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steffen henssler
Karrierekoch mit Biss
Hamburgs Starkoch peppt japanisches Sushi mit kalifornischer Leichtigkeit auf. Der Mix macht’s Von wolfgang timpe und uwe c. beyer (Fotos)
58 go sixt gastro
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Karrierekoch mit Biss
Hamburgs Starkoch peppt japanisches Sushi mit kalifornischer Leichtigkeit auf. Der Mix macht’s Von wolfgang timpe und uwe c. beyer (Fotos)
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Promikoch Steffen Henssler mit einem Acht-Kilo-Prachtstück von Hecht: „Vorsicht beim Maulöffnen! Der greift mit seinen scharfen Zähnen und ihren gefährlichen Widerhaken sogar an Land an.“
Erfolgreicher Fernsehkoch beim NDR und auf Vox und ein Besteller-Rezeptbuch: „Für den Frischetest von Fischen gibt es nur eine Methode: Riechen!“ gastro go sixt 59
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erade spielt noch die raffinierte Schärfe vom Lachs mit der eleganten Meeresfrische des Keta-Kaviars während der Vorspeise, da flirtet schon der kräftige Kabeljaugeschmack mit der lieblichen Kirschtomatennote des Hauptgangs bei der Genussoper im Gaumen. Es sind diese feinen feurigen Gegensätze, die die einzigartige Sushi-Küche von Steffen Henssler in den Gourmethimmel gehoben haben. „In meinen Gerichten muss es krachen“, lacht der mit 15 GaultMillaut-Punkten dekorierte Spitzenkoch mit dem unvergleichlichen Charme eines Califonia-Boys. Der 35-jährige Jungspund des Sushi führt zusammen mit Vater Werner seit 2001 das InRestaurant Henssler & Henssler am Hamburger Fischmarkt. „Wir kochen leicht, frisch und ein bißchen fancy“, bringt der Duzchef einer Multikulti-Brigade an der offenen Küche seinen Stil auf den Punkt. Qualitäten, die auch sein exklusives Dreigänge-Ostermenü für die GoSixt-Leser charakterisiert (siehe Seite 62). Ein weiteres Merkmal seiner Kochkunst: Sie ist brutalst einfach und setzt auf aromatische Überraschungsmomente und charmante Chuzpe: „Ich habe keinen Respekt vor Produkten. Wir kochen sehr geschmacksstark.“ Für den gezwirbelten Schnickschnack der allseits populären Sternehelden („da kochen zehn ausgebildete Spitzenköche für 40 ausgewählte Gäste in gutbürgerlicher Stube“) hat der Sushi-Hansdampf Henssler keine Ader. „Den Stress habe ich während meiner Ausbildung kennengelernt. Das muss ich nicht haben.“ Und es ist nicht seine Natur. Fantasie an den Herd. „Ich experimentiere wahnsinnig gerne.“ Arbeiten und essen sollen glücklich machen.
Exklusives Dreigänge-Menü von Sushi-König Steffen Henssler für die GoSixt-Leser: „Ostern ist ein Fest für den Fisch.“ Steffen Henssler drapiert den kurz gebratenen Kabeljau.
Designchef Henssler: „Schlichtes Geschirr. Das Gericht soll strahlen.“ 60 go sixt gastro
„Kochen kann man lernen, gute Laune nicht.“ Begonnen hat alles 1993 mit einem dreimonatigen Kalifornienurlaub. Da surft der Hamburger Sunnyboy mit seiner damaligen Freundin Sabine locker über die Wellenberge vor San Diego, heiratet sie in der Wedding Chapel am Strip von Las Vegas (die Ehe hielt bis vor zwei Jahren); und Steffen Henssler lernt die asiatische Sushi-Küche an der Pazifikküste von Los Angeles kennen – eine Verführung fürs Leben. Der Traum vom eigenen, asiatischen Restaurant, von klassischer strenger Sushi-Kochkunst kombiniert mit dem lockeren kalifornischen Lebensgefühl, ist geboren. Seine legere Personality hat eine Heimat gefunden: „Ich stehe auf und habe nie schlechte Laune.“ Doch erst einmal geht’s zurück nach Hamburg, ins Sternerestaurant seines Vaters („Petit Délice“), weiter Koch- und Gastronomieerfahrungen sammeln. Als sich dann 1999 ein stattlicher Lottogewinn ereignet („es waren genau 44.242 D-Mark, eine irrwitzige Summe für mich“), fällt er seine unternehmerische Entschei-
Duzchef Steffen: „Teamspirit ist alles. Wir gehen auch mal auf die Piste.“
„Klischees stimmen und stimmen nicht. Ich habe ein Schickimicki-Restaurant und einen Schickimicki-Porsche, aber bin kein Schickimicki-Typ.“
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Steffen Henssler beim Einkauf eines Knurrhahn in der Fischhalle
dung. Steffen Henssler geht wieder nach Kalifornien. Mit dem Glücksgeld finanziert sich der Sushifan seine zweite Ausbildung nach der klassischen dreijährigen Kochlehre in Schleswig-Holstein im Sternerestaurant „Andresens Gasthof“. „Just do it. Das Lebensgefühl habe ich aufgesogen.“ Ein ganzes Roastbeef mit Beilagen müsse man können, „aber das ist nicht meine Welt . Den Gesellenbrief habe ich gerade so hingedengelt“. Der kochende Nonkonformist schreibt sich für monatlich 3.000 Dollar Studiengebühr an der California Sushi Academy Los Angeles ein, mietet sich ein Zimmer und lernt das strenge klassische asiatische Sushi-Handwerk – kombiniert mit der lockeren kalifornischen Respektlosigkeit vor ehernen Kochgesetzen. Noch heute leuchten seine Augen beim Erzählen. „Ich bin ein Nike-Typ. Just do it. Das kalifornische Lebensgefühl habe ich damals total aufgesogen.“ Und es sprudelt nur
so aus ihm heraus. „Kochen kann man lernen, gute Laune nicht“, bringt er seine gastronomische Führungsphilosophie relaxt auf den Punkt. Da fährt er mit der gesamten Henssler&Henssler-Mannschaft im riesigen Wohnwagen nach Sylt („da lungern wir einfach am Strand herum“) und lassen gemeinsam Kochen kochen sein. „Meine Mannschaft entlastet mich. Ich brauche gut gelaunte Mitarbeiter. Teamspirit ist alles. Wir gehen am Ende des Tages auch schon mal zusammen auf die Piste.“ Es scheint, als ob der kalifornische Way of Life geradewegs auf die schlicht weißen Teller seiner Sushi-Rollen, Kartoffelpürees, Thunfischvarianten oder kross gebratenen Hechtfilets surft. Ein Laissez-faire, das auch den ausladenden Restaurantloft mit 120 Plätzen am Hamburger Fischmarkt prägt. Eine 72 Meter lange offene Küchentheke dominiert den Szenetempel, und schlicht weiße, sparsam dekorierte Tische mit Kaffeehausstühlen strahlen essensorientierte Sachlichkeit
Keta-Kaviar („meine Fisch-Ostereier“) der Vorspeise sorgt für Leichtigkeit; der Henssler’s Der Hauptgang „verbeugt sich mit frischem Koriander vorm Frühling“, bietet Geschmacksvielfalt wie die Düfte in der Natur. Das Bananen-Dessert „soll krachen“. Oster-Menü
Vorspeise Sashimi von Lachs mit Nussbutter und Keta-Kaviar 350 g Lachsfilet, Salz und Pfeffer, 1 Bund Schnittlauch, 4 Esslöffel Keta-Kaviar, 150 g Butter, 4 Esslöffel Sojasauce, 4 Esslöffel Zitronensaft, 4 Esslöffel geschnittenen Zwiebellauch Lachs in dünne schräge Scheiben schneiden und auf vier Tellern verteilen; mit Salz und Pfeffer würzen, und die Butter in einem Topf leicht braun werden lassen; noch heiss über den Fisch verteilen; jetzt die restlichen Zutaten zu gleichen Teilen über die vier Teller verteilen. 62 go sixt gastro
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Hauptgericht Gebratenes Kabeljau-Filet mit Kartoffel-Frühlingsrolle und geschmorten Kirschtomaten 4 Stück Kabeljaufilet à 150 g, 2 Schalen Kirschtomaten, 3 Esslöffel Schalottenwürfel, 1 Bund Koriander geschnitten, 1⁄2 Chili gehackt, 3 Esslöffel Butter, 500 g geschälte mehlige Kartoffeln, 1 Bund geschnittenen Frühlingslauch, 4 Blatt Frühlingsrollenteig, 2 Esslöffel Butter, Öl zum Frittieren, 1 Bund Basilikum, 1 Bund glatte Petersilie, 100 ml Olivenöl, 1⁄2 Zehe Knoblauch Den Fisch mit Salz und Pfeffer würzen, in Mehl wenden und abklopfen; den Fisch in einer heißen Pfanne von beiden Seiten anbraten, Flamme auf klein stellen und gar ziehen lassen; die Kirschtomaten waschen und halbieren; 3 Esslöffel Butter in einen Topf geben und die Schalottenwürfel anschwitzen; die Kirschtomaten dazugeben und ca. 3-4 Minuten köcheln lassen; mit Salz und Pfeffer abschmecken, Koriander dazu – fertig; die Kartoffeln weich kochen – ausdämpfen und durch eine Kartoffelpresse drücken, mit Salz und Pfeffer abschmecken; die 2 Esslöffel Butter und den Frühlingslauch dazugeben; alles zu einer Masse vermengen und auf die 4 Blätter verteilen und einrollen; bei 170°C frittieren. Basilikum und Petersilie waschen und trocknen. Die Kräuter zusammen mit dem Öl und den Knoblauch auf einem Brett feinhacken, mit Salz und Pfeffer würzen.
aus. Stimmung entsteht im Henssler & Hensssler durch die Gerichte und die Gäste. Der Anhänger von klarem Industriedesign („ich wollte von Anfang an eine echte alte Fischhalle“) und einfacher Form („wir verwenden schlichtes Geschirr. Das Gericht soll strahlen“) hat sich und seine Sushifabrik inzwischen zum Eventereignis hochgekocht – mit eigenen Kochshows beim NDR („Hensslers Küche") und auf Vox („Ganz & Gar“). Wie lebt sich’s denn mit Starstatus und Guruverehrungen? Fühlt er sich wohl in seiner Promikochrolle? „Ach“, lächelt er verschmitzt, „Klischees stimmen und stimmen nicht. Ich habe ein Schickimicki-Restaurant und einen SchickimickiPorsche, aber ich bin kein Schickimicki-Typ.“ Danke. Das sitzt wie ein klarer Schnitt mit den superscharfen Messern beim Schneiden seiner Sushi-Rollen. Ja, und beim Porsche kommt
Wehmut auf, weil er schon mal richtig lange seinen Lappen abgeben musste („Gummi geben macht halt Spaß“) und die satte PS-Power den Sunnyboy „immer wieder in Versuchung“ bringt. Doch am Ende des Tages kann der Gastrohimmelsstürmer offenbar immer klar entscheiden, wo’s es langgehen soll. „Das Boxen habe ich aufgegeben, war nicht gut genug.“ Mit 21 Jahren trainiert der ausgelernte Koch fünf Mal pro Woche im Hamburger Boxverein Heros und dem Kiezclub „Ritze“ auf St. Pauli. „Ich brauchte den Sport als Ausgleich zum Kochen. Wollte aber auch zu Beginn Profiboxer werden.“ Er macht gutes Sparring, gewinnt und verliert zwei Kämpfe, aber es ging ihm „nicht schnell genug voran. Letztendlich war ich nicht gut genug.“ Da sei er immer schon ehrlich mit sich selbstgewesen.
SATZANFÄNGE Der Mount Everest ... ist meine ewige Herausforderung. Dieser Berg zeigt mir ständig, was ich noch nicht geschafft habe. Heiraten halte ich für ... eine wichtige Sache, die sehr gut überlegt sein will, denn Scheidung ist absoluter Mist. Wenn der Reis alle ist ... sehe ich ziemlich alt aus. Autofahren ist für mich ... pure Entspannung. Und die PS beim Porsche ... bringen mich immer wieder in Versuchung. Henry Maske ist ... ein langweiliger unspektakulärer Boxer. Tolle Musik machen ... Bruce Springsteen und Udo Lindenberg. Inspirationen hole ich mir beim Gothic-Sound von Type O Negative. Der Koch-Hype im TV ... hat laut Meinungsforscher noch richtig gute 15 Jahre vor sich.
GO MyWay sushi-Serenade mit thunfisch: „Beim Schneiden gehen die meisten selbstgemachten Sushi-Rollen kaputt. Verwenden Sie sehr scharfe Messer zum lockeren Durchschneiden. Nie drücken beim Schneiden!“
Seine Box-Begeisterung bleibt, er fliegt zu den Mike-TysonWM-Kämpfen in Las Vegas. „Er war grandios, ist immer Risiko gegangen.“ Gentlemanboxer Henry Maske langweilt ihn eher. „I get the idea. You get the money.“ Steffen Henssler konnte wohl auch nicht aus der Familienhaut. Vater Werner, Sternekoch und Gastronom, prägt ihn. Dessen Motto, „kennst du die Abläufe in der Küche, kann dir im Restaurant keiner was vormachen“, gilt. Steffen beginnt mit sieben in Küche und Weinkeller („Flaschen einräumen“), und schon mit acht arbeitet er im Service („musste leider von den ersten 50 D-Mark Supertrinkgeld etwas abgeben“). Bei so viel kochendem Familiensinn: Wer ist denn nun Chef im Henssler & Henssler? „Es ist mein Restaurant und mein Vater wollte gerne mitmachen. Er kümmert sich um Service und Kaufmännisches, ich um den Rest.“ Und der Papa mischt sich nicht ein? Nein, er habe ihm gesagt: „I get the idea.You get the money.“
Henssler & Henssler, Große Elbstraße 160, 22767 Hamburg Tel: +49 (0) 40 38699000; www.hensslerhenssler.de info@hensslerhenssler.de; Mo.-Sa.,12–15 und 18–23:30 Uhr.
Steffen Henssler: Meine 10 goldenen Sushi-Regeln
1
Sushi-Reis Kaufen Sie teuren Sushi-Reis, nur der ist gut. Waschen Sie ihn gründlich und: Verarbeiten Sie ihn warm! Kälter lässt er sich schwer rollen. Hilfe gegen pappige Sushi: Viel Füllung, wenig Reis!
2
Wasabi Das asiatische Gewürz sorgt einerseits für leichte Schärfe, andererseits verleiht es den Rollen (wird innen in den Reis aufgestrichen) ein herzhaftes Aroma. Wasabi garantiert das besondere Flavour!
3
Inside-Outside Legen Sie die Sushi-Blätter nach innen zwischen den Reis und die Produkte wie Avocado, Gurken oder Thunfisch. So lässt sich u. a. die California-Rolle einfacher rollen. Reis hält das Sushi zusammen – nicht die Blätter!
4
Rollen Einfach, aber ganz oft falsch gemacht. Sushi müssen ganz leicht gerollt werden. Nicht drücken! Sushi-Reis klebt von alleine.
5
Scharfe Messer Beim Schneiden gehen die meisten selbstgemachten Sushi-Rollen kaputt. Verwenden Sie sehr scharfe Messer zum lockeren Durchschneiden. Nie drücken beim Schneiden!
6
Mayonaise Zum Beispiel zur California-Rolle brauchen Sie unbedingt Mayonaise – natürlich selbstgemachte. Total einfach: Eigelb, Senf und Öl plus Crème fraîche oder Joghurt. Ein Muss.
Dessert
Bananen-Schokoladen-Gratin 4 reife Bananen, 4 Esslöffel geriebenen Ingwer, 100g dunkle Kuvertüre, 2 Eier, 40 g Zucker, 80 g Sahne Die Bananen schälen und in dünne Scheiben schneiden; auf vier tiefe Teller verteilen; den Ingwer über die Banane verteilen; die Kuvertüre in einem Wasserbad schmelzen und ebenfalls über die Banane geben; Eier trennen, 1 Eiweiß steif schlagen (das andere wird nicht mehr benötigt); Eigelbe mit dem Zucker schaumig schlagen; die Sahne steif schlagen und unter die Eigelbmasse geben; danach das Eiweiß unterheben; die Masse über die Bananen verteilen und in den vorgeheizten Ofen (220°C), mittlere Schiene, geben. 66 go sixt gastro
7
Avocados und Gurke Keine Sushi ohne diese Produkte. Die Gurken – ganz zarte (!) Streifen schneiden – geben die einzigartige Frische. Und Avocados den samtigen schmeichelnden Geschmack.
8
Tempura Der warme Teig ist eine wohltuende Ergänzung zu den kühlen frischen Produkten. Garnelen oder Gemüse in Tempura-Teig bruzzeln. Frittieren ist keine Sünde!
9
Soja-Sauce Wird immer gebraucht, u. a. zu Sashimi-Gerichten. Aber: Wenig nehmen, um die Produkte und Gewürze noch zu schmecken. Die fertige Soja-Sauce mit Wasser oder Orangensaft verdünnen.
10
Kühlschrank ist tabu Kälte macht den Reis matschig und seine Sushi-Zu aus Reisessig, Salz und Zucker verliert ihren feinen Geschmack. Sushi immer frisch zubereiten und gleich essen.