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PFITZNER, KAMINSKI & SCHUBERT
FR 26. NOV 2021
EINLASS NUR MIT GÜLTIGEM COVID‑ZERTIFIKAT
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Hauskonzert
Stadthaus Winterthur Beginn 19.30 Uhr Pause gegen 20.20 Uhr Ende gegen 21.30 Uhr CHF 40, freie Platzwahl Mitglieder gratis, bitte Mitgliederausweis mitbringen. 18.45 Uhr Konzerteinführung mit Lion Gallusser im Stadtratsaal
Musikkollegium Winterthur
LEITUNG Jac van Steen KLAVIER Simone Keller
PFITZNER, KAMINSKI & SCHUBERT
Hans Pfitzner (1869 – 1949) «Kleine Sinfonie» G-Dur, op. 44 (1939) 20'
Gemächlich –Im Tempo Allegro –Heiter Bewegt
Heinrich Kaminski (1886 – 1946) Orchesterkonzert mit Klavier (1936) 26'
Toccata Tanz Finale
— Pause —
Franz Schubert (1797 – 1828) Sinfonie Nr. 8 C-Dur, D 944 «Grosse» (1828) 47'
Andante Allegro ma non troppo Andante con moto Scherzo: Allegro vivace Allegro vivace
Erstmals zu Gast am 3. Oktober 2001, letztmals am 3. Dezember 2020
Erstmals zu Gast am 22. April 2020 Der Holländer Jac van Steen studierte am Brabanter Konservatorium Orchester- und Chordirigieren sowie Musiktheorie. Nach ersten Stationen als Leiter des Bach-Chor Nijmegen und als Chefdirigent des Nationalballetts Amsterdam amtierte er von 1997 bis 2002 als Chefdirigent der Nürnberger Symphoniker. Von 2002 bis 2005 war er Musikdirektor des Weimarer Nationaltheaters sowie Chefdirigent der Staatskapelle Weimar. Zudem leitete er von 2002 bis 2008 als Chefdirigent das Musikkollegium Winterthur. Von dieser fruchtbaren Zusammenarbeit zeugen mehrere CD-Einspielungen. Anschliessend übernahm Jac van Steen von 2008 bis 2013 die Position des Generalmusikdirektors bei den Dortmunder Philharmonikern. 2013 debütierte er an der Opera North sowie an der Volksoper Wien. Seit September 2014 amtiert er als Principal Guest Conductor beim Ulster Orchestra. 2015 folgte sein Debüt an der Garsington Opera.
Die Schweizer Pianistin Simone Keller absolvierte ihre Ausbildung an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK. Sie ist als Solistin und Kammermusikerin in unterschiedlichsten Formationen und Stilrichtungen tätig. In letzter Zeit war sie unter anderem bei der New Music Week in Shanghai, im Roulette und Symphony Space in New York sowie bei Opensound in Boston zu Gast. Zudem trat sie im Wiener Konzerthaus, bei den Weimarer Frühjahrstagen, in der Zürcher Tonhalle, im KKL Luzern, bei den Schlosskonzerten in Thun sowie beim Davos Festival auf. Simone Keller ist Mitglied zahlreicher experimenteller Ensembles wie dem Ensemble TZARA, dem Kukuruz Quartett für wohlpräparierte Klaviere, dem Trio Retro Disco und dem Quintett Trabant Echo Orchestra. Einen wichtigen Platz nimmt ausserdem die kontinuierliche Arbeit als Theatermusikerin ein. 2016 wurde Simone Keller für mehrere Monate in die Cité Internationale des Arts nach Paris eingeladen, 2017 konnte sie mit dem Center for Computer Research in Music and Acoustics an der Stanford University in Kalifornien zusammenarbeiten.
Besetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, Trompete, Schlagwerk, Harfe, Streicher Uraufführung: 17. November 1939, Berliner Philharmoniker, Leitung Wilhelm Furtwängler
Musikkollegium Winterthur:
Erstmals aufgeführt am 20. Oktober 1946, Leitung Oskar Kromer; letztmals am 30. April 1975, Leitung Fritz Rieger
Besetzung: Klavier solo, Flöte, Oboe, Fagott, Horn, Trompete, Streicher
Uraufführung: 21. März 1937, Stadthaus Winterthur, Musikkollegium Winterthur, Leitung Heinrich Kaminski, Solist Walter Rehberg
Musikkollegium Winterthur:
Erstmals aufgeführt am 21. März 1937 (Uraufführung) Hans Pfitzner «Kleine Sinfonie»
Dass Komponisten und ihre Musik häufig im Spannungsfeld von politischen und kulturellen Entwicklungen stehen, hat Hans Pfitzner auf vielfältige Weise erfahren. Und auch heute noch werden seine Person und sein Werk sehr ambivalent beurteilt. Symptomatisch dafür ist die «Kleine Sinfonie», die 1939 von den Berliner Philharmonikern unter Wilhelm Furtwängler uraufgeführt wurde. In einer Zeit von Allmachtfantasien und Grössenwahn vermied Pfitzner jegliche Monumentalität und schrieb eine zurückhaltende, demonstrativ «klein» genannte Sinfonie von gerade einmal zwanzig Minuten. In den vier Sätzen komprimierte und interpretierte er die Bestandteile der Sinfonie neu. Besonders deutlich wird dies im ersten Satz, wo gleich vier Themen (statt wie üblich zwei) in den verschiedenen Formteilen (Exposition, Durchführung, Reprise und Coda) unterschiedlich angeordnet werden. Entscheidend ist, dass Pfitzner die Sinfonie ganz generell weiterentwickeln wollte – und zwar durch ein In-sich-Kehren, das von der Kritik wiederum als «stille Verklärtheit», als «köstliche Altersreife» und gar als «Abgesang» empfunden wurde. Die Deutung als Alterswerk des damals in der Tat schon 70-jährigen Pfitzner ist hingegen problematisch. Zwar lehnte Pfitzner die Moderne mit Schönberg, mit der Zweiten Wiener Schule und ihrer Atonalität entschieden ab. Mit der Reduktion seiner musikalischen Mittel teilte er hingegen durchaus Ideen dieser Komponisten.
Heinrich Kaminski Orchesterkonzert mit Klavier
In Winterthur genoss Hans Pfitzner ein sehr grosses Ansehen, was entscheidend auf Werner Reinhart, den umtriebigen Mäzen, zurückzuführen ist, der eine besondere persönliche Vorliebe für Pfitzners Musik hatte. Eine spezielle Beziehung verband Reinhart auch mit Heinrich Kaminski. Im Gegensatz zu Pfitzner war diese jedoch von Beginn an von finanzieller Unterstützung geprägt, die1922 ihren Anfang mit dem Auftrag zur Komposition eines Klarinettenquintetts nahm. Das Orchesterkonzert mit Klavier entstand rund 13 Jahre später zu einer Zeit, als sich Kaminski in einer misslichen Lage befand: Nachdem er zwischenzeitlich Professor und Leiter der Meisterklasse für Komposition an der Preussischen Akademie der Künste in Berlin (in der Nachfolge von Pfitzner) gewesen war, sah er sich wegen der Nationalsozialisten gezwungen, 1933 in die Schweiz zu fliehen (mit der Unterstützung von Reinhart) und sich danach im oberbayerischen Ried zurückzuziehen. Hier unterstützte ihn Reinhart weiterhin mit Geldzah-
Besetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauke, Streicher
Uraufführung: 21. März 1839, Leipzig, Gewandhaus, Gewandhausorchester, Leitung Felix Mendelssohn Bartholdy
Musikkollegium Winterthur:
Erstmals aufgeführt am 28. Februar 1877; letztmals am 10. November 2018, Leitung Thomas Zehetmair lungen. Trotz der widrigen Umstände gelang es Kaminski, wie er selbst sagte, mit dem ab 1935 entstandenen Orchesterkonzert mit Klavier «eine Art Weiterentwicklung der Form der Brandenburgischen Conzerte» von Johann Sebastian Bach vorzulegen, den Kaminski zeitlebens verehrte. Wie Pfitzner schrieb auch Kaminski für ein sehr klein besetztes Orchester. Mit dieser Reduktion wollte Kaminski zur eigentlichen Musik zurückkehren, die in seinen Augen zeitlos sei. Die klaren Strukturen der kleinen Besetzung belebten den Kontrast zwischen Solo und Tutti in seiner modernen und transparenten Musik neu. Durch die Negation von Überladenheit fand Kaminski jenes überzeitliche Ideal von Musik verwirklicht, das er bei Bach schon vorfand. Dass in diesem neuen Werk, ein Flügel statt eines historischen Cembalos verwendet wird, unterstreicht die historische Kontinuität, denn die Instrumentation, so Kaminski, sei aufgrund ihrer Abhängigkeit von der Zeit nicht entscheidend.
Franz Schubert Sinfonie Nr. 8 C-Dur «Grosse»
Im Kontrast zu den Werken von Pfitzner und Kaminski zeichnet sich die achte Sinfonie von Franz Schubert durch ihre Länge aus, worauf auch der Beiname «Grosse» Bezug nimmt. So meinte Robert Schumann, dass diese Sinfonie wie ein «dicker Roman in vier Bänden» sei. Auch Antonín Dvořák deutete sie als Sinnbilder des Lebens. Dass in diesen musikalischen Schattierungen, die von dramatischen Klängen, lieblichen Melodien bis hin zu katastrophischen Einfällen ein ganzes Spektrum abdecken, auch Schuberts eigenes Leben mitschwingt, ist eine hartnäckig sich einstellende Assoziation, zumal dieser die Sinfonie in seinen letzten Lebensjahren schrieb und er tatsächlich gegen Melancholie und Weltschmerz kämpfte. Neben diesem eher biografischen Zugang gibt es aber auch einen rein musikalischen, der für Schubert ganz entscheidend war. Denn mit einer neuartigen kompositorischen Idee gelang es ihm, aus dem Schatten des grossen Vorbilds Beethoven zu treten. Die Idee ist einfach erklärt: Schubert entwickelte den ganzen ersten Satz aus dem liedhaften Thema, das in der Einleitung erklingt und anschliessend durch sein Wiederauftreten die Musik «steuert». Felix Mendelssohn Bartholdy, der die Sinfonie 1839 – über zehn Jahre nach Schuberts Tod – zur Uraufführung brachte, war beeindruckt: «Wer diese Sinfonie nicht kennt, kennt noch wenig von Schubert.»