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Pandemie als Fermate

Hochschulfahrer Michael Kratzer sinniert über das virologische Entsetzen

Kann man über etwas schreiben, ohne es beim Namen zu nennen, ohne es zu erwähnen? Kann man im Blindflug durch das Zeitgeschehen reisen, ohne das Wort des Übels sichtbar zu machen? Wir lesen jeden Tag davon, uns vergeht Hören und Sehen, wenn wir nur daran denken. Nein, nicht schon wieder neue Zahlen, Einschränkungen, ja sogar Verbote, die unsere elementaren Rechte zumindest einschränken dürfen. Nein, bloß nicht schon wieder neue Botschaften des Hiob, sprichwörtlich gemachte Angst und Pein in einer hochindustrialisierten Gesellschaft.

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Wir wollen es nicht mehr lesen, wollen verdrängen, uns hinauswinden aus der Spirale des virologischen Einmaleins mit globalem Ausmaß. Glück ist ein vergängliches Gut und Bescheidenheit eine Tugend. Seien wir doch einfach bescheiden und nehmen es hin, was uns mittlerweile seit Monaten bedrängt und uns ruhelos, aber nicht lautlos durch die Tage eilen lässt. Nicht lautlos, aber leise.

„Und nur der Toren Herz wird weise, sieh, auch der große Mensch ist klein. Ihr lauten Lärmer, leise leise. Und lasst uns sehr bescheiden sein.“ Mascha Kaléko schrieb diese Zeilen als eine, die sicher mit ganz anderen Katastrophen in ihrem Leben zu kämpfen hatte, die den Begriff der Krise wie einen Rucksack durch ihre Zeit trug. Davon kann ich lernen. Das Ungemach nicht in die Welt hinausschreien und wenn doch, dann bitte mit Maske.

Es gibt übrigens trotz aller weltumspannenden Richtlinien und Gebote tatsächlich noch einen Ort, an dem die Maske verboten ist. Im Auto, richtig, denn es gibt Dinge, die natürlich noch über jegliche ansteckende Konsequenz erhaben sind, zumindest in Form des Blitzens beim Rasen in der Stadt. Die eben noch gebotene Bescheidenheit stößt hier mit voller infektiöser Wucht ins Leere und zeigt auf drastische Weise auch ohne flüchtigen Blick ins Elektronenmikroskop die Wachsamkeit der Behörden.

Leise, leise. Der Ton macht die Musik. Auch wir schränken uns ein, in jeder Form des Musizierens sind wir gewarnt und all das, was die Musik in ihrer Fülle so unglaublich faszinierend macht, ist das Gemeinsame. Auch das ist uns genommen, momentan, für einen Augenblick im Weltgeschehen. Gemeinsames Musizieren als Besetztzeichen unserer Zeit.

Es geht vorüber. Wir werden das Virus sicher beherrschen, wenn wir es richtig kennengelernt haben; es, das gerade in Fragen der

Diversität und heutigen Rassismusproblematik unbeirrt und mit aller Konsequenz jeden bedroht, unabhängig von allen in Artikel 3 unseres Grundgesetzes aufgeführten Unterschiede.

Kann man ein Problem beschreiben ohne es beim Namen zu nennen? Jetzt hätte ich doch kurz vor dem Schlussakkord das große kleine, nahezu unsichtbare, aber immer anwesende virologische Entsetzen doch noch beim Namen genannt. Das hätte dem Ganzen aber doch die Krone aufgesetzt. Die Pandemie ist die Fermate des Gesundheitswesens und der Inhalt ist der gleiche wie in der Musik: aushalten bis zum Abwinken. Bleiben Sie gesund und behütet … und vor allem in allen b-Tonarten ab 4 b immer des-infiziert!

Michael Kratzer

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