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INTERVIEW MIT ANDREAS WEITKAMP
IM GESPRÄCH: ISI-VORSTANDSSPRECHER
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ANDREAS WEITKAMP
Andreas Weitkamp (Modehaus Schnitzler), Ansgar Buschmann (Buschmann am Drubbel) und Sascha von Zabern (Atlantic Hotel Münster) sind die Sprecher des neuen Vorstands der Initiative starke Innenstadt (ISI). Inzwischen ist das Trio rund ein halbes Jahr im Amt. Zeit für eine Zwischenbilanz: Wir sprachen mit Andreas Weitkamp (l.) über Münsters Verkehr, CoronaLockerungen und warum es kein „MünsterAmazon“ im Netz gibt …
Nach der Wahl sind Sie nicht gleich an die Öffentlichkeit gegangen, wieso?
Wir wollten nach der Wahl nicht sofort mit der Parole ‚Jetzt wird alles anders‘ nach draußen gehen, sondern uns erstmal in diese Rolle einfinden und ein Gefühl dafür bekommen, was unsere Mitglieder eigentlich bewegt.
Und was ist das zum Beispiel?
Zum Beispiel das Thema ‚Erreichbarkeit und Mobilität‘. Im Dezember hatten wir dazu eine Versammlung. Wir dachten: Oha, da wird es brodeln! Zu unserer Überraschung war die Stimmung positiv pro Veränderung – nicht für eine totale Autofreiheit oder Parkhaussperrungen, aber für weniger Autos und mehr Aufenthaltsqualität.
Was bedeutet ‚Aufenthaltsqualität‘ konkret?
Dass Münster eben mehr bietet als andere Orte – mehr Gastronomie, mehr Grün, mehr Kultur, Plätze, Brunnen, Kinderattraktionen und dass man sich auch aufhalten kann, ohne konsumieren zu müssen … Die Stadt soll ein beliebter Treffpunkt sein. Denn die Leute wollen wieder in die Stadt gehen.
Da sind wir wieder bei der Erreichbarkeit …
Ja, und da muss Münster aufpassen, was für ein Bild es abgibt. In der Außendarstellung wäre es gut, Mobilitätsalternativen wie ÖPNV, Velorouten etc. aufzuzeigen. Wenn wir dem Umland aber signalisieren: ‚Nach Münster brauchst‘e nicht fahren, da ist alles dicht, die schotten sich ab und wollen keine Autos von auswärts‘, dann sagen sich die Leute: ‚Fahren wir eben nach Bielefeld‘… Eine Abschreckungskommunikation ist sicher nicht hilfreich.
Die Leute wollen wieder in die Stadt gehen
Bielefeld hat aber keinen Prinzipalmarkt …
Es geht aber nicht nur um den Prinzipalmarkt, sondern z.B. auch um Zugänge von der Promenade zur Innenstadt, z.B. Frauenstraße, Universitätsstraße und Überwasserstraße. Wenn man vom Parkplatz auf dem Schlossplatz kommt, führen diese in die City. Der erste Eindruck: Der Parkplatz ist nicht mal asphaltiert. Die Straßen sind zugeparkt und der 1,20 m breite Bürgersteig steht voller Fahrradleichen. Das geht besser.
Hat die ISI ein eigenes Verkehrskonzept?
Wir sind ja zum Glück keine Partei, die einen Gesamtkurs finden muss. Es gibt hierzu keine einheitliche ISI-Sicht, weil unsere Mitglieder das ganz unterschiedlich sehen. Denn die Verkehrsproblematik auf dem Bült ist z.B. eine ganz andere als auf der Königsstraße, etc. Hier geht’s um den Durchgangsverkehr, da um den Stau vorm Parkhaus. Die Lösungen muss die Politik finden, wir wünschen uns einfach insgesamt mehr Attraktivität in der Innenstadt.
Teil dieser Attraktivität ist auch der inhabergeführte Einzelhandel, aber der hat es auch am schwersten …
Der inhabergeführte Einzelhandel ist zwar ein Aushängeschild, aber auch schnell ein Sorgenkind. Natürlich ist es das, was
Natürlich ist es das, was unsere City ausmacht, dass man auch in Seitenstraßen originelle Läden findet
Zur Attraktivität Münsters gehören auch die Events. 2018 haben wir noch davon gesprochen, dass Münsters Eventdichte am Anschlag war. Jetzt gibt es wohl eher Nachholbedarf, oder?
Sicher, aber einige Events müssten mal überarbeitet werden, z.B. das Hansemahl, denn dabei kommt die Geschichte der Hanse gar nicht vor. Dabei war die Hanse das erste europäische Wirtschaftsprojekt. Darum werden wir dieses Fest gemeinsam mit Münster Marketing deutlich modernisieren.
unsere City ausmacht, dass man auch in Seitenstraßen originelle Läden findet, hinter denen Leute stehen, die sich einen Traum verwirklicht haben. Aber diese Läden haben auch die dünnste Kapitaldecke. Wenn etwas Unvorhersehbares passiert, so wie die Corona-Lockdowns, trifft es diese Händler zuerst.
Kommen die Kunden, die durch die Lockdowns weggeblieben sind, nun zurück?
Die Leute haben sich nach den letzten zwei Jahren geschüttelt und nun wieder den Drang, in die Stadt zu gehen. Aber die haben natürlich alle gelernt, wie einfach Online-Einkaufen ist. Darum ist unsere Aufgabe, unseren Service hochzuschrauben und dafür zu sorgen, dass es im Laden viel schöner ist, als im Netz zu kaufen. Vor allem tolerieren die Kunden weniger negative Erlebnisse, also wenn der gewünschte Artikel nicht vorhanden ist oder die Atmosphäre nicht stimmt.
Zu einer Wohlfühlatmosphäre zählt auch die Sicherheitslage. Die wird im Bereich Windthorststraße/Engelenschanze als kritisch empfunden. Polizeipräsident Falk Schnabel hat dagegen auf IntervallRazzien gesetzt. Bedauern Sie seinen überraschenden Weggang?
Ja, schade, dass er geht. Er hat starke Akzente gesetzt. Wir würden uns wünschen, dass seine Nachfolgerin seine Linie fortführt. Wobei: Wir reden nicht über Obdachlose, wir reden über Kriminalität, vor allem Raub und Drogenhandel. Dagegen hat sich sein Konzept bewährt.
Warum gibt es eigentlich keinen digitalen Münster-Marktplatz, eine Art „Münster-Amazon“? Versuche hat es in der Vergangenheit schon gegeben, die aber eher digitale Adressbücher waren. Wäre die Zeit nicht reif für einen echten MS-Online-Markt?
Es gab und gibt immer wieder Versuche dazu. Es melden sich oft junge Online-StartUps bei uns, die genau das vorschlagen. Doch die scheitern immer an einem einheitlichen Warensystem für alle Teilnehmer. Es müssten ja die Bestände im Hintergrund in Echtzeit aktualisiert werden und da liegt das Problem, wenn ich nicht alle Beteiligten anbinden kann. Zudem sagen viele Händler: Was bringt mir das? So ein Münster-Shop muss ja auch gefunden werden, da investiere ich lieber in Google-Anzeigen. Aber statt den Onlinehandel zu kopieren, müssen wir eben besser sein, echten Mehrwert bieten. Wenn man ein Geschäft betritt, muss man sofort denken – wow, das ist ja viel geiler als im Netz kaufen!
Das klingt etwas allgemein. Wie kann das konkret aussehen?
Das ist natürlich bei jedem unterschiedlich. Aber was im ersten Lockdown sehr gut angenommen wurde, war unser gemeinsamer Lieferdienst ‚Münster bringt’s‘. Wir bei Schnitzler bieten zum Beispiel Folgendes: Wir haben gemerkt, dass das Terminshopping während des Lockdowns sehr gut ankam. Darum bieten wir weiterhin die Möglichkeit, außerhalb der regulären Geschäftszeiten exklusiv einzukaufen. Die Kunden reservieren kostenlos einen Termin, können sich aussuchen, vom wem sie bedient werden möchten, geben uns einen Hinweis, was sie sehen möchten und sagen, was sie trinken und welche Musik sie hören wollen. Shoppen wie ein Promi – das ist für die Kunden natürlich ein echtes Premium-Erlebnis. Wir haben zum Beispiel einen Kunden, der es liebt, morgens vor Geschäftsöffnung zu kommen. Dann haben wir warme Croissants von seinem Lieblingsbäcker da und seine Lieblingsmarmelade. Und für uns hat es auch Vorteile, wir können viel besser planen, denn wir wissen schon im Voraus, was er wünscht, in welcher Größe, Farbe, etc.
Worin besteht – Verzeihung, das soll nicht respektlos klingen – die ‚Daseinsberechtigung‘ der ISI für ihre Mitglieder?
Nein-nein, die Frage ist schon richtig. Es gibt ja neben uns viele Vereine – wir müssen schon begründen, warum man als Händler, Gastronom oder Hauseigentümer in der ISI sein soll. Also erstens: Wir schaffen einen Informationsfluss, den man sonst nirgends bekommt. Wir haben z.B. immer aktuell über die dauernd wechselnden Corona-Regeln informiert. Zweitens bieten wir unseren Mitgliedern einen Austausch in einem vertrauten und geschlossenen Netzwerk, in dem man einen „kurzen Dienstweg“ zu anderen hat. Und drittens sind wir der einzige Verein, der einen direkten Draht zur Stadtverwaltung und ganz besonders zu Münster Marketing hat, weil wir dort an Sitzungen beteiligt sind und unsere Positionen dort 1:1 vertreten können, ohne uns erst zu jemandem durchtelefonieren zu müssen.