GO ART
STIL &
WUNDER M
max liebermann „Der Papageienmann“; 1902, Öl auf Leinwand; 102,3 x 72,3 cm; © Museum Folkwang, Essen.
76 go sixt Herbstausstellungen
ehr Aufbruch geht nicht. Bunte Papageien und flanierende, adrett gekleidete Sonntagsausflüglerinnen erzählen von exotischem sehnsuchtsvollen Fernweh und die Preußenmütze vom „Papageienmann“ anno 1902 sorgt für deutsche Korrektheit. Was flüchtig betrachtet wie romantische Stillleben-Idylle daherkommt, ist von Max Liebermann ein malerischer Aufstand gegen das Historiengepinsele der Kaiserzeit und ein fröhlich-buntes Innehalten des Lebens vor steifer Bürgerlichkeit und den späteren düsteren Zeiten des ersten Weltkriegs samt Expressionismus und Kubismus. Wo bei Liebermann in den blühenden „Blumenstauden im Wannseegarten“ von 1919 an den Rändern der Pflanzen sich die bunte Pracht ins Abstrakte auflöst, bahnt der Künstler dem französisch inspirierten Impressionismus im malerisch rückständigen Deutschland den Weg. Explodierende Buntheit und sich auflösende Formen stigmatisieren Liebermann im Kaiserreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem mit Hass verfolgten „Schmutzmaler“. Sein lebendiger lebensnaher Mal-Stil konterkariert preußische Diszipliniertheit mit einem farbenfrohen Bohemien-Wunder. Die aktuellen Herbstschauen in Hamburg (Liebermann), Bielefeld (Picasso) und Venedig (Kunstbiennale 2011) feiern das künstlerische Individuum als Medium zum Aufbruch zur Freiheit. Ob nun die blau grundierte Melancholie von Picassos „Frau im Hemd“ oder das schwebende archetypische Knochen-Urvieh des aus Kapstadt stammenden Installationskünstlers Nicholas Hlobo („All the Lightning Birds Are After Me“) in den Arsenalehallen der Biennale: Kunst berührt. So klingt es bei der Italienerin Monica Bonvicini wie kindischer Spott, wenn zu den hell angestrahlten spiegelnden Treppenstufen das geschwätzige Stimmengewirr einer Vernissage oder das selbstverliebte Klatschen bei Oscar- und anderen Preisverleihungen wie ein hohles