20 Jahre Helios

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18 Ist bei den Peer Reviews eigentlich schon mal jemand klüger geworden? Wolfgang Krahwinkel 18.1 Entwicklung Im Jahr 2000, sechs Jahre nach Gründung des

heitsbilder waren Herzinfarkt, Herzschwäche und Lungenentzündungen. Im HELIOS Unternehmen kam es zu einer kontroversen Diskus-

HELIOS Unternehmens, wurde erstmalig ein

sion über die Ursachen mit den unterschied-

medizinischer Jahresbericht der HELIOS Klini-

lichsten Mutmaßungen wie schlechte Behand-

ken Gruppe erstellt. In diesem Jahresbericht wurden Krankenhaussterblichkeiten zu we-

lungsqualität oder ein sehr krankes Patienten-

sentlichen Erkrankungen aus den HELIOS Kli-

letztlich zu der Idee des Peer Reviews in Leisnig im Jahre 2000 und zur Gründung der Arbeits-

niken des Jahres 1999 ausgewiesen und mit den Krankenhaussterblichkeiten bundesweiter

gut mit einer Negativselektion. Dies führte

gruppe Internes Qualitätsmanagement im Jah-

Krankenhäuser verglichen. Datenbasis waren

re 2001 mit der Entwicklung des HELIOS Peer

Routinedaten aus den Krankenhausinformationssystemen, wie Abrechnungsdaten und

Review Verfahrens (Krahwinkel u. Rink 2013). In diesem Verfahren werden bei Übersterblich-

Krankenhaussterblichkeiten, im Vergleich zu

keiten in einer Klinik 15–20 Patienten eines

den entsprechenden Daten aus dem statisti-

Krankheitsbildes durch mindestens zwei Peers

schen Bundesamt. Klinikspezifische Sterblich-

einer retrospektiven Aktenanalyse unterzogen.

keiten im Vergleich zu dem Bundesdurchschnitt

Ziel dieser Aktenanalyse ist, zu eruieren, ob die

transparent darzustellen, war im deutschspra-

HELIOS Unternehmens deutlich schlechter war

Behandlung des jeweiligen Patienten optimal verlaufen ist oder ob sich Verbesserungspotenzial in der Behandlung finden lässt. Die Peers sind anerkannte Fachleute, in der Regel Chefärzte aus anderen HELIOS Kliniken. Durch die

als der bundesweite Durchschnitt. Diese Krank-

konkrete Fallbesprechung vor Ort wird mit den

chigen Raum zu dieser Zeit ein Novum. Schnell wurden häufige Krankheitsbilder identifiziert, bei denen die Krankenhaussterblichkeit des

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18 Ist bei den Peer Reviews eigentlich schon mal jemand klüger geworden?

leitenden Ärzten der Review-Klinik das gefun-

licher Behandlung mit dem Ziel, zu lernen und

dene Verbesserungspotenzial kollegial wert-

die Behandlungsqualität zu verbessern, aber

schätzend und auf Augenhöhe besprochen. Im

auch selbstkritisch Fehler zu benennen und an-

gemeinsamen Gespräch werden Lösungswege

erkannte Fachkollegen in die eigenen Akten

festgelegt, die dann die Review-Klinik in Eigen-

schauen zu lassen, etablierte sich erst allmäh-

regie umsetzt. Im HELIOS Konzern werden alle

lich in Deutschland.

Chefärzte eines Fachgebietes einer Klinik in

In den ersten Jahren wurden Krankheitsbil-

Fachgruppen zusammengeschlossen. Die ini-

der auf Klinikebene untersucht. Eine ausrei-

tial untersuchten Krankheitsbilder Herzin-

chende Patientenzahl war erforderlich, um

farkt, Herzschwäche und Lungenentzündung

entsprechend auch systematisches Verbesse-

betrafen die Fachgruppe Innere Medizin. Trotz

rungspotenzial und nicht nur Einzelfehler de-

anfänglich kontroverser Diskussion in der Fachgruppe Innere Medizin wurde durch das

tektieren zu können. Krankheitsbilder mit einzelnen Todesfällen auf Klinikebene, wie z.B.

vertrauensvolle kollegiale Verhältnis der Chef-

Gallenoperationen, Leistenbruchoperationen

ärzte in der Fachgruppe das Verfahren zugelassen und weiterentwickelt.

oder Hüftgelenkersatz, waren mit dieser Me-

Im Jahre 2003 wurden erstmalig im HELIOS Unternehmen Peer Review Verfahren in der In-

thode nicht fassbar. Daher wurden im Jahre 2007 Zentrale HELIOS Peer Review Verfahren für diese Krankheitsbilder eingeführt. Ziel

tensivmedizin bei verstorbenen Patienten mit

war, zu untersuchen, ob Muster unzulängli-

Beatmung > 24 h durchgeführt. Die ersten Peer

cher Patientenbehandlungen in Einzelkliniken

Review Erfahrungen bei Beatmungspatienten

hausübergreifend zu finden waren. Letztlich

wurden auf einem Fachgruppentreffen der Fachstellt. Hierbei kam es zu einer hitzigen Diskus-

ließen sich zwei wesentliche Muster negativer Patientenverläufe erkennen. Einerseits wurde der vermeidlich kleine Eingriff bei einem sehr

sion mit heftiger verbaler Attacke gegen den Re-

kranken Patienten zum großen Eingriff und in

ferenten durch einige Kollegen, die mittlerwei-

der Gesamtkonstellation das Risiko unter-

le großen Protagonisten des Verfahrens sind. Insgesamt waren die Schwierigkeiten bei der

schätzt (Burgard u. Krahwinkel 2014). Anderer-

Einführung und Entwicklung des HELIOS Peer

postoperativer Infektionen zum Teil unzurei-

Review Systems im HELIOS Unternehmen je-

chend. Dies führte zu unterschiedlichen Maßnahmen im Unternehmen und letztlich bzgl. des präoperativen Risikos zur Einführung der HELIOS Checkliste PRÄ.

gruppe Anästhesie- und Intensivmedizin darge-

doch überschaubar. Der Einführungs- und Entwicklungsprozess des Verfahrens lag und liegt in der Hand von HELIOS Medizinern, wie der

seits war die Achtsamkeit für das Eintreten

Arbeitsgruppe Internes Qualitätsmanagement

Die in Ärzteschaft und Gesellschaft zuneh-

(Gruppe der Peers), dem Medizinischen Beirat fördert durch die Unternehmensgeschäftsfüh-

menden Qualitätsdiskussionen, die auf verschiedensten Kongress- und Weiterbildungsveranstaltungen anhaltenden Darstellungen

rung ohne Eingreifen in das Verfahren.

des HELIOS Qualitätsmanagementsystems mit

und den Fachgruppen. Er wird wohlwollend ge-

Weitverbreitete kritische Töne, aber auch wohlwollendes Interesse erfuhren die HELIOS Protagonisten bei der Darstellung des HELIOS

Messung von Qualitätsindikatoren, transparentes Benchmarking im Unternehmen und Durchführung der Peer Review Verfahren führ-

Peer Review Systems als Qualitätsmanagement-Verfahren auf nationalen Weiterbil-

ten zu einem zunehmenden Interesse im Deutschen Gesundheitswesen für dieses Verfahren.

dungskongressen und Veranstaltungen. Diese

Im Jahre 2008 schlossen sich daher einige

transparente und kritische Betrachtung ärzt-

deutsche Kliniken zur Initiative Qualitätsme-

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18.2 Erfolgreiches HELIOS Peer Review Verfahren – Klinikebene

18

dizin IQM zusammen. IQM konnte und kann

Untersucht wurden verstorbene Beatmungs-

man beitreten, wenn man sich drei Grundprin-

patienten auf einer interdisziplinären Intensiv-

zipien verpflichtet:

therapiestation. In dem erstellten Peer Review

Messung von Qualitätsindikatoren aus Rou-

Protokoll gaben die Peers aufgrund ihrer retro-

tinedaten,

spektiven Aktenanalyse ihren Eindruck wieder:

transparente Veröffentlichungen dieser Qualitätsindikatoren und

aktives Qualitätsmanagement durch Peer Review Verfahren entsprechend des Verfahrens aus dem HELIOS Unternehmen.

Die IQM Klinik Peer Review Verfahren wurden durch die Bundesärztekammer begleitet und bewertet. Die Bundesärztekammer zeigte großes Interesse an dem fachlich kollegialen ärztlichen Qualitätsmanagementverfahren auf Augenhöhe mit dem Ziel, die Behandlungsqualität zu optimieren. Die Aktivitäten von HELIOS und IQM und die Erfahrungen der Bundesärztekammer aus der Begleitung des Verfahrens bewirkten, dass die Bundesärztekammer im Jahre 2011 das Curriculum Ärztliches Peer Review beschloss. In diesem Curriculum wurde festgelegt, wie eine Weiterbildung zum Ärztlichen Peer durchzuführen ist. Das HELIOS Unternehmen hat diese Entwicklung maßgeblich betrieben. Im Jahre 2014 ist das Peer Review Verfahren im HELIOS Unternehmen und in den Mitgliedskliniken der Initiative Qualitätsmedizin ein etabliertes Verfahren des Qualitätsmanagements. Die folgenden drei Unterkapitel versuchen die Frage konkreter zu analysieren, ob bei Peer Reviews eigentlich schon mal jemand klüger geworden ist.

18.2 Erfolgreiches HELIOS Peer Review Verfahren – Klinikebene Beispielhaft wird anhand eines durchgeführten Klinik Peer Review Verfahrens in einer HELIOS Klinik das gefundene Verbesserungspotenzial und die eingeleiteten Maßnahmen dargestellt.

Die Diagnostik war überwiegend deutlich zu wenig und nicht zielgerecht durchgeführt. Dies betraf insbesondere die bildgebende Diagnostik auf der Intensivstation wie Röntgen-Thorax, Echokardiographie und Sonographie. Beispielsweise wurde bei Beatmung wegen kardialem Lungenödem und nicht konsequenter, erfolgreicher Rekompensation ohne dokumentierte Entscheidungsgrundlage und ohne radiologische Therapieüberprüfung dann auch frustran entwöhnt. Zur Steuerung der Volumen- und Katecholamintherapie wurden lediglich der ZVD oder die 2 x tgl. Routinebestimmung der Sauerstoffsättigung in der Vena cava superior abgenommen. Eine kurzfristige Bestimmung der Sauerstoffsättigung zur Einschätzung einzelner therapeutischer Interventionen war nicht erkennbar. Weitere Parameter wie Echo, HZV-Bestimmung mittels PICCO oder PA-Katheter oder Vergleichbares wurden bei schwierigen Patienten nicht durchgeführt. Ferner wurden etablierte und gesicherte intensivmedizinische Konzepte wie z.B. die engmaschige Blutzuckereinstellung (Anmerkung: damals ein etabliertes Verfahren [van den Berghe 2001]), Katecholamintherapie und Volumentherapie bei Sepsis (Rivers et al. 2001) nicht hinreichend umgesetzt. Ein notwendiges Antikoagulations-Monitoring bei Niereninsuffizienz und Therapie mit niedermolekularem Heparin fand nicht statt. Bei Verschlechterung des Patienten wurde nicht konsequent und aggressiv nach der Ursache gesucht. Es erfolgte nahezu keine Dokumentation von Arbeitsdiagnosen und Therapiezielen bzw. Entscheidungsgrundlagen zu Therapiebeendigungen. Ein ständiges kritisches zeitnahes Hinterfragen des einmal eingeschlagenen Behandlungsregimes war nicht immer erkennbar. Die Behandlung wurde auch nicht konsequent anhand der Leitlinien durchgeführt. Dies betrifft insbesondere die Therapie der Herzinsuffizienz und des Herzinfarktes auf der Intensivstation. Abweichungen von den Leitlinien wurden nicht begründet dokumentiert. Gründe waren retrospektiv der Akte auch nicht zu entnehmen. Einige häufiger auf der Intensivstation

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18 Ist bei den Peer Reviews eigentlich schon mal jemand klüger geworden?

durchgeführte therapeutische Maßnahmen wie Hochdosis Mucosolvan-Therapie zur Sekretolyse und DiamoxTherapie zur Beeinflussung des Säure-Base-Haushaltes sind nicht Evidence based und eher fragwürdig.

de der breiten Klinikgruppe zugänglich gemacht. Es wurden auch Kampagnen im Unternehmen durchgeführt, um etabliertes Fachwissen in den einzelnen Kliniken umzusetzen, dessen Durchsetzung sich auf Klinikebene

Im Anschluss an die retrospektive Aktenanalyse der Peers erfolgte eine konstruktive mehr-

deutschlandweit nachweislich als schwierig erwies. Ein diesbezügliches Beispiel war die

beteiligten Kollegen des Review-Hauses. Zum

„Low-Tidal-Kampagne“. Kampagnenziel war HELIOS Patienten entsprechend der wissen-

Abschluss des Gespräches hatten die Peers den

schaftlichen Ergebnisse der ARDS Network-

Eindruck, dass in der Einzelfallbeurteilung die Peers und die deutliche Mehrzahl der teilnehmenden Ärzte übereinstimmten. Als gemein-

Studie (The Acute Respiratory Distress Syndro-

same Maßnahmen wurden ausführliche Schu-

unterstützt durch an jedem Beatmungsgerät

lungen der ärztlichen Mitarbeiter, weiterbil-

angebrachte Durchführungstabellen und Stan-

dende Hospitationen in den anderen HELIOS

auch Änderungen ärztlicher Zuständigkeiten

dardeinstellungen. Eine in der Folge durchgeführte Untersuchung über die Umsetzung der ‚Low-Tidal-Therapie‘ ergab eine in weiten Teilen erfolgreiche Umsetzung. Zu verhehlen ist jedoch nicht, dass auch diese nicht flächende-

mit den Kollegen abgesprochen. Als Umset-

ckend gelang. Medizinisch-wissenschaftlich

zungszeitraum wurde gemeinsam mit der Kli-

gut belegte Erkenntnisse der Medizin bei Indi-

nikleitung für viele Einzelmaßnahmen 3 Mo-

kation flächendeckend umzusetzen, erwies

nate, für den Gesamtprozess 6 Monate festge-

sich auch in unserem Unternehmen als eine

legt. Die Behandlungsqualitätsverbesserung zeigte sich im weiteren Verlauf in den Quali-

Herausforderung. Eines der Ergebnisse der Zentralen Review-

tätsindikatoren und vor Ort.

Verfahren war, dass die präoperativen Risiko-

stündige kritische Einzelfalldiskussion mit den

Klinken, Erarbeitung von Standards bzw. Weitergabe von Standards aus anderen HELIOS Kliniken und im gegenseitigen Einvernehmen

me Network 2000) mit niedrigen Atemhubvolumen zu behandeln. Diese Kampagne wurde

einschätzungen bezüglich der Erkrankungsschwere einschließlich der Komorbiditäten und

18.3 HELIOS Peer Review Verfahren – Konzernebene

bezüglich des individuellen Eingriffsrisikos für den Patienten verbesserbar waren. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde in einem mühsamen

Die HELIOS Peer Review Verfahren fanden vor

Prozess eine präoperative Checkliste basierend

Ort in den HELIOS Kliniken ähnliche fachliche

auf den Empfehlungen des American College of

Problempunkte und Verbesserungsthemen. Diese fachlichen Themen wurden durch die

Cardiology (Eagle et al. 2002) unter Hinzufü-

Arbeitsgruppe Internes Qualitätsmanagement

gen und Leberzirrhose erstellt. Nach Einschät-

an die HELIOS Fachgruppen weitergeleitet. In

zung des Patienten mittels dieser Checkliste

den Fachgruppen wurden in der Gruppe oder in

durch den Operateur und Narkosearzt wird von

einem Expertengremium zu diesen Themen HELIOS Handlungsempfehlungen mit Leitli-

beiden festgelegt, ob ein internistisches oder

niencharakter oder Standards entwickelt. Die Ergebnisse wurden in die einzelnen Kliniken

soll. Ziel dieses Konsils ist bei planbaren Eingriffen die Klärung, ob der Patientenzustand

transferiert. Dadurch erfolgte ein erheblicher Wissenstransfer. Spezialistenkompetenz wur-

präoperativ durch eine adäquate Behandlung

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gung einzelner Punkte zu Lungenerkrankun-

kardiologisches Konsil durchgeführt werden

verbesserbar ist. Dieses Verfahren führte zu


18.4 Ergebnisverbesserung durch HELIOS Peer Review Verfahren

18

einer spezifischeren und besseren Risikoab-

fand sich eine Krankenhaussterblichkeit bei

schätzung des Patienten für die jeweilige Ope-

Herzinfarkt von HELIOS-weit 12,9% vs. bundes-

ration und beeinflusst das perioperative Patien-

weit 10,9%, bei Herzschwäche HELIOS-weit

tenmanagement. Die Indikation für bestimmte

17,4% vs. bundesweit 13,8% und bei Lungenent-

elektive Eingriffe wird ggf. nochmals kritisch

zündung HELIOS-weit 13,1% vs. bundesweit

hinterfragt und der Patient kann adäquat über

10,9%. Die HELIOS Sterblichkeiten dieser 16 Kli-

sein Risiko aufgeklärt werden. Die Benutzung der Checkliste präoperatives Risiko ist vor jeder

niken ließen sich innerhalb 8 Jahre für alle drei

Operation im HELIOS Konzern verpflichtend.

gleichbaren Bundesdurchschnitts senken. Die

Nach doch anfänglich großen Etablierungs-

Daten des Statistischen Bundesamtes werden

schwierigkeiten wird diese Checkliste flächen-

mit 2 Jahren Verspätung publiziert. Im Jahre

deckend im HELIOS Konzern eingesetzt. Die geforderte vollständig korrekte Umsetzung ist im

2008 lag die Sterblichkeit bei Herzinfarkt im HELIOS Unternehmen bei 7,8% vs. bundesweit

Unternehmen noch nicht ganz erreicht. Insbe-

bei 10,5%, die Sterblichkeit bei Herzschwäche

sondere fehlen Listen bei Re-Eingriffen oder die

im HELIOS Unternehmen bei 6,6% vs. bundesweit 9,8% und bei Lungenentzündung im HE-

Checklisten sind fehlerhaft ausgefüllt.

Krankheitsbilder um etwa 3% unterhalb des ver-

Ebenfalls erlernt aus den HELIOS Peer Review

LIOS Unternehmen bei 7,5% und bundesweit bei

Verfahren wurde die Tatsache, dass die Auf-

10,7% (Krahwinkel et al. 2011). Ein definitiver

merksamkeit für einlaufende postoperative In-

wissenschaftlicher Beweis, dass die Abnahme

fektionen in einigen Fällen als unzureichend

dieser Krankenhaussterblichkeiten durch das

einzustufen ist. Versuche der HELIOS Mediziner,

HELIOS Peer Review Verfahren hervorgerufen

postoperative Infektionen via Checklisten, be-

wurde, ist aus unseren Daten nicht zu erbrin-

stimmten Laborkonstellationen aus dem Kran-

gen. Der Gesamtmaßnahmenkatalog mit Mes-

kenhausinformationssystem oder Einbeziehung

sungen von Qualitätsindikatoren, transparen-

des Pflegepersonals als Hinweisgeber frühzeitig in großem Umfang zu erfassen, haben sich bis-

te Veröffentlichungen der Ergebnisse, Bench-

her nicht bewährt. Die Suche nach einem erfolgreichen Werkzeug zur frühzeitigen Erkennung und Behandlung von einlaufenden Infektionen im HELIOS Unternehmen geht weiter.

marking der Kliniken, Durchführung von Klinik- und zentralem Peer Review Verfahren im HELIOS Unternehmen, die Ableitung von Behandlungsmaßnahmen durch das erkannte Verbesserungspotenzial und HELIOS-weite diesbezügliche Fachdiskussionen mit Verbesserungen der fachlichen Kompetenz haben dieses

18.4 Ergebnisverbesserung durch HELIOS Peer Review Verfahren

Ergebnis bewirkt. Das stärkste Qualitätsmanagementwerkzeug zur Aufdeckung von Verbesserungspotenzial ist jedoch unseres Erach-

Ausgangslage für die Entwicklung des HELIOS Peer Review Verfahren und des HELIOS Quali-

tens das Peer Review Verfahren. Derzeit durch-

tätsmanagementsystems waren die Übersterb-

Kliniken vor und nach HELIOS Peer Review Ver-

lichkeiten in den Krankheitsbildern Herzin-

fahren sowie auf Unternehmensebene bzgl. der

farkt, Herzschwäche und Lungenentzündun-

Eingriffe mit niedrigem Eingriffsrisiko weisen ebenfalls auf die starke Bedeutung der HELIOS Peer Review Verfahren hin.

gen im HELIOS Unternehmen im Jahre 2000. Die Daten der damals zum HELIOS Unternehmen gehörenden 16 Kliniken wurden über

geführte Untersuchungen auf Klinikebene in

10 Jahre ausgewertet und mit den bundesweiten Sterblichkeiten verglichen. Im Jahre 2000

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18 Ist bei den Peer Reviews eigentlich schon mal jemand klüger geworden?

18.5 Kritische Situationen HELIOS Peer Review Verfahren haben die Unternehmenskultur, das Qualitätsverständnis und die Außenwahrnehmung des Unternehmens seit Bestehen von HELIOS erheblich geprägt. Es gab auch für die Weiterentwicklung und Akzeptanz des Verfahrens kritische Situationen. Beispielhaft werden nachfolgend einige dieser Situationen in der Entwicklung des HELIOS Peer Review Verfahrens dargestellt.

Situation 1 In einer chirurgischen Abteilung einer HELIOS Klinik waren bereits drei Peer Review Verfahren aufgrund erhöhter Sterblichkeiten nach Dickdarmeingriffen durchgeführt worden. Ein Ergebnis der drei Peer Review Verfahren war die zu häufige Rate von Anastomoseninsuffizienzen mit nachfolgender Sepsis und Versterben des Patienten. Aufgrund weiter erhöhter postoperativer Sterblichkeit sollte ein viertes Peer Review Verfahren in dieser Klinik durchgeführt werden. Dieses Ansinnen der lokalen und regionalen Geschäftsführung wurde abgelehnt mit der Begründung, dass die Probleme der Klinik klar auf dem Tisch liegen und diese durch eine Managemententscheidung zu lösen sind und nicht durch ein weiteres Peer Review Verfahren. Das wiederholt gefundene Verbesserungspotenzial war nicht umgesetzt worden. Situation 2 In einer HELIOS Klinik gab es persönliche und fachliche Differenzen zwischen dem anästhesiologisch-intensivmedizinischen Chefarzt auf der einen Seite und dem viszeralchirurgischen Chefarzt auf der anderen Seite. In der Phase, in der ein neuer Intensivmedizinindikator im Peer Review Verfahren getestet werden sollte, hatte sich der Anästhesiechefarzt freiwillig zu dem Peer Review Verfahren gemeldet. Dieses Verfahren wollte der anästhesiologische Chefarzt instrumentalisieren, um den viszeralchirurgischen Chefarzt zu kompromittieren und Personalentscheidungen einzufordern. Diese Situation war dem Peer-Team im Vorfeld nicht bekannt. Das Peer-Team hat im durchgeführten Review auch deutliches Verbes-

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serungspotenzial in der Intensivmedizin erkannt. Dieses wurde bei dem gemeinsamen kollegialen Abschlussgespräch ausführlich diskutiert und das Verbesserungspotenzial kollegial und sachlich beschrieben. Initial schien es, dass der anästhesiologische Chefarzt die Hinweise positiv aufnehmen und den Verbesserungsprozess einleiten würde. Auf die persönlichen Ränkespiele ließ sich das Peer-Team nicht ein. Somit kam es nicht zu der gewünschten Diskreditierung des viszeralchirurgischen Chefarztes. Einige Tage nach dem Abschlussgespräch wurde durch den anästhesiologischen Chefarzt der Review-Klinik versucht, das Peer-Team fachlich im Unternehmen zu diskreditieren und die Ergebnisse als Inkompetenz des Peer-Teams hinzustellen. In dieser Situation schritt die Unternehmensgeschäftsführung ein, informierte sich ausführlich bei den Peers über die Situation und verbat sich jegliche Infragestellung des Peer-Teams. Es erging der klare Auftrag an die Klinik, das Verbesserungspotenzial zu heben und die Probleme zu lösen. Situation 3 In einer anderen HELIOS Klinik hatte der Chefarzt der Review-Abteilung keine Lust auf das Verfahren. Er war durch das Peer-Team und dem Review-Teamleiter adäquat informiert worden und das Verfahren wurde kollegial und korrekt seitens des Review-Teamleiters vorbereitet. Am gemeinsam abgesprochenen Review-Termin ließ der Klinikchef das Peer-Team einen längeren Zeitraum über den abgesprochenen Treffzeitpunkt hinaus warten, begrüßte sie nicht und ignorierte das Team. Letztlich wurde aufgrund der Intervention des ReviewTeamleiters und der Peers doch noch das Verfahren gestartet, sachlich durchgeführt und beendet. Die Information über die Anfangsschwierigkeiten wurde weitergeleitet. Der Chefarzt erhielt eine klare Ansage über die Bedeutsamkeit des Verfahrens und die Nichtbeachtung des Peer-Teams. Situation 4 In einer anderen Klinik wurden bei einem Peer Review Verfahren die Akten nicht vorbereitet mit dem Hinweis, dass alle Akten im Krankenhausinformationssystem enthalten sind. Den Peers wurden ein Raum, ein Computer,


18

18.6 Fazit

aber keinerlei Support für die den Peers unbekannten EDV-Programme zur Verfügung gestellt. Das Peer Review Verfahren wurde abgebrochen. Der Chefarzt der Review-Klinik erhielt eine erneute, klare Darstellung des richtigen Verfahrensablaufes. Letztlich wurde das Verfahren nach einigen Wochen fachgerecht durchgeführt.

gelernt. Nicht in jedem Fall ließen sich alle Verbesserungspotenziale so umsetzen wie gewünscht, jedoch ist bei einem lernenden System dieses hoffentlich verbesserbar.

Literatur In Einzelfällen gab es gelegentlich das Ansinnen, Peer Review Verfahren in Kliniken durchzuführen, die im Ruf einer schlechten Behandlungsqualität standen und bei denen die Personaldebatte um den Chefarzt bereits begonnen hatte. Diese sehr seltenen Einzelansinnen wurden vom Medizinischen Beirat und der Arbeitsgruppe Internes Qualitätsmanagement abgelehnt. Das Ziel der Peer Review Verfahren ist der kollegiale Austausch auf Augenhöhe mit dem Heben von Verbesserungspotenzial.

kkk

Diese Beispiele verdeutlichen auch, dass die Peer Review Verfahren von Fachkollegen unabhängig durchgeführt werden müssen, die Unternehmensführung diese fachliche Auseinandersetzung will und die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür bereithält.

18.6 Fazit Abschließend noch mal zu der in der Überschrift gestellten Frage „Ist bei den Peer Reviews schon mal jemand klüger geworden?“: Sowohl die Peers als auch die Ärzte der ReviewKliniken haben bei den Peer Review Verfahren viel Verbesserungspotenzial entdeckt und viel

Burgard G, Krahwinkel W (2014) Vom Peer Review zur Patientensicherheit. In: Burgard G, Baberg HT, Popken G (Hrsg.) Patientensicherheit – GemeinsamSicher. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, S. 13–23 Eagle KA, Berger PB Calkins H, Chaitman BR, Ewy GA, Fleischmann KE, Fleisher LA, Froehlich JB, Gusberg RJ, Leppo JA, Ryan T, Schlant RC, Winters WL Jr. (2002) ACC/AHA guideline update for perioperative cardiovascular evaluation for noncardiac surgery: a report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines (Committee to Update the 1996 Guidelines on Perioperative Cardiovascular Evaluation for Noncardiac Surgery). American College of Cardiology Website. http://circ.ahajournals.org/content/ 105/10/1257.full.pdf+html (Zugriff am 15.08.2013) Krahwinkel W, Rink O (2013) Von einer Idee in Leisnig zum Curriculum der Bundesärztekammer. In: Krahwinkel W, Meier-Hellmann A, Zacher J (Hrsg.) Peer Review – sicher ist besser. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin, S. 1–10 Krahwinkel W, Rink O, Liebetrau M, Günther M, Schuler E, Kuhlen R (2011) 10 Jahre Peer Review – Verbesserung der medizinischen Behandlung durch Qualitätsindikatoren aus Routinedaten. Dtsch Med Wochenschr 136: 2083–2088 Rivers E, Nguyen B, Havstad S, Ressler J, Muzzin A, Knoblich B, Peterson E, Tomlanovich M; Early Goal-Directed Therapy Collaborative Group (2001) Early goal-directed therapy in the treatment of severe sepsis and septic shock. N Engl J Med 345: 1368–77 The Acute Respiratory Distress Syndrome Network (2000) Ventilation with lower tidal volumes as compared with traditional tidal volumes for acute lung injury and the acute respiratory distress syndrome. N Engl J Med 342: 1301–1308 Van den Berghe G, Wouters P, Weekers F, Verwaest C, Bruyninckx F, Schetz M, Vlasselaers D, Ferdinande P, Lauwers P, Bouillon R (2001) Intensive insulin therapy in critically ill patients. N Engl J Med 17: 1359–1367

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18 Ist bei den Peer Reviews eigentlich schon mal jemand klüger geworden?

Dr. med. Wolfgang Krahwinkel Studium der Humanmedizin an der Universität Düsseldorf von 1980 bis 1986. Dissertation an der Nuklearmedizinischen Klinik der Universität Düsseldorf in der Kernforschungsanlage Jülich 1983 bis 1987. Facharztausbildung Arzt für Innere Medizin 1988 bis 1994 an der Medizinischen Klinik B der Universitätsklinik Düsseldorf, an der Medizinischen Klinik des Städtischen Krankenhauses Düsseldorf-Gerresheim und am Herzzentrum Wuppertal/Universität Witten Herdecke. 1995 bis 1998 Oberarzt am Herzzentrum Wuppertal. Seit 1996 Arzt für Kardiologie. Fakultative Weiterbildung in Spezieller Internistischer Intensivmedizin und Zusatzbezeichnungen Notfallmedizin und Schlafmedizin. Seit 1998 HELIOS Krankenhaus Leisnig, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Intensivmedizin. Leiter der Arbeitsgruppe internes Qualitätsmanagement der HELIOS Kliniken GmbH. Medizinischer Beirat der HELIOS Kliniken GmbH.

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