130622 Florian Tuczek Bedingungsloses Grundeinkommen

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Bedingungsloses Grundeinkommen - Pro und Contra Diskussionsbeitrag von Florian Tuczek zum NachDenkSeiten-Gespräch in Leipzig am 20.06.2013 Art der Behandlung des Themas Eine geordnete Zusammenstellung von gesammelten Ideen, Annahmen und Argumenten, unter Verzicht auf: - eine Entstehungsgeschichte vom schwer zu bestimmenden Anfang an - ein Referieren aktueller Modelle einzeln jeweils als Ganzes - weil ausnahmslos zu offensichtlich abhängig von: - den Bedingungen der Epoche - den persönlichen Interessen; Lebensumständen und Hintergründen der Verfasser/Verfassergruppen unterschiedlichster politischer Couleur, - und weil mir deshalb kein Modell für sich zugesagt hat. - ein ausführliches rechnerisches Lavieren (immer Milchmädchenrechnung) Die Erarbeitung eines subjektiven Vorschlags mit Ideen zur Überwindung von Unzulänglichkeiten. Gegenwärtige soziale und wirtschaftliche Situation Wirtschaft in D und der EU wächst wenig, Die Aktien-Indices steigen schneller als die Wirtschaft wächst, Umverteilung findet nach oben zu den Shareholders statt Eine neue Qualität ist die Steigerung der Produktivitätssteigerung dank Internet dar. Automation und Proletarisierung der Dienstleistung neue Arbeitsplätze hierfür - noch mehr Automation, d. h. je mehr “zukunftsfähig” gearbeitet wird, um so mehr wird an der Automation gearbeitet. Die Automation wird auch noch Pflegeberufe erfassen) Das Gesamtvolumen der Arbeitsmöglichkeiten schrumpft, selbst wenn neue Bedürfnisse generiert werden. Das liegt auch daran, dass der Menschheit insgesamt nur endlich viel Lebenszeit zur Verfügung steht, um neue Konsum- und Dienstleistungsangebote wahrzunehmen und zu nutzen. Versorgung mit „Beschäftigung“ funktioniert nicht Entwertung menschlicher Arbeit Selbst für Niedriglöhner sind nicht genug Jobs vorhanden, von dort aus keine Aufstiegschancen. Verdienstanreize laufen dort ins Leere Was ist noch „Leistung? - Arbeit ist nicht per se sinnvoll - z.B. In der Finanzindustrie - Leistungsträger bauen auf fremden Vorleistungen auf Portionierung von Arbeit in immer kleinere Portionen wird schwierig Wenig zu arbeiten bedeutet, weniger Einfluss auf Arbeitsinhalte zu haben, weil es sonst ineffizient ist, viel Zeit auf Mitbestimmung zu verwenden, es sei denn, man ist externer Berater, was wieder zum Parasitären tendiert. Notwendig ist deshalb auch meines Erachtens die Entkoppelung von Erwerbsarbeit und Existenzsicherung, also ein BGE. Ziele der BGE-Modelle – je nach Modell alternativ oder kumulativ - Menschenwürde und Freiraum zur Selbstbestimmung - Keine Stigmatisierung und Diskriminierung eines Lebens ohne Erwerbsarbeit - Senkung der Lohnkosten und Steuerlasten für Unternehmen - Rettung der Versicherungswirtschaft 1


Definition des BGE: Ein Einkommen - vom Staat garantiert und in Geld ausgegeben, also keine - Gutscheine oder - Sach- oder (z.B. soz. kult.) Dienstleistungen - für jedes Individuum mit der Staatsbürgerschaft eines Staats oder Staatenbundes - unabhängig von Familienstand, Lebenspartnerschaft, Wohngemeinschaft - unbefristet, in jedem Lebensalter - existenzsichernd: - Essen, Kleidung, Haushalt, Wohnen, Gesundheit, - ausreichend für gesellschaftliche Teilhabe: - Mobilität, Bildung, Kultur, Politik, Spiel, Unterhaltung - ohne Unterhaltsverpflichtung - ohne Bedürftigkeitsprüfung außerhalb der Steuererhebung für alle - ohne Zwang zu Erwerbsarbeit, faktisch wie formal - ohne Anwartschaften wie bei einer Versicherung Aus Mangel an allen vorgenannten Merkmalen scheidet das FDP-Bürgergeld aus. Viele weitere ein BGE assoziierende, aber anders benannte Modelle haben doch mindestens noch eine der folgenden Bedingungen: - Pflicht zur Haushalts-Arbeit für Familienangehörige - Plicht oder staatlich organisiertes Angebot zu irgendeiner „zumutbaren“ sonstigen handwerkl. soz. kult. Gegenleistung - Schein-freiwilliger (gemeinnütziger) Arbeitseinsatz, -dienst in einem öffentlicher und/od. staatl. gelenkten gemeinnützigen bzw. Non-Profit- und/oder Grundversorgungs-Sektor (J. Rifkin) - eine temporäre oder anteilige Arbeitspflicht im Leben (Lebensarbeitszeitkonto) Daraus entsteht die Gefahr des Entwicklung einer isolierten Parallelwirtschaft. Gerne wird der Begriff „garantiert“ benutzt, wenn eines aller vorgenannten Merkmale zutrifft. Manche dieser Modelle werden auch offiziell als erster Schritt zum BGE vorgestellt. Tatsächliche Vorteile des BGE allgemein, wenn höher als Alg. II in Relation zur sonstigen Wirtschaftsleistung und Vermögenssituation : - Befreiung von der Pflicht zur Lohnarbeit, Lohnabhängigkeit- Weniger berufliches Arbeiten als 40 Stunden pro Woche ist möglich - ohne Mehrarbeits-Verbot für den/die Erwerbsarbeitende/n - mit (selbstlosem) Loslassen von Erwerbsarbeit zugunsten von Arbeitslosen - mehr Arbeitsvolumen wird frei als Gelegenheit für bislang Erwerbslose - Mehr Zeit steht zur Verfügung: - zum Nachdenken anstatt übereilter Beschlüsse - für politische Teilhabe, technisch bereits erleichtert durch das Internet - gegen Machtkonzentration, ebenfalls möglich durch das Internet - für Angehörige, Kinder - für Weiterbildung - zum Materialsparen - für neue Ideen, Innovationen - mehr Freiheit bei Auswahl und Gestaltung der Arbeit - Möglichkeit zur Gestaltung vergleichsweise neuer Organisationsformen von Arbeit 2


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Möglichkeit zum Aufbau einer selbständigen Existenz - dank PC daheim als billigem Produktionsmittel Kollegialeres Verhalten in vertrauenswürdiger Umgebung Aufhebung des Gegensatzes von Arbeit und Leben (work life balance) - wenn Arbeit, dann als Teil des Lebens Ablehnung von Arbeit mit folgenden Eigenschaften: - schmutzig, ungesund, gefährlich, gefährdend, schädlich, - schmarotzerisch, unnütz, langweilig, stumpfsinnig, unangenehm, unbefriedigend, entwürdigend - weit entfernt von Wohnort (Zwang zu Mobilität) freiwillige Arbeit ist effizienter, also produktiver Das Gesamtvolumen angebotener Arbeitsmöglichkeiten darf sinken, ohne Staat oder Wirtschaft zu ruinieren

Subjektiver Vorschlag zur Gestaltung des BGE - ohne Arbeitsverbot, aber ohne ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz im Sinne einer garantierten Gelegenheit – also, der Gerechtigkeit halber, auch: - ohne Pflicht zur Leistung von irgendeiner Arbeit - Ausnahme: Kindererziehung außerhalb von Schule und Kindergarten - kein öffentlicher Sonderbereich für Niedriglöhne - Wiederherstellung eines einheitlichen und sozialen Arbeitsmarktes ohne NebenSektoren - Die soziale Marktwirtschaft wird nicht weiter beseitigt, sondern wiederhergestellt. - Automation unangenehmer Arbeiten (Ernten inkl. Spargel, Straßen- und Gebäudereinigung, Müllsammeln, Schneeschippen, und Körperhygiene für fremde Personen) - Zwangsarbeit nur bei - zur Beseitigung von selbst verursachten Schäden und - Langweilige, als Abschreckung bei selbst begangenen Verbrechen - Möglichkeit zur Gründung einer, oder zum Einstieg in eine Genossenschaft - Einstiegsgeld ist die angesparte Hälfte des BGE für Kinder, das nicht den Erziehungsberechtigten überlassen, sondern angespart wird. - Einfluss auf geringe Lohnspreizung im Betrieb - Einfluss auf Arbeitsvorgänge und Produkte dank - gewollt begrenzter Firmengröße und - selbständig arbeitender Einheiten (Subsidiarität). - Möglichkeit zur Gründung projektbezogener Netzwerke von Individuen und Gruppen - BGE ist eine negative Einkommenssteuer - Die volle Höhe erhält eine Person ohne irgendwelche Einnahmen - An der höher liegenden, sog. „Transfergrenze“ zahlt eine Person weder Steuern noch bekommt sie BGE. - Darüber wird Steuer gezahlt, aber nicht „flat“, sondern progressiv - auch für Kinder, in gleicher Höhe - BGE-Gewährung voll auch für Kinder - zur Hälfte als Ansparen für Start ins Erwachsensein, im z.B. Beteiligung an einem Betrieb oder Aufbau einer selbständigen Existenz - BGE-Auszahlung ist unbelastet von Sozialversicherungsabgaben und KV/PV

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Subjektiver Vorschlag zur Bestimmung der Höhe des BGE - Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich, selbst bei Nahrung, Kleidung, Wohnung - Der Luxus des Einen ist ein Grundbedürfnis des Anderen, und umgekehrt - Höhe und Transfergrenze sind nicht einfach abhängig - vom Median oder Durchschnitt des Pro-Kopf-Einkommens - von einem aktuellen Warenkorb oder von der Verbrauchsstatistik eines vorhergehenden Zeitraums - Annahme: 800 € - Bei Einführung Höhe des Höchstbetrags pro Person: - Kosten für Essen, Kleidung, Gesundheit zusammen im Bevölkerungsmitel - das Ganze eineinhalb mal - Steuererklärungs-Prüfung durch das Finanzamt - Keine Sonder-Schnüffelei für Bezieher des BGE - Aufhebung des Bankgeheimnisses für a l l e - nur Betrugsmöglichkeit durch Sachwert-Zahlung muss verhindert werden. - Kontrollmöglichkeit durch Besitzer-Chronik für teure Produkte. - Tauschhandel via Internet erlaubt, weil wenig effizient. - Prüfung von Mehrbedarfen mit Nachweis-Zwang, ebenfalls durch das Finanzamt: - bei Krankheit oder Behinderung - bei Ausbildung - bei Erwerbsunfähigkeit, Schwangerschaft - für das Wohnen: - Nebenkosten in schwach -, oder - Kaltmiete in (noch) stark besiedelten Gebieten - bei Katastrophen Gestaltung der Kurve des verfügbaren indiv. Einkommens in Abhängigkeit vom Bruttoeinkommen. - Die Kurve ist keine gerade Linie wie bei einer Flat Tax - Die Transfergrenze ist mit 1600 € zunächst, wie in mehreren bekannten Modellen auch, vereinfachend das Doppelte des BGE-Höchstbetrags von 800 €. - Ab der Tansfergrenze nimmt die Steigung der Kurve kontinuierlich ab, d h. die Besteuerung ist progressiv, d. h. der Arbeits- und Gier- Anreiz nimmt ab – ohne Kappung durch einen Höchststeuersatz bei extrem viel Einkommen. - Umgekehrt sollte extrem wenig Einkommen, also bei viel Arbeit für wenig Geld (Niedriglohnsektor) oder ganz wenig Arbeit für gutes Geld (unwahrscheinlich, bereitet nur bürokratischen Aufwand) vom Staat besonders finanziell gefördert werden. Deshalb sind BGE-Vollbetrag und Transfergrenzen-Betrag nicht durch eine gerade Linie miteinander verbunden, sondern durch eine nach unten durchhängende. Das BGE sinkt also mit zunehmendem Einnahmen regressiv. - Der nach unten durchhängende und nach oben buckelnde Kurvenabschnitt gehen an der Transfergrenze tangential ineinander über. Die Tangente ist am besten die Brutto-gleich-Netto-Linie mit 45° Steigung. So ergibt sich um die Transfergrenze herum ein Bereich von vielen betroffenen Menschen, deren Lohn nicht exakt an der Transfergrenze „einrastet“. - Generell werden Stufen, Sprünge oder Knicke in der Brutto-Verfügbar-Kurve vermieden, um Ungerechtigkeiten und Konzentrationen von Menschen an bestimmten Grenzen zu vermeiden.

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Keine Finanzierung des BGE durch - Rückzahlungen aus BGE anderer Personen als Darlehen, auch nicht anteilig - Gesonderte Sozialsteuer = Pflicht-Versicherungsabgabe (flat = prozentual) auf Netto (Opielka), nur etwas orientiert an Neg. Est., - Erhöhung der Mehrwertsteuer à la G. Werner, weil sie die BGE-HöchstbetragsBezieher am meisten träfe - Ehem. Wehretat – wird für Entwicklungshilfe ohne flankierende Waffengewalt benötigt Finanzierung in menschenwürdiger Höhe möglich durch Einsparungen - Beiträge zu Versicherungen: - Arbeitslosenversicherung - Rentenversicherung - Staatliche Leistungen - Beamtenpensionen - verbliebene Sozialhilfe, genannt “Grundsicherung”, Grundsicherung im Alter, Alg. II - Erziehungsgeld, Kindergeld, Kinderfreibeträge, Vorteile aus Ehegattensplitting - Wohngeld - BAFöG - Subventionen für - rückständige, weil unökologsiche oder beschäftigungsintensive Betriebe - Innovative Betriebe - Verwaltungskosten zum alllem Vorgenannten Beabsichtigte Finanzierung durch Steuern anfänglich aus: dem 1,2-Fachen der bisherigen Staatseinnahmen: - durch verstärkt progressive Steuern (alle –Klasse 1) auf Individuelle BruttoEinnahmen aus a l l e n Einkommensarten, - auch aus selbständiger Arbeit, aus Zinsen, aus Dividenden, aus Verkaufserlösen von Aktien oder Wertpapieren, aus Vermietung - individuellem Vermögen, nicht nur Grund und Boden – - wäre neu, aber auch nötig, weil mögliche Deflation Geldbesitzer reicher macht. - Verteilungs-Anteile auf Kommunen, Bundesländer und Bund wie bisher - aus Betriebs-Gewinnen, - bundesdurchschnittliche Gewerbesteuer - als Äquivalent zu bisherigen Lohnnebenkosten - zur Verbesserung der Finanzlage der Kommunen - kommt aber auch Bundesländern und dem Bund zugute - aus dem Verbrauch bestimmter Güter (Energie, Alkohol, Tabak,...) - aus Besitz oder Benutzung (Grund-, Versicherungs-, KFZ, Hunde)

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Die Kommunen werden von der Zahlung der Wohnkosten befreit. Getroffene Annahme: Das benötigte Finanzvolumen für BGE für bisherige Deutsche ist gleich dem jetzigen Finanzvolumen für staatliche Sozialtransfers und Versicherungsleistungen einschließlich eingesparter Verwaltung. Dazu kommen aber Kosten für das BGE von in D lebenden und arbeitenden EUBürgern, und temporäre Kosten für den demographischen Wandel und die Energiewende. Deshalb der Faktor 1,2. Das BGE ist bezahlbar: Anfang der 1970er war das BSP der BRD halb so hoch und Armut die große Ausnahme. Spätere Modifikation von Steuersätzen und BGE-Höhe - Die Rückwirkung der Einführung des BGE auf Steuereinnahmen - Auch unter Beibehaltung möglichst vieler existierenden Festlegungen kann sie nicht genau vorhergesagt werden. Ich nehme an, dass es keine großen Rückwirkungen geben wird. - Die Veränderungen diesbezüglich, müssen demokratisch beschlossen werden, genauso wie die Einführung des BGE überhaupt. Denkbar sind - Umformung der o.g. Kurve - Erhöhung des Steueraufkommens insgesamt, z.B. durch - Besteuerung von Betriebsvermögen (Maschinen) wegen zu rasanter Automation Tatsächliche Nachteile des vorgestellten BGE-Vorschlags - Der Ausschluss von neuen Zuwanderern von außerhalb der EU wird nicht beendet. - Vorteil dieser Exklusion: Sie werden nicht zur Unterbietung von Maschinenarbeit missbraucht. - als schwacher Ausgleich für den Ausschluß: Erhöhung der Entwicklungshilfe mit dem Ziel der Einführung BGE, wenigstens in rohstoffreichen oder fruchtbaren Ländern - Ein verstärkter Zuzug von Einwohnern des EU-Auslands verteuert das BGE - Erhöhung wäre aber auch für konventionelle Sozialtransfers vonnöten - Zuzug ist ohnehin kaum noch aufzuhalten, aber - Notwendigkeit der Bedingung, die Arbeit anderer EU-Bürger nur bei Wechsel des Hauptwohnsitzes nach D. zuzulassen - Zeit zum Sich-Beschäftigen mit sich selbst - zum Grübeln nicht nur über den Sinn der eigenen Arbeit, sondern - über den Sinn des Lebens und über den Zwang der Sterblichkeit - zur Auseinandersetzung mit einem sich selbst eingestandenem Versagen, - Ausreden für das Misslingen von Vorhaben gelten nur noch bedingt. - Aber auch dann Kraft für Neubeginn anstatt Depression mit dem Thema „zu spät“, die heute oft den Ruhestand oder Beschäftigungslosigkeit begleitet.

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Übergang zum BGE dieser Art Folgendes dürfte auf massiven Widerstand stoßen, - Schlagartige Umwandlung von Versicherungsleistungen in staatliche Leistungen, inkl. KV/PV – auch von der priv. Versicherungswirtschaft - Umwandlung von Gebühren, Beiträgen und Abgaben in Steuern, die weniger eigennützig sind als Versicherungsabgaben. - Auflösung der BA, von Versicherungen fast jeder Art, von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden Man würde sich ungerecht behandelt fühlen und hätte sein Leben anders eingerichtet, wenn man mit dem BGE hätte rechnen können. So wird sich hierfür keine Mehrheit finden. (Auf das Durchschlagen der europäischen Massenarbeitslosigkeit auf Deutschland zur Erzeugung des nötigen Veränderungsdrucks möchte ich nicht spekulieren.) Deshalb die biologische Lösung für den Übergang: Das BGE gilt für alle Neugeborenen und baut sich so allmählich auf. Mögliche verbleibende Verzerrungen zwischen Beiträgen und Leistungen beim Schrumpfen der Mitgliederzahlen der verschiedenen Versicherungen muss der Staat ausgleichen. - Bei langsam steigender Anzahl von BGE-Berechtigten können Fehler noch korrigiert werden und Unvorhergesehenes einbezogen werden. - Wenn die BGE-Berechtigten die Bevölkerungsmehrheit bilden, könnte doch noch ein Entscheid mit hoher Mehrheits-Hürde erfolgen, ob doch eine schnelle Auflösung der alten Versicherungssysteme passieren sollte. Die Älteren bezahlen im Übergang noch die alten, geringeren Steuern.

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Hindernisse bei der Umsetzung des BGE, wenn auch schöne Idee: - Beharren in kultureller Tradition - Primat der Erwerbsarbeit - Anerkennung und Selbstwertgefühl nur durch diese - egal von welcher Qualität, gerne auch sauber und langweilig wie viele Sachbearbeiter-Tätigkeiten - religiöses Arbeitsethos im Christentum - Arbeit als Religion im Sozialismus, religio = Bindung - Erwerbsarbeit als “Fixpunkt” (R. Dahrendorf) - Betrieb als Grundzelle des gesellschaftlichen Lebens - auch im Kapitalismus der 1970er in Japan, USA, BRD: - “Die Firma ist meine kleine Welt...” - Arbeit als Garant gegen Vereinsamung - stimmt nicht: Vielmehr Zwangskommunikation und Mobbing - Widerstand gegen Abkehr vom “Ziel” der “Vollbschäftigung” - Glaube an Vollbeschäftigung durch Wachstum - Glaube an Vollbeschäftigung durch Arbeitszeitverkürzung - Die Mehrheit aus Mittelschicht und gut Verdienenden gibt nichts ohne Weiters ab. - Freiheit von Arbeit nicht einmal im Himmel vorstellbar: “Hosianna singen” - Unternehmen sind an beliebig verfügbaren Pool von Arbeitswilligen in großem Umkreis gewöhnt. - Angst Existenzangst, Urangst als einer Triebfeder wirtschaftlichen Handelns bis hin zu Habgier, vor: - Dekadenz mit abschreckenden Hartz-IV-Schicksalen im Blick - Veränderung generell, wegen möglicherweise unerkannter Risiken - Verlust von Bekanntem: Gewerkschaften - Sind nicht nur für Nichtselbständige obsolet. - Hatten auch prekär Selbständigen nichts zu bieten - auch keinen Mindestlohn - Unheimlichem Alleinsein, Ruhe - verstärkter Automation, Automaten als „Geister Das BGE muss man nur mehrheitlich wollen, dann funktioniert es auch. Es setzt ein neutrales bis positives Menschenbild voraus. Das Nicht-mehr-Erleben-Werden des komplett eingeführten BGE schwächt natürlich die Aufmerksamkeit für das Thema. Das Verfassen einer solchen Arbeit hier ist auch unbezahlt. Ist das eine Investition in die Faulheit in Zukunft ? Macht also sogar Faulheit Arbeit, so wie Diebstahl ? Ja, wenn permanent. Auch nach einer Einführung des BGE wird das Leben immer noch anstrengend sein !

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Anhang 1: Verschiedene, von Gegnern des BGE einzelnen Modellen unterstellte Nachteile Allgemein gegen den Bürgerschreck BGE - keine Leistungsgerechtigkeit: Dass manche Arbeitsfähige nicht arbeiten, ist ungerecht Der „Verlorene Sohn“ wird wieder ‘mal geschont. - Eher nicht. Offenbar haben sie keinen Schwung oder keine gute Idee. - Systematisch faulenzen, also Nichtstun ist eher anstrengend als entspannend. - Das BGE ist ungerecht, weil es allen gleichermaßen gewährt wird. - Wird es de facto nicht, da weiterhin Steuerprogression gilt. - Ich arbeite dann ja weiter, aber die meisten anderen - nicht Du und nicht die hier die verlieren ihre Selbstdisziplin. Die Folgen: Dekadenz, Depression, Verschwendung. - Nein: Fast jeder Mensch will sich nicht nur mit Arbeit zerstreuen sondern auch wegen seiner Sterblichkeit - etwas im Leben bewirken, das Spuren hinterlässt. Das kann neben Nachkommenschaft ein bleibendes Arbeitsergebnis sein, bei Selbstlosigkeit auch ein vorübergehendes. - Vergeudung menschlicher Arbeits- und Begabungspotentiale - Geschieht bereits durch europäische und globale Arbeitslosigkeit - Die Potentiale der Erwerbslosen werden wieder freigesetzt zugunsten von Menschen, die am Erwerbs-Arbeitsplatz bislang toleriert faul waren oder sich im Wesentlichen nur um den Erhalt Ihrer Position gekümmert haben. - Verwirklichung des Rechts auf Faulheit - Stimmt, einzelne Faule, wie bisher schon in weniger Freiheit, sind der Preis von mehr Freiheit. - Aushöhlung des Leistungsprinzips. Kein – oder sogar ein negativer Leistungsanreiz, Schmarotzertum - ein Leistungsanreiz - Ist partiell schon ausgehöhlt durch Automation und Finanzwirtschaft - Nicht aber generell zu befürchten wegen inneren Schweinehunds - Bis Anfang Siebziger Jahre war A-+S-Hilfe in der BRD sanktionslos bei nahezu Vollbeschäftigung. - Experimente in den USA ohne Einbuße der Arbeitsbereitschaft (wenn auch mit niedriger Zahlung) wurden 1996 von Clinton beendet. - Arbeit wird als Angebot attraktiver gestaltet, dadurch Arbeitsmotivation, nicht Anreiz wie bei einem Zirkustier (i.G. zu Ch. Fourier “incitation”, M. Friedman “incentives”, Agende 2010 “Aktivierung”“schmerzhafte Einschnitte“ = incision) - Erwerbsarbeit macht vielmehr unter den richtigen Bedingungen Freude oder verursacht Zufriedenheit auch in der Arbeit - Leute bieten immer noch öfter als gedacht ihre Arbeitskraft an - keiner will möglicherweise mehr etwas oder richtig zahlen ehrenamtliche Tätigkeiten werden zum Standard, Kollektivbetriebe arbeiten mit motivierten Niedriglöhnern und können ihre Produkte billig anbieten - Stimmt nicht: Der Betrieb investiert weiterhin in die Qualität des Arbeitsplatzes und des Produkts, so dass die Preis nicht stark fallen. - Konventionelle Betriebe leiden unter „Wettbewerbsverzerrung“ (P. Glotz) - Stimmt nur teilweise, denn Lohnnebenkosten fallen auch bei diesen weg.

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Löhne sinken nicht ins Bodenlose weit unter jetziges Sozialhilfeniveau jenseits jedes Mindestlohn-Vorschlags. Wer noch entfremdete Arbeit anbietet, muss hohe Löhne zahlen, um am Arbeitsmarkt zu bestehen. - Ein flankierender Mindestlohn ist somit unnötig. Preise fallen nicht so stark wie die Löhne, oder sie steigen sogar, weil man den Leuten mit unteren Einkommen mehr zur Verfügung stehendes Geld abnehmen kann. - Stimmt nicht. Kostensenkungen müssen im Wettbewerb weitergegeben werden. Wenn darunter die Dividende konventioneller Unternehmen leidet, können sie ja aufgeben. - Preise fallen also so stark wie die Löhne. Dann liegt Deflation vor. - Das BGE wird zu viel wert und muss regelmäßig angepasst werden. - Der Wert von Finanzanlagen und Bankguthaben steigt, ebenso wie die Staatsverschuldung - Notwendigkeit, Finanzvermögens-Erträge effizinet zu besteuern Das BGE ist ein faktischer Mindestlohn - Stimmt nicht bei der Negativen Einkommenssteuer. Dort sind die Grenzen fließend Sie liegen eher an der ja höheren Transfergrenze. Selbst Freunden einen Lohnabstandsgebots ist damit Genüge getan. - Somit erhält oder verstärkt sich kein Niedriglohnsektor, der bislang gerne für Pflege, Soziales und Kultur vorgeschlagen wird, weil der nur „kostet“ und nicht „einnimmt“. Das BGE dient Partikularinteressen, für (kinderlose freiberufliche Akademiker oder für Kleinverdiener aus der Alternativszene. Der Rest leidet. - Der Vorwurf „Klientelpolitik“ ist ein Totschlagargument So ist es eben in einer Gesellschaft ohne gemeinsame Werte außer Transparenz, Mitbestimmung, Selbstbestimmung. - Auch für Kinder und Schrankwand ist genug Geld da - Nicht da ist Geld für Kauf eines freistehenden Eigenheims – - gut so, weil kinderfreundliche Alternativen möglich. - gut so für ressourcenschonendes Zusammenleben trotz individueller BGE-Gewährung Das BGE ist ein Ablenkungsmanöver vom hier und heute Machbaren - Nicht bei Existenz des alten Systems noch bald 100 Jahre lang im Übergang Das BGE ist sinnvoll und wirksam, aber niemals durchsetzbar gegen Machthaber und oder Mehrheit Zerstörung der Tarifautonomie von Sozialpartnern - Ja, ist dann obsolet wie Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. -

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Von Links gegen das BGE - Das Verweigern eines Rechts auf Arbeit ist zynisch, - Aber: Wie dies realisieren ohne Einschränkung der Freiheit der Berufswahl ? - Irgendeinen Job mit zweifelhafter Nützlichkeit zuweisen ? - Jemandem, der den eigenen Traumjob hat, auffordern, etwas davon abzugeben ? - Das BGE ist ein Placebo für den Widerstand (Lohoff) - Mag gelegentlich zutreffen. - Das schrittweise oder niedrige BGE als angeblicher Übergang von Hartz IV ist eine Mogelpackung, über die es dann nie hinauskommt, mit einer Verschärfung der Ungleichverteilung der Arbeit (P. Glotz) - Nein: Neuverteilung der Arbeit geschieht sukzessive. 10


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Das BGE wird oft mit „Negativer Einkommenssteuer“ gleichgesetzt. Die ist genuin konzipiert als Flat Tax (M. Friedman). - Dieses Junktim muss nicht sein. Nur MwSt. wird als Besteuerungsquelle herangezogen, wie bei G. Werner – - ist i. d. Tat inakzeptabel. Die Automatisierung nimmt stärker zu als ohne BGE - Arbeitsangebot sinkt weiter - stimmt, ist aber kein Argument gegen geschlechtliche Gleichstellung - auch der/ein Mann kann zuhause bleiben ein falsches Versprechen mehr zur Schaffung neuer Arbeitsplätze wegen weggefallener Lohnnebenkosten in Form der Arbeitgeber-VersicherungsbeitragsAnteile - stimmt, denn niedrigere Lohnkosten halten Rationalisierung nicht auf, erst recht nicht bei stupiden Jobs.

Von Rechts gegen das BGE - nicht bezahlbar - recht unwahrscheinlich, wie dargestellt - Blauäugiger Traum vom „Einfachen Leben“ - Übermächtiger Staat, übermächtiges Finanzamt als der Umverteiler, statt Subsidiarität - Nein; jeder kann mitbestimmen, auch über eine Nachjustierung des BGE. - Gießkannenprinzip und Verschwendung von Steuermitteln anstatt Zielgenauigkeit, schlichte „Alimentierung“ - ja, aber nicht von Unmündigen oder auf Anreize wartenden Tieren. - Arbeitsplätze verschwinden noch stärker ins Ausland ohne BGE - Nein; Arbeit wird nicht teurer - Die internationale Wettbewerbsfähigkeit leidet - Stimmt nicht in Bezug auf - Menge und Vielfalt produzierter Güter - Ein konkurrenzfähig moderates Preisniveau - Unternehmerische Risikobereitschaft sinkt - Nein: Risikobereitschaft von Unternehmern war ohnehin schon gering. - Menschen gehen oft gerne Risiken ein (Risiko-Sportarten gegen BerufsLangeweile) Verschiedene, von Befürwortern des BGE einzelnen Modellen unterstellte Vorteile Von Rechts für das BGE - Senkung der Lohnnebenkosten (und damit de facto auch der Löhne) - würde funktionieren bei G. Werner Von Links für das BGE - Subversion im Kapitalismus (K. Kipping), - Nicht unbedingt - Erhöhung des Lohnniveaus - durch die sich ergebende Verknappung des angebotenen Gesamtvolumens an Arbeitskraft (meine eigene ursprüngliche Annahme) - träte nur bei schlagartiger Einführung ein, wenn alle erst einmal ein erholsames Sabbatical wollen.

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Anhang 2: Arbeitszeitverkürzung als Alternative zum BGE ? - starr obligatorisch beschlossen: Aber: - Will man jemanden, der gerne viel arbeitet, daran hindern ? - Will man ihm Überstunden nicht bezahlen, die zur Vertragserfüllung seines AG gegenüber dessen Auftraggeber nötig sind ? - mit folgender Lohnhöhe: - ohne Lohnausgleich: geht nicht mit Gewerkschaften zumindest in unteren Lohngruppen, oder - mit Lohnausgleich: geht nicht mit Arbeitgeberverbänden ohne Intensivierung der Arbeit, oder - mit teilweisem Lohnausgleich Alle sind unzufrieden. - mit staatlichem Lohnausgleich bei niedrigen Löhnen durch flankierendes BGE - Dann doch lieber gleich BGE pur - mit welcher Zeitregelung ? - ganz flexibel mit Arbeitszeitkonto - verteilt starr auf (alternativ oder kumuliert auf - Woche, Monat Jahr, Lebensabschnitt, Leben - nur wenn Arbeitsabläufe das reibungslos oder technisch gestatten - nach privaten Bedürfnissen des Nichtselbständigen - benachteiligt kleine Unternehmen, die weniger mit Arbeitszeiten jonglieren können, und lohnintensiver sind. - Ausweg wäre die Entschleunigung des Wirtschaftsablaufs (Kreditrückzahlungsfristen verrlängern). Auch Arbeitszeitverkürzung hilft nichts gegen die Tatsache, dass das, was manche können, wirklich von Niemandem gerade gebraucht wird. Das kann auch an der Dummheit der Nicht-Nachfrager liegen. Umschulung, Qualifizierung und Beratung helfen nur manchmal.

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