur für Systeme notwendig, die nicht funktionieren, weil es Ungleichheiten gibt. Die gibt es hier nicht, nur die Aufklärungsarbeit der Fakultäten schien mir bei dieser Wahl ungleich verteilt. Ich hielt dieses Wahlergebnis für
gefährlich und habe gehofft, dass es bei einer Neuwahl zu einem ausgewogeneren Ergebnis kommt. Es ist doch aber schon ungünstig für die Mediziner, dass jetzt zu den Neuwahlen ungefähr zwei Drittel der Medizinstudenten nicht hier in Greifswald sind, weil sie Praktika machen, oder? Das wusste ich nicht und das war auch keinesfalls meine Absicht. Es ging mir ja nicht darum, die Mediziner aus dem Senat zu verdrängen, nur darum, dass der hohe Anteil an Senatorenposten gemessen an der Studierendenzahl der Mediziner mir etwas zu hoch war. Ich habe keine Ahnung von den Prüfungsund Studienordnungen der Mediziner und hätte ja auch auf den Wahltermin noch nicht einmal Einfluss gehabt, wenn ich es gewusst hätte. Der Termin für die Neuwahlen wird ja von der Universitätsverwaltung festgelegt. Interview: Stephan Kosa
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Von-Pechmann-Prozess geht in Runde zwei
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Der ehemalige Leiter der Pressestelle der Universität, Edmund an dem Rausschmiss trifft. Die Uni war ursprünglich nur zu von Pechmann, hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts 15.000 Euro Abfindung bereit. Stralsund vom 8. November letzten Jahres Berufung eingelegt. Nachdem die schriftliche Urteilsbegründung am 20. Dezember Von Pechmann war im Februar letzten Jahres von der Uni letzten Jahres vorlag, nahm sich von Pechmann einen neuen rausgeschmissen worden, woraufhin er vor Gericht zog. Anwalt und kündigte an, in Berufung zu gehen. Der gebürtige Münchner kam 1994 nach Greifswald und Zwischenzeitlich hat der gelernte Mineraloge einen befrisübernahm die Leitung der Pressestelle. Sein eigenwilliger Stil teten Job bei einer Mikroelektronikfirma im oberpfälzischen bescherte ihm an der Uni und außerhalb Neumarkt angenommen, als Assistent Bewunderer; viele freuten sich über den des Qualitätsmanagementbeauftragten. sprachgewandten Stil des „Uni-Journals“ „Ich bin zur Zeit aus dem Pressegeschäft und der Pressemitteilungen, die sich raus“, bedauert er, „und meine Aufgaben deutlich aus dem medialen Einheitsbrei sind, wie gerichtlich befürchtet, „inadeabhoben und in die man mal mehr, mal quat“. Trotzdem bildet er sich gerade weniger hineindeuten konnte. Andere zum Qualitätsmanagementauditor fort. Uni-Angehörige fühlten sich vor den „Bald kann ich dann auch bei einer Kopf gestoßen und moserten über falsch Akkreditierungsagentur arbeiten und verstandene Öffentlichkeitsarbeit. nach Greifswald zurückkommen, um Die Uni kündigte dem Ausnahmetalent Studiengänge zu akkreditieren“, witzelt am 16. Februar 2005 „verhaltensbe- Hat Berufung eingelegt: Edmund von er. Foto: Archiv dingt“, insbesondere sei er gegenüber Pechmann. Das Verfahren in zweiter Instanz vor dem der Führungsspitze „illoyal“ gewesen, so Landesarbeitsgericht Rostock wird wohl Uni-Kanzler Thomas Behrens. Das Gericht sah das in erster Mitte Mai beginnen und bis Ende des Jahres dauern. Zeitgleich Instanz anders: keine Illoyalität und damit kein Grund für eine zum 1. Februar 2007 wird die Uni einen neuen Rektor wähKündigung. Auch von Pechmann betonte fortwährend, dass er len; der amtierende Rektor Rainer Westermann tritt nicht sich eine Wiedereinstellung als Pressestellenleiter vorstellen wieder an. Dennoch erteilt er eventuellen Hoffnungen von könne. Nicht die Uni-Oberen, die einen Auflösungsantrag nach Pechmanns auf eine Wiedereinstellung nach seinem Weggang § 9 Kündigungsschutzgesetz stellten. Darin steht sinngemäß, eine Absage: „Das Arbeitsverhältnis war nicht nur mit mir, dass man die Kündigung doch vollziehen kann, wenn beide sondern mit der ganzen Führungsspitze – sprich Rektorat, Kontrahenten mit dem anderen nicht mehr zusammenarbei- Dekane und dem Senatsvorsitzenden – zerrüttet“, erläutert ten wollen, was ja gar nicht der Fall war. Das mache man dann der Psychologieprofessor, „ich würde mich schon sehr wunaber so, meint Uni-Rektor Rainer Westermann, „das Gericht dern, wenn Herr von Pechmann wieder Leiter der Pressestelle hat von Anfang an auf einen Vergleich hingewirkt.“ Skrupel wird.“ habe er dabei keine. Dieser hat indes die Hoffnung nicht aufgegeben und will Regulär hätte von Pechmann gar nicht gekündigt werden seinen Rausschmiss durch die Hintertür nicht hinnehmen. dürfen, das verbietet der Tarifvertrag für die Angestellten im „Ich sehe mit einem neuen Rektor gute Chancen auf eine öffentlichen Dienst in M-V. Daneben deutet auch die für den Wiedereinstellung“, gibt sich von Pechmann kämpferisch, „und öffentlichen Dienst ungewöhnlich hohe Abfindung von 30.000 ich habe nicht vor, zu verlieren.“ Euro darauf hin, dass von Pechmann nur eine geringe Schuld uli
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Wie gewonnen so zerronnen
Der Kelch der LHG-Novelle ist an Greifswald nur scheinbar vorüber gegangen für die einzelnen Unis und FH her. Wer wo welchen Studiengang aufmacht oder schließt, wollte er selbst entscheiden, wider jeglicher Hochschulautonomie. Am Ende kam am 25. Januar dann doch ein Kompromiß heraus, auf den zweiten Blick aber ein fauler. Von Verordnungsermächtigungen aus dem Bildungsministerium war keine Rede mehr, stattdessen von Fristen und viel Transparenz durch Beteiligung des Landtages. Sobald der Prozess der Hochschulplanung einmal angelaufen ist, werden Fristen gesetzt, binnen denen die Hochschulen ihre eigenen Pläne entwickelt haben müssen, das Land darauf mit seinen Vorstellungen reagiert und es schließlich Vorgaben für die konkreten Hochschulen ausarbeitet, sogenannte Zielvorgaben. Die müssen dann vom Landtag verabschiedet werden. Da der ganze Prozess ja schon vorher im Gange war und einige der Fachhochschulen sowie die Greifswalder Uni fleißig an Zielvereinbarungen mit dem Ministerium arbeiteten, empfahlen die Rektoren kurzerhand, diese Ziel-vereinbarungen jetzt ohne die Eckwerte abzuschließen, um endlich die ersehnte Planungssicherheit zu bekommen. Gemäß dem neuen Gesetz ist als Stichtag der 30. April gesetzt; wer dann immer noch konzeptlos ist, muss mit diktierten Zielvereinbarungen rechnen. Dass die mit der Novellierung des LHG durch den Landtag müssen, ist bei den
bestehenden Mehrheitsverhältnissen nicht mehr als eine Formsache. Greifswald war schnell, Rektor Rainer Westermann brachte schon Anfang Februar die Zielvereinbarung mit dem Ministerium zur Unterschriftsreife. Der Senat stimmte zähneknirschend zu. Inhalt der Vereinbarung unter anderem: 190 Stellen fallen bis 2017 weg, die Lehrerbildung in Form des Master of Education ist ad acta gelegt, die Anglistik auf eine „Kernkompetenz“ zusammengeschrumpft, die Institute für Altertumswissenschaften, Romanistik und – fast schon vergessen – Sportwissenschaft sind passé. Rostock dagegen hadert immer noch mit dem Ministerium um eine Zielvereinbarung. Mal waren BWL und Jura auf der Streichliste des Ministeriums, mal schlug Rektor Hans-Jürgen Wendel vor, die Erziehungswissenschaft zu schließen, die es dann im ganzen Bundesland nicht mehr geben würde. Ob man sich in Greifswald derweil entspannt zurücklehnen kann, darf bezweifelt werden. Erstens ist nicht klar, wie das Rostocker Hickhack mit dem Ministerium ausgeht, zweitens stehen spätestens in vier Jahren die Debatten um die nächsten Zielvereinbarung vor der Tür und drittens hat das Land immer noch kein klares Konzept vorgelegt, was es denn nun mit den Hochschulen vor hat. uli
Sprechzeiten Mo, Di, Mi 7.30 – 18.00 Uhr Do 9.00 – 18.00 Uhr Fr 7.30 – 15.00 Uhr
universum
Als am 25. Januar im Landtag die Novelle des Landeshochschulgesetzes das Plenum passierte, war das Ergebnis von vorneherein klar. So begehrten denn auch die rund 100 studentischen Protestler vor dem Schweriner Schloß nur noch müde auf, sie trugen die Bildung zum x-ten Mal zu Grabe, stellten Holzkreuze auf und legten einen Kranz nieder. Einen Mann ließ seit Mitte letzten Jahres sämtliche Proteste und Bedenken der Hochschulen abblitzen: Bildungsminister Hans-Robert Metelmann (parteilos). Seit Ende Juni sein Entwurf zur Änderung des Landeshochschulgesetzes (LHG) auf dem Tisch lag, wollten die kritischen Stimmen nicht abreißen. „Notstandsgesetzgebung“ sei das, wurde formuliert. Dabei war es die Landesregierung selber, die sich in den Notstand hineinmanövriert hatte. Durch immer neue Kürzungsrunden nahm sie den Hochschulen die Chance, eigene Pläne für die Zukunft zu entwickeln – was im alten LHG ausdrücklich vorgesehen war. Danach sollte das Land sagen, welche Hochschulstrukturen es benötige, und zwar unabhängig von konkreten Standorten. Doch zu diesen „Eckwerten“ kam es nie, vermutlich weil die Landesregierung sich überhaupt nicht im Klaren ist, wohin sie mit ihren Hochschulen eigentlich will. Stattdessen sollten nach Metelmanns Willen rechtlich bindende Verordnungen
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stupa
Der demokratische Diskurs lebt Eine persönliche Bilanz der StuPa-Legislatur 2005/2006 Das Studierendenparlament (StuPa) ist das „Herzstück“ der studentischen Selbstverwaltung. Anders als in vergangenen Legislaturen hat dieses Herz stets geschlagen, denn das Parlament war in jeder Sitzung beschlussfähig. Während der 16 Sitzungen wurden über 200 Tagesordnungspunkte behandelt. Die Palette der Themen war dabei sehr breit: So wurde ein Antrag für ein Verbot des Ausschanks von Coca-Cola in der Mensa behandelt, AStA-Referenten gewählt und eine Debatte über rechtslastige Vorträge in den Räumen der Universität geführt.
AStA-Referenten, wenn sie gleichzeitig StuPa-Mitglied sind, nicht mehr über ihre eigene Aufwandsentschädigung entscheiden. Daneben wurde die Transparenz der Arbeit des StuPa erhöht. So kann nun jeder Studierende die Protokolle, Drucksachen und Beschlüsse des Parlaments im Internet unter stupa.uni-greifswald.de nachlesen. Dort finden sich zudem die aktuellen Einladungen zu den Sitzungen, an denen alle Studierenden der Universität teilnehmen können. Von diesem Recht haben in der vergangenen Legislatur über 100 Studierende Gebrauch gemacht.
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Die umstrittensten Themen
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Das StuPa entscheidet über alle grundsätzlichen Angelegenheiten der Studierendenschaft. Von diesen gab es in der vergangenen Legislatur eine ganze Menge. So sprach sich das Parlament im Oktober nach hitziger Debatte weiterhin kategorisch gegen jegliche Kürzungen an unserer Universität aus. Doch we- Blicken auf ein erfolgreiches StuPa-Jahr zurück: Der alte der dieser Beschluss noch Simon Sieweke und die neue Präsidentin Kathrin Berger. die massiven Proteste aller Studierenden konnten verhindern, dass Finanzielle Förderung die Romanistik, große Teile der Altertumswissenschaften und die Lehramts- Im Dezember 2005 beschloss das Stustudiengänge an der Mathematisch-Na- Pa den Haushalt für das Jahr 2006. Er hat turwissenschaftlichen Fakultät geschlos- einen Umfang von über 200.000 Euro sen wurden. Besonders leidenschaftlich und setzt sich aus den Beiträgen zusamdiskutierten die StuPisten auch die Fra- men, die jeder Studierende zum Ende eige, ob es AStA-Referenten erlaubt sein nes Semesters an die Universität übersollte, Arbeitsverträge mit Parteien zu weist. Was sich zunächst unspektakuschließen. Sie war aktuell geworden, weil lär anhört, ist für studentische Gruppen sich einige Mitglieder des AStA im Bun- von großer Bedeutung. Der Haushalt destagswahlkampf engagiert und da- ist nämlich Grundlage für die finanzielfür Geld erhalten hatten. Trotz des da- le Förderung von Projekten. In der vermit verbundenen Interessenkonfliktes gangenen Legislatur förderte das StuPa sah die Mehrheit des Parlamentes darin u. a. folgende Projekte: studentische Unkein Problem. Auch eine Verpflichtung, ternehmensberatung Capufaktur (1094 entsprechende Verträge offen zu legen, Euro), Studententheater (500 Euro), GrIfand keine Mehrheit. Ein ausgearbeiteter StuF (6500 Euro), Studienreise nach Is„Verhaltenskodex“ wurde abgelehnt. rael des Instituts für Politik (2000 Euro), In anderen Bereichen wurden dagegen Förderverein des studentischen Segelns Interessenkonflikte beseitigt. So darf seit (3000 Euro), radio 98eins (2500 Euro) dieser Legislatur ein Mitglied des Stu- und NMUN (3300 Euro). Auch in ZuPa nicht mehr über Anträge abstimmen, kunft habt ihr die Möglichkeit, Projekte die ihm einen unmittelbaren Vor- oder fördern zu lassen. Dazu müsst ihr einNachteil bringen. Beispielsweise können fach einen Antrag beim Finanzreferenten
des AStA stellen. Eine besondere Förderung wurde dem C9 zuteil. So sprach sich das Parlament zum einen im Mai für den Erhalt des altehrwürdigen Studentenclubs aus. Zum anderen wurden dem C9 im Dezember über 10.000 Euro als Darlehen zugesagt, damit der Club sein neues Domizil in der Hunnenstraße renovieren kann.
Was sonst noch geschah Das Studierendenparlament fasste insgesamt über 100 Beschlüsse. So wurde die Unabhängigkeit der studentischen Medien gestärkt. Die Redaktion des moritz muss das Magazin nun nicht mehr dem AStA zur Kontrolle vorlegen. Des Weiteren beschloss das StuPa eine finanzielle Beteiligung bei der geplanten Gründung einer Kindertagesstätte. Durch diese soll die Vereinbarkeit von Familie und Studium deutlich verbessert werden. Auch sprachen sich die StuPisten gegen die von der Bundesregierung geplante Kürzung des Kindergeldes aus. Schließlich unterstützt die studentische Selbstverwaltung eine Präsident Musterklage gegen die RückFoto: uli meldegebühr in Höhe von 10 Euro, die seit dem vergangenen Wintersemester von der Universität erhoben wird. Das Verfahren läuft noch. Leider ließ es sich nicht vermeiden, dass das Parlament in seiner letzten Sitzung eine Personaldebatte über den hochschulpolitischen Referenten führte. Sie blieb am Ende jedoch ohne Konsequenzen.
Dank für die Mitarbeit Zum Abschluss möchte ich allen Mitgliedern des StuPa für ihre engagierte Arbeit in der letzten Legislatur danken. Die meisten Mitglieder haben an über 90 Prozent der Sitzungen teilgenommen, obwohl sie für ihre Arbeit keinen Cent erhalten. Besonderer Dank gebührt ferner Kathrin Berger, Philipp Kohlbecher und Kai Doering, ohne deren engagierte Arbeit als Mitglieder des Präsidiums eine erfolgreiche Arbeit des StuPas nicht denkbar gewesen wäre. Simon Sieweke, ehemaliger StuPa-Präsident
stupa kommentar
Parlament mit wenig Bodenhaftung Sicher, das letzte StuPa kann auf eine erfolgreiche Legislatur zurückblicken. Es wurde viel und gut gearbeitet, aber sich auch viel mit sich selbst beschäftigt. Nicht nur während der Sitzungen selber, sondern auch in diversen Arbeitsgemeinschaften, dem stets allgegenwärtigen Haushaltsausschuss und natürlich im Präsidium. Das StuPa hat eine neue und übersichtliche Homepage, auf der man tatsächlich jede Sitzung mit Protokoll und Anträgen nachvollziehen kann – wenn man es denn will. Die Sitzungen wirken rein äußerlich geordnet, hat doch jeder StuPist inzwischen ein gelbes Namenskärtchen und gar eine grüne Stimmkarte. Aber auch voller sind sie geworden, die Sitzungen, wegen des größten AStA, den sich das StuPa je schaffte. Ein AStA, der potentiell die Größe des StuPas erreichen kann, ist nicht nur aus demokratischer Sicht fragwürdig, sondern auch kaum noch vernünftig unter Kontrolle zu halten. Wer will sich schon alle zwei Wochen durch durchschnittlich acht bis zwölf eng beschriebene Seiten Berichte der
AStA-Referenten wühlen? Kein Wunder, dass das Interesse der StuPisten am AStA nachließ, wie einige Referenten rückblickend beklagen. Und wenn das StuPa mit der Arbeit eines Referenten nicht zufrieden war – wie im Falle des Hochschulpolitischen Referenten, Torsten Heil – wurde mehr intrigiert als kritisiert, wenn man Torsten glauben darf. Zunächst handelte das StuPa konsequent und kürzte ihm die Aufwandsentschädigung um 100 Euro wegen zu teurer, weil zu spät fertig gewordener Vollversammlungsplakate. Als dann am 24. Januar – also der letzten Sitzung der Legislatur – eine Personaldebatte um seine Person entbrannte, wurde erst die Geschäftsordnung unsauber ausgelegt und anschließend mit mehreren Enthaltungen abgestimmt, so dass Torsten trotz offenkundiger Bedenken im Amt blieb. Den AStA kritisch im Auge zu behalten, nahm zumindest einer sehr ernst: StuPaPräsident Simon Sieweke, der selbst lange Zeit AStA-Chef war und inzwischen wohl zu den Greifswalder Studenten-
Berufspolitikern gehört. Letzteres war seinem Leitungsstil in den Sitzungen anzumerken: Immer mal wieder kamen Klagen, er lege die Tagesordnung zu willkürlich und nach eigenen Maßgaben fest. Er hatte den Laden im Griff und brillierte ein ums andere Mal durch ausgefeilte juristische Expertise. Professionalisierung also allerorten. Oder doch nicht? Das StuPa halste sich gleich zu Beginn der Legislatur eine lästige Debatte um die Gehälter der AStAReferenten auf, die plötzlich alle nicht mehr „nur so“ arbeiteten, sondern ihre Arbeit durch entsprechend Geld bewertet haben wollten. Weil das Eine eben das Eine und das Andere das Andere ist, machten dann auch einige AStAReferenten und StuPisten Wahlkampf für die Bundestagswahl. Natürlich hat darunter die AStA-Arbeit nicht gelitten, aber die emotionale Bindung zum Wahlvolk, also uns gemeinen Studis, der brav bei der StuPa-Wahl sein Kreuzchen setzte, lockert sich zusehens. Fazit für die nächste Amtszeit: Weniger Professionalität und mehr Dialogbereitschaft, sowohl mit einem (überschaubareren?) AStA und vor allem der FSK und den Fachschaften. Ulrich Kötter
Projekt-Workshop "Seminarreferate vorbereiten" Referate werden effektiv und erfolgreich, wenn Inhalte und Argumente gegliedert und strukturiert sowie Zahlen und Fakten anschaulich visualisiert und das bearbeitete Thema dann im Seminar dynamisch dargestellt werden. Studierende am Institut für Deutsche Philologie bieten zum Thema "Seminarreferate vorbereiten" in der Projektwoche nach Pfingsten einen dreigeteilten Workshop an:
Mi., 07. Juni 2006 9.00-13.00 Uhr Modul 1: Sprechen wir über’s Reden
Anmeldung bei Alex: a.boeber@web.de
oder: Weniger ist oft mehr – und ein "roter Faden" hilft
Do., 08. Juni 2006 9.00-13.00 Uhr Anmeldung bei Franziska: powerpoint@gmx.net Modul 2: Folien schlachten statt Folienschlachten! oder: Das Auge lernt mit – Der Sinn von Visualisierungen Einsatz von Visualisierungen – Gestaltung von Powerpoint-Folien
Fr., 09. Juni 2006 9.00-13.00 Uhr Modul 3: Reden wir über’s Sprechen
Anmeldung bei Nina: nini_schmitz@web.de
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Aufbau von Referaten – wissenschaftliche Gliederungsprinzipien - Manuskriptgestaltung
oder: Der Körper „spricht“ mit - Erste Schritte zum erfolgreichen Seminarreferat Atmung und Sprechen – stimmlich-sprecherische Gestaltung – Einsatz von Körpersprache
Rhetorik für Studenten aller Fakultäten – ein studentisches Projekt am Institut für Deutsche Philologie –
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Wahl ohne Zwischenfälle Die StuPa-Wahlen für die Legislatur 2006/2007 fanden vom 16. bis 20. Januar statt. Das alte StuPa hatte die Entscheidung gefällt, wieder in den traditionellen Turnus mit Wahlen im Januar und konstituierender Sitzung im April zu geraten. Die Wahl verlief ohne Unregelmäßigkeiten, was sowohl der Wahlausschuss als auch der Wahlprüfungsausschuss feststellten. Lediglich ein Kandidat, der gleichzeitig Mitglied des Wahlausschusses war, konnte aus formalen Gründen nicht zur Wahl zugelassen werden. Die Wahlbeteiligung sprang mit 12,2 Prozent erstmals wieder über die 10-ProzentHürde, nach 9,3 Prozent im April 2005 und 7,2 Prozent im Mai 2004. Gewählt wurden Kristina Kühn (281 Stimmen), Thomas Schattschneider (251), Florian Bonn (196), Simon Sieweke (171), Catharina Frehoff (165),Alexander Schulz-Klingauf (158), Christian Bäz
kommentar
(149), Zoran Vasic (145), Christian Bülow (123), André Kaminski (122), Stefanie Hennig (120), Philipp Kohlbecher (118), Martin Hackober (116), Dirk Stockfisch (115), Christopher Trippe (105), Alexander Gerberding (102), Patrick Leithold (101), Christian Fricke (83), Frederic Beeskow (82, Entscheid per Los), Johannes Spanier (82), Thomas Meyer (80). Inzwischen haben Zoran Vasic und Stefanie Hennig ihr Mandat niedergelegt, so dass Ulrich Kötter (77 Stimmen) und Michael Kreusch (68) nachgerückt sind. Auf der konstituierenden Sitzung dankte das Parlament dem Wahlleiter Nico Lamprecht für seine Arbeit und wählte Kathrin Berger zur neuen StuPaPräsidentin. Letztere war schon im alten StuPa als Stellvertreterin im Präsidium tätig. Ihr zur Seite stehen als Stellvertreter Philipp Kohlbecher und Christopher Trippe. uli
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Nichts Konkretes, aber viele Ideen
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Ab und zu muss man betonen, dass StuPaWochenenden keine Klausurtagungen sind sondern mehr dem Kennenlernen und Beschnuppern derjenigen dienen, die sich im folgenden Jahr zweiwöchentlich die Nächte um die Ohren schlagen. So ging es denn beim StuPaWochenende in Sellin am 8. und 9. April um viel Inhaltliches, wenn auch nur unverbindlich. Wie üblich forderten die Neu-StuPisten, mehr Öffentlichkeit für das Parlament herzustellen und auch, wie üblich, mit leichtem Seitenhieb auf die moritzMedien. Ex-Präsident Simon Sieweke, wahrlich ein alter Hase im Geschäft, merkte jedoch an, dass viel Arbeit des StuPa gar nicht öffentlichkeitswirksam sei. Er regte an, sich jetzt mehr mit konkreten Problemen der StudentInnen zu beschäftigen, beispielsweise Raum- und Bücherknappheit. „Vor der Landtagswahl werden keine großen politischen Entscheidungen mehr kommen“, so Simon. Falls doch, hat das StuPa schon seit der letzten Legislatur die Möglichkeit, über die Präsidentin Anliegen in den Senat einzubringen. Ferner wurde überlegt, die Programme der Parteien zum Landtagswahlkampf unter die Lupe zu nehmen. Auch das Verhältnis zwischen StuPa und AStA wurde diskutiert. Einige der noch amtierenden AStA-Referenten berichteten von Desinteresse an der AStA-Arbeit, das ihnen im StuPa entge-
gengeschwappt sei. Andererseits muss die Frage erlaubt sein, wer sich alle zwei Wochen durch manchmal mehr als zehnseitige Berichte aller 20 AStAReferenten zusammen quälen will. Ist es nicht ein demokratisches Paradox, wenn die Regierung genauso viele Köpfe hat wie das Parlament? Wie soll das StuPa da noch seine Kritik- und Kontrollfunktion wahrnehmen? Lediglich andiskutiert, wenn auch heftig, blieb die AStA-Struktur. Man wollte der ersten StuPa-Sitzung inhaltlich nicht vorgreifen und das war auch gut so. Dennoch wurde vor allem der Vorschlag kritisiert, die autonomen Referenten abzuschaffen, denen bisher niemand hineinreden konnte. Das ist in den Bereichen Behinderte, Gleichstellung sowie Schwule und Lesben auch berechtigt. Die ehemalige ErstsemesterReferentin und Neu-StuPistin Catharina Frehoff warf die Frage auf, ob denn der AStA so hierarchisch organisiert bleiben solle wie er sei, mit all den Problemen, die das schaffe. Nicht nur weil es eben doch keine Klausurtagung war, wollte man sich am Ende auf keine konkreten Arbeitsziele einigen. „Lasst uns nicht zuviel vornehmen“, mahnte Thomas Schattschneider, der momentane AStA-Vorsitzende, „die Tagespolitik wird uns eh einholen.“ Damit könnte er Recht behalten. uli
Urlaub vonnöten Wie... wo... wo ist sie hin? Sie war doch eben noch da. Oder? Hat man sie sich etwa nur eingebildet? Sie war so flüchtig. Man konnte sie nur erahnen, einmal an der Süße des Glücks lecken. Nein, sie ist weg. Endgültig. Und dann auch noch so schnell. Traurig. Die frisch gewählten Vertreter des Studierendenparlaments. Sie haben es geschafft, sie abzuschütteln, einfach so. Einfach so! Als wäre sie ihnen nicht aufgefallen. Da tagt man schon mal konstituierend, richtig wichtig, mit Präsidiumswahl und allem Drum und Dran. Warum ist man als StuPist an so einem Tag nicht übersensibel? Denen hätten die Härchen auf den Unterarmen zu Berge stehen müssen! Wirklich, echt, so greifbar war sie noch, zu Anfang der Sitzung. Genau so schnell war sie aber auch wieder hinfort. Verpufft, durchs Fenster entfleucht, wer weiß das schon so genau? Fest steht, dass sie weg war. Ratzfatz. Die Formalia zum Anfang der Sitzung, die hatte sie noch mitbekommen. Ausgerechnet! Und aufgrund des Charakters der Sitzung auch noch Formalia in Überlänge. Mehr sollte ihr nicht vergönnt sein. Vielleicht hatte sie ja keine Zeit mehr. Aber eigentlich ist sie immer die mit der meisten Zeit. Sie ist die, die über Zeit wirklich verfügen kann. Zudem hatte sie noch gehört, dass StuPa-Sitzungen jetzt auf vier Stunden Länge festgenagelt werden. Keine Abstimmungen mehr um ein Uhr morgens. Also hätte sie Zeit haben können. Hat sie am Ende gar einfach keine Lust mehr gehabt? Aber wir kennen sie doch. Sie hat letztes Jahr hin und wieder mal reingeschaut. Wer manchmal auf Stippvisite kommt, der muss einen zumindest ein wenig mögen. Schüchternheit? Die paar neuen Gesichter, die hat sie garantiert kaum wahrgenommen. Sie saß ja auch direkt zwischen all den alten Hasen! Sie hat es verpasst. Den besten Teil. Die Wahl des neuen Präsidiums. Die angedachte AStA-Strukturreform. Und ein früheres Ende der ganzen Veranstaltung. Wenigstens war sie länger als sonst da. Vielleicht hat sie es am einfachsten, nach den Semesterferien zu kommen. Das wird es sein. Trotz Ferien im Rücken ist die Luft bei ihr einfach zu schnell draußen. Sie hat es eben, wie wir alle auch, nicht leicht, im Alltag zu bestehen. Die Gute. Die entspannte Atmosphäre. Stephan Kosa
sexismus
Gibt es öfter als man denkt Umfrage zu einem Tabuthema an der EMAU: sexuelle Belästigung
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Klage anstreben würde. Die männlichen Befragten würden zusätzlich noch die Person zur Rede stellen. In Einzelfällen würde es sogar Überlegungen geben, die Universität zu wechseln. Hilfeleistungen würden auch angenommen werden. Darunter zählt vor allem Beratung, Rechtshilfe durch kompetente Personen und die Durchsetzung von Sanktionen. Mehr als ein Drittel der Befragten wünscht sich auch eine stärkere Öffentlichkeitsarbeit zu diesem Thema sowie Selbstverteidigungsku rse. Rein schriftliche Informationen sind jedoch mit annähernd 70 Prozent abgelehnt worden. Fazit: Die 52 Fälle von sexueller Belästigung an unserer Uni sind 52 zuviel. Die Dunkelziffer der Fälle dürfte wesentlich höher liegen. Nun sind die Gremien der Universität aufgefordert, zu handeln. Der AStA und das StuPa sehen dieses Feld als ein wichtiges an und haben die Gleichstellungsarbeit aufgewertet, indem sie nun Teil eines Hauptreferates ist. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die zu leistende Arbeit nicht bei der Fülle der Aufgaben des neuen Referates für Soziales, Wohnen und Gleichstellung hinten runter fällt. Auskünfte zu den genauen Zahlen gibt es auf Anfrage im AStA. Dort findet auch die Beratung von Opfern statt. Patrick Leithold, Autonomer AStAReferent für Gleichstellung Vielen Dank an alle Helfer, die die Umfrage verteilt haben!
hochschulpolitik
Nach der letzten großen Umfrage zur bereits belästigt wurden. Rund 10 sexuellen Belästigung an der EMAU im Prozent der Befragten kannten sogar Frühjahr 2002 ist es wieder Zeit, sich mit Personen, die selbst an unserer Uni dem Thema zu befassen – fand der auto- andere Personen belästigt haben. 7,5 nome AStA-Referent für Gleichstellung, Prozent der Männer und 12,6 Prozent Patrick Leithold. Rund 3 Prozent aller der Frauen gab an, selbst bereits Opfer Studierenden havon sexueller ben an seiner Um- Sexuelle Belästigung?! Belästigung geworfrage, die paralden zu sein. Es gab lel zur Wahl des Die nachfolgenden Antworten waren Einzelvorfälle, bei Studierendenpar- für die meisten der Befragten ganz der die Zahl der laments stattfand, eindeutig sexuelle Belästigung: Vorfälle von sexuelteilgenommen. ler Belästigung bei Insgesamt nahmen • übertriebener Körperkontakt 68 Fällen lieg. Geht 186 Frauen und 96 • Fragen, die sich auf das persönliche man vom ersten Männer teil. Sexualleben beziehen Teil der Umfrage Im ersten Teil der • E-Mails mit pornographischem Inhalt aus, so bleiben laut Umfrage ging es um • Einladungen mit eindeutiger Absicht der dort getroffedie Definition, was • unerwartetes Berühren nen Definition 52 eigentlich sexuelder Intimbereiche Fälle übrig. le Belästigung für • Pokneifen Die männlichen den Einzelnen ist • aufgedrängte Küsse Befragten wur(siehe Kasten). den nach der Neben eindeuUmfrage lediglich tigen sexuellen Belästigungen sehen von Mitstudierenden über drei Viertel der Befragten auch belästigt, oder machAufforderungen zu sexuellen Handlungen, ten zu den Personen sexuelle Anspielungen bei Telefonaten, keine Angabe. Die das Versprechen von Vergünstigungen weiblichen Befragten beziehungsweise das Androhen von wurden nach ihren Nachteilen bei sexueller Verweigerung Angaben jedoch auch sowie das Zuschaustellen des Genitals als von ProfessorInnen, sexuelle Belästigung an. Das Erzwingen w i sse n sc h af t l i c h e n von sexuellen Handlungen gegen den MitarbeiterInnen und eigenen Willen (also Vergewaltigung) ist sonstigen Angestellten zwar keine sexuelle Belästigung mehr, belästigt. Zum größwurde jedoch trotzdem von annähernd ten Teil waren die 90 Prozent der Befragten als solche mit Personen, von denen angesehen. die Belästigung ausNennenswerte Unterschiede in der ging, nur flüchtig oder Bewertung von sexueller Belästigung gar nicht bekannt. zwischen den Geschlechtern gab es Zum Schluss wurde lediglich in einer Frage: Sind schein- auch nach Kon-sequenbar zufällige Körperberührungen schon zen und Wünschen sexuelle Belästigung oder nicht? Im gefragt. Hierbei kam zweiten Teil der Umfrage ging es um die heraus, dass sich der sexuelle Belästigung speziell an der Uni überwiegende Teil Greifswald. Zwei Drittel der Befragten der Studierenden gehen davon aus, dass eher selten oder körperlich wehren selten Belästigungen an der Uni vor- würde und gleichzeikommt. Jedoch kannte ein Viertel der tig die Person meiBefragten Personen, die an der EMAU den, sowie Beschwerde einreichen und
26.4. Sommer vorm Balkon - 3.5. Der letzte Trapper 10.5. Geisha - 17.5. Caché 24.5. Casanova - 31.5. Walk the Line
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demo ke wohl einmal mehr als Chaoten und Steinewerfer stigmatisiert werden, lag das Vereinshaus der Markomannia doch gar nicht direkt an der Demonstrationsroute. Die Markomannia machte schon 1994 von sich reden, als sie die Angliederung Österreichs an Deutschland unter anderem mit der Begründung forderte, „deutsche Gebiete unter momentaner Fremdverwaltung“ wieder angliedern zu wollen. Die Rugia, deren Mitglieder stolz und verächtlich in vollem Wichs und mit Bierglas in der Hand vom Balkon ihres Vereinshauses herab das Geschehen beobachteten, hielt sich dagegen nicht so lange wie die Markomannia damit auf, Vorwürfe zu entkräften. Lieblose Flugblätter, die vor der Tür des Vereinshauses aufgespießt im Wind flatterten, sollten den gewogenen Demonstranten davon überzeugen, dass hier ganz harmlose Vaterlandsfreunde ihr Leben fristen, denen die NPD-Mitgliedschaft einiger ihrer Mitglieder ja eigentlich auch gegen den Strich geht. Schade nur, dass sich vor dem Vereinshaus auch ungefähr 30 Glatzen, unter anderem aus dem Sozialen und Nationalen Bündnis Pommern (SNBP), dem Heimatbund Pommern Demonstrationszug mit Begleitung in der Langen Straße. Fotos: so und dem Märkischen Heimatschutz in Kampfmontur aufgestellt hatten und Am Samstag, dem 8. April, fand in Greifs- den leider nicht wieder eingepackt, auch Flugblätter verteilten. Diese machten wald unter dem Motto „Den rechten als die Organisatoren sich zweimal über zusammen mit einer aus einem oberen Konsens anfechten!“ eine Demonstrati- den Lautsprecherwagen von National- Fenster des Vereinshauses der Rugia heon der Initiative „Burschis aus der De- symbolik distanzierten und darum ba- rausgehaltenen Kamera, die ohne dackung holen“ statt. Um gegen rechte ten, Nationalsymbole doch im eigenen zugehöriges Gesicht die DemonstranBurschenschaften, im Falle Greifswalds Zimmer zu lassen. Die Polizei schien an- ten abfilmte, nicht den Eindruck, dass die die Burschenschaften Rugia Greifswald fangs durch die Anwesenheit kleiner ra- paar Herren auf dem Balkon völlig friedund Markomannia Aachen-Greifswald, dikaler Splittergruppen liebende Menschen Flagge zu zeigen, fanden sich am Mittag im vermummten vorseien. Kundgebungen rund 200 Demonstranten auf dem Karl- deren Block des Degab es auf dem MarktMarx-Platz ein. Mit einem Lautsprecher- mozuges völlig aus der platz, vor dem Vereinswagen zog alsdann bei schönem Wet- Fassung gebracht worhaus der Rugia und ter und gemeinsam mit einem schlag- den zu sein. So herrschvor der Fuchsstraße. kräftigen Polizeiaufgebot eine ansehn- te seitens der Beamten Dort wohnt seit einiger liche Demonstration durch die Stadt. eine nervöse bis gereizZeit der Berliner Paul Die Demonstrationsroute lief vom Karl- te Stimmung vor, die Schneider, dem massiMarx-Platz, wo die Burschenschaft Mar- wie üblich in der rupve Aktivitäten als Antikomannia ihr Vereinshaus hat, durch die pigen Behandlung von Antifa-Aktivist nachgeInnenstadt über den Marktplatz zur Ro- Demonstranten münsagt werden und der bert-Blum-Straße, wo das Haus der Ru- dete. auch zu den Gründern gia steht. Von da aus ging es durch die Eindeutig als Rechtsrader Berliner KameradWohngebiete an der Anklamer Straße dikale zu erkennende schaft Tor gehört, die und der Burgstraße weiter bis zur Bahn- Gestalten traten immer kürzlich vom Berliner hofstraße, wo die Demonstration letz- wieder ins Blickfeld der Innensenator verboten ten Endes beendet wurde. Demonstration, abgewurde. Auffällig an der Demonstration war die schirmt von Polizisten. Der Pressesprecher starke Präsenz von Antifaschisten ei- So hielt man freundlich d e r O r g a n i s a t o re n , nerseits, die mit Transpis und Flaggen einen Finger in die Luft Carsten Müller, war jegroßartig organisiert waren. Anderer- und fotografierte die denfalls zufrieden. „Eine seits waren relativ wenig Studenten da- Kandidaten ab. Demo, die friedlich und bei, was wieder einmal zeigte, wie un- Die Burschenschaft dennoch energisch gekritisch mit dem Thema Burschenschaf- M a r k o m a n n i a h a t zeigt hat, dass Neonaten unter Studenten umgegangen wird. t e g a n z u n h e rr i s c h zis in Trachtenuniform Viele der Antifaschisten waren extra aus vor der Demonstratiin Greifswald und woBerlin angereist. Die Israelflaggen von on Polizeischutz beananders nicht gern geseAntideutschen im vorderen Block wur- tragt. Damit sollten Lin- Polizeischikane Ausweiskontrolle. hen sind.“ kos
hochschulpolitik
„Au-to-no-me An-ti-fa!“
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demo
Am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, wird in dass immer mehr nationalistische Bünde Rostock eine Demonstration der NPD im Land die NPD für sich entdecken, die stattfinden. Es werden 3.000 rechtsna- ihnen bis jetzt zu „demokratisch“ war. tionale Demonstrationsteilnehmer aus Wenn man dann noch in die Rechnung dem gesamten Bundesgebiet erwar- mit einbezieht, wie gut die NPD im tet. Da im September dieses Jahres Bundestagswahlkampf in Mecklenburgdie Landtagswahlen in Mecklenburg- Vorpommern abgeschnitten hat, kann Vorpommern anstehen, will die NPD aus einem leicht anders werden. Viele – dieser Demonstration den Auftakt ihres nicht nur Linke und Antifaschisten – halLandtagswahlkampfes machen. Um dem ten es für denkbar, dass die NPD am Einzug der NPD in den Landtag entge- 17. September die Fünf-Prozent-Hürde genzutreten, um Dich gegen Rassismus knacken könnte. Auch den Politikern in und völkische Ideologien zu positio- der Landesregierung scheint das Gesäß nieren und um für eine tolerante und darauf zu gehen, was man gemeinhin egalitäre Gesellschaft einzustehen, bist Grundeis nennt. auch du, lieber Leser, aufgefordert, Dich Der positivste Aspekt dieser Besorgnis am 1. Mai an einer Gegenkundgebung in seitens der Regierungsparteien ist der Rostock zu beteiligen. Enthusiasmus, eine Gegendemonstration Diese wird von der Stadt Rostock, dem auf die Beine zu stellen. Es treffen DGB und dem „Bunt sich nach der statt braun e.V.“, Abschlusskundgebung einer Bürgerinitiative der Gegendemonstraaus Rostock, orgation voraussichtlich auch nisiert. Es wird darPolitiker aus Bundesauf geachtet, beide und Landesebene zu Demonstrationen vonAnsprachen und Diseinander zu trennen, kussionsrunden mit um Ausschreitungen Bürgern. Darunter zu verhindern. sind Gregor Gysi Direkt aufeinander (Linkspartei.PDS), treffen werden die Claudia Roth (Grüne), Demonstrationszüge Ministerpräsident wohl nicht, auch Harald Ringstorff wenn sie sich einmal (SPD) und der DGBrecht nahe kommen. Vorsitzende Michael Doch woher kommt Sommer. nun diese plötzliche Doch es ist bedauernsEinigkeit im Auftreten Demoaufruf der „Antifaschistischen wert, dass so etwas gegen Rechts? Aktion“ zum 1. Mai. wieder einmal erst dann Zunächst durch die möglich wird, wenn das zu erwartende Größe der NPD-Demo. Kind schon fast in den Brunnen gefallen Denn dass nicht nur Parteimitglieder aus scheint. Es braucht einen bundesweiten der Region auftauchen werden scheint NPD-Aufmarsch, damit sich Aktionen ausgemacht. gegen Nationalismus und Antisemitismus Die NPD ruft auf ihrer Internetseite auf einer breiten Basis aufbauen könso zum Demonstrieren auf: „Deutsche nen. Den Wählern in MecklenburgLandsleute, der Kampf um die Parlamente Vorpommern zu zeigen, dass die Politik ist in eine entscheidende Phase getreten. der NPD nicht relativiert werden darf, Nach den Wahlen im Frühjahr diesen das muss das Ziel einer glaubwürdiJahres sollte jedem von uns klar gewor- gen Gegendemonstration sein. Friedlich, den sein, daß man Siege nicht geschenkt aber entschlossen. Tolerant, aber nicht bekommt.Vor dem Sieg steht der Kampf! leichtgläubig. Wir alle müssen nun diesen politischen Fahr gemeinsam mit Deinen Freunden Kampf in Mecklenburg-Vorpommern und uns am 1. Mai nach Rostock, damit und überall aufnehmen.“ die NPD einen möglichst schlechten Man ziehe einmal in Betracht, dass Auftakt für ihren Wahlkampf bekommt. es mehrere Parteimitglieder der Denke nicht, dass das andere für Dich NPD vom Schlage ihres eigenen machen. Stelle Deine Meinung am 1. Mai Landesvorsitzenden, Stefan Köster, geben so dar, wie Du es für richtig hältst und dürfte. Dieser muss sich gerade wegen lasse das nicht andere für Dich tun! kos schwerer Körperverletzung vor Gericht verantworten. Weiterhin bedenke man, Mehr Infos unter: www.1mairostock.de
hochschulpolitik
Rockt nach Rostock!
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Verschleierte Enthüllung Gedanken zur Eröffnung von Rubenowplatz und Hauptgebäude Fotos: kats
schwieg sich über eine präzise Zeit aus, obwohl das lokale Tagespressemonopol seit Wochen ausführlich über den Sanierungsfortschritt und die Denkmalsgeschichte berichtete. Die OZ räumte auf Anfrage das Versäumnis ein und widersprach der moritz-Vermutung, dass der „redaktionelle Fehler“ zwischen Uni und Redaktion abgesprochen gewesen sei. Aber warum fürchtete die Uni den Ansturm von Schaulustigen? Hätten tausend zusätzliche Besucher mit ihrem Rumgetrampel die Bauarbeiten am Rubenowplatz um Monate zurückgeworfen? Oder wären nicht ausreichend BierBecherchen am Getränkestand vorhanden gewesen? Die Nicht-Informierung eines Großteils der Hochschulangehörigen konterkariert den selbstverordneten Charakter der Festivitäten zum Fünfhundertfünfzigsten, zu dem es auf der Uni-Homepage heißt: „Das Jubiläumsjahr ist ein Fest der gesamten Universität (...). Das Jubiläum soll die enge Verbundenheit der Hochschule mit der Stadt und Region sowie den dort lebenden Menschen widerspiegeln.“
universum
Pünktlich zum Vorlesungsstart, am Montag den 3. April, wurden in einer Feierstunde das sanierte Rubenowdenkmal enthüllt und das Universitätshauptgebäude in neuem Glanz übergeben. Die gärtnerischen Arbeiten an der Neugestaltung des Rubenowplatzes werden noch bis Mai dieses Jahres andauern. Bei der Einweihung des Denkmals sprachen Oberbürgermeister, Rektor und Restaurator zu den etwa 250 Anwesenden. Darunter zumeist Greifswalder Bürger und Spender für die Denkmalserneuerung. Auch der Schweriner Hofstaat war vor dem barocken Hauptgebäude mit Landesvater Harald Ringstorff und drei Ministern ausreichend repräsentiert. Mit einem Bierwagen, Big-Band und Ballons präsentierten sich Universität und Stadt wohltuend unverstaubt, eine fast gelungene Veranstaltung also. Bedauerlicherweise verzichtete die Universität auf eine Einladung ihrer Angehörigen. Auf der Homepage der Universität war die Uhrzeit der Einweihung nirgends zu finden. Nur in einer Pressemitteilung vom 16. März ließ man den genauen Termin verlauten. Die Ostsee-Zeitung aber
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Alle kamen und sahen: Landesvater Harald Ringstorff (l.), Rektor Rainer Westermann, Oberbürgermeister Arthur König (r.).
tradition
„Vom Eise befreit sind Ryck und Bäche“ Interview mit Hans Deutsch, inzwischen emeritierter Physikprofessor und „Alter Herr Mai“ im Jahr 1998 Foto: Archiv
„Die Zicke, die Zacke…“ Das Schlichte ist manchmal das Treffendste. So geht es dann auch weiter mit den kryptischen Worten: „die Hoi! Hoi! Hoi!“ aber danach, immerhin: „Greifswalder Studenten sind immer dabei.“ Diejenigen, die schon etwas länger an Ryck und Bodden weilen, wissen, was jetzt kommt: „Aber eins, aber eins, das ist gewiß: / Die Greifswalder Uni ist der letzte Schiß!“ Und diese Eingeweihten wissen auch, worum es sich bei diesen Versen handelt: Um die Schlussverse der „Heiligen Biermesse“ oder „Santa missa cerevisiae“. Sind sie nicht liebenswert und rührend, diese Verse, in ihrer Schlichtheit und ihrem Bemühen, die kleine pommersche Universität erst einmal zu schmähen und ihr gleich darauf eine Liebeserklärung zu machen (siehe unten)? So verhält es sich mit allem studentischen Brauchtum, das aus jenem Glase stammt, dessen Inhalt durch den Filter des Verbotes in der DDR gegangen ist. Mit anderen Worten: Die alten studentischen Bräuche, wie sie sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet haben, waren natürlich philiströs, chauvinistisch und reaktionär. Konsequenterweise wurden sie in der DDR denn auch verboten. Sie ließen sich aber nicht verbieten: Die erfreulichen Seiten und Bräuche des alten studentischen Lebens lebten weiter und – das ist das wichtige – sie verwandelten sich. War es früher die Organisation durch die jeweilige Verbindung gewesen, so nahm die Sache nun die FDJ in die Hand – und wir können uns fragen, ob das denn wohl besser war. Die dritte Wandlung kam in den frühen 90er Jahren, als es überhaupt niemanden mehr gab, der den Studenten sagen wollte, was sie machen und wie sie feiern sollten und wie nicht – und wieder
klärte sich der Inhalt des Glases: Das Unbrauchbare sank zu Boden, das Helle und berauschende blieb. So wurde auch weiterhin mit Kerzen und Gläsern in der Hand die Biermesse gelesen, so wurden weiter alte und neue Studentenlieder gesungen. Besonders die neuen, die mit dem Bezug auf Greifswald, sind dabei natürlich etwas Besonderes: Solche „Standortvorteile“ können andere Universitäten kaum anbieten. Wir spotten auch nicht mehr über Katholiken, wir singen nicht im Geiste der alten Verbindungen und schon gar nicht in dem der FDJ. Als der Autor dieser Zeilen nach Greifswald kam, war die Nacht zum ersten Mai noch ein wirkliches Fest: Etwa dreiviertel Zwölf versammelte man sich auf, an und unter der Rubenowbrücke, um kurz vor Mitternacht anzustimmen: „Komm lieber Mai und mache“. Dann erschien er tatsächlich: Der Alte Herr Mai, ein wohlkostümierter Professor, der die Studenten und mit ihnen den Frühling begrüßte, das Bier segnete und lauschte, wie erst „Der Mai ist gekommen“ und dann die Biermesse gesungen wurden. Dahin, dahin. Im vergangenen Jahr standen noch etwa zehn Studis dort und schauten traurig in ihre Gläser. In der Hoffnung, dass wir in diesem Jahr den Alten Herrn (die Weise Frau?) Mai wieder würdig begrüssen können, wollen wir uns den Schluss der Biermesse in Erinnerung rufen: „Aber eins, aber eins, das bleibt bestehn: / Die Greifswalder Uni wird nie untergehn.“ Mischa W. Weggen, Karen Flügge
moritz: Wer hat Sie überredet, das Foto: privat Kostüm des „alten Herrn Mai“ anzuziehen? Prof. Hans Deutsch: Meine Studenten. Ich war total überrascht, als ich gefragt wurde. Ich war natürlich gerne für jeden Ulk zu haben – wohl auch weil ich gebürtiger Greifswalder bin und der Stadt die ganzen Jahre treu geblieben bin. Nun besteht das traditionelle Maisingen aus einem Pflichtteil... Dem Ritual auf der Rubenowbrücke um 0.00 Uhr am 1. Mai. Die Corona fand sich mit ihrem Bierwägelchen zusammen, ich trug die „Rede des Mai“ vor, wir sangen, ich stach zu guter Letzt das Bierfäßchen an und wir zelebrierten die Biermesse. ... und einem Kürteil. Den wir dann alle gemeinsam in einer geräumigen Studentenbude gefeiert haben. Ich habe zur allgemeinen Belustigung aus einem Buch von Ivar Seth aus dem Jahre 1956 zitiert, der eine „Evaluation“ der Greifswalder Uni im Auftrag des schwedischen Königs schildert. Und ich habe mehrere Professorenwitze erzählt. Zum Beispiel? Wer waren die ersten Professoren auf der Welt? Die heiligen drei Könige! So steht schon in der Bibel: Sie erhielten einen Ruf, kleideten sich in kostbare Gewänder, verteilten die Lasten auf die Esel und begaben sich auf Reisen. Interview: Ulrich Kötter Übrigens: Pünktlich zum 1. Mai gibt‘s eine Neuauflage des Blauen Würgers für rund 2 Euro im Mensaclub. Außerdem wird im AStABüro die CD „Die Zicke, die Zacke...“ mit dem Greifswalder Alumnichor aus dem Jahr 1996 feilgeboten. Zu hören sind gleich mehrere der speziell Greifswalder Studentenlieder. uli
universum
1999 mimte Politikprofessor Walter Rothholz (r.) den „Alten Herrn Mai“.
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forschung
Greifswald – Brennpunkt der Forschung? Das Biotechnikum blickt in eine rosige Zukunft
universum
Wer Greifswald nur als ein kleines historisches Hansestädchen beschreibt, der hat die Stadt lange nicht mehr besucht. In den letzten Jahren mauserte sich Greifswald zu einem Anlaufpunkt, nicht nur für Touristen, sondern immer mehr auch für Forscher und Wissenschaftler. Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist das Biotechnikum. Wer die WaltherRathenau-Straße entlangläuft, steht einem Bau aus Glas und Metall gegenüber, der an Ausstattung und Modernität kaum zu übertreffen ist. „Wir sehen uns als eine Art Pfadfinder der Wirtschaft, indem wir Firmen und Jungunternehmern Wege bereiten, hier in Mecklenburg Vorpommern forschend tätig zu werden“, erklärt Heinrich Cuypers, Projektmanager im Bioconvalley, einem Unterzweig des Zentrums. Im Dezember 1996 wurde das branchenspezifische Gründer- und Technologiezentrum eröffnet und vermietet seitdem erfolgreich Büro-, Laboraber auch Seminarräume. „Mittlerweile gibt es das Biotechnikum seit zehn Jahren, das Bioconvalley seit fünf und wir beschäftigen rund 2.100 Mitarbeiter“, berichtet Cuypers und verweist stolz auf einen Anstieg von 11 Prozent bei der Mitarbeiterzahl seit 2003. Mit der stetig steigenden Zahl der Studenten in Greifswald sprachen sich die hervorragenden Möglichkeiten zur naturwissenschaftlichen Forschung
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deutschlandweit herum. Nicht nur Rentiert sich denn so ein kostenintenStudenten profitieren von dem sives Unternehmen? „Auch wenn wir Biotechnikum. Jedes Jahr werden für den Aufbau von Firmen und zur Lehrstellen auf den verschiedensten Realisierung von Forschungsprojekten Gebieten angeboten. Wer Lust hat, ein- eine Menge investieren müssen, renmal in die Welt der naturwissenschaftli- tiert es sich jedoch in hohem Maße“, chen Forschung hinein zu schnuppern, rechnet Cuypers vor, „betrachtet kann dies zu bestimmten Terminen tun, man die Entwicklung eines einzigen die im Internet angekündigt werden und Medikamentes, so ist bei weltweitem jedem die Möglichkeit geben, die offenen Erfolg mit einem Umsatz von rund 30 Türen zu nutzen. Millionen Euro zu rechnen.“ Das Biotechnikum knüpfte in den vergangenen 10 Jahren viele Kontakte. „Mittlerweile können wir ohne Übertreibung von weltweiten Partnerschaften sprechen,“ sagt Heinrich Cuypers, „um nur ein paar zu nennen: Das Biotechnikum arbeitet zusammen mit dem Krupp Wissenschaftskolleg, dem Katsch-Institut in Karlsburg oder der Scan Balt Initiative in Kopenhagen.“ Auch die Foto: jes Finanzen sind gesichtert. Das Biotechnikum. „Unterstützung bekommen wir durch die Bürgschaftsbank Solche Aussichten versprechen dem Mecklenburg-Vorpommern und die Biotechnikum eine weiterhin erfolgreiBusiness-Angels-Nord“, erklärt Cuypers, che Zukunft. In den nächsten Jahren „jedoch liegt das Hauptsponsoring bei strebt das Biotechnikum eine intensiveder EU und beim Bund, was in Zahlen re Zusammenarbeit mit ausländischen ungefähr fünf bis zehn Millionen jährlich Unternehmen, die weitere Förderung bedeutet.“ junger Firmengründer und vor allem die Unterstützung der Jugend auf dem Gebiet der Naturwissenschaft an, was sich in einer Universitätsstadt geradezu anbietet. Heinrich Cuypers gewährt einen Blick in die nahe Zukunft: „Wir knüpfen gerade Kontakte mit einem großen Münchener Softwareunternehmen, das in unserer Hansestadt tätig werden will. Außerdem erwartet uns die Zusammenarbeit mit einem Pharmaziekonzern aus dem Rheinland, der in seiner medikamentösen Entwicklung und Forschung auf Greifswald vertraut.“ Greifswald braucht sich nicht mehr als Forschungsmekka beweisen, sondern es ist bereits fest in der Welt etabliert. Jetzt geht es darum, diesen hervorragenden Ruf aufrecht zu erhalten. jes Das Biotechnikum im Internet: www.biotechnikum.de
praktikum
Alternative Wege Praktikum beim „Alternativen Nobelpreis“ „Nästa Slussen.Tänk på avstandet mellan vagn och plattform, när du stiger av.” Die Türen der Stockholmer U-Bahn öffnen sich, und ich ströme mit der Menschenmasse in Richtung Götgatan und zum Büro des Alternativen Nobelpreises, bei dem ich ein Praktikum absolviere. Es ist Dienstag Morgen, ein gewöhnlicher Arbeitstag. Im Büro treffe ich auf Kerstin und Kajsa. Wir trinken erstmal einen Kaffee, bei dem wir die Post durchgehen und die Aufgaben des Tages besprechen. Seit ein paar Wochen arbeite ich an der Überarbeitung und Distribution der ins Spanische übersetzten Version von ”Pioneers of peace”,einer Schulbroschüre, die einige Preisträger des Alternativen Nobelpreises und deren Arbeit vorstellt. Eine spannende Aufgabe, zumal ich dabei selbst die Preisträger kennen lerne. Sie kommen aus unterschiedlichsten Fachbereichen, denn beim Alternativen Nobelpreis gibt es keine festgelegten Kategorien. So bekam der spanische Anwalt Juan Garcés die Auszeichnung 1999 für seinen Einsatz gegen die Straffreiheit des chilenischen Ex-Diktators Pinochet; der neuseeländische Ex-Ministerpräsident David Lange wurde 2003 für seinen Kampf gegen Nuklearwaffen ausgezeichnet und
Gush Shalom erhielten 2001 für ihren Einsatz für friedliche Lösungen im Konflikt zwischen Israel und Palästina den Preis. Der Alternative Verleihung des Alternativen Nobelpreises 1997, unter anderem an Nobelpreis, der eigent- den Greifswalder Professor Michael Succow (l.). Foto: Right Livelihood Award lich Right Livelihood Award heißt, unterstützt Personen und Organisationen, die in welchem Bereich man sich später Lösungen für zeitgenössische Probleme wieder findet. Im Bereich Presse- und auf der Welt gefunden haben. Es dürfte Öffentlichkeitsarbeit bewegen sich die unter den Greifswalder Studenten recht Aufgaben meines jetzigen Praktikums, unbekannt sein, dass sich auch an der ein Bereich, den es in nahezu jeder Universität Greifswald ein Preisträger Institution gibt. Entscheidend erscheint von nunmehr über 100 befindet: mir dabei, dass ich im Praktikum geforProf. Michael Succow vom Botanischen dert werde, und dass ich Erfahrungen Institut wurde 1997 für sein „beispiel- sammle, die mir an der Uni nicht verhaftes Engagement zum Schutz wichti- mittelt werden: Selbstständigkeit, ger Ökosysteme” geehrt. Verantwortung und Souveränität. Und was hat das Praktikum mit dei- Ende Mai werde ich in diesen Bereichen nem Studium zu tun? – wurde ich gewachsen sein, und dann kann ich gefragt. Ich habe drei Jahre lang B.A. meine Erfahrungen gleich beim nächsKunstgeschichte und Skandinavistik an ten Praktikum geltend machen: an der der Uni Greifswald studiert. Inhaltlich Deutschen Botschaft hier in Stockholm. nicht viel. Aber richtiger und wichtiger Mein Arbeitstag ist vorbei und ich bin auf erscheint mir auch die Frage: Was hat dem Heimweg. Am Medborgarplatsen mein Studium mit meinem späteren öffnen sich wieder die Türen der UBeruf zu tun? In meinem Fall wohl kaum Bahn. Ich steige aus und nehme einen etwas. Gerade in geisteswissenschaftli- der vielen sich mir eröffnenden Wege chen Fächern ist es oft unvorhersehbar, Elena Lührs
Mitunter ist es während des Studiums schwierig theoretisches Wissen zeitnah in die Praxis umzusetzen und dennoch erwarten Personalschefs bei Praktika und Bewerbungen möglichst vielfältige Praxiserfahrungen.Warum die Not nicht zur Tugend machen? Das sagten sich auch Studenten der Uni Greifswald und gründeten vor nun mehr zwei Jahren die studentische Unternehmensberatung Capufaktur e.V. Nicht ohne Stolz blicken die Mitglieder auf die ersten gemeinsamen Jahre zurück, in dem neben dem Aufbau des Vereins eine ganze Reihe erfolgreicher Projekte durchgeführt wurden. Unter anderem konzipierten die Mitglieder ein Medienportal, erstellten für das Radio 98.1 eine Höreranalyse und führten für ein Greifswalder Unternehmen eine Marktanalyse durch. Das neuste Projekt der studentischen Unternehmensberatung ist die Beratung bei der Einführung eines neuen Wiss
enschaftsmanagementsystems bei der Riemser Arzneimittel AG. Damit soll die Informationssuche nach Dokumenten und die Kommunikation zwischen den fünf Standorten in Deutschland verbessert und vereinfacht werden. Die Arbeit bei Capufaktur zeichnet sich durch einen dauerhaften Wissensaustausch zwischen der Universität und der Wirtschaft aus. Besonders die unterschiedlichen fachlichen Hintergründe der Mitglieder ermöglichen eine innovative Herangehensweise an die Beratungsgegenstände und als Kuratoren stehen den Studenten Professoren aus den Wirtschafts-, Politik- und Kommunikationswissensch aften als Kuratoren hilfreich zur Seite. Für Studentinnen und Studenten aus allen Fachrichtungen bietet sich bei Capufaktur die Möglichkeit, Wissen in die Praxis umzusetzen und berufsbezogene Zusatzqualifikationen bereits während des Studiums
zu erwerben. Neben der Praxiserfahrung bietet Capufaktur seinen Mitgliedern kontinuierliche Weiterbildung im Rahmen von Schulungen,Workshops und Trainings im Bereich Projektmanagement, Qualitätsmanagement, Rhetorik und Präsentation sowie Recht und Finanzen an. Capufaktur ist stets an neuen Mitgliedern interessiert, die bereit sind, die Idee der studentischen Unternehmensberatung engagiert zu gestalten.Wer einen Einblick in die Arbeit vom Capufaktur gewinnen und die Mitglieder kennen lernen möchte, ist am 24. April 2006 herzlich zu der Informationsveranstaltung eingeladen, die im Seminarraum 6 der Wirtschaftswissenschaften stattfindet. lil
Weitere Information sowie die Bewerbungsverfahren können unter www.capufaktur.de nachgelesen werden.
kultur
Praxis denken und erfolgreich gestalten
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auslandssemester
Das ist eben Russland Die St. Petersburg-Reportage im moritz – Teil I
universum
Auslandssemester in Russland? St. Petersburg? Ein halbes Jahr? Warum nicht. Russisch habe ich noch in der Schule gelernt und in der Uni ein Jahr lang wieder aufgefrischt, hart im Nehmen bin ich auch. Manchmal zumindestens. Also habe ich im April letzten Jahres einen Antrag für ein Auslandssemester in St. Petersburg beim Greifswalder Auslandsamt eingereicht. Nach einigem Hin und Her erhielt ich über das Partnerabkommen zwischen den Universitäten Greifswald und St. Petersburg einen Studienplatz an der Philosophischen Fakultät, um mein Politikstudium in Russland fortsetzen zu können und um meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Von Februar bis Juni 2006 erwartete mich sodann ein fremdes Land, von dem Vorurteile wie die von Wodka, Chapkas und klirrender Kälte existierten. Nach zwei Monaten St. Petersburg kann ich nun behaupten, dass diese Vorurteile gegenüber Russland bestätigt wurden, Ressentiments in geringem Umfang weiter bestehen, ich aber froh bin, Russland hautnah, sozusagen aus der Innenperspektive, erleben zu können. Meine anfangs katastrophalen Sprachkenntnisse konnte ich leicht ver-
Welbekannt: Die Eremitage.
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bessern, für die Erforschung politischer Prozesse war jedoch noch nicht ausreichend Gelegenheit.Wie auch? Nach zahlreichen bürokratischen Hindernissen, die in den ersten Wochen des Februars in Angriff genommen werden mussten,
und bestehenden Sprachbarrieren ist mir es kaum möglich, tiefer in das gesellschaftliche Leben einzutauchen. Man ist und bleibt Ausländer. Dies ist auch verständlich bei einem nur sechsmonatigen Aufenthalt in einem fremden Land. Die erste Zeit in St. Petersburg gestal-
Alltag in St. Petersburg. tete sich für eine Studentin, die vorher in „größeren“ Städten wie Greifwald gelebt hatte, sehr aufregend: schnell, laut, dreckig. Unglaublich beeindruckend. Die Stadt wirkt aus meinen Augen aufgrund der vielen aufwändig gestalteten Gebäude sehr bunt und trotz der 4,6 Millionen Einwohner auf einer Fläche von 2.000 Quadratkilometern irgendwie wie eine Puppenstadt. Außerdem denkt man doch ziemlich viel an die Daheimgebliebenen und an den Komfort, den man gewöhnlich von zu Hause kennt. Imposant gestaltet sich das Leben im russischen Wohnheim, das ich mit Auslandsstudenten aus der ganzen Welt teile. Die Zimmer erinnern an „alte Zeiten“. Die Duschen und Küchen, die jeweils von einer Etage, auf der ungefähr 50 bis 60 Studenten wohnen, genutzt werden, sind gewöhnungsbedürftig. Kakerlaken sind an der Tagesordnung. Aber na und, das ist eben Russland. Natürlich gibt es auch luxuriösere und damit auch teurere Wohnungsmöglichkeiten, aber wenn schon Russland, dann richtig. Über umgerechnet sechs Euro Miete im Monat kann man sich nicht beschweren. An der Uni besuche ich momentan vor
allem Russisch-Kurse, um mich noch besser durch das St. Petersburger Leben kämpfen zu können, obwohl viele junge Russen auch gerne mal Englisch sprechen. Mein Politikstudium rückt somit ein wenig in den Hintergrund, dafür studiere ich umso ausführlicher die inter-
Fotos: ik
nationalen Beziehungen auf praktischer Ebene. Mit der Kühle und Schärfe, die mir im Umgang mit Einheimischen zum Teil begegnete, musste ich anfangs noch lernen umzugehen. Aber dafür passieren mir positive Erlebnisse umso öfter. Die Geduld, mit der sich einige Russen mein russisches Gestotter anhören, die Hilfsbereitschaft und das große Interesse an Deutschland haben die Grobheit anderer wieder gut machen können. Da stören mich dann auch keine minus 20 Grad Celsius im Februar, ein grauer, verhangender Himmel im März und ständiger Regen im April. Das ist eben Russland. Ab und zu zeigt jetzt schon mal die Sonne ihr Gesicht und mit ihr immer öfter ein Lächeln auf den Gesichtern der Russen. Vor allem die kurzen Röcke, hochhackigen Stiefel und schicken Jäckchen, die sich junge Russinnen zum Teil schon bei diesem Wetter anziehen, beeindrucken. Ein Traum aller Männer. Denke ich, zumindestens. ik Mehr zum russischen Kleidungsstil, zum Studium an der Universität und zum „clubben“ im russischen Nachtleben erfahrt ihr in der nächsten Ausgabe des moritz!
reisen
Das Dracula-Schloss unweit von Brasov.
Foto: ilia
Die rumänische Schweiz „Warum machst Du ausgerechnet in das Panorama der Südkarpaten. Rumänien Urlaub?“ frage ich das Mädel In Kronstadt und Umgebung kommt aus den Niederlanden, die sich wie ich es öfters vor, dass man auf Menschen im Hostel von Brasov einquartiert hat. trifft, die noch die deutsche Sprache „Ich habe nur 10 Tage Ferien und woll- beherrschen. Viele stammen von deutte Skifahren und Kultur miteinander ver- schen Einwanderern ab. Sie wurden im binden. Das ist in den Alpen nicht mög- 12. Jahrhundert von der ungarischen lich... außerdem ist es hier viel billiger.“ Führungsschicht ins Land geholt, um Da hat sie wohl Recht. Brasov liegt gegen die Bedrohung der Ostvölker mit nicht nur in der rumänischen Region anzukämpfen. Und man stattete sie in Walachei, sondern auch in einem der bil- ihren bald reichen Städten mit Extraligsten Skigebiete Privilegien aus, da der Welt. Im Deutsie gute Dienste schen wird diese leisteten. schöne Stadt auch Später am Kronstadt genannt. Tag nutzte ich Unweit von der dann auch das Hauptstadt BukaHerbergsangebot, rest entfernt hat mich bequem zu sie beinahe westdem berühmtlichen Standard berüchtigten erreicht. Dracula-Schloss In meiner Unterfahren zu lassen. kunft traf ich aber Zusammen mit nicht nur auf die zwei Japanern kulturbegeisterwurden wir te Niederländerin. zu dem gar Ich konnte mich nicht düsteren auch mit Spaniern, Weltbekannter Schloßbesitzer: Vlad Tepes. Gemäuer chaufMaltesern und fiert, das unweit anderen Nationalitäten unterhalten. Und von Brasov liegt. Eingefleischte Kinofans wir waren uns alle einig, dass zehn Euro mögen nun hoffen, dass wir hier verfür eine so moderne Herberge inklusive staubte Särge und andere Hinweise auf Frühstück doch nicht sehr viel sind. Noch den angeblichen, damaligen Bewohner dazu bei so nettem Personal. Jedem entdecken konnten. Letztendlich aber Neuankömmling im Rollingstone Hostel verwies die Originalmöblierung auf ganz wurde sofort erklärt, was man in und andere Nutzer der Burg: wertvolles um Brasov erleben kann und, bei Bedarf, Inventar aus den 1920ern, die einer welche die besten Zugverbindungen für rumänischen Königin und ihren Gästen die Heimreise sind. den Aufenthalt verschönert hatten. Und so kam es, dass ich nicht nur Was aber hat es nun mit der Geschichte die wunderschöne Altstadt besichtig- auf sich, Dracula persönlich habe hier te. Mit der Seilbahn fuhr ich hoch zum gewohnt? Die Geschichte, die übriBrasover Hausberg Timpa. Neben der gens von einem Iren stammt, geht auf Stadt in Vogelperspektive bot sich hier den Fürsten der Walachei, Vlad III. Tepes
Draculea, zurück. Dieser hat im 15. Jahrhundert sein kleines Reich gegen größere und mächtigere Nachbarstaaten schützen müssen, so zum Beispiel gegen die Türken. Es ist wahr, dass er nicht zimperlich war, dass viel Blut floss und auch Zivilisten damals nicht verschont worden sind. Grausame Folter- und Hinrichtungsmethoden brachten ihm den Namen „Vlad“ (der „Pfähler“) ein. Dennoch war er für damalige Verhältnisse gar nicht übermäßig grausam und galt dazu noch als sehr gerechter Kriegsherr. Sogar der Papst war ihm wohlgesonnen – und das bei einer Quote von circa 40.000 geopferten Menschen. Zumindest von den Foltermethoden, die zur Zeit des Fürsten üblich waren, konnten wir uns nach dem Besuch des Schlosses ein Bild machen. Unser Fahrer ließ uns auf dem Rückweg bei der Zitadelle Rasnov/Rosenau aussteigen. Hier waren Skizzen der grausamsten Hinrichtungsarten ausgestellt. Schon mal von einer Säge zerteilt worden? Dennoch, Rumänien hat nicht nur erschreckende Prominente vorzuweisen. Der Komponist und Dirigent George Enescu ist hier geboren, der Philosoph Mircea Eliade, der Maler Constantin Brâncusi, einer der wichtigsten Vertreter der modernen Kunst. So hatte ich mir Rumänien nicht vorgestellt und auch der Zug, mit dem ich anreiste, ließ so etwas nicht erwarten. Ich hätte jederzeit aussteigen können, wenn es mir gefallen hätte. Denn wenn in Rumänien Zugtüren kaputt sind, werden sie nicht etwa repariert, sondern bleiben eben offen. Bei voller Fahrt und winterlichen Temperaturen war ich doch froh, dass wenigstens die Abteile verschließbar waren. Ich wollte ja mein traumhaft schönes Ziel erreichen. ilia
universum
Ein Besuch in der Dracula-Stadt Brasov
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tanzen
Tango Argentino
universum
Die eindrucksvolle Geschichte eines erotischen Tanzes
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Frauenmangel, Armut und eine Vielzahl europäischer Immigranten in den Bordellen von Buenos Aires schufen im vorigen Jahrhundert den gegenwärtigen Liebling deutscher Tanzschüler: den Tango Argentino. Die Melodien ziehen bedächtig durch den Raum, kriechen zögerlich über den Parkettboden. Die Klänge nge dehnen sich langsam aus, schleppend umhüllen üllen sie die Tänzer. nzer. Es finden sich nur wenige Abschnitte mit schnellen Tonfolgen. Immer kehrt der Rhythmus zur Klage, zum Leiden zurück. ck. Andere nennen es Leidenschaft oder Erotik. Diese Musik will nicht schnell sein, der Tango Argentino hat keine Eile. Die Musik verlangt einen subtilen Tanz: einfühlsam hlsam einerseits, aber auch vehement und kraftvoll. Tango Argentino ist getanzter Gegensatz – er ist immer die Auseinandersetzung zwischen Mann und Frau. Der argentinische Volksmund nennt ihn „getanztes Argument“. Als Tanzschüler ler erreiche ich nicht die Eleganz der Musik. Auch nach drei Monaten bewege ich mich noch unsicher und unbeholfen. Ich bin in einem Stadium angekommen, in dem der Grundschritt automatisch funktioniert. Ich muss nicht mehr das eine Bein bewusst vor das andere setzen. Leider kann ich mich an viele der anderen Tanzschritte nicht erinnern. Meiner Tanzpartnerin geht es ähnlich. Drei Monate Kurs heißtt zwölf Unterrichtseinheiten und zahlreiche Schrittfolgen. Fürr uns zu viele. Wir haben die meisten schlichtweg vergessen. So bleibt unser Tanz eine Mischung aus einem sich ständig wiederholendem, aber immer besser werdenden Grundschritt und dem Versuch, die vergessenen Schrittfolgen zu reanimieren. Aber da sind wir nicht die einzigen. Auch die anderen Paare kämpfen mit der Vielzahl an Schrittfolgen und der Flüssigkeit ihrer Bewegungen. Da wir acht Paare uns nun seit eben drei Monaten kennen, sind aber wenigstens Scham und Unsicherheit verschwunden. Es ist mir nicht mehr peinlich, wenn ich den Zusammenstoß meiner Tanzpartnerinnen mit einem anderen Tänzer nicht mehr verhin-
dern kann. Es mag zu oft passiert sein. Diese Gelassenheit erlaubt uns die ernsthaften Versuche, die Musik in unseren Tanz einzubeziehen, der Melodie des Bandonéons zu folgen. Das Bandonéon beherrscht den argentinischen Tango. Es ist ein Akkordeon, dessen Name zwar niemand kennt, aber dessen Klang
man sofort mit argentinischem Tango in Verbindung bringen wird. Erfunden wurde es 1856 von Heinrich Band, einem Krefelder. Er war einer der sechs Millionen Einwanderer, die zwischen 1880 und 1930 nach Südamerika immigrierten, den Verheißungen der dortigen Regierungen folgend. Diese hatten ein Einwanderungsprogramm gestartet und erhofften sich durch europäische Fachkräfte eine Belebung der einheimischen Wirtschaft. Doch anstatt Ingenieuren und Akademikern kamen die europäischen Armen
und Ungebildeten. Über die Hälfte der Immigranten waren Italiener und Spanier, und über zwei Drittel waren Männer. Sie fanden weder Glück noch Reichtum. Es gab für sie kein Land, keine Arbeit – und kaum heiratsfähige Frauen. Im Hafen von Buenos Aires begann die Blütezeit der Bordelle. Das ist der Boden auf dem sich die Legenden um die Entstehung des Tango Argentinos ranken. Die Legende der gelangweilten Männer, M die miteinander zu tanzen begannen, um sich die Wartezeit in den Freudenh Freudenhäusern zu verkürzen. Oder die Legende der wenigen Huren, die zwischen ihren vielen Freiern die reichsten ausw auswählen wollten. Dafür Daf erfanden sie Bewegungen, mit denen sie unbemerkt nach Münzen in der Kleidung ihrer Tanzpartner suchen konnten. Oder aber die Legende von den Zuhältern, die ihre Huren nötigten, den Tango zu tanzen um so ihre eigenen Preise in die Höhe zu treiben. Diese Legende erHö zählt von der Abhängigkeit, Abh in der sich die Frauen befanden. Sie spricht aber auch von der Macht, die die Huren gewannen, als Sex zur Mangelware und Tango zur getanzten W Währung wurde. Es gibt im Tango Argentino keine Emanzipation der Frau. Ich als der Mann bestimme die Schrittkombinationen. Ich muss der Macho sein. Meine Tanzpartnerin kkönnte auch ihre Augen schließen. Sie muss nur auf meine Impulse reagieren, kann den Kontrollverslust wagen. Nur ffühle ich mich nicht als der Macho, der seine Partnerin in allen HöH henlagen der Musik souverän souver zu besiegen weiß. wei Zu halbbewussten Schrittfolgen gesellt sich die Unkenntnis vom eigenen Schwerpunkt. Irgendwo zwischen Scheitel und Zehen soll er liegen. Wer ihn nicht hat, kann schwerlich den Macho spielen. Darum gehe ich es langsam an. Zu groß das Risiko, meine Tanzpartnerin auf mich fallen zu sehen, nachdem ich vergessen habe, mich vor der neuen Schrittfolge meines Schwerpunktes zu vergewissern. Daher nehme ich mich zurück. Ich lasse mir Zeit für diesen subtilen Tanz, bleibe einfühlsam und übe das Vehemente, das Kraftvolle: den Tango Argentino. Matthias Stamm
hochschulsport
Die Uniliga Volleyball WS 05/06 In der Volleyball-Uniliga gab es zu Beginn des Wintersemesters 05/06 gleich mehrere Favoriten und obwohl es sich um ein Freizeitturnier handelt, war der Ehrgeiz einiger Mannschaften wie immer sehr stark. Schon nach wenigen Spieltagen zeigte sich, dass der Titelverteidiger DespeFotos: privat
rados die Form des vergangenen Semesters nicht sofort zu Saisonbeginn hatte finden können. Ähnlich erging es den Tittytwistern, die trotz kämpferisch starker Leistung diesmal knapp an den Medaillenplätzen vorbeirutschten. Für Überraschungen sorgten „Die Anderen“, die in der Zusammensetzung Uniliga-Neulinge waren und sich trotzdem eindrucksvoll den dritten Platz erspielen konnten. Die Zweitplatzierten des Sommersemesters, das Team „Hart & Dreckig“, waren hochmotiviert gestartet und selbst ein Satzgewinn schien gegen die Mannschaft um Michael Scheibner unmöglich. Zwar mussten sie gegen die Desperados einen Satz abgeben, doch
3.Platz: Die Anderen.
2.Platz: Desperados.
Die Universität zieht an Am 17. Oktober 1456 wurde unsere Alma Mater Gryphiswaldensis mit päpstlicher Genehmigung durch Herzog Wratislaw IX. von Pommern-Wolgast feierlich eröffnet. In diesem Jahr erreicht sie das stattliche Alter von 550 Jahren, und es wird gefeiert. Die Freude darüber und die Anziehungskraft der Universität werden nicht durch die Tatsache gemindert, dass diesmal keine so hohe Genehmigung eingeholt werden musste. Für das runde Jubiläum wurde von den Studierenden des Caspar-David-Friedrich-Instituts Katja Kottwitz und Norman Gensel das Logo Wi55en l0ckt. entwickelt. Damit präsentiert sich die Universität selbstbewusst und modern, weil sie als Dame kein Geheimnis aus Ihrem Alter macht und auf eines der essentiellen Dinge im Leben
hinweist – das Wissen. Aber auch weil sie eine neue Tradition ins Leben gerufen hat: sie bietet jedem die Gelegenheit, seine Verbundenheit zur Universität und der Gemeinschaft zu demonstrieren und den Auftritt der Universität in der Öffentlichkeit zu stärken. Es geht aber auch darum, dass jeder, der Greifswald oder die Universität verlässt oder schon früher verlassen hat, ein Stück Erinnerung mitnehmen kann. Das macht die Wi55en l0ckt.-Kollektion möglich, und sie ist nur der Anfang. Kollektionen mit dem Universitätssiegel werden nach dem Jubiläumsjahr folgen. Die dafür ins Leben gerufene EMAUS GmbH übernimmt die Produktion und den Vertrieb, und die erwirtschafteten Überschüsse werden der Universität zugute kommen
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– ein weiterer positiver Effekt. Das Angebot im Uni-Laden (Baderstraße 1, Ecke Fischmarkt) reicht von den limitierten Gedenkmedaillen zum Universitätsjubiläum und historischen Landkarten über T-Shirts in diversen Schnitten und Farben bis hin zu Tassen, Schreibutensilien und diversen Accessoires. Und das sind nur einige Beispiele. Weitere Produkte sind in der Produktions-, Entstehungs- oder Planungsphase. Von der Güte und der Vielfalt des Angebots kann sich jeder direkt im Uni-Laden oder auf der Website zum Jubiläum www.wissen-lockt.de überzeugen und dem Link zur Kollektion folgen. Neben den Fotos der Kollektion sind dort weitere nützliche Informationen verfügbar – von Öffnungszeiten des UniLadens bis Hinweisen zu den weiteren Verkaufsstellen und Ansprechpartnern. Ein Blick auf die Kollektion lohnt sich auf jeden Fall.
universum
1. Platz: Hart & Dreckig.
blieb dies ein Einzelfall, so dass bereits am vorletzten Spieltag der Sieger dieser Saison feststand. Obwohl fast keine Mannschaft von Verletzungen verschont blieb, fand jeder am letzten Spieltag einen Grund zum Feiern und so wurde traditionell mit mindestens einer Flasche Sekt pro Team die insgesamt erfolgreiche Saison abgeAnja Laurich schlossen.
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filmfest
Zufällig schwanger Impressionen der 56. Berlinale
kultur
Das Mikrophon wird zu mir durchgereicht. Die einzige Fernsehkamera, die nicht auf das Podium ausgerichtet ist, hat mich fokussiert. „Next question on the right side, please.” Der Moderator verweist auf mich.
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„Arvid Hansmann from the students magazine of the university of Greifswald – the town of Caspar David Friedrich … I have a more personal question to Natalie: In many of your films you have played pregnant characters, or young mothers, like in this one with this ‘WalMart-baby’ [Mir fiel in dem Moment “Where your heart is” nicht ein.], or this tragic widow in “Cold Mountain” and especially in “Star Wars” … Can you say something about choosing of such roles?” Unruhe breitet sich unter den circa 150 internationalen Journalisten aus. Und auch die Angesprochene reagiert zunächst etwas verwirrt; hatte sie sich doch auf Fragen zu Terrorismus und der möglichen Rechtfertigung von Gewalt eingestellt oder zum leidvoll inszenierten Verlust ihrer dunklen Locken. Nun saß diese zierliche Person bei der Pressekonferenz zu „V for Vendetta“ im Hyatt-Hotel zwischen sechs Herrn vor dem „Auge der Welt“ und sollte Auskunft zu einem Thema geben, das weiblicher nicht sein konnte. „I have surprisingly played many pregnant characters, which is funny. The babies they cast were actually bigger than I am… [allgemeines Lachen] But, ehm … I don’t know … it’s sort of a coincidence … but I don’t have a baby in this one … eh, ya. [erneut ein etwas verlegenes Lächeln].“ Die beiden Damen von „La Stampa Italiano“ in der Reihe vor mir hatten ihren Lachkrampf über diese scheinbar „blöde Frage“ noch nicht in den Griff bekommen als es im nächs-
Heath Ledgers Filmpartnerin in „Candy“: Abbie Cornish.
berto Benigni.
ergiebündel: Ro Italienisches En
Elementarteilchen-Brüder: Moritz Bleibtreu und Christian Ulmen.
Fotos: aha
Hugo Weaving (alias „V“) und Natalie Portman.
ten Kommentar bereits wieder um „den ganzen Tag ins Kino gehen zu Terrorismus ging. können“, musste man sich bald einMöglich war mir dieser investigative gestehen, dass viel mehr als zwei bis Auftritt allein dadurch geworden, dass drei Filme nicht drin waren. Zwar ist ich im Besitz der lange ersehnten offizi- es möglich, beispielsweise in einer halellen Presseakkreditierung war. Dieses ben Stunde vom Potsdamer Platz zur bunte Schildchen, dass man umgehängt Schönhauser Allee zu gelangen, aber bekam, ließ einen die hier präsente wenn man mit leerem Magen in der „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ erstmals zweiten Reihe nicht mehr als einen aus der anderen Perspektive sehen. psychedelischen Bilderrausch wahrZwar war ich mit meinem roten Schild nimmt, macht es wenig Sinn, hinterher offiziell „nur“ als „schreibende Presse“ die ästhetischen und dramaturgischen ausgewiesen, jedoch konnte ich damit Erklärungen des Regisseurs verstehen die Schlangen vor den Ticket-Schaltern zu wollen. in den Potsdamer-Platz-Arkaden igno- Ebenso konnte es einem passieren, rieren und mich entweder gleich in dass man nach einem kurzen Blick ins den „Berlinale Palast“ begeben, oder Programm einen französischen Beitrag im Hyatt an einem separaten Schalter über „das sexuelle Erwachen der 17eine theoretisch personengebundene jährigen Camille in einer Ferienkolonie“ Freikarte erhalten. erwartete und sich aber stattdessen in Hier im Hyatt war das offi- einem Film über eine schwule isländizelle Pressezentrum unterge- sche Fußballmannschaft wiederfand, da bracht. Das Gewühl aus aufgetakel- auch die Kontrolleure nicht checkten, ten Moderatorinnen, denen schlam- ob das die Karte vom Vortag war – da pig trottend die Kameramänner folg- musste man dann halt durch. ten, das babylonische Sprachgewirr Dennoch habe ich, im nachhinein der Journalisten, die sich mit betrachtet, in diesen zehn Tagen mehr einem überteuerten Drink oder Filme gesehen, als das wohl im Rest des den Gratis-Wasserflaschen – in Jahres der Fall sein wird. Geschmacksrichtungen wie „Birne- Insgesamt hat die 56. Berlinale wieder Kaktusfeige“ oder „Walderdbeere- einmal gezeigt, dass der immer etwas Pfeffer“ – im Foyer in einen Sessel konstruiert wirkende „Star-Aufmarsch“ gefläzt hatten, die immer etwas „dumm harmonisch mit der Vielzahl der natioin der Ecke stehenden“ Service- nalen und internationalen Beiträge einLeute – all dies bildete die zentra- herging, die hier oft eine einzigartile Plattform für mich, um mit meinem ge Publikumsresonanz fanden. Auch „Wir-sind-die-Uni“ T-Shirt und einem wenn die „Normalsterblichen“ hier „Wi55en-l0ckt“-Umhänger geschäf- im wahrsten Sinne des Wortes „die tig wirkend vom Konferenzraum zum schlechteren Karten“ hatten, ist dieInternet-Pool zu pendeln, oder mir ses Filmfest ein aktiver Bestandteil der die fesche Umhängetasche mit aller- Berliner Großstadtkultur. lei Prospektmaterial vollzustopfen. Als ich am Sonntag nach der Letzteres konnte man in verschärfter Preisverleihung den Berlinalepalast verWeise im Martin-Gropius-Bau tun, der ließ und noch über die lebensbejahende die internationale Filmmesse beher- Aura nachdachte, die Roberto Benigni bergte, die noch mal eine Welt für sich darstellte und den Eindruck machte, als ob die „Show dort draußen“ nur Beiwerk für die Geschäfte waren, die hier abgeschlossen wurden. Das Spektrum der Filme war wie jedes Jahr so komplex, dass es einem nur punktuell möglich war, Einblicke zu bekommen. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, möglichst aus allen Kategorien, wie dem „Panorama“ oder der „Perspektive Deutsches Kino“, eine Auswahl zu treffen, war der offizielle „Wettbewerb“, oft aus logistischen und repräsentativen Gründen mein Sympathischer als Philipp Seymour Hoffman: Hauptanlaufspunkt. Auch Heath Ledger. wenn man meinte, nun
kultur
filmfest
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(fest)spiele
Mitspielen erwünscht! Go-Gruppe trainiert dienstags im Café Koeppen Go ist der älteste nachweisbare Denksport der Welt. Das aus China stammende Brettspiel für zwei Personen erfreut sich in Greifswald einer wachsenden Beliebtheit. Jeden Dienstag treffen sich die Spieler im Café Koeppen in der Bahnhofsstraße 4/5 und wetteifern im Setzen ihrer linsenförmigen schwarzen und weißen Steine um Gebiete auf dem Spielfeld. Vor fast zwei Jahren fanden sich die ersten für eine Partie zusammen. Carsten Herrmann gehört zu den Gründern der Greifswalder Go-Gruppe. „Von Hause aus bin ich Schachspieler, doch irgendwann lernte ich die Regeln und hatte vorerst niemanden zum Spielen“, sagte der Psychologiestudent. Im Internet fand er dann weitere Go-Interessierte in Stralsund und Rostock. Mit der Zeit wuchs die Spielgemeinde bis auf mittlerweile sieben bis acht feste
Spieler. Zu Hochzeiten werden es schon einmal 12 bis 14 Leute. Für den GoAbend fahren einige mit dem Auto bis
zu eine Stunde nach Greifswald. „Das Spiel lebt von den Leuten“, sagt Carsten
Herrmann. „Es ist einfaches Gespräch mit klaren und leichten Regeln.“ Anders als beim Schach steht nicht der Sieg eines Spielpartners über den anderen im Mittelpunkt, sondern die geistige Herausforderung an sich. Denn bei Go genügt die Strategie allein nicht. Das in Ostasien mit dem Fußball hierzulande in seiner Popularität vergleichbare Brettspiel schult neben Konzentration und Kreativität auch die Persönlichkeit. Zwar sind die Regeln innerhalb einer Stunde erlernbar, doch entdeckt jeder rasch die enge Verbundenheit mit der ostasiatischen Kultur. Wer Lust bekommen hat, der kann immer dienstags ab 19.30 Uhr entweder mitmachen oder einfach reinschauen und zusehen. Erklärt wird auf jeden Fall gern. ur
Professor Walter Baumgartner (r.) und sein Team organisieren den Nordischen Klang. Foto: so
Es ist soweit. Der Nordische Klang ruft.Vom 4. bis zum 13. Mai präsentiert das alljährliche Festival für Kultur aus Nordeuropa und dem Ostseeraum in über 50 Programmpunkten verschiedenste kulturelle Leckerbissen, diesmal unter der Schirmherrschaft von Schweden. Zahlreiche Konzerte finden sich neben Ausstellungen, Lesungen, Theater-, Tanz- und Filmaufführungen sowie einem wissenschaftlichem Programm. Passend zu seinem 100. Jubiläum steht der norwegische Dramatiker Henrik Ibsen im Mittelpunkt eines ihm gewidmeten Sympo-siums. Eine Debatte über Religionen, Kirche und Gesellschaft zeigt, wie aktuell der dänische Karikaturenstreit die Chancen einer multikulturellen Gesellschaft in (Nord-)Europa beeinflusst. Ganz traditionell wird am 5. Mai im Foyer des Theater Vorpommerns um 18 Uhr eröffnet. Mehr Infos finden sich unter www.nordischerklang.de. ur
kultur
Klingt nordisch
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kino
Differenziert und respektvoll 1984. Ostberlin. Der erfolgreiche Schriftsteller Georg Dreyman gerät unter staatlichen Verdacht. Den gegen ihn eingeleiteten „operativen Vorgang“ leitet der pedantische Hauptmann des Ministeriums für Staatssicherheit, Gerd Wiesler. Der Fall scheint einfach zu sein: Wohnung verwanzen, Nachbarn einschüchtern, observieren. Doch außer einigen gelesenen Ausgaben der FAZ und des SPIEGEL finden sich keine weiteren Beweisstücke, die den Verdacht erhärten, der Nationalpreisträger zweiter Klasse und enger Freund der Frau des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker hätte sich etwas zu Schulden kommen lassen. Ein unbekanntes Autokennzeichen allerdings lässt rasch deutlich werden, welche privaten Interessen hinter dem
„Mein Papa hat gesagt, du bist bei der Stasi.“ – Ulrich Mühe als Hauptmann Gerd Wiesler in „Das Leben der Anderen“. Foto: Buena Vista International Germany offiziellen Anliegen stehen. Zudem verändert sich Wiesler während des Falls. Das Leben Georg Dreymans mit seiner schönen Christa-Maria Sieland führt ihm vor Augen, was aus der sozialistischen Idee in der DDR real geworden ist. Wiesler muss Position beziehen. Als Mensch. Für ein Langfilmdebüt hätte sich Florian Henckel von Donnersmarck einen vergleichsweise einfacheren Stoff wählen können. Denn was gibt es bitte
Dieser Sommer ist für Jack und Ennis unvergeßlich. Ihre Wege trennen sich jedoch, sie heiraten, werden Väter. Auch beruflich unterscheidet sich ihr Werdegang. Jack wird ein erfolgreicher Landmaschinenverkäufer, Ennis schlägt sich als Cowboy so über die Runden. Über die nächsten zwanzig Jahre verabreden sich beide regelmäßig zum Angeln – so jedenfalls die offizielle Version. In Wahrheit leben beide während des Zusammenseins ihre tiefliegenden und verdrängten Gefühle zueinander aus. Außerhalb des Refugiums Brokeback Mountain ist dieses nicht möglich – die gesellschaftlichen Sanktionen werden gefürchtet. Ein Western – nein, ein postmoderner Western ist Ang Lees „Brokeback Mountain“. Die Emotionen zwischen „wahren“ Männern, den Cowboys wird entgegen gängigen Klischees dargestellt.Was zum der Verdienst der hervorragenden Darsteller gehört. Dem Film gelingt es auf geniale Weise, verschiedenartige zwischenmenschliche Beziehungen darzustellen – durch Zwang, durch Lust und durch Liebe werden diese beschrieben. Welches biologische Geschlecht die Partner dabei haben ist egal. Denn „sex“ hat keinen Einfluß auf die Liebe. bb
Finden in der Wildnis zueinander: Jack (Jake Gyllenhall) und und Ennis (Heath Ledger).
Foto: TOBIS Film
kultur
Prädikat: Oscarprämiert!
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Nein, ein überstrapaziertes Wort zur Beschreibung dieses Films bleibt ungenannt. Notwendiger erscheint zu erwähnen, dass dem taiwanesischen Regisseur Ang Lee ein Kinofilm mit universal verständlicher Geschichte, großartigen Landschaftsaufnahmen und einer der emotionalsten Liebesbeziehungen der Filmgeschichte gelungen ist. „Brokeback Mountain“ basiert auf einer Kurzgeschichte von Annie Proulx: Zwei junge Männer – Jack Twist (gespielt von Donnie Darko-Darsteller Jake Gyllenhall) und Ennis del Mar (dargestellt vom Australier Heath Ledger) – verdienen sich im Sommer 1962 Geld als Schafhirten auf dem Brokeback Mountain. Nach kurzer Zeit verändert sich die bisher berufliche Beziehung zu einer sehr emotionalen und partnerschaftlichen. Die verlangte Arbeit wird erbracht, doch vor allem genießen die beide Männer die gemeinsame Zeit.
nach Goodbye Lenin, Sonnenallee oder NVA noch über die ehemalige DDR im Bereich des Films noch zu sagen? Kommt nicht das Drama mit dem brisanten politischen Hintergrund nicht etwas spät? Nein, im Gegenteil! Dank intensiver Recherche, dem Dreh an möglichst vielen Originalschauplätzen – unter anderem im ehemaligen StasiHauptquartier Normannenstraße – und handverlesenen Schauspielern ermöglicht Florian Henckel von Donnersmarck endlich eine differenzierte und respektvolle Auseinandersetzung mit jüngster deutscher Geschichte für ein gesamtbundesdeutsches Publikum. Das gleichnamig publizierte Drehbuch darf zur Zeit wegen einer einstweiligen Verfügung nicht weiter verkauft werden. Es öffnet aber das Verständnis für die Filmidee und den Versuch, die DDR-Realität einzufangen. Doch ist „Das Leben der Anderen“ nur noch Unterhaltung, wenn darin ein guter Mensch zu Tränen rührt? ur
dvd
Das Wandelnde Schloss Hayao wer? Der japanische Animationskünstler Hayao Miyazaki gewinnt nun schon seit Jahren auch außerhalb seines Heimatlandes die verdiente Anerkennung und Aufmerksamkeit. In Deutschland ist der Regisseur vor allem durch die beiden Filme „Prinzessin Mononoke“ und „Chihiros Reise ins Zauberland“ bekannt. Beide sind schon auf DVD erhältlich, die älteren Werke Miyazakis folgen, und nun ist auch dessen letzter Streich auf DVD zu haben: „Das wandelnde Schloss“. Basierend auf dem Kinderbuch der britischen Autorin Diana Wynn Jones erzählt der Japaner erstmals eine von japanischen Mythen losgelöste Geschichte. Protagonist ist wie schon in seinen früheren Werken eine junge Frau: Sophie ist Hutmacherin, begegnet dem Zauberer Hauro und wird von einer Hexe mit einem Fluch belegt. Von nun an ist Sophie als 90 Jahre alte Frau in der Welt unterwegs. Ihr Ziel ist natürlich die Aufhebung des Fluchs. Dies kann nur im Niemandsland geschehen. Sophie wird auf ihrem Weg dorthin von einer Vogelscheuche begleitet und trifft auf ein sonderbares, bewegliches Haus und dessen Bewohner, einen kleinem Junge und einen Feuerdämon. Der Besitzer des Hauses ist Sophie schon bekannt. Es gehört dem Zauberer Hauro. Das Haus ist verhext und ermöglicht es sehr schnell in verschiedenen Städten der Welt zu sein. Sophie erfährt so von einem anstehenden Krieg zwischen verschiedenen Königreichen. Hauros Fähigkeiten als Zauberer werden vom König einer der Kriegparteien benötigt. Sophie soll in der Rolle der Mutter des Magiers vor den König treten und diesem vom Frieden überzeugen. Wie der Alterszauber aufgehoben wird, welche Abenteuer bestanden werden müssen und wie durch die Gefühle der Liebe die Geschichte ein gutes Ende nimmt, ist nicht nur für junge Menschen interessant. Miyazakis Werk ist trotz einer niedrigen Altersfreigabe gefährlicher und angsteinflößender als man denkt. Nach dem Konsum des Animes – die deutsche Synchronisation und die japanische Originalfassung sind anwählbar – ermöglicht die ZusatzDVD einen Blick hinter die Kulissen der Produktion dieses Kinofilms. Storyboard-Zeichnungen des kompletten Films und ein Interview mit der Autorin der Vorlage und das Zusammentreffen zwischen Regisseur Miyazaki und Pixar-Gründer John Lasseter lassen den Kauf lohnend erscheinen. bb
Hochzeit mit Hindernissen Tim Burton’s Corpse Bride Eigentlich sollte die Hochzeit mit der schönen Victoria Everglot der schönste Tag im Leben des schüchternen Victor Van Dort werden. Doch als dieser sich versehentlich bei einer ungestörten Hochzeitsprobe in einem abgelegen Wäldchen mit einer Leiche vermählt und in die Welt der Toten gezogen wird, kommt alles anders. Im Totenland der Leichenbraut Emily begegnet ihm fortan ein buntes Leben mit viel Gesang und unerwarteter Frische. Die graue viktorianische Tristesse der Gegenwart wirkt dagegen eher fad und langweilig, wäre da nicht die schöne und liebevolle Victoria, in die sich Victor verliebt hat. Hin und her gerissen zwischen der lebendigen Welt der Toten und der totlangweiligen Welt der Lebenden muss sich Victor entscheiden, wo und mit wem er fortan leben will. Mit lustig geformten Figuren und Welten schaffte Tim Burton („Sleepy Hollow“) eine gekonnte Fortsetzung seines Animationsfilms „Nightmare before Christmas“, bei der er dem grotesken Stil seiner anderen Filme treu bleibt. Dennoch wirkt der Film stellenweise nicht ganz formvollendet. Mit nur 74 Minuten Dauer ist das Vergnügen recht kurz und bedürfte stellenweise weiterer Handlungselemente oder lustiger Wortspiele. Dennoch erfreut „Corpse Bride“ insgesamt durch zahlreiche fantasievolle Skurrilitäten, bei denen die Welt der Toten in einem ungewohnt bunten Licht erscheint. jmk
kultur
Gefährlich und angsteinflößend
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cds hörbücher
Konversation skurril
Buchstaben über der Stadt – Tomte Grand Hotel (Indigo)
Für den, der manchmal ein Problem damit hat, das richtige Gesprächsthema zu finden, gibt es professionelle Hilfe. Dr. Christian Ankowitsch hat schon länger nichts Besseres zu tun, als für Inhalte gehobenen Smalltalks zu sorgen. In der vom Opernregisseur und Kabarettisten Michael Quast inszenierten Lesung aus „Dr.Ankowitschs Kleinem Konversations-Lexikon“ findet sich eine angenehme Menge Unterhaltungsstoff. Die Melange aus Geschichten, Fakten und Bibelzitaten bietet all das, was der Bildungsbürger am Abend von sich geben könnte oder verstehen müsste, um anregend Konversation treiben zu können. Eine knappe Stunde Spieldauer scheint fast zu wenig zu sein. Zu wenig, um länger davon zehren zu können. Aber wer ein ganzes Buch von Dr. Ankowitsch zum Thema für zu viel des Guten hält, der lässt sich gerne von Michael Quast ein paar schöne Stellen daraus vorlesen. Quast versteht es, dem Hörer und dessen Ohr schmeichelnd, Banalitäten und Wissensnischen unterhaltsam in den Schoß zu legen. Die Art, in der das Hörbuch einen zwischendurch immer wieder mit Faktensperrfeuer belegt, ertrüge man auch nicht länger als eine Stunde, ohne irgendwann nervös zu werden. kos
Best of Hörbuch
klassik-cd
kultur
Das Hörbuch „Dr. Ankowitschs Kleines Konversations-Lexikon“ ist bei Eichborn Lido erschienen und kostet 14, 95 Euro.
Es ist mittlerweile das vierte Album der Band, Vorzeigevertretung der deutschsprachigen Indie-Sparte. Man kann sie mögen oder nicht, man versteht, wovon Thees Uhlmann singt oder eben nicht. Mir war Tomte bisher egal, irgendwie. Doch manchmal gibt es glückliche Umstände im Leben, die kommen, ohne dass man sie plant. Der Zufall schenkte mir „Buchstaben über der Stadt“ und ich freue mich. Ob Thees Uhlmann nun der geborene Sänger ist, bleibt wohl Geschmackssache. Aber vielleicht macht es die Lieder auch gerade deswegen so sympathisch, weil der Gesang teilweise so dahin gerotzt wurde, dass man glauben mag, es würde sich genau so schlecht bei einem selbst anhören. Zum Glück ist „Herr Tomte“ ein großes Plappermaul. Er redet gern über die Band, über Textstellen, was oder wer damit gemeint ist und wie das überhaupt zustande kam. Derartige Infos findet man auf der mitgelieferten Bonus-DVD und das ist auch gut so. Tomte ist zur Zeit ganz groß und den fünf Bandmitgliedern scheint die Sonne aus dem Po – ein Optimismus der einen spätestens dann überkommt, „wenn der Beat losgeht“! so
Wer kennt sie nicht: Romeo und Julia, den Steppenwolf, Maria Stuart, den Faust, das Gretchen oder die Räuber? Diese klassisch gewordenen Werke finden sich als Best of-Aufnahmen in Hörbuchform wieder. Blieb es der Musikwelt bisher vorbehalten, Ausgewähltes marktorientiert herauszubringen, so zieht im Hause Universal die Literatur nach. In Archiven wurde gesucht und gefunden: Goethes Faust gesprochen von Will Quadflieg und Gustav Gründgens, Klaus Kinski deklamiert William Shakespeare, Maria Becker Schiller. Jedem Schriftsteller sein Potpourri. Wohl bekomms. ur
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Die Reihe „Best of Hörbuch“ ist bei der Deutschen Grammophon erschienen.
Johannes Brahms: 1. Klavierkonzert in d-Moll Krystian Zimerman/ Sir Simon Rattle Deutsche Grammophon
Schwer lastete der öffentliche Willkommensgruß Robert Schumanns auf dem jungen Johannes Brahms. Der Berufene sollte nach Beethovens Tod auf neuen kompositorischen Bahnen wandeln. Doch erschüttert vom Selbstmordversuch des Freundes Schumann und der schwierigen Arbeit an der ursprünglichen Sonate für zwei Klaviere, schälte sich innerhalb von vier Jahren das spätere Solokonzert
Breakfast Epiphanes – Kate Mosh NoisOlution
Was ist denn das für ein komisches Cover? Sehr pink ist es und die Credits sind vorne drauf, alles durcheinander. Man muss sich beschäftigen,wie beim morgendlichen Frühstück nach einer sehr langen Nacht, die im Kopf ihre Spuren hinterlassen hat. Es braucht eben lange, um wieder ein Mensch zu werden. „Breakfast Epiphanies“ ist das zweite Studioalbum der großen Berliner Musikhoffnungsträger Kate Mosh und ein perfekter Nachfolger für die EP „4 a. m. And It‘s Already Hell“ und dem Debüt „Life Is Funfair“, nicht nur vom Albumtitel. Die im letzten Jahr als Vorgeschmack erschienene EP hat ganz klar die Richtung vorgegeben: Stück für Stück weg von den queren Rockstücken hin zum Indiepop. Die großen deutschen Musikmagazine überschlagen sich dieser Tage nicht zu Unrecht mit Lobeshymnen: Mit Abstand ist diese Platte das Beste, was mir in den letzten Monaten zu Ohren gekommen ist. Mitsingend, mitstampfend und komische Seitenblicke inklusive. Und fast als Zugabe ist sie auch noch perfekt zum Zähneputzen. Man spürt, dass vieles live eingespielt worden ist. Kate Mosh ist eine großartige Liveband, die Platte ist ein Fest, Energie pur. Josef Lewe, radio 98eins
in d-Moll heraus. Doch weder die vielen Dissonanzen noch die sich aufgesprengte Form taten dem heutigen Standardwerk letztlich einen Abbruch. Glenn Gould gelang mit seiner Interpretation am 6. April 1962 in der Carnegie Hall ein Skandal. Wesentlich bescheidener, wenn auch nicht minder im Anspruch tritt der polnische Pianist Krystian Zimerman mit seiner Einspielung hervor. Er zeigt zusammen mit Sir Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern, was für ein musikalischer Sprengstoff in dem jugendlichen, insgesamt noch nicht ganz ausgegorenen Werk steckt. Hinreißenden vibriert im Maestoso die Pauke, wühlen die Streicher und glänzen die Bläser. Wie gelassen doch der Flügel im zweiten, dem Adagiosatz träumt und der abschließende Rondosatz in sich kreist! Bravo! ur
interview
Offenbarung zum Frühstück „Kate Mosh“-Sänger Thom Kasting im radio 98eins-Interview
radio 98eins: Breakfast Epiphanies erinnert sehr an den Film „Frühstück bei Tiffany“. Ist das gewollt? Thom Kasting: Ja, es ist gewollt. Einerseits um den von Kate Mosh bekannten Wortwitz wieder hinein zu bringen, andererseits hat „Breakfast Epiphanies“ auch für sich stehend eine Bedeutung. Übersetzt heißt es so viel wie „Erscheinung“ oder „Offenbarung zum Frühstück“. Wir wollen die Momente der Klarheit des alltäglichen Lebens widerspiegeln, die einem kommen können, wenn man zum Bäcker geht, Fahrrad fährt oder eben halt beim Frühstück. Ihr habt das neue Album Kate Mosh. komplett allein aufgenommen.Warum? Wir haben das letzte Album „Live Is Funfair“ sowie die EP und das jetzige Album allein aufgenommen, in unserem eigenem Studio. Allerdings hat uns Stefan Brügemann zum Beispiel beim Aufnehmen des Gesanges geholfen, denn ich kann mich ja schlecht selbst aufnehmen. Er hat die Platte dann auch gemischt. Wie kommt man dazu, so ein verspieltes Cover zu machen? Zuerst hatten wir den Cover-Entwurf. Uns war es wichtig, dass dort Schrift und Grafik verschmelzen, so dass man
das Cover auch als Bild erleben und erkennen kann. Natürlich meinten einige, das wäre zu unübersichtlich. Es kam zum Beispiel die Frage, warum die Liedtitel nicht nummeriert seien. Da fängt dann der Punkt an, wo man sagt: „Na gut, es gibt halt elf Lieder, dann musst du eben von oben bis zum Titel fünf zählen.“ Ich finde, man muss sich auch mal auf etwas einlassen können und wenn man das nicht will, liest man es eben nicht. Wer macht eure CDCover? Das Cover hat, wie die bisherigen auch, Stefan Guzi diesmal in Zusammenarbeit mit Jörg Walter von „Zwölf Medien“ gemacht. Das war bisher immer eine sehr fruchtbare und interessante Zusammenarbeit. Das Schöne bei ihm ist, dass er immer wieder versucht, etwas Neues zu machen. Das machen wir ähnlich und deshalb hat wohl die Kooperation immer so gut geklappt. Wie kam es zu dem Wechsel von eurem Label Sinnbus zu dem Hallenser Label Noiseolution? Der Wechsel hatte mehrere Gründe. Einerseits sind Sebi (Gitarrist von Kate Mosh - Anmerkung der Redaktion) und ich selbst bei Sinnbus tätig und haben nur wenig Freiraum gehabt, andere Bands wirklich betreuen zu können, sprich: Labelarbeit zu machen. Dafür haben wir jetzt mehr Zeit. Der zweite Grund ist schwieriger. Wenn man selbst ein Album aufnimmt, ist man von Anfang bis Ende total eingespannt und am Ende der Aufnahme reif für die Insel. Für uns ging es früher dann gleich weiter mit der Arbeit. Man hat dann aber nicht mehr die volle Energie. So ist schließlich die Entscheidung gekommen, die uns aber wirklich nicht leicht gefallen ist. Interview: Josef Lewe, neosphaere*-Redakteur bei radio 98eins
kultur
Die Berliner Band „Kate Mosh“ veröffentlichte am 7. April ihr zweites Album „Breakfast Epiphanes“ und wurde daraufhin Land auf Land ab in der deutschen Musikpresse nahezu einhellig gefeiert. Am 29. April spielen sie zum Begrüßungskonzert der radio 98einsSendung neosphaere* gemeinsam mit „Radioados“ und „Junges Glück“ im Klex. radio 98eins sprach exklusiv mit dem Sänger Thom Kasting. powered by
Für leere Studentenportmonnaies gibt‘s auf Seite 48 unser Gewinnspiel!
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bücher
Drei mal drei Wer denkt, man brauche so viele Praktika wie möglich, um den zukünftigen Arbeitgeber zu beeindrucken, ist auf dem Holzweg. So jedenfalls heißt es im „Praktikumsknigge“. Statt jede Semesterferien mit kleinen Jobs bei Firmen vollzustopfen, sollte man sich auf wenige aber zielorientierte Praktika stürzen. „Drei mal drei“ lautet die Faustformel. Ein Praktikum solle zur Orientierung dienen, ein zweites zur Überprüfung der Branche und das letzte, um sich in seinen Berufswunsch zu spezialisieren und für später wertvolle Kontakte zu knüpfen. Was der Praktikumsknigge noch bietet, sind Musterbeispiele zum korrekten Anschreiben, dem perfekten Lebenslauf und den vollständigen Anlagen. Ist die Praktikumsstelle sicher, interessiert besonders das Kapitel über den angemessenen Dresscode, das erste formale Auftreten in der Firma und die nötigen Versicherungen. Zum Schluss des Buches werden Firmenprofile vorgestellt. Hilfreich sind ebenfalls die Auflistungen von Praktikumsstellen deutscher Firmen. Man sollte dennoch nicht alles für bare Münze nehmen, was einem der Praktikumsknigge rät. Einige aufgelistete Firmen bieten beispielsweise keine Praktika an. Ebenso zweifelhaft ist der Rat, man solle beim Bewerbungsgespräch als Schwäche „früh aufstehen“ nennen, anstatt „Ungeduld“ oder „zu viel Ehrgeiz“, weil dies ohnehin positive Schwächen seien. Aber wenn man einmal von diesen kleinen Details absieht, ist der Praktikumsknigge ein wertvoller Ratgeber, der durch übersichtliche Kapitel, kurze und knackige Artikel und einen chronologischen Aufbau glänzt. kats
Mit „und oder oder und“ legt Friedrich Achtleitner,der sein literarisches Schaffen in den 1950-er Jahren als Mitglied der surrealistisch-dadaistisch geprägten, sprachkritischen „Wiener Gruppe“ begonnen hat, einen knapp 100-seitigen Band voll intelligenter Sprachspielereien verschiedenster Art vor. Der emeritierte Architektur-Professor präsentiert überwiegend Kurzprosa, die die Länge einer Seite nie überschreitet und den ihr dort zur Verfügung stehenden Platz oftmals nicht ausnutzt. Sie ist äußerst abwechslungsreich geschrieben: Mal übt sie, mit Oppositionen untermauert, Gesellschaftskritik, mal weist sie uns auf Begriffe und Redewendungen hin, die uns so vertraut sind, dass wir uns über sie keine Gedanken machen und ihre Eigentümlichkeiten übersehen. Achleitners Technik ist dabei so einfach wie wirkungsvoll: Er packt diese Ausdrücke bei ihrem wörtlichen Sinn und führt uns so ihre Absurdität vor. Gelegentlich kommen so auch klamaukig anmutende Episoden daher, zum Beispiel die über den Einarmigen, der im Secondhand-Laden die Kompensation seines körperlichen Mangels einfordert. An anderer Stelle finden sich völlig sinnentleerte Versatzstücke, mit denen Achleitner sich gegen die Vorstellung wehrt, dass alles stets eine Bedeutung haben und sich nach Konventionen richten müsse. Darüber hinaus kommen auch Fans visueller Poesie auf ihre Kosten. Kurzum: Die bunte Mischung der unterschiedlichen Elemente fügt sich zu einem kurzweiligen Band, der den Leser mal zum Lachen, mal zum Nachdenken einlädt und ihm immer wieder ein amüsiertes Kopfschütteln abringt. tja
Der Praktikumsknigge erschien im Verlag „clash jugendkommunikation“ und ist im Handel für 9,90 Euro erhältlich.
Das Buch „und oder oder und“ von Friedrich Achleitner ist im Zsolnay-Verlag erschienen und kostet 14,90 Euro.
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Unbefriedigend
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Bunte Mischung
Die Frage, welche Impulse die Ukraine – nach Rußland und Weißrußland der größte Flächenstaat des ehemaligen Ostblocks – Europa geben wird, beantwortet Mykola Rjabtschuk in seinem kürzlich erschienen Essay „Die reale und imaginierte Ukraine“ nicht ausreichend. Er schildert zwar den schwierigen Demokratisierungsprozess, geht aber auf Tschernobyl als politisch-gesellschaftlichem Gau nicht ein. Auf 175 Seiten erklärt der gewitzte Kommentator jedoch ausführlich die aktuelle und historische Situation des Landes, in dem trotz erheblicher Opfer mit friedlichen Massenprotesten die orangene Revolution gelang. ur Das Buch „Die reale und imaginierte Ukraine“ von Mykola Rjabtschuk ist im Suhrkamp Verlag erschienen und kostet 9 Euro.
Lyrischer Seismograph Spielraum und Schmerzwerk
Unter Deutschlands Lyrikern ist Durs Grünbein kein Unbekannter mehr. Auch wenn Grünbein seit 1986 in Berlin lebt, verschreibt er sich in „Porzellan“ seiner Geburtsstadt Dresden. Ja, es ist jenes Dresden der verheerenden Flut, der passenden Hartz-IV-Oper, des rauschenden Opernballs und des vernichtenden Bombenhagels. Grünbein besingt seine Geburtsstadt nicht als ein verheißungsvolles himmlisches Jerusalem. „Porzellan“ ist fast ein kleines Drama. Auch nicht ganz, es bleibt eher ein lyrischer Seismograph in 49 knappen Teilen. Das zwischen 1992 und 2005 entstandene Opus mit dem schönen Untertitel „Poem vom Untergang meiner Stadt“ befragt, rührt an und reflektiert deutsche Geschichte, die als verwendetes Material an sich so einige Risse und Glanzpunkte besitzt. ur Das Buch „Porzellan“ von Durs Grünbein ist im Suhrkamp Verlag erschienen und kostet 14,80 Euro.
Zeitgenössische Lyrik aus zwei Nationen in einem Band zusammenzubringen ist ein ehrgeiziges Projekt. Die im Jahre 2003 vom Goethe-Institut in Minsk mitherausgegebene Anthologie „Linia frontu – Frontlinie“ verbindet auf 240 Seiten sieben deutsche Autoren, denen die belarussisch-literarische Vereinigung „Schmerzwerk“ folgt. Letztere stellt sich mit ihrem Manifest „Recycling des Schmerzes“ einleitend vor. Der gemeinsame Wille der Schriftsteller ist, aufrichtig in Belarus zu sein. Für sie ist es ein Land „unerfüllter Hoffnungen und erfüllter Erinnerungen“ (Juras Barysievic). Ob und wo dabei die Frontlinie verläuft, mag der Leser entscheiden. Die Auflage der zweisprachigen Sammlung ist gering und daher schwer erhältlich. Als Einstieg sei auf Ferdinand Neureiters Lesebuch „Weißrussische Anthologie“ hingewiesen, das in der Fachbibliothek Slawistik vorhanden ist. ur
kreuzmoritzel
Fleißig gekreuzt 2x2 Freikarten für das Brauerei-Hoffest in Stralsund sowie 1x2 Freikarten für das Sundstock Festival gibt‘s diesmal zu gewinnen! Das Lösungswort ergibt sich aus den graumelierten Feldern.Schickt es einfach an moritz@uni-greifswald.de, Name und Studienfach nicht vergessen.
38 E-Mails und zwei schriftliche Einsendungen haben uns als Lösung des letzten Sudoku-Kreuzmoritzel erreicht! Die Gewinner Heidi Hummel und Olav Götz können sich ihre Gewinne dienstags ab 18 Uhr in der Redaktion (Wollweberstraße 4, 1. Etage) abholen. Und nun Viel Spaß beim Knobeln! SENKRECHT 1. 2. 3. 4. 5. 6. 11. 12. 13. 14. 15. 18. 20. 21. 22. 23. 25.
WAAGERECHT 1. 4. 7. 8.
argentinischer Nationaltanz Maschine zum Wassertransport asiatischer Sprechvogel schädliches Nagetier
9. 10. 14. 16. 17.
Lied der französischen Revolution Tierzuchtbetrieb Körper beliebter alter Schlager gehörlos
19. 23. 24. 26. 27. 28.
Treffer im Sport Jurist Kellner Musikausdruck für ein wenig kleiner Singvogel Fluss zum Arno Circe-Insel der griechischen Sage randalierende Menschenmasse Liedform Seite des Schiffes Nebenfluss der Donau Tauchfahrzeug (Kurzbez.) Glaube des Moslems urgeschichtlicher Stamm chinesischer Grenzfluss Südwestfunk griechische Göttin der Verblendung
Ziffer Keimzelle der Pilze Mittelmeerinsel unbenutzt, frisch Leibesfrucht Vorbühne
moritz – Studentische Medien Greifswald
spielundspaß
Redaktion & Geschäftsführung Wollweberstraße 4, 17489 Greifswald Tel: 03834/861759, Fax: 03834/861756 E-Mail: moritz@uni-greifswald.de
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Druck: Druckhaus Panzig, 17489 Greifswald moritz erscheint während des Semesters monatlich in einer Auflage von derzeit 3.000 Exemplaren. Redaktionsschluß der nächsten Ausgabe ist der 8. Mai. Die nächste Ausgabe erscheint am 22. Mai. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Die Redaktion behält sich vor, eingereichte Texte und Leserbriefe redaktionell zu bearbeiten. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die in Artikeln und Werbeanzeigen geäußerten Meinungen stimmen nicht in jedem Fall mit der Meinung des Herausgebers überein. Alle Angaben sind ohne Gewähr.
IMPRESSUM Herausgeber: Studierendenschaft der Universität Greifswald (vertreten durch das Studierendenparlament, Rubenowstraße 1, 17487 Greifswald) Gestaltung: Ulrich Kötter, Katarina Sass, Susanne Wächter
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Hochschulpolitik: Stephan Kosa Kultur: Uwe Roßner
Titelbild: Sophia Penther, Thomas Maier (Foto)
freie Mitarbeit: Anja Goritzka (AStA-Referentin für Pressearbeit), Anja Laurich, Elena Lührs, Josef Lewe, Karen Flügge, Matthias Stamm, Mischa W. Weggen, Patrick Leithold, Simon Sieweke und – mit besonderem Dank – Thomas Maier
m. trifft
m. trifft Harald Braun, Universitätsmusikdirektor
Alter: 33. Berufsbezeichnung: Ich würde mich selber als Musiker bezeichnen, vom Ausbildungsgrad Dirigent und hier im Hause Universitätsmusikdirektor. Lieblingsessen: Ein gutes Frühstück oder Brunch, wo man viel Zeit zum Erzählen hat. Lieblingsbuch: Biographien, wenn sie gut geschrieben sind – wahrscheinlich ein bißchen berufsverbohrt auch gerne Musiker- oder Dirigentenbiographien. Ansonsten muss ich gestehen, dass ich auch gerne mal einen Brunetti lese. Lieblings-CD: Ich höre eigentlich relativ wenig nebenbei. Wenn ich CDs höre, dann höre ich sie meistens gezielt in der Vorbereitung auf irgendwelche Programme, um Sachen kennen zu lernen oder um Inspiration zu bekommen. Lieblingsfilm: Mich beeindrucken historische Filme wie zum Beispiel „Der Untergang“. Der für mich nachhaltig beeindruckendste Kinofilm, den ich gesehen habe ist „Les enfants du paradis“ von Marcel Carné.
Foto: privat
Wie lässt sich Ihre Tätigkeit in drei Sätzen beschreiben? In drei Sätzen oder drei Worten? Sonst hätte ich gesagt: Musik, Musik, Musik. Oder: Dirigieren, unterrichten, spielen. Wie viele Stunden hat Ihre Arbeitswoche? Zu wenige, um alles zu schaffen. Welches Handwerk würden Sie gerne beherrschen? Instrumentenbau. Oder alternativ: allgemein Arbeiten mit Holz. Wie sah als Kind Ihr Traumberuf aus? Pastor und in die Entwicklungshilfe gehen. Welche Menschen unserer Zeit oder der Geschichte bewundern Sie am meisten? Es gab im Studium für mich eine wirklich prägende Person, das war mein langjähriger Dirigierlehrer – Musik- und Lebensphilosoph, unglaublicher Zeitgenosse.
Was liegt auf Ihrem Nachttisch? Zur Zeit ein seit ungefähr zwei Monaten noch verschlossenes, eingeschweißtes Buch, ich glaube es ist „Illuminati“. Was ist außer Musik wichtig im Leben? Persönliche Kontakte in verschiedenster Form. Und Bewegung, zum Beispiel schwimmen, Badminton, Tennis. Was mir ansonsten wichtig ist: Ich versuche, den Beruf nicht 100 Prozent meines Lebens werden zu lassen. Warum macht Musik machen mehr Spaß als Musik hören? Weil es unglaublich emotional ist für mich. Und weil es die ständige Kommunikation mit den Menschen ist, die das ausführen, die Möglichkeit, nonverbal miteinander ständig in Kontakt zu sein und darüber aber klanglich etwas entstehen zu lassen.
Abschließender Kommentar? Was ich erstaunlich finde an unserer Uni – bei aller Sorge, die wir hier derzeit um Wo würden Sie gerne leben? Rein von der Idylle her auf einer einsa- das Fortbestehen des Instituts für Kirmen Insel, wobei ich dazu wahrschein- chenmusik und Musikwissenschaft haben lich zu kommunikationsbedürftig bin. – ist, dass an einer wissenschaftlichen InAnsonsten würde ich glaube ich grund- stitution auch der künstlerischen-kultusätzlich immer Orte bevorzugen, die am rellen Arbeit Unterstützung in verschieWasser liegen. Von daher ist Greifswald denster Form zuteil wird. Das ist nicht selbstverständlich, und ich würde mir schon schön. für die vielen Ensembles der Universität wünschen, dass das auch in Zukunft Haben Sie einen Lieblingsplatz so bleibt. in Greifswald? Der Bahnhof. Weil er der Inbegriff von Interview: Bettina Bohle Bewegung ist, die Verkörperung von Fortbewegung und Entwicklung. Ansonsten finde ich das „Utkiek“ auch sehr schön.
spielundspaß
Ob Unichor, Universitäts-Sinfonie-Orchester, der musikalischen Untermalung der Verleihung der akademischen Grade bis zur Semestereröffnung - wenn es sich um Musik an der Uni dreht, ist Harald Braun meist mit von der Partie. Nach Stationen als Leiter der Chorabteilung an der Kreismusikschule Cloppenburg, Dozent für Chor- und Orchesterleitung unter anderem beim Landesmusikrat Niedersachsen und Lehrkraft für Chor- und Orchesterleitung an der Uni Hildesheim, ist der ausgebildete Schulmusiker, Cellist, Chorleiter und Dirigent seit zwei Jahren als Universitätsmusikdirektor in Greifswald tätig.
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arvids kolumne
„Return, return, O Shulamite…“
*
Platonisches über Motten und Sterne / Von Arvid Hansmann Müttern besaß, ist jedoch zu bezweifeln. Dem Bild der sexy Blondine könnte man nun Natalie Portman als Typos der rational und weise agierenden Mutter gegenüberstellen. Doch manchmal hat auch sie keine Lust, das „nette und bescheidene Mädchen“ zu sein, wie sie in einem witzigen Rap-Videoclip gezeigt hat, in dem sie allerlei „Was tun Sie“, wurde Herr K. gefragt, „wenn Sie einen Menschen lieben?“ – „unanständiges“ Vokabular „Ich mache einen Entwurf von ihm“, sagte Herr K., „und sorge, daß er ihm in den Mund nahm. Dabei wurde beispielsweise „Suck ähnlich wird.“ – „Wer? Der Entwurf?“ – „Nein“, sagte Herr K., „der Mensch.“ my …!“ ebenso genusunBerthold Brecht spezifisch verwendet, wie sich hierzulande „Das geht Mit einem Zitat der Sängerin Pink beti- Lüge, die jedoch ermöglicht, sich in ande- mir voll auf den …!“ durchgesetzt hat. telt, war die erste „Kolumne“ an die- re Menschen hineinzuversetzen, „eine Jedoch ist dies wiederum nur eine Rolle, ser Stelle in moritz 29 der Analyse eines Übung in Mitgefühl für Schauspieler der man weniger Glauben schenkt als Bildes gewidmet, in dem Natalie Portman und Publikum“. Die etwas schwammi- dem Bild der Schwangeren, das in der als eine Mischung aus Britney Spears gen Worte auf der „V for Ventetta“- abendländischen Familienplanung mehr und der Kunstfigur Lara Croft insze- Pressekonferenz (siehe Berlinale- Einfluss gewinnen könnte, als das des niert wurde. Doch bald darauf wurde Bericht), dass der „social act“, sich einen Blondchens. mir klar, dass sich hinter der Maske der Film anzusehen, gleichzeitig ein „world Dass sich Natalie Portman in einer Padmé Amidala mehr als nur die Idee bettering act“ ist, wurden zwar hinter- Leitbildfunktion sieht, wirkt sich auch des George Lucas verbarg. her ziemlich zerpflückt, machen aber auf ihr gesellschaftliches Handeln aus. Die Schauspielerin Natalie Portman deutlich, mit welchem Selbstverständnis Von der Person und dem Handeln des sollte mir in persona vor Augen füh- sie und sicher viele ihrer Kollegen an derzeitigen US-Präsidenten distanziert ren, dass es im Land der unbegrenzten ihre Aufgaben herangehen. sie sich, äußert jedoch in dem erwähnMöglichkeiten Menschen gibt, die neben ten ZEIT-Artikel den Wunsch, selbigen der Spezialisierung darauf, „nett aus- „Stupid girls“ in Zukunft von der ganzen Welt wählen zusehen“, auch wissen, dass „Paris“ als zu lassen. Ein Verweis auf die Utopie von Mädchenname äußerst untypisch ist. Als ich Natalie Portman die Frage stellte, Platons Philosophenkönig, den weisen Dabei stellt das Psychologiestudium in weshalb sie denn so oft Schwangere und Salomon oder die Königin von Naboo? Harvard, das die heute 24-jährige vor junge Mütter spielt, war dies vorrangig Jedenfalls ist sie bestrebt, deutlich zu wenigen Jahren absolvierte, nur noch als Provokation gedacht – also mit der machen, dass die USA „ein großartiges eine Bestätigung dieser Erscheinung dar. Absicht verbunden, sie aus der Reserve Land mit wunderbaren Menschen und Wenn sie mit zwölf Jahren Jean Reno in zu locken. Da hatte ich noch nichts von Ideen und schöpferischer Kraft“ sind. „Leon – Der Profi“ Sokrates diktiert, der Skulptur „Monument to Pro-Life: Während ich diese Zeilen schreibe, oder wenig später als Präsidententochter The Birth of höre ich Dvoraks in „Mars Attacks“ Hermann Hesses Sean Preston“ neunte Symphonie „Siddhartha“ liest, ist klar, dass sie zu gehört, die “He’s my knight in shining armor.” will ich glauben, mehr als den knöchernen Dialogen in einige Wodass der sterbende Natalie Portman nach dem Drehbuch „Star Wars“ in der Lage ist. chen später Riese USA nur in von Zach Braff in “Garden State” Dennoch sollte es die Rolle der Padmé die Emotioder einen Hand das Amidala sein, die ihr einen nicht unbe- nen der ameblutige Schwert hält trächtlichen materiellen Wohlstand ver- r i k a n i s c h e n und mit der andeschaffte und zum anderen die Frage „shame culture“ hochkochen ließ. Diese ren ein Orchester dirigiert, über dem aufwarf, was denn das „Wesen“ eines zeigt die hochschwangere Britney Spears sich eine grazile Primaballerina in die Schauspielers ist. in devoter Pose auf einem Bärenfell. Lüfte schwingt – so wie Natalie Portman Ist es nur Projektionsfläche für die Die Intention des Künstlers Daniel über den roten Teppich schritt, sich keck Gedanken des Regisseurs? Kann der Edwards sollte es sein, möglichst viele das Dekolleté zurechtrückte und an der Schauspieler sein eigenes Leben aus die- Frauen für die Geburt von Kindern zu Peripherie des Blitzgewitters den komiser Projektion lösen, oder bleibt auch überzeugen. Mit dem Argument, dass schen Typen im T-Shirt mit goldgelbem das Individuum ein Prototypos, den man Britney im letzten Jahr die meistgesuch- „Wir-sind-die-Uni“-Aufdruck wahrnahm, imitieren, verachten, bedauern oder ver- te Frau bei Google gewesen sei, sollte der ihr wenige Stunden zuvor eine sonehren soll? Vielleicht ist das Wesen darin sie eben diese prototypische Funktion derbare Frage gestellt hatte. zu suchen, inwieweit sich das Spiel einer übernehmen. Ob die Gruppe derer, die Authentizität annähert - nicht im Sinne die junge Dame anklickten, eine große * Hohelied (6,13) 7,1 nach der „King James Version“ der eines wortwörtlichen Verismus, also Schnittmenge mit unentschlossenen Bibel, die ich im April 2001 am Broadway erwarb.
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Die zierliche junge Dame, die in ihrem eigenwilligen schwarzen Kleid auf dem roten Teppich der Berlinale für das Abbild auf der linken Seite posierte, hat diese – mittlerweile langlebigste – Seite des moritz (direkt oder indirekt) bestimmt, wie kaum etwas anderes.
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einer direkten Wahrheit, sondern im Sinne eines Abbildes, das in einer mehrschichtigen Form der Allegorie auf unsere Wirklichkeit verweist. Sie selbst bezeichnet ihr Schauspiel in einem ZEIT-Interview als Illusion und „im erweiterten Sinn als Lüge“ – eine
Ceci n‘est pas Natalie Portman. Foto: Arvid Hansmann, 13. Februar 2006