PRESSE 30.11.2012, BNN Karlsruhe
13.01.2013, BNN Karlsruhe Dienstag, 15. Januar 2013
Jeder Film hat seine eigene Realität. An sie soll man glauben, zumindest für die ein, zwei Stunden, die einen der Bildschirm bannt. Dazu braucht es nicht nur die gut erzählte Geschichte und Schauspieler, die etwas taugen, sondern eben auch gute Musik. Welch enorme Wirkung sie zu entfalten vermag, durfte man nun im Konzerthaus wieder spüren. Und zwar ganz ohne Geschichte und Schauspieler. Zumindest fast. Moderator Johannes Szilvassy konnte es sich dann doch nicht verkneifen als Yoda dem grammatikalischen Analphabetismus zu frönen oder im Cowboy-Kostüm und mit schwindender Stimme das „Lied vom Tod“ zu erbitten. Es änderte nichts: Am Ende standen alle und jubelten glücklich. Erst im November hatte das Young Classic Sound Orchestra (YCSO) ein
KULTUR IN KARLSRUHE
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Musik, die das Leben schreibt Das Young Classic Sound Orchestra begeisterte erneut mit Filmmusik voll besetztes Haus mit fulminanten Videospiel-Melodien restlos begeistert. Auch diesmal sollte das nicht anders sein. Wundern darf das bei einem derart ausgereiften jungen Klangkörper wie diesem niemanden mehr. Dass das Ende der Fahnenstange für die Jungmusiker aber noch lange nicht erreicht zu sein scheint, ist mehr als erfreulich. Denn wenn Dirigent Lahnor Adjei die Seinen schon zu Beginn mit einer „Star Wars“-Suite ins Feld schickt, ist das ein doppeltes Zeichen. Es mag der Popularität solcher Konzer-
Süffige Mixtur Seán Treacy mit Rolf Stahlhofen und Thomas Blug Der Rat eines Jubez-Verantwortlichen an Sound-Techniker Philipp Hey, die „älteren Herrschaften im Publikum“ mit der Lautstärke nicht umzublasen, kam nur mit einem leichten Augenzwinkern und somit nicht unberechtigt daher. Denn mit Rolf Stahlhofen hatte die Seán Treacy Band zu ihrem 6. „Gigantentreff“ einen Sänger eingeladen, dessen Stimme auch ohne Verstärkung für
pen, jetzt und hier und mit dieser Band auf nur dieser Bühne zu stehen, beeindruckte und riss mit. Der aus dem im Südosten Irlands gelegenen Kilkenny stammende Seán Treacy hat mit seiner seit nunmehr 13 Jahren unverändert bestehenden Truppe eine Marke geschaffen, die die Bedeutung der ersten Karlsruher Jahre dieses Mannes in den Hintergrund rückt. Denn
te zwar zuträglich sein, Bekanntes zu präsentieren, doch wird der routinierte Filmzuschauer bei solchen Melodien große Fehler sicher kaum verzeihen. Zum Tadeln gab es jedoch keinen Grund. Denn wo selbst die Streicher imperiale Räume erschließen, Hörner abgrundtiefe Feindschaften ergründen und die Trommeln intergalaktischen Kanonenschlägen den Raum zu bieten vermögen, ist man der Realität nicht mehr fern. Plastisch, fast organisch modelliert Adjei die Themen aneinander. Die Weisheit eines Yoda ver-
schmilzt fast von allein mit der Schönheit der Prinzessin Leia. Das Ergebnis ist wahrer Hörgenuss. An Abenden wie diesen kann selbst Morricone mehr sein als Western. Die Liebe gibt den Takt an und will dem „Weißen Hai“ kaum weichen. So sanft und zart ist der Ton, den so viele begnadete Musiker hörbar machen. Es ehrt das Orchester, dass es gerade in den ruhigsten Passagen seine stärksten Momente hat und die Musiker auch das Format besitzen über die gängigen Stereotype hinwegzusehen. Jeder weiß,
Ausgabe Nr. 12 – Seite 23
dass „Vom Winde verweht“ mit der Erotik spielen muss. Dass jedoch gerade „Independence Day“ mit melancholischen Volten auf sich aufmerksam macht, überrascht. Und es decouvriert ganz das, was Film ist: ein schöner Schein. Das Karlsruher Publikum kann davon kaum genug bekommen. Völlig gleich, ob es nun die leichtfüßigen Themen aus den „Chroniken von Narnia“ sind, die Landschaften tiefgründig untermalen, oder die ruhigen Töne des Sieges, den Frodo und seine Gefährten im „Herrn der Ringe“ begehen – der Applaus will kaum abbrechen. Selbst die fernste Welt kann einem eben greifbar nah erscheinen, wenn ihre Musik so traumhaft schön erklingt, wie hier. Wie gut, dass man auf den Zauber des YCSO im Konzerthaus auch künftig nicht verzichten muss! Markus Mertens