Unsere Werte – unsere Geschichte IMPULSE FÜR DIE KINDER- UND JUGENDARBEIT DER NATURFREUNDE AUSGABE 2/2016 Viele junge Menschen haben ihren ersten Kontakt mit der Naturfreundejugend auf einer Freizeit, einer Reise oder bei einem natursportlichen Angebot. Diese Handreichung soll dich als Teamer*in dabei unterstützen, diese ersten Erfahrungen mit unserem Verband auch zum Kennenlernen unserer Werte und unserer Geschichte zu nutzen. Gerade auf Reisen und Freizeiten leben wir unsere Vorstellungen von Gemeinschaftlichkeit und Respekt. Wir bemühen uns, alle Aspekte des Angebotes so nachhaltig wie möglich zu gestalten und Demokratie und Mitbestimmung in der Gruppe zu verwirklichen. Nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber!“ sollten wir die Teilnehmer*innen auch unsere Motivation dahinter kennenlernen lassen: die Idee einer friedlichen, gerechten und nachhaltigen Gesellschaft, in der wir gemeinsam leben wollen. Dass Naturfreund*innen sogar für ihre Überzeugungen gestorben sind, als der Verband von den Nationalsozialisten verboten war, ist gerade in dieser Zeit, in der nationalistische Ideologien wieder an Einfluss gewinnen, ein wichtiges Thema. Diese Handreichung fasst wichtige Informationen zu unserer Geschichte und zu unserem Leitbild zusammen und gibt Anregungen, wie du diese auf Reisen und sportlichen Freizeiten nutzen kannst, um mit Teilnehmer*innen ins Gespräch zu kommen. Viel Spaß dabei und Berg frei!
UNSERE WERTE – UNSERE GESCHICHTE
1
Unser Leitbild So vielfältig wie unsere Mitglieder sind auch unsere Ortsgruppen und ihre Aktivitäten. Manche bieten vielleicht ganz besonders viele Sportveranstaltungen oder Jugendreisen an. Andere legen ihren Schwerpunkt eher auf Umweltthemen und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Und dann gibt es natürlich Naturfreund*innen und Ortsgruppen, die unser Zusammenleben hinterfragen und neue Lösungen für eine gerechtere Gesellschaft finden und ausprobieren. Allen gemeinsam ist, dass sie sich in ihrem Handeln an unserem Leitbild orientieren, das auf fünf thematischen Säulen ruht: Solidarität, Nachhaltigkeit, Demokratie und Mitbestimmung, Bildung, Spaß und Erlebnis. Das Leitbild in voller Länge lest ihr online unter www.naturfreundejugend.de/leitbild SOLIDARITÄT Solidarität bedeutet für uns: Jede*r kann sich bei uns einbringen, unabhängig von
2
IMPULSE
Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe, Aussehen, Religion oder physischen und psychischen Fähigkeiten. Statt festgeschriebenen Rollen und Räumen finden Teilnehmer*innen bei der Naturfreundejugend eine offene und wertschätzende Gemeinschaft, in der jede*r sich so einbringen kann, wie er*sie kann und möchte. Unsere Freizeiten und Aktivitäten bieten wir in unterschiedlichen Preisstaffeln an, damit auch Kinder und Jugendliche, die keine reichen Eltern haben, mitmachen können. Geflüchtete Kinder und junge Erwachsene finden in vielen Ortsgruppen Unterstützung dabei, in ihrer neuen Heimat Fuß zu fassen und neue Freunde kennenzulernen. NACHHALTIGKEIT Wir setzen uns dafür ein, dass zukünftige Generationen in einer intakten Natur aufwachsen können. Nachhaltigkeit bedeutet für uns Respekt für die Umwelt und die Rechte aller jetzt und zukünftig lebenden Menschen. Wenn möglich setzen wir daher darauf, Material wiederzuverwenden statt
neu zu kaufen. Plastikmüll und unnötige Verpackungen ersetzen wir durch Mehrwegbehältern. Die Naturfreundejugend macht sich stark für eine Welt ohne Kohlestrom und Atomenergie, und dazu gehört auch, unnötigen Stromverbrauch zu vermeiden. Wenn wir reisen, dann am besten zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Für längere Strecken benutzen wir Bus und Bahn. Auch bei der Ernährung setzen wir auf fleischarme oder vegetarische Ernährung aus ökologisch-regionaler Erzeugung als Beitrag zum Klimaschutz. DEMOKRATIE UND MITBESTIMMUNG Ebenso zentral für die Naturfreundejugend ist die Mitwirkung aller Personen in allen Bereichen des Verbandes. Wir fördern und fordern von unseren jungen Mitgliedern Engagement und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Wir gestalten unsere Arbeit so, dass sich auch weniger erfahrene Naturfreund*innen schnell aktiv einbringen und gemeinsame Aktivitäten gestalten können. Wir wollen jungen Menschen die Möglichkeit geben, sich selbstständig eine Meinung zu bilden und ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Darum setzen wir uns auch für ein Wahlrecht ab 14 Jahren ein. Wieso sollen immer nur die „Großen“ bestimmen, was am besten für die „Kleinen“ ist? Bei uns lernen junge Menschen, dass Demokratie ein aktiver Prozess ist, an dem sich alle beteiligen sollen und können.
BILDUNG Bildung ist für uns ein wichtiges Gut und steht immer im Mittelpunkt unserer Veranstaltungen. Bei der Naturfreundejugend lernen junge Menschen Dinge, die auf keinem Lehrplan stehen: Verantwortung übernehmen, Gruppen organisieren oder aktiv werden in der Politik. Bei uns lernen junge Teamer*innen und Teilnehmer*innen heute, wie sie sich morgen aktiv in unsere Gesellschaft einbringen und diese mitgestalten können. Bildung bedeutet für uns auch, junge Menschen zusammenzubringen. Wir fördern den interkulturellen Austausch und pflegen enge Kontakte mit Jugendorganisationen im Inund Ausland. SPASS UND ERLEBNIS Spaß und Action gehören bei der Naturfreundejugend auf jeden Fall dazu. Schließlich sollen unsere Teilnehmer*innen den Sommer oder Winter ihres Lebens mit uns erleben. Das gilt natürlich auch für unsere Teamer*innen, die darauf achten, dass der Spaß niemals auf Kosten anderer geht. Viele junge Menschen wollen selbst aktiv sein und ihre Ideen in Taten umsetzen. Ermutigt sie dazu und zeigt ihnen, dass Engagement und Interesse nicht nur sinnvoll und nützlich sind, sondern auch eine Menge Spaß machen können. Unsere Freizeiten und Sportangebote im Grünen sind ein guter Anlass für jede*n Teilnehmer*in, unsere Idee einer solidarischen Gemeinschaft in einer intakten Umwelt kennen und schätzen zu lernen.
UNSERE WERTE – UNSERE GESCHICHTE
3
Unsere Geschichte Viele unserer Grundprinzipien sind so alt wie der Verband selbst. Damit ihr gemeinsam mit euren Teilnehmer*innen unsere Wurzeln entdecken könnt, haben wir hier die Geschichte der Naturfreundejugend kompakt zusammengefasst. Eine tolle Möglichkeit, um dieses Wissen weiter zu vermitteln, wäre zum Beispiel eine Lesenacht oder ein Themennachmittag. Dabei könnt ihr euch über bedeutende Ereignisse in der Geschichte des Verbandes austauschen. Vorgeschichte: Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert zogen immer mehr Menschen vom Land in die Stadt. Viele Bäuer*innen wurden zu Arbeiter*innen in großen Fabriken und Manufakturen, wie der Metallindustrie. Das Land außerhalb der Städte war zum größten Teil in der Hand von Großgrundbesitzern und deren Wander-, Bergsteiger- und Sportvereinen vorbehalten. Dadurch blieb den meisten Arbeiter*innen der Zugang zur Natur verwehrt. „Den arbeitenden Menschen aus grauen Städten den Zugang zur Natur erschließen“, wurde deshalb zum Ziel der Arbeiter*innen. Sie wollten durch gemeinsame Aktivitäten ein Gemeinschaftsgefühl und eine Grundlage für eine sozialistische, demokratische Gesellschaft schaffen.
4
IMPULSE
März 1895: Im März 1895 setzte der österreichische Lehrer Georg Schmiedl einen Aufruf in eine Arbeiter*innenzeitung, in dem er nach Gleichgesinnten für eine „touristische Gruppe“ suchte. Auf diesen Aufruf meldeten sich sofort drei Personen: Josef Rohrauer, sein Vater Alois und Karl Renner. Schon am folgenden Ostersonntag veranstalteten sie eine erste Wandertour im Wiener Wald (Österreich). Am 16. September 1895 gründeten 185 Männer und Frauen „Die Naturfreunde“ in Wien. 1897: Im Jahre 1897 erschien erstmalig die Zeitschrift „Der Naturfreund“ in einer Auflage von 400 Stück.
1900: Im Januar beschloss die Gründungsversammlung der Ortsgruppe Graz, „Berg frei“ zum Gruß der steierischen Naturfreunde zu machen. Die Idee wurde für den gesamten Verband übernommen. Der kämpferische Gruß ist Ausdruck der Forderung nach dem Recht auf Freizeit in den Bergen.
1905: Als 42. Gruppe im Gesamtverband der Naturfreunde gründete sich 1905 die erste deutsche Gruppe in München. Bis zu diesem Zeitpunkt zählten die Naturfreunde schon fast 9.000 Mitglieder. 1907 und 1912: In Österreich und Deutschland wurden die ersten Naturfreundehäuser errichtet. 1919: Der Touristenverband wuchs rasant: 1919 hatte er schon 46.000 Mitglieder. Drei Jahre später waren es bereits etwa 159.000 begeisterte Wander*innen und Aktivist*innen. 1926: Die erste Versammlung der deutschen Naturfreunde fand statt, in der es auch um die Verabschiedung der „Richtlinien über den Ausbau der zukünftigen Jugendarbeit“ ging. Die Naturfreundejugend Deutschlands wurde als selbstständige Gliederung gegründet. 1933: Bereits zu Beginn des Nazi-Regimes wurden die Naturfreunde verboten. Es folgte die Beschlagnahmung der 428 selbsterbauten Naturfreundehäuser in Deutschland und Österreich. Obwohl die Mitgliedschaft verboten war und viele Naturfreund*innen in Zuchthäuser oder Konzentrationslager gesperrt wurden, leisteten manche Ortsgruppen im Untergrund Widerstand.
Die „Roten Bergsteiger“
Die Vereinigte Kletterabteilung (VKA), auch bekannt als „Rote Bergsteiger“, gründete sich in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts als sächsischer Landesverband der Naturfreunde. Dem Bund linker Bergsteiger war Sport und Bewegung am Berg ebenso wichtig wie der politische Kampf gegen die drohende Gefahr der faschistischen Diktatur. Als Widerstandsgruppe in Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus war die VKA besonders in der Sächsischen Schweiz und im Erzgebirge aktiv. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nutzten die Naturfreunde ihre Geländekenntnisse für illegale Grenzgänge. Sie schmuggelten Flugschriften über die tschechische Grenze nach Deutschland oder Verfolgte nach Tschechien in Sicherheit. Viele Mitglieder der Gruppe wurden verhaftet, in Konzentrationslager verbracht oder ermordet. Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Vereinigte_ Kletterabteilung (CC-by-sa-3.0) UNSERE WERTE – UNSERE GESCHICHTE
5
1945: Das Ende der Nazidiktatur markierte den Neuanfang für die Organisation der NaturFreunde und der Naturfreundejugend in Deutschland. Viele enteignete Häuser wurden zurückgegeben und in Westdeutschland bildeten sich neue Ortsgruppen. 1950: Als länderübergreifende Gliederung wurde die Naturfreunde Internationale (NFI) gegründet. Sie setzte sich aus selbständigen Landesverbänden in 17 Ländern auf allen fünf Kontinenten zusammen und zählte um die 270.000 Mitglieder. Heute sind es rund eine halbe Million. 1962: Die NaturFreunde beteiligten sich an den Ostermärschen der Atomwaffengegner.
1975: Die Jugendorganisation der Naturfreunde Internationale (IYNF) wurde eine eigenständige Organisation. 1989: Da in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) die SED mit der Freien Deutschen Jugend (FDJ) eine eigene Jugendorganisation hatte, gab es die Naturfreundejugend dort nicht in ihrer bisherigen Form. Mit der Wiedervereinigung begann auch in Ostdeutschland die Neuorganisation der Naturfreundejugend. 1997: Die Bundeskonferenzen des Kinder- und Jugendverbandes der NaturFreunde Deutschlands beschließen in Erfurt ihren Zusammenschluss. Anschließend fand die erste gemeinsame Bundeskonferenz statt. 2000: Die Naturfreundejugend Deutschlands veranstaltete ihren ersten Kindergipfel anlässlich der Weltausstellung Expo in Hannover. 2016: Unter dem Motto „Vielfalt statt Einfalt“ feierte die Naturfreundejugend Deutschlands ihr 90-jähriges Bestehen mit einem großen Bundestreffen in Michelstadt (Hessen).
6
IMPULSE
Anregungen für die Umsetzung NATURFREUNDELIEDER AM LAGERFEUER Gemeinsames Singen am Lagerfeuer ist ein schöner Programmpunkt vieler Freizeiten und Camps. Man braucht lediglich eine Gitarre und ein Liederbuch. Ein paar Worte zur Herkunft der Naturfreundelieder, zum historischen Hintergrund bestimmter Arbeiterlieder oder zur Erklärung auftauchender Redewendungen können die Arbeit bereichern.
Mehr Infos dazu: Naturfreundin Ausgabe 4-2008, Naturfreunde Liederbuch „Berg frei!“ www.volksliederarchiv.de/lexikon/ berg-frei
FILMABEND In verschiedenen Projekten der Naturfreundejugend sind Videos entstanden. Diese decken ganz unterschiedliche Themen wie Vielfalt, Jugendreisen, Internationale Begegnungen, Beteiligung von Jugendlichen oder Natursport ab. Wenn die technischen Voraussetzungen auf eurer Freizeit erfüllt sind (Beamer, Leinwand, Computer, Lautsprecher und ein geeigneter Ort), vermitteln die Filme vielfältige Eindrücke vom Verband und können zum Diskutieren anregen.
ZEITZEUGEN EINLADEN Wollt ihr tiefer in die Geschichte des Verbandes einsteigen, bietet es sich an, ältere Naturfreund*innen einzuladen. Sicherlich gibt es in eurer Ortsgruppe oder eurem Landesverband Personen, die vom Wiederaufbau des Verbandes nach 1945 erzählen können oder Kenntnisse über die Zeit davor haben. Fragt einmal im Landesverband oder der Bundesgeschäftsstelle nach. FOTOAUSSTELLUNG Vielleicht gibt es auf eurem Camp einen zentralen Ort, an dem ihr eine Infoecke zum Verband einrichten könnt. Besorgt euch ein paar historische Aufnahmen, die ihr an Wäscheleinen aufspannen könnt. Broschüren, Flyer, Poster und vieles mehr bekommt ihr in der Bundesgeschäftsstelle.
Mit einem kleinen Quiz, bei dem es auch was zu gewinnen gibt, könnt ihr die Aufmerksamkeit erhöhen. www.naturfreundejugend.de/shop
Unser Kanal: www.youtube.com/ naturfreundejugenddeutschlands
UNSERE WERTE – UNSERE GESCHICHTE
7
Literatur
IMPRESSUM
Für die weitergehende Beschäftigung mit der Geschichte der Naturfreundebewegung eignen sich die folgenden Bücher
Redaktion: Sebastian Bozada, Tanja Kelm, Tobias Thiele (V.i.S.d.P) Kontakt: thiele@naturfreundejugend.de Herausgeber: Naturfreundejugend Deutschlands, Warschauer Str. 59a, 10243 Berlin Tel. 0 30 / 29 77 32 70 Fax: 0 30 / 29 77 32 80 info@naturfreundejugend.de www.naturfreundejugend.de Layout: Nicole Jaecke (fija.de) Fotos: NaturFreunde Deutschlands, Naturfreundejugend Deutschlands
Wir sind die grüne Garde. Geschichte der Naturfreundejugend, von Heinz Hoffmann (Hrsg.) Naturfreund sein heißt Mensch sein: Naturfreunde im Widerstand 1933 bis 1945, von Bruno Klaus Lampasiak Mit uns zieht die neue Zeit. Die Naturfreunde. Zur Geschichte eines alternativen Verbandes in der Arbeiterkulturbewegung, von Jochen Zimmer (Hrsg.) Erhältlich unter anderem über www.naturfreunde.de/Naturfreunde-Verlag
8
IMPULSE
Die „Impulse für die Kinder- und Jugendarbeit der NaturFreunde“ erscheinen in unregelmäßiger Folge und können von Teamer*innen kostenlos über www.naturfreundejugend.de/impulse bezogen werden. Gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.