Ist die Delegation ärztlicher Tätigkeiten möglich?

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II Spezieller Teil

Bei einer ausgefeilten Leistungs- und Kostenrechnung lassen sich Schwachstellen und Verbesserungsbedarf schnell lokalisieren. Typische Besonderheiten wie der Umfang ambulanter Tätigkeiten und das finanzielle Ausmaß interner Leistungen müssen dabei beachtet werden. Neben dem Vergleich unter Kliniken kann für die einzelne Klinik auch ein Zeitvergleich von Interesse sein. Entsprechende Parameter und Planungen zur Personalproduktivität sollten in Zielvereinbarungen mit Chefärzten eingehen.

5.8. Ist die Delegation ärztlicher Tätigkeiten möglich? Die Medizin wurde ökonomisiert. Die Vergütung von Krankenhausleistungen ist unverändert gedeckelt. Viele Krankenhäuser erwirtschaften Verluste. Da die Ärzteschaft je Vollkraft die mit Abstand kostenintensivste Berufsgruppe darstellt, gab und gibt es Überlegungen ärztliche Tätigkeiten an andere Berufsgruppen zu delegieren. Hinsichtlich des rechtlichen Rahmens gibt es die Möglichkeit bisher ärztlich wahrgenommene Tätigkeiten auf nicht ärztliche Gesundheitsberufe zu übertragen. Die Leistungsverantwortung verbleibt dabei beim Arzt. Des Weiteren besteht die Möglichkeit der Substitution, d.h. gleichzeitige Übertragung der ärztlichen und juristischen Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführungen der Tätigkeit durch eine nicht-ärztliche Person. In anderen Ländern gibt es hierfür durchaus Beispiele. Da sich der 111. Deutsche Ärztetag 2008 eindeutig gegen die Substitution ausgesprochen hat, wurde dies in der Folgezeit kaum weiter verfolgt – wenn auch im Zusammenhang mit einem Gesetz zur Pflegereform dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eine Richtlinienkompetenz zur Bestimmung übertragbarer ärztlicher Tätigkeiten eingeräumt wurde. Eine Entscheidung zur Delegation ärztlicher Tätigkeiten erfordert die Kenntnis quantitativer Parameter und Effekte bezüglich:

Leistungen (Art, Menge, Entwicklungen) Personal (Qualifikation, Zahl, Struktur, Kosten) Erlöse (Höhe, Liquidität) Kosten (Personalkosten, Materialkosten, Logistikkosten, …) Zeit (für einzelne Prozesse, Verweildauer) Qualität (externe Erhebungen, interne Parameter und Daten)

Bei der eventuellen Delegation ärztlicher Tätigkeiten interessieren vor allem der Kosteneffekt und die organisatorischen Anforderungen und möglicherweise notwendige Veränderungen. Beispiele delegierbarer Tätigkeiten betreffen sowohl ärztliche Tätigkeiten wie venöse Blutentnahmen und Aufziehung von Medikamenten, die auf 154


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5 Personaleinsatz, -gewinnung und -motivation

Mitarbeiter aus der Pflege übertragen werden könnten, wie auch nichtärztliche Tätigkeiten wie die Versorgung chronischer Wunden, EKGSchreiben oder Terminkoordination, wobei letztere auch vom medizinischtechnischen Assistenzpersonal (MTD) übernommen werden können. Die rechtlichen Voraussetzungen und Folgen der Delegation ärztlicher Tätigkeiten sind vielschichtig: Beim Arzt verbleibt die Gesamtverantwortung für den Patienten; die Gesundheitsberufe, also insbesondere Pflege, gegebenenfalls MTD, müssen ein sicheres Leistungsprofil garantieren. Die Rechtsgrundlage ist der Krankenhausaufnahmevertrag. Haftungsansprüche können gemäß BGB § 823 und 276 (2) den Krankenhausträger bezüglich der Leistungsbestimmung und einer Sorgfaltspflicht zum Ausschluss von Schadensfällen, den anordnenden Arzt, der Facharztstandard garantieren muss, und die Pflege hinsichtlich der Sorgfaltspflicht treffen. Sehr wichtig ist, dass der Patient in die Delegation einwilligen muss. Aus Praxisberichten, etwa 2008 aus dem Universitätsklinikum Münster, sind nicht unerhebliche Einsparungen bekannt. Es gibt dabei oft kritische Stimmen aus der Pflege und die Pflegenden empfinden nicht selten zumindest subjektiv eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit.

Beachte Die Delegation ärztlicher Tätigkeiten ist ein aufwendig vorzubereitender Prozess mit etlichen Risiken, der regelmäßig die zusätzliche Belastung der Pflege zur Folge hat. Deshalb sollten potenzielle Maßnahmen zur Entlastung der Pflege frühzeitig bedacht werden. Zu denken ist an (Patienten-)Verwaltung und Arztassistenz, Organisation und Austeilung des Essens, Service- und Versorgungsaufgaben. Generell wird der ärztliche Stellenbedarf jedoch auch durch technische Neuerungen beeinflusst und mitunter reduziert: Die Einführung von RIS/PACS erbringt eine Konzentration und den schnelleren Zugriff auf Informationen. Die digitale Krankenakte erleichtert unter anderem die Anordnung und die Überprüfung der Medikation und Spracherkennungssysteme können die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Schreibarbeitsstellen einfacher und kostengünstiger machen. Eine genaue Analyse wird zeigen, dass eine gute Organisation aller für die Patientenbehandlung erforderlichen Tätigkeiten regelmäßig wirtschaftliche Reserven beinhaltet und ergänzend zur hohen Qualität der Leistungen der entscheidende Faktor für den Erfolg ist.

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