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4. Der Weg zur Arbeit

ICH SCHWÄRME NUN MAL FÜRS ILLEGALE. UND WO ICH VERORDNUNGEN ERBLICKE, SCHAU ICH NICHT HIN. ICH HALT DIE MÄCHTIGEN SAMT UND SONDERS FÜR SCHWEINE. UND WAS DEN BUNDESTAG BETRIFFT – DASS ICH NICHT WEINE! ICH WEIß, DASS ICH FREI BIN. UND ICH WEIß AUCH DAS EINE: ES IST WIRKLICH SCHADE, DASS ICH NICHT BUNDESKANZLER BIN.

(Ende der Musik) Und ich wollte natürlich sofort zum Theater, auf die Bühne, spielen, spielen, spielen,aberdawarenmeineElternstriktdagegen.Zuerstmusstduwaslernen, sagtemeinVater,SchauspieleristeinHungerberuf.Alsofing ichan,nachtszu studieren,undtagsüberarbeiteteichineinemBüro.JedenMorgenwarich unterwegs–hatte einenhässlichen Mantel an –so ähnlich wie diesen –(nimmt einen Mantel von der Kleiderstange und zieht ihn an) –einen ebensoscheußlichen Hut-ohneHutgingmandamalsnichtaufdie Straße,wennmaneinguterBürgerwar–hatte einen AktentascheuntermArm–(nimmt sein Manuskript als Aktentasche) Ja,sowardas–Unddalernteichendlich,dassDeutschlandnichtnureine Zukunft,sondernaucheineVergangenheit hatte. 4. Der Weg zur Arbeit JEDEN MORGEN GEHE ICH ZIRKA ACHT MINUTEN LANG, AUßER WENN ICH KRANK BIN, IN DIESE KANZLEI. WENN ICH MICH SO UMSEHE, BIN ICH NICHT DER EINZIGE. FÜR DIE MEISTEN LEUTE GEHT DAS LEBEN SO VORBEI. ICH GRÜßE FREUNDLICH DIE VERKÄUFERIN MEINER ZEITUNG. („GUTEN TAG, FRAU KÖRNER.“) SIE HAT ES SCHWER JETZT, SEIT DIESEM GRAUSIGEN PROZESS. IHR MANN IST EINGESPERRT WEGEN SO MANCHER ÜBERSCHREITUNG, SIE WURDE FREIGESPROCHEN, DENN SIE WAR NICHT IN DER SS – OBWOHL SIE ALLES MITMACHTE –UND ICH GRÜßE EBENSO DEN FRISEURGEHILFEN NIEDERMEIER, DER AUCH IN DER SS WAR – ODER WAR ES DIE SA? EINMAL HAT ER ANGEDEUTET, WÄHREND ER MIR DIE HAARE SCHNITT, WAS DAMALS IN DACHAU MIT DEM ROSENBLATT GESCHAH. ER WAR ERST ZWANZIG, ACHT JAHRE JÜNGER ALS DER ROSENBLATT. JETZT IST ER FÜNFUNDZWANZIG UND EIN SEHR HÖFLICHER FRISEUR. „GUTEN TAG, HERR HAUPTMANN!“ DER HEIßT NUR HAUPTMANN, ER WAR OBERST UND HAT IN FRANKREICH EINIGE ZU TODE EXPEDIERT, NUR ZUR ANSICHT NICHT FÜR AUFFÜHRUNGEN VERTRIEB DURCH MUSIK UND BÜHNE www.musikundbuehne.de ER IST NOCH IMMER SPEDITEUR –ES HAT SICH NICHTS GEÄNDERT. DRÜBEN MACHT HERR KINDERMANN SEINEN BÜCHERLADEN AUF. ICH SEH IHN NOCH JETZT VOR MIR: ER IST DAMALS SO GERANNT UND HAT DIREKT VOR SEINEM SCHAUFENSTER EINEN SCHEITERHAUFEN AUFGESTELLT

UND HAT DARAUF THOMAS MANN UND LION FEUCHTWANGER VERBRANNT UND ERICH KÄSTNER UND DEN KAFKA UND DEN HEINE UND VIELE ANDERE, DIE JETZT SEIN SCHAUFENSTER VERZIEREN. UND ER VERKAUFT SIE MIT EINEM LÄCHELN AN DER LEINE. TJA, ER MUSS LEBEN, UND SEINE KINDER WOLLEN STUDIEREN. ER HAT JA SELBST DEN DOKTOR. „GUTEN MORGEN, HERR PROFESSOR! WIE GEHT’S DER FRAU GEMAHLIN? DANKE, SIE SEHEN BLENDEND AUS. WIE BLEIBEN SIE SO JUNG?“ („AUF WIEDERSEHEN.“) DAS WAR PROFESSOR TÖPFER, SEINERZEIT VÖLKISCHER BEOBACHTER, ANTHROPOLOGIE UND RASSENKUNDE. JETZT IST ER BEIM FUNK. „GUTEN MORGEN, HERR NEUMANN!“ DER IST NICHTS, DER IST ERST ZWANZIG. WAS WAR SEIN VATER? JEDENFALLS SOLDAT. „AH, GUTEN MORGEN, HERR DIREKTOR!“ DER IST GUTE FÜNFUNDSECHZIG, ALSO MUSS ER WAS GEWESEN SEIN. HEUTE IST ER DEMOKRAT. DAS SIND WIR JETZT ALLE. DRÜBEN IST DER EICHELBERGER: GUMMIBÄNDER, HOSENTRÄGER. DAS HIEß FRÜHER BLAU UND SÖHNE, HERRENTRIKOTAGE. NEBENAN WAR DAS CAFÉ WINKELMANN. DER WINKELMANN IST NOCH ZURÜCKGEKOMMEN. DANN IST ER WIEDER WEGGEFAHREN. JETZT IST DORT EINE GARAGE. DA KOMMT DIE SCHULE. DA BIN ICH SELBER HINGEGANGEN. MEIN DEUTSCHLEHRER BEZIEHT NOCH IMMER DORT GEHALT. DER SCHRIE: “HEIL HITLER!“ DAS WIRD ER HEUTE NICHT MEHR SCHREIEN. WAS NUR DIE KINDER BEI DEM LERNEN? VIELLEICHT VERGESSEN SIE ES BALD. ICH KANN ES NICHT VERGESSEN. SO, JETZT BIN ICH ENDLICH IN DIE KANZLEI GEKOMMEN, SETZ MICH AN DEN SCHREIBTISCH UND ÖFFNE EINEN BRIEF. DOCH BEVOR ICH LESEN KANN, MUSS ICH ERST DIE RICHTUNG ÄNDERN, BLICKE RASCH ZUM HIMMEL AUF UND ATME DREIMAL TIEF. (Er atmet dreimal tief. Ende der Musik) Aber auch das war eines Tages vorbei, und ich hab mich bei einigen Theatern beworben.Genommenhatmichallerdingskeineinziges.Schließlichbinichbei einemTourneeunternehmen untergekommen und wurde dort Tourneeleiter. Kleine Rollendurfte ich mitspielen. Dann war ich zwei Jahre lang ununterbrochen auf irgendeinerTheatertournee.Mein Gott –wennich micherinnere,woich überallwar–NUR ZUR ANSICHT NICHT FÜR AUFFÜHRUNGEN VERTRIEB DURCH MUSIK UND BÜHNE www.musikundbuehne.de

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