nahdran. Aus Branche und Unternehmen. Mai 2012
Energiequelle Wasserwirtschaft Potenziale f체r Kommunen Seite 8
Wasser f체r Millionen Partnerschaft in Indien Seite 14
Geb채ndigt und gereinigt Auf den Spuren von Braunschweigs Abwasser Seite 15
Energiewende: Wasser marsch! Wie die Wasserwirtschaft zum Energieproduzenten wird Seite 4
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Aus der Branche
Weltwasserforum warnt vor drohenden Wasserkrisen
Kommunale Unternehmen fordern beschleunigten Ausbau der Verteilnetze Bei der Realisierung der Energiewende vermeldet die Bundesregierung Fortschritte: Dem aktuellen Bericht über die Umsetzung des Zehn-Punkte-Sofortprogramms zum Energiekonzept zufolge sind zahlreiche Maßnahmen, besonders in den Bereichen Netzausbau und Offshore-Windenergie, angestoßen oder bereits umgesetzt worden. Dem Verband kommunaler Unternehmen gehen die Fortschritte nicht weit genug: Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck mahnte, gerade der Netzausbau auf lokaler Ebene müsse unbedingt mit dem Ausbau der Erneuerbaren Schritt halten können. Auch sei der verstärkte Ausbau der dezentralen Energieerzeugung vor Ort und eine verbesserte Förderung der KraftWärme-Kopplung notwendig. www.bmwi.de
www.vku.de
Bestnote für deutsches Trinkwasser Das Trinkwasser in Deutschland ist »sehr gut«. Das bestätigt der aktuelle Qualitätsbericht des Bundesgesundheitsministeriums und des Bundesumweltamtes. In fast allen deutschen Wasserwerken ist demnach die Wasserqualität einwandfrei. Bei den mikrobiologischen und chemischen Qualitätsparametern wurden die strengen gesetzlichen Anforderungen zu über 99 Prozent eingehalten und die Grenzwerte nur in sehr wenigen Ausnahmen überschritten. www.umweltbundesamt.de
Über den Zugang zu sauberem Wasser, den Schutz der natürlichen Ressourcen und den Einsatz moderner Technologien diskutierten im März auf dem Weltwasserforum in Marseille mehr als 20 000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und NGOs aus über 100 Staaten. Im Vorfeld hatten die Vereinten Nationen einen Bericht vorgelegt, demzufolge heute 89 Prozent der Weltbevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Damit wurde das für 2015 formulierte Millenniumsziel erreicht. Gleichzeitig haben jedoch noch immer fast 800 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, 2,6 Milliarden Menschen keinen zu adäquaten sanitären Einrichtungen, wie der Weltwasserentwicklungsbericht der UN besagt. Das Expertenforum forderte vor diesem Hintergrund, das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Versorgung verbindlich in die nationalen Gesetzgebungen zu implementieren. Die ungleiche Verteilung des Rohstoffs, schätzt die UN, könne sich aufgrund von Klimawandel und Bevölkerungszuwachs zu ernsthaften Krisen ausweiten – bis 2070 werde die Wasserknappheit auch in Mittel- und Südeuropa zu spüren sein. Fortschritte machte am Rande des Forums die Ratifizierung der UN-Konvention für ein grenzübergreifendes Management von Trinkwasservorkommen. Dänemark und Luxemburg erklärten sich bereit, das Abkommen zur Kooperation von Anrainerstaaten großer Gewässer zu unterzeichnen. Der Zugang zu Wasser ist besonders in Asien, Afrika oder Amerika oft Ursache für Konflikte. In Europa bestehen dagegen bereits Verträge zur gemeinschaftlichen Wassernutzung. Die europäischen Erfahrungen sollen in Zukunft mit von Wasserknappheit betroffenen Regionen geteilt werden. www.bundesgesundheitsministerium.de
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Auf ein Wort
Fordern Sie uns.
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asserversorgung und Abwasserentsorgung funktionieren in Deutschland vorbildlich. Da finde ich es verständlich, dass mich Vertreter von Städten und Gemeinden manchmal fragen: »Warum sollten wir mit privaten Dienstleistern zusammenarbeiten? Es läuft doch auch so alles gut.« Meine Antwort ist dann: »Dennoch: Wir finden mit Sicherheit Ansätze, um es noch besser zu machen. Und vor allem: Wir können mit Ihnen dafür sorgen, dass es auch in Zukunft so bleibt.«
Ihr Michel Cunnac, Vorsitzender der Geschäftsführung Veolia Wasser
Das lässt sich wie kaum an einem anderen Beispiel mit den Themen dieser Ausgabe illustrieren: Energie und Wasser. Energie aus Wasser. Energiesparen bei seiner Aufbereitung, Energiegewinnung aus seiner Temperatur und seinen Inhaltsstoffen. Ein spannendes, vielseitiges und drängendes Thema mit enormem Potenzial für Kommunen, die praktisch an der Energiewende arbeiten und ihren Klima-Fußabdruck verringern wollen. Wenn es darum geht, dieses Potenzial vor Ort konkret zu erschließen, können erfahrene Partner sehr hilfreich sein: Wenn sie neben Wissen und Technologie auch operative Erfahrung mitbringen. Wenn sie als Umweltdienstleister einen ganzheitlichen Blick auf das Wasser- und Abwassersystem richten, nicht nur auf ingenieurtechnische Einzelfragen. Wenn sie nicht nur Experten für die technischen und wirtschaftlichen Aspekte von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sind, ´ sondern auch für die damit verbundenen ökologischen und sozialen Fragen. Wenn sie sich konsequent an ihren Kunden orientieren und mit ihnen nach den jeweils im Einzelfall richtigen und nachhaltigen Lösungen suchen. Wenn sie mit Transparenz und Effizienz einen Beitrag zu sozial verträglichen und akzeptierten Tarifen leisten. So entsteht echter Mehrwert für die Städte und Gemeinden, die sich auf ein Fachunternehmen als Partner einlassen – sei es als beratende Stimme in Sachen Konzeption oder Optimierung, sei es als Unterstützer beim Betrieb von Netzen und Anlagen, sei es als Betriebsführer oder in anderen Modellen der Zusammenarbeit. Wir sehen uns als solche Partner, als ›Wasserexperten‹ im umfassenden Sinn. Ob auf der Fachmesse IFAT Anfang Mai in München oder bei jeder anderen Gelegenheit: Fordern Sie uns, nehmen Sie uns beim Wort und lassen Sie uns über Wasser reden. Die Aufgaben sind groß, es gibt für die nächsten Jahre enorme Chancen, aber auch relevante Risiken. Kommunen, öffentliche und private Unternehmen stehen vor vielen Herausforderungen und einer Menge Arbeit – die wir zusammen angehen sollten.
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Energiewende: Wasser marsch! Vom Großverbraucher zum grünen Produzenten: Die Wasserwirtschaft kann viel zur Energiewende beitragen.
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in Abwasserkanal, der ganze Möbelhäuser beheizt. Turbinen im Trinkwasserrohr, die Ökostrom erzeugen. Ein Wasserwerk, das sich selbst beheizt und kühlt. Eine Kläranlage, die Strom erzeugt und ihr Umfeld mit Wärme versorgt … Utopie oder Vision? Energieeffizienz und eigene Energie erzeugung rücken in Zeiten von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Budgetkürzungen immer mehr in den Fokus der deutschen Wasserwirtschaft. Und die im Trink und Abwasser schlummernden Potenziale lassen die einstige Utopie bereits heute vielerorts zur Wirklichkeit werden.
Die Herausforderungen für Kommunen sind enorm: Energieverbrauch, CO2 -Emissionen und Kosten senken, Klimaschutz in alle Bereiche der Daseinsvorsorge integrieren. Dass Wasserversorgung und Abwasserbehandlung hier einen wesentlichen Beitrag leisten können, ist nicht neu. Wo Trinkwasser mit stetig komfortablem Druck aus den Hähnen sprudelt, wo das Abwasser tausender Einwohner rund um die Uhr gereinigt wird, da liegt das Potenzial auf der Hand. Doch erst, wenn über reines Energiesparen hinaus auch die Möglichkeiten eigener Erzeugung integriert werden, entfaltet sich das volle Potenzial. Die Wasserwirtschaft kann die Energiewende schaffen – vom oft größten Energieverbraucher der Kommune zum eigenständigen Energieproduzenten durch die Nutzung vorhandener Ressourcen.
Effizienz steigern – Energieverbrauch senken Die ständige Steigerung der Energieeffizienz ist und bleibt die Basis für eine nachhaltige und klimafreundliche Wasserwirtschaft. In Deutschland reinigen rund 10 000 Kläranlagen das Abwasser, mit etwa 20 Prozent Anteil am kommunalen Strombedarf sind sie die größten Einzelverbraucher – noch vor Schulen oder Krankenhäusern. Im Jahr schluckt die Abwasserbehandlung genug Strom für 900 000 Vier-PersonenHaushalte, so das Umweltbundesamt (UBA) in seiner Studie »Energieeffizienz kommunaler Kläranlagen«. Durch den Austausch und die Optimierung von Anlagenkomponenten lässt sich dieser Verbrauch erheblich reduzieren, denn zu oft verpufft Energie ungenutzt: in ineffizienten Pumpen, Gebläsen oder Belüftungsanlagen, bei Druckverlusten in Rohrleitungen und Armaturen. Auch im Trinkwasserbereich können schon einzelne Maßnahmen wie energieeffizientere Pumpen im Wasserwerk oder eine optimale Umgestaltung des Trinkwassernetzes die Klimabilanz deutlich verbessern.
Energie aus Rohren und Kanälen Abwasser und Trinkwasser enthalten Energie in Form von Wärme. Liegen Gebäude in der Nähe eines großen Abwasserkanals, können sie mit Abwasserwärme beheizt werden. Wärmetauscher entziehen dem Abwasser einen Teil der Wärme, Wärmepumpen beheizen damit die Gebäude. Umgekehrt kann Wärme zur Kühlung von Gebäuden an das Abwasser abgegeben werden. Auch die im Trinkwasser vorhandene Wärme kann genutzt werden, etwa zur Beheizung von Wasserwerken. Aufgrund des niedrigeren Energieverbrauchs von Wärmepumpen im Vergleich zu Gas- oder Elektroheizungen verbessert sich die Energiebilanz wesentlich. Energieautarkie wird so zur Realität: Ein Berliner Einrichtungshaus heizt und kühlt fast komplett mit Energie aus Abwasserwärme. Auch die Fließenergie von Wasser kann durch kleine Wasserkraftanlagen in Strom umgewandelt werden. In Braunschweig speist so beispielsweise eine im Trinkwassernetz installierte Turbine bis zu 1 400 Megawattstunden Strom pro Jahr ins Netz ein.
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Energie aus dem Abwasser
Wasser marsch für die Energiewende
Enormes Potenzial zur Erzeugung regenerativer Energie liegt in Kläranlagen. Wird aus dem Klärschlamm in Faultürmen Faulgas produziert, kann daraus in Blockheizkraftwerken (BHKW) Strom erzeugt werden. Die dabei abgegebene Wärme beheizt wiederum Faulbehälter und Betriebsgebäude und kann auch Abnehmern außerhalb der Anlage angeboten werden. Auch der verbleibende, ausgefaulte Schlamm kann verwertet werden: In getrockneter Form wird er verbrannt und erzeugt Strom. Zusätzlichen Treibstoff für die Biogaserzeugung liefert die Co-Vergärung: geeignete organische Reststoffe aus verschiedenen Quellen vergären mit dem Klärschlamm und steigern die erzeugte Biogasmenge; im BHKW steigt die Stromausbeute. Kläranlagen in Braunschweig und Gera decken so schon heute hundert Prozent ihres eigenen Strombedarfs. Laut UBA ist eine wirtschaftliche Energiegewinnung durch Faulgasnutzung inzwischen sogar schon für kleinere Anlagen von 5 000 bis 10 000 Einwohnerwerten realistisch.
Konzepte für Energieeffizienz und -gewinnung in der Wasserwirtschaft erhalten mit der Energiewende neuen Schwung: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung pumpt dreißig Millionen Euro in den Schwerpunkt »Nachhaltiges Wassermanagement«. Über das Bundesumweltministerium fließt Geld in Projekte zur Energieeffizienz kommunaler Kläranlagen oder zur Wärmerückgewinnung aus Abwasser. Genügt das, um die Potenziale auszuschöpfen? Die größten Hindernisse sind für die Kommunen oft die Anfangsinvestitionen, an deren tatsächlichem Nutzen sie Zweifel haben. Umso notwendiger ist eine unabhängige Analyse für jede einzelne Kommune, mit einer genauen Bedarfs- und Umsetzungsplanung. Oft ergibt sich bezogen auf Kosten und Aufwand ein anderes Bild, wenn Fördermaßnahmen gezielt genutzt und die positiven Effekte exakt berechnet werden.
Die Forschung entwickelt sich entsprechend weiter: Das Kompetenzzentrum Wasser Berlin arbeitet an der Stromerzeugung durch Co-Vergärung und thermische Hydrolyse von Klärschlamm und Fetten mit Gras. Mit den Projekten »Codigreen« und »Carbon is Money« soll die Wasserwirtschaft bis 2030 zum Nettoproduzent regenerativer Energie werden.
Wasser ist Energie: Wenn dieses Potenzial erkannt und intelligent genutzt wird, ist die Wasser- und Abwasserwirtschaft für Kommunen nicht länger ein Energiefresser, sondern leistet einen nachhaltigen Beitrag zur Energiewende, zur Senkung des kommunalen CO2 -Fußabdrucks und zur Umsetzung lokaler Klimaschutzkonzepte.
Weiterführende Links:
Erneuerbare Stromerzeugung integrieren Ob Photovoltaik- oder Windkraftanlagen – die Flächen und Gebäude der Wasserwirtschaft eignen sich oft zur Einbindung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie. So steht auf dem Areal des Wasserwerks Tegel in Berlin die größte zusammenhängende Solaranlage Berlins. Sie erzeugt etwa 537 Megawattstunden Strom pro Jahr – Energie, die für die Wasserversorgung von 26 000 Menschen reicht. Auf dem Gelände des Berliner Klärwerks Schönerlinde werden ab Herbst 2012 drei Windräder den Anteil der Strom-Eigenerzeugung von heute 17 Prozent auf 80 Prozent steigern. Weitere Praxisbeispiele auf Seite 10
www.umweltbundesamt.de > Publikationen > Energieeffizienz kommunaler Kläranlagen www.dwa.de > Thema Energie > Positionen zur Energie- und Wasserwirtschaft www.dvgw.de > Wasser > Organisation + Management > Energieeffizienz www.bmbf.de > Bekanntmachungen > Förderung »Zukunftsfähige Technologien und Konzepte für eine energieeffiziente und ressourcenschonende Wasserwirtschaft« (ERWAS) www.kompetenzzentrum-wasser.de > Forschung > Wasser- und Abwassertechnologie www.bdew.de > Wasser/Abwasser > Branchenübersicht > Branchenbild der deutschen Wasserwirtschaft 2011
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Potenzial Öko-Innovationen Energetische Aspekte der Wasser-Infrastrukturen für Morgen.
Ein Gastbeitrag von Thomas Hillenbrand und Eve Menger-Krug, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe
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ie Energiewende in Deutschland und die ehrgeizigen nationalen und europäischen politischen Ziele stellen auch den Wasser und Abwassersektor vor die Herausforderung, die Energiebilanzen der Infrastrukturen zu verbessern. Deutsche Wasser und Abwasserinfrastrukturen sind im inter nationalen Vergleich ein Vorbild bezüglich Ausbaugrad, Reinigungsleistung und Betriebsstabilität. Dennoch gibt es Potenziale zur Verbesserung der Energiebilanz. Dazu gehört zum einen die Erhöhung der Energie effizienz die Minimierung des Verbrauchs von externen Energieträgern wie bspw. Strom und Gas und zum anderen die Erhöhung der energetischen Ressourcenproduktivität die Maximierung der ener getischen Nutzung der vorhandenen internen Ressourcen. Die energetische Wiederverwendung von Ressourcen in Abwasser birgt ein großes und bislang nur teilweise genutztes Potenzial.
Zu den Ressourcen in Abwasser gehören organische Substanzen, Nährstoffe (Stickstoff und Phosphor) und thermische Energie. Organische Substanzen, oder präziser Kohlenstoff in reduzierter Form, sind Energieträger. Über Anaerobprozesse kann Methan hergestellt werden und zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden. Das theoretische Primärenergiepotenzial beträgt ca. 150 kWh/E*a (kWh je Einwohner und Jahr). Während die Klärschlammvergärung auf großen An-
lagen Stand der Technik ist, geht ein großer Teil der »wertvollen« organischen Substanzen bei der für die eigentliche Abwasserreinigung eingesetzten aeroben Behandlung verloren. Durch Wiederverwendung von Nährstoffen aus Abwasser können bis zu 80 kWh/E*a bei der energieintensiven Mineraldüngerherstellung eingespart werden. Die thermische Energie im Rohabwasser in der Nähe des Anfallortes stammt hauptsächlich von der Warmwasserbereitung, für die durchschnitt-
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und auf das zulaufende Trinkwasser übertragen. Pro m3 Grauwasser können etwa 10 kWh thermische Energie zurückgewonnen werden und so etwa 1 m3 Erdgas eingespart werden. Dies entspricht etwa 20 –30 Prozent der aufgewendeten thermischen Energie. Ein interessanter Aspekt ist die Saisonalität der gewonnenen Energiemenge, die vor allem von der Zulauftemperatur des Trinkwassers bestimmt wird. Im Winter ist die Wärmerückgewinnung aus Grauwasser besonders effizient und bietet sich damit als gute Ergänzung zur Solarthermie an. lich etwa 1 000 kWh/E*a aufgewendet werden. Ein Großteil dieser thermischen Energie kann durch aktive und passive Wärmerückgewinnung genutzt werden und zwar dann besonders effizient, wenn der Teilstrom Grauwasser separat gesammelt wird. Grauwasser aus Bad und Dusche hat vergleichsweise hohe Temperaturen und eine geringe Belastung und ist daher gut geeignet als Ressource zur Wasserwiederverwendung und Wärmerückgewinnung. Zum Vergleich beträgt der Primärenergieverbrauch für die Wasserversorgung ca. 75 kWh/E*a und für die Abwasserentsorgung in Abhängigkeit von der Größenklasse 80 –200 kWh/E*a (Durchschnittswerte des Stromverbrauchs umgerechnet auf Primärenergie mit Faktor 2,7). Das Einsparpotenzial durch Effizienzmaßnahmen liegt bei etwa 10 bis 25 Prozent. Bei der beachtlichen Größe der theoretischen Energiepotenziale der Ressourcen im Abwasser stellt sich die Frage, mit welchen neuen Technologien und Konzepten dieses Potenzial realisiert werden kann. Im Folgenden stellen wir zwei Ansätze zur Verbesserung der Ressourcenproduktivität von Wasser-Infrastrukturen vor.
Ressourcenbilanz von Wasser-Infrastrukturen verbessern DEUS (DEzentral Urbanes Infrastruktur-System): In einem Neubaugebiet in Knittlingen mit 105 Grundstücken wurde ein kreislauforientiertes Wasser- und Abwasserkonzept implementiert. Das gesamte Abwasser wird in einem speziellen Membrananaerobreaktor zur Methangewinnung genutzt. Die Methanausbeute kann so im Vergleich zur anaeroben Klärschlammbehandlung deutlich gesteigert werden. Nährstoffe werden in mineralischer Form zurückgewonnen und Niederschlagswasser wird separat gesammelt und zu hochwertigem Pflegewasser aufbereitet. Grauwasseraufbereitung mit Wärmerückgewinnung (Pontos Heatcycle): In einem Studentenwohnheim in Freiburg mit 65 Bewohnern wurde eine Grauwasserrecyclinganlage mit integrierter Wärmerückgewinnung implementiert. Das Grauwasser aus Bad und Dusche wird zu Betriebswasser aufbereitet und u. a. als Toilettenspülwasser wiederverwendet. Während der Aufbereitung wird dem Grauwasser über einen doppelwandigen Wärmetauscher thermische Energie entzogen
Hemmnisse versus Treiber Eine optimierte Energie- und Ressourcenbilanz ist ein wichtiger Aspekt für die Wasser-Infrastrukturen für Morgen und ein Fokus der Forschung des Faunhofer ISI. Den Hemmnissen von Öko-Innovationen in Wasser-Infrastrukturen – Langlebigkeit, Pfadabhängigkeit, Kapitalintensität, große Zahl beteiligter Akteure mit sehr unterschiedlichen Interessenslagen und komplexe Rechtsgrundlagen, besonders bei sektorenübergreifenden Konzepten – stehen starke Treiber für Veränderungen gegenüber: die Megatrends Klimawandel, demographischer Wandel und Ressourcenverknappung, aber auch neue ökologische Anforderungen an Ablauf- und Klärschlammqualität (Mikroschadstoffe) und der vorhandene (Re-)Investitionsbedarf. Auch die Neugestaltung der Energiesysteme ist ein starker Treiber und bietet große Möglichkeiten zur Nutzung von Synergien zwischen Energie und Wasser. So können Wasser-Infrastrukturen einen wichtigen Beitrag leisten zur Nachhaltigkeit von Städten und Siedlungen.
Die Autoren: > Thomas Hillenbrand Stellvertretender Leiter des Competence Centers Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Leiter des Geschäftsfelds Wasserwirtschaft, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe thomas.hillenbrand@isi.fraunhofer.de > Eve Menger-Krug Projektleiterin, Competence Center Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe eve.menger-krug@isi.fraunhofer.de
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Energiequelle Wasserwirtschaft Ein Beitrag zur kommunalen Energiewende.
Einspeisung des Stroms aus Biogas ins kommunale Netz
Energieeffiziente Pumpen im Wasserwerk
Stromproduktion durch kleine Turbinen im Trinkwasserrohr
Nutzung der Abwasserwärme durch Wärmetauscher
Nutzung der erzeugten Wärme für Anlagen und Gebäude
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Erzeugung von Strom und Wärme aus Biogas im Blockheizkraftwerk
Ökostrom aus Windkraft
Aufbereitung von Biogas zur Einspeisung ins Erdgasnetz
Biogaserzeugung durch Vergärung von Klärschlamm
Co-Vergärung von Bio-Abfällen zur Erhöhung der Biogasproduktion
Solare Klärschlammtrocknung
Energieeffiziente Belüftungsregelung in den Klärbecken
Photovoltaikanlagen zur Solarstromerzeugung
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Pioniere der Wasserwende Energieeffizienz und Energiegewinnung aus Wasser und Abwasser sind keine Vision mehr – längst warten Pionierprojekte auf mutige Nachahmer. Kanalheizung fürs Möbelhaus
Klärgas zu Erdgas
Abwasser ist warm: Selbst bei winterlichen Minusgraden herrscht im Kanal eine Temperatur von über zwölf Grad Celsius. Diese Energie kann mit Hilfe von Wärmetauschern und -pumpen effektiv genutzt werden. Die europaweit größte Anlage dieser Art ist seit Ende 2010 in Berlin in Betrieb: Die Lichtenberger Ikea-Filiale wird überwiegend per Abwasserwärme beheizt. Durch einen Wärmetauscher, der an das Abwasserdruckrohrnetz angeschlossen ist, strömen stündlich bis zu 1 400 Kubikmeter Abwasser. Das System liefert 70 Prozent der Energie, die zum Heizen der Gebäude benötigt wird, und im Sommerbetrieb 100 Prozent der Energie für die Kühlung.
Auf der Kläranlage Bottrop der Emschergenossenschaft wird das bei der Abwasserbehandlung anfallende Klärgas – mehrere Millionen Kubikmeter pro Jahr – auf zwei Wegen genutzt: Der Großteil wird in Blockheizkraftwerken verstromt und deckt so den Eigenbedarf an Wärme und Strom weitestgehend ab. Etwa 500 000 Kubikmeter werden abgezweigt: Durch einen Verdelungsprozess erlangt das Faulgas Erdgasqualität und wird an einer eigenen Tankstelle für die Betankung der Betriebsfahrzeuge verwandt. Ein Teil des Gases wird in einer weiteren Stufe zu Wasserstoff verarbeitet und versorgt über einen Wasserstoffmotor eine benachbarte Schule mit Strom und Wärme.
www.bwb.de
www.eglv.de
Die Trinkwasserheizung Energie aus Trinkwasser wird per Trinkwasserwärmepumpe gewonnen: Diese kann aus dem Temperaturunterschied zwischen dem konstant acht Grad kühlen Trinkwasser und der Umgebung Heizenergie, etwa für die Betriebsgebäude von Wasserwerken, erzeugen. Die Technologie sorgt im Wasserwerk Grimma für einen rund 70 Prozent geringeren Energieverbrauch: Jährlich erzeugen zwei Wärmepumpen rund 75 000 Kilowattstunden Wärme. Das dabei verwendete Verfahren hat die OEWA entwickelt und international zum Patent angemeldet. www.oewa.de
Aus Kläranlage wird Energiepark Der Abwasserverband Morgental im schweizerischen St. Gallen kombiniert eine Reihe von Maßnahmen, um Energieautarkie zu erreichen: Durch Biomasse- und Co-Vergärung entstehen bis zu 600 000 Kubikmeter Klärgas pro Jahr, das zu Strom und Wärme verwertet wird. Vier Mikrogasturbinen erhöhen ab Sommer 2012 die Stromproduktion. Die Abwasserwärme wird in das Wärmeverbundnetz eingespeist – jährlich rund zehn bis 25 Gigawattstunden. Weitere Projekte stehen an: ab 2013 produziert ein Abwasserkraftwerk Ökostrom, ab 2014 steigert eine sogenannte Restholzwärmezentrale, in der Altholz vewertet wird, die Wärmeproduktion. Photovoltaikund Grüngutvergärungsanlagen sind geplant. Nach Umsetzung sämtlicher Projekte wird etwa neun Mal mehr Strom produziert, als die Kläranlage selbst verbraucht. www.morgental.ch
Bypass für die Pumpe Eine verhältnismäßig einfache technische Lösung spart im Trinkwassernetz der Stadt Merseburg seit 2010 die Hälfte des Stromverbrauchs. Früher wurde viel Energie benötigt, um das Wasser mit dem notwendigen Druck ins Netz zu pumpen. Durch den Anschluss eines Bypasses wird dafür jetzt der Druck besser genutzt, der durch die Höhenlage eines Behälters entsteht. Daher konnten kleinere Pumpen installiert werden, und der Versorger MIDEWA benötigt pro Tag über 1 000 Kilowattstunden weniger Strom. www.midewa.de
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»Nichts zu machen wird letztlich teuer.« Interview mit Christophe Sardet, Leiter Technische Dienste bei Veolia Wasser.
Warum sollten Kommunen, die ihren Energieverbrauch senken wollen, ausgerechnet auf das Thema Wasser blicken? Christophe Sardet: Kläranlagen sind mit 4,2 TWh/a die größten kommunalen Stromverbraucher in Deutschland, noch vor der Straßenbeleuchtung oder öffentlichen Gebäuden. Es ist richtig, genau hier anzusetzen. Aber nur exakt auf den Standort abgestimmte Maßnahmen bringen Erfolg. Das erfordert Knowhow und viel betriebliche Erfahrung. Dazu muss man zielstrebig, geduldig und kreativ vorgehen, um mit vielen einzelnen Maßnahmen spürbare Verbesserungen zu erzielen. Wie es so schön heißt: Kleinvieh macht auch Mist. Welche konkreten Maßnahmen zahlen sich aus? Christophe Sardet: Wir haben bei der Erarbeitung unseres Programms Water2Energy festgestellt, dass es drei Handlungsfelder von in etwa gleicher Bedeutung gibt: Energiesparen, Energiegewinnung aus Klärschlamm und die Erschließung erneuerbarer Quellen. Sicher ist es für kleinere Kommunen schwierig, in die Technik der Klärschlamm-Faulung einzusteigen, doch nach unserer Erfahrung lohnt sich dies schon für Kläranlagen ab etwa 40 000 Einwohnerwerten. Eine Steigerung der Energieeffizienz und der Einsatz regenerativer Energiequellen sind grundsätzlich überall möglich. Die dabei nötigen Investitionen haben sich oft nach drei bis fünf Jahren amortisiert – steigende Energiepreise noch nicht einmal eingerechnet. Dennoch: Investitionen kosten zunächst einmal Geld, wäre Weitermachen wie bisher da nicht günstiger? Christophe Sardet: Nichts zu machen wird letztlich teuer, weil veraltete Anlagen und Verfahren viel Geld schlucken und irgendwann sowieso verändert werden müssen. Da ist es besser, die Sache aktiv in die Hand zu nehmen, schnell Kosten zu sparen und etwas für die Energiewende zu tun. Etwa mit einer Zertifizierung gemäß der neuen Norm für Energie-
»Nichts zu machen wird letztlich teuer, weil veraltete Anlagen und Verfahren viel Geld schlucken und irgendwann sowieso verändert werden müssen.« Christophe Sardet
management ISO 50001. Außerdem schafft die dezentrale Energiegewinnung auch Arbeitsplätze, und letztlich profitieren die Bürger davon, dass mehr Geld in der kommunalen Kasse bleibt. Welche Hemmnisse verhindern, dass mehr getan wird? Christophe Sardet: Noch nicht immer und überall achten die Kommunen in Sachen Wasserwirtschaft schon konsequent auf Nachhaltigkeit, etwa bei der Ausschreibung von Dienstleistungen. Ich denke aber, ihnen wird zunehmend deutlich, dass dies ein sehr wirksamer Hebel sein kann, um den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verringern und damit einen nachvollziehbaren und effektiven Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten. Ist die Wasser- und Abwasserwirtschaft in Deutschland denn gut gerüstet für die Energiewende? Christophe Sardet: Im Moment sind wir in Deutschland beispielgebend, was ingenieurwissenschaftliches Know-how und die Technologie in diesem Bereich angeht. Diesen Vorsprung sollten wir nutzen und weiter ausbauen.
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Aus dem Unternehmen Forschungsprojekt zu Spurenstoffen im Wasser
Veolia renoviert Europas größte Käranlage
Besonders in urbanen Zentren gelangen unerwünschte Spurenstoffe wie Medikamente und andere Substanzen in den natürlichen Wasserkreislauf. Durch geringeren Wasserverbrauch und kärgere Niederschläge könnte ihre Konzentration in Zukunft steigen, weil sie sich in den Gewässern weniger stark verdünnen. Um auf Dauer sicherzustellen, dass von diesen Stoffen keine Beeinträchtigung der Trinkwasserqualität ausgeht, werden neue Ansätze benötigt. Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt ASKURIS (Anthropogene Spurenstoffe und Krankheitserreger im urbanen Wasserkreislauf) soll moderne Verfahren weiterentwickeln, um Spurenstoffe und Bakterien analytisch aufzuspüren, ihre Relevanz zu prüfen und sie gegebenenfalls zu entfernen. Eine soziologische Studie untersucht Wahrnehmung und Verhalten von Wasserkonsumenten und leitet daraus Empfehlungen für Versorgungsunternehmen ab. ASKURIS ist ein dreijähriges Projekt unter Leitung von Prof. Martin Jekel vom Fachgebiet Wasserreinhaltung an der Technischen Universität Berlin; beteiligt sind unter anderem die Berliner Wasserbetriebe, das Umweltbundesamt und das Kompetenzzentrum Wasser Berlin.
Die zweitgrößte Kläranlage der Welt, Seine Aval bei Paris, soll von einem Konsortium unter der Führung von OTV, einem Unternehmen von Veolia Water Solutions & Technologies, bis Ende 2017 umfassend renoviert werden. Ziel ist es, durch verbesserte Reinigungsverfahren, u. a. den Einsatz modernster Membranfiltration, vor allem den Stickstoffeintrag zu verringern und so den ökologischen Zustand der Seine erheblich zu verbessern. Dabei werden so kompakte Anlagen installiert, dass 17 Hektar ufernahe Fläche nutzbar werden. Der Auftrag besitzt ein Gesamtvolumen von 776,7 Millionen Euro. Seine Aval behandelt rund 1,45 Milliarden Kubikmeter Abwasser pro Tag für 6,5 Millionen Einwohner. OTV will den Umbau bei laufendem Betrieb durchführen; die Inbetriebnahme der neuen Anlagen ist für Ende 2017 geplant.
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Klima-Fußabdruck unter der Lupe Im Jahr 2010 hat Veolia Wasser begonnen, Daten zu sammeln, um seinen »Carbon Footprint«, also den CO2 -Ausstoß durch betriebliche Aktivitäten, zu ermitteln. Erste Ergebnisse liegen nun vor: So macht in den Wasserunternehmen – ausgenommen die Berliner Wasserbetriebe – der betriebliche Energieverbrauch mit rund 23 000 Tonnen CO2 / Jahr den Löwenanteil der Emissionen aus, auch die Fahrzeugflotte (4 000 t), der Verbrauch von Chemikalien (1 000 t) und die Klärschlammentsorgung (1140 t) tragen nennenswert dazu bei. In der Niederlassung Grimma der Veolia-Tochter OEWA wurde exemplarisch im Detail untersucht, wo die Möglichkeiten zur Verringerung des Fußabdrucks liegen. Dort zeigte sich, dass auch Bautätigkeiten einen hohen Beitrag zu den Emissionen leisten, etwa durch die Herstellung von Materialien oder durch Transporte. Veolia Wasser will deshalb weiter an Ideen zur Energieeinsparung und -erzeugung arbeiten, um den CO2-Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent zu senken, wie es in den Unternehmenszielen festgeschrieben ist. Mittelfristig soll die Erfassung des Carbon Footprints als Dienstleistung auch Kommunen angeboten werden, die dadurch eine bessere Datengrundlage für ihre Klimaschutz-Aktivitäten gewinnen können.
Hamburg-Köln-Express fährt mit Veolia Verkehr Veolia Verkehr wird künftig für den Bahnbetrieb des privaten Hamburg-Köln-Express (HKX) verantwortlich sein. Ein entsprechender Vertrag wurde Mitte März unterzeichnet. Die für den Eisenbahnbetrieb notwendigen Aufgaben führt die Tochter Ostseeland Verkehr GmbH (OLA) durch. Darunter fallen etwa die Bereitstellung von Loks, Triebfahrzeug- und Zugführern, die operative Steuerung sowie die Reinigung und Instandhaltung der Züge. Der HKX wird dreimal täglich zwischen Hamburg und Köln mit einer Fahrtzeit von je vier Stunden pendeln. Der genaue Betriebsstart wird nach der Zulassung durch das Eisenbahn-Bundesamt bekannt gegeben.
Audit im Big Apple: Veolia Wasser ist Partner von New York City
Qualität und hohen Service in der Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie sinkende Tarife für die rund neun Millionen Einwohner des Großraums – dies erwartet New York City durch die Zusammenarbeit mit Veolia Wasser. Anfang April haben die städtische Umweltbehörde DEP und der Wasserdienstleister dazu einen Partnerschaftsvertrag geschlossen. Ein Team von Veolia-Experten aus Deutschland und anderen Ländern untersucht zunächst den Zustand der Wasser- und Abwassersysteme und gibt dann Empfehlungen für verbesserte Betriebsabläufe und Kostensenkungen. Bei einer positiven Entscheidung der Stadt wird der Wasserspezialist in einer zweiten, vierjährigen Phase diese Empfehlungen umsetzen. Veolia Wasser rechnet dabei mit Einsparungen zwischen 100 und 200 Millionen US-Dollar jährlich an Betriebs- und Instandhaltungskosten. Das neue Vertragsmodell orientiert sich an den Bedürfnissen der Kommune und erlaubt ihr, von den Erfahrungen des Experten zu profitieren und dabei Kosten zu sparen. Die Einnahmen von Veolia Wasser orientieren sich an den tatsächlich erzielten Einsparungen, so dass sich Vorteile und Risiken auf beide Partner verteilen.
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Wasser, 24 /7 Veolia verbessert die Versorgung in der indischen Millionenstadt Nagpur.
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nnähernd 3 Millionen Einwohner hat Nagpur, die zehntgrößte Stadt Indiens, und mehr als ein Drittel von ihnen leben in Slums. Eine Wasserversorgung gibt es auch heute schon aber längst nicht für alle Bewohner, und nur zwischen zwei und zwölf Stunden am Tag. Das wird sich jetzt ändern: Nagpur hat eine langfristige öffentlichprivate Partnerschaft in der Wasserversorgung gestartet, um die sichere Versorgung der schnell wachsenden Metropole zu sichern.
»Es ist unsere Verantwortung, den Zugang zu Wasser für alle voranzubringen, unabhängig vom sozialen Niveau und den Lebensbedingungen der Menschen. In Nagpur, wie auch anderenorts, werden wir das jederzeit sicherstellen, und wir werden uns dabei mehr denn je auf die am stärksten benachteiligten Menschen konzentrieren. Das ist die Herausforderung, die wir meistern müssen. Gleichzeitig müssen wir tätig werden, um die Umweltfolgen unserer Arbeit zu begrenzen, indem wir die Wasserressourcen schützen und konsequent die Verschwendung bekämpfen – in einem Land, in dem Wasser knapp und wertvoll ist.« Dabei hat die Kommune mit dem Unternehmen Orange City Water, einem Joint Venture von Veolia mit einem lokalen Partner, anspruchsvolle Ziele vereinbart: 24/7, also 24 Stunden am Tag, an sieben Tage in der Woche, soll sicheres, den Standards der Weltgesundheitsorganisation entsprechendes Trinkwasser mit konstantem Druck aus der Leitung kommen – auch für eine Million Slumbewohner. Ein Ziel, das so bislang noch keine indische Großstadt erreicht hat. In den ersten fünf Jahren der Partnerschaft ist ein intensives Ausbauprogramm vorgesehen: 360 000 neue Anschlüsse sollen herge-stellt werden, 2 500 Kilometer Leitungsnetz sind zu erneuern oder neu zu bauen, sechs Wasserwerke zu modernisieren. So sollen unter anderem die Leitungsverluste von heute über 60 Prozent erheblich gesenkt werden.
Die Versorgung der Slums wird durch eine soziologische Untersuchung vorbereitet, um den Bedürfnissen und Erwartungen der Bewohner möglichst gut gerecht werden zu können. Sie wird außerdem von intensiver Kommunikations- und Aufklärungsarbeit vor Ort begleitet, zum Beispiel durch »Waterfriends«, die Haushalte aufsuchen und beraten. Für den Kundenservice gilt ebenso wie für die Versorgung selbst das 24/7-Prinzip – zu jeder Tages- und Nachtzeit sollen die Verbraucher Rat und Hilfe bei allen Fragen rund um die Versorgung und Abrechnung erhalten.
Bei dieser riesigen Aufgabe setzt Orange City Water auf das Personal der bisherigen städtischen Wasserbetriebe – 430 direkte Mitarbeiter ebenso wie tausende von Subunternehmern. Sie alle werden intensiv geschult, sowohl in technischer Hinsicht als auch zum Beispiel im Bereich Arbeitssicherheit.
Veolia Water India erhielt den Zuschlag in einer internationalen Ausschreibung, nachdem ein Pilotprojekt in einem Stadtteil bereits erfolgreich verlaufen war. Die für 25 Jahre geschlossene öffentlich-private Partnerschaft ist die erste in Indien, die die Wasserversorgung einer ganzen Stadt umfasst.
Jean-Michel Herrewyn, CEO Veolia Water
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Gebändigt und gereinigt Auf den Spuren von Braunschweigs Abwasser.
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analisation und moderne Kläranlagen sind heute in deutschen Städten selbstverständlich. Was man oft vergisst: Das ist noch nicht lange der Fall. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es die harte Arbeit beherzter Pioniere, die erst das weitere Wachstum der Städte ohne Seuchengefahr möglich machte. Zum Beispiel in Braunschweig, wo ein aus dem Mittelalter stammendes System von Gräben umgebaut wurde.
Vermutlich im zehnten Jahrhundert: An den Ufern der Oker wird die Siedlung Braunschweig gegründet. Auf den Inseln der Okerniederung werden später der Dom und die Kirche St. Katharinen entstehen. Bei Schneeschmelze im Harz fließt das Wasser bis zu 700 Meter breit durch das Gebiet, das später zur Stadt wird. Um den Fluss zu bändigen und die Überflutung bei Hochwasser zu verhindern, begannen die Einwohner um das Jahr 1200 mit dem Bau von Umflutgräben. Diese neuen Wasserläufe umschlossen die Stadt und dienten zugleich als Wehrgräben, hinter denen die schützende Stadtmauer verlief. Historiker Wolfgang Ernst beschreibt den damaligen Alltag. »Alle Einwohner der Stadt, ihre Frauen und sogar alle Kinder, die über 12 Jahre alt waren, mussten helfen. Wer nicht graben wollte, hatte eine Summe Geldes zu bezahlen. Daneben beschäftigte die Stadt festangestellte Erdarbeiter. Beleidigungen und Ungehorsam (…) wurden mit Zwangsarbeit am Graben bestraft. So mussten zwei desertierte und wieder eingefangene Stadtsoldaten 600 Karren Erde auf den Wall schieben.« Bis ins 19. Jahrhundert diente die Oker der Stadt Braunschweig zugleich zur Wasserver- und -entsorgung. Alle Abwässer wurden über die Wassergräben dem Fluss zugeführt – mit steigender Einwohneranzahl zunehmend ein Problem. Die Wasserqualität der Oker war schlecht, und der Geruch des Abwassers tat ein Übriges. Eine Zeitzeugin, die im Jahre 1849 nach Braunschweig zog, schilderte 1933 ihre Eindrücke: »Vielfach durchquerten Kanäle der Oker die Straßen, die ringsum die Stadt begrenzte[n]. (…) Auf den Kanälen sah man häufig die flachen Kähne der Lohgerber, die mit langen Stangen durch die Fluten der Oker stakten. Gondellieder habe ich aber nie gehört; die wenig duftenden Ufer des Flusses, der geduldig alles aufneh-
men musste, was heutzutage die Rieselfelder befruchtet, ließen wohl keine Sangesfreudigkeit zu!« Auf Initiative des städtischen Oberingenieurs Louis Mitgau begann ab 1869 in einem groß angelegten Bauprojekt die systematische Abdeckung der Okergräben in der Braunschweiger Innenstadt. Mit Eröffnung eines Abwasserpumpwerks und des Rieselguts Steinhof vor den Toren der Stadt 1895 wurden schließlich keine Abwässer mehr in die Oker geleitet, ein Quantensprung für die Qualität des Gewässers und die Sicherheit der Trinkwasserversorgung. Diese wurde zunächst auf Grundwasser aus dem Stadtgebiet, während des zweiten Weltkriegs dann auf Talsperrenwasser aus dem Harz umgestellt. Zwischen 1900 und 2000 stieg die Lebenserwartung der Einwohner von 45 auf 85 Jahre. Die Abwasserleitung nach Steinhof ist bis heute in Betrieb, dort gewährleisten inzwischen modernste Technologie und naturnahe Verfahren die reibungslose Abwasserentsorgung für rund 240 000 Braunschweiger. Von den alten Gräben ist im Stadtbild nur noch bei genauem Hinschauen etwas zu sehen. Auszüge entnommen aus: Wolfgang Ernst: »Braunschweigs Unterwelt«, Band 1, Appelhans-Verlag Braunschweig 2011, Herausgeber: SE |BS Stadtentwässerung Braunschweig
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Termine 7. – 11. Mai 2012, München
12. – 13. Juni 2012, Berlin
IFAT Entsorga 2012
11. DWA-RegenwasserTage
Internationale Fachmesse für Innovationen und Dienstleistungen in den Bereichen Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft
Fachtagung und Ausstellung zu Ableitung, Behandlung und Bewirtschaftung von Niederschlagswasser
www.dwa.de
Veolia Wasser auf der IFAT: Montag, 7. Mai 2012
12. – 14. Juni 2012, Köln
15:00 Uhr: Höchstleistung mit knappen Ressourcen
Renewable Energy World Europe Conference
Dienstag, 8. Mai 2012
Kongress und Ausstellung für den europäischen Elektrizitäts- und Energietechnologiesektor
10:30 Uhr: Environmental footprint 15:00 Uhr: Podiumsdiskussion > Partner, Wettbewerber oder Monopolist? Wie viel Staat nützt dem Bürger?
www.renewableenergyworld-europe.com
Mittwoch, 9. Mai 2012
26. – 28. Juni 2012, Berlin
10:30 Uhr: Qualitätssicherung im Trinkwasserbereich 13:30 Uhr: Water2Energy – Das Wasser als vielseitige Energiequelle 15:00 Uhr: Was können wir tun, um die Welt zu retten?
BDEW Kongress 2012 Kongress der Energie- und Wasserbranche zum Thema »MÄRKTE VON MORGEN – zwischen Wettbewerb und Regulierung«
www.bdew.de
Donnerstag, 10. Mai 2012 10:30 Uhr: Water2Energy – Concept to reach high level of energy efficiency 14:00 Uhr: Smart well field management – Energieeinsparungen durch Brunnenfeldoptimierung – Projekt OptiWells
www.ifat.de
27. – 29. Juni 2012, München
2. IAHR Europa Kongress Fachkongress zum Thema »Wasser – unendlich formbar aber dennoch begrenzt«
www.iahr2012.tum.de
8. Mai 2012, Dortmund
4. August 2012, Berlin
BDEW Informationstag Energie Fachtagung zum Thema »Energiewende und Akzeptanz – So setzen Sie lokale Infrastrukturprojekte erfolgreich um!«
www.ew-online.de
Wasserfest der Berliner Wasserbetriebe Familienfest in Berlins Mitte mit Livemusik und kulinarischen Köstlichkeiten
www.wasserfest-berlin.de
12. – 15. Mai 2012, Bonn
Resilient Cities 2012
27. – 29. August 2012, Berlin
Internationaler Fachkongress zu kommunaler Entwicklung und Innovationen zur Anpassung an Klimaveränderungen
Fachkongress zu erneuerbaren Energien und Energiewende
3. Handelsblatt Jahrestagung – Erneuerbare Energien 2012 www.erneuerbare-energien-tagung.de
http://resilient-cities.iclei.org/bonn2012
Veolia Environnement in Deutschland www.veolia.de
www.veolia-verkehr.de
www.veoliawasser.de
www.veolia-umweltservice.de
www.dalkia.de
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